Demografie Spezial - Deutsche Bank Research

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Economics
Themen international
1. August 2002
Nr. 235
Aktuelle Themen
Demografie Spezial
Zunehmende Anti-Einwanderungsstimmung in den USA
• Die Anti-Einwanderungs-Debatte in den USA hatte sich bereits in den letzten
Jahren ausgeweitet. Durch die Terroranschläge vom 11. September rückte sie
jedoch ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Einwanderungskritische Tendenzen
finden auf beiden Seiten des politischen Spektrums intellektuelle Unterstützung.
• Weit verbreitet ist das ökonomische Argument, dass die Zuwanderer die Amerikaner aus dem Arbeitsmarkt verdrängen. In der Realität leisten sie jedoch
einen positiven Beitrag zum US-Wirtschaftswachstum: Städte und Bundesstaaten mit einer hohen Zuwanderungsquote verzeichnen eine höhere konjunkturelle Expansionsrate. Es ist ebenfalls bemerkenswert, dass ca. ein Drittel der
Wissenschaftler im Silicon Valley Einwanderer sind.
• Äußerungen von Kritikern zufolge gelingt es den Immigranten nicht, sich in die
Gesellschaft zu integrieren. Aufgrund ihres starken Wunsches nach Erfolg arbeiten die Kinder von Einwanderern jedoch mehr als ihre im Inland geborenen
Mitschüler; sie erreichen normalerweise bessere Noten, und Schulabbrüche
kommen bei ihnen seltener vor.
Editor
Stefan Schneider
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Publikationsassistenz
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DB Research Management
Axel Siedenberg
Norbert Walter
• Obwohl das Argument der inneren Sicherheit breite Unterstützung gefunden
hat, ist es vollkommen irrational. Viele der Terroristen vom 11. September verfügten über ein gültiges US-Visum oder hatten die amerikanische Staatsbürgerschaft. In den USA ist jeder ein Immigrant – in der gegenwärtigen Generation
bzw. in den vorherigen Generationen. Deshalb wären Maßnahmen wie ein Verbot oder eine starke Beschränkung der Zuwanderung absolut fatal und praktisch undenkbar.
Mieczyslaw Karczmar, +1 212 586-3397 ([email protected])
Economic Adviser to DB Research
Der vorliegende Artikel beinhaltet nicht nur eine Analyse. Vielmehr handelt es sich
hier um das politische Manifest eines polnischen Einwanderers in die USA, eines
Freundes von mir. Es ist ein Brief, der gleichzeitig an Amerika und Europa gerichtet
ist. Seine „Message“ ist ein Plädoyer, das zum Nutzen der Menschheit beherzigt
werden sollte. Und ich schließe mich ihm mit großer Überzeugung an.
Norbert Walter
Aktuelle Themen
1. August 2002
Zunehmende Anti-Einwanderungsstimmung in den USA
In den USA, einem klassischen Einwanderungsland, ist z. Zt. eine Neueinschätzung der Position bezüglich Einwanderung festzustellen, die
sich in einer starken Ausbreitung der Anti-Immigrationsbewegung widerspiegelt.
Die Terroranschläge vom 11. September waren eindeutig einer der
Hauptauslöser dieser Entwicklung. Laut Meinungsumfragen haben sich
die Ängste in der Bevölkerung in Bezug auf Ausländer durch die Anschläge stark erhöht. In einer Meinungsumfrage sprachen sich zwei
Drittel der Befragten für einen Einwanderungsstopp aus, bis der Terrorismus erfolgreich bekämpft sei. Im Kongress wird derzeit die strengere Prüfung von Visumsanträgen diskutiert, sowie der gegenseitige Zugriff auf Geheimdienstinformationen durch die amerikanischen Bundesbehörden, die Einführung fälschungssicherer Reisedokumente, die
genauere Registrierung ausländischer Studenten etc. Im Justizministerium wird z. Zt. ein Konzept erarbeitet, das die Meldepflicht und
obligatorische Fingerabdrücke aller Einreisenden aus islamischen Ländern und dem Nahen Osten vorsieht.
