Elektrochemie: Elektrochemische Analyse mittels Zyklovoltammetrie Der Versuch vermittelt praktische Kenntnisse im Themengebiet Elektro- und Oberflächenchemie. Neben einem Einblick in die gezielte chemische Modifizierung von Oberflächen werden Kenntnisse in der elektrochemischen Analytik mittels Zyklovoltammetrie erworben. Elektrochemische Phänomene, wie Überspannung und die Ausbildung von Strukturen und Potentialen an Phasengrenzflächen, werden behandelt. Der Effekt isolierender Monoschichten auf der Elektrode wird untersucht. Keywords: Zyklovoltammetrie (CV), Strom-Spannungs-Diagramm, Elektrochemie, Überspannung, Phasengrenzflächen, Potentiale und Ströme, selbst organisierende Monoschicht (SAM). Ziel: Gezielte Modifikation glatter Oberflächen und deren elektrochemische Analyse. Anforderung: Theoretische Kenntnisse über Zyklovoltammetrie (CV), Potentiale und Strukturen an Phasengrenzen, Elektroden 2. Art, Überspannung, selbst organisierende Monoschichten Aufbau: Arbeitselektrode Referenzelektrode Gegenelektrode z.B. Gold glasartiger Kohlenstoff Hg/Hg2Cl2 Elektrolytlösung Abb. 1: Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus für CV-Messungen Chemikalien: wässrige 10mM Kaliumhexacyanoferrat-(II) und –(III)-lösungen, n-Heptan, Ethanol abs., Gold, Glimmer, Thiole (Mercaptoundecansäure, Hexadekanthiol) 1 Durchführung: Herstellung der SAM: 1 mM Lösung von Mercaptoundecansäure in Ethanol (abs.) und 1mM Lösung Hexadekanthiol in n-Heptan herstellen, Gold auf Glimmerplättchen aufdampfen, dieses vorher mit Ethanol und dest. Wasser reinigen und trocknen, bedampftes Glimmerplättchen in abgedeckter Petrischale ca. 2 Stunden in einer Thiollösung inkubieren, mit dem entsprechenden Lösungsmittel abspülen und in dem entsprechenden Lösungsmittel lagern bis zum Gebrauch. Erstellen der Zyklovoltammogramme: In einem Präparategläschen wird je eine wässrige 10 mM Lösung von Kaliumhexacyanoferrat (II) bzw. (III) hergestellt. Von diesen Lösungen wird eine 1:1Mischung erstellt und ein Zyklovoltammogramm aufgenommen. Durch Auswertung dieses Voltammogramms wird der Spannungsbereich für die nachfolgenden Messungen festgelegt. Anschließend wird die Arbeitselektrode nacheinander durch die mit einem hydrophilen bzw. hydrophoben SAM bedeckte Goldplättchen ersetzt. Die Messung des Zyklovoltammogramms wird wiederholt und das Ergebnis mit den zuvor aufgenommenen Kurven verglichen. ALLG. INFORMATIONEN Selbst organisierende Monoschicht (SAM, self-assembled monolayer) Oberflächeneigenschaften mit Hilfe von gezielten Beschichtungen zu beeinflussen ist in der heutigen Nanotechnologie eine große Herausforderung. Dabei spielen so genannte selbst organisierende monomolekulare Schichten eine große Rolle. Eine solche Monoschicht bildet sich spontan beim Eintauchen von oberflächenaktiven Materialen in Suspensionen bzw. Lösungen. Typische Stoffe, die sich für eine Monoschicht eignen, besitzen oft eine Alkylkette mit einer funktionellen Kopfgruppe. Geeignet sind beispielsweise Alkanthiole oder Fettsäuren, die auf Metallen wie Kupfer, Silber und Gold einfache monomolekulare Schichten bilden. Diese Schichten weisen eine hohe innere Ordnung auf und decken die Metalloberfläche nahezu vollständig gegen Luft ab. Die Oberflächeneigenschaften werden von der Monoschicht dominiert, was im Vergleich zum unbedeckten Metall zu stark verändertem Leitfähigkeitsverhalten und Grenzflächenwechselwirkung führen kann. Ein ähnlicher, aus dem Alltag bekannter Effekt ergibt sich, wenn man Spülmittel auf eine Wasseroberfläche gibt. Auch hier bildet sich eine monomolekulare Seifenschicht, die die Oberflächeneigenschaften beeinflusst. Allgemein bekannt ist hier vor allem die Herabsetzung der Oberflächenspannung. Die Bildung der Monoschicht läuft nach aktuellem Kenntnisstand in zwei Schritten ab. Im ersten Schritt wird der Solvent schnell adsorbiert. Im zweiten langsamen Schritt bildet sich eine regelmäßige Anordnung der Moleküle in der Monoschicht, die schließlich eine gitterförmige Anordnung bilden. Die genaue Kinetik wird durch den verwendeten Solventen bzw. das Substrat beeinflusst. Weiter haben Konzentration und Reinheit des Solventen, Verunreinigungen auf der Oberfläche des Substrats, sowie die Temperatur starken Einfluss auf die Kinetik. 