DissertationPhilippStapel

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Beurteilung der Lebensqualität und körperlichen Belastbarkeit
von erwachsenen Trisomie 21-Patienten
mit operativ korrigiertem und nicht korrigiertem
atrioventrikulärem Septumdefekt
Der Medizinischen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg
zur
Erlangung des Doktorgrades Dr. med.
vorgelegt von
Philipp Stapel
aus
Karl-Marx-Stadt
Als Dissertation genehmigt von der
Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg
Vorsitzender des Promotionsorgans: Prof. Dr. med. J. Schüttler
Gutachter:
Prof. Dr. med. S. Dittrich
Gutachter:
Prof. Dr. med. R. Cesnjevar
Tag der mündlichen Prüfung:
21. Januar 2014
Widmung
Meinen Eltern und Großeltern in Liebe und Dankbarkeit
gewidmet
Inhaltsverzeichnis
1. Zusammenfassung
1
1.1. Hintergrund und Ziele
1
1.2. Methoden
1
1.3. Ergebnisse und Beobachtungen
2
1.4. Praktische Schlussfolgerungen
2
2. Summary
3
2.1. Objective
3
2.2. Methods
3
2.3. Results
3
2.4. Conclusion
4
3. Einleitung
5
3.1. Lebensqualität
5
3.2. Morbus Down
3.2.1. Inzidenz
6
6
3.2.2. Pathogenese
7
3.2.3. Phänotyp
8
3.2.4. Verlauf
9
3.2.5. Intelligenz- und Sozialquotient
9
3.3. Kongenitale Herzfehler bei Trisomie 21
3.3.1. Atrioventrikulärer Septumdefekt (AV-Kanal)
10
10
3.4. Hämodynamik des AVSD
3.4.1. Eisenmenger-Reaktion
14
15
3.5. medikamentöse Therapie mit Endothelin-Rezeptor-Antagonisten
15
4. Zielsetzung
16
5. Material und Methoden
17
5.1. Patientenkollektiv und Auswahlkriterien
17
5.2. Datenerhebung
19
5.3. Selbst entwickelter Fragebogen mit offenen Fragen
19
5.4. Fertigkeitenskala nach Münster/Heidelberg (FMH)
20
5.5. Fragebogen zum allgemeinen Gesundheitszustand SF-36
21
5.6. Anwendungsbeobachtung mit Bosentan (Tracleer®)
25
5.7. Statistik
26
6. Ergebnisse
27
6.1. Selbst entwickelter Fragebogen mit offenen Fragen
29
6.3. Fragebogen zum allgemeinen Gesundheitszustand SF-36
35
6.4. Anwendungsbeobachtung mit Bosentan (Tracleer®)
38
7. Diskussion
44
8. Studienlimitation
49
9. Literaturverzeichnis
50
10. Abkürzungsverzeichnis
57
11. Anhang
59
11.1. Selbst entwickelter Fragebogen mit offenen Fragen
59
11.2. Fertigkeitenskala nach Münster/Heidelberg (FMH)
62
11.2.1. Auswertungstabelle Fertigkeitenskala Münster/Heidelberg
64
11.3. Fragebogen zum allgemeinen Gesundheitszustand SF-36
68
11.4. Fragebogen Anwendungsstudie Bosentan (Tracleer®)
72
12. Danksagung
74
1
1. Zusammenfassung
1.1. Hintergrund und Ziele
Die Trisomie 21 ist zurückzuführen auf eine Genommutation, bei dem das 21.
Chromosom komplett oder Teile davon dreifach vorliegen. Sie stellt die häufigste
Chromosomenaberration bei Neugeborenen dar. Zu den typischen Ausprägungen bei
Personen mit Trisomie 21 zählen ein charakteristisches Dysmorphiemuster, kognitive
Beeinträchtigungen sowie fakultativ auftretende angeborene Fehlbildungen. Fast
zwei Drittel aller Kinder mit Trisomie 21 werden mit einem Herzfehler geboren. Die
größte Zahl davon leidet an einem atrioventrikulärem Septumdefekt, aus welchem
sich je nach unterschiedlicher Ausprägung eine hämodynamische Relevanz mit einer
pulmonalen Hypertonie, bis hin zur so genannten Eisenmenger-Reaktion entwickeln
kann. In dieser Arbeit wurden erwachsene Patienten mit Trisomie 21 und
angeborenem AV-Kanal mit und ohne operativer Korrektur des Herzfehlers im
Kindesalter untersucht und verglichen, wie sich die jeweilige körperliche
Belastbarkeit sowie die subjektive Lebensqualität darstellt und inwiefern eine
operative Therapie einen positiven Einfluss auf die Lebensumstände hat.
Des
Weiteren wurden nicht am AV-Kanal operierte Probanden einer medikamentösen
Therapie zugeführt und geprüft, ob diese messbare Effekte zeigt.
1.2. Methoden
In einer einzeitig erhobenen Patientenbefragung wurden mittels verschiedener
Fragebögen 38 operativ korrigierte und 8 nicht operativ korrigierte Patienten der
Jahrgänge 1973 bis 1990 herausgefiltert und analysiert. 7 Patienten der Gruppe der
nicht
operativ
korrigierten
Patienten
erhielten
in
einer
mehrwöchigen
Anwendungsbeobachtung den Endothelin-Rezeptor-Antagonisten Bosentan als orale
medikamentöse Therapie und beantworteten zusätzlich täglich Fragen zum aktuellen
Gesundheitsbefinden.
2
1.3. Ergebnisse und Beobachtungen
Unsere Untersuchung zeigt im Vergleich beider Patientengruppen signifikante
Unterschiede in den Fragen zum allgemeinen Gesundheitszustand zugunsten der
operativ korrigierten Patienten. Unabhängig von einer Operation am angeborenen
Herzfehler ist die Lebenswirklichkeit von Menschen mit Trisomie 21 generell aber
geprägt durch ein limitiertes Lebensumfeld und geringer Autonomie. Während der
medikamentösen Therapie
Datenanalyse
statistisch
mit
Bosentan
signifikante
konnten
positive
in einer
Ergebnisse
im
longitudinalen
Sinne
einer
Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit, einer Verbesserung der Selbständigkeit
im Anziehen von Kleidung und signifikante Ergebnisse im Trink- und Essverhalten
bei Patienten ohne operative Korrektur nachgewiesen werden.
1.4. Praktische Schlussfolgerungen
Hinsichtlich der Tatsache, dass wir eine ergänzende Wirkung auf die Lebensqualität
der Patienten mit Trisomie 21 aufzeigen können, sollte die zugelassene
leitliniengerechte
medikamentöse
Therapie
mit
einem
Endothelin-Rezeptor-
Antagonisten bei Patienten mit Trisomie 21 und nicht operativ korrigiertem
angeborenen
atrioventrikulärem
Septumdefekt
Hypertonie/Eisenmenger-Physiologie stets angeboten werden.
mit
arterieller
3
2. Summary
2.1. Objective
In genome mutation of trisomy 21 the complete 21st choromosome or parts of it
occur triple. It is the most common chromosomal abnormality in newborns. Typical
characteristics are a specific dysmorphic pattern, cognitive impairment and optional
congenital malformations. Two thirds of children with trisomy 21 are born with a
heart defect, most frequently with an atrioventricular septal defect. Depending on its
severity haemodynamic relevance with pulmonal hypertonia through to Eisenmenger
reaction is possible. In this study, adult patients with trisomy 21 and congenital AVchannel with and without surgical correction of its congenital heart defect in
childhood were examined. The aim was to compare physical ability and subjective
quality of life as well as analysing how surgical treatment has a positive effect in the
living conditions. Furthermore the not surgical treated patients got a drug therapy to
examine if it shows measurable effects.
2.2. Methods
Collecting data by various questionnaires 38 surgically treated patients and 8 not
surgically treated patients born in 1973 to 1990 were analysed in a single-stage
patient survey. In a multi-week observational study 7 patients in the group of nonsurgically treated patients got the Endothelin-receptor antagonist Bosentan as an oral
drug therapy with answering daily questions about their current health condition.
2.3. Results
In comparison of both groups our investigation shows significant differences in the
questions of general health. Regardless of surgical treatment trisomy 21 patients’
reality of life is generally characterized by limited life environment and less
autonomy. During drug therapy with Bosentan on patients without surgically treated
heart defect, statistically significant results are verifiable in terms of exercise
capacity and putting on clothes as well as drinking and eating behaviour.
4
2.4. Conclusion
Identifying the additional effects on the patients’ quality of life with trisomy 21, the
approved and guidelines-recommended drug therapy with an Endothelin-receptor
antagonist should always be offered to patients with trisomy 21 and not surgically
treated
congenital
atrioventricular
hypertension/Eisenmenger syndrome.
septal
defect
and
additional
arterial
5
3. Einleitung
3.1. Lebensqualität
Was versteht man unter dem Begriff „Lebensqualität“?
Lebensqualität stellt ein vielschichtiges Gebilde dar, welches man in seinen
unterschiedlichen Teilbereichen betrachten muss [37]. Es gibt unterschiedliche
Auffassungen darüber, welche Teilbereiche zur Lebensqualität zählen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert den Begriff „Lebensqualität“ als
„subjektive Wahrnehmung einer Person über ihre Stellung im Leben in Relation zur
Kultur und den Wertsystemen, in denen sie lebt und in Bezug auf ihre Ziele,
Erwartungen, Standards und Anliegen.“ [53]. Maßgebend als auch limitierend für die
Möglichkeiten der Lebensgestaltung sind demzufolge gesellschaftliche Herkunft und
Kultur, deren Religionen, Werte, Regeln und Bräuche. Im Vordergrund der
Beurteilung der Qualität des Lebens stehen aber auch immer die persönliche
Zufriedenheit, der Grad des Wohlbefindens und die Frage nach persönlichen Zielen
im Leben um mit sich und seiner Umwelt zufrieden zu sein. Somit ist Lebensqualität
abhängig von der Persönlichkeitsstruktur des Menschen und geht letztlich auf dessen
Grundeinstellung zum Leben zurück [13]. Eine neuere Definition des Begriffes
„Lebensqualität“ besagt, dass Lebensqualität die Differenz zwischen dem Soll- und
dem Istwert ist. Dabei drückt der Sollwert die Ansprüche des Menschen aus und der
Istwert die Realität. Bei einer sehr großen Differenz ist die Lebensqualität schlecht.
Ist die Differenz gering, ist die Lebensqualität gut [43]. Weiterhin ist es wichtig, die
Tatsache zu betrachten, dass es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, welche
Bereiche zur Lebensqualität zählen. Denn in Bezug auf den Begriff „Gesundheit“
lehnt sich „Lebensqualität“ nach einer Definition der WHO an „das körperliche,
psychische und soziale Befinden eines Individuums“ [53]. Damit wird deutlich, dass
Lebensqualität nicht materiellen Wohlstand, sozialen Status und Beziehungen,
Unabhängigkeit, Bildung und Berufschancen beschreibt und umfasst, sondern
vielmehr auch den Grad, mit dem von jedem einzelnen Individuum erwünschten
Zustand an körperlichen und psychischem Wohlbefinden.
Lebensqualität ist eine individuelle Erfahrung, die sich mit ihrer zunehmenden
Einschränkung verändern kann [42]. Man kann also zum Beispiel Krankheit als
6
Lernprozess verstehen, in dessen Verlauf der Begriff Lebensqualität immer wieder
von jedem Betroffenen individuell neu definiert wird. Entscheidend ist, dass die
Frage nach Lebensqualität auf die subjektive Wirklichkeit des Kranken, sein
persönliches Erleben und Befinden gerichtet ist und dass eine Wertung der
Lebensqualität immer nur vom Patienten selber vorgenommen werden kann [13].
3.2. Morbus Down
Als Down-Syndrom bezeichnet man eine genetische Veränderung, welche auf eine
Fehlverteilung von Chromosomen zurückzuführen ist [17]. Statt der zweifachen
Ausführung des Autosoms 21 liegt hier ein zusätzliches Chromosom 21 vor. Durch
das teilweise oder komplette dreifache Vorliegen des Chromosoms 21 spricht man
auch von einer Trisomie 21 [27].
3.2.1. Inzidenz
Mit einer Inzidenz von etwa 1:800 ist die Trisomie 21 die bei Neugeborenen am
häufigsten auftretende Chromosomenaberration [18]. Männliche Neugeborene sind
öfter betroffen als weibliche Neugeborene (männlich : weiblich = 1,3 : 1) [33] [38].
Als Faktor, der die Inzidenz beeinflusst, zählt vor allem das mütterliche Alter bei der
Geburt. Je höher das mütterliche Gebäralter, desto höher das Risiko einer Trisomie
21 [33]. Des Weiteren sind pränatal durchgeführte diagnostische Untersuchungen
wegweisend für die Diagnose einer Trisomie 21 und damit für die individuelle
Entscheidung einer Fortführung oder eines Abbruchs der Schwangerschaft [1] [40].
7
3.2.2. Pathogenese
Bei ungefähr 95% der Trisomien 21 ist die Ursache ein Teilungsfehler im elterlichen
Genom im Verlauf der Meiose (90% mütterlicherseits, 5% väterlicherseits, 5%
postzygotisch) [2] [34]. Aufgrund der fehlenden Trennung der homologen
Chromosomen 21 (Non-Disjunction) wird ein drittes Chromosom 21 gebildet. Die
Chromosomenzahl beträgt 47, das Chromosom 21 ist dreifach vorhanden. Der
Karyotyp lautet 47, XX+21 bzw. 47 XY+21. In diesem Fall spricht man von einer
„freien Trisomie“ [1] [33] [40].
Circa 2-4% der Fälle liegen einem anderem Pathomechanismus zugrunde [36]. Bei
den so genannten „Translokationstrisomien“ liegt in allen Körperzellen das
Chromosom 21 komplett dreifach vor. Eines der Chromosomen 21 hat sich an ein
anderes Chromosom angelagert und ist in Form einer zentrischen Fusion mit einem
anderen akrozentrischen Chromosom verschmolzen. Die Chromosomenzahl beträgt
46. Es können zwei wesentliche Translokationstypen unterschieden werden:

