Kinderrheumatologie Kasuistik Myotone Muskeldystrophie (DM1) mit Phänotyp eines APS (autoimmune polyendocrine syndrome) M. Krumrey-Langkammerer1; W. Müller-Felber2; L. Zeller1; M. Prelog3; J.-P. Haas1 1Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie (DZKJR), Garmisch-Partenkirchen; 2Integriertes SPZ, Dr. v. Haunersches Kinderspital, LMU München; 3Universitäts-Kinderklinik Würzburg, Universitätsklinikum Würzburg Hintergrund Die myotone Dystrophie Typ 1 (Morbus Curschmann-Steinert, DM1) zeigt eine große phänotypische Varianz, oft auch innerhalb betroffener Familien. Bei klinischem Verdacht lässt sich die DM1 durch den direkten Nachweis der TrinukleotidRepeat-Expansion auf Chromosom 19q sichern. Primäre Blickdiagnosen aufgrund der typischen Klinik mit myopathischer Facies, typischerweise erst Schwäche der distalen, im Verlauf auch der proximalen Muskulatur, und Atrophie der Halsbeugemuskulatur sind beschrieben. Die Klinik manifestiert sich jedoch häufig anfangs diskret, was die Diagnose zunächst erschweren kann. Daneben können vielfältige extramuskuläre Symptome auftreten, was die DM1 zu einer Multisystemerkrankung macht. Typische extramuskuläre Symptome sind: 1. Katarakt, 2. kardiale Beteiligung mit Herzrhythmusstörungen, 3. Hirnnervenbeteiligung, 4. Transaminasenerhöhung (unspezifische Hepatopathie) und 5. endokrine Störungen. Wir berichten den Fall einer Jugendlichen, die aufgrund einer unklaren Systemerkran- Korrespondenzadresse Dr. Manuela Krumrey-Langkammerer Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie (DZKJR) Gehfeldstraße 24, 82467 Garmisch-Partenkirchen Tel.: 0 88 21/701 117 E-Mail: [email protected] arthritis + rheuma 2016; 36: 344–348 kung und rezidivierender Candida-Infektionen primär unter dem Verdacht auf ein autoinflammatorisches Geschehen zu Diagnostik und Therapie aufgenommen wurde. In einer komplexen Symptomatik wies schließlich die erst im Verlauf aufgefallene Aktionsmyotonie bei Faustschluss der rechten Hand auf eine neurologische Grunderkrankung hin. Kasuistik Eine 14 8/12 Jahre alte Patientin stellte sich mit rezidivierenden Bauch-, Kopf- und Gelenkschmerzen seit zwei bis drei Jahren am DZKJR vor. In der Anamnese der Patientin war, bei einer Größe von 147 cm (1. Pzt.), Gewicht: 42 kg (5. Pzt.), ein Kleinwuchs unklarer Ätiologie bekannt. Die Geburt war zum Termin mit einem Gewicht von 2500 g erfolgt, es gab einen stationären Aufenthalt von vier Wochen wegen Fieber und schlechter Gewichtszunahme in der Neugeborenenperiode. Schon als Kleinkind hatte sie ein ungelenkes Bewegungsmuster und stets einen zarten Habitus gezeigt. Im Vordergrund der Symptomatik standen lange abdominelle Beschwerden mit fast täglichen Bauchschmerzen. Im Vorfeld der Vorstellung war deshalb eine umfangreiche gastroenterologische Abklärung erfolgt. Bei mehrfacher endoskopischer Abklärung und Biopsien (2013, 2014) wurde eine Zöliakie diagnostiziert und bioptisch gesichert, die sich unter glutenfreier Ernährung nur gering besserte. Daneben bestanden ein Verdacht auf eine undifferenzierte, chronisch entzündliche Darmerkrankung sowie bei Anstieg der Transaminasen bis zum Zehnfachen der Norm auch der Verdacht auf eine Autoimmunhepatitis, ohne dass leberspezifische Autoantikörper gefunden wurden (histologischer Befund der Leberbiopsie [2014] unspezifisch, ohne floride Entzündung). Der Verdacht auf eine möglicherweise ursächliche, rheumatische/autoimmunologische Grunderkrankung ergab sich vor allem aufgrund der seit mehreren Jahren rezidivierenden Candida-Infektionen