Skript "Arbeitsvertragsrecht unter Berücksichtigung des

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Arbeitsvertragsrecht unter Berücksichtigung
des Mindestlohngesetzes
ZUR PERSON: DIETER MERZ
Rechtsanwalt Dieter Merz, Fachanwalt für Arbeitsrecht, betreut schwerpunktmäßig mittelständische Unternehmen unterschiedlicher Branchenbereiche, vom Kleinbetrieb bis hin zu Kapitalgesellschaften, Kommunen, soziale Träger sowie Angehörige freier Berufe. Ferner kann Herr
Rechtsanwalt Merz auf erfolgreiche Beratungen bis hin zur Prozessvertretungen von Managern, Führungspersonal und leitenden Angestellten verweisen.
UNSERE KANZLEI
Oberste Priorität der Merz & Stöhr Rechtsanwaltspartnerschaft mbB ist das problemorientierte, effiziente und wirtschaftlich durchdachte Handeln im Umgang mit den Anliegen der Mandantschaft. Hierbei
erfolgt eine umfassende und zielorientierte Betreuung der Mandantschaft sowohl im außergerichtlichen, als auch im gerichtlichen Bereich. Neben der Vertretung der Mandantschaft hat es sich das Team
der Merz & Stöhr Rechtsanwaltspartnerschaft mbB zur Aufgabe gemacht, durch intensive und sorgfältig abgestufte Beratung die Mandantschaft zu präventivem Denken zu verhelfen.
Herr Rechtsanwalt Tobias Stöhr ist Ihr Ansprechpartner im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes
und des IT-Rechts und betreut schwerpunktmäßig Unternehmensgründungen. Ferner verfügt Herr
Rechtsanwalt Stöhr über umfangreiche Erfahrungen im Bereich des allgemeinen Vertrags- und Wirtschaftsrechtes.
Herr Rechtsanwalt Matthias Matzka ist insbesondere auf den Gebieten Bau- und Immobilienrecht, Verwaltungs- und Kommunalrecht sowie Mietrecht tätig. Er berät und vertritt Bauherren, Bauunternehmen und Architekten/Ingenieure bei der Planung und Genehmigung von Gebäuden, Handelszentren
und sonstiger baulicher Anlagen.
Herr Rechtsanwalt Richard Bode ist TÜV-zertifizierter Datenschutzbeauftragter und betreuet Unternehmen unterschiedlicher Branchenbereiche. Zudem ist er Ihr Ansprechpartner im Bereich des Bankund Kapitalmarktrechts sowie im IT-Recht.
Herr Rechtsanwalt Dirk Erler ist Fachanwalt für Verkehrs- und Sozialrecht. Auf Grund seiner umfangreichen Kenntnisse auf dem Gebiet des Verkehrsrechts betreut er u.a. Autohäuser in allen Bereichen.
Des Weiteren verfügt Herr RA Erler über fundierte Kenntnisse im Versicherungsrecht sowie im Bereich
des Erb- und Familienrechts.
Als Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht betreut Herr Rechtsanwalt Andreas Atzenbeck
schwerpunktmäßig Unternehmen sowie Miet- und Hausverwaltungen in allen Themen rund um die
Bestandsimmobilie, insbesondere im Mietrecht, Immobilienrecht sowie im internationalen Recht.
Herr Rechtsanwalt Albrecht Lauf ist in den Bereichen des Arbeits- und Gesellschaftsrechts tätig und
berät Unternehmer in erbrechtlichen Angelegenheiten. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Beratung
von Unternehmensgründungen und Unternehmensnachfolgen sowie in der Begleitung von Unternehmenskäufen und Unternehmensverkäufen.
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INHALT
A.
DER ARBEITSVERTRAG ............................................................................................................................... 5
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
Einleitung .............................................................................................................................................. 5
Grundlagen............................................................................................................................................ 5
1. Begriff des Arbeitnehmers .............................................................................................................. 5
2.
Begriff des Arbeitgebers.................................................................................................................. 8
3.
Abschluss und Begründung des Arbeitsverhältnisses ........................................................... 8
4.
Der Arbeitsvertrag und dessen Inhalt ......................................................................................... 8
Befristung von Arbeitsverträgen ...................................................................................................... 9
Probezeit.............................................................................................................................................. 12
Bestimmung der Arbeitsleistung ................................................................................................... 12
Umfang und Dauer der Arbeitsleistung ....................................................................................... 13
Ort der Arbeitserbringung ............................................................................................................... 13
Arbeitszeit ........................................................................................................................................... 13
1. Arbeitszeitkonto .............................................................................................................................. 14
2.
Überstunden ..................................................................................................................................... 14
3.
Wirksamkeit von Arbeitszeitklauseln ....................................................................................... 14
IX. Arbeitsentgelt ..................................................................................................................................... 15
X. Gratifikationen und Sonderzahlungen ......................................................................................... 15
1. Gratifikationen ................................................................................................................................. 15
2.
weitergehende Regelungen ........................................................................................................ 17
XI. Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB ............................................................................................ 17
XII. Urlaubsrecht ....................................................................................................................................... 18
1. Allgemeine Fragen ......................................................................................................................... 18
2.
Verfall ................................................................................................................................................. 18
3.
Verzicht .............................................................................................................................................. 19
4.
Teilzeitbeschäftigte ....................................................................................................................... 19
XIII. Krankmeldung .................................................................................................................................... 20
XIV. Datenschutz......................................................................................................................................... 20
XV. Verschwiegenheitspflicht, Wettbewerbsverbot und Vertragsstrafe ...................................... 21
XVI. Ausschlussfristen und Haftungsbeschränkungen ...................................................................... 22
XVII. Abtretungs- und Pfändungsverbot ............................................................................................... 22
XVIII. Arbeitgeberdarlehen, Rückzahlungsvereinbarungen ............................................................. 22
B.
DAS MINDESTLOHNGESETZ .................................................................................................................... 24
I.
II.
III.
IV.
V.
Einführung ........................................................................................................................................... 24
begrenzter Vorrang von Branchenmindestlöhnen .................................................................... 24
persönlicher Anwendungsbereich ................................................................................................. 24
räumliche Anwendungsbereich...................................................................................................... 25
Unabdingbarkeit des Anspruchs .................................................................................................... 25
3
VI. Fälligkeit des Mindestlohnanspruchs ........................................................................................... 26
VII. geringfügige Beschäftigung – Minijobs ...................................................................................... 26
1. rückwirkender Eintritt von Versicherungs- und Beitragspflicht ..................................... 26
2.
nach der Prüfung: Beitragsnachforderungen und Säumniszuschläge .......................... 27
3.
Gleitzonenregelung als Alternative.......................................................................................... 27
VIII. Vergütung von Ehegatten und sonstigen Familienangehörigen ........................................... 27
IX. Verliehene Arbeitnehmer ................................................................................................................ 27
X. Mindestlohn bei Arbeitszeitkonto und Wertguthaben ............................................................. 28
1. Arbeitszeitkonten............................................................................................................................ 28
2.
Konsequenz ...................................................................................................................................... 29
3.
Arbeitszeitkonto: Geltung für alle Mitarbeiter?.................................................................... 29
4.
Aufzeichnungspflichten ................................................................................................................ 29
XI. Zusammensetzung des Mindestlohns .......................................................................................... 29
1. Mindestlohn nur für tatsächlich geleistete Arbeit .............................................................. 30
2.
Stück- und Akkordarbeit............................................................................................................... 30
3.
Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft ................................................................................ 30
4.
zusätzliche Vergütungselemente .............................................................................................. 31
5.
Urlaubsentgelt und Jahreszahlungen ...................................................................................... 32
6.
Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und 13. Gehalt ....................................................................... 33
7.
keine Sachleistungen als Mindestlohn.................................................................................... 33
8.
vermögenswirksame Leistungen ............................................................................................... 33
9.
Probleme bei Provisionsvereinbarungen................................................................................ 33
XII. Übergangszeit bis Ende 2016 ......................................................................................................... 34
XIII. Anpassung des Mindestlohns ab 2017......................................................................................... 35
XIV. Folgen für Eingruppierungssysteme gemäß Betriebsvereinbarung ...................................... 35
XV. Vergabe von Werk- und Dienstleistungen................................................................................... 36
1. Haftung für Subunternehmer ..................................................................................................... 36
2.
geringe Kontrollmöglichkeiten, aber umfassende Haftung ............................................. 36
3.
schwerwiegende Folgen eines Verstoßes .............................................................................. 36
4.
nur ständige Kontrolle des Nachunternehmers vermeidet Haftung ............................. 36
XVI. Risiken und Folgen bei Verstoß gegen das Mindestlohngesetz ............................................ 37
Anhang: Besonderheiten bei Praktikumsverhältnissen..................................................................... 37
1. Definition des Praktikumsverhältnisses .................................................................................. 37
2.
Ausnahmen vom Mindestlohnanspruch für Praktikanten ................................................. 38
3.
Änderungen im Nachweisgesetz ............................................................................................... 39
4
A. Der Arbeitsvertrag
I.
Einleitung
Das Arbeitsrecht ist eines der wenigen Rechtsgebiete, mit denen fast jeder schon einmal in Kontakt
gestanden hat. Dabei sind die Probleme, die sich dem Arbeitgeber (AG) stellen, von denen des Arbeitnehmers (AN) grundverschieden, da beide mit dem Arbeitsverhältnis verschiedene Zielrichtungen verfolgen. Der AG benötigt Arbeitskraft. Diese kann ihm der AN bieten, wobei er aber eine entsprechende
Kompensation voraussetzt.
Dies bedeutet, dass sowohl AG als auch AN in einigen Bereichen, beispielsweise hinsichtlich des Unternehmenserfolges, ähnliche Interessen verfolgen. Andererseits steht dem Gewinnerzielungsinteresse des AN der Wunsch nach angemessener Vergütung und Absicherung gegenüber.
Da der Arbeitnehmer traditionell die schwächere Position inne hat, ist das Arbeitsrecht daher überwiegend als Arbeitnehmerschutzrecht ausgestattet.
Der Geltungsbereich des Arbeitsrechts wird entscheidend durch den Arbeitnehmerbegriff festgelegt.
Der Arbeitgeberbegriff wird maßgeblich durch die Bestimmung des Arbeitnehmerbegriffs beeinflusst.
II.
1.
Grundlagen
Begriff des Arbeitnehmers
Nach herkömmlicher Begriffsbestimmung ist Arbeitnehmer (AN), wer aufgrund eines (privatrechtlichen) Vertrags zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, dabei zur Leistung von Diensten verpflichtet ist, die
nicht durch den Eintritt eines Arbeitserfolges begrenzt sind (Dienstvertrag, nicht Werkvertrag) und die
Arbeit im Dienst eines anderen leistet, also persönlich abhängig ist.
Persönliche Abhängigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer fremdbestimmte Arbeit leistet. Fehlt die
fachliche Weisungsgebundenheit, so kann es sich dennoch um einen AN handeln, wenn Weisungsgebundenheit nach Ort und Zeit der Arbeitsleistung vorliegt.
Aber auch wenn eine Weisungsgebundenheit nach Ort und Zeit der Arbeitsleistung fehlt, ist nicht
ausgeschlossen, dass eine Arbeitnehmereigenschaft anzuerkennen ist, wenn aus anderen Gründen
persönliche Abhängigkeit vorliegt.
Zu Arbeitnehmern zählen neben allen abhängig Beschäftigten auch die zur Berufsausbildung Beschäftigten (Auszubildende).
Abzugrenzen ist der Arbeitnehmer insbesondere von dem freien Mitarbeiter und der Tätigkeit aus
einem Werkvertrag (Arbeitnehmerüberlassung). Die Abgrenzung ist wichtig, da Personen, die weder
Arbeitgeber (AG) noch AN sind und zwischen denen kein Arbeitsverhältnis besteht, können grds. weder
vor den Arbeitsgerichten prozessieren noch finden auf deren Vertragsverhältnisse die Regelungen des
Arbeitsrechts Anwendung.
Maßgebend bei der Qualifizierung als AN ist nicht die Bezeichnung der Vertragsparteien als AN, sondern die tatsächliche Durchführung des Vertrages. Die AN-Eigenschaft steht nicht zur Disposition der
Vertragsparteien und kann nicht durch individuelle Vereinbarung ausgeschlossen werden.
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a)
freier Mitarbeiter
Der freie Dienstvertag unterscheidet sich von einem Arbeitsverhältnis durch den Grad der persönlichen
Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Der Mitarbeiter, der nicht im
Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann, ist AN.
Fall
1:
Cutterin
im
Produktionsbereich
Fernsehen
bei
einer
Rundfunkanstalt
BAG Urteil vom 17.04.2013 – 10 AZR 272/12
Im Fall einer Cutterin, die im Produktionsbereich Fernsehen bei einer Rundfunkanstalt beschäftigt ist,
entschied das BAG, dass die klagende AN ihre Tätigkeit fachlich, örtlich und zeitlich weisungsgebunden auszuführt und aufgrund der Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Rundfunkanstalt als AN
zu qualifizieren ist. Unerheblich ist in der Gesamtbetrachtung nach Ansicht des BAG, dass die Klägerin
die Übernahme von Diensten ablehnen konnte.
Fall
2:
Vorbereitungsassistent
eines
Zahnarztes-
Arbeitnehmer
oder
freier
Mitarbeiter?
LAG Köln vom 11.08.2014 - 6 Ta 192/14
Ein sog. Vorbereitungsassistent, der in die Praxis eines Zahnarztes eingegliedert ist, kann Arbeitnehmer sein. Das gilt jedenfalls dann, wenn eine 40-Stunden-Woche, eine feste monatliche Vergütung,
Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vereinbart sind. Der Zahnarzt kann sich in diesem
Fall auch nicht darauf berufen, dass der Assistent seine Arbeitszeit frei bestimmen kann. Denn im
Rahmen einer 40-Stunden-Woche verbleibt für den Assistenten kaum ein Spielraum zur freien Einteilung seiner Arbeitszeit.
Das LAG Köln kam in diesem Fall zu der Überzeugung, dass der Vorbereitungsassistent sowohl nach
Maßgabe des zugrunde liegenden Vertrags als auch nach der praktischen Durchführung der Beschäftigung als Arbeitnehmer des Zahnarztes anzusehen sei. Soweit in dem "Assistentenvertrag" von freiberuflicher Tätigkeit bzw. freier Mitarbeit die Rede ist, stehe dies in offenem Widerspruch zu Regelungen, die für ein Arbeitsverhältnis typisch sind, wie etwa die getroffenen Vereinbarungen zur Arbeitszeit, zur Vergütung, zum Erholungsurlaub und zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
b)
Werkvertrag vs. AÜG
Das „AÜG“ regelt die sog. Arbeitnehmerüberlassung, d.h. das - in der Regel zeitlich begrenzte -Ausleihen eines Arbeitnehmers zur Arbeit in dem Betrieb eines Dritten, des "Entleihers". Statt von Arbeitnehmerüberlassung spricht man auch von Zeitarbeit oder von Leiharbeit. Bei Arbeitnehmerüberlassung fallen Arbeitsvertrag und Arbeitsleistung auseinander: Der Arbeitsvertrag des Leiharbeitnehmers
besteht mit dem Verleiher, die Arbeitsleistung erfolgt bei dem Entleiher.
Ist der Vertrag zwischen den Parteien unwirksam, begründet dies kraft der Regelung im AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer.
Fall:
Abgrenzung
Arbeitnehmer
oder
unerlaubte
Arbeitnehmerüberlassung
LAG Niedersachsen, Urteil vom 19.01.2015 – 8 Sa 643/14
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis wegen unerlaubter AN-Überlassung zustande gekommen ist.
