Versorgung von Influenzapatienten und Pandemieplanung Karin Kätzner MEDILYS/Krankenhaushygiene Die Ausbreitung des Vogelgrippevirus rückt die Möglichkeit einer Influenzapandemie in das Bewusstsein der Öffentlichkeit Influenza aus krankenhaushygienischer Sicht Ziele Verhütung nososkomialer Influenzaerkrankungen und Schutz des Personals Voraussetzungen Kenntnisse des Personals zu Übertragungswegen, Diagnostik, Prävention und wirksame Hygieneregeln erforderlich Influenza-Viren • Influenza A Vögel (insbes. Wasservögel) Menschen Säugetiere (z.B. Schweine, Pferde) • Influenza B i.d.R. nur bei Menschen • Influenza C ist epidemiologisch unbedeutend, bisher nur sporadische und milde Erkrankungen bei Menschen und Schweinen beobachtet Übertragung der Influenza Infektionsquelle: respiratorische Sekrete erkrankter Menschen, kontaminierte Objekte (Taschentücher, Türgriffe, Spielzeug, usw.) Ansteckungsfähigkeit: beginnt bereits (ca. 24 Std.) vor Auftreten der klinischen Symptome, sie besteht i.d.R. bis 5 Tage, bei kleinen Kindern bis etwa 7 Tage nach Beginn der Symptome Kontagiosität hoch Übertragung der Influenza Kontaktinfektion Über relativ große Tröpfchen (> 5 µm) durch Sprechen, Husten und Niesen gelangen Viren auf Schleimhäute von Kontaktpersonen Kontaminierte Hände als Überträger von Viren durch Hand-Mund-Nasenkontakt Aerogen Durch Tröpfchenkerne: kleinere Partikel (< 5 µm), die länger in der Luft schweben Influenza: Typisches Erkrankungsbild • Inkubationszeit i.d.R. 1-3 Tage • Plötzlicher Erkrankungsbeginn, Fieber (≥ 38,5°C), trockener Reizhusten, Muskel-, Glieder- und/oder Kopfschmerzen Influenza: Klinisches Bild Klinische Symptomatik unterschiedlich, im Zweifelsfall mikrobiologische Diagnostik! asymptomatische, symptomarme bis zu schwerste toxische Verläufe mit tödlichem Ausgang Komplikationen vorrangig bei Personen mit Grundkrankheiten und älteren Menschen Primäre Influenzapneumonie, Pneumonie durch bakterielle Superinfektion (z.B. Pneumokokken), Otitis media, Myokarditis, Perikarditis, Meningitis, Enzephalitis, ReyeSyndrom, Myositis, toxisches Schocksyndrom Epidemiologie: Jedes Jahr sterben in Deutschland 5 000 bis 8 000 Menschen an den Folgen einer Influenza (durchschnittliche Influenzawelle) Diagnostik der Influenza y Influenza-Schnelltest Nachweis Influenza A und B, Abstrichset für Nasen- oder Rachenabstrich benutzen y Influenza PCR (z.B. Subtypisierung) Nasen- oder Rachenabstrich in 1-2 ml sterile NaCl-Lösung oder Virus-Transport-Puffer geben bzw. Bronchiallavage einsenden y Influenza-Antikörper Entnahme von Serum, für die Bewertung häufig Verlaufskontrolle erforderlich Prävention der Influenza An erster Stelle steht die Schutzimpfung Vorteile der Impfung: 1. kosteneffektiv 2. schützt vor Krankheit für die ganze Saison 3. gute Verträglichkeit 4. keine Resistenzentwicklung wie bei Virustatika Influenza-Schutzimpfung Optimaler Impfzeitpunkt: Oktober/November Gesunde Menschen sind bei guter Übereinstimmung der Impfstämme mit den zirkulierenden Stämmen zu etwa 90% geschützt Bei Älteren ist die Schutzrate geringer, jedoch sind Komplikationen, Hospitalisierung und Letalität der Influenza um mehr als die Hälfte reduziert Ständige Impfkommission am RKI (STIKO): Impf-Empfehlungen für Influenza • Personen über 60 Jahre • Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens wie z.B. chronische Krankheiten der Atmungsorgane, chronische Herz-Kreislauf-, Leber- und Nierenkrankheiten, Diabetes und andere Stoffwechselkrankheiten, Immundefekte, HIV-Infektion • Bewohner von Alters- und Pflegeheimen Ständige Impfkommission am RKI (STIKO): Impf-Empfehlungen für Influenza y Personen mit erhöhter Infektionsgefahr bzw. mit erhöhtem Risiko, zur Verbreitung der Influenza beizutragen: Medizinisches Personal