an Mundwinkeln, Haut und Genitale (chronisch mukokutane Candidiasis [CMC]). Einhergehend (über mindestens zwei bis drei Jahre) mit Kopfschmerzen mehrmals pro Woche traten Arthralgien in den Sprung-, Hand- und Ellenbogengelenken und Schmerzen im HWS- und LWS-Bereich auf. Die Beschwerden zeigten keine ausgeprägte Morgenwendigkeit, es gab keine Gelenkschwellungen oder sichtbaren Synovialitiszeichen. Die Patientin beschrieb Ruhe- und Bewegungsschmerz bis in Unterschenkelmitte, sie fühlte sich in den ersten Morgenstunden „unbeweglicher“. Sie verspürte oft Müdigkeit, nahm aber am Alltag und Schulalltag ohne Einschränkungen – allerdings bei bekannter Dyskalkulie – teil. Es lagen anamnestisch keine Hinweise auf unklare Fieberepisoden, vermehrte bakterielle Infekte oder Exantheme vor. Allerdings wurden vermehrtes Schwitzen – auch tagsüber – und Schwindel angegeben. Klinische Befunde bei Aufnahme • • Rötung und Verkrustung beider Mundwinkel, Rötung der Interdigitalräume beider Hände, geringe Schuppung. Kein Exanthem, kein Ikterus. Muskeleigenreflexe insgesamt abgeschwächt, sonst keine Hinweise auf fokale neurologische Auffälligkeiten, kein Faszikulieren. © Schattauer 2016 arthritis + rheuma 5/2016 Downloaded from www.arthritis-und-rheuma-online.de on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 344 345 Kinderrheumatologie Tab. 1 M. Krumrey-Langkammerer et al.: Myotone Muskeldystrophie (DM1) mit Phänotyp eines APS Zeitlicher Verlauf und zugehörige Laborbefunde Verlauf Laborbefunde Abklärung gastroenterologisch und endokrinologisch Zöliakie, V. a. Immunhepatitis, unklarer Kleinwuchs • GOT 198 U/l, GPT 212 U/l, γ-GT 107 U/l, • • • LDH 383 U/l, keine leberspezifischen Autoantikörper TPMT-Aktivität regelrecht Stuhl: Calprotectin/Lactoferrin nicht erhöht endokrinologische Parameter: ACTH, Aldosteron, Renin, Cortisol basal , FSH, LH, DHEA und Parathormon im Normbereich ↓ Abklärung Kopfschmerzen und psychologische Testung a Dyskalkulie ↓ Rheumatologische Abklärung der Arthralgien, Myalgien und mukokutanen Candidiasis V. a. APCED • Leukozyten 5000/μl mit 42 % Lymphozyten, 54 % Granulozyten • BSG einmalig 86/95, C-reaktives Protein stets negativ • IgE 1718 U/ml • Transferrin 410 mg/dl, Ferritin im Nombereich • ANA 1 : 40 negativ, spezifische Autoantikörper nicht nachweisbar ↓ Abklärung neurologisch Morbus CurschmannSteinert • • • unauffällige Immunphänotypisierung b • Myositis-spezifische Autoantikörper nicht • nachweisbar Kreatinkinase 2495 U/l Myalgien: An Unterarmen und Unterschenkeln sowie über die Fußränder ziehend ausgeprägte Muskelschmerzen; CMAS (Childhood Myositis Assessment Scale) 49 (max. 52 Punkte). Gelenke: Keine akuten Synovialitiszeichen, lediglich auffallendes Streckdefizit der Ellenbogengelenke (0/0/120° bds.) sowie Kniegelenke (0/5/130° bds). Sprunggelenke in allen Ebenen frei beweglich, passiv schmerzfrei. Abb. 1 Darstellung des M. rectus femoris/M. quadriceps femoris längs (a) und quer (b). Unauffällige Myosonografie der Oberschenkelmuskulatur – insbesondere sind die subfaszial liegenden Muskelanteile nicht hyperechogen, wie das bei generalisierten Myopathien gehäuft der Fall ist. Innerhalb des M. quadriceps femoris können hier keine granulären Veränderungen beobachtet werden. Unauffälliges Subkutangewebe. Zeitlicher Verlauf und dazugehörige Laborbefunde • • Der zeitliche Verlauf und die dazugehörigen Laborbefunde sind in ▶ Tabelle 1 zusammengefasst. Spezifische Befunde • • Sonografie: Den Sonografiebefund zeigt ▶ Abbildung 1 Th17-Zellen: Unauffälliges