Die Beklagte ist ein Automobilhersteller im Konzernsitz in A. Einige AN beschäftigt die Beklagte mit
Testfahrten nur in A und F.
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Der Kläger ist einer von mehreren Testfahrern, die auf der Grundlage eines von der Beklagten und der
E abgeschlossenen Rahmenvertrags auf dem Prüfgelände eingesetzt werden und dort Erprobungsfahrten durchführen. In dem Rahmenvertrag heißt es u.a.:
„Für die Erprobung werden Einzelaufträge erteilt. Die Organisation und die Durchführung der Fahrten,
die zeitliche Disposition für den Einsatz der Mitarbeiter und deren Eignung stehen im ausschließlichen
Verantwortungsbereich von E und werden durch einen Schichtleiter von E koordiniert. Die zur Durchführung eines Einzelauftrags erforderlichen Unterlagen und Hilfsmittel sowie die Besorgung der Fahrzeuge mit Kraftstoff, Luft, Öl und Wasser obliegt E. für Fahrversuche gilt für Mängel und Schäden, die
an den Fahrzeugen während der Durchführung der Arbeiten entstehen, dass diese grds. mit eigenem
Personal und nicht auf eigene Kosten durchgeführt werden.
Das BAG entscheid: Ein Vertragsverhältnis ist als Werkvertrag und nicht als unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung iSv § 1 I S. 1, II AÜG qualifizieren, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die dem
Auftraggeber zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte in dessen Bereich eingegliedert sind und ihre
Arbeit allein nach Weisungen des Auftraggebers und in dessen Interesse ausführen. Die Grenzen eines
Werkvertrags sind noch nicht überschritten, wenn in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers fachlicher Art sind der ordnungsgemäßen Erstellung des Werks dienen.
Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass sich die Aufgabe des Auftragnehmers bei Durchführung
des Auftrags im Wesentlichen auf die Auswahl der AN und ihrer Einteilung in Schichten beschränkt.
Das gilt jedenfalls dann, wenn der Auftragnehmer für die ordnungsgemäße Durchführung der Aufgabeninhalte noch verantwortlich bleibt, zur Gewährleistung verpflichtet ist und für die Umsetzung des
Vertrages vor Ort Ansprechpartner bereitstellt.
Achtung: Neue Regelung ab 1.1.2017
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG nach der seit dem 1.1.2017 geltenden Fassung sind Unternehmen erlaubnispflichtig, wenn sie Arbeitnehmer „im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit“ zur Arbeitsleistung überlassen. Voraussetzung ist dagegen nicht, dass der Verleiher gewerbsmäßig handelt. Früher
fielen reine konzernangehörige Verleihunternehmen nicht unter die Erlaubnispflicht, wenn sie die Arbeitskräfte gegen Erstattung des Selbstkostenpreises ggf. zzgl. einer Verwaltungskostenpauschale zur
Verfügung stellten; in diesem Fall verneinte das BAG die Gewinnerzielungsabsicht und damit die Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Dieses Privileg ist durch §1 AÜG gestrichen.
Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG sind die Regelungen des AÜG allerdings nicht anzuwenden, wenn die
Überlassung nur gelegentlich erfolgt und - wie bereits beim Konzernprivileg - der Arbeitnehmer nicht
zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird. Da es sich bei § 1 Abs. 3 AÜG um eine
Vorschrift mit Ausnahmecharakter handelt, werden an den Begriff "gelegentlich" strenge Anforderungen gestellt. Als Beispiel wird die Abdeckung eines kurzfristigen Spitzenbedarfs eines anderen Unternehmens genannt.
Weiteres können Sie unserem Skript Arbeitnehmerüberlassung ab dem 1.1.2017 entnehmen.
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2.
Begriff des Arbeitgebers
Arbeitgeber ist, wer Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis mit abhängiger Arbeit beschäftigt. Neben
natürlichen Personen können auch juristische Person (z.B. Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung) Arbeitgeber sein, ebenso die öffentliche Hand. Unerheblich ist die Art der Arbeit
und ob der Arbeitgeber ein Gewerbe betreibt.
3.
Abschluss und Begründung des Arbeitsverhältnisses
Als Arbeitsverhältnis bezeichnet man das Rechtsverhältnis zwischen AN und AG. Grundlage ist der
zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag. Aus diesem ergeben sich verschiedene Rechte
und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien. Hauptsächlich handelt es sich dabei um die Verpflichtung
des Arbeitnehmers zur Erbringung der vereinbarten Arbeitsleistung.
Dieser steht die Verpflichtung des AG zur Zahlung der vereinbarten Vergütung gegenüber. Daneben
ergeben sich aus dem Arbeitsverhältnis noch eine Vielzahl von Neben-, Treue- und Sorgfaltspflichten.
Derartige Nebenpflichten können sowohl bereits vor Eingehung des Arbeitsverhältnisses als auch nach
dessen Beendigung bestehen.
a) Vertragsschluss
Das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses setzt voraus, dass AN und AN einen Vertrag schließen. Gem. § 2 Abs. 1 NachwG hat der Arbeitgeber den wesentlichen Inhalt des Arbeitsvertrages innerhalb 1 Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses schriftlich niederzulegen.
b) Begründung
Mit Abschluss des (auch mündlichen) Vertrages entsteht nach einhelliger Meinung das Arbeitsverhältnis (AV) und begründet noch vor dem tatsächlichen Arbeitsantritt Rechte und Pflichten für die Vertragsparteien.
Zunächst ist hiernach der AN verpflichtet, seine Arbeitsleistung zum vereinbarten Arbeitsbeginn zu
erbringen und der AG, dem AN die Erbringung seiner Arbeitsleistung zu ermöglichen. Die Auflösung
des Arbeitsvertrages vor Arbeitsantritt würde zum Beispiel eine Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag voraussetzen.
Durch die tatsächliche Arbeitsaufnahme wird das Arbeitsverhältnis aktualisiert, das heißt, erst mit diesem Zeitpunkt entstehen Rechte auf Lohn, Urlaub, etc.
4.
Der Arbeitsvertrag und dessen Inhalt
a) schriftlicher Arbeitsvertrag
Zwar ist der schriftliche Nachweis, wie bereits oben erwähnt, für das Entstehen des AV nicht konstitutiv, jedoch dient die schriftliche Niederlegung der wesentlichen Vertragsbestandteile der Beweiserleichterung in einem möglichweise späteren arbeitsgerichtlichen Verfahren und dient der Klarstellung
und Sicherheit beider Vertragsparteien. Im weiteren Verlauf des Skripts wird an der jeweiligen Stelle
noch einmal konkret auf das Erfordernis bzw. die Vorteile der Schriftform eingegangen.
b) Mindestinhalt nach Nachweisgesetz
Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 – 10 NachwG sind folgende Vertragsbestandteile schriftlich niederzulegen:
 Name und Anschrift der Vertragsparteien
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 Beginn des Arbeitsverhältnisses
 Bei befristeten Arbeitsverträgen: die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses
 Arbeitsort; ggfls. der Hinweis, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann
 Kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit
 Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts sowie deren Zuschläge, Zulagen, Prämien
und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit
 Vereinbarte Arbeitszeit
 Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
 Fristen für die Kündigung des Arbeitsvertrages
 In allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder
Dienstvereinbarungen
Für Berufsausbildungs- (§ 4 Abs.1 BBiG)- und Leiharbeitsverhältnisse (§ 11 AÜG) gelten besondere
Nachweisvorschriften. Die für Ausbildungsverhältnisse vorgeschriebene schriftliche Vereinbarung des
wesentlichen Vertragsinhalts nach § 11 BBiG hat jedoch keine konstitutive Bedeutung.
Eine Ausnahme von der Formfreiheit sieht § 14 IV TzBfG vor. Danach bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages der Schriftform. Wird diese nicht gewahrt, ist die Befristungsabrede unwirksam und der
Arbeitsvertrag gilt als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.
c) Fakultativer Inhalt
Grundlegende Bedeutung für den Arbeitsvertrag haben insbesondere die Vereinbarungen zu der Bestimmung der Arbeitsleistung, dem Umfang und Ort der Arbeitsleistung. Diese Vereinbarungen und
weitere Vertragsbestandteile werden nun im Einzelnen dargestellt.
III.
Befristung von Arbeitsverträgen
Unter welchen Voraussetzungen der Abschluss befristeter Arbeitsverträge zulässig ist, richtet sich
grundsätzlich nach den Regelungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG).
Es wird unterschieden zwischen Befristungen ohne Sachgrund und Befristungen mit Sachgrund.
Nach § 14 I TzBfG ist für eine Befristung stets ein sachlicher Grund notwendig. Allerdings ist die Aufzählung nicht abschließend. Es finden sich weitere Regelungen z.B. in § 2 WissZeitVG und § 21 BBiG.
Ein sachlicher Grund kann angenommen werden, wenn die Vertragsparteien bei Abschluss des Arbeitsvertage die Prognose stellen können, die Beschäftigungsmöglichkeit für den AN werde zu einem bestimmten Zeitpunkt wegfallen.
Nach § 14 II TzBfG ist eine Befristung bis zu 2 Jahren ohne weitere Gründe zulässig, wobei in diesem
Zeitraum auch mehrere (max. 4) Verträge geschlossen werden können.
Bei der Gründung eines Unternehmens sind die Möglichkeiten zur Befristung erweitert. Hier hat der
Gesetzgeber den maximalen Befristungszeitraum auf 4 Jahre ausgedehnt.
Außerdem können AN, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, ohne sachlichen Grund für 5 Jahre
befristet eingestellt werden, wenn dieser unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses
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mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 I Nr.1 SGB III gewesen ist, Transfernkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem
zweiten oder dritten Sozialgesetzbuch teilgenommen hat.
Bis zu der Gesamtdauer von 5 Jahren ist auch eine mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.
Die Dauer des Arbeitsvertrages kann sich aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergeben. Die sog. Zweckbefristung bedarf eines sachlichen Grundes nach § 14 TzBfG, der schriftlich
vereinbart werden muss, da die Vertragsdauer vom Vertragszweck abhängt. Das Arbeitsverhältnis endet frühestens zwei Wochen nach der schriftlichen Unterrichtung des AN durch den AG über den Zeitpunkt der Zweckerreichung.
Beispiel:
Ein AN wird eingestellt bis zur terminlich ungewissen Rückkehr eines Wissenschaftlers von einer Weltreise
Bei der sog. Zeitbefristung endet das Arbeitsverhältnis mit Zeitablauf.
Beispiel:
Einstellung eines AN für ein Projekt, dass 6 Monate dauert
Schriftform
Nach § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrags zu ihrer Wirksamkeit von Anfang
an der Schriftform. Eine Heilung durch nachträgliche Schriftform ist nicht möglich. Diesem zwingenden Schriftformerfordernis unterliegt allerdings nur die Befristungsabrede selbst, d. h. die Vereinbarung der Vertragslaufzeit. Bei einer Zweckbefristung muss zusätzlich auch der Zweck der Befristung
schriftlich angegeben werden.
Das BAG geht sogar so weit, dass die schriftliche Fixierung der zunächst mündlich getroffenen Befristungsabrede nach Vertragsbeginn nicht dazu führe, dass die Befristung wirksam wird. Teilweise sehen
Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen Sonderregelungen für den Abschluss befristeter Arbeitsverträge vor. Diese sind im Einzelfall ebenfalls zu beachten.
Da befristete Verträge während der vereinbarten Laufzeit grundsätzlich von keiner Seite ordentlich
(fristgemäß) gekündigt werden können, muss ein solches Kündigungsrecht - wenn dies gewünscht
bzw. durchsetzbar ist - vertraglich vereinbart werden (vgl. § 15 Abs. 3 TzBfG).
Fall: Rechtsmissbrauchskontrolle von Kettenbefristungen
BAG, Urteil vom 29.04.2015 – 7 AZR 310/13
In dem Fall war der AN bei dem beklagten AG auf der Grundlage von zehn aufeinanderfolgenden
befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt. Der AN vertrat jeweils unmittelbar die stellvertretende Küchenleiterin des städtischen Alten- und Pflegeheims, die infolge von der Geburt von drei Kindern wegen schwangerschaftsbedingter Erkrankung, Mutterschutz, Erziehungsurlaub bzw. Elternzeit sowie
Sonderurlaub über den gesamten Zeitraum ausfiel.
Das BAG wies die Revision des Klägers zurück. Bei einer Vertretung wegen Krankheit, Urlaub oder
Freistellung könne der AG in der Regel damit rechnen, dass der Vertretene auf seinen Arbeitsplatz
zurückkehre. Weder die Dauer der Abwesenheit noch die wiederholte Freistellung hätten der vom AG
bei Abschluss des befristeten Vertrages anzustellenden Rückkehrprognose entgegengestanden.
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Außerdem sei nach Ansicht des BAG nicht von einer missbräuchlichen Ausnutzung der Sachgrundbefristung auszugehen. Der Gestaltungsmissbrauch sei aufgrund der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses zwar indiziert, da die in § 14 II 1 TzBfG festgelegten Grenzen hinsichtlich der Gesamtdauer und
Anzahl von zehn Befristungen gravierend überschritten sind. Aber für den Kläger habe zu keiner Zeit
ein dauerhafter Bedarf bestanden und es bestünde kein dauerhafter Vertretungsbedarf für stellvertretende Küchenleiter.
In Fällen der Befristung wegen Vertretung nach § 14 I 2 Nr. 3 TzBfG iVm § 21 BBiG begründe nicht
allein der mehrfache oder sogar dauerhafte Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge den Rechtsmissbrauch. Zudem besteht nach Ansicht des BAG keine Pflicht zur Versetzung der Stammkraft.
Weitere Einzelheiten zum Befristungsrecht finden Sie in unserem Skript Befristung von Arbeitsverträgen.
Neues Urteil des EuGH 14.9.2016, C-16/15
Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses zur Deckung eines dauerhaften Personalbedarfs ist unzulässig. Es verstößt gegen die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverhältnisse, wenn die Befristung eines Arbeitsverhältnisses der Deckung eines dauerhaften Personalbedarfs dient. Das gilt jedenfalls dann, wenn keine zulässige Höchstdauer und Höchstzahl für solche Befristungen festgelegt sind.
Auch eine Sonderregelung für den Krankenhaussektor ist unzulässig.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war von Februar 2009 bis Juni 2013 aufgrund von acht befristeten Arbeitsverträgen ununterbrochen für ein Krankenhaus in Spanien als Krankenschwester tätig. Die
Befristung wurde jeweils mit dem Hinweis "Ausführung bestimmter zeitlich begrenzter, konjunktureller oder außerordentlicher Dienste" gerechtfertigt.
Mit ihrer Klage wandte sich die Klägerin gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Auslaufen der letzten Befristung. Zur Begründung machte sie geltend, dass die Befristungen nicht der Deckung eines konjunkturellen oder außerordentlichen Bedarfs der Gesundheitsdienste gedient habe,
sondern in Wirklichkeit einer dauerhaften Tätigkeit entspreche. Das mit der Klage befasste spanische
Gericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die
spanische Regelung, die die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge im Bereich der Gesundheitsdienste zulässt, gegen die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge verstößt. Der EuGH
bejahte dies.
