www.boeckler.de – März 2007 Copyright © Hans-Böckler-Stiftung FAQ – Häufig gestellte Fragen zum Jahresabschluss Komplett-Version Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse: Informationen für Aufsichtsräte und Betriebsräte Auf einen Blick … FAQ eröffnen oft einen direkteren Zugang zu einem Thema als ausführliche Fachbücher. Die hier ausgewählten Fragen sind das Ergebnis zahlreicher Schulungen, die die Hans-Böckler-Stiftung für Aufsichts- und Betriebsräte durchgeführt hat. Insofern sind es Fragen aus der Praxis, mit denen Aufsichts- und Betriebsräte in der Auseinandersetzung mit der wirtschaftlichen Situation „ihres“ Unternehmens immer wieder konfrontiert sind. www.boeckler.de Copyright © Hans-Böckler-Stiftung Löschen © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 Inhaltsverzeichnis 1 Was versteht man unter „Rechnungslegung“? 5 2 Wer muss einen Jahresabschluss aufstellen? 5 3 Worin besteht der Unterschied zwischen Rückstellungen und Rücklagen? 5 4 Was versteht man unter einem Sonderposten mit Rücklageanteil (SoPo)? 8 5 Warum ist „Gewinn“ nicht gleich „Liquidität“? 6 Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV)? 12 7 Wie errechnet sich das Eigenkapital eines Unternehmens? 8 Was ist der Unterschied zwischen einem Geschäftsbericht, einem Jahresabschluss und einem Prüfungsbericht? 15 9 Wer muss einen Geschäftsbericht und/oder einen Jahresabschluss und/oder einen Prüfungsbericht aufstellen? 16 10 Muss der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers veröffentlicht werden? 16 11 Bedeutet ein negatives Eigenkapital/ein „nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“, dass das Unternehmen insolvent ist? 18 12 Unter welchen Bedingungen darf die Konzernobergesellschaft Gewinne ihrer Tochtergesellschaften abziehen? 19 13 In welchem Umfang darf das Unternehmen Abschreibungen bilden? 20 14 Warum führt eine Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Umsatzkostenverfahren zu dem gleichen Ergebnis wie eine Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Gesamtkostenverfahren, obwohl das Umsatzkostenverfahren keine Bestandsveränderungen enthält? 22 15 Was versteht man unter dem Begriff „Finanzierung aus Rückstellungen“? 25 16 Wodurch wird festgelegt, welche Vermögensgegenstände und Schulden in der Bilanz ausgewiesen werden müssen bzw. dürfen? 25 10 13 17 Wodurch wird festgelegt, mit welchem Wert ein Vermögensgegenstand und die Schulden in der Bilanz anzusetzen sind? 26 18 Was versteht man unter „Aktivierung“ und „Passivierung“? 19 Worin unterscheiden sich bilanzielles, nominelles, wirtschaftliches und haftendes Eigenkapital? 27 20 Worin besteht der Unterschied zwischen Abschreibungen und Wertberichtigungen? 30 21 Was bedeutet „Vorratsbewertung zu Vollkosten“? 30 22 Worin unterscheiden sich in- und externes Rechnungswesen? 31 23 Was ist der Unterschied zwischen einer Handels- und einer Steuerbilanz? Woran erkennt man die jeweilige Bilanz? 33 24 Was versteht man unter einer Konsolidierung? 35 25 Was sind stille Reserven, und wie können sie entstehen? 39 26 Worin unterscheiden sich das Betriebsergebnis, das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, der Jahresüberschuss und der Bilanzgewinn? 40 27 Warum wird zusätzlich zum Einzelabschluss ein Konzernabschluss aufgestellt? 42 28 Welche Angaben gehören in den Anhang? 43 29 Was ist ein Bilanzausschuss? 44 30 Wozu dient der Lagebericht? 44 © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 27 2 von 102 31 Was ist eine Kapitalflussrechnung? 45 32 Was ist ein Segmentbericht? 46 33 Was sind Eventualverbindlichkeiten? 47 34 Was bedeutet Off-balance-Gestaltung? 48 35 Wie unterscheiden sich Rückstellungen von Verbindlichkeiten, bzw. wann muss man eine Rückstellung in der Bilanz bilden und wann eine Verbindlichkeit ausweisen? 50 36 Was versteht man unter dem „gezeichneten Kapital“? 51 37 Was sind Kapitalrücklagen? 