II Integritätsbereiche II.1 Teilbarkeit in Integritätsbereichen Die Teilbarkeitslehre in der Menge ZZ der ganzen Zahlen beruht auf den algebraischen Eigenschaften von ZZ bezüglich der Addition und der Multiplikation. Es liegt nun nahe, eine Teilbarkeitslehre auch in anderen algebraischen Strukturen zu untersuchen, in denen zwei Verknüpfungen, der Addition und der Multiplikation in ZZ entsprechend, definiert sind. Diese Verknüpfungen werden wir auch im allgemeinen Fall wieder mit + und · bezeichnen und Addition bzw. Multiplikation nennen. Eine nichtleere Menge I, in welcher Verknüpfungen + und · definiert sind, heißt ein Integritätsbereich, wenn folgende Regeln gelten: (1) (a + b) + c = a + (b + c) für alle a, b, c ∈ I (Assoziativgesetz der Addition). (2) a + b = b + a für alle a, b ∈ I (Kommutativgesetz der Addition). (3) Es gibt ein Element 0 ∈ I mit a + 0 = a für alle a ∈ I (Existenz des Nullelements). (4) Für jedes a ∈ I existiert ein Element −a ∈ I mit a + (−a) = 0 (Existenz des inversen Element bezüglich der Addition). (5) (a · b) · c = a · (b · c) für alle a, b, c ∈ I (Assoziativgesetz der Multiplikation). (6) a · b = b · a für alle a, b ∈ I (Kommutativgesetz der Multiplikation). (7) Es gibt ein Element 1 ∈ I mit a · 1 = a für alle a ∈ I (Existenz des Einselements). (8) a · (b + c) = (a · b) + (a · c) für alle a, b, c ∈ I (Distributivgesetz). (9) Aus a · b = 0 folgt stets a = 0 oder b = 0 (Nullteilerfreiheit). H. Scheid, A. Frommer, Zahlentheorie, DOI 10.1007/978-3-642-36836-3_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 II Integritätsbereiche 84 Die Regeln (1) bis (4) besagen, dass I bezüglich der Addition eine (kommutative) Gruppe ist; das neutrale Element ist 0, das zu a inverse Element wird mit −a bezeichnet. Statt a + (−b) schreibt man auch kürzer a − b. Man kann leicht zeigen, dass es neben 0 kein zweites neutrales Element geben kann, und dass das zu einem Element a gehörige inverse Element −a eindeutig bestimmt ist. Bezüglich der Multiplikation liegt nur eine (kommutative) Halbgruppe mit dem neutralen Element 1 vor, da wir nicht die Invertierbarkeit verlangt haben. Verzichtet man auf die Regeln (6), (7) und (9), dann liegt ein Ring vor, wenn man noch zusätzlich das rechtsseitige“ Distributivgesetz ” (a + b) · c = (a · c) + (b · c) für alle a, b, c ∈ I fordert. Ein Integritätsbereich ist also ein kommutativer nullteilerfreier Ring mit Einselement. Aus der Nullteilerfreiheit (9) ergibt sich die Kürzungsregel: Aus a · b = a · c und a = 0 folgt b = c. Ein bezüglich der Multiplikation invertierbares Element von I nennt man eine Einheit des Integritätsbereichs. Zwei Elemente a, b ∈ I, die sich nur um eine Einheit als Faktor unterscheiden, nennt man assoziiert; man schreibt dann a b. Dies bedeutet also, dass eine Einheit e existiert mit a = e · b. Nun kommen wir zur entscheidenden Definition: Für a, b ∈ I nennt man a einen Teiler von b und man schreibt a|b, wenn ein c ∈ I existiert mit b = a · c. Wie für die Teilbarkeit in ZZ gelten für die Teilbarkeit in einem beliebigen Integritätsbereich z.B. folgende