Dr. Michael J. Winckler Mathe–Star–Initiative IWR, Raum 502, INF 368, 69120 Heidelberg [email protected] http://www.iwr.uni-heidelberg.de/teaching/Mathe-Star/ Mathe–Star Lösungen Runde 2 2009/10 Allgemeine Lösungeshinweise Die folgenden Tipps fassen einige Punkte zusammen, die zur vollständigen und fehlerfreien Beantwortung von Aufgaben beachtet werden sollten. 1. Enger Bezug zum Aufgabentext Im Rahmen der Bearbeitung der Frage sollten nur aus den in der Aufgabe explizit genannten Hinweisen Schlüsse gezogen werden. Die Einbeziehung weiterer Annahmen in die Aufgabe ist nur insoweit gerechtfertigt, als sie sich zweifelsfrei aus den allgemeinen Bemerkungen zur Aufgabenstellung ergeben. Beispielsweise kann von einem Ball in einer Aufgabenstellung angenommen werden, dass es sich um eine perfekte Kugel handelt. Vermessungsaufgaben in freier Natur können (falls nicht explizit anders angegeben) in der Ebene (d.h. unter Vernachlässigung der Erdkrümmung) berechnet werden. Von einem 5-Liter-Gefäß kann man aber nicht annehmen, dass es eine Messskala besitzt oder dass man es verwenden kann, um andere Masseinheiten als 5 Liter abzumessen. 2. Vollständigkeit der Antwort und logisches Ableiten Zu den in der Aufgabenstellung aufgestellten Behauptungen und Fragen muss in der Lösung Stellung bezogen werden. Aus einem Antwortsatz oder einer anderen geeigneten schriftlichen Darlegung muss klar zum Ausdruck kommen, wie die richtige Lösung zum gestellten Problem aussieht. Zu dieser Antwort sollte im Rahmen der Ausarbeitung der Lösung eine logische Ableitung verfasst werden. Dabei sind alle wesentlichen Gedankenschritte von der Aufgabenstellung bis zur Lösung darzustellen. Kann aus der Angabe der Lösung unmittelbar deren Richtigkeit festgestellt werden (z.B. bei einem Sudoku), so ist es hilfreich, eine Bemerkung zur Eindeutigkeit der gegebenen Lösung zuzufügen. Die Frage, ob es zu einem Problem mehrere Lösungen gibt, ist in der Mathematik von fundamentaler Bedeutung für die Bewertung einer angegebenen bzw. gefundenen Lösung. 3. Lesbarkeit und Darstellung Die Lösung einer Aufgabe soll es einem neutralen Beobachter ermöglichen, die Richtigkeit des Schlusses nachzuvollziehen und dabei die verwendeten Hilfsmittel kennenzulernen. In diesem Sinne ist eine Darstellung der Lösung vorzuziehen, die prägnant und übersichtlich die Lösungsidee darstellt. Zeichnungen oder Diagramme können ein Hilfsmittel zur Verdeutlichung eines Lösungswegs sein. Dabei ist aber meist ein ergänzender Kommentar notwendig, um die Lösungsidee verständlich zu machen. Bei handschriftlichen Lösungen ist zudem eine klare und lesbare Schrift notwendig. Symbole und Kurzschriften sollten erläutert werden, wenn es sich nicht um mathematische Standard(-Schul)Notation handelt. Klasse 5-7 Aufgabe: Hunderennen Bei einem Hunderennen sind in der Endrunde noch 4 Hunde, die ein letztes Mal gegeneinander antreten: Angus, Balto, Cory und Dorian. Die drei Experten Ralf, Stephan und Thorsten unterhalten sich vor dem Rennen über die Chancen der Hunde und geben folgende Prognose ab: Ralf: Balto wird erster und Angus letzter. Stephan: Cory gewinnt und Dorian wird zweiter. Thorsten: Dorian wird erster und Angus vorletzer. Nach dem Rennen steht fest, dass jeder der Experten mit genau einer seiner Aussagen Recht hatte. Welchen Platz belegen die Hunde jeweils, wenn keine zwei Hunde gleichzeitig über die Ziellinie kamen? Lösung: Balto gewinnt, Dorian wird zweiter, Angus dritter