D;G-Translokation zwischen einem großen Chromosom (Gruppe D:
Chromosomen 13, 14, 15) und Chromosom 21 als kleinem Chromosom (Gruppe
G: Chromosomen 21, 22). Am häufigsten tritt dabei die Translokation 14;21 auf.

G;G-Translokation 21;21 oder 21;22 [44]
Bei einer Translokations-Trisomie 21 kann der Karyotyp zum Beispiel wie folgt
lauten: 46,XX,t(21;14) bzw. 46,XY,t(21;14).
Etwa 2% stellen die so genannten „Mosaike“ dar. Die Mosaik-Trisomie entsteht erst
nach der Befruchtung der Eizelle und deren Teilung. Dadurch liegt das Chromosom
21 nicht in allen Körperzellen dreifach vor. Mosaike haben teilweise nur eine geringe
phänotypische Ausprägung und bleiben somit häufig unerkannt. Mosaike entstehen
meistens durch einen sekundären somatischen Verlust eines Chromosoms 21 bei
ursprünglich trisomer Zygote [36].
Der
Karyotyp
46,XY/47,XY+21.
der
Mosaik-Trisomie
21
lautet
46,XX/47,XX+21
bzw.
8
3.2.3. Phänotyp
Die phänotypischen Ausprägungen stellen sich durch ein charakteristisches
Dysmorphiemuster mit fakultativ kongenitalen Fehlbildungen dar. Bei einer
normalen oder leicht verkürzten Schwangerschaftsdauer ist das Geburtsgewicht im
Allgemeinen reduziert. Kinder mit Trisomie 21 haben ein Wachstumsdefizit. Der
Phänotyp bei Trisomie 21 ist in seiner Ausprägung sehr variabel.
Typische Dysmorphien sind:

nach lateral ansteigende Lidachsen

Epicanthusfalten

kurze Nase mit eingesunkener Nasenwurzel

große, dunkelrote Zunge

Brachycephalie

kleine Ohren mit gefalteter Helix

Brushfield-Irisflecken

kurzer breiter Hals und breiter Thorax

kurze breite Hände und Finger

Vierfingerfurchen, Sandalenfurche

Klinodaktylie
Fakultative kongenitale Fehlbildungen:

