Mit Simulationen von einfachen Zufallsexperimenten bis zur Inferenzstatistik Engel Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Eine Familie hat zwei Kinder. Mit welcher Wahrscheinlichkeit haben alle Kinder dasselbe Geschlecht (2 Mädchen oder 2 Jungen)? Vorgehensweisen: Empirisch: Anfrage bei Einwohnermeldeämtern, Statistische Landes- und Bundesämter Theoretische Berechnung, z.B. Baumdiagramm – Modellannahmen: • Wahrscheinlichkeit ½ • Unabhängigkeit Experimentell (???): Beobachte Paare, die zwei Kinder haben wollen und notiere das Geschlecht der Kinder Simulation: Repräsentation des Vorgangs durch doppelten Münzwurf Engel Simulationen, Zufallsexperimente, Inferenzstatistik Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Was ist eine Simulation? Wenn man die Realsituation durch ein passendes Modell ersetzt, anhand dessen Experimente durchgeführt werden, so spricht man von Simulation „Ein konstitutives Moment der Simulation ist somit die Modellbildung. Das Modell selbst ist eine Abbildung der Realität, nicht die Realität selbst, es idealisiert durch Vereinfachungen und Hinzufügen, besitzt also auch subjektive Merkmale. Das darf man nie vergessen, stets ist man zur Reflexion aufgefordert.“ (Kütting 1994, S. 247) Erst die Modellierung macht das Durchführen eines Experiments zu einer Simulation. All das bisher gesagte gilt auch für Simulationen außerhalb der Stochastik, z.B. – Flugsimulator – Simulation im Crash-Test – Simulation im Windkanal Simulationen in der Stochastik sind Simulationen , bei denen Zufallsexperimente durchgeführt werden Engel Simulationen, Zufallsexperimente, Inferenzstatistik Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Was ist eine Simulation? „Unter Simulation versteht man in der Stochastik Verfahren, mit Hilfe von geeigneten Zufallsgeneratoren eine stochastische Situation „nachzuspielen“, um so ein Modell für diese Situation zu erhalten, das dann zur weiteren Analyse und zur Prognose eingesetzt werden kann.“ (Tietze u. a. 2002, 129). Engel Simulationen, Zufallsexperimente, Inferenzstatistik Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Simulationen in der Stochastik Simulation als Werkzeug, um stochastische Probleme zu lösen Simulation zur Visualisierung von zufälligen Vorgängen, um Lernenden zufallsabhängige Vorgänge erfahrbar zu machen, um die darauf bezogene Begriffsbildung durch aktive Auseinandersetzung mit den zufallsabhängigen Situationen zu fördern. Engel Simulationen, Zufallsexperimente, Inferenzstatistik Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Simulationen in der Stochastik Jede Frage der Stochastik kann im Prinzip auf zweierlei Weise beantwortet werden Analytisch (mit den Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie) Simulativ (als Annäherung) – Beispiel: Wahrscheinlichkeit, dass in Familien mit zwei Kindern alle Kinder Mädchen sind Engel Simulationen, Zufallsexperimente, Inferenzstatistik Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Marko und seine Krawatten Marko hat zehn Krawatten im Schrank und wählt an jedem Arbeitstag (Mo-Fr) zufällig einen Schlips, den er am Abend wieder in den Schrank legt. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, das Marko an jedem Tag der Woche eine unterschiedliche Krawatte trägt? Engel Simulationen, Zufallsexperimente, Inferenzstatistik Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Simulation im MU Simulationsmodell als Repräsentation eines komplexen Phänomens Experimenteller, handlungsorientierter Zugang Konkrete Erfahrungen mit Phänomen Zufall Wechselspiel: Realproblem – Modell – Simulation Mathematischer Formalismus sekundär Engel Simulationen, Zufallsexperimente, Inferenzstatistik Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Jetzt ran an die Maschinen Multiple-Choice-Test bestehend aus 10 Fragen mit jeweils 2 Auswahlantworten: Kann ich die zum Bestehen erforderlichen 70% korrekter Antworten erreichen? Dreifacher Würfelwurf: Verteilung der Augensummen Sammelbild: Wann ist die Serie von 22 Bildern komplett? Engel Simulationen, Zufallsexperimente, Inferenzstatistik Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Zentraler Grenzwertsatz Unter sehr allgemeinen Voraussetzungen kann der Mittelwert unabhängiger und identisch verteilter Zufallsvariabler als annähernd normalverteil angenommen werden Simulationen als Illustration – Rolle des Stichprobenumfangs – Symmetrie/ Schiefe der Ausgangsverteilung Engel Simulation und Zufallsexperimente Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Inferenz Bei der kommenden Kommunalwahl in Mainz soll auch über ein Gesetzentwurf abgestimmt werden (haha!), der es legalisiert, Wasserschweine (Capybaras) als Haustiere zu halten. Als