Regeln: (a) 1|a und a|a für alle a ∈ I; (b) aus a|b und b|a folgt a b; (c) aus a|b und b|c folgt a|c; (d) aus a|b und a|c folgt a|u · b + v · c für alle u, v ∈ I. Ferner gilt a|0 für alle a ∈ I, insbesondere 0|0; aus 0|a folgt aber stets a = 0. Die Einheiten sind die Teiler von 1. Ist jedes von 0 verschiedene Element von I bezüglich der Multiplikation invertierbar, liegt also ein Körper vor, dann ist jedes Element von I durch jedes andere (von 0 verschiedene) Elemente von I teilbar. In diesem Fall kann man also keine interessante Teilbarkeitslehre“ ” erwarten. Wir betrachten nun drei Beispiele für Integritätsbereiche. Beispiel 1: (ZZ, +, ·) ist der Integritätsbereich der ganzen Zahlen, den wir in Kapitel I untersucht haben. Die Einheiten sind die Zahlen 1 und –1. II.1 Teilbarkeit in Integritätsbereichen 85 Beispiel 2: Es sei Q[x] die Menge aller Polynome über dem Körper Q der rationalen Zahlen, also die Menge aller Polynome mit rationalen Koeffizienten. Genauer spricht man von Polynomen in einer Variablen x. Ist xn die höchste auftretende Potenz von x in einem Polynom p(x), dann nennt man n den Grad von p(x). Polynome kann man bekanntlich addieren und multiplizieren: Ist p(x) = m ai xi und q(x) = i=0 n bi xi , i=0 dann ist p(x) + q(x) = k (ai + bi )xi , i=0 wobei k das Maximum von m und n ist und am+1 = · · · = an = 0 bzw. bn+1 = · · · = bm = 0 gesetzt wird, falls m < n bzw. falls n < m ist. Ferner ist p(x) · q(x) = m+n ci xi mit ci = i=0 i aj bi−j . j=0 Wir wollen zeigen, dass (Q[x], +, ·) ein Integritätsbereich ist. Dazu ist die Gültigkeit der Regeln (1) bis (9) zu überprüfen. Die Regeln (1) bis (4) sind sofort einsichtig; das Nullelement ist das Nullpolynom, also das Polynom, dessen sämtliche Koeffizienten 0 sind. Zur Überprüfung von (5) überzeugt man sich davon, dass k i=0 ⎛ ⎝ i j=0 ⎞ aj bi−j ⎠ ck−i = r+s+t=k ar bs ct = k i=0 ⎛ ai ⎝ k−i ⎞ bj ck−i−j ⎠ . j=0 Regel (6) ist leicht zu bestätigen; (7) gilt ebenfalls, wobei das Polynom 1 (= 1 + 0x + 0x2 + · · ·) das Einselement ist. Das Distributivgesetz ist einfach nachzuprüfen, etwas schwieriger ist nur der Nachweis der Nullteilerfreiheit (9): Es sei p(x) = 0 und p(x) · q(x) = 0. Es sei xr die kleinste in p(x) auftretende Potenz mit von 0 verschiedenem Koeffizient ar . Ist q(x) = 0 und xs die kleinste in q(x) auftretende Potenz mit von 0 verschiedenem Koeffizient bs , dann enthält p(x) · q(x) die Potenz xr+s mit dem Koeffizient ar bs , ist also nicht das Nullpolynom. Es folgt daher q(x) = 0, falls p(x) = 0 und p(x) · q(x) = 0. Die Einheiten des Integritätsbereichs Q[x] sind die von 0 verschiedenen Polynome vom Grad 0, also die von 0 verschiedenen rationalen Zahlen. II Integritätsbereiche 86 Beispiel 3: Es sei G die Menge der Matrizen −b a a b mit a, b ∈ ZZ. Werden diese Matrizen wie üblich addiert und multipliziert, dann ergibt sich ein Integritätsbereich. Zunächst überzeugt man sich davon, dass die Summe und das Produkt zweier Matrizen aus G wieder zu G gehören. Die Gültigkeit der Regeln (1), (2), (3), (4), (5), (7) und (8) folgen aus den entsprechenden Regeln für das