2 Abb. 2: Schematische Darstellung einer selbst organisierten Monoschicht Zyklovoltammetrie Die Zyklovoltammetrie ist eine weit verbreitete und seit langem etablierte Methode für die Untersuchung von elektrochemischen Reaktionen. Die Attraktivität der Methode resultiert daraus, dass sich aus Zyklovoltammogrammen neben Informationen über die Thermodynamik von Redoxprozessen auch Kenntnisse über die Kinetik von Elektronentransferreaktionen sowie von angekoppelten chemischen Reaktionen erhalten lassen. Abb. 1 zeigt den schematischen Aufbau eines ZyklovoltammetrieExperiments. Die Potentialdifferenz zwischen der Arbeitselektrode und dem Elektrolyten, Δϕ , wird hierbei ausgehend von einem Startpotential Δϕ min zeitlich linear verändert bis zum Erreichen eines Umkehrpotentials Δϕ max und dann wieder linear zur AusgangsPotentialdifferenz Δϕ min zurückgeführt, siehe Abb. 3. Die Zyklovoltammetrie wird daher auch als Dreieckspannungsmethode bezeichnet. Δϕm ax S c a n ra te v = |d Δ ϕ / d t| Δ ϕ m in Abb. 3: Potential-Zeit-Verlauf (Dreieckspannung) bei der Zyklovoltammetriet Die Scanrate entspricht dem Betrag der Potentialänderung pro Zeiteinheit: v= dΔϕ dt (1) Bei kleineren Scanraten vermag das System durch entsprechende elektrochemische Umsetzung und damit verbundene Veränderungen der Aktivitäten der an der 3 Elektrodenreaktion beteiligten Reaktanden der Änderung zu folgen. Bei größeren Scanraten sowie bei sehr langsamer Einstellung des neuen Zustands wegen langsamer Durchtrittsreaktion bzw. vor- oder nach gelagerten chemischen Reaktionen kommt es zu Verzögerungen, aus denen kinetische Daten ermittelt werden können. Die sich ergebende Strom-Spannungs-Kurve, das zyklische Voltammogramm (Abb. 4), gibt Auskunft über die im untersuchten Bereich ablaufenden Prozesse. I Hinlauf Red Ox + z e - O2 k Δϕp 0 a Δϕ p H2 Rücklauf Ox + z e - Red Δϕ min Δϕ Δϕ 0 Δϕmax Abb. 4: Zyklovoltammogramm eines reversiblen Redoxsystems Während des ersten Halbzyklus wird die Oxidation der reduzierten Form Red beobachtet: Red → Ox + z e − (2) Hierbei bezeichnet z die Zahl der abgegebenen Elektronen. Bei reversiblen Redoxsystemen findet während des zweiten Halbzyklus die Reduktion der oxidierten Form Ox zur ursprünglichen Form Red statt. Ox + z e − → Red (3) Der Verlauf des Zyklovoltammogramms eines reversiblen Redoxsystems (Abb. 4) kann folgendermaßen erklärt werden. Wird als Anfangspotential ein Potential gewählt, das kleiner ist als das Standardpotential Δϕ 0 , so fließen zunächst nur kapazitive Ströme aufgrund der Aufladung der elektrochemischen Doppelschicht. Nähert sich die Potentialdifferenz Δϕ dem Standardpotential Δϕ 0 , so beginnt die Oxidationsreaktion, und ein anodischer Stromfluss wird beobachtet. Bei einer schnellen Elektrodenreaktion wird das Verhältnis der Konzentrationen von oxidierter zu reduzierter Spezies an der Elektrode durch die Nernstsche Gleichung (4) bestimmt: Δϕ = Δϕ 0 + ⎛ c Elek RT ⋅ ln⎜⎜ Ox Elek zF ⎝ cRe d ⎞ ⎟⎟ ⎠ (4) Mit steigendem Δϕ nimmt die Konzentration der reduzierten Spezies an der Elektrodenoberfläche ab. Dadurch entsteht eine Nernstsche Diffusionsschicht mit 4 einem Konzentrationsgradient dcRed /dx zwischen der Elektrolytlösung und der Elektrodenoberfläche. Der resultierende Diffusionsstrom ist geben durch: Elek dc Re d c Lsg − c Re d (5) = zF ⋅ A ⋅ DRe d ⋅ Re d dx δ Hierbei stehen F , A und DRe d für die Faraday-Konstante, die Elektrodenoberfläche Lsg und den