Die Gründe:
Das Unionsrecht steht einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge zur Deckung eines zeitweiligen Personalbedarfs ermöglicht, während dieser Bedarf in
Wirklichkeit ständig besteht. Nach der Rahmenvereinbarung müssen die Mitgliedstaaten zur Verhinderung eines missbräuchlichen Umgangs mit Befristungen in ihrer Gesetzgebung mindestens einen
der drei folgenden Punkte durch ein Mittel ihrer Wahl regeln:
1. sachliche Gründe, die die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge rechtfertigen,
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2. die insgesamt maximal zulässige Dauer, für die solche aufeinanderfolgenden Verträge geschlossen werden können, und
3. die zulässige Zahl ihrer Verlängerungen.
Die spanische Regelung sieht keine Beschränkung zur Dauer oder Zahl der Verlängerungen befristeter
Arbeitsverträge vor. Daher kommt nur eine Rechtfertigung der Befristung durch einen Sachgrund in
Betracht. Die hier vom Krankenhaus angeführte vorübergehende Vertretung eines Arbeitnehmers zur
Deckung eines zeitweiligen Bedarfs kann zwar einen sachlichen Grund darstellen. Solche Verträge
können aber nicht für ständige und dauerhafte Aufgaben verlängert werden, die zur normalen Tätigkeit des festen Krankenhauspersonals gehören.
Der sachliche Grund muss also die Erforderlichkeit der Deckung eines zeitweiligen und nicht eines
ständigen Bedarfs konkret rechtfertigen können.
IV.
Probezeit
Die Probezeit wird regelmäßig verstanden als erste Phase eines unbefristeten AV und ist gekennzeichnet durch erleichterte Kündigungsmöglichkeiten.
Sie soll dem AG ermöglichen, die Eignung des AN festzustellen. Umgekehrt soll sie dem AN Gelegenheit zur Prüfung geben, ob die Beschäftigung seinen Vorstellungen entspricht.
Gesetzlich, außer in den Fällen der Berufsausbildung, ist die Probezeit nicht zwingend vorgeschrieben.
Sie muss also im Arbeitsvertrag vereinbart werden oder ergibt sich aus kollektivrechtlichen Vereinbarungen. Wollen die Arbeitsparteien allerdings, dass nur ein befristetes Probearbeitsverhältnis entsteht,
so muss dies ausdrücklich vereinbart werden. Andernfalls ist im Zweifel die Vereinbarung einer Probephase zu Beginn eines unbefristeten AV anzunehmen.
Bei individuellen Vereinbarungen beträgt die Probezeit regelmäßig höchstens 6 Monate, bei tarifvertraglichen zumeist zwischen 1 und 3 Monaten. Eine einmalige Verlängerung ist mit Zustimmung des
AN möglich.
Bei atypischen Unterbrechungen (z.B. sehr lange Krankheit) oder bei ausdrücklicher Vereinbarung,
kann eine Verlängerung möglich sein. Ohne ausdrückliche Vereinbarung (z.B. kürzere Erkrankungen)
ist eine Verlängerung ausgeschlossen.
Das Probearbeitsverhältnis kann regelmäßig gem. § 622 Abs.3 BGB mit einer Frist von 2 Wochen ordentlich gekündigt werden. Kürzere Fristen sind nur durch Tarifvertrag vereinbar.
V.
Bestimmung der Arbeitsleistung
Die Bestimmung der Arbeitsleistung ist wesentlicher Bestandteil des Arbeitsvertrages. Es wird entweder ausdrücklich geregelt, wofür der Arbeitnehmer eingestellt wird oder es wird entsprechend aus den
Umständen der Einstellung zu entnehmen sein. In der Regel kann der Arbeitsvertrag die Tätigkeit des
Arbeitnehmers nur umgrenzen, nicht im Einzelnen festlegen.
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Zu beachten ist, dass je weniger detailliert die Tätigkeit des Arbeitnehmers umschrieben ist, umso
weiter sind die Grenzen des Weisungsrechts des AG.
Soll dem Arbeitnehmer ein Beschäftigungswechsel auferlegt werden, der die einzelvertraglichen Grenzen des Weisungsrechts überschreitet, so bedarf es einer u.U. im Wege der Änderungskündigung
durchzusetzenden Änderung des Arbeitsvertrages.
Außerdem kann die Bestimmung der Arbeitsleistung Auswirkungen bei der Sozialauswahl im Falle
einer betriebsbedingten Kündigung haben.
VI.
Umfang und Dauer der Arbeitsleistung
Auch der Umfang und die Dauer der Arbeitsleistung sollten konkret im Arbeitsvertrag festgelegt werden, da sich nach der arbeitsvertraglichen Regelung richtet, in welchem Umfang und für welche Dauer
der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung zur Verfügung stellen muss.
Arbeitszeit iSd Arbeitszeitschutzrechts ist die Zeit von Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen (§ 2 I 1 ArbZG).
Neben der üblichen Arbeitszeit wird zwischen Arbeits- oder Dienstbereitschaft (z.B. Warten des Kellners auf Gäste), dem Bereitschaftsdienst und der Rufbereitschaft unterschieden. Bei dem Bereitschaftsdienst muss sich der AN an einem vom AG bestimmten Ort aufhalten muss, aber eigene Interessen
nachgehen kann. Im Fall der Rufbereitschaft ist der Aufenthalt des AN an einem bestimmten Ort nicht
erforderlich, sondern dessen Erreichbarkeit genügt.
Diese Besonderheiten sind ebenfalls im Arbeitsvertrag festzuhalten, denn enthält der Arbeitsvertrag
keine Regelung zum Bereitschaftsdienst oder zur Rufbereitschaft, ist der AN im Zweifel nicht verpflichtet diese Dienste zu erfüllen oder sich bereitzuhalten.
VII.
Ort der Arbeitserbringung
In der Regel wird der Arbeitnehmer für einen bestimmten Betrieb eingestellt. Soweit ihm nichts Besonderes vertraglich zugesagt ist, muss er innerhalb des vorgesehenen Betriebs seine Arbeitsleistung
an jedem zumutbaren Arbeitsplatz (rein örtlich verstanden) erbringen. Auch ein Wechsel dieses Platzes
innerhalb des Betriebs kann ihm jederzeit durch Weisung auferlegt werden.
VIII.
Arbeitszeit
Der AN hat dem AG seine Arbeitskraft für die vorgesehene Stundenzahl zur Verfügung zu stellen. Im
diesem Zusammenhang spielen vor allem Fragen zu Arbeitszeitkonten und Überstunden eine Rolle.
Ist in einem Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit nicht ausdrücklich geregelt, so gilt die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart. Nach ihr bemessen sich die Pflichten des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung und des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung. Diese Grundsätze gelten auch für außertarifliche Angestellte.
13
1.
Arbeitszeitkonto
Hierin wird festgehalten in welchem Umfang der AN seine Arbeitspflicht erfüllt hat (Plusstunden) oder
noch erfüllen muss (Minusstunden). Es eröffnet die Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum
Schwankungen des Arbeitsanfalls auszugleichen. Dies ist nur zulässig, wenn eine rechtliche Grundlage
existiert (z.B. Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung).
Fall zur Verrechnung von Minusstunden
BAG vom 21. März 2012 - 5 AZR 676/11
Die Klägerin als Briefzustellerin beschäftigt. Es gelten die entsprechenden Tarifverträge. Diese sehen
vor, dass die AN innerhalb der Arbeitszeit Erholungszeiten erhalten, die in den Dienstplänen zu bezahlten Kurzpausen zusammengefasst sind. Außerhalb der dienstplanmäßigen Arbeitszeit geleistete
Überstunden und deren Ausgleich durch Freizeit werden auf einem Arbeitszeitkonto festgehalten.
Das BAG entschied, dass das auf einem Arbeitszeitkonto ausgewiesene Zeitguthaben des AN nur mit
Minusstunden verrechnet werden darf, wenn dem AG die der Führung des Arbeitszeitkontos zugrunde
liegende Vereinbarung (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag) die Möglichkeit dazu eröffnet. Weder Tarifvertrag noch Betriebsvereinbarung erlauben es, das Arbeitszeitkonto mit Minusstunden zu belasten, die sich aus der Nichtausschöpfung der tarifvertraglichen Wochenarbeitszeit in den
Dienstplänen ergeben.
2.
Überstunden
Empfehlenswert ist auch die Aufnahme der Pflicht zur Leistung von Überstunden in den Arbeitsvertrag,
wenn nicht Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag bereits eine solche Verpflichtung vorsehen. Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung des AN zu Mehrarbeit, wenn diese nicht vereinbart ist.
Außerdem sollte vereinbart werden, ob entstandene Überstunden durch Freizeitgewährung oder Geldzahlung abgegolten werden.
3.
Der
Wirksamkeit von Arbeitszeitklauseln
Fall:
Dauer
der
Arbeitszeit
bei
fehlender
ausdrücklicher
Vereinbarung
BAG, Urteil vom 25.03.2015 – 5 AZR 602/13
Die Parteien streiten über Überstundenvergütung. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen des privaten
Omnibusgewerbes. Der Kläger ist als Busfahrer im Linienverkehr gegen ein Bruttoentgelt von 1.800€
beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag heißt es u.a.:
„ § 1: Inhalt, Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses. Der AN wird als Busfahrer in Vollzeit beschäftigt.
§ 4: Arbeitszeit. Die Arbeitszeit ist dem AN bekannt. Er hat im Monat 2 Samstage und jeden Sonntag
frei. Dies kann durch die Geschäftsleistung kurzfristig geändert werden, z.B. Samstag und Sonntag
arbeiten, dafür freie Tage in der Woche. Der AN kann auch zu anderen Arbeiten herangezogen werden,
z.B. Werkstatthilfe, Bürohilfe, Hausmeister, Gartenpflege etc (…)“
Der AN musste vor Antritt und nach Beendigung der Fahrten die arbeitsvertraglich festgehaltenen
Kontrollmaßnahmen und Reinigungsarbeiten ausführen.
Das BAG entschied, dass dem AN eine Vergütung der Überstunden zusteht. Die Parteien hätten eine
regelmäßige Arbeitszeit von 40 Wochenstunden vereinbart. Dies ergebe sich aus der Auslegung von
§§1, 4 Arbeitsvertrages.
14
§§ 1, 4 Arbeitsvertrages ist keine Vereinbarung, sondern setzt eine solche voraus. Eine Einigung konnte
das BAG nicht erkennen.
Die für das Arbeitsverhältnis in Frage kommende Arbeitszeit ist durch Auslegung zu ermitteln. Anknüpfungspunkt ist der Arbeitsvertrag. Der durchschnittliche AN darf „in Vollzeit“ so verstehen, dass
die regelmäßige Dauer der Arbeitszeit – unter Zugrundlegung einer Fünf-Tage-Woche und der in § 3
S.1 ArbZG vorgesehene acht Stunden arbeitstäglich – 40 Wochenstunden nicht übersteigt.
Soll hingegen mit der Formulierung „in Vollzeit“ die nach geltendem Recht zulässige Höchstgrenze
der Arbeitszeit ganz oder teilweise ausgeschöpft werden, müsste dies durch eine konkrete Stundenangabe oder zumindest eine hinreichend bestimmte Bezugnahme auf den arbeitsschutzrechtlich eröffneten Arbeitszeitrahmen klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden. § 4 S. 2 des Vertrages
genüge nicht.
Da die für das Arbeitsverhältnis maßgebliche Arbeitszeit durch Auslegung von § 1 Arbeitsvertrag ermittelt werden kann, kommt es auf die Existenz einer betriebsüblichen Arbeitszeit nicht an.
IX.
Arbeitsentgelt
Welches Arbeitsentgelt der AG an den AN für seine Leistungen bezahlt, handeln die Vertragsparteien
grds. selbst aus und halten die Vereinbarung im Arbeitsvertrag fest.
Die Vertragsfreiheit hat jedoch seine Grenzen durch in Tarifverträgen, der Sittenwidrigkeit (sog. Lohnwucher) und seit dem 01.01.2015 durch das Mindestlohngesetz.
Unterschreitet die von den Arbeitsvertragsparteien frei ausgehandelte Vergütung einen räumlich und
fachlich einschlägigen Lohntarifvertrag bzw. den in ihm enthaltenen Lohn um Mehr als ein Drittel,
liegt nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ein sog. Lohnwucher iSv § 138 I BGB vor.
Wenn kein Tarifvertrag besteht, mit dem der Lohn verglichen werden kann, so orientiert sich der Vergleichslohn an die „übliche Vergütung“ (§ 612 II BGB). Mit der üblichen Vergütung ist der Lohn gemeint, der am jeweiligen Arbeitsort und für die vertraglich vereinbarte Tätigkeit üblich ist. Liegt Lohnwucher vor, ist (nur) die Lohnvereinbarung sittenwidrig.
Auf die Einzelheiten wird noch einmal unter B. Das Mindestlohngesetz eingegangen.
X.
Gratifikationen und Sonderzahlungen
Sonderzahlungen sind alle Leistungen des AG, die er aus einem bestimmten Anlass oder zu bestimmten Terminen zusätzlich zu dem vertraglich zugesagtem laufenden Entgelt erbringt. Damit dem AN
ein Anspruch auf Gratifikationen oder Sonderzuwendungen zusteht, bedarf es entweder einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung oder einer Regelung in einer Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag.
1.
Gratifikationen
Gratifikation ist eine Form der Sonderleistung des AG, die dieser aus bestimmten Anlässen gewährt.
a) Weihnachtsgeld, Urlaubsgelt und 13. Gehalt
Das Weihnachts- und Urlaubsgeld ist ebenso wie das 13. Gehalt eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Ein Anspruch kann sich z.B. aus Arbeitsvertag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag ergeben.
15
Durch das 13. Gehalt sollen die Arbeitsleistungen in der Vergangenheit abgegolten werden.
b) Dienstwagen
Der AG kann sich verpflichten dem AN einen Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung zu
stellen. Die Überlassung zur privaten Nutzung stellt einen geldwerten Vorteil und einen Sachbezug
dar. Der Sachbezug liegt vor, wenn der AN das Fahrzeug auch für den Arbeitsweg zwischen Wohnung
und Arbeitsstätte für private Zwecke nutzen kann. Die Überlassung ist steuer- und abgabepflichtiger
Teil des Arbeitsentgelts und damit Teil der Arbeitsvergütung.
Zur Vermeidung von Streitigkeiten sollte in der Nutzungsvereinbarung geregelt werden, welches Fahrzeug der AG schuldet, wem bei einer Neubeschaffung das Bestimmungsrecht wegen der Details (z.B.
Farbe) zusteht, zu welchem Zweck das Fahrzeug überlassen wird, wann das Nutzungsrecht endet, was
im Falle des Streits um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschehen soll und wer für etwaige
Unfallschäden haftet.
Zudem empfehlen wir die Grundlagen der steuerrechtlichen Behandlung der privaten Dienstwagennutzung zu vereinbaren.
Fall:
Widerruf
der
Überlassung
eines
Dienstwagens
zur
privaten
Nutzung
BAG, Urteil vom 21.03.2012 – 5 AZR 651/10
Das BAG entschied, dass eine Allgemeine Geschäftsbedingung, nach der ein AN einen auch privat
nutzbaren Dienstwagen im Falle der Freistellung an den AG zurückgeben muss, wirksam ist. Der Widerruf müsse jedoch im Einzelfall billigem Ermessen entsprechen. Komme der Arbeitgeber seiner Vertragspflicht, dem Arbeitnehmer die Nutzung des Dienstwagens zu Privatzwecken weiter zu ermöglichen, nicht nach, habe der AN einen Anspruch auf Ersatz des hierdurch verursachten Schadens.