Menschen mit viel Publikumsverkehr y Wenn Epidemien auftreten weitere Personen Medizinisches Personal als Infektionsquelle? Durchimpfung von med. Personal im Jahr 2003 Alte Bundesländer ca. 13%, Neue Bundesländer ca. 55% • Medizinisches Personal arbeitet häufig trotz Erkrankung weiter • Übertragung auch bei asymptomatischen oder leichten Infektionen möglich Therapie der Influenza Neuraminidase-Inhibitoren y wirken gegen alle Influenza-A-Subtypen sowie gegen Influenza B y Einnahme so früh wie möglich, d.h. innerhalb der ersten 48 Std. nach Auftreten der Symptome y reduzieren die Dauer der Erkrankung um ein bis zwei Tage y reduzieren die Komplikationen an den unteren Atemwegen und die Hospitalisierungen y Zanamivir (Relenza®) wird inhaliert y Oseltamivir (Tamiflu®) als Kapsel oder Suspension, zugelassen auch zur Prophylaxe, z.B. für ungeimpfte enge Kontaktpersonen mit erhöhtem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf und zur saisonalen Prophylaxe Die WHO und das RKI weisen darauf hin, dass das Pandemierisiko derzeit so hoch ist wie seit Jahrzehnten nicht........ und empfehlen, Maßnahmen für die Versorgung der Bevölkerung zu planen Hochpathogene Aviäre Influenzaviren A H5/N1 y Tierseuche (Hausgeflügel, viele Wildvögel), > 100 Mio Geflügel verendet od. gekeult y Virus-Ausscheidung insbes. über Kot und Sekret der Atemwege infizierter Tiere y Übertragung auf Menschen i.d.R. nur bei engem Kontakt mit infiziertem Geflügel, z.B. bei mangelnder Händehygiene (faeco-oral) y 256 Erkrankungsfälle bei Menschen, die meisten in Südostasien, 151 mit tödlichem Verlauf (Stand: 16.10.06) Pandemierisiko Das Vogelgrippevirus (A H5N1) kann durch ständige Änderungen seines Erbguts oder (schlagartig) durch den Austausch ganzer Gene mit humanen Influenzaviren (z.B. A H3N2) die Fähigkeit erlangen, effektiver als bisher Menschen zu infizieren und effizient von Mensch zu Mensch übertragen zu werden Pandemierisiko Die Verbreitung des Vogelgrippevirus nimmt zu y Von 1997 bis Ende 2005 15 betroffene Länder, vor allem in Südostasien y Im Jahr 2006 30 neue Länder, darunter Irak, Israel, Gaza, Ägypten, Pakistan, Indien, Nigeria, Niger, Kamerun, europäische Staaten inkl. Deutschland......... y Das Wirtsspektrum hat sich bei Vögeln und Säugetieren verbreitert „Zutaten“/Voraussetzungen einer Pandemie Neues Virus Fehlende Bevölkerungsimmunität Virus kann schwere Erkrankung beim Menschen verursachen Mensch-zu-Mensch Übertragung (noch nicht effizient möglich) PandemieVirus Die WHO unterscheidet 6 Pandemiephasen, seit dem Jahr 2003 befinden wir uns in der „Pandemischen Warnperiode“, Phase 3: „Menschliche Infektion(en) mit einem neuen Subtyp, aber keine Ausbreitung von Mensch zu Mensch oder nur in extrem seltenen Fällen bei engem Kontakt“. 3 Pandemien im 20. Jahrhundert 1918/19 „Spanische Grippe“ (A/ H1N1) weltweit zwischen 20 und 50 Millionen Tote 1957/58 „Asiatische Grippe“ (A/ H2N2) ca. 1 Million Tote 1968/69 „Hongkong-Grippe“ (A/ H3N2) ca. 1 Million Tote 1977 Wiederauftreten des A/ H1N1-Subtyps, seither Kozirkulation mit dem Subtyp (A/ H3N2) Vorbereitung auf eine Pandemie in der BRD Nationaler Pandemieplan (2005) Pandemiepläne der Bundesländer Ziele: Morbidität und Mortalität im Falle einer Pandemie reduzieren Medizinische Versorgung sicherstellen Öffentliche Dienste aufrecht erhalten z.B. Bevorratung der Länder mit antiviralen Medikamenten zur Therapie von bestimmten Bevölkerungsgruppen Auswirkungen einer Pandemie Pandemische Aktivität: 8 Wochen Mögliche Erkrankungsraten: best case 15 % 30 % worst case 50 % •Massenhafter Anfall hochinfektiöser Patienten •Gleichzeitig hohe Personalausfälle Hospitalisierungen in Hamburg (Rieger, BSG 2006) 10 500 12000 10000 (Rieger, BWG 2006 8000 5 200 6000 4000 2000 400 0 