Diffusionskoeffizienten der reduzierten Spezies. c Re ist die Konzentrationen d der reduzierten Spezies in der Elektrolytlösung, während δ die Breite der Nernstschen Diffusionsschicht bezeichnet. Elek Wird Δϕ deutlich größer als Δϕ 0 , so geht c Re gegen Null und der d Konzentrationsunterschied zwischen Elektrolytlösung und Elektrodenoberfläche wird maximal. Gleichzeitig dehnt sich die Nernstsche Diffusionsschicht δ = π ⋅ DRe d ⋅ t mit zunehmender Zeit aus. Diese gegenläufigen Effekte führen zu einem Maximum des Diffusionsstroms beim Peakpotential Δϕ PA . Die Höhe des anodischen Peakstroms I PA für einen solchen diffusionskontrollierten Prozess ist durch die Randles-SevčikGleichung gegeben: I = zF ⋅ A ⋅ DRe d ⋅ I pA = 0,4463 ⋅ zF ⋅ A ⋅ zFDRe d v Lsg ⋅ c Re d RT (6) In analoger Weise tritt während des zweiten Halbzyklus ein Reduktionsstrom auf, der durch eine Nernstsche Diffusionschicht mit einer Verarmung der oxidierten Spezies an der Elektrode bestimmt wird. Beim kathodischen Peakpotential Δϕ pK tritt entsprechend ein Maximum des Reduktionsstroms auf. Bei vollständig reversiblen Redoxsystemen sind die bei der Oxidations- und der Reduktionsreaktion umgesetzten Ladungsmengen identisch. Ist die Elektrodenreaktionen schnell, so sind die Peakpotentiale unabhängig von der Scanrate v. Diese Eigenschaften können zur Identifizierung schneller reversibler Redoxreaktionen herangezogen werden. Schließlich soll noch erwähnt werden, dass die Potentialdifferenz an der Arbeitselektrode, Δϕ , nicht absolut, sondern nur relativ zu einer Referenzelektrode gemessen werden kann. Daher hängen die Absolutwerte der Peakpotentiale Δϕ PA und Δϕ PK von der Art der Referenzelektrode ab. Deckschichtströme Befinden sich bei der Aufnahme des Diagramms keine Stoffe in der wässrigen Lösung, welche im Potentialbereich zwischen den Umkehrpotentialen elektrochemisch umgesetzt werden können, so entsprechen die beobachteten Ströme dem Aufund Abbau von Wasserstoffund SauerstoffChemisorptionsschichten. Es sind so genannte Deckschichtströme. Enthält aber der Elektrolyt eine elektrochemisch aktive Spezies, so werden die Deckschichtströme von den Faradayschen Strömen der Elektrodenreaktionen überlagert. Zusammenfassung Die Zyklovoltammetrie erlaubt die Untersuchung von Redoxsystemen in Lösung. Mit ihrer Hilfe lassen sich die Potentiale bestimmen, bei denen elektroaktive Substanzen an einer Elektrode umgesetzt werden, sowie Aussagen über die Art des Elektrodenübergangs machen. Für die zyklovoltammetrischen Experimente wird ein computergesteuerter Potentiostat (Eigenbau) zur Steuerung des für die Messungen notwendigen 5 Potentials eingesetzt. Zur Datenerfassung wird das auf Labview basierende Messprogramm genutzt, die Daten werden als Textdatei exportiert und können z.B. mit Origin ausgewertet werden. Literatur: • • • • Wedler: „Lehrbuch der Physikalischen Chemie“ Atkins: „Physikalische Chemie“ Hamann, Vielstich: „Elektrochemie“, 4. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim, 2006 Bernd Speiser, Chem. in unserer Zeit, 15, 1981, 62-67 Aufgabenstellung: Aufgabe 1 Bedampfen von Glimmer mit Gold verschiedener Monolagen auf Gold. Aufgabe 2 Aufnahme mehrerer Zyklovoltammogramme (Arbeitselektroden Gold, SAMs) von Fe2+/Fe3+ und deren qualitative Auswertung - Bestimmung der Oxidations-, Reduktions- und Standardpotentiale. - Ist das untersuchte System reversibel? Aufgabe 3 Welche Änderungen ergeben sich im Zyklovoltammogramm, wenn die Arbeitselektrode mit einer SAM-Schicht bedeckt ist ? Aufgabe 4 Welchen Nutzen haben Chemiker von der Kenntnis des Standardpotentials verschiedener Substanzen? Warum wird die Elektrochemie nicht in großem Umfang zur Synthese eingesetzt? Aufgabe 5 Was ist die Voraussetzung für die Reversibilität bei der Zyklovoltammetrie und ist die Reversibilität eher Regel oder Ausnahme? 6 und Herstellung zweier