Der 11. September hat die Anti-Immigrationsdebatte wieder voll entfacht
Diese Bestrebungen erhielten nach den jüngsten Erkenntnissen bezüglich der nicht ernst genommenen Warnungen vor den Terroranschlägen vom 11. September und der mangelnden Kooperation zwischen
dem FBI und der CIA erhöhte Brisanz. Eine Ausbreitung der Anti-Immigrations-Tendenzen war jedoch auch schon vor den Ereignissen vom
11. September festzustellen.
Führende Vertreter der Anti-Einwanderungs-Debatte
Obwohl die in der letzten Zeit um sich greifende Stimmung gegen vermeintlich ausufernde Einwanderungsströme in hohem Maße auf die
Auswirkungen vom 11. September zurückzuführen ist, stellt sie kein
neues bzw. historisch unbekanntes Phänomen dar. Die Geschichte
zeigt, dass es in den USA zu allen Zeiten in unterschiedlichem Ausmaß
Anti-Einwanderungs-Tendenzen gab. Neue Einwanderungswellen, die
aus politischen oder ökonomischen Motiven ins Land kamen, wurden
hier von ihren „Vorgängern“, die sich bereits in Amerika niedergelassen
hatten, nicht besonders positiv aufgenommen. Diese Tendenzen verstärkten sich Mitte der 90er Jahre, was angesichts der gleichzeitig boomenden US-Wirtschaft in gewisser Weise paradox war. Und obwohl die
Zahl der Einwanderer gestiegen ist (von ca. 250.000 p.a. in den 50er
Jahren auf z.Zt. etwa eine Million), hat sich der Anteil der im Ausland
geborenen Personen an der Gesamtbevölkerung langfristig betrachtet
de facto verringert. Nach den jüngsten Bevölkerungsstatistiken wurden 10% der US-Bevölkerung (28 Millionen) im Jahr 2000 im Ausland
geboren. Ungeachtet des in den letzten 30 Jahren erfolgten Anstiegs
war diese Quote deutlich geringer als in den Haupteinwanderungsjahren Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts (siehe Grafik).
Im Ausland geborene Bevölkerung
der USA: 1850-2000
16
% der Bevölkerung
14
12
10
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Die bekanntesten Organisationen, die zur Beschränkung der Einwanderung aufrufen, sind die Federation for Immigration Reform (FAIR),
das Center for Immigration Studies (CIS) sowie Autoren, die mit der
sog. VDare-Gruppe1 in Verbindung stehen. Die Anti-Einwanderungsbewegung besteht aus sehr unterschiedlichen politischen und ideologischen Gruppierungen. Die am längsten bestehende Organisation mit
6
4
2
1850
1
VDare wurde nach Virginia Dare benannt, dem ersten englischen Kind, das in Amerika
geboren wurde. Es wurde als Kind gekidnappt und nie wieder gefunden.
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90
1910
30
50
70
Quelle: U.S. Census Bureau
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2000
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der besten finanziellen Ausstattung ist FAIR, deren Aktionsschwerpunkt
in den westlichen Bundesstaaten liegt und die eindeutig populistisch
ausgerichtet ist. Ihre Aktivitäten konzentrieren sich u.a. auf TV-Spots
und Straßenplakate, die gegen ausufernde Einwanderungsströme plädieren. Dabei wird insbesondere eine zahlenmäßige Beschränkung der
Immigranten aus Mexiko und Lateinamerika gefordert, die in Kalifornien stark vertreten sind. (51% aller im Ausland geborenen Personen in
den USA wurden in Lateinamerika geboren – siehe Grafik).
CIS wurde Mitte der 80er Jahre und VDare Mitte der 90er Jahre gegründet. Mit dieser Ergänzung von FAIR sollte die Anti-ImmigrationsBewegung eine intellektuelle Untermauerung erhalten. Die beiden Organisationen sind landesweit ausgerichtet und haben eine höhere nationale Anerkennung als FAIR. Ihr Hauptziel besteht darin, die führenden Meinungsmacher in New York und Washington zu beeinflussen.