IFN-gamma als auch gute IL-17-Response in CD4+- und CD8+-T-Zellen auf unspezifische und spezifische (Candida albicans) Stimulation. Gute Th1/Th17-Antwort auf Candida albicans-Antigene • • EKG/UKG: regelrechter Befund EMG: – M. extensor digitorum communis rechts: myotone Entladungen, – im Quadriceps femoris einzelne myotone Entladungen. – Bei Willkürinnervation unauffällige motorische Einheiten. Molekulargenetik (NGS panel) next generation sequencing panel: – keine nachweisbare Mutation im AIRE (Autoimmun Regulator)-Gen, Chromosom 21q22.3). – Triplet-repeat-Vermehrung im DM1-Gen Rachenabstrich: Candida spezies arthritis + rheuma 5/2016 © Schattauer 2016 Downloaded from www.arthritis-und-rheuma-online.de on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. M. Krumrey-Langkammerer et al.: Myotone Muskeldystrophie (DM1) mit Phänotyp eines APS Verlauf und Zusammenfassung: Die Patientin wurde zur rheumatologischen Abklärung (▶ Tab. 1) stationär aufgenommen. Im Vordergrund standen hierbei die Arthralgien, Hepatopathie mit Erhöhung der Transaminasen, rezidivierende Candida-Infektionen sowie die Myalgien, die trotz negativer Myositis-spezifischer Antikörper eher als Zeichen einer diffusen Myositis gewertet wurden. Die o. a. Abklärung umfasste auch den Verdacht auf einen primären Immundefekt, die sich auf STAT (signal transducer and activator of transcription factor)-Mutationen bezog (z.B. STAT3-Defekt, verminderte T-Zell-Stimulation auf CandidaAntigene). Candida-Infektionen sind bei Immundysregulation mit Polyendokrinopathie, Enteropathie und erhöhtem IgE beschrieben (IPEX). Mutationen im Transkriptionsfaktor STAT3 führen zu gestörter Zytokinregulierung, damit schließlich zu vermehrter TNF-α-, IFN-γ-Produktion, gestörter TH17-Differenzierung und unzureichender IgE-Kontrolle (5–7). Unter dem primären Eindruck eines autoimmunen, polyendokrinen Syndroms (APS) bzw. einer autoinflammatorischen Genese der Beschwerden erfolgte die Einleitung der molekulargenetischen Diagnostik und primär eine immunsuppressive Einstellung auf Azathioprin (1,5 mg/ kg/d). Die chronisch mukokutane Candidiasis konnte mittels Nystatin über mehrere Wochen erfolgreich behandelt werden. Die Laborwerte besserten sich insgesamt nach Einleitung der immunsuppressiven Therapie (Azathioprin) kurzfristig, allerdings nicht das Schmerzbild der Patientin und die Muskelschwäche. Nach Erhalt der negativen, molekulargenetischen Ergebnisse am AIRE (Autoimmun Regulator)-Gen sowie der unauffälligen Werte für die Th1-/Th17-Antwort und der anhaltenden Schmerzen wurde die Patientin zur Reevaluation nach vier Wochen Kinderrheumatologie wieder einbestellt, da sich eindeutige Hinweise auf einen primären Immundefekt nicht erhärten ließen. Bei der erneuten Aufnahme zeigten sich als Hauptbeschwerden handschuh- und strumpfartige Schmerzen, krampfartige Muskelbeschwerden und eine typische Aktionsmyotonie der Faust nach festem Faustschluss rechts mehr als links. Die Muskeleigenreflexe zeigten sich insgesamt eher abgeschwächt. Die im Anschluss daran durchgeführte Elektromyografie erhärtete den Verdacht auf eine neuromuskuläre Grunderkrankung. Die Vorstellung im neurologischen Zentrum erbrachte dann zügig die Diagnose. Die Kombination der Symptome (▶ Tab. 2) und der eindeutige klinische Befund der Myotonie konnte durch die molekulargenetische Sicherung einer myotonen Dystrophie Typ DM1 (M. Curschmann-Steinert) zugeordnet und bestätigt werden. Diskussion Symptom APS Vorliegender DM Fall Muskelschmerzen/Myopathie Myotonie + (+) ++ ++ + ++ Morgensteifigkeit – + – Mukokutane Candidiasis ++ ++ – Ektodermale Störungen Keratitis/Katarakt Alopezie ++ + – – ++ – Bauchschmerzen/Diarrhö/Obstipation (Maldigestion) ++ ++ + Hepatitis Erhöhte Transaminasen + + + ++ – + Kardiale Rhythmusstörungen – – + Hormonelle Störungen Wachstumshormonmangel Hypogonadismus Hypoparathyreoidismus NNR-Insuffizienz Diabetes mellitus + + ++ ++ – (+?) – – – – – ++ – – – Fatigue + ++ + Anämie/systemische Entzündung Kreatinkinase-Erhöhung + – (+) ++ – ++ Hörstörungen – – + Assoziierte Autoimmunerkrankungen (z. B. Zöliakie) ++ + – Tab. 2 Zusammenstellung der relevanten Symptome und ihr Auftreten bei den Differenzialdiagnosen (– nicht typisch, + typisch, ++ sehr typisch) Häufig überschneiden sich Symptome systemischer rheumatischer/autoimmunologischer Grunderkrankungen mit hereditären Stoffwechsel-/Speichererkrankungen bzw. neuromuskulären Erkrankungen (▶ Tab. 1). Seitens des Manifestationsalters wären hier beide Diagnosen möglich gewesen, bei APCED (autoimmune-polyendocrinopathy-candidiasis-ectodermaldystrophy) liegt das Erkrankungsalter zwischen zwei und dreißig Jahren. Dieses Manifestationsalter jenseits der Neugeborenenperiode ist auch für die myotone Dystrophie Typ 1 möglich (1, 6, 8). Beim APS (autoimmune polyglandularsyndrome) kann man zwischen zwei Hauptformen unterscheiden (APS-1 und APS-2). Bei APS-1, auch APCED, liegt eine Mutation des AIRE-Gens vor. Dabei resultiert ein Defizit des negativen Selektionsprozesses autoreaktiver T-Zellen (2–4). Es handelt sich um eine autosomalrezessiv vererbte Erkrankung, in deren Folge die Patienten unter multiplen endokrinologischen Störungen leiden. Hierzu zählen Hypoparathyreoidismus, Nebennierenrinden (NNR)-Insuffizienz, perniziöse © Schattauer 2016 arthritis + rheuma 5/2016 Downloaded from www.arthritis-und-rheuma-online.de on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 346 347 Kinderrheumatologie M. Krumrey-Langkammerer et al.: Myotone Muskeldystrophie (DM1) mit Phänotyp eines APS Anämie, Typ-I-Diabetes mellitus (DM), Hypogonadismus. Es treten klinische Symptome auf wie Alopezie, Vitiligo, Autoimmunhepatitis, Autoimmunbronchiolitis, Autoimmunthyreoiditis, Asplenie, ektodermale Dystrophie an Nägeln und Zähnen, IgA-Mangel, Keratitis, perniziöse Anämie, Aplasie der roten Zellreihe. Neben rekurrierenden Hautinfektionen, Infektionen und Gesichtsdysmorphien sind auch Fehlhaltungen am Skelettsystem und neurologische Symptome beschrieben (▶ Abb. 2). Naheliegend war die Diagnose eines APCED aufgrund der rezidivierend vorliegenden, mukokutanen Candida-Infektionen, der anamnestisch vorliegenden Hepatitis, dem unklaren Kleinwuchs, den chronischen Bauchschmerzen (Malabsorption, bei Elektrolytschwankungen wie Hypokalzämien sind Diarrhöen und Bauschmerzen möglich) sowie Myalgien/Arthralgien mit dringendem V. a. Myositis (2–4, 6). Direkte Hinweise auf Hypoparathyreoidismus fanden sich nicht. Der Ausschluss eines Hypoparathyreoidismus ist bei Myalgien von besonderer Bedeutung, da er auch bei syndromalen Erkrankungen/Immundefekten (APS/DiGeorge-CATCH22-Syndrom) vorkommen kann und für die Schmerzen ursächlich ist. Das bei APCED typische Addison-Syndrom (NNR-Insuffizienz) war nicht nachweisbar. Allerdings lag bei der Patientin eine Zöliakie als assoziierte Autoimmunerkrankung vor, die auf ein APCED hätte schließen lassen können. Letztendlich führte die als schmerzhaft empfundene, verzögerte Öffnung bei Faustschluss zum entscheidenden Hinweis auf eine neurologische Grunderkrankung, welche im