Zur Berechnung des Schadens sei eine Nutzungsausfallentschädigung auf der Grundlage der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit mit monatlich 1 % des Listenpreises des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung anzusetzen.
c) Widerruf- und Freiwilligkeitsvorbehalt
Ansprüche, z.B. auf Zahlung von Sondergratifikationen, können auch entstehen, wenn diese nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag geregelt sind.
Zwar ist der AG grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen er
zur laufenden Vergütung eine zusätzliche Leistung gewährt. Gibt der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag
oder bei der späteren Auszahlung z.B. des Weihnachtsgeldes jedoch zu erkennen, dass durch die Zahlung keine Ansprüche für die Zukunft hergeleitet werden können, dann schließt ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt einen Anspruch für die Zukunft aus.
Werden jedoch Sonderleistungen des Arbeitgebers in einem Formulararbeitsvertrag nach Voraussetzungen und Höhe präzise festgelegt, legt dies das Bestehen eines vertraglichen Anspruchs nahe. In
der Kombination mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt liegt nach der Rechtsprechung des BAG regelmäßig ein zur Unwirksamkeit des Vorbehalts führender Verstoß gegen das Transparenzgebot vor.
16
2.
weitergehende Regelungen
Darüber hinaus können weitergehende vertragliche Regelungen aufgenommen werden, etwa über variable Vergütungsbestandteile wie Zielvereinbarungen, Tantiemen, Boni oder Nebenleistungen wie
Arbeitgeberzuschüsse, eine über das EFZG hinaus verlängerte Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
oder im Sterbefall, Regelungen über die Nutzung und Behandlung von Betriebsmitteln, Arbeits- und
Geschäftsunterlagen, eine erweitere Beteiligung der Firma an Sozialversicherungsbeiträgen (private
Krankenkasse, Krankentagegeldversicherung), Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung, zur privaten Unfallversicherung, zu Diensterfindungen, Gehaltsrückzahlung, Umzugskosten, Trennungsentschädigungen und was auch immer im Einzelfall angemessen erscheint.
XI.
Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB
Als vorformulierte Vertragsbedingungen unterliegen (Formular-)Arbeitsverträge der gerichtlichen Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB, d. h. der Vertrag darf den AN insbesondere durch die inhaltliche
Ausgestaltung der Vertragsklauseln nicht unangemessen benachteiligen. Dies sollte sowohl von dem
Arbeitnehmer als auch von dem Arbeitgeber bei jedem Vertragsabschluss berücksichtigt werden.
Hierbei ist zu beachten, dass die Regelungen auch dann einer AGB-Kontrolle unterliegen, wenn der
Vertrag nur ein einziges Mal (so) oder zum ersten Mal eingesetzt wird. Je stärker die Vertragsklauseln
zulasten des Arbeitnehmers abgeändert werden, desto höher ist die Gefahr, dass einzelne Klauseln im
Streitfall durch ein Gericht für unwirksam, d. h. nichtig befunden werden.
a) Individualabreden
Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Im Übrigen unterliegen
auch Individualabreden nach § 305b BGB nicht der Inhaltskontrolle durch die Arbeitsgerichte. Sofern
einzelne Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien individuell ausgehandelt wurden, sollte
dies optisch deutlich gemacht und dokumentiert werden.
b) Überraschende Klauseln
Aufgrund der Prüfung von Arbeitsverträgen entsprechend der Prüfung von AGB gemäß §§ 305 ff. BGB
besteht auch in Arbeitsverträgen das Verbot von überraschenden Klauseln. Das bedeutet, dass Regelungen da zu treffen sind, wo diese typischerweise erwartet werden. Muss der AN mit einer bestimmten
Klausel an einer bestimmten Stelle nicht rechnen, so ist diese nichtig. So führt beispielsweise eine
Ausschlussklausel unter der Überschrift „Schlussbestimmungen“ oder „Sonstiges“ zur Unwirksamkeit
der Ausschlussklausel.
c) Rechtsfolge bei Fehlerhaftigkeit
Für Klauseln im Arbeitsvertrag gilt, ebenso wie bei AGB, das sogenannte „Verbot der geltungserhaltenden Reduktion“. Das bedeutet, dass die fehlerhafte Klausel nicht auf ein gesetzlich zulässiges Maß
reduziert wird, sondern insgesamt nichtig ist. Wird beispielsweise eine Ausschlussklausel mit einer
Frist von zwei Monaten anstelle der zulässigen drei Monate gewählt ist die Ausschlussklausel komplett nichtig mit der Konsequenz, dass die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vom AN gegen den
AG bis zur regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren geltend gemacht werden können.
Umgekehrt bedeutet dies aber nicht, dass der AG ebenfalls seine Ansprüche gegen den AN bis zur
17
regelmäßigen Verjährungsfrist geltend machen kann, denn der AG als Verwender der nichtigen Klausel
hat sich regelmäßig an diese zu halten und kann sich nicht auf deren Unwirksamkeit berufen. Für den
AG gilt in diesem Fall also, dass seine Ansprüche gegen den AN aus dem Arbeitsverhältnis nach zwei
Monaten ausgeschlossen sind.
XII.
1.
Urlaubsrecht
Allgemeine Fragen
Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf den gesetzlich normierten Erholungsurlaub.
Arbeitnehmer in diesem Sinne sind Arbeiter, Angestellte, Azubis, Volontäre, Praktikanten, Umschüler.
Die Frage der Vergütung spielt für die Begründung des Urlaubsanspruchs keine Rolle, insbesondere
haben auch geringfügig Beschäftigte einen Urlaubsanspruch.
Sofern kein Tarifvertrag etwas Abweichendes regelt, ist durch das Bundesurlaubsgesetz ein Mindesturlaub von 24 Werktage im Kalenderjahr vorgeschrieben. Das Gesetz geht dabei allerdings von einer
6-Tage-Woche aus und will erreichen, dass jedem Arbeitnehmer 4 Wochen Mindesturlaub zustehen.
In Unternehmen mit der 5-Tage-Woche wird dieser 4-Wochen Zeitraum mit 20 Werktagen erreicht, so
dass in diesen Fällen der Mindesturlaub 20 Tage beträgt.
Es ist nicht gesetzlich verankert, dass ein Mitarbeiter stets dann Urlaub nehmen muss, wenn der AG
selbst in den Urlaub fährt. Der AG hat jedoch das Recht, eine Urlaubssperre zu verhängen, wenn regelmäßig wiederkehrende und dringende betriebliche Erfordernisse nur dadurch abzusichern sind.
So können im Arbeitsvertag Betriebsferien für die Hauptferien vereinbart werden. Allerdings darf nach
der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Dauer der Betriebsferien 3/5 des Gesamtjahresurlaubs des
Arbeitnehmers nicht übersteigen.
2.
Verfall
Mit Ende des Kalenderjahres endet auch der Urlaubsanspruch. Ausnahmen: Anderweitige Regelung im
Arbeitsvertrag, Tarifvertrag bzw. Betriebsvereinbarung oder soweit der Urlaub aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Interessen nicht im Kalenderjahr genommen werden kann.
Dann kann er bis zum 31. März des Folgejahres (Übertragungszeitraum) nachgeholt werden.
Nach neuer Rechtsprechung von EuGH und BAG verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch nicht mehr,
wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Kalenderjahrs und/oder Übertragungszeitraums krank war
und den Urlaub deshalb nicht nehmen konnte.
Darüber hinaus ist derzeit in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung derzeit stark umstritten, ob der
AN einen Urlaubsantrag stellen muss um einem Verfall vorzubeugen oder ob der AG von sich aus den
Urlaub zu gewähren hat, ohne das es eines Antrags des AN bedarf.
Viele Landesarbeitsgerichte (LAG) vertreten neuerdings die Auffassung, dass der AG dafür Sorge zu
tragen hat, dass der AN den ihm zustehenden Urlaub auch bekommt. Notfalls müsse der AG von sich
aus auf den AN zugehen und ihn nach seinen Urlaubswünschen fragen und diesen im Zweifel sogar
anordnen. Denn der Urlaub dient der Erholung und sei mithin ein Arbeitsschutzrecht. Arbeitsschutzrechte müssen jedoch vom AG regelmäßig im Interesse des AN selbstständig beachtet und umgesetzt
werden.
18
Diese Rechtsprechung wird vertreten vom 8. Senat des LAG München, vom LAG Berlin-Brandenburg
und vom LAG Köln. Die vorbezeichneten Arbeitsgerichte berufen sich dabei auf das Unionsrecht und
eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2014.
Demgegenüber steht die stetiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) welches davon
ausgeht, dass ein Antrag des AN erforderlich ist um den AG in Verzug zu setzen. Das BAG hat diese
Auffassung auch nach dem Urteil des EuGH erneut bestätigt mit Urteil vom 19.01.2016. Auch der 11.
Senat des LAG München ist, in Abweichung zur Auffassung des 8. Senats der Auffassung, dass es eines
Antrags des AN bedarf um den AG in Verzug zu setzen und der Urlaubsanspruch andernfalls nach den
entsprechenden Übertragungsfristen verfalle.
Das LAG Köln hat nach seiner Entscheidung die Revision zum BAG zugelassen. Bei diesem ist die Sache
derzeit noch anhängig. Sollte sich im Ergebnis herausstellen, dass von einer Verpflichtung des AG zur
Urlaubsgewährung auszugehen ist, wäre die Konsequenz, dass der AG der dieser Verpflichtung schuldhaft nicht nachkommt sich gegenüber dem AN schadensersatzpflichtig macht und der Urlaub nicht
verfällt, sondern entsprechend abzugelten wäre.
Da jedoch ebenfalls der Grundsatz gilt, dass man sich auf die bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung verlassen kann und diese derzeit noch einen Antrag des AN voraussetzt, ist jedenfalls nach
Ansicht des LAG Köln bislang ein vom AG nicht eigenständig gewährter / angeordneter Urlaub nicht
schuldhaft unterlassen worden, weshalb sich der AG auch nicht schadensersatzpflichtig macht. Die
weitere Entwicklung ist hier jedoch unbedingt zu verfolgen, insbesondere um eine etwaige Abkehr
des BAG von seiner jahrzehntelangen Rechtsprechung zeitnah erfassen zu können.
3.
Verzicht
Der Arbeitnehmer kann nicht auf den Anspruch auf Urlaub innerhalb des Arbeitsverhältnisses verzichten, da 13 Abs. 1 BUrlG eine für den AN ungünstige vertragliche Abweichung vom Gesetz verbietet.
Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des BAG ausnahmsweise dann, wenn die Parteien im
gerichtlichen Verfahren einen Vergleich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses abschließen.
Darüber hinaus galt jedenfalls bis zum Jahr 2015, dass Urlaubsabgeltungsansprüche nach erfolgter
Kündigung, insbesondere im Rahmen eines Aufhebungsvertrags, nicht durch Zahlung einer Abfindung
ausgeschlossen werden können. Die Rechtsprechung begründete diese Ansicht mit dem § 13 Abs. 1
BUrlG. Auf den Urlaub könne nicht verzichtet werden. Der Urlaubsabgeltungsanspruch stelle ein Surrogat zum Urlaub dar, weshalb letztlich auch auf diesen nicht verzichtet werden kann.
Das BAG hat diese Surrogationstheorie jedoch im Jahr 2015 mit Urteil vom 22.09.2015 aufgegeben.
Konsequenter weise hat nun das LAG Berlin-Brandenburg in einer aktuellen Entscheidung vom
19.02.2016 entschieden, dass ein Verzicht auf eine etwaige Urlaubsabgeltung gegen Zahlung einer
Abfindung möglich ist, auch wenn die Höhe der Abfindung im Ergebnis unter der Höhe der eigentlich
zu zahlenden Urlaubsabgeltung liegt.
4.
Teilzeitbeschäftigte
Teilzeitbeschäftigte, die an genauso vielen Wochentagen wie die vollzeitbeschäftigten Kollegen arbeiten, bekommen auch genauso viele Urlaubstage. Bei einer Teilzeitkraft, die nur an einigen Tagen
in der Woche arbeitet, werden die Urlaubstage nach einer Formel berechnet:
19
Jährliche regelmäßige Urlaubstage x tatsächliche Arbeitstage pro Woche
betriebsübliche Arbeitstage pro Woche
Laut BAG ist auch folgende Variante möglich: Der Teilzeitkraft, die nicht an allen Wochentagen arbeitet, wird der volle Urlaub gewährt, als wenn sie so viel wie die vollzeitbeschäftigten Kollegen im
Betrieb wäre, bei der Berechnung des Urlaubsentgelts werden dann aber nur die tatsächlichen Arbeitstage zugrunde gelegt.
XIII.
Krankmeldung
Den Grundsatz regelt § 5 EFZG: „Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der
Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag
vorzulegen. Der AG ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen.“
Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ist der Arbeitgeber berechtigt, von dem Arbeitnehmer die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und
deren voraussichtliche Dauer schon von dem ersten Tag der Erkrankung an zu verlangen.
Dies ist dann jedoch in den Arbeitsvertrag auszunehmen.
XIV.
Datenschutz
Datenschutz spielt im Arbeitsverhältnis eine wesentliche Rolle und die Bedeutung des Datenschutzes
nimmt zu. Wir empfehlen daher Regelungen zum Datenschutz in den Arbeitsvertrag aufzunehmen.
Inwieweit der AN verpflichtet ist während des Arbeitsverhältnisses die Erhebung, Speicherung und
Weitergabe von persönlichen Daten zu dulden und inwieweit er dazu einwilligen kann, bestimmt das
Bundesdatenschutzgesetz.
Fall: Fortbestand der Einwilligung für die Veröffentlichung von Bildnissen des ehemaligen AG
BAG, Urteil vom 19.02.2015 – 8 AZR 1011/13
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Unterlassung der Zugänglichmachung von
Videoaufnahmen nach Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie über
einen damit verbundenen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld. Der Kläger war bei der Beklagten vom 15.1.2007 bis zum 15.9.2011 beschäftigt.
Im Jahre 2008 unterzeichnete er die Anlage zu einer "Einverständniserklärung", die zum Gegenstand
hatte, dass von ihm als Teil der Belegschaft Filmaufnahmen gemacht und für die Öffentlichkeitsarbeit
verwendet werden durften.
Für ihren Internetauftritt ließ die Beklagte daraufhin einen Werbefilm anfertigen, in welchem der Kläger in zwei kurzen Sequenzen für jeweils wenige Sekunden zu sehen war. Der Film wurde sodann auf
der Homepage der Beklagten allgemein zugänglich veröffentlicht.
Nach seinem Ausscheiden widerrief der Kläger im November 2011 seine "möglicherweise" erteilte
Einwilligung betreffend die Verwendung seines Bildes auf den Filmaufnahmen und forderte die Beklagte auf, das Video von der Internetseite zu entfernen. Dem entsprach diese unter Vorbehalt.
20
Das BAG entschied, dass die Einwilligung des Klägers aus dem Jahre 2008 fortbestehe. Die nach § 22
KUG erforderliche Einwilligung muss bei der Veröffentlichung von Bildnissen eines AN wegen des
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung schriftlich erfolgen. Diese Einwilligung sei erteilt worden und erlösche nicht automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Ein solches automatisches Erlöschen trete nur dann ein, wenn der AN seine Einwilligung von vornherein ausdrücklich auf den Zeitraum des Bestehens des Arbeitsverhältnisses begrenz habe.
Weitere Einzelheiten finden Sie im Skript Arbeitnehmerdatenschutz - Mitarbeiterüberwachung.
XV.
