§5 Diagonalisierbarkeit Sei V ein K–Vektorraum mit einer Basis B = (v1 , . . . , vn ) Wiederholung aus §2: Sei f : V → V K–linear. Stelle f (vj ) für j = 1, . . . , n dar in der Form f (vj ) = a1j v1 + . . . + anj vn a1j Das n–Tupel aj = ... heißt Koordinatenvektor von f (vj ) bzgl. B. Die anj Matrix mit den Spalten a1 , . . . , an heißt darstellende Matrix MBB (f ) von f bzgl. B, also a11 . . . a1n .. MBB (f ) = ... . an1 . . . ann Es gilt: MBB : EndV → M (n × n, K), f 7→ MBB (f ) (1) ist ein Isomorphismus von K–Vektorräumen, (2.3). Sei B 0 = (w1 , . . . , wn ) eine weitere Basis von V und n P cij vi , j = 1, . . . , n; wj = i=1 C := (cij ) ist dann die Übergangsmatrix von B nach B 0 . (2) C ist invertierbar. 0 (3) MBB0 (f ) = C −1 MBB (f )C (Transformationsformel). Definition: a) f heißt diagonalisierbar, falls es eine Basis B 0 von V gibt, so dass 0 MBB0 (f ) eine Diagonalmatrix ist. b) Eine Matrix A ∈ M (n × n, K) heißt diagonalisierbar, falls es ein C ∈ GLn (K) gibt, so dass C −1 AC eine Diagonalmatrix ist. 1 (5.1) Bemerkung: Genau dann ist A diagonalisierbar, wenn LA diagonalisierbar ist. Beweis: ⇒“ Sei C ∈ GLn (K) mit C −1 AC Diagonalmatrix. ” Sei c1 , . . . , cn die Spalten von C. Dann ist B 0 = (c1 , . . . , cn ) eine Basis von K n und C ist die Übergangsmatrix von K = (e1 , . . . , en ) nach B 0 . Ferner ist 0 A = MKK (LA ). Nach der Transformationsformel ist MBB0 (LA ) = C −1 AC eine Diagonalmatrix. 0 ⇐“ Existiert eine Basis B 0 von K n , so dass MBB0 (LA ) eine Diagonalmatrix ” ist, so gibt es nach der Transformationsformel eine Matrix C ∈ GLn (K), so 0 dass MBB0 (LA ) = C −1 MKK (LA )C = C −1 AC. Also ist A diagonalisierbar. Wir wollen nun der Frage nachgehen, wann eine lineare Abbildung f : V → V diagonalisierbar ist. Genau dann ist f diagonalisierbar, wenn es eine Basis B 0 = (w1 , . . . , wn ) gibt, so dass d11 0 . . . 0 . .. .. . . .. 0 0 MBB0 (f ) = . . eine Diagonalmatrix ist, d.h. . .. .. 0 .. 0 . . . 0 dnn f (w1 ) = d11 w1 , f (w2 ) = d22 w2 , . . . , f (wn ) = dnn wn . Es gilt also: Genau dann ist f diagonalisierbar, wenn V eine Basis B 0 = (w1 , . . . , wn ) hat, die aus lauter Eigenvektoren von f besteht. 0 Auf der Diagonalen von D = MBB0 (f ) stehen dann die Eigenwerte f (mit gewissen Vielfachheiten). (5.2) Bemerkung: Ist f diagonalisierbar, so zerfällt das charakteristische Polynom von f in ein Produkt von Linearfaktoren: x − d11 0 ... χf (x) = det(xEn −D) = det = (x−d11 )·. . .