Herzfehler

Hypothyreose

Aganglionäres Megakolon

Duodenalstenose/-atresie

Ösophagus- und Analatresie

Fehlbildungen der oberen Zervikalwirbel, einhergehend mit
atlantookzipitaler Instabiliät [28] [33] [40]
9
3.2.4. Verlauf
Pränatal ist das Wachstum von Kindern mit Trisomie 21 herabgesetzt. Dieser
Rückstand im Wachstum setzt sich postnatal fort [33]. Während der ersten
Lebensjahre besteht eine erhöhte Infektanfälligkeit [47]. Vor der Entwicklung von
Antibiotika verstarben mehr als 90% der Kinder mit Trisomie 21 vor dem Erreichen
des 10. Lebensjahres an Infektionskrankheiten [33]. Mittlerweile beträgt die
Mortalität lebend geborener Personen mit Trisomie 21 bis zum 10. Lebensjahr etwa
15%. Vordergründig sind dabei Folgen eines angeborenen Herzfehlers oder einer
frühkindlichen Leukämie. Die mittlere Lebenserwartung betrug in den 1940er Jahren
12 Jahre [50]. In den Jahren von 1983 bis 1997 ist die mittlere Lebenserwartung von
25 auf 49 Jahre gestiegen [28]. Heutzutage übersteigt die mittlere Lebenserwartung
das 60. Lebensjahr [50]. Verschiedene Epilepsieformen kommen gehäuft vor. Ein
unterdurchschnittliches Intelligenzprofil ist typisch [26] [32] [33]. Alle Patienten mit
Trisomie 21 entwickeln neuropathologische Veränderungen, die Alzheimer gleichen
und mit dem klinischen Bild einer Demenz einhergehen können [26]. Die Pubertät
tritt bei beiden Geschlechtern spontan ein. Frauen können fertil sein und mit einer
Wahrscheinlichkeit von unter 50% das zusätzliche Chromosom an ihre Kinder
vererben. Männer mit Trisomie 21 sind extrem selten zeugungsfähig [33].
3.2.5. Intelligenz- und Sozialquotient
Der Sozialquotient ist höher als der Intelligenzquotient. Besonders höhere
intellektuelle Funktionen und mathematische Fähigkeiten sind herabgesetzt. Die
Sensibilität und Fähigkeit, bekannte Personen zu imitieren, gilt als bemerkenswert.
Die Lebensumgebung spielt eine entscheidende Rolle im Aufwachsen. Kinder, die
unter ungünstigen Umständen aufwachsen, leiden nicht selten unter Autismus und
Neurosen. Mit fortschreitendem Alter sinkt der Intelligenzquotient. Er beträgt im
jungen Erwachsenenalter zwischen 40 und 60 [33].
10
3.3. Kongenitale Herzfehler bei Trisomie 21
Etwa 40-60% aller Kinder mit Trisomie 21 haben einen angeborenen Herzfehler.
Dabei sind der (partielle oder vollständige) AV-Kanal (atrioventrikulärer
Septumdefekt)
mit
ungefähr
40%
(60%
[28])
und
der
VSD
(Ventrikelseptumdefekt/Kammerseptumdefekt) mit circa 31% die häufigsten
kardiovaskulären Malformationen [21] [29]. Weitere häufige angeborene Herzfehler
sind der ASD (atrialer Septumdefekt/Vorhofseptumdefekt) in 9% der Fälle und eine
Fallot-Tetralogie in 6% der Fälle [29].
3.3.1. Atrioventrikulärer Septumdefekt (AV-Kanal)
Der atrioventrikulare Septumdefekt (AVSD/AV-Kanal) ist eine Kombination aus
einem Vorhof- und einem Kammerseptumdefekt mit Fehlbildung der AV-Klappe.
Als Synonym wird auch der Begriff „Endokardkissendefekt“ verwendet, in
Anlehnung an die Bezeichnung dieses septalen Teils des Herzens. Der Teil oberhalb
der Ebene der Herzklappen wird als Septum primum bezeichnet, die Region
unterhalb der Klappenebene als atrioventrikuläres Septum. Der Defekt resultiert aus
einer embryonalen Entwicklungsstörung der Region des AV-Kanals, welche zu einer
fehlerhaften Ausbildung des Trigonum fibrosum dextrum (Crux cordis/Herzskelett)
führt. Diese bindegewebige Struktur trennt Kammer- von Vorhofmuskulatur und
umgibt beide AV-Klappen als auch die Aortenklappe. Die letztendliche Bildung des
Septums der Vorhöfe und der Ventrikel bleibt aus, wie auch die Unterteilung der
gemeinsamen AV-Klappe.
Anatomisch kann man unterscheiden, ob ein wirksames Ventrikelseptum vorhanden
ist oder nicht. Entscheidend dafür ist die Lage der Ebene der Verbindung zwischen
links und rechts, ob sie in Höhe der Ventrikel liegt oder in Höhe der Vorhöfe.
Die Klassifikation nach Rastelli ist die klinisch gebräuchlichste Einteilung. Es
werden drei Typen unterschieden (siehe Abbildung 1). Ausschlaggebend sind die
Form des anterioren Segels und der Ort der Sehnenfädenanheftung. Bei den Typen A
und B ist das gemeinsame anteriore Segel in zwei Hälften unterteilt. Beim Typ A
werden beide Anteile des anterioren Segels durch Sehnenfäden am Rand des
11
muskulären Ventrikelseptums gehalten. Bei Typ B werden beide Anteile von
Sehnenfäden fixiert, die zu einem anomalen Papillarmuskel im rechten Ventrikel
ziehen. Typ C ist gekennzeichnet durch ein gemeinsames nicht geteiltes anteriores
Segel, welches nicht am Ventrikelseptum befestigt ist.
Ferner trennt man die Kategorien kompletter AV-Kanal und inkompletter/partieller
AV-Kanal. Ein kompletter AV-Kanal (cAVSD) ist ein großer zentraler Defekt. Der
untere Anteil der Vorhofscheidenwand und auch der obere Anteil der
Kammerscheidewand sind betroffen. Durch diese Kombination stehen alle vier
Herzhöhlen miteinander in Verbindung.
Von einem inkompletten oder partiellen AV-Kanal (pAVSD) spricht man, wenn ein
Loch in der Herzwand zwischen beiden Vorhöfen besteht und zusätzlich eine AVKlappeninsuffizienz vorliegt. Meist betrifft diese Insuffizienz die Mitralklappe [45].
Der partielle AV-Kanal wird auch Ostium-Primum-Defekt oder
(Atriumseptumdefekt I) genannt [6] [31] [44].
ASD
I
12
inkompletter/
partieller AV-Kanal
(pAVSD)
kompletter AV-Kanal
(cAVSD)
Typ A nach Rastelli
kompletter AV-Kanal
(cAVSD)
Typ B nach Rastelli
kompletter AV-Kanal
(cAVSD)
Typ C nach Rastelli
SBL: superiores (anteriores) „bridging leaflet“ (überbrückender Klappensegelanteil);
IBL: inferiores (posteriores) „bridging leaflet“
Abbildung 1: Einteilung des atrioventrikulären Septumdefekts [6]
13
3.3.1.1. Stellenwert einer operativen Therapie
Insbesondere auf das Überleben der ersten zehn Lebensjahre eines Kindes mit
Trisomie 21 hat das Vorhandensein eines angeborenen Herzfehlers großen Einfluss.
Häufigste Todesursache bei Trisomie 21 sind Erkrankungen der Luft- und Atemwege
(23-41%),
gefolgt
von
kongenitalen
Herzerkrankungen
(30-35%),
Infektionskrankheiten (2-15%) und neoplastischen Erkrankungen (2-9%) [29].
Angeborene Herzerkrankungen stellen dabei die einzig praktisch korrigierbare
Erkrankung dar. Hämodynamisch relevante Shunts werden generell aggressiv
behandelt und im Kindesalter operativ behoben [28]. Beim cAVSD ist eine
Operation in den ersten Lebensmonaten angebracht (3.-6. Lebensmonat [6]), bei
Patienten mit pAVSD zwei bis vier Jahre vor Erreichen des Schulalters. Es hat sich
gezeigt, dass Patienten mit Trisomie 21 mit angeborener Herzerkrankung im Alter
von 24 Jahren eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 74,6% haben (Vergleich: ohne
angeborene Herzerkrankung 92,2%). Das Überleben derjenigen, die am Herzfehler
operiert wurden ist 87,8% und für diejenigen, die trotz hämodynamisch signifikanter
kardiovaskulärer Läsion nicht operiert wurden 41,1% [24].
Die Operation wird mit Hilfe der Herz-Lungen-Maschine durchgeführt, in der Regel
unter tiefer Hypothermie und Kreislaufstillstand. Die Korrektur besteht aus der
Rekonstruktion der AV-Klappe und dem Verschluss des Septumdefektes mit Hilfe
eines oder zweier Patches [25] [31]. Gelegentlich wird bei Säuglingen ein so
genanntes pulmonary banding (Verengung der Lungenarterie) vor der Korrektur des
AVSD durchgeführt. Dieser Schritt ist eine Maßnahme um es dem Säugling bis zu
einer größeren Operation zu ermöglichen, etwas heranzuwachsen und die Lungen vor
einer Schädigung zu schützen [48].
14
3.4. Hämodynamik des AVSD
Während Patienten mit cAVSD typischerweise bereits im ersten Lebensjahr klinisch
symptomatisch werden und pulmonale Gefäßerkrankungen entwickeln ist beim
Vorhandensein eines pAVSD besonders der Grad der AV-Klappeninsuffizienz
entscheidend für das Ausmaß der Symptome. 10-15% dieser Patienten leiden unter
einer erheblichen AV-Klappeninsuffizienz [31].
Der AVSD ist gekennzeichnet durch einen wechselnden, meist gekreuzten Shunt,
sowohl auf Vorhof- (pAVSD und cAVSD) als auch auf Ventrikelebene (cAVSD).
Die Richtung und das Ausmaß des Shunts werden durch den Widerstand im
Pulmonal- und im Systemkreislauf bestimmt. Der komplette atrioventrikuläre Shunt
(cAVSD) entspricht der Hämodynamik eines großen ventrikulären Shunts (VSD),
der
partielle
atrioventrikuläre
Shunt
(pAVSD)
der
Hämodynamik
eines
Vorhofseptumdefekts (ASD). Allerdings besteht dabei zusätzlich häufig eine
relevante Insuffizienz der linken AV-Klappe, was zu einer Volumenbelastung im
linken Ventrikel führt, schließlich zu einer Herzinsuffizienz führen kann. Die
klinische Symptomatik richtet sich nach der Größe des Defektes und der davon
abhängigen Druck- und Volumenbelastung.
Durch den höheren Druck in den linken Herzkammern (=Körperkreislauf) gegenüber
den
der
rechten
Herzkammern
(=Lungenkreislauf),
gelangt
überwiegend
sauerstoffreiches Blut über den Shunt in die rechte Herzkammer. Daraus resultiert
ein Druckanstieg im rechten Ventrikel. Das Mischblut wird nun wieder in die
Lungengefäße gepumpt, zusätzlich mit dem Druck der linken Herzkammer. Im Laufe
der Zeit gleichen sich die Druckverhältnisse der rechten Herzkammer und der
Lungengefäße denen der linken Herzkammer an. Man spricht von einem fixierten
Lungenhochdruck (pulmonale Hypertonie (PAH)). Die Hämodynamik ändert sich
mit dem Alter des Säuglings. Während der Lungengefäßwiderstand bei einem
Neugeborenen sehr hoch ist (geringer Links-Rechts-Shunt), fällt der er bei einem
jungen Säugling (Alter 3-4 Wochen) ab (kontinuierlich zunehmender Links-RechtsShunt) und steigt wieder bei älteren Säuglingen an (abnehmender Links-RechtsShunt). Die Rezirkulation des Blutes in den linken Ventrikel als auch die AVKlappeninsuffizienz führen zu einer Volumenbelastung des linken Herzens und
somit zu einer nachfolgenden Herzinsuffizienz. Klinisch zeigt sich der vermehrte
15
Blutfluss durch die Lunge durch Tachy- und Dyspnoe, vermehrter Infektanfälligkeit,
Trinkschwäche und Gedeihstörung als Ausdruck der Herzinsuffizienz. Diese
Symptomatik bessert sich gegen Ende des ersten Lebensjahres wieder aufgrund des
wieder steigenden Lungengefäßwiderstandes [18] [19] [44] [46].
3.4.1. Eisenmenger-Reaktion
Durch die im Verlauf aufgetretene Erhöhung des Widerstandes im Lungenkreislauf
besteht die Gefahr einer Eisenmenger-Reaktion. Dazu kann es kommen, wenn sich
der primäre Links-Rechts-Shunt durch den Anstieg des Lungengefäßwiderstandes in
einen Rechts-Links-Shunt umgewandelt hat. Endotheliale und subendotheliale
Läsionen durch hohe Scherkräfte führen zu Veränderungen im Gefäßbett der
Lungen. Ursache dafür ist die pulmonale Hypertonie mit deutlich erhöhtem
pulmonalem Blutfluss. Klinisch zeigen sich eine Zyanose sowie Dyspnoe. Die
betroffenen Patienten entwickeln eine verminderte Belastbarkeit [46].
3.5. medikamentöse Therapie mit Endothelin-Rezeptor-Antagonisten
Zur symptomatischen Behandlung der pulmonalen Hypertonie gehört eine
langfristige Gabe von Sauerstoff. Im Rahmen einer medikamentösen Therapie steht
der Versuch der medikamentösen Senkung des Druckes im Vordergrund. Dafür
stehen
Endothelin-Rezeptor-Antagonisten
Peptidhormone,
welche
eine
zur
Verfügung.
Vasokonstriktion,
eine
Endotheline
Proliferation
sind
glatter
Muskelzellen und eine Gefäßhypertrophie induzieren sowie eine chronische
Entzündungsreaktion vermitteln, die den bindegewebigen Umbau der Lungengefäße
fördert. Dies spielt in der Kaskade der Entstehung der PAH eine ausschlaggebende
Rolle. Bosentan ist ein nicht-selektiver kompetitiver Antagonist an beiden
Endothelin-Rezeptorsubtypen.
Dadurch
werden
die
Pathomechanismen
abgeschwächt, die zur Entwicklung einer pulmonalen arteriellen Hypertonie und
damit verbunden, zur Eisenmenger-Reaktion, führen können [3] [14] [41].
16
4. Zielsetzung
Anliegen dieser Arbeit ist es, die körperliche Belastbarkeit, die subjektive
Lebensqualität und Lebensumstände von Trisomie 21-Patienten mit angeborenem
Herzfehler zu erfassen und deskriptiv darzustellen. Ziel ist es, signifikante
Unterschiede zwischen den Gruppen am Herzfehler operierter und am Herzfehler
nicht operierter Patienten herauszuarbeiten und nachzuweisen ob eine operative
Therapie einen positiven Effekt auf die Lebensqualität, insbesondere die körperliche
Belastbarkeit, hat. Zusätzlich soll untersucht werden, inwiefern eine medikamentöse
Therapie bei den nicht operierten Patienten verbunden mit Eisenmenger-Reaktion
(nachführend nur als Gruppe nicht operierter Patienten bezeichnet) messbare
Resultate zeigt.
17
5. Material und Methoden
5.1. Patientenkollektiv und Auswahlkriterien
Grundlage bildeten die archivierten Protokollbücher der Herzkatheteruntersuchungen
der
kinderkardiologischen
Abteilung
der
Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen/Nürnberg. Daraus wurden aus den Geburtsjahrgängen von 1973 bis 1990
Patienten mit der Diagnose Trisomie 21 und zusätzlichem partiellen oder kompletten
atrioventrikulären Septumdefekt herausgefiltert und in eine operativ korrigierte und
eine operativ nicht korrigierte Gruppe aufgeteilt.
Insgesamt konnten 127 Patienten ausgewählt werden. 118 Patienten haben laut
Aktenlage einen cAVSD, 9 einen pAVSD. Von den 127 Patienten wurden 75,6%
(n=96) an ihrem kongenitalen Herzfehler operiert, 24,4% (n=31) wurden nicht
operiert. Alle Patienten ohne Operation entwickelten im Verlauf eine EisenmengerReaktion. 21 Patienten sind im Verlauf verstorben (16,4%), davon waren 14 am AVKanal operativ korrigiert und 7 nicht operativ korrigiert.
Bei 50 mit Herzkatheter untersuchten Patienten mit den oben genannten
Auswahlkriterien existierten je nach Aktenlage entweder keine oder unzureichende
Informationen zu Wohnort oder Telefonnummer und konnten trotz intensiver
Recherche
nicht
ausfindig
gemacht
werden.
Mit letztendlich 56 Patienten beziehungsweise deren engsten Bezugspersonen konnte
ein Telefoninterview durchgeführt und Fragebögen zugeschickt werden.
Im Telefoninterview wurden die Betreuungspersonen der Patienten über die Studie,
deren Ziel und die Anonymisierung der Patientendaten aufgeklärt. Anschließend
wurden Fragebögen per Post zugeschickt, welche sofern möglich, eigenhändig durch
die Patienten, deren Betreuungspersonen oder gemeinsam in einem weiteren
Telefonat ausgefüllt und zurückgesandt wurden.
18
127 Patienten
cAVSD: 87
cAVSD: 31
operiert:
96
nicht operiert:
31
pAVSD: 9
† 14
†7
fehlende Angaben zu
Anschrift/Telefonnummer:
34
fehlende Angaben zu
Anschrift/Telefonnummer:
16
nach Telefoninterview nicht
zurückgeschickt:
10
nach Telefoninterview nicht
zurückgeschickt:
0
Gruppe 1:
38 operierte
Gruppe 2:
8 nicht operierte
Patienten mit
ausgefüllten
Fragebögen
Patienten mit
ausgefüllten
Fragebögen
Abbildung 2: Flowchart des Patientenkollektivs
19
5.2. Datenerhebung
Die Patientendaten wurden mit Zustimmung der Patienten beziehungsweise deren
Erziehungsberechtigten erhoben.
Für die Erhebung der Daten wurden vier Fragebögen verwendet:

Selbst entwickelter Fragebogen mit offenen Fragen

Fragebogen zum Allgemeinen Gesundheitszustand (SF-36)

Fertigkeitenskala nach Münster/Heidelberg (FMH)

Täglicher Fragebogen zum aktuellen Gesundheitsbefinden vor und
während Bosentan-Therapie
Die Datenerhebung basiert auf 46 zurückgesendeten, meist durch die Eltern der
Patienten
mit
Trisomie
21
ausgefüllten
Fragebögen.
Dies entspricht einer Rücklaufquote von 82,1%.
Damit ergeben sich insgesamt eine Gruppe mit 38 operativ korrigierten Patienten und
eine Gruppe mit 8 nicht operativ korrigierten Patienten.
Anzahl
operativ korrigierte
Patienten
nicht operativ
korrigierte Patienten
gesamt
38 (82,6%)
8 (17,4%)
46 (100%)
Tabelle 1: in die Studie eingeschlossene Patienten
5.3. Selbst entwickelter Fragebogen mit offenen Fragen
In einem Fragebogen mit 15 selbst entwickelten offenen Fragen wurde speziell nach
der aktuellen Lebenssituation und dem sozialen Umfeld der Patienten gefragt. Im
Mittelpunkt
dabei
stehen
insbesondere
die
Frage
nach
der
aktuellen
Betreuungssituation, Hobbies - verarbeitet als Unterscheidung zwischen aktiv und
passiv, täglicher Gehstrecke, aber auch nach der nächsten Bezugsperson oder die
Frage nach einem eventuellen Lebenspartner.
20
5.4. Fertigkeitenskala nach Münster/Heidelberg (FMH)
Die Fertigkeitenskala Münster/Heidelberg (FMH) wertet als Ausdruck für
Lebensqualität die Selbständigkeit im täglichen Leben. Sie stellt anhand von 56
Items dar, wie stark eine Behinderung oder eine Erkrankung die Verrichtungen des
täglichen Lebens beeinflusst. Die Items sind gegliedert in die Kategorien
„Fortbewegung“, „Essen/Trinken“, „Körperpflege“, „Allgemeine Unabhängigkeit“
und „Verständigung“ zur Erfassung von motorischen und sprachlich-intellektuellen
Fertigkeiten. „Beispiele sind: „Kann ohne Hilfsmittel gehen“ -ja/nein- und:
„Verdient selbständig Geld“ -ja/nein-. Der durchschnittliche Zeitaufwand für das
erstmalige komplette Ausfüllen der Fertigkeitenskala liegt bei 4,5 Minuten [16]. Alle
Fragen mit der Antwort „ja“ werden addiert. Das Ergebnis entspricht der erreichten
Punktzahl.
Mit Hilfe von 971 Probanden (45,5% weiblich) zwischen 0 und 102 Jahren wurden
altersabhängige Prozentränge errechnet. Anhand dieser Prozentränge lassen sich
motorische
und
sprachlich-intellektuelle
Fertigkeiten
übergreifend
objektiv
zusammenfassen. Nach Beenden des Tests folgt die Umrechnung der erreichten
Punktzahl in die Prozentränge.
Die Reliabilität wurde an 48 Probanden im Alter von 1-91 Jahren (Mittelwert 20,2
Jahre) durch wiederholtes Testen im Abstand von 10 Tagen gemessen und ergab
einen Retest-Reliabilitätskoeffizienten von 0,99. Deren Validität
wurde
an 10
pädiatrischen Hirntumorpatienten unterschiedlicher Behinderung überprüft. Eine
positive Korrelation (r= 0,7) besteht zum Intelligenzquotienten, noch besser stimmt
die FMH aber mit einer halbquantitativen Globaleinschätzung durch den
behandelnden Arzt (p<0,001) überein [52].
21
5.5. Fragebogen zum allgemeinen Gesundheitszustand SF-36
Der SF-36 Health Survey ist ein Fragebogen, welcher 36 Items umfasst. Aus diesen
standardisierten Items werden acht Skalen gebildet. Diese bestehen jeweils aus zwei
bis zehn Fragen (siehe Tabelle 2). Die Antwortkategorien umfassen binäre „ja-nein“Antworten bis hin zu sechsstufigen Antwortskalen. Die Werte der Subskalen reichen
von 0 (schlechteste Lebensqualität) bis zu 100 (beste Lebensqualität). Die acht
Themenbereiche der subjektiven Gesundheit repräsentieren erst zusammen ein Profil
von Lebensqualität [9]:

körperliche Funktionsfähigkeit

körperliche Rollenfunktion

körperliche Schmerzen

allgemeine Gesundheitswahrnehmung

Vitalität

soziale Funktionsfähigkeit

emotionale Rollenfunktion

psychisches Wohlbefinden
Es ist außerdem möglich zusätzlich zwei übergeordnete Dimensionen zu bilden.
Durch Gewichtung der Subskalen erhält man eine körperliche und eine psychische
Summenskala [10]. Im Rahmen dieser Studie kam die Standardversion des SF-36 zur
Anwendung. Diese bezieht sich mit ihren Fragen auf die vergangen vier Wochen.
22
Konzepte
Itemanzahl
Anzahl der
Stufen
Inhalt
Körperliche
Funktionsfähigkeit
10
21
Ausmaß, in dem der Gesundheitszustand
körperliche Aktivitäten wie Selbstversorgung,
Gehen, Treppensteigen, Bücken, Heben und
mittelschwere oder anstrengende Tätigkeiten
beeinträchtigt
Körperliche
Rollenfunktion
4
5
Ausmaß, in dem der körperliche
Gesundheitszustand die Arbeit oder andere
tägliche Aktivitäten beeinträchtigt, z.B. weniger
schaffen als gewöhnlich, Einschränkungen in der
Art der Aktivitäten oder Schwierigkeiten
bestimmte Aktivitäten auszuführen
Körperliche
Schmerzen
2
11
Ausmaß an Schmerzen und Einfluss der
Schmerzen auf die normale Arbeit, sowohl im
als auch außerhalb des Hauses
Allgemeine
Gesundheit
5
21
Persönliche Beurteilung der Gesundheit,
einschließlich aktuellem Gesundheitszustand,
zukünftigen Erwartungen und
Widerstandsfähigkeit gegenüber Erkrankungen
Vitalität
4
21
Sich energiegeladen und voller Schwung fühlen
versus müde und erschöpft
Soziale
Funktionsfähigkeit
2
9
Ausmaß, in dem die körperliche Gesundheit oder
emotionale Probleme normale soziale
Aktivitäten beeinträchtigen
Emotionale
Rollenfunktion
3
4
Ausmaß, in dem emotionale Probleme die Arbeit
oder andere tägliche Aktivitäten beeinträchtigen;
u.a. weniger Zeit aufbringen, weniger schaffen
und nicht so sorgfältig wie üblich arbeiten
Psychisches
Wohlbefinden
5
26
Allgemeine psychische Gesundheit,
einschließlich Depressionen, Angst, emotionale
und verhaltensbezogene Kontrolle, allgemeine
positive Gestimmtheit
Gesundheitsänderung
1
5
Beurteilung des aktuellen Gesundheitszustandes
im Vergleich zum vergangenen Jahr
Tabelle 2: Die acht Dimensionen der subjektiven Gesundheit, ihre Itemanzahl sowie
die Anzahl der Stufen in der Auswertung [9]
23
Die Auswertung des SF-36 erfolgt über Addition der jeweiligen Itembeantwortungen
pro Skala. Für einige Skalen müssen spezielle Gewichtungen vorgenommen werden.
Wenn in einer Skala weniger als 50% der Items fehlen, ist diese anhand einer
Mittelwertersetzung noch auswertbar. Für die Auswertung des SF-36 Health Survey
existiert
ein
computerisiertes
Auswertungsprogramm,
das
sowohl
die
Zusammenfassung der Skalen als auch deren Addition bzw. Gewichtung ausführt.
Alle Skalen des SF-36 werden dann in Werte zwischen 0 und 100 transformiert,
wodurch zum einen ein Vergleich der Skalen untereinander zum anderen
Bewertungen zwischen verschiedenen Patientengruppen möglich wird.
Wird ein hoher Wert erhalten so entspricht dies einem besseren Gesundheitszustand.
Entsprechend der Beantwortung des Fragebogens erfolgt die Auswertung in drei
Schritten [9]:
1.
Umkodierung und Re-Kalibrierung der Items: Die Itemwerte (Subskalen), die
zur Berechnung der Skalenwerte dienen, werden abgeleitet.
2.
Berechnung der Skalenwerte durch Addition der Itemwerte einer Skala: Für
jede Skala wird ein Rohwert berechnet. Er wird durch die einfach algebraische
Summe der Antworten auf alle Items dieser Skala gebildet (siehe Tabelle 3).
3.
Transformation der Skalenwerte: Es erfolgt die Umrechnung jedes
Skalenwertes in eine Skala von 0 bis 100 durch die Anwendung folgender Formel:
Transformierte Skala = (tatsächlic her Rohwert  niedrigst möglicher Rohwert ) x 100
mögliche Spannweite der Rohwerte
24
Skala
Summe der endgültigen
Itemwerte (Fragenantwort)
Niedrigster
und höchst
möglicher
Rohwert
Mögliche
Spannweite des
Roh-wertes
Körperliche
Funktionsfähigkeit
3a+3b+3c+3d+3e+3f+3g+3h+3i+3j
10, 30
20
Körperliche
Rollenfunktion
4a+4b+4c+4d
4, 80
4
Körperliche
Schmerzen
7+8
2, 12
10
Allgemeine
Gesundheit
1+11a+11b+11c+11d
5, 25
20
Vitalität
9a+9e+9g+9i
4, 24
20
Soziale
Funktionsfähigkeit
6+10
2, 10
8
Emotionale
Rollenfunktion
5a+5b+5c
3, 60
3
Psychisches
Wohlbefinden
9b+9c+9d+9f+9h
5, 30
25
Tabelle 3: Formeln für die Berechnung und Transformation von Skalenwerten [9]
25
5.6. Anwendungsbeobachtung mit Bosentan (Tracleer®)
Im Rahmen einer Anwendungsbeobachtung mit dem Endothelin-RezeptorAntagonisten Bosentan haben sieben nicht am angeborenen AVSD operierte
Patienten mit Eisenmenger-Reaktion täglich über mehrere Wochen einen Fragebogen
mit 11 Fragen zum aktuellen Gesundheitsbefinden ausgefüllt. Dieser steht pro Frage
immer im Vergleich zum jeweiligen Vortag durch die Beantwortung mit
„besser/mehr als sonst“, „normal“ beziehungsweise „schlechter/weniger als sonst“.
Inhaltlich werden unter Anderem körperliche Belastbarkeit, Konzentration,
Ermüdbarkeit oder auch die Frage nach adäquatem Luft holen gestellt. Des Weiteren
wird nach der Farbe der Lippen gefragt und mit „rosiger als sonst“, „normal“ oder
„blauer als sonst“ beantwortet.
Die Anwendungsbeobachtung ist aufgebaut aus einer unterschiedlich langen
Vorlaufphase ohne Medikation und einer mehrwöchigen Phase unter Gabe von
Bosentan 2x 62,5mg, teils einer Steigerung auf 2x 125mg.
Zusätzlich zu dem täglich ausgefüllten Fragebogen wurden in einer Eingangsvisite
vor Beginn der Bosentan-Therapie und in einer Abschlussvisite am Ende der
medikamentösen Therapie jeweils ein SF-36 Fragebogen ausgefüllt sowie
verschiedene
klinische
Parameter
wie
Sauerstoffsättigung gemessen und dokumentiert.
Herzfrequenz,
Blutdruck
und
26
5.7. Statistik
Es wurden Häufigkeiten, Mittelwerte, Minimal- und Maximalwerte sowie
Standardabweichungen zur Darstellung der Ergebnisse in Form einer deskriptiven
Statistik vorgenommen. Zur Prüfung der Korrelation wurde der SpearmanKorrelationskoeffizient berechnet, zur Überprüfung der Signifikanz folgte die
Anwendung des T-Tests für unverbundene Stichproben. Zuvor wurde mittels
Levene-Test auf Varianzgleichheit geprüft. Des Weiteren wurde der Chi-QuadratTest verwendet. Vor Anwendung der Tests wurden die Daten auf das Vorliegen der
jeweiligen Voraussetzungen geprüft.
Für alle Bewertungen von Assoziationen wurde das Signifikanzniveau auf 5%
festgelegt, was einem p-Wert von <0,05 entspricht.
Die Sammlung der Daten dieser Studie zur Erfassung der Lebensqualität wurde mit
Hilfe des Statistik-Computerprogramms SPSS 18.0.0 erstellt. Die Berechnung mit
dem
Chi-Quadrat-Test
consult.de/forms/cht3x2.html).
erfolgte
online
(http://www.daten-
27
6. Ergebnisse
In die vorliegende Studie konnten 46 Patienten mit Trisomie 21 und kongenitalem
Herzfehler eingeschlossen und in die Gruppe 1 = „operativ korrigierte Patienten“ und
Gruppe 2 = „nicht operativ korrigierte Patienten“ eingeteilt werden.
Das Durchschnittsalter des gesamten Kollektivs beträgt bei Datenerhebung 25,08
Jahre (20-37 Jahre), davon die Gruppe operativ korrigierter Patienten mit 23,95
Jahren (20-34 Jahre) und die Gruppe nicht operativ korrigierter Patienten mit 30,63
Jahren (25-37 Jahre).
Gruppe 1:
Gruppe 2:
operativ korrigierte
Patienten
nicht operativ
korrigierte Patienten
Anzahl
38 (82,6%)
8 (17,4%)
46 (100%)
Durchschnittsalter
(in Jahren)
23,95
30,63
25,08
Anzahl männlichen
Geschlechts
21
5
26
Anzahl weiblichen
Geschlechts
17
3
20
Tabelle 4: in die Studie eingeschlossenen Patienten (2)
Gesamtkollektiv
28
Abbildung 3: mittleres Alter der Patienten in beiden Gruppen
56,5% aller befragten Patienten sind Männer (n=26) und 43,5% Frauen (n=20).
Abbildung 4: Unterteilung nach Geschlecht und Operation
29
6.1. Selbst entwickelter Fragebogen mit offenen Fragen
Grundlage für diese Auswertung bilden 40 vollständig ausgefüllte Fragebögen.
Aufgrund studientechnischer Gründe waren im Verlauf lediglich zwei Patienten der
Gruppe nicht operativ korrigierte Patienten für die Erfassung dieses Fragebogens
verfügbar. Es ergibt sich die Trennung in Gruppe 1 (operativ korrigiert, n=38) und in
Gruppe 2 (nicht operativ korrigiert, n=2).
Im Folgenden lässt sich dadurch nur eine deskriptive Analyse der Lebenssituation
der Gruppe der operativ korrigierten Patienten und der Gruppe der nicht operativ
korrigierten Patienten darstellen.
Betrachtet man in der Gesamtheit der erhobenen Parameter beide Gruppen, so lassen
sich nur geringe Unterschiede feststellen.
Die Betreuungssituation zeigt sich in beiden Gruppen ähnlich. Der größte Teil der
Patienten lebt zu Hause. Einige werden in einem Pflegeheim betreut. 94,7% von
Gruppe 1 leben zu Hause (n=36), 5,3% werden in einem Pflegeheim betreut (n=2).
Beide Patienten aus Gruppe zwei werden zu Hause versorgt.
Die vorwiegende Beschäftigung besteht aus einer täglichen Arbeit in einer
Werkstatt/Förderstätte (Gruppe 1=65,8% (n=25), beide Patienten der Gruppe 2).
26,3% von Gruppe 1 besuchen täglich eine Schule/Berufsschule (n=10). 5,2% (n=2)
von Gruppe 1 haben eine abgeschlossene anerkannte Berufsausbildung. 2,6% aus
Gruppe 1 (n=1) werden fortwährend daheim betreut.
30
Gruppe 1:
operativ korrigierte Patienten (%)
zu Hause
94,7
Pflegeheim
5,3
tägliche
Werkstatt/
65,8
Beschäftigung
Förderstätte
Wohnsituation
Schule/
26,3
Berufsschule
abgeschlossene
5,2
Berufsausbildung
fortwährend
2,6
daheim
betreut
Tabelle 5: Betreuungssituation
36,8% (n=14) der operativ korrigierten Patienten pflegen Freundschaften, 28,9%
(n=11) haben keine Freunde, 11,1% (n=4) leben in einer festen Partnerschaft.
Vergleichsweise alle beiden Patienten der Gruppe 2 gaben an, Freunde zu haben.
Im Rahmen der Evaluation und Beurteilung von Hobbies wurde bei möglichen
Mehrfachantworten in aktive und passive Hobbies differenziert. 81,6% der operativ
korrigierten Patienten (n=31) betreiben aktive Hobbies, am häufigsten in der
Nennung absteigend für operativ korrigierte Patienten Schwimmen (n=7), Fahrrad
fahren (n=6), Malen (n=6), Tanzen (n=5), Kegeln (n=5) und Gymnastik (n=5). Bei
den nicht operativ korrigierten Patienten zeigen sich vor allem Fußball (n=2) als auch
Basketball (n=1) am häufigsten. Im Bereich der passiven Aktivitäten (operativ