51 38 Was ist ein Cash Flow? 52 39 Wie oft muss ein Jahresabschluss aufgestellt werden? 53 40 Wie kommt es zustande, dass das Eigenkapital eines Tochterunternehmens größer ist als das der Konzernmutter? 53 41 Was bedeutet Publizitätspflicht? 54 42 Welche Folgen hat die Verletzung der Publizitätspflichten? 55 43 Wer kann die Einhaltung der Publizitätspflichten durchsetzen? 55 44 Wie wird die Höhe der Pensionsrückstellungen im Jahresabschluss berechnet? 56 45 Was versteht man unter Handelsbilanz, Steuerbilanz, Strukturbilanz, Sonderbilanz und Ergänzungsbilanz? 58 46 Was sind latente Steuern? 59 47 Ist das Testat ein „Gesundheitsattest“ des Wirtschaftsprüfers für Unternehmen? 60 48 Worin besteht der Unterschied zwischen Bilanzpolitik und Bilanzfälschung? 60 49 Was versteht man unter „Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs“, und wie werden diese in der Bilanz erfasst? 61 50 Was passiert, wenn ein Unternehmen überschuldet ist? 62 51 Worin unterscheiden sich Pauschalwertberichtigungen und Einzelwertberichtigungen? 64 52 Stimmt es, dass „Liquidität“ wichtiger ist als „Rentabilität“? 65 53 Worin unterscheidet sich ein „Jahresabschluss“ von einem „Konzernabschluss“? 67 54 Ist für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens der Gewinn oder der Cash Flow besser geeignet? 68 55 Welche Fristen gibt es für den Jahresabschluss? 69 56 Was ist ein Goodwill? Was ist ein Badwill? 71 57 Was sind Rechnungsabgrenzungsposten, und zu welchem Zweck werden sie gebildet? 72 58 Was versteht man unter „schwebenden Geschäften“, und wie werden sie bilanziell berücksichtigt? 73 59 Wodurch unterscheiden sich Betriebe von Unternehmen? 74 60 Was versteht man unter „Windowdressing“? 74 61 Worin unterscheiden sich Produktivität und Wirtschaftlichkeit? 74 62 Was ist das Stichtagsprinzip, und welche Folgen hat es? 75 63 Welche Abschreibungsarten werden unterschieden? 76 64 Was versteht man unter einer „Plausibilitätsprüfung“ im Rahmen der handelsrechtlichen Jahresabschlussprüfung? 77 Was versteht man unter einer „Nachtragsprüfung“? 78 65 © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 3 von 102 66 Was besagt der Grundsatz des „true and fair“ view, und welche Auswirkungen hat er auf die Bilanzierungspraxis? 78 67 Was versteht man unter Due Diligence? 80 68 Was versteht man unter einem Impairment-Test, und wann ist ein Impairment-Test durchzuführen? 80 69 Was versteht man unter LIFO und FIFO, und was unterscheidet beide? 81 70 Was versteht man unter Zahlungsunfähigkeit, und was unterscheidet die Zahlungsunfähigkeit von der drohenden Zahlungsunfähigkeit? 82 71 Dürfen immaterielle Werte in der Bilanz aktiviert werden? 83 72 Was unterscheidet Eventualverbindlichkeiten von Rückstellungen? 84 73 Was ist unter dem handelsrechtlichen Begriff „Vermögensgegenstand“ zu verstehen? 85 74 Was ist unter dem handelsrechtlichen Begriff „Schulden“ zu verstehen? 85 75 Was bedeutet EBIT bzw. EBITDA? 85 76 Warum ist es so wichtig, zwischen Aufwand und Kosten bzw. Ertrag und Leistung zu unterscheiden? 87 77 Wodurch unterscheiden sich die offenen von den stillen Rücklagen? 87 78 Was ist eine Unterbilanz, und wann liegt eine Überschuldung vor? 88 79 Worin unterscheidet sich die Kapitalrücklage von den Gewinnrücklagen? 89 80 Welche Bilanzpositionen zeigen die Liquidität eines Unternehmens? 89 81 Welchen Einfluss hat die Bilanzpolitik auf die Bilanzstruktur? 90 82 Welche Möglichkeiten bestehen, die Eigenkapitalquote eines Unternehmens durch bilanzstrukturelle Maßnahmen zu verändern? 91 83 Was versteht man unter einem Substanzwert? 91 84 Darf die gesetzliche Rücklage aufgelöst werden, und wenn ja, in welcher Höhe und zu welchem Zweck? 92 85 Was versteht man unter gewillkürtem Betriebsvermögen? 93 86 Woran kann man erkennen, ob ein Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich arbeitet? 93 87 Was versteht man unter aktivierten Eigenleistungen? 