Einer der Vordenker der aktuellen Anti-Immigrations-Bewegung ist der
ehemalige Präsidentschaftskandidat und dem rechten Spektrum angehörende Journalist und Autor Patrick Buchanan. Sein jüngstes Buch
„The Death of the West: How Dying Populations and Immigration Invasions Imperil Our Country and Civilization“ war monatelang auf den
Bestseller-Listen von Amazon.com und der New York Times Book Review. In seinem Buch, bei dem es sich hauptsächlich um eine demografische Analyse handelt, vertritt Buchanan die These, dass im Jahr
2050 nur 10% der Weltbevölkerung eine europäische Herkunft haben
werden, während die Bevölkerung Asiens, Afrikas und Lateinamerikas
stark wachsen werde. Dies werde seiner Meinung nach zu einer Überflutung der höher entwickelten Länder und einer Zerstörung ihrer Kultur führen. Dabei handele es sich nicht um eine Prophezeiung, sondern
um einen rein mathematischen Zusammenhang.
Im Ausland geborene Bevölkerung
nach Geburtsland: 1970-2000
Sonst.
% Verteilung
120
100
Asien
80
Latein
Am.
60
Europa
40
20
0
1970
1980
1990
Quelle: U.S. Census Bureau
2000
Ein weiterer führender Vertreter der Anti-Einwanderungs-Bewegung,
der dem rechten Flügel des politischen Spektrums angehört, ist Peter
Brimelow, ehemaliger Redakteur des Forbes Magazine und Gründer
von VDare. Seine Argumentation konzentriert sich auf die Risiken der
Einwanderungsströme für die ursprünglich angelsächsische Bevölkerung der USA.
Die Anti-Einwanderungs-Bewegung findet jedoch nicht nur bei Vertretern des konservativen Spektrums intellektuelle Unterstützung. Autoren mit liberaler Ausrichtung sowie einige Vertreter der politischen Mitte haben sich ebenfalls in die Diskussion über die Einwanderungsbeschränkung eingeschaltet, wobei ihre Äußerungen allerdings moderater sind. So hebt z.B. der linksorientierte Soziologe Christopher Jencks
in seinen Veröffentlichungen die negativen Auswirkungen der Zuwanderung auf die Umwelt hervor. Er vertritt den Standpunkt, dass das
Leben in den Städten der USA aufgrund der hohen Einwanderungszahlen in naher Zukunft unerträglich werden und die Ausbreitung die Vororte zu verstärkter Zerstörung der Umwelt führen könnte. Negativfaktoren seien insbesondere die Verknappung der Wasservorräte und der
Anstieg von Kohlendioxyd in der Atmosphäre.
Meinungsführer der Anti-Immigrationsbewegung finden sich auf beiden
Seiten des politischen Spektrums
Objektivere, jedoch ebenfalls einwanderungskritische Thesen werden
von dem Harvard-Professor für Volkswirtschaft George Borjas vertreten. Obwohl er nicht die Befürchtungen der Anti-Einwanderungs-Bewegung teilt, dass die Einwanderer den Amerikanern ihre Arbeitsplätze wegnehmen könnten – eine Hauptthese in der Debatte –, führt die
hohe Zahl von Einwanderern seines Erachtens zu einer Verringerung
der Löhne für die einheimischen Arbeitskräfte. Und da die Immigranten die Dienstleistungen des Staates stärker in Anspruch nähmen, führe die Immigration besonders bei den Kommunalregierungen zu ver-
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mehrten Ausgaben. Dadurch werde die amerikanische Arbeiterklasse,
die die Immigranten mit höheren Steuern subventionieren müsste, in
Mitleidenschaft gezogen.
Hauptargumente der Anti-Einwanderungs-Bewegung
Die Einwanderungsdebatte konzentriert sich auf vier Bereiche: ökonomische Auswirkungen, soziale Aspekte, Umweltsituation und Sicherheit.
Das bereits in der Vergangenheit immer wieder vorgebrachte ökonomische Argument besteht in der Befürchtung, die Einwanderung führe zu einer Verdrängung amerikanischer Arbeitskräfte vom Arbeitsmarkt.
Die Entschlossenheit, mit der dieses Argument vertreten wird, steigt
mit zunehmender Arbeitslosigkeit (und umgekehrt).