Verschwiegenheitspflicht, Wettbewerbsverbot und Vertragsstrafe
Die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich auf alle nicht allgemein bekannten geschäftlichen Angelegenheiten gegenüber anderen Mitarbeitern und Außenstehenden.
Die allgemeine arbeitsrechtliche Verschwiegenheitspflicht stellt eine der wichtigsten Auswirkungen
der arbeitsvertraglichen Treueverpflichtung dar. Dies gilt auf jeden Fall während des Bestands des
Beschäftigungsverhältnisses, wobei die Schweigepflicht des Arbeitnehmers nicht ausdrücklich vereinbart werden muss und grundsätzlich mit Abschluss des Arbeitsvertrags beginnt.
Die allgemeine arbeitsrechtliche Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers besteht allerdings nur
während des Arbeitsverhältnisses.
Will der Arbeitgeber sie über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus ausdehnen, kann er dies durch
eine nachvertragliche Verschwiegenheitsklausel mit dem Arbeitnehmer regeln.
Die Vereinbarung darf den Arbeitnehmer allerdings in seiner weiteren beruflichen Laufbahn nicht behindern, sonst liegt u. U. ein Wettbewerbsverbot vor.
Grundsätzlich unterliegt der AN nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Wettbewerbsbeschränkungen. Diese kann jedoch zwischen den Vertragsparteien vereinbart werden. Bei dem Wettbewerbsverbot handelt es sich um eine nachfolgende Treuepflicht, wodurch der AN für einen bestimmten Zeitraum gehindert wird, sein berufliche Erfahrungswissen zu nutzen.
Vertragsstrafe
Die Vertragsstrafe ist ein sog. unselbstständiges Strafversprechen. Hierbei handelt es sich um ein Leistungsversprechen, welches eintritt, wenn der AN dieses Versprechen nicht erfüllt.
Das Bundesarbeitsgericht lässt Vertragsstrafenabreden unter bestimmten Voraussetzungen als "eine
im Arbeitsrecht geltende Besonderheit" i. S. v. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB zu.
Häufig liegt zwischen Vertragsabschluss und vereinbarten Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme ein Zeitfenster. Um den Arbeitnehmer von der Nichtaufnahme der Tätigkeit zum vereinbarten Zeitpunkt oder
der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor Arbeitsaufnahme abzuschrecken, kann für diesen Fall eine
Vertragsstrafe vereinbart werden.
Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in Höhe eines Monatsverdienstes ist jedoch unwirksam, wenn
mit dem neu eingestellten AN eine Probezeit mit einer Kündigungsmöglichkeit von 14 Tagen vereinbart wurde. Denn in diesem Fall benachteiligt die Vereinbarung einer Vertragsstrafe, die über die
Dauer der vereinbarten Kündigungsfrist hinausgeht, den AN unangemessen im Sinne des § 307 BGB.
21
XVI.
Ausschlussfristen und Haftungsbeschränkungen
Unter Ausschlussfristen werden Fristen verstanden, nach deren Ablauf das Recht erlischt, es sei denn,
dass es innerhalb der Frist geltend gemacht worden ist. Eine Ausschlussfrist ist unwirksam, wenn sie
den AN einseitig belastet. Außerdem ist nach der Rechtsprechung eine Klausel unwirksam, die eine
gerichtliche Geltendmachung von AN-Ansprüchen von weniger als drei Monaten vorsieht.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass aufgrund einer Gesetzesänderung des § 309 Nr. 13 BGB nicht
mehr die schriftliche Geltendmachung der Ansprüche vorgeschrieben werden darf, sondern nur noch
die Geltendmachung in Textform. Sehen Ausschlussklauseln dennoch ausschließlich eine schriftliche
Geltendmachung vor, so ist die Ausschlussklausel nichtig, da sie den AN unangemessen benachteiligt.
Des Weiteren ist zu beachten, dass auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht verzichtet werden darf.
Dies hat das BAG noch einmal eindeutig in einem Urteil vom 24.08.2016 klargestellt. Ansprüche auf
den gesetzlichen Mindestlohn oder auf Basis des MiLoG müssen daher explizit von einer entsprechenden Ausschlussklausel ausgenommen werden.
Haftungsbeschränkungen
Grundsätzlich hat der AN Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn nicht eine strengere oder mildere Haftung bestimmt ist. Die von der Rechtsprechung entwickelten Regeln zur Haftung des Arbeitnehmers stellen einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht dar, von dem weder einzel- noch kollektivvertraglich zulasten des AN abgewichen werden darf.
Dem AG obliegen Schutzpflichten für Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers. Diese Schutzpflichten
können nicht im Voraus durch Vereinbarung im Arbeitsvertrag abbedungen werden. Das gleiche gilt
für die auf die Wahrung des Persönlichkeitsrechts bezogene Schutzpflicht des AG. Allerdings kann die
Haftung für Schäden an Vermögensgütern des AN eingeschränkt bzw. aus-geschlossen werden. Ein
Ausschluss der Haftung für vorsätzliche Pflichtverletzungen ist unzulässig.
XVII.
Abtretungs- und Pfändungsverbot
Die Vereinbarung eines Abtretungs- und Verpfändungsverbots im Arbeitsvertrag oder zu einem späteren Zeitpunkt ist grundsätzlich zulässig. Eine gleichwohl durch den Arbeitnehmer unter Verstoß gegen
das vereinbarte Abtretungs- oder Verpfändungsverbot vorgenommene Abtretung oder Verpfändung
ist unwirksam, z.B. sind Abtretungen oder Verpfändungen innerhalb der Pfändungsfreigrenzen unwirksam.
Ein generelles Abtretungsverbot kann sich auch aus Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen ergeben. Ohne ausdrückliche Vereinbarung ist der AN jedoch berechtigt, über seine Lohnansprüche zu
verfügen.
XVIII.
Arbeitgeberdarlehen, Rückzahlungsvereinbarungen
Ein Arbeitgeberdarlehen liegt vor, wenn der AG mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis einem AN Kapital zur vorrübergehenden Nutzung überlässt.
Vorformulierte Darlehensbedingungen unterliegen ebenfalls der Inhaltskontrolle nach AGB-Recht. So
ist die vom AG vorformulierte Klausel in einem Vertrag über ein Arbeitgeberdarlehen, auf deren Inhalt
22
der AN keinen Einfluss nehmen konnte wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers
unwirksam, wenn sie den Arbeitgeber zur Kündigung des Darlehensvertrages in allen Fällen berechtigt, in denen das Arbeitsverhältnis vor vollständiger Rückzahlung des Darlehens beendet wird.
Im Rahmen von Ausbildungs- und Fortbildungskosten sind Rückzahlungsvereinbarungen grds. zulässig. Hier kommt es vor allem auf den Einzelfall an. Wir beraten Sie gern!
Fall: Weiterbildungskosten
BAG , Urteil vom 06.08.2013 – 9 AZR 442/12
Die Klägerin verlangt die Erstattung von Weiterbildungskosten. Sie betreibt Krankenhäuser und beschäftigte den Beklagten vom 01.10.2004 bis 31.12.2010 als Krankenpfleger. Der Beklagte bewarb
sich erfolgreich um eine von der Klägerin angebotene Weiterbildung zum Fach- und Gesundheitspfleger in der Psychiatrie. In der daraufhin geschlossenen Nebenabrede heißt es u.a. wie folgt:
„Im Rahmen der nachfolgend genannten Weiterbildung „Fachpflege Psychiatrie“ wird die E gGmbH
den Mitarbeiter für den Besuch des Lehrgangs freistellen und die Lehrgangsgebühren übernehmen.
Der Angestellte verpflichtet sich, die der E entstandenen Aufwendungen für die Weiterbildung, einschließlich der Lohnfortzahlungskosten – wie nachfolgend beschrieben – zu ersetzen, wenn das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Angestellten … endet. …“
Die Klausel sah eine gestaffelte Rückzahlungspflicht bei einem Ausscheiden innerhalb von drei Jahren
nach Lehrgangsende vor. Der Beklagte nahm an der Weiterbildungsmaßnahme vom 08.05.2006 bis
07.05.2008 mit Erfolg teil. Er kündigte zum 31.12.2010. Die Klägerin verlangt Ersatz für ein Drittel der
von ihr für seine Weiterbildung aufgewandten Kosten.
Das BAG urteilte, das kein Anspruch auf Erstattung der Weiterbildungskosten besteht, da die Klausel
unwirksam ist. Die Rückzahlungsklausel benachteilige den AN unangemessen, da sie nicht hinreichend
klar und verständlich sei. Ohne dass zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der ggf. zu erstattenden Kosten angegeben seien, könne der AN sei Rückzahlungsrisiko nicht ausreichend abschätzen.
Erforderlich seien die genaue Bezeichnung der einzelnen Positionen, aus denen sich die Gesamtforderung zusammensetzen soll und die Angabe, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen
berechnet werden.
Die in der Rückzahlungsklausel verwendete Formulierung „entstandenen Aufwendungen für die Weiterbildung, einschließlich der Lohnfortzahlungskosten“ sei ungenügend. Es fehle an der Angabe, welche konkreten Kosten gemeint seien und in welcher Höhe diese anfallen können.
Der Klausel sei nicht zu entnehmen, mit welchen Lehrgangsgebühren zu rechnen sei, ob der AN neben
den Lehrgangsgebühren Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten zu erstatten habe, wie diese
ggf. zu berechnen seien, für welchen konkreten Zeitraum Lohnfortzahlungskosten anfallen und ob die
Rückzahlung auf die Netto- oder die Bruttosumme gerichtet sei.
23
B. Das Mindestlohngesetz
I.
Einführung
Seit dem 01.01.2015 gilt das Mindestlohngesetz mit dem gesetzlich festgelegten flächendeckenden
Mindestlohn von derzeit 8,50 EUR (brutto), ab dem 01.01.2017 von 8,84 EUR. Nach dem gesetzgeberischen Ziel soll das Mindestlohngesetz dem Arbeitnehmerschutz, der Verhinderung eines Lohnunterbietungswettbewerbs und dem Schutz der finanziellen Stabilität der sozialen Sicherungssysteme dienen.
Die Arbeitsvertragsparteien können zwar einen höheren Lohn vereinbaren, aber auf keinen Fall einen
niedrigeren. Unterschreitet der arbeitsvertraglich vereinbarte Lohn den Mindestlohn, dann der AN den
Mindestlohn von 8,50€ von dem AG verlangen. Dies gilt auch rückwirkend, z.B. wenn der AN aus dem
Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.
Bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden, beträgt der Mindestentgeltanspruch 1.470,50€ brutto (8,50€ x 173 Stunden/Monat).
Wichtig ist hierbei, dass das Mindestentgelt grds. unabhängig von der Qualifikation des AN gilt. Ein
fehlender Berufsabschluss, ungenügende Sprachkenntnisse oder gar die Herkunft des AN aus einem
anderen Land rechtfertigen keine Ausnahme von der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns.
II.
begrenzter Vorrang von Branchenmindestlöhnen
Da bereits Mindestlöhne für bestimmte Branchen beruhend auf dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz
(AEntG) oder dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) gelten, sieht § 1 III MiLoG vor, dass diese
Branchenmindestlöhne dem allgemeinen Mindestlohn des MiLoG vorgehen.
Dies gilt neben der Höhe des Mindestlohns (wenn dieser den Mindestlohn nicht unterschreitet) auch
für die Regelungen zur Fälligkeit des Branchenlohns, zur Führung mindestlohnrelevanter Arbeitszeitkonten und zu Ausschlussfristen.
Im Übrigen kommen branchenübliche Regelungen in Betracht, die allerdings positiv vorliegen müssen.
Fehlende Regelungen können nicht durch das MiLoG verdrängt werden.
III.
persönlicher Anwendungsbereich
Das Gesetz gilt für alle AN (§ 1 I MiLoG) und für Praktikanten nach § 26 BBiG (§ 22 I 2 MiLoG).
Der Mindestlohn gilt nicht für
 Langzeitarbeitslose, d.h. die ein Jahr oder länger arbeitslos sind.
 Auszubildende
 Ehrenamtlich tätige Mitarbeiter von Sportvereinen (die Ausübung des Ehrenamts dient nicht
der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz, sondern ist Ausdruck einer inneren Haltung gegenüber Belangen des Gemeinwohls und Sorgen und Nöten anderer Menschen)
 Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung

Problemfall: Praktikanten, in 4 Fällen keine Anwendung:
 Pflichtpraktikanten, Praktikum ist ausbildungsrechtlich verpflichtend; keine zeitliche
Grenze.
24
 Praktikanten, die Orientierungspraktikum vor Beginn einer Berufsausbildung oder eines
Studiums absolvieren. Zeitliche Höchstgrenze drei Monate.
 Praktikanten, die ein nicht vorgeschriebenes Praktikum als Ergänzung bzw. Begleitung einer Ausbildung oder eines Studiums absolvieren. Höchstgrenze von drei Monaten. Zudem
darf der Praktikant nicht zuvor bei demselben Betrieb ein Praktikum absolviert haben.
 Praktikanten, die an einer Einstiegsqualifikation nach SGB III oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung (BA) teilnehmen. Keine zeitliche Höchstgrenze.
Zu den Einzelheiten bei Praktikanten wird auf die Anlage I verwiesen.
Zur Abgrenzung des Arbeitnehmerbegriffs gilt, dass arbeitnehmerähnliche Personen, Heimarbeiter
und Hausgewerbebetreibende, sog. Ein-Euro-Jobber, in Werkstätten für Behinderte Tätige, Strafgefangene und Rechtsreferendare nicht in den Anwendungsbereich des MiLoG fallen.
Besonderheit: landwirtschaftliche Helfer – Saisonarbeiter
Eine Ausnahme für Erntehelfer konnten die Landwirte nicht durchsetzen. Dennoch können sie bis Ende
2018 weiterhin ihre Saisonkräfte als geringfügig Beschäftigte weitgehend sozialabgabefrei beschäftigen. Zudem wird dieser Zeitraum von derzeit 50 Tage auf 70 Arbeitstage ausgedehnt (§ 115 SGB IV,
neue Fassung).
Eine geringfügige Beschäftigung liegt vor, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf
längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450€ im Monat übersteigt. Kosten und Logis von Saisonarbeitern
können nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden.
IV.
räumliche Anwendungsbereich
Nach § 20 MiLoG ist der Mindestlohn allen im Inland beschäftigten AN zu zahlen. Allerdings haben
auch im Ausland beschäftigte AN einen Anspruch auf den Mindestlohn, wenn auf ihr Arbeitsverhältnis
deutsches Recht Anwendung findet und im Fall der Kabotage, bei der Fahrten zwischen zwei oder
mehreren Zielen im Aufnahmestaat geführt werden und für den grenzüberschreitenden Straßenverkehr mit Beladung oder Entladung in Deutschland.
V.
Unabdingbarkeit des Anspruchs
§ 3 MiLoG sieht vor, dass Vereinbarungen unwirksam sind, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen. Auch eine Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen.
Diese Normierung ist für die Arbeitsvertragsparteien nicht dispositiv und erfasst alle im Arbeitsrecht
denkbaren Abreden, auch die von Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und allgemeinen Arbeitsbedingungen. Einzige Ausnahme: Der AN kann nur durch einen gerichtlichen Vergleich auf den Mindestlohn verzichten.
Die Unabdingbarkeit führt dazu, dass im Umfang des Anspruchs auf den Mindestlohn bestehende Ausschlussfristen die Entgeltansprüche nicht mehr zum Erlöschen bringen können.