Rechnen mit Matrizen. Regel (6) erkennt man sofort, wenn man das Produkt zweier Matrizen aus G allgemein hinschreibt: A·B = a b −b a · c d −d c = ac − bd ad + bc −(ad + bc) ac − bd = B · A. Es gilt auch Regel (9), denn aus ac − bd = 0 und ad + bc = 0 sowie a = 0 oder b = 0 folgt nach kurzer Rechnung c = d = 0. Die Einheiten von G, also die Teiler von 1 0 0 1 , sind die Matrizen a b −b a mit a2 + b2 = 1. Denn nur in diesem Fall hat das lineare Gleichungssystem ! ax − by = 1 bx + ay = 0 eine ganzzahlige Lösung. Die Einheiten sind also 1 0 0 1 , −1 0 0 −1 , 0 −1 1 0 , 0 1 −1 0 . In Abschnitt II.3 werden wir uns mit diesem Integritätsbereich G näher befassen. Die Menge der Einheiten eines Integritätsbereichs bezeichen wir mit E. Bezüglich der Multiplikation bildet E eine (kommutative) Gruppe, denn das Produkt zweier Einheiten und das Inverse einer Einheit sind stets wieder Einheiten. Wir nennen ein Element p ∈ I irreduzibel, wenn es keine Einheit ist und keine nichttriviale Zerlegung in Faktoren besitzt, wenn also aus p = a · b mit a, b ∈ I stets a ∈ E oder b ∈ E folgt. Besitzt dagegen ein Element aus I eine nichttriviale Zerlegung, dann heißt es reduzibel. Die irreduziblen Elemente von ZZ sind die Primzahlen 2, 3, 5, . . . und ihre Gegenzahlen“ −2, −3, −5, . . . . ” II.1 Teilbarkeit in Integritätsbereichen 87 Die Irreduzibilität eines Polynoms (Beispiel 2) ist i. Allg. sehr schwer festzustellen. Irreduzibel sind offensichtlich die linearen Polynome x + a0 . Das quadratische Polynom x2 + a1 x + a0 ist genau dann reduzibel, wenn die quadratische Gleichung x2 + a1 x + a0 = 0 rationale Lösungen hat, wenn also a21 − 4a0 Quadrat einer rationalen Zahl ist. Beispielsweise sind die Polynome x2 + 1, x2 − 2, x2 + x + 1 alle irreduzibel. Man beachte, dass jedes Polynom assoziiert zu einem solchen mit dem führenden Koeffizient 1 ist, also zu einem Polynom der Form xn + an−1 xn−1 + · · · + a0 ; bei Irreduzibilitätsuntersuchungen in Q[x] kann man sich also auf solche Polynome beschränken. Ein Element −b a a b aus G (Beispiel 3) ist sicher dann irreduzibel, wenn a2 + b2 eine Primzahl ist. Denn aus der Matrizengleichung −b a a b = r s −s r · u v −v u ergibt sich durch Bildung der Determinanten a2 + b2 = (r 2 + s2 )(u2 + v 2 ). Ist also a2 +b2 eine Primzahl, so muss einer der Faktoren r 2 +s2 oder u2 +v 2 den Wert 1 haben, die zugehörige Matrix also eine Einheit sein. Es gilt aber nicht −b a a b die Umkehrung: Ist irreduzibel, dann muss a2 + b2 keine Primzahl sein. Beispielsweise erhält man für a = 3, b = 0 die zusammengesetzte Zahl 32 + 02 = 9, aber 3 0 0 3 ist irreduzibel. Gäbe es nämlich eine nichttriviale Zerlegung, so gäbe es auch eine nichttriviale Darstellung von 9 als Produkt zweier Summen aus zwei Quadraten, also 9 = (r 2 + s2 )(u2 + v 2 ). Dann müsste r 2 + s2 = u2 + v 2 = 3 gelten, die Zahl 3 ist aber offensichtlich nicht als Summe von zwei Quadratzahlen darzustellen. Der wichtigste Begriff in Kapitel I für den weiteren Aufbau der Teilbarkeitslehre in ZZ war der Begriff der Division mit Rest. Diese dient nicht nur zur konkreten