Freiwillige Hilfe von Optikern: Erste Brillen für Bewohner der Sahara - Schweiz Nachrichten - NZZ.ch NZZ.CH 14.07.14 19:19 SCHWEIZ Samstag, 12. Juli 2014, 05:30 Freiwillige Hilfe von Optikern Erste Brillen für Bewohner der Sahara Marianne von Arx-Wegner Samstag, 12. Juli 2014, 05:30 Die Brille steht in Marokko kaum zur Verfügung. (Bild: imago) Schon acht Mal sind Schweizer Optiker in die marokkanische Sahara gereist, um sehschwachen Menschen Brillen abzugeben. Das elementare Hilfsmittel steht dort sonst kaum zur Verfügung. Vergangenen Mai reisten an die 90 Optiker, Optometristen (mit BachelorDiplom) und Augenärzte in das südliche Marokko, um unentgeltlich Hilfe zu leisten. Auch die Reise bezahlten sie selbst. Unter den am Rand der Wüste lebenden Berbern, Arabern und Nachkommen von Sklaven aus Schwarzafrika ist Fehlsichtigkeit weit verbreitet. Den betroffenen Menschen wollten die Fachleute mit Brillen zu besserem Sehen verhelfen. Intensive Kurzeinsätze Wie es dazu kam? Denis-André Zaugg, CEO von Optiswiss in Basel, der grössten Herstellerin von Brillengläsern in der Schweiz, bereiste schon vor Jahren mit einem Mitarbeiter den Süden Marokkos. Dort beobachteten die beiden mit geübtem Blick, dass viele Menschen schlecht sehen. Von Korrekturen, stellten sie fest, wussten die Bewohner der Sahara praktisch nichts, und wenn doch, hätten sie sich eine Brille gar nicht leisten können. Sie sind nicht nur kurz- oder weitsichtig, sondern leiden auch unter fortgeschrittenen Katarakten und schweren Augenkrankheiten. http://www.nzz.ch/schweiz/erste-brillen-fuer-bewohner-der-sahara-1.18341759 Seite 1 von 3 Freiwillige Hilfe von Optikern: Erste Brillen für Bewohner der Sahara - Schweiz Nachrichten - NZZ.ch 14.07.14 19:19 Nach der Rückkehr der beiden in die Schweiz begann Optiswiss einen humanitären Einsatz vorzubereiten. Es meldeten sich in der Folge Fachleute aus dem ganzen Land, aber auch aus Frankreich, Deutschland und Dänemark (als Exportfirma hat Optiswiss Verbindungen zum Ausland). Studenten bekundeten ebenfalls Interesse. Zu guter Letzt konnten gar nicht alle, die zu freiwilliger Hilfe bereit waren, berücksichtigt werden. Seither haben acht Einsätze in verschiedenen Ortschaften der Provinzen Guelmin und Tata stattgefunden, der letzte in Fam El Hisn. Insgesamt sind bisher über 11 000 Brillen angepasst und abgegeben worden. Für jeden insgesamt drei Wochen dauernden Einsatz werden drei Paletten mit zum Teil gespendetem Material (Geräte für die Sehtests, noch zu schleifende Gläser, Fassungen) aus der Schweiz nach Marokko transportiert. Es ist übrigens nicht einfach, die Geräte einzuführen; Marokko verlangt, dass sie neu sind und den letzten Errungenschaften entsprechen. Schwere Augenkrankheiten Der 35-jährige Claude Schwarz ist Augenarzt, Spezialist für Okuloplastik, und arbeitet in der Augenklinik am Kantonsspital Genf. Er reiste nun das vierte Mal als Freiwilliger nach Marokko und hatte dort – als einziger Arzt – sehr viel zu tun. Er konnte Augenkrankheiten diagnostizieren und veranlassen, dass Patienten in Spitäler grösserer Ortschaften gefahren wurden. Wenn Hilfswerke in der Region tätig sind, entstehen dabei