94 88 Was versteht man unter einer Sonderbilanz, und welche Sonderbilanzen können unterschieden werden? 94 89 Was versteht man unter Rohertrag? 95 90 Welchen Wert besitzen „Testate“, wie Bestätigungsvermerke und Bescheinigungen von Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern? 96 91 Was sind Minderheitsanteile? 97 92 Was ist der Unterschied zwischen Umsatz und Gesamtleistung? 97 93 Wie kommt der Wert unfertiger und fertiger Erzeugnisse zustande? 98 94 Was versteht man unter „verlustfreier Bewertung“? 99 95 Was versteht man unter Working Capital? 96 Was ist unter den Grundsätzen der Bilanzklarheit, Bilanzwahrheit und der Bilanzvollständigkeit zu verstehen? 100 97 Wie ist eine Änderung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zu interpretieren? 101 98 Was ist der Unterschied zwischen Anlage- und Umlaufvermögen? 102 © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 100 4 von 102 1 Was versteht man unter „Rechnungslegung“? Rechnungslegung ist die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Art und Weise, mit der ein Unternehmen seine Geschäftsvorfälle zu erfassen und zu dokumentieren hat. Das geschieht durch Aufstellung eines Jahresabschlusses, mit dem das Unternehmen Dritten gegenüber Rechenschaft über seine Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage ablegt. Die dafür benötigten Daten liefert das Rechnungswesen des Unternehmens. Inhalt und Umfang der Rechnungslegung eines Unternehmens sind abhängig von den grundsätzlich für alle Kaufleute geltenden Vorschriften des Handelsgesetzbuch (HGB) sowie den ergänzenden Vorschriften für bestimmte Rechtsformen, bspw. des Aktiengesetzbuches oder des Publizitätsgesetzes. Dabei können die verschiedenen Adressaten des Jahresabschlusses u. U. ganz unterschiedliche Informationsinteressen an der Rechnungslegung des Unternehmens haben: Mögliche Adressaten Interesse an Rechnungslegung Finanzamt Steuerbemessung Gläubiger/ Kreditinstitute Beurteilung der Bonität (Kreditwürdigkeit) Unternehmenseigner Unternehmensentwicklung, Bemessung von Ausschüttungen Unternehmensleitung Steuerung / Planung des Unternehmens Beschäftigte Unternehmensentwicklung, Spielraum für Lohn- und Gehaltserhöhungen 2 Wer muss einen Jahresabschluss aufstellen? Die Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses gründet sich auf verschiedenen rechtlichen Vorgaben: Jeder Kaufmann hat nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (§ 238 ff. HGB) eine Buchführungspflicht. D. h. er muss seine Handelsgeschäfte so aufzeichnen, dass sich aus den Aufzeichnungen die wirtschaftliche Lage des Unternehmens erkennen lässt. Alle übrigen gewerblichen Unternehmen werden nach § 2 HGB mit ihrer Eintragung ins Handelsregister buchführungspflichtig. Die wichtigsten Ausnahmen von der Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses hat der Gesetzgeber für bestimmte Unternehmen zugelassen, um diesen eine ver- © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 5 von 102 einfachte Gewinnermittlung zu ermöglichen. Von der Aufstellung eines Jahresabschlusses sind demnach u. a. befreit: Gewerbliche Unternehmen nach dem Kleinunternehmerförderungsgesetz vom 31.07.2003 (z. B. bei einem Umsatz von bis zu 350 T€) Freiberuflich Tätige (z. B. Rechtsanwälte, Lotsen, Hebammen etc.) 3 Diese sind lediglich dazu verpflichtet, ihren Gewinn durch die Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben zu ermitteln (= Einnahmenüberschussrechnung) Worin besteht der Unterschied zwischen Rückstellungen und Rücklagen? Bei Rückstellungen und Rücklagen handelt es sich um ähnlich klingende aber grundsätzlich verschiedene Positionen auf der Passivseite einer Bilanz. Auf der Passivseite der Bilanz wird sowohl das Eigenkapital als auch das Fremdkapital erfasst. Der grundlegende Unterschied zwischen Rückstellungen und Rücklagen besteht nun darin, dass Rückstellungen Fremdkapital (= Verbindlichkeiten) sind, während Rücklagen