neurologischen Zentrum zügig abgeklärt wurde. Am vorgestellten Fall sind die differenzialdiagnostischen Überlegungen sehr eng mit den jeweils aktuell im Vordergrund stehenden, subjektiven Beschwerden verknüpft, sodass sich erst in der kurzfristigen Verlaufsbeobachtung der Patientin und der Synopsis der Symptome das richtungsweisende Merkmal ihrer Erkrankung sichern ließ. Insgesamt betrachtet sind einzelne Symptome der vorgestellten Patientin durchaus der myotonen Dystrophie auch retrospektiv zuordenbar: 1. milde Erhöhung der Transaminasen, 2. vermehrte Müdigkeit, 3. strumpf-, und handschuhartige, gelenkübergreifende Beschwerden, die durch Muskelaktion verstärkt werden, 4. Dyskalkulie. Andere extramuskuläre Symptome einer myotonen Dystrophie fanden sich im Rahmen der Diagnostik bei unserer Patientin nicht. So wäre eine myotone Katarakt ein richtungsweisender ophthalmologischer Befund. Es fanden sich ebenso keine typischen Herzrhythmusstörungen oder einetypische Hörminderung (1, 8). Der unspezifische Beginn einer DM1 ist in der Literatur durchaus beschrieben (9, 10) und führt nicht selten zu einer Verzögerung der richtigen Diagnose. Übereinstimmend mit unserem Fallbericht treten die Myotonie und Schwäche der oberen Extremität häufig als Erstsymptom auf. Auch eine unspezifische Fatigue wird in Kohorten bei bis zu 90 % der Betroffenen angegeben und nimmt im Verlauf der Erkrankung bei über 50 % noch zu (9). Allerdings ist der Anteil an Patienten mit ausgeprägten Schmerzen bei Patienten mit myotoner Dystrophie Typ 2 häufiger als bei DM1 (11 % gegenüber 3 %). Es ergeben sich daher bei unserer Patientin einzelne Beschwerden, welche sich durch die molekulargenetisch gesicherte DM1 (M. Curschmann-Steinert) nicht erklären lassen: 1. Die ausgeprägten, multilokulären Schmerzen der Patientin, die auf einer VAS täglich bis zu Schmerzstärke 6/7 (von 10) angegeben werden. Sie imponieren als Myalgien und Arthralgien des gesamten Körpers. Hier ist eine sekundäre Schmerzstörung aufgrund des Schmerzcharakters und Sekundärsymptomen wie Fatigue, Kopf-, und Bauchschmerzen denkbar. 2. Die chronischen, mukokutanen Candida-Infektionen. Abb. 2 Hände und Habitus der Patientin: Es zeigen sich keine typischen arthritischen Veränderungen, keine makroskopischen Dysproportionen oder Atrophien. arthritis + rheuma 5/2016 © Schattauer 2016 Downloaded from www.arthritis-und-rheuma-online.de on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Kinderrheumatologie M. Krumrey-Langkammerer et al.: Myotone Muskeldystrophie (DM1) mit Phänotyp eines APS 3. Der ätiologisch nichtzuordenbare Kleinwuchs. Einverständnis der Patientin und der Eltern eingeholt wurde. Die multidisziplinäre Zusammenarbeit und Diskussion war und ist in diesem Fall besonders interessant, gerade in Grenzbereichen und Überschneidungen der klinischen Symptome, die verschiedene Differenzialdiagnosen aus Rheumatologie, Neurologie und Immunologie zulassen. Interessenkonflikt Die korrespondierenden Autorin gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen. Einhaltung ethischer Richtlinien Die korrespondierende Autorin bestätigt, dass für die Publikation dieses Falles das 6. Literatur 1. Schneider C, Reiners K, Toyka KV. Myotone Dystrophie (DM/Curschmann-Steinert-Erkrankung) und proximale myotone Myopathie (PROMM/RickerSyndrom). Übersicht. Nervenarzt 2001; 72: 618–624. 2. Cutolo M. Autoimmune polyendocrine syndromes. Autoimmunity reviews 2014; 13: 85–89. 3. Hiubregtse KE, Wolfgram P. 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