Ökonomische Argumente gegen die
Einwanderung sind nicht stichhaltig
Insgesamt hat sich die Korrelation zwischen Wirtschaftssituation und
einwanderungsfeindlichen Tendenzen in den letzten Jahren jedoch deutlich verringert. Der Anstieg der Arbeitslosenrate von 3,9 % auf 6 %
innerhalb der letzten zwei Jahre hatte keine starke Ausbreitung der
Anti-Einwanderungs-Bewegung zur Folge. Auf der anderen Seite war
die Zunahme einwanderungsfeindlicher Tendenzen während des größten Konjunkturbooms der jüngsten Geschichte am stärksten. Deshalb
muss der o.g. erhöhte Zuspruch nicht-ökonomische Gründe gehabt
haben. Darüber hinaus ist es statistisch nachweisbar, dass Städte und
Bundesstaaten mit einem hohen Ausländeranteil im allgemeinen ein
stärkeres Wirtschaftswachstum aufweisen als Regionen mit geringen
Einwanderungszahlen.
Ein weiteres Argument im Zusammenhang mit der Anti-EinwanderungsDebatte ist, dass sich Zuwanderer normalerweise in einer wirtschaftlich schlechteren Position befinden und einen geringeren Bildungsstandard haben. Deshalb nähmen sie staatliche Dienstleistungen stärker in
Anspruch als gebürtige Amerikaner. Ihr Bildungsniveau, ihre berufliche
Qualifikation und ihr Einkommensniveau sind in der Tat geringer als bei
der inländischen Bevölkerung (siehe Grafiken S. 4 und 5). Daraus kann
jedoch nicht generell die Schlussfolgerung gezogen werden, dass sie
eine Belastung für die Gesellschaft darstellen. Zwar nehmen Zuwanderer auf Bundesstaats- und Kommunalebene möglicherweise in höherem Maße Sozialhilfe in Anspruch und verursachen höhere Kosten
im Bildungsbereich. Auf der anderen Seite übersteigen die von Einwanderern gezahlten Einkommens- und Lohnsteuern die an diese Bevölkerungsgruppe fließenden Leistungen des Staates. Dies gilt insbesondere für illegale Einwanderer, die Lohnsteuern zahlen und damit
zur staatlichen Sozialversicherung beitragen, wobei jedoch viele von
ihnen niemals Leistungen der Sozialversicherung in Anspruch nehmen.
Ausländische Arbeitskräfte sind in vielerlei Hinsicht keine Konkurrenz,
sondern eine Ergänzung der inländischen Arbeitnehmerschaft, da sie
z. T. Arbeitsplätze annehmen, die von amerikanischen Staatsbürgern
nicht beansprucht würden. Dies gilt sowohl für ausländische Arbeitnehmer ohne Berufsausbildung wie z.B. Landarbeiter, Hilfskellner, Kindermädchen, Gärtner etc. mit geringerer Qualifikation als auch für Ärzte, Krankenschwestern, Ingenieure und Computerprogrammierer sowie andere Berufsgruppen mit hoher beruflicher Qualifikation. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass ca. ein Drittel der
wissenschaftlichen Arbeitskräfte im Silicon Valley Einwanderer sind.
Insgesamt gesehen leisten ausländische Arbeitnehmer einen positiven Beitrag zum Wirtschaftswachstum der USA. Die Wertschöpfung
ist keine Konstante, so dass Einwanderer nur an ihrer Verteilung teilnehmen würden. Die Wertschöpfung steigt und Einwanderer tragen
zu diesem Anstieg bei. Die ausgezeichnete Performance der US-Wirt4
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Bildungs-Abschluss nach
Herkunftsland: 2000
100
Höher
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Highschool
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Inland
Ausland
Europa
Asien
Afrika Latein- Nordam.
am.
Quelle: U.S. Census Bureau
Berufe nach Herkunftsland: 2000
Manager
Techn., Verkauf
Service, Fachkräfte, Arbeiter
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40
20
0
Inland
Ausland
Europa
Asien
Afrika Latein- Nordam.
am.
Quelle: U.S. Census Bureau
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schaft in den 90er Jahren war nicht nur auf den Produktivitätszuwachs,
sondern auch auf den Anstieg der Erwerbsbevölkerung zurückzuführen. Dadurch hat sich das Potentialwachstum auf 3 ½-4 % p.a. erhöht.