korrigierte Patienten 65,8% (n=25)) wurde für beide Gruppen das Hören von Musik
am häufigsten, gefolgt von Fernsehen/DVD schauen. Die Häufigkeiten der
Ergebnisse wurden in Abbildung 4 und 5 graphisch dargestellt.
Als interessenlos ohne Ausübung von Hobbies fanden sich 7,9% (n=3) in der Gruppe
operativ korrigierter Patienten.
31
Abbildung 5: Häufigkeiten der aktiven Hobbies
Abbildung 6: Häufigkeiten der passiven Hobbies
32
In der Nennung der engsten Bezugspersonen sind es vor allem die Eltern, welche am
häufigsten genannt wurden. Auch hier war eine Mehrfachangabe möglich. Als
Bezugspersonen wurden in Gruppe 1 absteigend in 92,1% der Fälle (n=35) die
eigene Mutter genannt, in 86,8% (n=32) der eigene Vater sowie in 34,2% (n=13)
Geschwister. Für Gruppe 2 zeigen sich vergleichbare Angaben. Alle nannten die
eigene Mutter sowie den Vater, ein Patient zusätzlich Geschwister. Ein Patient der
Gruppe 1 (2,6%) gab den Gruppenleiter als wichtigste Bezugsperson an.
6.2. Fertigkeitenskala nach Münster/Heidelberg (FMH)
Mit
der
Fertigkeitenskala
nach
Münster/Heidelberg
(FMH)
wurde
die
Selbständigkeit der Patienten im täglichen Leben erfasst. Es sollte geprüft werden
inwiefern eine Operation am kongenitalen Herzfehler die Selbsteinschätzung der
Lebensqualität beeinflusst.
Der erreichte Mittelwert der altersabhängigen Prozentwerte der Gruppe operativ
korrigierter Patienten liegt mit 7,95 4,45 Prozentpunkte über dem der Gruppe nicht
operativ
korrigierten
Patienten
(3,50).
Es zeigte sich eine statistisch signifikante Korrelation (p=0,004, Spearman
Korrelationskoeffizient=-0,412).
In der Einschätzung der Selbstständigkeit der Patienten individuell innerhalb der
Gruppen können zusätzlich deutliche Unterschiede beobachtet werden.
operativ korrigierte Patienten
nicht operativ korrigierte
Patienten
Minimum
2
2
Maximum
28
8
Tabelle 6: minimal und maximal erreichte Punktzahl
33
operativ korrigierte Patienten
nicht operativ korrigierte
Patienten
Mittelwert
7,95
3,50
Standardabweichung
5,81
2,07
Median
6,50
3,00
Tabelle 7: Mittelwert, Standardabweichung und Median der in altersabhängige
Prozentwerte umgerechneten Punktzahlen
Die gruppenabhängige Verteilung der altersabhängigen Prozente wurde in Abbildung
7 und 8 und dargestellt.
Abbildung 7: Verteilung der altersabhängigen Prozente im Vergleich Operation
ja/nein
34
Abbildung 8: gruppenabhängige Darstellung der erreichten Prozentzahlen
35
6.3. Fragebogen zum allgemeinen Gesundheitszustand SF-36
Aus der Auswertung der 46 vollständigen SF-36-Fragebögen ergaben sich für die
acht Themenbereiche der subjektiven Gesundheit im Vergleich der beiden Gruppen
folgende Skalenwerte (mit Standardabweichung):
Gruppe 1:
operativ korrigierte
Patienten
Gruppe 2:
nicht operativ
korrigierte Patienten
Mittelwert
Mittelwert
Standard
- abweichung
17,11
55,19
32,99
54,16
50,20
78,98
37,01
16,21
81,75
26,94
88,48
18,40
62,27
22,60
33,00
29,70
57,18
26,14
Vitalität
61,84
15,39
51,63
20,17
60,07
16,54
Soziale
Funktionsfähigkeit
87,83
20,85
84,38
12,94
87,23
19,63
Emotionale
Rollenfunktion
90,35
28,90
87,50
35,36
89,85
29,71
Psychisches
Wohlbefinden
80,50
15,16
70,38
15,82
78,74
15,58
Mittelwert
Standard
- abweichung
Körperliche
Funktionsfähigkeit
63,49
29,35
15,75
Körperliche
Rollenfunktion
84,21
32,06
Körperliche
Schmerzen
89,89
Allgemeine
Gesundheit
Tabelle 8: Skalenwerte mit Standardabweichung
Standard
- abweichung
Gesamtkollektiv
36
Diese Werte sind in Abbildung 9 graphisch dargestellt. Diese zeigt, dass die
Mittelwerte der Skalenergebnisse in allen Bereichen bei operativ korrigierten
Patienten höher waren als bei den nicht operativ korrigierten Patienten.
Abbildung 9: Ergebnisse der acht Skalen in Abhängigkeit der Gruppen
Es wurden für jede der abhängigen Variablen (acht SF-36 Skalen) nach Prüfung auf
Varianzgleichheit im Levene-Test ein T-Test für unverbundene Stichproben
durchgeführt (Tabelle 9). In Tabelle 9 sind der Ausprägungsgrad der Prüfgröße (T),
der Freiheitsgrad des Schätzwertes für die Varianz der Prüfgröße (df) und die
Signifikanz (p) aufgelistet. Signifikante Mittelwertunterschiede ergaben sich für die
Variablen
„Körperliche
Funktionsfähigkeit“
(p=0,000),
„Körperliche
Rollenfunktion“ (p=0,035) und „Allgemeine Gesundheit“ (p=0,028). Somit
unterscheidet sich für diese Variablen die Lebensqualität von operativ korrigierten
Patienten im Vergleich zu nicht operativ korrigierten Patienten statistisch signifikant.
37
Berechnung
der
Unterschiede
zwischen den
Gruppen
operativ
korrigiert –
nicht
operativ
korrigiert
für jede der
8 Skalen
Abhängige
Variable
T
df
p
Körperliche
Funktionsfähigkeit
4,420
44
0,000
Körperliche
Rollenfunktion
2,172
44
0,035
Körperliche
Schmerzen
1,142
44
0,260
Allgemeine
Gesundheit
2,632
8,786
0,028
Vitalität
1,352
8,798
0,210
Soziale
Funktionsfähigkeit
0,607
15,852
0,552
Emotionale
Rollenfunktion
0,213
9,074
0,836
Psychisches
Wohlbefinden
1,657
9,897
0,129
Tabelle 9: Auswertung der Effekte der abhängigen Variablen (SF-36 Skalen) auf die
unabhängigen Variablen (operativ korrigierte Patienten, nicht operativ korrigierte
Patienten)
38
6.4. Anwendungsbeobachtung mit Bosentan (Tracleer®)
Im Durchschnitt betrug die Vorlaufphase 6,8 Wochen (n=6) sowie die
Medikamentenphase 20,0 Wochen (n=7). Aufgegliedert in die Phasen mit
unterschiedlicher Dosierung von Bosentan ergibt sich durchschnittlich eine
Zeitspanne von 15,1 Wochen bei Gabe von 2x 62,5mg (n=7) und eine Spanne von
6,4 Wochen bei 2x 125mg (n=5). Ein Patient begann die Beobachtungsstudie direkt
mit Einnahme von 2x 62,5mg Bosentan ohne Vorlaufphase und ohne Steigerung der
Dosis auf 2x 125mg. Bei einem zweiten Patient wurde auch keine Steigerung auf 2x
125mg Bosentan durchgeführt. Alle Fragebögen sind in der Anzahl der gegebenen
Antworten der 11 Fragen ausgezählt und statistisch durch die Beantwortung mit
„besser/mehr/rosiger
als
sonst“,
„normal“
beziehungsweise
„schlechter/weniger/blauer als sonst“ gruppiert. Die Summe der Antworten aller
Patienten ist in Tabelle 10 aufgezeigt.
Frage
hat heute Luft
bekommen
(n=1026)
konnte sich heute
körperlich belasten
(n=1024)
konnte sich heute
Kleidung anziehen
(n=947)
vor der Gabe von
Bosentan (%)
während der Gabe
von Bosentan (%)
schlechter als sonst
2,5
3,2
normal
96,7
94,8
besser als sonst
0,8
2,0
schlechter als sonst
13,9
8,0
normal
77,3
86,8
besser als sonst
8,8
5,2
schlechter als sonst
8,6
4,8
normal
91,4
94,4
besser als sonst
0,0
0,8
Tabelle 10: prozentualer Anteil der gegebenen Antworten
39
war heute folgender
Stimmung
(n=1020)
war heute ermüdbar
(n=1021)
hatte heute
körperliche Kraft
(n=1019)
konnte sich heute
konzentrieren
(n=1015)
hat heute gegessen
(n=1019)
hat heute getrunken
(n=1020)
schlechter als sonst
6,8
10,2
normal
84,8
79,9
besser als sonst
8,4
9,9
mehr als sonst
15,5
16,2
normal
78,2
79,0
weniger als sonst
6,3
4,8
mehr als sonst
5,5
3,7
normal
84,0
88,4
weniger als sonst
12,5
7,9
mehr als sonst
3,0
3,6
normal
84,5
86,6
weniger als sonst
12,5
9,8
mehr als sonst
4,3
3,2
normal
87,6
93,0
weniger als sonst
8,1
3,8
mehr als sonst
5,4
5,5
normal
93,3
89,0
weniger als sonst
1,3
5,5
Fortsetzung von Tabelle 10 (1)
40
brauchte von gestern
auf heute Schlaf
(n=846)
die Hautfarbe/Lippen
waren heute
(n=948)
mehr als sonst
11,4
8,7
normal
84,4
89,4
weniger als sonst
4,2
1,9
blauer als sonst
9,4
8,4
normal
88,8
87,6
rosiger als sonst
1,8
4,0
Fortsetzung von Tabelle 10 (2)
Für alle Antworten wurden die beobachteten Häufigkeiten im Einzelnen zum
Zeitpunkt vor der Gabe von Bosentan zu während der Gabe von Bosentan mittels
Chi-Quadrat-Test in Form der oben aufgeführten Sechs-Felder-Tafeln auf
Signifikanz geprüft (Tabelle 11).
Frage
χ²
df
p
hat heute Luft
bekommen
(n=1026)
1,831
2
0,400
konnte sich heute
körperlich belasten
(n=1024)
12,528
2
0,002
konnte sich heute
Kleidung anziehen
(n=947)
6,304
2
0,043
war heute folgender
Stimmung
(n=1020)
3,225
2
0,199
war heute ermüdbar
(n=1021)
0,938
2
0,626
hatte heute
körperliche Kraft
(n=1019)
3,258
2
0,196
Tabelle 11: Signifikanzberechnung (Chi-Quadrat)
41
konnte sich heute
konzentrieren
(n=1015)
1,420
2
0,492
hat heute gegessen
(n=1019)
7,976
2
0,019
hat heute getrunken
(n=1020)
7,639
2
0,022
brauchte von gestern
auf heute Schlaf
(n=846)
4,497
2
0,106
die Hautfarbe/Lippen
waren heute
(n=948)
2,611
2
0,271
Fortsetzung von Tabelle 11
In den Fragen „konnte sich heute körperlich belasten“, „konnte sich heute Kleidung
anziehen“, „hat heute gegessen“ und „hat heute getrunken“ sind statistisch
signifikante Unterschiede im Vergleich vor Gabe von Bosentan gegenüber während
der Gabe von Bosentan nachweisbar.
Zusätzlich zu dem täglichen Fragebogen wurden in der Vorlaufphase in einer
Eingangsvisite und am Ende der Bosentan-Therapie in einer Abschlussvisite
klinische Parameter bestimmt (n=4), welche in Tabelle 12 dargestellt sind.
Eingangsvisite
Abschlussvisite
p
Sauerstoffsättigung
(%)
(Standardabweichung)
86,5
(5,45)
89,3
(6,29)
0,200
Blutdruck systolisch
(mmHg)
(Standardabweichung)
111,3
(19,38)
110,5
(18,69)
0,368
Blutdruck diastolisch
(mmHg)
(Standardabweichung)
71,3
(22,29)
69,7
(4,99)
0,200
Tabelle 12: klinische Parameter der Eingangs- und Abschlussvisite, Signifikanz (p)
und Spearman-Korrelationskoeffizient
42
Herzfrequenz
(bpm)
(Standardabweichung)
80,5
(14,62)
74
(7,66)
0,789
6min-Gehtest
(m)
(Standardabweichung)
265
(61,51)
265
(59,16)
0,200
Fortsetzung von Tabelle 12
In allen klinischen Parametern gibt es keine statististisch signifikante Änderung.
Zur weiteren statistischen Auswertung wurden die in der Eingangs- und in der
Abschlussvisite ausgefüllten SF-36 Fragebögen hinzugezogen. Für die acht
Themenbereiche der subjektiven Gesundheit im Vergleich Eingangsvisite zu
Abschlussvisite ergaben sich folgende Skalenwerte (mit Standardabweichung):
Eingangsvisite
Mittelwert
Abschlussvisite
Standardabweichung
Mittelwert
Standardabweichung
Körperliche
Funktionsfähigkeit
16,83
18,50
28,08
22,04
Körperliche
Rollenfunktion
55,55
50,19
75,00
27,39
Körperliche
Schmerzen
85,50
24,51
67,67
28,97
Allgemeine
Gesundheit
37,83
31,40
32,67
16,61
Vitalität
53,00
22,32
35,00
17,89