Saison 03/04 Pandemie 15% AR Pandemie 30% AR Hospitalisierungen (Rieger, BSG 2006) Annahmen zum Krankheitsverlauf Behandlungsdauer im Krankenhaus: 1 Woche ca. 25% der Patienten auf Intensivstationen, davon benötigt ca. die Hälfte der Patienten einen Beatmungsplatz Pandemieplanung Alarmpläne der Krankenhäuser müssen das Kapitel “Influenzapandemie” beinhalten Checkliste zur Vorbereitung von Krankenhäusern ¾ Erfassung geeigneter Räumlichkeiten Trennung von Nicht-Influenza-Patienten ¾ Anzahl der Betten für Pandemiepatienten, z.B. nach Einschränkung elektiver Aufnahmen ¾ Beatmungsgeräte: Anzahl, Reserve ¾ Konzept zur Überbrückung von Personalengpässen ¾ Bevorratung mit Medikamenten und Schutzausrüstung ¾ Personalfortbildung zu Übertragungswegen der Influenza und Hygienemaßnahmen Pandemiefall: Entlastung des stationären Sektors Möglichst lange ambulante Versorgung der Influenza-Patienten Pandemie 1918 Frühzeitige Übernahme aus dem stationären Bereich in den ambulanten Bereich Notaufnahme während der Pandemie ¾ Influenza-Patienten möglichst in einem separaten Gebäudeabschnitt aufnehmen ¾ Zumindest zwei Eingänge in der ZNA ¾ für Influenza-verdächtige ¾ für die übrigen Patienten ¾ Patientenbefragung, Befunderhebung und Behandlung standardisiert nach Leitlinien ¾ Entscheidung zur stationären Behandlung der Pneumonie z.B. gemäß CURB-Index (S3 Leitlinie PEG Pneumonie) Einschränkung der Influenza-Ausbreitung insbesondere bei einer Influenza-Epidemie oder -Pandemie Allgemeine Hygieneregeln im privaten Bereich und Hygieneregeln in der Klinik Einschränkung der Influenza-Ausbreitung Allgemeine Hygieneregeln im privaten Bereich • Vermeidung von engen Kontakten zu möglicherweise erkrankten Personen (Umarmungen, Küssen usw.) • Menschenansammlungen meiden • Händeschütteln vermeiden • Vermeidung eines Kontaktes der (kontaminierten) Hand mit Nase, Mund und Auge • Gründliches Händewaschen nach Kontakten mit anderen Personen, Handkontaktflächen (z.B. Treppengeländer), vor der Nahrungsaufnahme Einschränkung der Influenza-Ausbreitung Allgemeine Hygieneregeln im privaten Bereich • Mund-Nasenschutz bei Kontakt zu Erkrankten und als Erkrankter • Niesen und Husten in die Ellenbeuge, kein ungebremstes Niesen und Husten! • Einmaltaschentücher benutzen und sicher entsorgen, anschließend gründliches Händewaschen • Regelmäßige Lüftung von Räumen Einschränkung der Influenza-Ausbreitung Hygieneregeln für fieberhaft Erkrankte • Möglichst zu Hause bleiben • Konsequente Absonderung von Säuglingen, Kleinkindern und Personen mit schweren/chronischen Erkrankungen • Tragen eines Mund-Nasenschutzes bei Kontakt mit anderen Personen Kapitel C 2.7 Hygienemanagement der LBK Hamburg GmbH Hygienemaßnahmen bei Influenza Erreger Erregernachweis Infektionsquelle Inkubationszeit Meldepflicht § 6 IfSG Infektiositä t Impfprophyla xe Virustatische Behandlung Aviäre Influenza Influenza Viren der Typen A, B und C (Orthomyxoviren) Nasen‐ oder Rachensekret: Influenza‐Schnelltest, Influenza‐PCR (ggf. Subtypisierung) Serum: Influenza‐AK Respiratorische Sekrete und deren Aerosole, kontaminierte Gegenstände/Oberflächen (Kontaktübertragung, inkl. durch Tröpfchen, a erogene Übertragung) 1‐3 Tage, ggf. auch länger Bei gehäuftem Auftreten nosokomialer Infektionen (Abs. 3) < 24 Std. vor bis 5 Tage (bis ca. 7 Tage bei kleinen Kindern) nach Beginn der Symptome Beschäftigte im Gesundheitswesen sollten jährlich geimpft werden. Betroffene Patienten sind vorzugsweise durch geimpftes Personal zu versorgen. Ggf. für Kontaktpersonen bei Erkrankungsverdacht bzw. auch prophylaktisch: www.rki.de Präventivmaßnahmen unter www.rki.de • Isolierung Hygienische Händedesinfektion Schutzausrüstung Personal, Besucher Schutzkittel Unterweisung des Patienten hinsichtlich der