Feststellung einer Teilbarkeitsbeziehung ( Rest 0“), sondern auch als Grundla” ge zur Berechnung des größten gemeinsamen Teilers zweier Zahlen (euklidischer Algorithmus). Nun soll der Begriff der Division mit Rest auf Integritätsbereiche verallgemeinert werden, wobei natürlich offen ist, ob ein gegebener Integritätsbereich den dabei geforderten Bedingungen genügt. Ein Integritätsbereich I heißt Integritätsbereich mit Division mit Rest oder kürzer euklidischer Integritätsbereich oder noch kürzer euklidischer Ring, wenn eine Abbildung γ von I \ {0} in IN0 existiert, welche folgende Eigenschaft hat: Zu a, b ∈ I mit b = 0 existieren q, r ∈ I mit r = 0 oder γ(r) < γ(b), so dass a = q · b + r. II Integritätsbereiche 88 Dabei nennt man γ eine Gradfunktion auf I. Die Elemente q und r müssen nicht eindeutig durch a und b bestimmt sein. Bemerkung: Häufig fordert man für die Gradfunktion noch die Bedingung γ(x) ≤ γ(x · y) für alle x, y = 0. Diese garantiert insbesondere, dass γ(x) < γ(x · y), falls y keine Einheit ist, und dass genau dann γ(a) = γ(1) gilt, wenn a eine Einheit ist. Man kann zeigen, dass zu jeder Gradfunktion auf I, für welche diese Bedingung nicht erfüllt ist, eine Gradfunktion γ ∗ auf I zu konstruieren ist, für welche diese Bedingung erfüllt ist; man setze nämlich γ ∗ (a) = min {γ(a · e)| e ∈ E}. Auf ZZ (Beispiel 1) wird z.B. durch γ(a) = |a| eine Gradfunktion definiert, welche der in ZZ gebräuchlichen Division mit Rest zugrunde liegt. Aber auch γ(a) = |a|k mit beliebigem k ∈ IN ist eine Gradfunktion auf ZZ. Auf Q[x] (Beispiel 2) wird durch den Grad der Polynome eine Gradfunktion definiert. Die Division mit Rest (also obige Darstellung a = qb + r) erhält man mit dem bekannten Verfahren der Polynomdivision. Auf G (Beispiel 3) ist durch γ −b a a b = a2 + b2 , also durch die Determinante der jeweiligen Matrix, eine Gradfunktion definiert; diese nennt man Norm und bezeichnet sie mit N. Dass damit tatsächlich eine Division mit Rest vorliegt, erkennt manfolgendermaßen: Für a −b c −d , ∈ G mit c2 + d2 = 0 b a d c berechne man a b −b a · c d −d c −1 −y x x y = Nun wähle man Zahlen s, t ∈ ZZ mit |s − x| ≤ a b −b a = Die Matrix s t x−s y−t −t s · −(y − t) x−s −d c c d · c d + −d c 1 2 mit x, y ∈ Q. 1 2 und |t − y| ≤ . Dann ist x−s y−t −(y − t) x−s · c d −d c . gehört zu G, auch wenn dies für den ersten Faktor nicht zutrifft; ihre Norm ist 1 2 (x − s)2 + (y − t)2 · (c2 + d2 ) ≤ (c2 + d2 ) < c2 + d2 . In Abschnitt II.3 werden wir uns weiter mit dem euklidischen Ring G beschäftigen; in Abschnitt II.4 werden wir ähnliche Beispiele untersuchen, u.a. auch solche, in denen keine Division mit Rest existiert. Zunächst behandeln wir aber noch allgemein euklidische Ringe. II.2 Euklidische Ringe 89 II.2 Euklidische Ringe Im Folgenden verzichten wir in Ringen meistens auf den Malpunkt, schreiben also ab statt a · b. Satz 1: Es sei I ein euklidischer Ring mit der Gradfunktion γ, ferner seien a1 , a2 , . . . , an ∈ I. Wir setzen A = {x1 a1 + x2 a2 + · · · + xn an | x1 , x2 , . . . xn ∈ I}. Dann existiert ein d ∈ I mit A = {xd | x ∈ I}. Die Menge