Dies gilt unabhängig davon, woraus sich die Ausschlussfrist ergibt, so dass auch tarifliche Ausschlussklauseln den Anspruch nicht außerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist von drei Jahren verjähren
25
lassen können. Etwas anders gilt allerdings dann, wenn vertragliche Ausschlussfristen oberhalb des
Mindestlohns bestehen. Diese gelten weiter.
Vor dem MiLoG konnten in Verträgen, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen Ausschlussfristen
vereinbart werden, die Ansprüche innerhalb eines bestimmten Zeitraums verfallen lassen.
Allerdings ist dann nur die Mindestlohnabrede als solche unwirksam, an deren Stelle dann der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn tritt (§§, 1 II, 20 MiloG).
Zu beachten ist jedoch folgendes:
1. § 3 S.1 MiloG greift nur, wenn ein AN in den Anwendungsbereich des MiLoG fällt.
2. Bei Eingreifen der Vorrangregelung des § 1 III MiLoG gilt dies auch für die Vorbildregelungen des §
4 IV TVG bzw. § 9 AEntG, so dass diese Regelungen denen des MiLoG vorgehen.
VI.
Fälligkeit des Mindestlohnanspruchs
Nach § 2 I MiLoG ist der Mindestlohn, falls er nicht gemäß arbeitsvertraglicher Fälligkeitsregelung
früher zu zahlen ist, spätestens am letzten Bankarbeitstag des Folgemonats zu zahlen. AG, die sich
daran nicht halten, begehen eine Ordnungswidrigkeit (§§ 20, 21 I Nr. 9 MiLoG).
Bei Zeitkontovereinbarungen sind Guthabenstunden spätestens nach zwölf Monaten durch bezahlten
Freizeitausgleich abzugelten.
Diese Regelung ist auch auf Jahresleistungen anwendbar, wenn diese nach ihrem Zweck zur Erfüllung
des Mindestlohnanspruchs herangezogen werden können. Dann sind sie keine Jahresleistungen mehr,
sondern monatlich zu erbringen. Geschieht dies nicht, gerät der AG insoweit mit der Zahlung des Mindestlohns in Verzug.
Als Ausnahme von der allgemeinen Fälligkeitsregelung kommt § 2 II, III MiLoG in Betracht. Das Gesetz
geht bei dieser Regelung für Arbeitszeitkonten davon aus, dass sie eine vertraglich vereinbarte Sollarbeitszeit und eine ihr entsprechende verstetigte Zahlung des Mindestentgelts voraussetzt.
Für die darüber hinausgehenden Plusstunden verlängert sich die Fälligkeit, soweit sie monatlich nicht
50% der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit übersteigt.
VII.
geringfügige Beschäftigung – Minijobs
Unabhängig davon, ob AN ihren Vergütungsanspruch nach dem MiLoG geltend machen oder nicht: Für
jeden Tag der Arbeitsleistung besteht ein Anspruch auf 8,50€ pro Stunde. Damit verbunden sind auch
Beitragsansprüche der SV-Träger.
Grundsätzlich müssen die Vorgaben von allen AG beachtet werden.
Die Geringfügigkeits-Richtlinien sehen dafür zwingend eine Neubeurteilung bestehender Minijobs vor.
Diese Prüfungspflicht obliegt seit dem 01.01.2015 jedem AG.
1.
rückwirkender Eintritt von Versicherungs- und Beitragspflicht
Gehen Arbeitgeber bei der Prüfung der Geringfügigkeitsgrenze von einem Entgelt unterhalb des Mindestlohnniveaus aus, tritt rückwirkend Sozialversicherungspflicht ein, wenn sich im Nachhinein ergibt,
dass bei Zugrundelegen eines Stundenlohns von 8,50 EUR kein 450-EUR-Minijob bestand.
Beispiel:
26
Bei einer Arbeitszeit von 60 Stunden monatlich und einer Vergütung von 450,00 EUR ergibt sich ein
Stundenentgelt von 7,50 EUR; hier wird der Mindestlohn um einen EUR/Stunde unterschritten!
Für Rentner gilt das Gesetz ebenso, wie für alle anderen Arbeitnehmer. Allein das Erreichen oder Überschreiten einer bestimmten Lebensaltersgrenze rechtfertigt nicht die Unterschreitung des Mindestentgelts von 8,50 EUR brutto je Arbeitsstunde.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber vorsätzlich, fahrlässig oder in gutem Glauben
gehandelt hat. Es liegt das Entstehungsprinzip zu Grunde. Es besagt, dass die Beitragsansprüche bereits dann bestehen, wenn der Anspruch auf das Arbeitsentgelt entstanden ist. Dies gilt ebenso für die
versicherungsrechtliche Beurteilung.
2.
nach der Prüfung: Beitragsnachforderungen und Säumniszuschläge
Fälle dieser Art werden von den Rentenversicherungsträgern beanstandet und führen ggf. zu erheblichen Beitragsnachforderungen sowie Säumniszuschlägen. Vor allem bleiben sie nicht unentdeckt,
denn AG müssen bei der Übermittlung von Meldungen zur Sozialversicherung nicht nur das beitragspflichtige Arbeitsentgelt, sondern auch die dem Entgelt zugrunde liegenden Arbeitsstunden angeben.
3.
Gleitzonenregelung als Alternative
Im Gleitzonen-Bereich mit einem regelmäßigen Verdienst zwischen 450,01 EUR und 850 EUR werden
die Sozialversicherungsbeiträge nicht paritätisch von AG und AN je zur Hälfte getragen.
Lediglich der AG zahlt den vollen Arbeitgeberanteil vom Arbeitsentgelt, der allerdings wesentlich geringer ist als beim 450-EUR-Minijob. Der AN hingegen zahlt einen abgesenkten Arbeitnehmeranteil.
VIII.
Vergütung von Ehegatten und sonstigen Familienangehörigen
Wenn Eheleute einen Arbeitsvertrag untereinander vereinbart haben, so unterfällt auch dieser Vertrag
den Regeln über den Mindestlohn. Eine Besonderheit gilt nur dort, wo ein Ehepartner zugunsten des
anderen (unentgeltlich oder für ein sog. Taschengeld) Arbeiten verrichtet, zu denen er – der Tätige –
unterhaltsrechtlich verpflichtet ist.
Dann liegt schon kein Arbeitsverhältnis vor und folglich wird auch kein Mindestentgelt geschuldet.
Nichts anderes gilt für sonstige Familienangehörige und freie Mitarbeiter.
Freie Mitarbeiter unterfallen nicht dem gesetzlichen Mindestlohn, denn sie sind keine AN. Es muss
sich tatsächlich um einen selbständig Beschäftigten und nicht um einen AN handelt. Maßgeblich ist
der allgemeine Arbeitnehmerbegriff, wie er oben bereits erläutert wurde.
IX.
Verliehene Arbeitnehmer
Verliehene AN sind grundsätzlich Arbeitnehmer des Verleihers. Dieser ist demzufolge verantwortlich
für die ordnungsgemäße Vergütung. Dabei gilt der geplante Mindestlohn in Höhe von 8,50 EUR nur
dann, wenn sich nicht eine andere Vergütung aus einem für das jeweilige Arbeitsverhältnis maßgeblichen Tarifvertrag ergibt. Tarifentgelte unterhalb von 8,50 EUR brutto gelten bis längstens
31.12.2016.
27
X.
Mindestlohn bei Arbeitszeitkonto und Wertguthaben
Maßgebliche Regelung zur Vereinbarung von Arbeitszeitkonten auf den Mindestlohn ist § 2 MiLoG.
1.
Arbeitszeitkonten
Neben dem bereits bei der Fälligkeit des Mindestlohns erörterten Besonderheit im Falle eines Arbeitszeitkontos ist zu beachten, dass Arbeitsstunden, die auf ein durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung
oder Tarifvertrag vereinbartes Arbeitszeitkonto gebucht werden innerhalb von zwölf Monaten nach
ihrer Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns ausgeglichen werden, § 1 II 1 MiLoG. Endet das Arbeitsverhältnis, hat der Ausgleich innerhalb eines Monats nach Vertragsende zu erfolgen.
Beispiel: verstetigtes Entgelt unter 8,50 EUR
 Stundenlohn 10 Euro, 20h-Woche = 87h Arbeitszeit pro Monat
 50h Zeitguthaben nach Ablauf von 12 Kalendermonaten
 Bezahlt wurden insgesamt [10 Euro x 87h x 12 =] 10.440 Euro
 geleistet wurden [12 x 87h + 50h =] 1.094h Arbeitszeit.
Einschließlich des noch nicht ausgeglichenen Zeitguthabens beträgt das rechnerische Stundenentgelt damit [10.440 : 1.094 =] 9,54 Euro – also mehr als der gesetzliche Mindestlohn. Damit
muss dieses Zeitguthaben nicht nach 12 Monaten ausgeglichen werden. – Dieser Sachverhalt
muss jeden Monat erneut für die letzten 12 Kalendermonate überprüft werden.
Der Gesetzgeber hat in letzter Sekunde diese Klarstellung in das Gesetz aufgenommen. Danach gelten
die Vorgaben des § 2 II 1 MiLoG für Arbeitszeitkonten nicht, wenn ein AN bereits durch sein verstetigtes monatliches Arbeitsentgelt für alle tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden im Durchschnitt des
Zwölfmonatszeitraums ein Entgelt in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns erhält. Für diese AN bleibt
es bei der bisherigen Flexibilität der zumeist durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen geregelten Arbeitszeitkonten.
Beispiel: Entgeltzahlung genau 8,50 EUR
 Stundenlohn 9 Euro, 20h-Woche = 87h Arbeitszeit pro Monat
 100h Zeitguthaben nach Ablauf von 12 Kalendermonaten

Bezahlt wurden insgesamt [9 Euro x 87h x 12 =] 9.396 Euro

geleistet wurden [12 x 87h + 100h =] 1.144h Arbeitszeit.
Einschließlich des noch nicht ausgeglichenen Zeitguthabens beträgt das rechnerische Stundenentgelt
damit [9.396 : 1.144 =] 8,21 Euro – also weniger als der gesetzliche Mindestlohn. Damit muss zu
diesem Zeitpunkt so viel Zeitguthaben vergütet (oder vorher durch bezahlte Freizeit ausgeglichen)
werden, dass rechnerisch der gesetzliche Mindestlohn erreicht wird.
28
In unserem Beispiel sind dies 39h, weil das rechnerische Stundenentgelt bei den dann verbleibenden
61h Zeitguthaben [9.396 : 1.105 =] 8,503 Euro entspricht. – Auch dieser Sachverhalt muss jeden Monat
erneut für die letzten 12 Kalendermonate überprüft werden.
2.
Konsequenz
Unabhängig davon gilt künftig die Regelung gemäß § 2 Abs. 2 letzter Satz allgemein, wonach „die auf
das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden … monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen (dürfen)“.
Mitarbeiter/innen mit 20h-Verträgen dürfen danach beispielsweise pro Monat maximal ca. 43,5h Zeitguthaben aufbauen; überschießende Zeitguthaben sind auszuzahlen.
Hiervon nicht betroffen sind Block-Teilzeitvereinbarungen, in denen z.B. 9 Monate voll und 3 Monate
gar nicht gearbeitet wird bei durchgehend 75% Entgelt – bzw., genauer gesagt, nur dann, wenn von
dieser Grund-Verteilung via Arbeitszeitkonto abgewichen wird.
3.
Arbeitszeitkonto: Geltung für alle Mitarbeiter?
Nach § 22 MiLoG gilt das Gesetz abgesehen von den dort geregelten Ausnahmen (Langzeitarbeitslose
etc.) für alle AN unabhängig davon, ob mit ihnen nur der Mindestlohn oder ein deutliches höheres
Entgelt vereinbart ist. Da in § 2 Abs. 2 S. 1 MiLoG von „eingestellten Arbeitsstunden“ und nicht etwa
von „eingestellten Arbeitsstunden aus Mindestlöhnen“ die Rede ist, beschränkt sich der Anwendungsbereich der Norm nicht auf Mindestlohnempfänger, mit denen Arbeitszeitkonten vereinbart sind.
4.
Aufzeichnungspflichten
Nach § 17 MiLoG treffen den AG Aufzeichnungspflichten, wonach er Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit für alle Beschäftigten in den nach in § 2a SchwarzArbG genannten Wirtschaftsbereichen bzw. –Zweigen und für alle geringfügig Beschäftigten im Sinne von § 8 SGB IV aufzuzeichnen
und wenigstens 2 Jahre aufzubewahren hat.
§ 2a SchwarzArbG betrifft das Baugewerbe, das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, das Personenbeförderungsgewerbe, das Speditions-, Transport- und damit verbundene Logistikgewerbe, das
Schaustellergewerbe, die Gebäudereinigung, die Forstwirtschaft, die Fleischwirtschaft sowie Unternehmen im Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen.
XI.
Zusammensetzung des Mindestlohns
Nach § 1 I MiLoG haben AN einen gesetzlichen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens
in Höhe des Mindestlohns durch den AG. Gemäß § 1 II MiLoG beträgt die Höhe des Mindestlohns seit
dem 01.01.2015 8,50 EUR brutto je Zeitstunde.
Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat in seiner Entscheidung vom 20.04.2015 – 5 Ca 1675/15 folgendes
zur Zusammensetzung des Mindestlohns ausgeführt:
Für die Bestimmung des Mindestlohns sind beide Entgeltbestandteile (Grundlohn und Leistungsbonus) in die Berechnung der Einhaltung des Mindestlohns einzubeziehen.
29
Der Gesetzeswortlaut von § 1 II MiLoG bezieht sich auf die Zeitstunde, so dass Monatsvergütungen
umzurechnen sind. Anhaltspunkte dafür, dass der Mindestlohn je Zeitstunde gem. § 1 II 1 MiLoG nur
den Grundlohn erfassen soll, lassen sich aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht herleiten. Denn mit dem
MiLoG verfolgt der Gesetzgeber in erster Linie das Ziel, die Zahlung unangemessen niedriger Löhne
zu verhindern.
Daneben soll bei Vollzeitbeschäftigung ein Monatseinkommen „oberhalb der Pfändungsfreigrenze gesichert” werden.
Es kommt allein auf das Verhältnis zwischen dem tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlten Lohn
und dessen tatsächlich geleisteter Arbeitszeit an und insoweit ist der Kalendermonat der maßgebliche
Bezugszeitraum.
Der im Kalendermonat gezahlte Bruttoarbeitslohn muss jeweils die Anzahl der in diesem Monat geleisteten Bruttoarbeitsstunden multipliziert mit 8,50 Euro erreichen. Unerheblich ist dagegen, wie der
Arbeitgeber oder die Vertragsparteien die einzelnen Leistungen bezeichnen bzw. auf welcher Basis
und mit welcher Methode der dann tatsächlich an den Arbeitnehmer ausbezahlte Lohn ermittelt
wurde.
Zahlt der AG konkrete Leistungsboni mit Entgeltcharakter, die einen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung aufweisen und als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung zu qualifizieren sind, sind
diese in Vergütung mit einzurechnen, da sie nach der Entsenderichtlinie „Lohn“ sind.
Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des EuGH für vermögenswirksame Leistungen, da mit
diesen ein langfristiger Zweck verfolgt wird.
1.
Mindestlohn nur für tatsächlich geleistete Arbeit
Der gesetzliche Anspruch besteht nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Allerdings entfällt der
Anspruch auf Mindestlohn z.B. durch Arbeitsunfähigkeit nicht, sondern besteht als gewöhnlicher arbeitsrechtlicher Anspruch fort, soweit die Entgeltfortzahlung an das zuvor geschuldete Entgelt und
damit an den Mindestlohn anknüpft, da das sog. Entgeltausfallprinzip gilt.