Durchschnittliches Haushaltseinkommen nach Herkunftsland: 1999
60
Während der Anstieg der US-Bevölkerung in den 90er Jahren 13% betrug, stieg die Zahl der Einwanderer im gleichen Zeitraum um 44%. Mit
einem Prozentsatz von 11,6% der Beschäftigten haben die im Ausland
geborenen Arbeitnehmer einen hohen, jedoch nicht maßgeblichen Anteil an der Erwerbstätigenbevölkerung.
Die sozialen Aspekte der Anti-Einwanderungs-Bewegung konzentrieren sich auf die Integration der ausländischen Bevölkerung. Die Befürworter einer Einwanderungsbeschränkung vertreten die Auffassung,
dass sich die Immigranten in vielen Fällen nicht in die amerikanische
Gesellschaft integrieren und sich weigern, die englische Sprache zu
erlernen und sich der Kultur des Landes und den amerikanischen Wertvorstellungen anzupassen. Diese Argumentation ist z. T. auf soziologische Trends zurückzuführen, die in den letzten Jahrzehnten von den
liberal gesonnenen Eliten vertreten wurden. Diese haben an einigen
amerikanischen Universitäten und in den Medien eine vorherrschende
Position. Ihre Forderungen sind u.a. die Förderung der Zweisprachigkeit, eine multikulturelle Gesellschaft, und „Political Correctness“. Außerdem bringen sie vielfach ihre Kritik an der amerikanischen Geschichte
und am politischen System der USA zum Ausdruck. Trotz dieser Erschwernisse integrieren sich die Einwanderer jedoch früher oder später erfolgreich in die amerikanische Gesellschaft. Jüngsten Meinungsumfragen zufolge verwendet sogar in der spanischsprachigen Bevölkerung (die am stärksten zur Muttersprache neigt) nur 1% der dritten
Generation zu Hause überwiegend oder ausschließlich die spanische
Sprache.
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Inland
Ausland
Europa
Asien
Afrika Latein- Nordam.
am.
Quelle: U.S. Census Bureau
Außerdem war bei allen Einwanderern immer ein starker Wunsch nach
Erfolg festzustellen. Nach den Beobachtungen von Tamar Jacoby, Senior Fellow am Manhattan Institute, arbeiten die Kinder von Einwanderern mehr als ihre im Inland geborenen Klassenkameraden. Sie machen durchschnittlich ca. zwei Stunden lang Hausaufgaben pro Tag,
während normalerweise 30 Minuten „üblich“ sind.2 Im Verlauf ihrer
weiteren Schulausbildung haben sie im allgemeinen die besseren Noten; Schulabbrüche kommen bei ihnen seltener vor. Obwohl viele Einwanderer zunächst eher den unteren sozioökonomischen Schichten zuzuordnen sind, schaffen die meisten von ihnen den Sprung in die Mittelschicht und viele erarbeiten sich eine bessere wirtschaftliche Situation als im Inland geborene Amerikaner. Die Zusammensetzung der amerikanischen Gesellschaft, die ein Konglomerat der aufeinander folgenden Einwanderungsströme der letzten 350 Jahre ist, lässt eindeutig
auf die erfolgreiche Integration der Immigranten schließen.
Die ökologischen Argumente der Einwanderungsgegner sind am wenigsten nachvollziehbar und in hohem Maße anachronistisch. Einige
beinhalten, dass die Zuwanderung dem Raubbau an ökologischen Ressourcen und der Verschmutzung der Umwelt Vorschub leistet. Auch
„prähistorische“ Argumente werden vorgebracht, wonach die Indianer,
die vor ca. 13.000 Jahren über die Beringstraße kamen, die Fauna des
Kontinents durch eine zu starke Bejagung nahezu ausrotteten.
Diese Argumente sind weit hergeholt. Es besteht naturgemäß ein Widerspruch zwischen Zivilisation und Umwelt, und es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Einwanderer stärker zur Umweltverschmutzung
beitragen als die inländische Bevölkerung.
2
Tamar Jacoby ”Too Many Immigrants?” — Comment, April 2002, Manhattan Institute
for Policy Research. Dies ist auch die Quelle anderer in diesem Artikel enthaltener Informationen.