Übertragungswege und Hygienemaßnahmen: Bedecken von Mund und Nase beim Husten und Niesen, Einwegtaschentücher benutzen und anschließend sofort entsorgen, Händereichen vermeiden, Händedesinfektion • Einzelzimmer mit eigenem Sanitärbereich/Toilettenstuhl, möglichst mit Vorraum als Schleuse • Alternativ ist eine Kohortenisolierung (bei Patienten mit gleichem Erregertyp) oder Unterbringung mit geimpften Mitpatienten möglich • Kennzeichnung der Zimmertür • Tür geschlossen halten • Besucher müssen sich vor Betreten des Patientenzimmers im Dienstzimmer melden • Bedarfsorientierte Bestückung des Zimmers mit Einmal‐ und Gebrauchsmaterialien • Keine Patientenakte/Röntgenbilder etc. in das Zimmer mitnehmen • Ambulanz/Aufnahme: Bei Verdacht auf Influenza möglichst separaten Wartebereich zuweisen • Vor Betreten/Verlassen des Zimmers • Vor/nach allen pflegerisch‐diagnostisch‐therapeutischen Tätigkeiten • Nach Kontakt mit potenziell erregerhaltigem Material oder potenziell kontaminierten Gegenständen • Unterweisung des Besuchers hinsichtlich der Händedesinfektion • Unterweisung des Patienten hinsichtlich der Händedesinfektion, z.B. nach Niesen oder Husten in die Handfläche, nach Benutzen von Taschentüchern, vor Patiententransport • • • • • Partikelfiltrierende Atemschutzmaske Bei Betreten des Patientenzimmers anlegen Bei möglichem Kontakt mit erregerhaltigem Material oder kontaminierten Gegenständen Wechsel nach Kontamination, spätestens am Schichtende Entsorgung ? üblicher Wäschesack im Patientenzimmer/Vorraum Bei Betreten des Patientenzimmers bevorzugt eine Atemschutzmaske der Schutzstufe FFP2 (ggf. mit Ausatemventil) anlegen • Bei Tätigkeiten mit Hustenprovokation (z.B. Bronchoskopieren, Intubieren, Absaugen) bevorzugt eine Atemschutzmaske der Schutzstufe FFP3 (ggf. mit Ausatemventil) anlegen • Wichtig: Mund und Nase vollständig bedecken und auf allseitigen Dichtsitz achten Spezielle Hygienemaßnahmen in der Klinik • Betreuung bevorzugt durch Influenza-geimpftes Personal • Isolierung des Patienten Zimmer mit eigenem Sanitärbereich, möglichst mit Vorraum als Schleuse • Kohortenisolierung möglich, bei Pandemie übernimmt ggf. die Stationsschleuse die Funktion der Patientenzimmerschleuse • Hygienische Händedesinfektion vor Betreten/Verlassen des Zimmers, vor/nach allen pflegerisch-diagnostisch-therapeutischen Tätigkeiten, nach Kontakt mit potenziell erregerhaltigem Material oder kontam. Gegenständen, nach dem Ablegen der Handschuhe, Patient und Besucher müssen auch die Hände desinfizieren! Spezielle Hygienemaßnahmen in der Klinik • Schutzkittel und Einmalhandschuhe • Partikelfiltrierende Atemschutzmaske (ggf. mit Ausatemventil) bei Betreten des Zimmers bevorzugt FFP2-Maske, bei invasiven Maßnahmen im Bereich der Atemwege bevorzugt FFP3-Maske (z.B. Bronchoskopieren, Intubieren, endotracheales Absaugen) wichtig: auf allseitigen Dichtsitz achten • Schutzbrille, Haarschutz bei Verspritzen von respiratorischen Sekreten Spezielle Hygienemaßnahmen in der Klinik • Geräte/Medizinprodukte (z.B. Stethoskop) patientenbezogen verwenden, vor Entfernung aus dem Zimmer Wischdesinfektion mit z.B. Incidin® Plus 0,5% • Transport des Patienten nur bei strenger Indikation, Information an die Zieleinrichtung Patient: Mund-Nasenschutz wenn med. vertretbar, Händedesinfektion Transportpersonal: bei engem Patientenkontakt Schutzausrüstung • Nach den Maßnahmen (z.B. in Funktionsbereichen) Wischdesinfektion der Patientenkontaktflächen Im Falle einer Pandemie unterstützen Hygienemaßnahmen die Gesamtbemühungen, Ausbreitung und Schweregrad der Influenza soweit möglich zu begrenzen, damit nicht massenhaft Menschen erkranken...... ......und nicht alle kulturellen Veranstaltungen abgesagt werden müssen Danke für Ihre Aufmerksamkeit!