aller Vielfachensummen von a1 , a2 , . . . , an ∈ I besteht also aus allen Vielfachen eines einzigen Elements d ∈ I. Beweis: Unter den Zahlen γ(a) für a ∈ A mit a = 0 gibt es eine kleinste. Es sei d ein Element aus A mit minimalem γ-Wert. Für u ∈ A existieren q, r ∈ I mit u = qd + r und r = 0 oder γ(r) < γ(d). Nun ist aber r als Differenz der beiden Elemente u und qd aus A ebenfalls ein Element von A, so dass wegen der Minimalität von γ(d) nur der Fall r = 0 möglich ist. Daher ist u = qd, also u ∈ {xd | x ∈ I}. 2 Im Beweis von Satz 1 haben wir nur die folgende Eigenschaft von A benutzt: Jede Vielfachensumme von Elementen aus A gehört wieder zu A. Gleichwertig damit ist die Forderung: Für a, b ∈ A gilt a + b ∈ A und xa ∈ A für alle x ∈ I. Eine Teilmenge A eines kommutativen Ringes mit dieser Eigenschaft nennt man ein Ideal von I. Besteht A aus allen Vielfachen eines Elements, so heißt A ein Hauptideal von I. Ist I ein Integritätsbereich und ist jedes Ideal von I ein Hauptideal, dann heißt I Hauptidealring. Nun kann man Satz 1 folgendermaßen fomulieren: Satz 1 : Ein euklidischer Ring ist ein Hauptidealring. Satz 1 erinnert an die Vielfachensummendarstellung des größten gemeinsamen Teilers von n Zahlen. Daher wollen wir als nächstes den Begriff des ggT auf Integritätsbereiche übertragen: Es seien a1 , a2 , . . . , an Elemente eines Integritätsbereichs I. Ist d ein Teiler von a1 , von a2 , . . ., von an (also ein gemeinsamer Teiler von a1 , a2 , . . . , an ), und ist jeder andere gemeinsame Teiler von a1 , a2 , . . . , an ein Teiler von d, dann heißt d ein größter gemeinsamer Teiler von a1 , a2 , . . . , an . Je zwei größte gemeinsame Teiler von a1 , a2 , . . . , an sind assoziiert, denn aus d|d und d |d folgt d d . Wir benutzen das Symbol GGT nun für die Menge der größten gemeinsamen Teiler, schreiben also für einen größten gemeinsamen Teiler d von a1 , a2 , . . . , an d ∈ GGT(a1 , a2 , . . . , an ). II Integritätsbereiche 90 Satz 2: In einem Hauptidealring gilt genau dann (1) d ∈ GGT(a1 , a2 , . . . , an ), wenn (2) {x1 a1 + x2 a2 + · · · + xn an | x1 , x2 , . . . xn ∈ I} = {xd | x ∈ I}. Beweis: 1) Es sei zunächst die Gültigkeit von (2) angenommen. Dann ist insbesondere ai ∈ {xd | x ∈ I}, also d|ai für i = 1, 2, . . . , n. Ist ferner c|ai für i = 1, 2, . . . , n, dann teilt c jedes xd mit x ∈ I, also auch d. Daher ist d ∈ GGT(a1 , a2 , . . . , an ). 2) Nun sei die Gültigkeit von (1) angenommen. Aufgrund von Satz 1 gilt (2) mit einem Element d anstelle von d. Dann gilt d|d und nach 1) auch d |d, also d d und damit {xd | x ∈ I} = {xd | x ∈ I}. 2 Als Folgerung aus Satz 2 ergibt sich: In einem Hauptidealring lässt sich ein ggT von a1 , a2 , . . . , an stets als Vielfachensumme dieser Elemente darstellen. Man nennt die Elemente a1 , a2 , . . . , an aus I teilerfremd, wenn jeder größte gemeinsame Teiler eine Einheit ist, wenn also 1 ∈ GGT(a1 , a2 , . . . , an ) bzw. GGT(a1 , a2 , . . . , an ) = E gilt, wobei E die Einheitengruppe bedeutet. In diesem Fall folgt aus Satz 2: {x1 a1 + x2 a2 + . . . + xn an | x1 , x2 , . . . xn ∈ I} = {x · 1 | x ∈ I} = I. Offensichtlich gilt in einem Hauptidealring: Genau dann sind a1 , a2 , . . . , an teilerfremd, wenn 1 als Vielfachensumme dieser Elemente darstellbar ist, wenn es also Elemente r1 , r2 , . . . , rn ∈ I gibt mit 1 = r1 a1 + r2 a2 + · · · + rn an . Daraus ergibt sich wie im Sonderfall des Integritätsbereichs ZZ für teilerfremde Elemente a, b ∈ I: Aus a|bc folgt a|c; aus a|c und b|c folgt ab|c. Zum Beweis betrachte man die Darstellung 1 = ua + vb (u, v ∈ I) bzw. c = uac + vbc. Satz 3: Es sei I ein Hauptidealring, ferner a, b ∈ I und p ein irreduzibles Element von I. Dann gilt: a) p|a oder p und a sind teilerfremd. b) Aus p|ab folgt p|a oder p|b. c) Je zwei irreduzible Elemente sind assoziiert oder teilerfremd. Beweis: a) Sind a, p nicht teilerfremd, dann existiert ein d ∈ I, das keine Einheit ist und sowohl a als auch p teilt. Da p irreduzibel ist, muss d p gelten, mit d|a also auch p|a. II.2 Euklidische Ringe 91 b) Gilt p | a, dann sind p und a teilerfremd (vgl. a)), es gilt also 1 = x1 p + x2 a mit x1 , x2 ∈ I. Es folgt b = bx1 p + bx2 a, wegen p|ab also p|b. c) Diese Behauptung folgt ebenfalls sofort aus a). 2 Ein Element p mit der Eigenschaft b) aus Satz 3, das keine Einheit ist, heißt ein Primelement von I. In einem Hauptidealring ist also jedes irreduzible Element ein Primelement. Umgekehrt ist in jedem Integritätsbereich ein Primelement offensichtlich auch irreduzibel, so dass in einem Hauptidealring die Begriffe Primelement“ und irreduzibles Element“ zusammenfallen. ” ” Nun können wir die Verallgemeinerung des Fundamentalsatzes der elementaren Zahlentheorie (Satz 4 in I.3) auf Hauptidealringe (und damit auf euklidische Ringe) beweisen, wobei die irreduziblen Elemente (bzw. Primelemente) die Rolle der Primzahlen übernehmen. Satz 4: In einem Hauptidealring lässt sich jedes Element, das nicht 0 und keine Einheit ist, als Produkt von endlich vielen irreduziblen Elementen darstellen. Diese Darstellung ist eindeutig bis auf die Reihenfolge der Faktoren und bis auf Multiplikation der Faktoren mit Einheiten. Beweis: 1) Zuerst beweisen wir die Existenz der Faktorzerlegung. Wir nehmen an, es gäbe ein a0 ∈ I, welches nicht 0 und keine Einheit ist und nicht als Produkt von endlich vielen irreduziblen Elementen aus I darstellbar ist. Dann ist insbesondere a0 nicht irreduzibel, sonst wäre a0 ein solches Produkt (mit einem Faktor). Es ist also a0 = a1 b1 mit Nichteinheiten a1 , b1 . Mindestens einer dieser Faktoren ist dann nicht als endliches Produkt von irreduziblen Elementen darstellbar; wir nehmen dies für a1 an. Dann ist a1 = a2 b2 , wobei ebenfalls einer der Faktoren – dies sei a2 – nicht als endliches Produkt von irreduziblen Faktoren zu schreiben ist. So fortfahrend erhalten wir eine Folge a0 , a1 , a2 , . . . von Elementen aus I, wobei ai+1 ein echter Teiler von ai ist (i = 0, 1, 2, . . .). Die Menge aller endlichen Vielfachensummen der ai , also der Summen ∞ xi ai mit i=0 nur endlich vielen von 0 verschiedenen Koeffizienten xi , ist ein Ideal von I. Nach Voraussetzung ist dies ein Hauptideal, besteht