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Das Thema Sicherheit ist der neueste Diskussionspunkt in der Einwanderungsdebatte. Die Sicherheitsthematik könnte in der Frage einer potentiellen Beschränkung der Einwanderungszahlen die größte
Rolle spielen. Besondere Brisanz erhielt dieses Argument durch die
Terroranschläge vom 11. September, die anschließenden Warnungen
hinsichtlich der hohen Wahrscheinlichkeit weiterer Anschläge und die
Aufdeckungen mangelnder Kooperation und Koordination zwischen den
maßgeblichen Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden. All diese Entwicklungen haben zu einem allgemeinen Gefühl der Unsicherheit in
den USA, verbunden mit Ängsten in Bezug auf Ausländer, geführt.
Das Sicherheitsargument entbehrt jeglicher Grundlage, wird jedoch am häufigsten ins Feld geführt
Diese Argumentation ist zwar vollkommen irrational, findet jedoch breite
Unterstützung in der Bevölkerung. Die meisten tatsächlichen oder
mutmaßlichen Terroristen vom 11. September verfügten über ein gültiges US-Visum. Viele von ihnen lebten und studierten seit langem in
den USA, einige von ihnen besaßen sogar die amerikanische Staatsbürgerschaft. Eine radikale Beschränkung der Einwanderung in die USA
wäre jedoch eine vollkommen sinnlose Maßnahme. Sie hätte mehr
negative als positive Konsequenzen, ohne eine Verbesserung der inneren Sicherheit herbeizuführen. Wenn sich die Befürworter einer Beschränkung der Einwanderung jedoch durchsetzen könnten, so wäre
dies sicherlich vor allem auf die Sicherheitsaspekte zurückzuführen.
Einwanderungspolitik der Regierung
Während die Anti-Einwanderungs-Bewegung in den letzten Jahren bei
Intellektuellen, Gewerkschaften und Umweltschutzorganisationen zunehmende Popularität erlangt hat, war die Unterstützung auf politischer
Ebene nicht sehr groß. Einwanderungskritische Einschätzungen werden bisher nicht vom Kongress geteilt und haben den Diskussionsprozess auf dieser Ebene bis dato nicht beeinflusst. Die Grundvorstellungen des Kongresses sind eher auf eine effizientere Durchsetzung der
bestehenden Einwanderungspolitik als auf eine prinzipielle Reform ausgerichtet.
Die Republikanische Partei, die die Gegner einer zu starken Einwanderung Mitte der 90er Jahre in Kalifornien unterstützt hatte, steht jetzt
fest hinter dem Präsidenten. Sowohl im Wahlkampf als auch zu Beginn
seiner Amtsperiode war Bush ein starker Befürworter einer Liberalisierung – nicht einer Verschärfung – der Einwanderungsgesetze. Da er
sich jedoch in seiner bisher 18-monatigen Amtszeit als Politiker erwiesen hat, der flexibel agiert, könnte er seine Meinung in dieser Frage
durchaus ändern. Durch die Terroranschläge vom 11. September und
die jüngsten Informationen, wonach die amerikanische Regierung angeblich nicht ausreichend vorbereitet war, könnte sich die Haltung der
politischen Führung zum Thema Zuwanderung ändern. In politischen
Kreisen wird vielfach erwartet, dass dieses Thema eine wichtige Rolle
bei den Kongresswahlen im November und den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2004 spielen wird.
Die Regierung lehnt Verschärfung der
Einwanderungsgesetze zwar ab ...
Es besteht kein Zweifel, dass eine grundlegende Reform der US-Einwanderungspolitik dringend notwendig ist. Die für die praktische Umsetzung der Immigrationspolitik zuständige Einwanderungsbehörde INS
(Immigration and Naturalization Service) dürfte eine der Bundesbehörden sein, die mit der geringsten Effizienz arbeiten. Berichten zufolge
warten 4 Millionen einwanderungsberechtigte Personen auf eine Bearbeitung ihrer Papiere. Die INS, die gegenwärtig dem Justizministerium
angehört, soll nach dem Vorschlag Präsident Bushs dem neuen Ministerium für Innere Sicherheit unterstellt sein.