Tabelle 13: Skalenwerte mit Standardabweichung
43
Soziale
Funktionsfähigkeit
83,33
12,91
75,00
26,22
Emotionale
Rollenfunktion
83,33
40,82
72,22
44,31
Psychisches
Wohlbefinden
65,83
15,03
77,17
6,08
Fortsetzung von Tabelle 13
Diese Werte sind in Abbildung 18 graphisch dargestellt.
Abbildung 18: Ergebnisse der acht Skalen im Vergleich Eingangs- zu Abshlussvisite
Es wurden erneut für jede der abhängigen Variablen (acht SF-36 Skalen) ein T-Test
für unverbundene Stichproben durchgeführt. Es konnten keine signifikanten
Mittelwertunterschiede nachgewiesen werden.
44
7. Diskussion
Diese Arbeit beschreibt die subjektive Lebensqualität und körperliche Belastbarkeit
von Patienten mit Trisomie 21 und angeborenem Herzfehler (cAVSD) im
Erwachsenenalter. Verglichen wurden die Daten von Patienten mit einerseits
operativ korrigiertem und andererseits nicht operativ korrigiertem AV-Kanal, welche
im Verlauf eine pulmonale arterielle Hypertonie beziehungsweise ein EisenmengerSyndrom entwickelt haben. Zusätzlich soll der Effekt einer medikamentösen
Therapie bei dem Anteil der nicht am AV-Kanal operierten Patienten diskutiert
werden.
In unserem Patientenkollektiv wurden in einer Periode von 1973 bis 1990 83% der
Patienten am angeborenen AV-Kanal operiert (siehe Tabelle 1). Damit ergibt sich,
dass immerhin ein Fünftel der Patienten mit Trisomie 21 im Verlauf keiner
operativen Korrektur des angeborenen Herzfehlers zugeführt wurde. Es bleibt dabei
unklar, ob es sich um eine bewusste oder eine verpasste Entscheidung handelt. Man
kann zusätzlich nicht bewerten, inwieweit das Fehlen von Screening-Untersuchungen
im Verlauf zu verspäteten Diagnosen der Herzfehler geführt hat. Es war damals eine
weit verbreitete Ansicht, dass am Herzfehler nicht operierte Patienten mit Trisomie
21 eine vergleichbare Lebensqualität erreichen können wie operativ korrigierte
Patienten [7] [18].
Die Lebenssituation von Menschen mit Trisomie 21 ist aufgrund des individuell
unterschiedlichen aber allgemein niedrigen Intelligenzniveaus durch eine geringe
Autonomie und damit verbunden einem limitierten Lebensumfeld charakterisiert [5]
[30] [49] [51]. Wie im Fragebogen mit selbst entwickelten Fragen ersichtlich, ist
unabhängig der Gruppenzugehörigkeit zu am AV-Kanal operierten und nicht
operierten Patienten das tägliche Leben geprägt von moderater körperlicher Aktivität
und begrenztem eigenständigen Handeln. Im untersuchten Kollektiv leben insgesamt
95% der Patienten in einem mittleren Alter der Gesamtgruppe von 25 Jahren noch zu
Hause.
Bei
65,8%
der
Patienten
ist
eine
Beschäftigung
in
einer
Werkstatt/Förderstätte realisierbar (siehe Tabelle 5). 82% aller Patienten betreiben
aktive Hobbies (siehe Abbildung 5). Diese Aktivitäten lassen sich zum größten Teil
als Unternehmungen der betreuten Einrichtungen identifizieren.
45
Vergleicht man die Zahlen der Altersgruppe unserer Studie mit allen Trisomie 21Patienten unabhängig vom Vorliegen eines angeborenen Herzfehlers, findet man in
der Literatur folgende Angaben. Die Datenlage der Studien reicht von
Untersuchungen, in denen 50% der Probanden mit Trisomie 21 zu Hause leben [12],
bis hin zu 100% derer, die zu Hause leben [20]. In einer italienischen Studie von
2011 arbeiten 31% aller Trisomie 21-Patienten regelmäßig oder werden in einer
Werkstatt/Förderstätte betreut, 40% arbeiten nie. 31% betreiben Sport, 33% gehen
regelmäßig Spazieren, 24% spielen Spiele. 15% betreiben gar kein Sport [5].
Die im Kindesalter durchgeführte Korrektur-Operation am angeborenen Herzfehler
hat keinen Einfluss auf die Lebenswirklichkeit der Patienten. Interessanterweise
zeigen die Daten unserer Patienten mit Eisenmenger-Symptomatik und nicht operativ
korrigiertem Herzfehler keinen offensichtlichen Unterschied. Operativ korrigierte
Patienten leben im gleichen Maße zu Hause,
mit gleichem behütetem
Betreuungsumfeld und ähnlichem Tagesablauf wie nicht operativ korrigierte
Patienten. Die körperlichen Aktivitäten unterscheiden sich auf den ersten Blick nicht.
Analysiert man das Entwicklungspotenzial im Einzelnen genauer durch eine
Selbsteinschätzung mittels der Fertigkeitenskala nach Münster/Heidelberg (FMH
[16] [52]), sind Unterschiede in beiden Gruppen erkennbar (siehe Tabelle 7 und
Abbildung 7). Die Ausprägung der allgemeinen geringen Selbstständigkeit bestätigt
sich. Jedoch gibt es zwar einige operativ korrigierte Patienten mit niedrigen
Prozentwerten, aber im Vergleich keine nicht operativ korrigierten Patienten mit
ähnlich höheren Werten wie Operierte.
Begründet durch das Eisenmenger-Syndrom unterscheiden sich die nicht am AVKanal operierten Patienten des Weiteren erwartungsgemäß im Fragebogen zum
allgemeinen Gesundheitszustand (SF-36 [8] [9] [10]) von der Gruppe am AV-Kanal
operierten Patienten. In der Selbstbewertung der körperlichen Funktionsfähigkeit,
körperlichen Rollenfunktion und allgemeinen Gesundheit wurden signifikante
Unterschiede zugunsten der operativ korrigierten Patienten nachgewiesen. Der SF-36
Fragebogen deckt damit auf wie dramatisch die Limitation der EisenmengerSymptomatik auch auf Patienten mit Trisomie 21 ist. Das körperliche Handicap der
Eisenmenger-Physiologie
hat
negative
Auswirkungen
auf
die
körperliche
Funktionsfähigkeit, die körperliche Rollenfunktion und damit ganz massiv auf das
46
allgemeine Gesundheitsempfinden dieser Patienten (p<0,05, siehe Abbildung 9). Das
bedeutet, dass die nicht operativ korrigierten Patienten mit einer gravierenden
Limitation ihres allgemeinen Gesundheitszustandes leben und diese auch
wahrnehmen. Erfreulich ist, dass sie sich in den Rollenfeldern psychisches
Wohlbefinden, emotionale Rollenfunktion und soziale Funktionsfähigkeit nicht in
diesem Ausmaß wiederfinden. Das deutet darauf hin, dass die Patienten aufgrund des
chronifizierten Leidens ausreichend psychische Kompensationsmethoden erreicht
haben und die Lebenssituation als befriedigend erscheint und angenommen wird.
Das Handicap der Eisenmenger-Physiologie ist mit den genannten Einschränkungen
verbunden und stellt sich durch die drei Kardinalsymptome einer Zyanose, Dyspnoe
und einer Belastungseinschränkung dar. Geprüft wurde, inwiefern während einer
medikamentösen Therapie mit dem Endothelin-Rezeptor-Antagonisten Bosentan
positive Effekte bei Patienten mit Trisomie 21 mit AV-Kanal und EisenmengerSyndrom nachweisbar sind. In verschiedenen Studien hat sich bereits gezeigt, dass
Eisenmenger-Patienten von einer medikamentösen Therapie mit einem EndothelinRezeptor-Antagonisten profitieren, was sich in der Verbesserung hämodynamischer
Verlaufsparameter und einer leichten Verbesserung der Gehstrecke geäußert hat [15]
[18].
Weil sich aber, wie in den vorangegangenen Studien ersichtlich, bei den Trisomie
21-Patienten der medikamentöse Effekt im SF-36 Fragebogen und im 6-MinutenGehtest nicht verifizieren lässt, haben wir zusätzlich einen Fragebogen entwickelt. Es
lassen sich aus diesen longitudinalen Daten einer Anwendungsbeobachtung über
mehrere Wochen signifikante positive Resultate entnehmen und spiegeln damit ein
möglicherweise verbessertes Alltags-Outcome wider.
Die Therapie mit Bosentan wurde insgesamt über 27 Wochen evaluiert. In der
Interpretation der Auswertung des täglich ausgefüllten Fragebogens zeigt sich
während der Einnahme von Bosentan eine statistisch signifikante Optimierung der
Verhältnisse, im Sinne einer Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit und einer
Verbesserung der Selbstständigkeit im Anziehen von Kleidung. Weitere signifikante
Ergebnisse kann man im Trink- und Essverhalten beobachten. Unter Einnahme von
Bosentan scheint der Nahrungsbedarf leicht zu steigen und der Trinkbedarf
abzunehmen (siehe Tabelle 10 und Tabelle 11).
47
Diese Veränderungen sind in der zweizeitig ausgefüllten Selbstauskunft des SF-36
Fragebogens nicht messbar. Alle Subskalen des SF-36 bleiben stabil, ohne
signifikante Änderung. In den erhobenen hämodynamischen Verlaufsparametern
sind ebenfalls keine signifikanten Veränderungen zu beobachten.
In unserer Studie wurden ausschließlich Trisomie-21-Patienten mit angeborenem
atrioventrikulären Septumdefekt erfasst. Es wurde bereits beschrieben, dass die
Lebenssituation der am AV-Kanal operativ korrigierten Patienten durchaus auch sehr
limitiert ist. Sie scheint sich nicht von der Gruppe nicht am Herzfehler operierter
Patienten zu unterscheiden. Nicht operativ korrigierte Patienten weisen aber eine
deutliche Einschränkung ihres allgemeinen Gesundheitsbefindens auf. Diejenigen
davon, die man mit Bosentan medikamentös therapiert spüren im Verlauf eine
gewisse Verbesserung im Bereich der körperlichen Belastbarkeit.
In der Literatur findet man Studien, die sich entweder mit der Lebensqualität oder
mit der medikamentösen Therapie mittels Endothelin-Rezeptor-Antagonisten bei
pulmonaler
arterieller
Hypertonie
und
Eisenmenger-Syndrom
beschäftigen.
Bezüglich der Beurteilung der Lebensqualität und körperlichen Belastbarkeit bei
Patienten speziell mit atrioventrikulärem Septumdefekt in Verbindung mit Trisomie
21 gibt es wenige Untersuchungen. Duffels et al. [18] und D’Alto et al. [15]
beschäftigten sich explizit mit der Frage der Anwendbarkeit von Bosentan bei
Trisomie 21-Patienten mit Eisenmenger-Syndrom beziehungsweise dem Effekt der
medikamentösen Therapie auf die Lebensqualität bei Patienten mit verschiedenen
angeborenen Herzfehlern mit und ohne Trisomie 21.
Duffels et al. [18] zeigten in einer Studie zum Einsatz von Bosentan bei pulmonaler
arterieller Hypertonie und Eisenmenger-Reaktion von 2005, dass sich die
Lebensqualität bei den eingeschlossenen 24 Trisomie 21-Patienten über einen
größeren Zeitraum nicht verändert. Patienten mit einem mittleren Alter von 38
Jahren (19-55 Jahre) wurden in einem durchschnittlichen Zeitraum von 11,5
Monaten (3-23 Monate) mit Bosentan behandelt. Initial handelte es sich um die Gabe
einer Dosis von 62,5mg zweimalig am Tag, mit einer Steigerung auf eine Dosis auf
125mg zwei Mal am Tag nach vierwöchiger Einnahme. Alle acht Subskalen des SF36 Fragebogens blieben stabil. Einzig im verwendeten 6-Minuten-Gehtest wurden