also aus allen Vielfachen eines Elementes b ∈ I. Dann existieren ein m ∈ IN0 und Elemente r0 , r1 , . . . , rm ∈ I mit b = r0 a0 + r1 a1 + · · · + rm am . Wegen am |ai für 0 ≤ i ≤ m gilt also am |b. Wegen am+1 ∈ {xb | x ∈ I} gilt andererseits b|am+1 . Es folgt am |am+1 , wegen am+1 |am also am+1 am . Dies widerspricht der Tatsache, dass am+1 ein echter Teiler von am sein soll. Die Annahme, a0 sei nicht als endliches Produkt von irreduziblen Elementen aus I darstellbar, führt also zu einem Widerspruch. 2) Nun beweisen wir unter Verwendung von Satz 3 die Eindeutigkeit der Faktorzerlegung. Angenommen, es sei a nicht 0, keine Einheit und besitze die Zerlegungen a = p1 p2 p3 . . . pr = q1 q2 q3 . . . qs . Dann ist p1 |q1 q2 . . . qs , also p1 |qi für ein i mit 1 ≤ i ≤ s. Bei geeigneter Num- II Integritätsbereiche 92 merierung ist p1 |q1 , also p1 q1 bzw. q1 = ep1 mit einer Einheit e. Setzt man dies in obige Darstellung von a ein und kürzt den Faktor p1 , dann ergibt sich p2 p3 . . . pr = (eq2 )q3 . . . qs . Es ist keine Beschränkung der Allgemeinheit, r ≤ s anzunehmen. Obige Überlegung führen wir nun noch (r − 1)-mal durch und erhalten pi qi (i = 1, 2, . . . , r) und 1 = f qr+1 . . . qs mit einer Einheit f . Wäre s > r, so ergäbe sich der Widerspruch qs |1, also ist s = r, womit alles bewiesen ist. 2 Nun kann man analog zur kanonischen Primfaktorzerlegung in IN (bzw. in ZZ, wenn man noch ein Vorzeichen zulässt) die kanonische Faktorzerlegung in einem Hauptidealring definieren. Dazu muss man aber zunächst aus jeder Klasse assoziierter irreduzibler Elemente einen Vertreter auswählen. Die Menge dieser Vertreter bezeichnen wir mit P . Dann hat jedes Element a = 0 von I, das keine Einheit ist, eine eindeutige Darstellung der Form a=e pα(p) p∈P mit einer Einheit e und Exponenten α(p) ∈ IN0 , von denen nur endlich viele von 0 verschieden sind. Man erkennt nun sofort, wie man einen ggT zweier Elemente erhält, wenn diese in kanonischer Faktorzerlegung gegeben sind: Ist a=e pα(p) bzw. b = f p∈P pβ(p) p∈P die kanonische Faktorzerlegung von a bzw. b, dann ist d= pmin{α(p),β(p)} p∈P ein größter gemeinsamer Teiler von a und b. Entsprechendes gilt natürlich auch für einen größten gemeinsamen Teiler von mehr als zwei Elementen. Auch ein kleinstes gemeinsames Vielfaches von Elementen aus einem Hauptidealring I, welches analog zum kgV ganzer Zahlen definiert wird, lässt sich wie in ZZ mit Hilfe der kanonischen Faktorzerlegung angeben. In der Regel ist es sehr schwer, die kanonische Faktorzerlegung eines Elementes aus I zu finden, so dass obige Bestimmung eines ggT nur theoretische Bedeutung hat. In euklidischen Ringen steht zur ggT-Berechnung der euklidische Algorithmus zur Verfügung (und daher rührt der Name für diese Integritätsbereiche). Der euklidische Algorithmus funktioniert wie in ZZ, so dass es genügt, hierfür ein Beispiel vorzurechnen. Man beachte dabei, dass bei der Division mit Rest a = qb + r mit γ(r) < γ(b) die Elemente q und r durch a und b nicht eindeutig bestimmt sind (wie es bei der Division mit Rest in IN der Fall ist).