... allerdings ist eine grundlegende Reform notwendig
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Aktuelle Themen
Während die Politik der Regierung darauf ausgerichtet ist, die Anzahl
der legalen Einwanderer zu kontrollieren und zu begrenzen, kommen
jedes Jahr Hunderttausende illegaler Immigranten ohne große Schwierigkeiten als billige Arbeitskräfte ins Land. Schätzungen zufolge sind
ca. ein Viertel aller in den USA lebenden Personen, die im Ausland geboren sind, illegale Einwanderer.
Das Fehlen einer Einwanderungspolitik der USA kommt besonders in
Bezug auf Mexiko zum Ausdruck. Eine wesentliche Zielsetzung für die
Gründung des Freihandelsbündnisses NAFTA (North American Free Trade Agreement) bestand darin, die illegale Einwanderung aus Mexiko
durch die Errichtung von US-Industriebetrieben zu reduzieren.
Entgegen der Erwartungen ist die
Zahl illegaler Einwanderer aus
Mexiko durch NAFTA nicht zurückgegangen
Die Realität sah jedoch anders aus. Zwar spielten die US-Investitionen
in Mexiko eine große Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und den Anstieg des Lebensstandards der Bevölkerung. Außerdem hat sich der Bevölkerungszuwachs in Mexiko rasch verlangsamt,
was zum großen Teil auf die positiven Auswirkungen von NAFTA zurückzuführen ist. (Die mexikanische Geburtenrate ist in den letzten drei
Jahrzehnten gesunken: die durchschnittliche Anzahl der Kinder pro Frau
fiel von 6,5 auf 2,5). Dies hat die illegale Einwanderung aus Mexiko
jedoch nur geringfügig beeinflusst.
Die Anziehungskraft der amerikanischen Wirtschaft ist offensichtlich so
groß, dass zahlreiche mexikanische Einwanderer ins Land kommen
(80% der Landarbeiter in den USA sind Mexikaner), obwohl durch NAFTA
viele Arbeitsplätze in Mexiko geschaffen wurden. Die Einwanderungen
wurden dadurch erleichtert, dass besonders während des Booms der
90er Jahre mexikanische Einwanderer – sowohl legale als auch illegale
– den amerikanischen Unternehmen sehr willkommen waren, da sie
auch zur Annahme von Arbeitsplätzen bereit waren, die von US-Amerikanern nicht akzeptiert wurden.
Eine große Schwäche der US-Einwanderungsgesetze besteht darin,
dass sie z. T. antiquiert sind. Sie basieren im wesentlichen auf dem
Prinzip der Familienzusammenführung. Bei der Bearbeitung von Visumsanträgen werden Familien legaler, bereits in den USA ansässiger Einwanderer gegenüber Personen mit hohem Qualifikations- und Bildungsstandard bevorzugt (letzteres Prinzip wird im allgemeinen in Kanada
berücksichtigt). Dies hat historische Ursprünge. Bei den frühen Immigrationsströmen handelte es sich vorwiegend um politische Einwanderer – Personen, die aufgrund religiöser und politischer Verfolgung aus
ihren Heimatländern geflohen sind. Im 19. Jahrhundert dominierte die
politisch motivierte Einwanderung. Dies galt bedingt durch die Flucht
vor dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus auch für die 30er
Jahre des 20. Jahrhunderts und für die Zeit des Kalten Krieges. Das
Prinzip der Familienzusammenführung war vor dem Hintergrund des
politischen Charakters dieser Einwanderungsströme als geeignete Politik anzusehen.
Im Mittelpunkt der Einwanderungsgesetze steht die Familienzusammenführung, nicht die Berufsausbildung des
Immigranten
Im späteren Verlauf des 19. Jahrhunderts und im 20. Jahrhundert erfolgten Einwanderungen allerdings in den meisten Fällen aus ökonomischen Überlegungen. Es wurde eine höhere Lebensqualität angestrebt,
und die Faktoren Qualifikation und Bildung erlangten zunehmende Bedeutung. Die bevorzugte Behandlung von Familien ausländischer Herkunft mit bereits in den USA lebenden Angehörigen in der Zuwanderungspolitik ist sicherlich humaner; in Bezug auf die ökonomischen
Notwendigkeiten ist sie jedoch nicht notwendigerweise adäquat. Sie
erfordert einen höheren Kostenaufwand, und sie gibt der Anti-Immigrations-Bewegung Auftrieb.