keine Kosten. Schwarz hat, schon bei kleineren Kindern, oft ein Glaukom vorgefunden, den hier durch Sonnenblendung verursachten vorzeitigen grauen Star, ferner das bei uns praktisch nicht vorkommende Trachom, eine bakterielle Entzündung, die zur Erblindung führen kann, auch einen Tumor bei einem Mädchen, der in einem Spital entfernt werden konnte. Davide Forni, Augenoptikermeister mit einem Geschäft in Biasca, war von Anfang an dabei. Die humanitären Einsätze sind inzwischen fester Teil seines Lebens. Er hat im Mai wie seine Kollegen erneut hart gearbeitet. Sie alle wissen nun, was es heisst, in solchen Gegenden grosse Leistungen zu erbringen. Ein Vergleich mit der Schweiz ist gar nicht möglich. Vier Optiker passten täglich etwa 100 Brillen an. Nicht nur die Fachleute, auch die Maschinen bekamen die grosse Hitze zu spüren und mussten immer wieder abgestellt werden. Für sie war ein Techniker dabei. Luciano Cestonato, Inhaber von Berling Optik in Zürich, war das zweite Mal im Einsatz. Er testete vorwiegend die Augen. Wenn er eintraf, warteten schon zahlreiche Leute vor dem Gebäude, das die Gemeinde zur Verfügung gestellt hatte. Er erlebte immer wieder Neues. Ein Kind, das gut sah, hätte gerne auch eine Brille gehabt. Ein extrem kurzsichtiger Mann (18 Dioptrien) hatte sich ohne http://www.nzz.ch/schweiz/erste-brillen-fuer-bewohner-der-sahara-1.18341759 Seite 2 von 3 Freiwillige Hilfe von Optikern: Erste Brillen für Bewohner der Sahara - Schweiz Nachrichten - NZZ.ch 14.07.14 19:19 Brille durchs Leben geschlagen. Einer der Übersetzer hatte die Absicht, Cestonato mit einer Frau zusammenzubringen. «In der Schweiz», so meinte er, «haben Sie eine Frau; die Frau, die ich für Sie auswähle, ist für hier.» Die Sehtests wurden erschwert, weil manche der Fehlsichtigen Analphabeten sind; zudem mussten Übersetzer beigezogen werden. Manche Patienten hätten Gleitsichtgläser benötigt, aber solche konnten nicht angeboten werden, also bekamen sie zwei Brillen, eine für die Nähe und eine für die Ferne. Neue Welten Die Reiseleiterin Yvonne Zaugg, die ebenfalls im freiwilligen Einsatz steht, hat sich inzwischen mit der Bevölkerung angefreundet. Ein sechsjähriges Mädchen, so eine ihrer Beobachtungen, sah so schlecht, dass es die Welt fast nicht wahrnahm. Mit einer Brille wurde es einem neuen Leben zugeführt. Es sass den ganzen Nachmittag lang auf einer Mauer und schaute und schaute. Es erlebte einen Genuss, den nachzuempfinden wir nicht in der Lage sind. Allerdings musste es das «sehende Laufen» erlernen, denn vorher hatte es sich anders fortbewegt. Die meisten Optiker sind sehr erfüllt, wenn sie müde aus der Wüste zurückkehren. Sie haben, ohne wie bei einer Operation ein Risiko für die Patienten eingegangen zu sein, etwas äusserst Positives vollbracht. COPYRIGHT © NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AG - ALLE RECHTE VORBEHALTEN. EINE WEITERVERARBEITUNG, WIEDERVERÖFFENTLICHUNG ODER DAUERHAFTE SPEICHERUNG ZU GEWERBLICHEN ODER ANDEREN ZWECKEN OHNE VORHERIGE AUSDRÜCKLICHE ERLAUBNIS VON NEUE ZÜRCHER ZEITUNG IST NICHT GESTATTET. http://www.nzz.ch/schweiz/erste-brillen-fuer-bewohner-der-sahara-1.18341759 Seite 3 von 3