und Cory letzter. Auf dieses Ergebnis kommt man, indem man eine Fallunterscheidung vornimmt. Fall 1 : Die erste Aussage von Thorsten stimmt. Es gewinnt also Dorian. Somit können Balto und Cory nicht mehr erster werden und jeweils die zweite Aussage von Ralf und Stephan müssen stimmen. Damit würde Angus letzter und Dorian zweiter. Da Dorian aber schon erster ist, erhält man hier keine Lösung. Das heißt: Fall 2 : Die zweite Aussage von Thorsten muss stimmen: Angus wird vorletzter. Somit muss Ralfs erste Aussage stimmen und Balto wird erster. Dann kann Cory nicht mehr gewinnen, also muss die zweite Aussage von Stephan korrekt sein. Demzufolge wird Doriam zweiter. Nun ist von jedem Experten eine Aussage richtig. Bleibt nur noch Cory übrig. Dieser erhält den vierten Platz. Klasse 8-10 Aufgabe: Wasserleitung Professor Knobel muss wieder einmal seinen Garten bewässern. Jedoch musste er heute feststellen, dass seine Wasserleitung defekt ist. Er überlegt sich deshalb Folgendes: Er muss sich eine Wasserleitung konstruieren, die so lange wie möglich ununterbrochen mit Wasser versorgt wird. Die Leitung wird über einen Trichter befüllt, in den 5 Liter passen. Aus ihm läuft in 10 Sekunden genau 1 Liter Wasser in die Leitung. Als Nachschub stehen in einer langen Reihe, jeweils mit 5m Abstand, gefüllte 5-Liter-Wassereimer bereit. Beim Holen der Eimer geht Prof. Knobel genau einen Meter pro Sekunde (die Eimer sind ja schwer...) und er kann immer nur einen Eimer zur Zeit schleppen. Dafür geht das Befüllen des Trichters sehr schnell (also ohne Zeitverlust). Zu Beginn steht Prof. Knobel am Trichter und hat bereits einen 5-Liter-Eimer in der Hand, den er zum Start in den Trichter entleert. (...nächste Seite...) a) Wie lange kann Prof. Knobel das Wasser ununterbrochen fließen lassen? b) Wie lange geht es, wenn der Einfülltrichter 10 Liter fasst? Lösung: Zuerst nummerieren wir die Eimer so, dass der Eimer direkt beim Trichter die 0, der nächste die 1 erhält usw. a) Da der Trichter, wenn man kein Wasser nachfüllt, nach spätestens 50s leer ist, kann man zwischen zwei Befüllungen nicht weiter als 1 2 ∗ 50s ∗ 1 m s = 25m und zurück laufen. Man erreicht also alle Eimer bis zum fünften; das Wasser läuft 6 ∗ 50s = 300s = 5min lang. b) Nach dieser Argumentation kann man bei dem Zehn-Liter-Trichter nicht weiter als bis zum Eimer Nummer 10 kommen. Tatsächlich kommt man aber nur bis zum Eimer 9. Das Wasser fließt also 500s = 8min20s ununterbrochen. Klasse 11-13 Aufgabe: Kniffel Professor Knobel spielt mit seinen Freunden Kniffel (auch Yahtzee genannt). Bei diesem Spiel geht es darum, mit fünf Würfeln bestimmte Kombinationen zu erreichen. Dazu hat man jeweils drei Versuche, wobei man nach jedem Wurf die gerade passenden Würfel liegen lassen kann, und nur mit den unpassen Würfeln weiterspielt. Eine Würfelkombination ist die “Große Straße”, bei der eine Folge von fünf aufeinanderfolgenden Augenzahlen erreicht werden muss. Professor Knobel hat nun in seinem ersten Wurf die Augenzahlen 1,1,3,3,4 gewürfelt und möchte versuchen, eine “Große Straße” zu würfeln. Frage: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihm dies mit seinen nächsten beiden Würfen gelingt? Lösung: Hier muss man sich zuerst überlegen, ob man eine größere Chance auf eine Große Straße hat, wenn man 1,3,4 liegen lässt oder wenn man nur die 3,4 liegen lässt. Dazu rechnen wir in beiden Fällen die Wahrscheinlichkeit für die Große Straße 1,2,3,4,5 durch. Fall 1: Es