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1. August 2002
Fazit
Die Zunahme einwanderungsfeindlicher Tendenzen ist kein ausschließlich amerikanisches Phänomen. Wie die aktuelle politische Situation in
Ländern wie z.B. Österreich, Dänemark, Frankreich und den Niederlanden zeigt, stößt die Beschränkung der Einwanderung auch in Europa
auf erhöhte Unterstützung. Es gibt zwei Hauptfaktoren, die Anti-Einwanderungs-Tendenzen in Europa Auftrieb verleihen – der Kampf um
Arbeitsplätze und die zunehmende Kriminalität.
Die Anti-Immigrationskampagne ist
kein typisch amerikanisches Phänomen
Der Stellenwert und die Dimension einwanderungsfeindlicher Tendenzen in Europa und den USA unterscheiden sich jedoch erheblich. Die
Gesellschaft der europäischen Länder hat einen weitgehend homogenen Charakter. Der Zustrom ausländischer Arbeitskräfte begann mit
dem Entstehen der Wohlstandsgesellschaft; einheimische Arbeitnehmer waren z. T. nicht mehr bereit, Arbeitsplätze mit untergeordneten
Tätigkeiten anzunehmen. Arbeitnehmer, die im Ausland geboren sind,
haben eine wichtige komplementäre Funktion; der soziale Aufstieg ist
ihnen jedoch nur bedingt gelungen. Sie haben sich nicht wirklich in die
jeweilige Gesellschaft integriert, obwohl es jetzt mehrere Generation
von Einwanderern in vielen europäischen Ländern gibt.
Die Situation in den Vereinigten Staaten ist vollkommen anders: in den
USA ist praktisch jeder in der gegenwärtigen Generation bzw. in den
früheren Generationen Immigrant. Die USA sind ein ‘Schmelztiegel’,
der eine neue Gesellschaft geschaffen hat – „aus vielen eines“ (e pluribus unum – der Inschrift auf der Dollarmünze entsprechend). Ein Verbot oder eine starke Beschränkung der Zuwanderung in Europa wäre
ganz einfach schädlich für die Wirtschaft. In den USA wären solche
Maßnahmen dagegen fatal und praktisch undenkbar.
Nahezu jeder Amerikaner ist ein
Einwanderer – eine drastische Verschärfung der Einwanderungspolitik
ist daher kaum denkbar
Eine Prognose, welche Entwicklung die Einwanderungsdebatten nehmen, welche Änderungen der Einwanderungsgesetze vorgenommen
und wie sie umgesetzt werden, ist nicht möglich. Unsicherheiten bestehen auch bezüglich potentieller Auswirkungen auf die US-Wirtschaft,
die politische Situation und das soziale Gefüge der Nation. Eines scheint
aber sicher – die Einwanderungsproblematik wird in den kommenden
Jahren eine große Rolle spielen.
Trotz der jüngsten Entwicklungen und der seit den Terroranschlägen
vom 11. September bestehenden Befürchtungen und Skepsis ist meiner Einschätzung nach keine erhebliche Beschränkung der Einwanderung in die USA zu erwarten. Isolationistische Tendenzen dürften sich
jedoch infolge der Anti-Einwanderungs-Diskussion verstärken. Eine Ausbreitung des Isolationismus ist als Reaktion auf die anhaltende Amerika-Kritik von Seiten europäischer Politiker und der Medien ohnehin festzustellen. Es ist historisch nachweisbar, dass eine isolationistische Politik Amerikas sowohl für die USA als auch für Europa zu allen Zeiten
negative Auswirkungen gehabt hat. Es ist sehr bedauerlich, dass diese Tatsache von den Regierungen auf beiden Seiten des Atlantiks nicht
ausreichend berücksichtigt wird.
Mieczyslaw Karczmar, +1 212 586-3397 ([email protected])
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Print: ISSN 1430-7421 / Internet: ISSN 1435-0734
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