48
Schwankungen beobachtet, die als temporäre Verbesserung interpretiert und mit der
ungewissen Validität der Tests in Zusammenhang mit Trisomie 21 und deren
reduzierten intellektuellen Fähigkeiten und reduzierter Compliance begründet
wurden. Duffels schlussfolgert damit, dass Bosentan in dieser Patientengruppe keine
Wirksamkeit zeigt. Unsere Daten widersprechen dieser Schlussfolgerung.
D’Alto et al. [15] haben in einer Studie von 2011 ähnliche Ergebnisse veröffentlicht.
Insgesamt wurden 74 Patienten untersucht, davon 18 mit Trisomie 21 und
unterschiedlichen angeborenen Herzfehlern. Nur sieben dieser Patienten mit
Trisomie 21 hatten einen atrioventrikulären Septumdefekt. Das mittlere Alter betrug
38 Jahre (Patienten mit Trisomie 21 33 Jahre). Wie in unserer Studie und bei Duffels
et al. wurde die Einnahme mit 62,5mg Bosentan zwei Mal am Tag begonnen und
nach vier Wochen auf 125mg zwei Mal pro Tag gesteigert. Durchschnittlich für 14
Monate wurde die Medikamenteneinnahme durchgeführt, anteilig bei den Patienten
mit Trisomie 21 13 Monate. Auf den Fragebogen SF-36 wurde komplett verzichtet
und in Ergänzung zum 6-Minuten-Gehtest hämodynamische Verlaufsparameter
hinzugezogen. Bei Kontrolluntersuchungen 12 Monate nach Studienbeginn konnten
ein signifikanter Anstieg der peripheren Sauerstoffsättigung sowie ein signifikanter
Abfall der Herzfrequenz bestätigt werden. Diese signifikanten Veränderungen sind in
unserer Studie nicht nachweisbar. Vergleichbar mit unserer Studie zeigten sich im 6Minuten-Gehtest keine Unterschiede. Gleichzeitig konnten in der Frage nach der
Wirksamkeit
des
endothelialen
Rezeptor-Antagonisten
generell
auf
alle
eingeschlossenen Patienten positive Effekte nachgewiesen werden, ohne, dass
explizit eine Subgruppe mit vorliegender Trisomie 21, angeborenem Herzfehler und
pulmonaler arterieller Hypertonie/Eisenmenger-Syndrom extrahiert wurde.
In unserer und allen publizierten Studien wurde die Anwendung von Bosentan bei
Patienten mit Trisomie 21 gut toleriert. In Anbetracht der Tatsache, dass bei D’Alto
eine tendenzielle Besserung der körperlichen Belastbarkeit nachgewiesen ist und wir
eine ergänzende Wirkung auf die Lebensqualität der Patienten mit Trisomie 21
aufzeigen können, sollte die zugelassene leitliniengerechte medikamentöse Therapie
mit einem Endothelin-Rezeptor-Antagonisten bei Trisomie 21 und EisenmengerSyndrom stets angeboten werden [35].
49
8. Studienlimitation
Entscheidend und limitierend ist es, dass es bisher noch keine Fragebögen zur
Erfassung der Lebensqualität gibt, welche zur Anwendung bei Patienten mit
Trisomie 21 validiert sind. Zusätzlich bedeutet die geringe Zahl an Probanden ein
weniger statistisch aussagekräftiges Ergebnis. Dadurch ist die Gruppierung in eine
Placebo-Untergruppe nicht möglich.
Es wurde versucht, mit Hilfe der engsten Bezugspersonen, insbesondere den Eltern,
bestmögliche Ergebnisse zu erreichen indem diese die Bewertung übernommen
haben. Nichtsdestotrotz bleibt die genaue Evaluation der Lebensqualität als auch des
Effekts der medikamentösen Therapie aufgrund der geistig herabgesetzten
Leistungsfähigkeit als fraglich einzustufen und geht mit einer geringen Reliabilität
einher. Zukunftsweisend sollte eine Möglichkeit der Datenerhebung erörtert werden,
welche für Trisomie-21 Patienten validiert ist.
50
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57
10. Abkürzungsverzeichnis
%
Prozent
ASD
atrialer Septumdefekt/Vorhofseptumdefekt
AV-Kanal
atrioventrikulärer Septumdefekt
AV-Klappe
atrioventrikuläre Klappe
AVSD
atrioventrikulärer Septumdefekt
bpm
beats per minute (Herzschläge pro Minute)
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa/ungefähr
cAVSD
kompletter atrioventrikulärer Septumdefekt
df
Freiheitsgrad des Schätzwertes für die Varianz der Prüfgröße
F
F-verteilte Statistiken
FMH
Fertigkeitenskala nach Münster/Heidelberg
h
Stunde(n)
kg
Kilogramm
km
Kilometer
mg
Milligramm
mmHg
Millimeter Quecksilbersäule
n
Anzahl
n.s.
nicht signifikant
58
p
Signifikanzwert, Überschreitungswahrscheinlichkeit
PAH
pulmonale arterielle Hypertonie
pAVSD
partieller/inkompletter atrioventrikulärer Septumdefekt
Pkte
Punkte
SF-36
Short Form-36 Questionary of the quality of life
T
Ausprägungsgrad der Prüfgröße
VSD
Ventrikelseptumdefekt/Kammerseptumdefekt
WHO
World Health Organization
χ²
Chi-Quadrat
59
11. Anhang
11.1. Selbst entwickelter Fragebogen mit offenen Fragen
60
61
62
11.2. Fertigkeitenskala nach Münster/Heidelberg (FMH)
63
64
11.2.1. Auswertungstabelle Fertigkeitenskala Münster/Heidelberg
Auswertungstabelle der Fertigkeitenskala Münster/Heidelberg (FMH):
horizontal: Alter des Patienten zum Zeitpunkt der Bewertung, senkrecht: erreichte
Gesamtpunktzahl (maximal 56).
65
Fortsetzung der Auswertungstabelle (1)
66
Fortsetzung der Auswertungstabelle (2)
67
Fortsetzung der Auswertungstabelle (3)
68
11.3. Fragebogen zum allgemeinen Gesundheitszustand SF-36
Fragebogen zum allgemeinen Gesundheitszustand SF-36
1. Wie würden Sie Ihren Gesundheitszustand im Allgemeinen beschreiben?
Ausgezeichnet
Sehr gut
Gut
Weniger gut
Schlecht
1
2
3
4
5
2. Im Vergleich zum vergangenen Jahr, wie würfen Sie Ihren derzeitigen
Gesundheitszustand beschreiben?
Derzeit viel
besser
Derzeit etwas
besser
Etwas wie vor
einem Jahr
Derzeit etwas
schlechter
Derzeit viel
schlechter
1
2
3
4
5
Im Folgenden sind einige Tätigkeiten beschrieben, die Sie vielleicht an einem normalen Tag
ausüben.
Sind Sie durch Ihren derzeitigen Gesundheitszustand bei diesen Tätigkeiten eingeschränkt?
Wenn ja, wie stark?
Ja, stark
eingeschränkt
Ja, etwas
eingeschränkt
Nein, überhaupt
nicht
eingeschränkt
3.a anstrengende Tätigkeiten, z.B.
schnell laufen, schwere Gegenstände
heben, anstrengenden Sport treiben?
1
2
3
3.b mittelschwere Tätigkeiten, z.B.
einen Tisch verschieben,
staubsaugen, kegeln, Golf spielen
1
2
3
3.c Einkaufstaschen heben oder
tragen
1
2
3
3.d mehrere Treppenabsätze steigen
1
2
3
3.e einen Treppenabsatz steigen
1
2
3
3.f sich beugen, knien, bücken
1
2
3
3.g mehr als 1 Kilometer zu Fuß
gehen
1
2
3
69
3.h mehrere Straßenkreuzungen weit
zu Fuß gehen
1
2
3
3.i eine Straßenkreuzung weit zu Fuß
gehen
1
2
3
3.j sich baden oder anziehen
1
2
3
Hatten Sie in den vergangenen 4 Wochen aufgrund Ihrer körperlichen Gesundheit
irgendwelche Schwierigkeiten bei der Arbeit oder anderen alltäglichen Tätigkeiten im Beruf
bzw. zu Hause?
Ja
Nein
4.a Ich konnte nicht so lange wie üblich tätig
sein
1
2
4.b Ich habe weniger geschafft als ich wollte
1
2
4.c Ich konnte nur bestimmte Dinge tun
1
2
4.d Ich hatte Schwierigkeiten bei der
Ausführung
1
2
Hatten Sie in den vergangenen 4 Wochen aufgrund seelischer Probleme irgendwelche
Schwierigkeiten bei der Arbeit oder anderen alltäglichen Tätigkeiten im Beruf bzw. zu Hause
(z.B. weil Sie sich niedergeschlagen oder ängstlich fühlten)?
Ja
Nein
5.a Ich konnte nicht so lange wie üblich tätig
sein
1
2
5.b Ich habe weniger geschafft als ich wollte
1
2
5.c Ich konnte nicht so sorgfältig wie üblich
arbeiten
1
2
6. Wie sehr haben Ihre körperliche Gesundheit oder seelischen Probleme in den
vergangenen 4 Wochen Ihre normalen Kontakte zu Familienangehörigen, Freunden,
Nachbarn oder zum Bekanntenkreis beeinträchtigt?
Überhaupt nicht
Etwas
Mäßig
Ziemlich
Sehr
1
2
3
4
5
70
7. Wie stark waren Ihre Schmerzen in den vergangenen 4 Wochen?
Keine
Schmerzen
Sehr leicht
Leicht
Mäßig
Stark
Sehr stark
1
2
3
4
5
6
8. Inwieweit haben die Schmerzen Sie in den vergangenen 4 Wochen bei der Ausübung
Ihrer Alltagstätigkeiten zu Hause und im Beruf behindert?
Überhaupt nicht
Etwas
Mäßig
Ziemlich
Sehr
1
2
3
4
5
In diesen Fragen geht es darum, wie Sie sich fühlen und wie es Ihnen in den vergangenen 4
Wochen gegangen ist. (Bitte kreuzen Sie in jeder Zeile die Zahl an, die Ihrem Befinden am
ehesten entspricht.)
Wie oft waren Sie in den
vergangenen 4 Wochen?
Immer
Meistens
Ziemlich
oft
Manchmal
Selten
Nie
9.a …voller Schwung?
1
2
3
4
5
6
9.b …sehr nervös?
1
2
3
4
5
6
9.c …so niedergeschlagen, dass
Sie nicht aufheitern konnte?
1
2
3
4
5
6
9.d …ruhig und gelassen?
1
2
3
4
5
6
9.e …voller Energie?
1
2
3
4
5
6
9.f …entmutigt und traurig?
1
2
3
4
5
6
9.g …erschöpft?
1
2
3
4
5
6
9.h …glücklich?
1
2
3
4
5
6
9.i …müde?
1
2
3
4
5
6
71
Wie häufig haben Ihre körperliche Gesundheit oder seelischen Probleme in den
vergangenen 4 Wochen Ihre Kontakte zu anderen Menschen (Besuche bei Freunden,
Verwandten usw.) beeinträchtigt?
Immer
Meistens
Manchmal
Selten
Nie
1
2
3
4
5
Inwieweit trifft jede der folgenden Aussagen auf Sie zu?
Trifft
ganz zu
Trifft
weitgehend
zu
Weiß
nicht
Trifft
weitgehend
nicht zu
Trifft
überhaupt
nicht zu
11.a Ich scheine etwas leichter als
andere krank zu werden
1
2
3
4
5
11.b Ich bin genauso gesund wie
alle anderen, die ich kenne
1
2
3
4
5
11.c Ich erwarte, dass meine
Gesundheit nachlässt
1
2
3
4
5
11.d Ich erfreue mich
ausgezeichneter Gesundheit
1
2
3
4
5
72
11.4. Fragebogen Anwendungsstudie Bosentan (Tracleer®)
73
74
12. Danksagung
Ich möchte mich zuerst herzlich bedanken bei meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr.
med. Sven Dittrich, für die Möglichkeit, dieses Thema bearbeiten zu dürfen und für
seine Geduld und Zeit, die vielen Ratschläge im Entstehungsprozess dieser Arbeit
und für die Übernahme des ersten Gutachtens. Für die Übernahme des zweiten
Gutachtens danke ich herzlich Herrn Prof. Dr. med. R. Cesnjevar.
Vielen Dank an das Sekretariat der kinderkardiologischen Abteilung, vor allem an
Frau Sabine Böhm, für die Lösung des immer wiederkehrenden Problems, ein
Zeitfenster im eng gesteckten Terminkalender von Herrn Prof. Dittrich zu finden.
Ein großes Dankeschön gebührt den Patienten und den Eltern der in der Studie
involvierten Probanden für die netten Telefonate und die zuverlässig ausgefüllten
Fragebögen, ohne die diese Arbeit nie möglich gewesen wäre.
Besonderer Dank gilt meiner Familie, insbesondere meinen Eltern und Großeltern.
Ich danke euch für die bedingungslose Unterstützung in jeglicher Hinsicht, für die
Möglichkeit, meinen Lebensweg so gestalten zu können.
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