Das hat zur Folge, dass der AN auch während dieser Zeiten einen ungekürzten Anspruch auf das übliche Entgelt besitzt. Das schließt auch variable Entgeltbestandteile wie Nachtzuschläge ein.
2.
Stück- und Akkordarbeit
Auch bei Stück- oder Akkordarbeit muss der Mindestlohn umgerechnet 8,50€ pro geleisteter Arbeitszeit ergeben. Wenn keine Arbeitszeit oder kein festes Monatsgehalt vereinbart ist, muss die Monatsvergütung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Arbeitszeit in den effektiven Bruttostundenlohn
umgerechnet werden.
3.
Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft
Wie bereits unter A. Aktuelles Arbeitsvertragsrecht dargestellt, muss zwischen Bereitschaftsdienst und
Rufbereitschaft unterschieden werden.
Zeiten des sog. Bereitschaftsdienstes zählen zur Arbeitszeit.
Fall:
Mindestlohn
auch
für
Arbeitsbereitschaft
und
Bereitschaftsdienst
BAG, Urteil vom 19.11.2014 – 5 AZR 1101/12
30
Die Klägerin war bei der Beklagten, die einen privaten Pflegedienst betreibt, als Pflegehelferin beschäftigt. Arbeitsvertraglich war ein Bruttomonatsentgelt von 1.685,85 EUR festgelegt. Zu ihren Aufgaben gehörte die Pflege und Betreuung zweier demenzkranker Schwestern in einem Schwesternheim.
Die Klägerin arbeitete in zweiwöchigen Rund-um-die-Uhr-Diensten („Rudu“-Dienste). Während dieser
Dienste bewohnte sie ein Zimmer in unmittelbarer Nähe zu den Schwestern und war verpflichtet, im
Schwesternheim anwesend zu sein, um erforderlichenfalls Tätigkeiten erbringen zu können.
Die Klägerin verlangte die Differenz zwischen dem damals gem. §2 PflegeArbbV geltenden Mindestlohn von 8,50 EUR für 24 Stunden täglich und dem erhaltenen Bruttoentgelt.
Das BAG wies die Revision der Beklagten zurück. Das Arbeitsverhältnis unterfiel unstreitig dem betrieblichen und persönlichen Geltungsbereich der PflegeArbbV. Demnach betrug das Mindestentgelt
8,50 EUR „je Stunde“. Das BAG hielt fest, damit knüpfe die Verordnung an die vergütungspflichtige
Arbeitszeit an. Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst seien aber nicht nur im arbeitszeitrechtlichen Sinne Arbeitszeit, sondern auch vergütungspflichtige Arbeit.
Zwar könne für diese Sonderformen der Arbeit eine geringere Vergütung vereinbart werden. Hiervon
habe der Verordnungsgeber aber keinen Gebrauch gemacht. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung einer unter dem Mindestentgelt liegenden Vergütung für Bereitschaftsdienste sei wegen Verstoßes gegen § 2 PflegeArbbV unwirksam.
Die Klägerin habe auch während der Zeiten, in denen sie nicht unmittelbar Pflege- oder hauswirtschaftliche Tätigkeiten durchführte, Bereitschaftsdienst geleistet und nicht lediglich Rufbereitschaft.
Denn Rufbereitschaft setze – in Abgrenzung zum Bereitschaftsdienst – voraus, dass der Arbeitnehmer
nicht gezwungen sei, sich am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle
aufzuhalten, sondern – unter freier Wahl des Aufenthaltsortes – lediglich jederzeit erreichbar sein
müsse, um auf Abruf seine Arbeit alsbald aufnehmen zu können.
Nach der vorliegenden Entscheidung ist davon auszugehen, dass auch Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst, nicht aber bloße Rufbereitschaft mit dem Mindestlohn zu vergüten sind. Eine abweichende (tarif-)vertragliche Regelung, die Bereitschaftsdienst nicht als vergütungspflichte Arbeitszeit
definiert, dürfte unwirksam sein.
4.
zusätzliche Vergütungselemente
Zusätzliche Vergütungselemente sind einzubeziehen, wenn sie sich auf die vertraglich geschuldete
Normalleistung des AN bezieht. Es kommt darauf an, ob eine Leistung im konkreten Fall das vergütet,
was der AN „normalerweise“ tun muss oder ob eine Zahlung für überobligatorische Leistungen erfolgt.
Danach sind Zulagen wie Nachtschicht-, Schmutz- oder sonstige Leistungszusagen einzubeziehen.
Nachtarbeit ist die Zeit von 23 bis 6 Uhr, in Bäckereien und Konditoreien die Zeit von 22 bis 5 Uhr (§
2 Abs. 3 ArbZG). Für Nachtarbeit gilt (§ 6 Abs. 5 ArbZG):
„Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.“
Des Weiteren darf das Arbeitsrecht nicht mit dem Steuerrecht verwechselt werden. Für Letzteres ist v.
a. § 3b EStG (Einkommensteuergesetz) maßgeblich. § 3b EStG lautet:
31
„(1) Steuerfrei sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit
neben dem Grundlohn gezahlt werden, soweit sie 1. für Nachtarbeit 25 Prozent,2. vorbehaltlich der
Nummern 3 und 4 für Sonntagsarbeit 50 Prozent,3. vorbehaltlich der Nummer 4 für Arbeit am 31.
Dezember ab 14 Uhr und an den gesetzlichen Feiertagen 125 Prozent,4. für Arbeit am 24. Dezember
ab 14 Uhr, am 25. und 26. Dezember sowie am 1. Mai 150 Prozent des Grundlohns nicht übersteigen.
(2) Grundlohn ist der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn
umzurechnen und mit höchstens 50 Euro anzusetzen. 2Nachtarbeit ist die Arbeit in der Zeit von 20 Uhr
bis 6 Uhr. 3Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit ist die Arbeit in der Zeit von 0 Uhr bis 24 Uhr des
jeweiligen Tages. (…)
(3) Wenn die Nachtarbeit vor 0 Uhr aufgenommen wird, gilt abweichend von den Absätzen 1 und 2
Folgendes: 1. Für Nachtarbeit in der Zeit von 0 Uhr bis 4 Uhr erhöht sich der Zuschlagssatz auf 40
Prozent,2. als Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit gilt auch die Arbeit in der Zeit von 0 Uhr bis 4 Uhr
des auf den Sonntag oder Feiertag folgenden Tage.“
Das Arbeitsgericht Bautzen hat zur Anrechnung des Nachtschichtzuschlags ausgeführt, dass dieser
Zuschlag nicht der Vergütung einer Normalleistung des AN diene, sondern er soll die besonderen Beschwerlichkeiten der Nachtarbeit ausgleichen. Daher sind die Nachtschichtzuschläge aus dem Mindestlohn zu berechnen und nicht anzurechnen (ArbG Bautzen, 25.06.2015 – 1 Ca 1094/15). Dieser
Auffassung schloss sich auch das LAG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 12.01.2016 - 19 Sa 1851/15
und nunmehr letztlich auch das BAG im Urteil vom 25.05.2016 - 5 AZR 135/16 an. Nachtzuschläge
sind daher eindeutig nicht auf den Mindestlohn anzurechnen. Die entsprechenden Zuschläge sind also
zwingend zusätzlich zum gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen.
5.
Urlaubsentgelt und Jahreszahlungen
Bei der Anrechnung von Leistungen auf den Mindestlohn ist darauf abzustellen, ob die vom AG erbrachte Leistung ihrem Zweck nach diejenige Arbeitsleistung des AN entgelten soll, die mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten ist.
Gegen die Anrechenbarkeit einer Sonderzahlung auf den Mindestlohn spricht es, wenn sie als Einmalzahlung erst am Jahresende für das gesamte Jahr rückwirkend erfolgt und damit weit außerhalb des
letzten Fälligkeitszeitpunkts gem. § 2 I Nr. 2 MiLoG liegt.
So entschied das Arbeitsgericht Berlin, dass zusätzliches Urlaubsgeld nicht für eine Normalleistung
des AN gezahlt wird und somit nicht auf den Mindestlohn anrechenbar ist, da Zweck des Urlaubsgeldes
ist dem AN während des Urlaubs zusätzliche Leistungen zukommen zu lassen (Arbeitsgericht Bautzen,
25.06.2015, 1 Ca 1094/15).
Das gleiche gilt nach dem Arbeitsgericht Berlin für die Anrechnung zu späteren Zeitpunkten geleisteter Einmalzahlung wie z.B. die jährliche Sonderzahlung. Die Anrechnung ist unzulässig, wenn ohne
diese zum Fälligkeitszeitpunkt für das gesetzliche Mindestentgelt der Mindestlohn im Durchschnitt
nicht erreicht wird (Arbeitsgericht Berlin 04.03.2015, 54 Ca 14420/14).
Außerdem führte das Arbeitsgericht aus, dass, wenn es an der Anrechenbarkeit der anderweitigen Vergütungsbestandteile auf den Mindestlohn fehlt, alle Handlungen, die darauf gerichtet sind, gleichwohl
eine Anrechnung zu erreichen, objektiv als Umgehung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs und
damit als unzulässig anzusehen sind. Eine entsprechende Änderungskündigung ist unzulässig.
32
6.
Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und 13. Gehalt
Weihnachtsgeld stellt grundsätzlich eine Gratifikation dar, was bedeutet, dass dieses Entgelt keine
Gegenleistung für die durch den AN geleistete Arbeit darstellt, sondern es wird die Betriebstreue honoriert. Dies ist jedenfalls regelmäßig dann der Fall, wenn das komplette Weihnachtsgeld in einem
Monat (typischerweise im November) ausgezahlt wird.
Jedoch kommt es insoweit sehr stark auf die Formulierung im Arbeitsvertrag oder einer etwaigen Nebenabrede an.
Im Fall des BAG vom 25.05.2016 - 5 AZR 135/16 wurde vereinbart, dass das Weihnachtsgeld monatlich
zu 1/12 gezahlt wird. Leistungen wie Weihnachtsgeld oder ein zusätzliches Urlaubsgeld sind, nach der
Urteilsbegründung des BAG, dann als Bestandteil des Mindestlohnes anzurechnen, wenn die Arbeitnehmer den Betrag jeweils zu dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitsdatum tatsächlich
und unwiderruflich ausbezahlt erhalten. In diesem Fall sind diese Zahlungen zumindest auch eine
Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung und können daher zum Nachteil des Arbeitgebers berücksichtigt werden.
Für das Urlaubsgeld bedeutet das, dass entscheidend ist, ob dadurch erhöhte Urlaubsaufwendungen
abgedeckt werden sollen. Maßgeblich ist damit, ob das Urlaubsgeld von den betrieblichen Urlaubsregelungen abhängig ist, oder als bloße saisonale Sonderleistung gezahlt wird. Ist letzteres der Fall
steht die Zahlung nicht mit der erbrachten Arbeitsleistung im Zusammenhang und ist daher nicht auf
den Mindestlohn anrechenbar.
Das 13. Gehalt wiederum ist ein Entgelt für die geleistete Arbeit.
Nach den bereits oben dargestellten Grundlagen zur Bestimmung des Mindestlohns müsste das Weihnachtsgeld im Gegensatz zum 13. Gehalt nicht in die Berechnung einfließen. Rechtsprechung zu diesem Thema besteht bis dato noch nicht.
7.
keine Sachleistungen als Mindestlohn
Sachleistungen gelten nach dem gesetzgeberischen Willen nicht als Erfüllung des Mindestlohns, auch
nicht für Kost und Logis in der Saisonarbeit.
Außerdem scheidet eine Aufrechnung mit einer vertraglichen Verpflichtung des AN zur Bezahlung der
Sachleistungen wegen des Verbots der Aufrechnung mit unpfändbaren Forderungen aus.
8.
vermögenswirksame Leistungen
Beiträge des AG zur betrieblichen Altersvorsorge und vermögenswirksame Leistungen bleiben bei der
Bemessung des Mindestlohns nach der Rechtsprechung des EUGH unberücksichtigt.
Eine Ausnahme kann die Entgeltumwandlung nach § 1a BetrVG darstellen: Nach der Gesetzesbegründung fällt eine derartige Vereinbarung nicht unter § 3 S.2 MiLoG, da Vereinbarungen nach § 1a BetrVG
keine Vereinbarungen sind, die zu einer Unterschreitung oder Beschränkung des Mindestlohnanspruchs führen.
9.
Probleme bei Provisionsvereinbarungen
Die rechtlichen Unsicherheiten bestehen insbesondere im Fall von dem Arbeitnehmer gewährten Vorschüssen z. B. auf Provisionen, die dann im Nachgang – sollte der Vorschuss der Höhe nach zu hoch
gewesen sein – wieder mit anderen Vergütungsansprüchen verrechnet werden können.
33
Beispiel Provisionsberechnung
Ein Vertreter für Staubsauger mit monatlich 160 Arbeitsstunden erhält ein Fixum i. H. v. 900 EUR.
Aufgrund von Provisionen erzielt er in der Regel weitere 1.000–1.200 EUR pro Monat, sodass sein
Gesamteinkommen bei ca. 2.100 EUR liegt.
Zahlt der Arbeitgeber dem Vertreter tatsächlich 2.100 EUR aus und steht die Provisionszahlung nicht
unter dem Vorbehalt, dass diese ggf. aufgrund späterer Nachprüfungen mit anderen Vergütungsansprüchen verrechnet werden kann, hätte der Vertreter 13,12 EUR pro Stunde (2.100 EUR/160 Stunden)
und damit mehr als 8,50 EUR erhalten.
Rechtlich problematisch ist es, wenn
•
die Provisionszahlungen immer erst dann geleistet werden, wenn z. B. der Kunde auch den
Staubsauger bezahlt hat und es damit zu zeitlichen Verzögerungen kommt,
•
die Provisionszahlungen nicht den einzelnen Monaten zugeordnet werden können, da diese
für mehrere Monate in Summe gezahlt werden oder
•
der Arbeitnehmer nicht die erforderlichen Provisionen erwirtschaftet hat und dann gezahlte
Vorschüsse mit anderen Vergütungsansprüchen verrechnet werden.
Aufgrund des Wortlauts des Gesetzes unter Berücksichtigung der dort enthaltenen Fälligkeitsbestimmung, wird in der Literatur angenommen, dass nur die monatlichen Zahlungen auf den Mindestlohn
angerechnet werden können, die der Mitarbeiter "unwiderruflich" und damit ohne Vorbehalt erhält.
Unterscheidet der Lohn des AN den gesetzlichen Mindestlohn dadurch, dass die Provision nicht spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, gerät der
AG in Schuldnerverzug und ist den bußgeldrechtlichen Konsequenzen ausgesetzt.
Diese Annahme ist dadurch zu begründen, dass es mit der Zwecksetzung des Mindestlohngesetzes
unvereinbar wäre, wenn durch die schlichte Vereinbarung einer erfolgsbezogenen Vergütung die Regelungsintention der Fälligkeitsregelung in § 2 I MiLoG unterlaufen werden könnte, dem Arbeitnehmer
fortlaufend eine hinreichende Existenzgrundlage zu sichern.
XII.
Übergangszeit bis Ende 2016
§ 24 sieht eine Übergangszeit bis Ende 2016 vor. Bis dahin sollen die Mindestlohntarifverträge nach
§ 4 AEntG, nach § 11 AEntG und nach § 3a AÜG, dem allgemeinen Mindestlohn vorgehen, auch wenn
sie unterhalb des allgemeinen Mindestlohns liegen.