Vorsitzender des örtlichen Tierschutzvereins hoffen Sie, dass die Initiative nicht durchkommt. In einer Umfrage unter 50 Wählern geben nur 19 an, dass sie mit JA votieren. Was sagt Ihnen das? Überlegungen: 19 von 50 = 38% => Erleichterung? Sie rechnen Sie korrigieren sich: Einseitiges Testen H0: p=0,5 versus HA: p<0,5 => P-Wert 4,5% Oder mittels Binomialverteilung: X~B(50;0,5), P(X≤19)=5,56% P-Wert 9% Was lernen die Schüler hieraus über das Hypothesentesten? Engel Simulation und Zufallsexperimente Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Inferenz Bei der kommenden Kommunalwahl in Mainz soll auch über ein Gesetzentwurf abgestimmt werden, der es legalisiert, Wasserschweine (Capybaras) als Haustiere zu halten. Als Vorsitzender des örtlichen Tierschutzvereins hoffen Sie, dass die Initiative nicht durchkommt. In einer Umfrage unter 50 Wählern geben nur 19 an, dass sie mit JA votieren. Was sagt Ihnen das? Per Simulation Wirf 50mal ein Münze, Zahl=„Ja“, Wappen=„Nein“ Vielfache Wiederholung am PC Engel Simulation und Zufallsexperimente Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Inferenz MUFFIN-Studie zu Medien- und Freizeitnutzen von Jugendlichen (Biehler, Kombrink, Schweynoch, 2003 Stichprobe Elftklässlern, n= 538, 233 Jungen, 305 Mädchen Helfen Mädchen im Haushalt mehr als Jungen? Engel Simulation und Zufallsexperimente Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Randomisierungstest als anschauliche und intuitive Alternative zu klassischen Verfahren wie z.B. t-Test Theoriearm Referenzverteilung wird sukzessive aufgebaut Unterstützt die dem Hypothesentesten zugrunde liegende Idee ohne Notwendigkeit von viel formaler Mathematik Engel Simulation und Zufallsexperimente Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Inferenz MUFFIN-Studie zu Medien- und Freizeitnutzen von Jugendlichen (Biehler, Kombrink, Schweynoch, 2003 Stichprobe Elftklässlern, n= 538, 233 Jungen, 305 Mädchen Schauen Jugendliche mit eigenem TV im Zimmer mehr Fernsehen? Randomisierungstest als anschuliche und intuitive Alternative zu klassischem t-Test Engel Simulation und Zufallsexperimente Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Didaktische Prinzipien beim Einsatz von Simulationen Das konzeptuelle Verständnis kann verbessert werden, wenn Lernende Prognosen zu den stochastischen Situationen abgeben und diese dann selbst überprüfen (Inter-)aktives Arbeiten mit Simulationen ist effektiver als das bloße Vorführen von Simulationen Das Lernen wird unterstützt, wenn sich Lernende ihrer Fehlvorstellungen bewusst sind, mit diesen konfrontiert werden und durch strukturierte Aktivitäten ihre eigenen Vorstellungen mit den simulierten Ergebnissen in Zusammenhang bringen Allerdings: Simulationen alleine haben per se keine explanative Kraft Engel Simulationen, Zufallsexperimente, Inferenzstatistik Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Literatur Zu Simulationen – – – – – Schulmaterial – – R. Biehler, C. Maxara (2007): Integration von stochastischer Simulation in den Stochastikunterricht mit Hilfe von Werkzeugsoftware. Der Mathematikunterricht, 3,45-62 Maxara, C. (2009). Stochastische Simulation von Zufallsexperimenten mit Fathom – Eine theoretische Werkzeuganalyse und explorative Fallstudie. Kasseler Online-Schriften zur Didaktik der Stochastik (KaDiSto) Bd. 7. Kassel: Universität Kassel [Online: http://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hebis:34-2006110215452]. J. Engel, R. Grübel (2008): Bootstrap – oder die Kunst, sich selbst aus dem Sumpf zu ziehen. Mathematische Semesterberichte, 55, 113-130 Leuders, T. (2005): Darf das denn wahr sein? – Eine schüleraktive Entdeckung der Grundidee des Hypothesentestens durch Simulation und Tabellenkalkulation. Praxis der Mathematik in der Schule, 8(4), 8-16 P. Sedlmeier, D. Köhlers (2001): Wahrscheinlichkeiten im Alltag. Statistik ohne Formeln. Braunschweig: Westermann R. Biehler, T. Hofmann, C. Maxara, A. Prömmel (2011): Daten und Zufall mit FATHOM. Unterrichtsideen für die S1 mit SoftwareEinführung. Schroedel-Verlag M. Gnanadesikan, R. Scheaffer, J. Swift (1987): The Art and Techniques of Simulation. Palo Alto: Dale Seymour Zur Software FATHOM – R. Biehler, T. Hofmann, C. Maxara, A. Prömmel (2006): FATHOM2. Eine Einführung. Heidelberg: Springer – E-Fathom http://www.schroedel.de/gymnasium/efathom_schroedel/index.html Engel Simulationen, Zufallsexperimente, Inferenzstatistik Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Weitere Materialien, zahlreiche Links unter – – Stochastik in der Schule http://stochastik-in-der-schule.de/ www.joachimengel.eu – [email protected] Engel Simulationen, Zufallsexperimente, Inferenzstatistik Pädagogische Hochschule Ludwigsburg