bleiben 1,3,4 liegen: 1. Wurf : 1 1 1 1 1 6 ∗ 6 + 6 ∗ 6 = 18 “2 oder 5 getroffen”: 16 ∗ 56 + 61 ∗ 56 + 64 ∗ 26 “weder 2 noch 5 getroffen”: 64 ∗ 46 = 49 Wahrscheinlichkeit für “2 und 5 getroffen”: Wahrscheinlichkeit für Wahrscheinlichkeit für = 1 2 2. Wurf : Wenn im 1. Wurf nichts getroffen: Wahrscheinlichkeit für jetzt “2 und 5 getroffen”: 1 18 Wenn im 1. Wurf nur eine Zahl (2 oder 5) getroffen: Wahrscheinlichkeit für “2 bzw 5 getroffen (je nachdem welche noch fehlt)”: 1 6 Daraus ergibt sich: 1 18 + 1 2 ∗ 1 6 + 4 9 ∗ 1 18 ≈ 0, 16358 ≈ 16, 36% Fall 2: Es bleiben nur 3,4 liegen (Es müssen also noch 1,2,5 gewürfelt werden): 1. Wurf : 6 63 “zwei Zahlen getroffen”: 36 ∗ 26 ∗ 65 + 36 ∗ 64 ∗ 26 + 63 ∗ 36 ∗ 26 = 72 63 3 4 4 3 3 4 3 3 3 111 “eine Zahl getroffen”: 6 ∗ 6 ∗ 6 + 6 ∗ 6 ∗ 6 + 6 ∗ 6 ∗ 6 = 63 “keine Zahl getroffen”: 63 ∗ 36 ∗ 63 = 27 63 Wahrscheinlichkeit für “alle gtroffen”: 36 ∗ Wahrscheinlichkeit für Wahrscheinlichkeit für Wahrscheinlichkeit für 2 6 ∗ 1 6 = 2. Wurf : Wenn im 1. Wurf nichts getroffen: Wahrscheinlichkeit für “jetzt alle getroffen”: 663 Wenn im 1. Wurf eine getroffen: Wahrscheinlichkeit für “jetzt beide fehlenden getroffen”: 26 ∗ Wenn im 1. Wurf zwei getroffen: Wahrscheinlichkeit für “jetzt die letzte fehlenden 1 1 6 = 18 1 getroffen”: 6 Daraus ergibt sich: 6 63 + 72 63 ∗ 1 6 + 111 63 ∗ 1 18 + 27 63 ∗ 6 63 ≈ 0, 11535 ≈ 11, 54% Da im Fall 1 nur die Straße 1,2,3,4,5 möglich ist, liegt die Wahrscheinlichkeit für die Große Straße hier bei ca. 16, 36%. Im 2. Fall wäre aber neben 1,2,3,4,5 auch die Straße 2,3,4,5,6 möglich. (Gleicher Rechenweg, ersetze nur 1 durch 6.) Das heißt: Wahrscheinlichkeit für 1,2,3,4,5: 11, 54% und Wahrscheinlichkeit für 1,2,3,4,5: 11, 54% und somit Wahrscheinlichkeit für irgendeine Große Straße: 23, 08% Die Lösung ist also: Prof. Knobel lässt nur die 3,4 liegen und würfelt mit drei Würfeln weiter. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihm mit seinen nächsten beiden Würfen eine große Straße gelingt, liegt bei 23, 08%. Offene Aufgabe Das Orakel von Delphi hat 999 verschiedene natürliche Zahlen x1 , ..., x999 ausgewählt. An jedem Tag beantwortet das Orakel EINE Anfrage der folgenden Form: Anfrage: Drei Indizes 1 ≤ i < j < k ≤ 999. Antwort: Die drei Zahlen xi und xj und xk , in zufälliger Reihenfolge. Bestimme eine Strategie, mit der man nach möglichst wenigen Tagen alle 999 Zahlen bestimmt hat. Lösung: Angenommen die Zahl xi wird nur einmal nachgefragt, dann müssen um xi eindeutig zuordnen zu können die gleichzeitig angefragten xj und xk mit Hilfe von Zusatzinformationen aus anderen Anfragen zugeordnet werden können, also noch in jeweils (mindestens) einer weiteren Anfrage vorkommen. Somit kommt in jeder Frage im günstigsten Fall eine Zahl exklusiv vor und die anderen beiden in genau einer weiteren Frage. Es kann also eine Zahl exakt zugewiesen werden und zwei halb. Mit n Fragen können also nicht mehr als 2n Zahlen zugewiesen werden. 2 ∗ 499 < 999, also werden mindestens 500 Fragen benötigt. Verfahren mit 500 Fragen: 1. Frage: 1, 2, 3 2. Frage: 4, 5, 6 3. Frage: 1, 4, 7, damit können alle drei Zahlen zugeordnet werden. 4. Frage: 2, 5, 8, damit können diese drei Zahlen und die verbleibenden Zahlen aus den ersten beiden Fragen zugeordnet werden. Somit können mit 4 Fragen 8 Zahlen zugeordnet werden. Durch 125-maliges Wiederholen des Schemas (bei der letzten Gruppe ergänze eine beliebige Zahl) können mit 500 Fragen alle 999 Zahlen zugeordnet werden.