In seiner derzeitigen Form sieht § 24 MiLoG zudem vor, dass abweichende Regelungen (beispielsweise
in Tarifverträgen) dem MiLoG bis zum 31.12.2017 vorgehen. Darüber hinaus schreibt § 24 MiLoG jedoch vor, dass auch die abweichenden Regelungen ab dem 01.01.2017 mindestens ein Entgelt in Höhe
von 8,50 EUR (brutto) je Zeitstunde vorsehen müssen. Ob diese Regelung an die Erhöhung des Mindestlohn auf 8,84 EUR je Zeitstunde ab dem 01.01.2017 angepasst wird oder ob abweichende Regelungen auch eine Zahlung unter dem dann geltenden Mindestlohn von 8,84 EUR ermöglichen, solange
die Zahlung über 8,50 EUR liegt, bleibt abzuwarten.
Entgegen seiner Bezeichnung regelt das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) nicht nur die Arbeitsbedingungen, wenn ein ausländischer Arbeitgeber seine Mitarbeiter nach Deutschland entsendet.
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Es bestimmt auch, dass sich einige Tarifverträge für bestimmte Branchen auf alle Unternehmen in
ganz Deutschland erstrecken, die in deren Geltungsbereich fallen, aber nicht kraft Tarifbindung daran
gebunden sind.
Die nach dem AEntG für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträge gelten bundesweit.
Somit müssen alle in Deutschland ansässigen Unternehmen der im AEntG genannten Branchen den
Tariflohn als Mindestlohn zahlen.
Eine erlaubte tarifliche Unterschreitung des Mindestlohns von 8,50 EUR gibt es in der Übergangszeit
daher für folgende Gewerke:
 Gebäudereinigung
 Pflegebranche/Ost: Ab 01.10.2015 wird zu-
 Abfallwirtschaft, Straßenreinigung und Winterdienst
dem der Kreis derer, für die der Pflegemin-
 Bauhauptgewerbe und das Baunebengewer-
destlohn gilt, deutlich ausgeweitet werden:
be (im Sinne der Baubetriebe-Verordnung),
Dann sollen zusätzlich auch die in Pflegebe-
einschließlich der Erbringung von Montage-
trieben beschäftigten Betreuungskräfte von
leistungen auf Baustellen außerhalb des Be-
dementen Personen, Alltagsbegleiterinnen
triebssitzes
und -begleiter sowie Assistenzkräfte vom
Mindestlohn profitieren.
 Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft
 Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken
 Dachdeckerhandwerk
 Elektrohandwerk
 in der Zeitarbeit
 Gerüstbau
 Friseurhandwerk
 Maler- und Lackiererhandwerk
 Fleischverarbeitung
 Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk
 Landwirtschaft
 die Briefdienstleistungen,
 Zeitungszusteller: Sie erhalten für eine
 die Sicherheitsdienstleistungen,
Übergangszeit von drei Jahren nicht den
Mindestlohn. Sie erhalten nur 75% des Min-
 Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen
nach dem SGB II und III
destlohns von 8,50 EUR
XIII.
Anpassung des Mindestlohns ab 2017
Der Mindestlohn wird erstmals zum 01.01.2017 auf 8,84 EUR und im Weiteren jährlich angepasst. Über
die Anpassung entscheidet eine aus ArbG- und ArbN-Vertretern zusammengesetzte, unabhängige Mindestlohnkommission. Die Bundesregierung kann die Anpassung durch Verordnung für alle Arbeitgeber
sowie Beschäftigte verbindlich machen.
XIV.
Folgen für Eingruppierungssysteme gemäß Betriebsvereinbarung
Ein zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbartes Eingruppierungssystem hat vor allem eine Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges im Blick. Der Mindestlohn hat
grds. Auswirkung auf betrieblich geregelte Eingruppierungsvereinbarungen. Unterschreitet die un-
35
terste Lohngruppe, die in diesem Eingruppierungssystem festgelegt worden ist, den gesetzlichen Mindestlohn, ist der Abstand zu nächst höheren Lohngruppe nicht mehr gewahrt und der Betriebsrat hat
folglich einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber auch die anderen Lohngruppen neu festsetzt!
XV.
Vergabe von Werk- und Dienstleistungen
1.
Haftung für Subunternehmer
§ 13 Mindestlohngesetz (MiLoG) verweist auf § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz, wonach der Auftraggeber für Verpflichtungen eines beauftragten Unternehmers, "eines Nachunternehmers oder eines von
dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts […] wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat“, haftet.
Der Auftraggeber haftet verschuldensunabhängig für Verstöße der von ihm beauftragten Nachunternehmer. Nach der Gesetzesbegründung zielt die Vorschrift auf eine Verstärkung der tatsächlichen
Wirksamkeit des Mindestlohnes ab.
Auftraggeber sollen in eigenem Interesse darauf achten, dass von ihnen beauftragte Sub- und Nachunternehmer den Mindestlohn an die Beschäftigten zahlen.
Mit der Haftungsnorm wird ein präventiver Zweck verfolgt: Durch die Auferlegung des Haftungsrisikos
sollen Auftraggeber von der Beauftragung "schwarzer Schafe" unter den Auftragnehmern abgehalten
werden.
2.
geringe Kontrollmöglichkeiten, aber umfassende Haftung
Mit der Haftung des Auftraggebers im MiLoG hat der Gesetzgeber den Unternehmern hohe Hürden
auferlegt. Die weitreichenden Konsequenzen der Vorschrift werden sich nur durch sorgfältige Auswahl der Vertragspartner und entsprechende Vertragsgestaltung vermeiden lassen.
Aufgrund der geringen Kontrollmöglichkeiten ist es denkbar durch schriftliche Zusicherungen durch
den Auftragnehmer in dem er die Zahlung des Mindestlohns zusichert oder die Einschaltung eines
Wirtschaftsprüfers zur Überprüfung der korrekten Gehaltsabrechnung.
3.
schwerwiegende Folgen eines Verstoßes
Der Strafkatalog des MiLoG umfasst von der Auferlegung hoher Geldbußen bis hin zum Ausschluss
von öffentlichen Vergabeaufträgen zahlreiche Sanktionen. In Extremfällen kann sich der Auftraggeber sogar dem Vorwurf der Beihilfe zu Straftaten (§§ 291, 266 a StGB) ausgesetzt sehen.
4.
nur ständige Kontrolle des Nachunternehmers vermeidet Haftung
Durch besondere Aufmerksamkeit bei der Auswahl des Vertragspartners und ständigen Informationsaustausch während der Vertragsabwicklung kann das Haftungsrisiko jedoch vermindert werden. In
jedem Fall sollte der Nachunternehmer – nach Möglichkeit schriftlich im Rahmen der vertraglichen
Vereinbarungen – auf die Verpflichtungen aus dem MiLoG hingewiesen werden.
36
XVI.
Risiken und Folgen bei Verstoß gegen das Mindestlohngesetz
Wenn der AG den Mindestlohn nicht zahlt, geht er folgende Risiken ein:

Der AG erfüllt den Tatbestand des Lohnwuchers und begeht damit eine Straftat. Er kann also
durch einen Strafrichter bestraft werden.

Mitarbeiter können die Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten und dem Mindestlohn
einklagen.

Falls das Unternehmen vom Rentenversicherungsträger oder von einem anderen Sozialversicherungsträger – z. B. Krankenkasse – geprüft wird und der Prüfer feststellt, dass die Mitarbeiter trotz eines gesetzlichen oder tarifvertraglichen Mindestlohns tatsächlich ein geringeres
Bruttoarbeitsentgelt erhalten, drohen dem AG Nachforderungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen: Denn die Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Bruttoarbeitsentgelt und
dem Mindestlohn ist beitragspflichtig. D. h., der AG zahlt für die (nicht ausgezahlte) Differenz
Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung.
Keine Nachzahlungen bei der Lohnsteuer
Für die Lohnsteuer wird nur der tatsächlich gezahlte Arbeitslohn zugrunde gelegt. Auch bei einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt muss der AG also nicht damit rechnen, dass die Differenz zwischen
dem gezahlten Bruttoarbeitsentgelt und dem Mindestlohn noch mit Lohnsteuer belegt wird.
Ordnungswidrigkeit bei Unterschreitung des Mindestlohns
Ordnungswidrig handelt unter anderem, wer den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt oder
einen Nachunternehmer einsetzt oder zulässt, dass ein Nachunternehmer tätig wird, der den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt.
Diese Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro geahndet werden.
Üblicherweise lautet die Formel:
Geldbuße = nicht gezahlter Mindestlohn x 2 + 30 %
(Beispiel: Nicht gezahlter Mindestlohn in Höhe von 10.000,00 EUR = 26.000,00 EUR Geldbuße). Bei
nachgewiesenem Vorsatz verdoppelt sich der Betrag noch einmal (im Beispielsfall würde die Geldbuße
also 52.000,00 EUR betragen).
Anhang: Besonderheiten bei Praktikumsverhältnissen
1.
Definition des Praktikumsverhältnisses
Nach der in § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG in Bezug genommenen Vorschrift des § 26 BBiG werden Personen
erfasst, die als Praktikanten eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten
oder berufliche Erfahrungen zu erwerben.
Für deren Vertragsverhältnisse gelten, sofern es sich weder um ein Arbeitsverhältnis noch um eine
Berufsausbildung handelt, im Wesentlichen die Bestimmungen, die für Auszubildende und Ausbildende in einem Berufsausbildungsverhältnis nach den §§ 10 ff. BBiG gelten.
Zur Bestimmung des Rechtsverhältnisses hat die Rechtsprechung Abgrenzungen zum Ausbildungs-,
Arbeits- und Schulverhältnis vorgenommen.
37
Auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales ist in § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG eine neue
gesetzliche Definition eingefügt worden. Danach gilt:
„Praktikantin oder Praktikant ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich
nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte
Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit
zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung
handelt.“
In Anwendung dieser Definition fallen Volontariate nicht unter den Anwendungsbereich des Gesetzes.
2.
Ausnahmen vom Mindestlohnanspruch für Praktikanten
§ 22 I 2 MiLoG regelt die Ausnahmen für Praktikanten, die nicht in den Anwendungsbereich des MiLoG
fallen um das Instrument „Praktikum“ nicht einzuschränken, weil andernfalls die Bereitschaft der Unternehmen, Praktika anzubieten, unterminiert würde.
Insgesamt handelt es um folgende Ausnahmetatbestände:
 Pflichtpraktika (Nr.1)
 Orientierungs- (Nr.2) und Ausbildungs- bzw. studienbegleitende Praktika (Nr.3) jeweils bis zu drei
Monaten
 Praktika zur Einstiegsqualifizierung (Nr.4)
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands trägt der Vertragspartner des Praktikanten.
Nach § 22 I Nr.1 MiLoG muss es sich um ein Pflichtpraktikum aufgrund einer schul- oder hochschulrechtlichen Bestimmung oder in einer Ausbildungsordnung vorgeschriebenes Praktikum oder handeln
oder im Rahmen der Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie abgeleistet werden.
Der Begriff der Ausbildungsordnung ist weit zu verstehen und bezieht alle generellen Regelungen zur
Strukturierung der Lerninhalte ein, ohne dass es sich hierbei um eine anerkannte Berufsbildung handeln und/ oder diese im Verzeichnis des Bundesinstituts für Berufsbildung aufgeführt sein müsste.
§ 22 I Nr.2 MiLoG gilt auch für ein Praktikum, das begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung absolviert wird, allerdings nicht bei demselben Ausbilder, dh. im selben Unternehmen (Nr.3).
Ein Begleitpraktikum nach § 22 I Nr. 3 MiLoG wird jedoch mindestlohnpflichtig, wenn der Praktikant
bereits vorher beim selben Ausbilder ein Begleitpraktikum nach Nr. 3 absolviert hat. Die Mindestlohnpflicht setzt somit nicht schon beim ersten, sondern erst beim zweiten Praktikum ein.
Die Privilegierung nach § 22 I Nr. 4 MiLoG rechtfertigt sich vor folgendem Hintergrund: Maßnahmen
der Einstiegsqualifikation sollen Menschen mit Vermittlungshindernissen helfen, in den Arbeits- oder
Ausbildungsmarkt integriert zu werden.
Nach dem gesetzgeberischen Willen sollten auch Ausbildungsvorbereitungsmaßnahmen nach §§ 68
ff. BBiG nicht unter den Mindestlohn fallen.
Damit soll Rechtssicherheit für Integrations- und Förderprogramme schaffen, die aufgrund von Tarifverträgen oder von AG-Verbänden durchgeführt werden. Nicht erforderlich ist, dass die jeweilige Maßnahme von der Bundesagentur gefördert wird.
38
3.
Änderungen im Nachweisgesetz
a) Geltungsbereichserweiterung
Praktikanten, die gemäß § 22 Abs. 1 MiLoG als Arbeitnehmer gelten, werden in den Geltungsbereich
des Nachweisgesetzes einbezogen:
㤠1 Anwendungsbereich:
Dieses Gesetz gilt für alle Arbeitnehmer, es sei denn, dass sie nur zur vorübergehenden Aushilfe von
höchstens einem Monat eingestellt werden. Praktikanten, die gemäß § 22 Absatz 1 MiLoG als Arbeitnehmer gelten, sind Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes.“
Ziel der Änderung ist, diesem Personenkreis die Durchsetzung ihrer Ansprüche zu erleichtern. Das gilt
insbesondere für den allgemeinen Mindestlohn. Zugleich wird durch die Anwendung des dem Nachweisgesetz innewohnenden Grundsatzes der Verschriftlichung für beide Partner des Praktikumsvertrags Rechtsklarheit und Rechtssicherheit geschaffen.
b) Nachweispflicht für Praktika
In dem neu eingefügten § 2 Abs. 1a werden die Vorgaben des § 2 Abs. 1 NachwG für die in eine Niederschrift aufzunehmenden wesentlichen Vertragsbedingungen den Besonderheiten des Praktikumsverhältnisses angepasst. Dazu gehören insbesondere Angaben über die mit einem Praktikum verfolgten Lern- und Ausbildungsziele sowie zur Dauer des Praktikums und zur Zahlung der Vergütung:
㤠2 Nachweispflicht
(1a) Wer einen Praktikanten einstellt, hat unverzüglich nach Abschluss des Praktikumsvertrages, spätestens vor Aufnahme der Praktikantentätigkeit, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich
niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Praktikanten auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen:
1. der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,
2. die mit dem Praktikum verfolgten Lern- und Ausbildungsziele,
3. Beginn und Dauer des Praktikums,
4. Dauer der regelmäßigen täglichen Praktikumszeit,
5. Zahlung und Höhe der Vergütung,
6. Dauer des Urlaubs,
7. ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Praktikumsverhältnis anzuwenden sind. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.“
Mit der Erweiterung der Nachweispflicht ist eine Beweiserleichterung für Praktikanten verbunden.
Diese kann im Ergebnis einer Beweislastumkehr nahekommen. Im Falle einer schuldhaften Verletzung
der Nachweispflicht ist der vom Praktikanten zu erbringende Beweis jedenfalls dann als geführt anzusehen, wenn er plausible Arbeitsbedingungen vorträgt (ArbG Naumburg v. 23.06.2005 - 1 (2) Ca
1743/04).
Sofern Fragen bestehen, wenden Sie sich gerne an die Autoren!
Dieter Merz
Albrecht Lauf
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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