·(x−dnn ) 0 x − dnn Von nun an sei K = C oder K = R. 2 (5.3) Satz: a) Seien w1 , . . . , wm Eigenvektoren von f zu verschiedenen Eigenwerten λ1 , . . . , λm . Dann ist (w1 , . . . , wm ) linear unabhängig. Speziell (m = n) : Hat f n verschiedene Eigenwerte, so ist f diagonalisierbar ((w1 , . . . , wn ) ist eine Basis aus Eigenvektoren). b) Sind wj ∈ V (f, λj ) aus Eigenräumen zu verschiedenen Eigenwerten λ1 , . . . , λm , so folgt aus w1 + . . . + wm = 0, dass w1 = . . . = wm = 0. Beweis: Sei W = Kw1 + . . . + Kwm . Dann ist für w = α1 w1 + . . . + αm wm f (w) = (α1 λ1 )w1 + . . . + (αm λm )wm ∈ W . Somit induziert f eine lineare Abbildung g : W → W, g(w) := f (w), und λ1 , . . . , λm sind Eigenwerte von g, also verschiedene Nullstellen von χg . Nach §3 ist daher (x − λ1 ) · . . . · (x − λm ) ein Teiler χg (x) und Grad χg (x) ≥ m. Wegen Grad χg (x) = dim W folgt dim W ≥ m, also ist dim W = m und (w1 , . . . , wm ) ist linear unabhängig (II.2.10) b) Angenommen nicht alle w1 +. . .+wm seien gleich 0, etwa w1 6= 0, . . . , wr 6= 0 und w1 + . . . + wr = 0, 1 ≤ r ≤ m. Dann wären w1 , . . . , wr Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten mit 1 · w1 + . . . + 1 · wr = 0, im Widerspruch zu a). Direkte Summen von Untervektorräumen: Seien W1 , . . . , Wr Untervektorräume von V, r ≥ 2. r P von W1 , . . . , Wr ist die Menge Die Summe W1 + . . . + Wr = i=1 W1 + . . . + Wr = {w1 + . . . + wr | wj ∈ Wj , j = 1, . . . , r} (5.4) Bemerkung: a) W1 + . . . + Wr ist ein UVR von V . b) dim(W1 + . . . + Wr ) ≤ dim W1 + . . . + dim Wr Beweis: a) Sind w = r P wi , w 0 = i=1 r P i=1 0 und somit w + w = r P wi0 mit wi , wi0 ∈ Wi , so ist ui = wi + wi0 ∈ Wi ui ∈ W1 + . . . + Wr . Ferner ist λw = i=1 r P (λwi ) ∈ i=1 W1 + . . . + Wr , falls λ ∈ K. 3 b) Sind B1 , . . . , Br Basen von W1 , . . . , Wr , so ist B1 ∪. . .∪Br ein Erzeugendensystem von W1 +. . .+Wr also dim(W1 +. . .+Wr ) ≤ |B1 ∪. . .∪Br | ≤ r r P P |Bi | = dim Wi . i=1 i=1 Definition: V heißt direkte Summe von W1 , . . . , Wr wenn gilt: a) V = W1 + . . . + Wr b) Ist r P i=1 wi = r P ui mit ui , wi ∈ Wi , so ist wi = ui , i = 1, . . . , r. i=1 Schreibe V = W1 ⊕ . . . ⊕ Wr (= r L Wi ), wenn V die direkte Summe von i=1 W1 , . . . , Wr ist. (5.5) Bemerkung: Die folgenden Aussagen sind äquivalent: a) V = W1 ⊕ . . . ⊕ Wr b) V = W1 + . . . + Wr und es gilt: Aus w1 +. . .+wr = 0 und wj ∈ Wj , j = 1, . . . , r folgt: w1 = . . . = wr = 0 P c) V = W1 + . . . + Wr und Wi ∩ ( Wk ) = 0 für i = 1, . . . , r k6=i d) V = W1 + . . . + Wr und dim V = dim W1 + . . . + dim Wr Insbesondere: Sind B1 , . . . , Br Basen von W1 , . . . , Wr , so ist B1 ∪ . . . Br eine Basis von V , falls V = W1 ⊕ . . . ⊕ Wr . Beweis: a) ⇒ b) Aus + 0 = w1 + . . . + wr folgt 0 = w1 , . . . , 0 = wr P 0 = 0 + . . .P b) ⇒ c) Sei wi = wk ∈ Wi ∩ wk , wi ∈ Wi und wk ∈ Wk k 6= i k6=i k6=i Dann ist 0 = w1 + . . . + wi−1 + (−wi ) + wi+1 + . . . + wr = 0 und nach Voraussetzung ist −wi = 0, also auch wi = 0. c) ⇒ d) Induktion nach r. r = 2 : V = W1 + W2 und dim V = dim W1 + dim W2 −dim W1 ∩W2 = dim W1 +dim W2 , da nach Voraussetzung W1 ∩W2 = {0}. Sei r ≥ 3 und die Aussage bewiesen für r − 1: (1) dim V = dim(W1 + . . . + Wr−1 ) + dim Wr − dim Wr ∩ (W1 + . . . Wr−1 ) Vor. = dim(W1 + . . . + Wr−1 ) + dim Wr . 4 Ferner gilt für V 0 = W1 + . . . + Wr−1 nach Voraussetzung à r−1 ! X Wj ∩ Wk = 0 für j = 1, . . . , r − 1 k=1 Nach Induktionsvoraussetzung ist daher dim V 0 = dim W1 + . . . + dim Wr−1 und mit (1) folgt die Behauptung. P d) ⇒ c) dim W1 + . . . + dim Wr = dim V = dim( Wk + Wi ) = = dim Wi + dim( P Wk ) − dim(Wi ∩ P k6=i 5.4 Wk ) ≤ k6= i P k6=i ≤ dim W1 + . . . + dim Wr − dim(Wi ∩ Wk ) k6= i P P Es folgt dim Wi ∩ Wk = 0 und Wi ∩ Wk = 0. k6=i k6=i c) ⇒ a) Aus uP . . . + vr mit uj , vj ∈ Wj , j = 1, . . . , r folgt 1 + . . . + ur = v 1 + P wi = ui −vi = (vk −uk ) ∈ Wi ∩( Wk ) = 0 und somit wi = 0, i = 1, . . . , r. k6=i k6=i (5.6) Beispiel: Sind λ1 , . . . , λs ∈ K verschiedene Eigenwerte von f : V → V und Wi = V (f, λi ) die zugehörigen Eigenräume, so gilt für W = W1 + . . . + r P dim Wr . Wr : W = W1 ⊕ . . . ⊕ Wr , insbes. dim W = i=1 Beweis: Aus w1 + . . . + wr = 0, wj ∈ Wj folgt nach 5.3: w1 = . . . = wr = 0. Also ist nach 5.5 W = W1 ⊕ . . . ⊕ Wr . (5.7) Satz: Seien λ1 , . . . , λr ∈ K die verschiedenen Eigenwerte von f : V → V und Wi = V (f, λi ), W = W1 + . . . + Wr . Dann sind folgende Aussagen äquivalent: a) f ist diagonalisierbar. b) (i) χf zerfällt in Linearfaktoren, d.h. χf (x) = (x − λ1 )ν1 · . . . · (x − λr )νr mit ν1 , . . . , νr ∈ N>0 . (ii) Geometrische und Algebraische Vielfachheit von λj stimmen überein für j = 1, . . . , r. c) V = W 5 d) V = W1 ⊕ . . . ⊕ Wr Beweis: Nach (5.6) sind c) und d) äquivalent. a) ⇒ b) (i) Wähle eine Basis B 0 = (w1 , . . . , wn ) bestehend aus Eigenvektoren von f , so angeordnet, dass λ1 0 ν1 − mal .. . λ1 ν2 − mal λ2 ... .. 0 . A = MBB0 (f ) = . λ2 . . . . .. .. λr .. . . .. νr − mal 0 λr Dann ist χf (x) = χA (x) = (x − λ1 )ν1 · . . . · (x − λr )νr mit Grad f = n und νj = ν(χf , λj ) (Vielfachheit der Nullstelle λj von χf ). (ii) Zeige etwa für j = 1, dass ν1 = dimK V (f, λ1 ) ν1 = ν(χf , λ1 ) und w1 , . . . , wν1 ∈ V (f, λ1 ) sind linear unabhängig als Teil der Basis B 0 . Es folgt 4.8 dim V (f, λ1 ) ≥ ν1 = ν(χf , λ1 ) ≥ dim V (f, λf ) und somit gilt Gleichheit. b) b) ⇒ c) dim V = Grad χf (x) = r P b) ν(χf , λi ) = i=1 r P dim Wi i=1 Nach 5.6 ist dann dim V = dim W , also V = W . c) ⇒ a) W1 , . . . , Wr hat jeweils eine Basis aus Eigenvektoren von f . Also ist die Vereinigung dieser Basesn eine Basis von V = W1 ⊕ . . . ⊕ Wr , bestehend aus Eigenvektoren von f . Verfahren zur Diagonalisierung eines Endomorphismus(falls möglich). Nach (5.7) ist f genau dann diagonalisierbar, wenn (1) χf (x) = (x − λ1 )ν1 . . . (x − λr )νr mit λi 6= λj für i 6= j. 6 (2) dim V (f, λi ) = νi für i = 1, . . . , r. 1) Bestimme A = MBB (f ) und χf (x) = det(xEn − A) für eine beliebige Basis B = (v1 , . . . , vn ) von V . Bestimme die Nullstellen von χf in K und zerlege, wenn möglich, χf in ein Produkt von Linearfaktoren. (Ist dies nicht möglich, so ist f nicht diagonalisierbar; Abbruch!) Man erhält χf (x) = r Y (x − λi )νi λi 6= λj für i 6= j i=1 2) Bestimme zu jedem Eigenwert λi den zugehörigen Eigenraum. Dazu ist das lineare GLS x1 .. (i) (λi En − A) . = 0 xn zu lösen. Die Lösungsmenge von (i) besteht dann aus den Koordinatenvektoren der Vektoren des Eigenraums V (f, λi ) bzgl. der Basis B = (v1 , . . . , vn ). Speziell: Ist V = K n und B die kanonische Basis, so gilt V (f, λi ) = Lösungsraum von (i) (i = 1, . . . , r) 3) Kontrolliere ob νi = dim V (f, λi ). Falls nein: f ist nicht diagonalisierbar. Falls ja: 4) Bestimme für jeden Eigenraum V (f, λi ) eine Basis Bi0 : B 0 = B10 ∪. . .∪Br0 ist dann eine Basis von V bestehend aus Eigenvektoren von f . Damit 0 ist MBB0 (f ) bestimmt. 5) Sei B 0 = (w1 , . . . , wn ). Bestimme die Übergangsmatrix C = (cij ) von B n P nach B 0 , d.h. wj = cij vi , j = 1, . . . , n. i=1 7 0 6) Wenn richtig gerechnet wurde, muss MBB0 (f ) = C −1 AC gelten, d.h. 0 CMBB0 (f ) = A · C x −y+ z x 3 3 Rechenbeispiel: f : R → R , f y = −3x − 2y + 3z = A y mit z −2x − 2y + 3z z 0 −1 1 A = −3 −2 3. Also ist A = MBB (f ), B = (e1 , e2 , e3 ). −2 −2 3 t 1 −1 χf (t) = det(tE3 −A) = det 3 t + 2 −3 = t3 −t2 −t+1 = (t−1)2 (t+1) 2 2 t−3 Die Eigenwerte von f sind somit 1 (algebraische Vielfachheit 2) und −1 (algebraische Vielfachheit 1). 1 1 −1 1 1 −1 1 · E3 − A = 3 3 −3 à 0 0 0 ; also ist dim V (f, 1) = 2 und 2 2 −2 0 0 0 V (f, 1) = Lös (x + y − z = 0) mit 1)t , (0, 1, 1)t ) Basis ((1, 0, −1 1 −1 1 −1 1 (−1)E3 − A = 3 1 −3 à 0 4 −6. 2 2 −4 0 4 −6 1 Wähle x3 = 2 : x2 = 3, x1 = 1 und V (f, −1) = R · 3. 2 1 0 1 0 0 , 1 , 3 = (w1 , w2 , w3 ) eine Basis vonf R3 beDamit ist B = 1 1 2 1 0 0 1 0 1 0 stehend aus Eigenvektoren von f . MBB0 (f ) = 0 1 0 und C = 0 1 3 0 0 −1 1 1 2 0 ist die Übergangsmatrix von B = (e1 , e2 , e3 ) nach B 1 0 1 1 0 0 1 0 −1 0 Probe: CMBB0 (f ) = 0 1 3 0 1 0 = 0 1 −3 1 1 2 0 0 −1 1 1 −2 8 0 −1 1 1 0 1 1 0 −1 A · C = −3 −2 3 0 1 3 = 0 1 −3 −2 −2 3 1 1 2 1 1 −2 9