zum Eigenkapital zählen. Rückstellungen muss ein Unternehmen bilden für künftige Verbindlichkeiten, die am Bilanzstichtag zwar dem Grunde nach feststehen, deren genaue Höhe und/ oder der Fälligkeitszeitpunkt aber nicht bekannt sind. Damit kann man Rückstellungen als eine Art Risikovorsorge der Unternehmensleitung verstehen, die ein „vorsichtiger Kaufmann“ gemäß HGB zu bilden hat. Die Bildung einer Rückstellung bedeutet immer einen zusätzlichen Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) und damit eine Verringerung von Gewinn und Eigenkapital: © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 6 von 102 Beispiel: Die X AG hat im abgelaufenen Geschäftsjahr Reinigungsmittel im Wert von 10 Mio. € verkauft. Der Vorstand der X AG rechnet auf Grund von Erfahrungswerten der Vergangenheit mit Gewährleistungsansprüchen in Höhe von T€ 500. GuV … Bildung von Gewährleistungsrückstellungen … … Folge: Reduzierung Gewinn um T€ 500 500 T€ Bilanz Aktiva Vermögen Bilanzsumme Passiva 50.000 T€ Eigenkapital 9.500 T€ 500 T€ Rückstellung für Gewährleistungen 40.000 T€ übrige Schulden 50.000 T€ Bilanzsumme 50.000 T€ Abb. 1 Abbildung von Rückstellungen in der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung Die Auflösung der Rückstellung erfolgt entweder liquiditätswirksam: Erfüllung der Ansprüche bei tatsächlichem Eintritt des Schadensfalles (Zahlung an den Gewährleistungsnehmer) oder ertragswirksam: Ertrag in der GuV durch „Auflösung von Rückstellungen“, sofern die Rückstellung nicht in Anspruch genommen wird, bzw. der Fall, für den die Vorsorge gebildet wurde, nicht eintritt. Möglich ist auch eine sowohl ertrags- wie liquiditätswirksame Auflösung, sofern nämlich im Schadensfall die bereits gebildete Rückstellung nicht ausreicht und für die Erfüllung der Ansprüche eine zusätzliche Rückstellung gebildet werden muss. Aus der Höhe der Rückstellungen kann der Bilanzleser somit die bereits gebildete Risikovorsorge, d. h. die dem Unternehmen daraus entstandenen Aufwendungen ablesen. Das bedeutet aber nicht, dass bei Eintritt des Risikos die Finanzierung in jedem Fall durch flüssige Mittel sichergestellt ist! Möglich ist auch, dass das Unternehmen nicht über die erforderliche Liquidität verfügt. Rücklagen sind Bestandteil des Eigenkapitals. Im Gegensatz zum Stammkapital oder dem gezeichneten Kapital zählen die Rücklagen zum variablen Eigenkapital. I. d. R. stammen die Rücklagen (Gewinn-, Kapitalrücklage) aus den Gewinnen der Vergangenheit: © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 7 von 102 Beispiel: Der Gewinn des vorangegangenen Geschäftsjahres der X AG in Höhe von 23,5 Mio. € wird im Folgejahr in die Gewinnrücklage umgebucht: Bilanz X AG - Jahr 1 Aktiva Passiva Eigenkapital I. Stammkapital II. Kapitalrücklage III. Gewinnrücklage IV. Jahresüberschuss Summe Eigenkapital … … 17,9 40,1 33,4 23,5 114,9 Mio. Mio. Mio. Mio. Mio. € € € € € 17,9 40,1 56,9 -3,1 111,8 Mio. Mio. Mio. Mio. Mio. € € € € € Bilanz X AG - Jahr 2 Aktiva … Passiva Eigenkapital I. Stammkapital II. Kapitalrücklage III. Gewinnrücklage IV. Jahresüberschuss Summe Eigenkapital … Abb. 2 Bildung von Rücklagen 4 Was versteht man unter einem Sonderposten mit Rücklageanteil (SoPo)? Durch die Bildung eines Sonderposten mit Rücklageanteil werden bestimmte Erträge eines Unternehmens von der Ertragsbesteuerung ausgenommen. In der Praxis werden Sonderposten mit Rücklageanteil vor allem in zwei Fällen gebildet: in Höhe erhaltener Investitionszuschüsse in Höhe der offen gelegten stillen Reserven bei Verkauf einer Immobilie. In beiden Fällen werden die Erträge (Investitionszuschüsse, der den Restbuchwert übersteigende Verkaufspreisteil) durch die Aufwendungen aus der Bildung des Sonderposten mit Rücklageanteils genau kompensiert. Damit bleibt der Jahresüberschuss eines Unternehmens von diesen Geschäftsvorfällen unberührt, und durch die Erfolgsneutralität entstehen keine zusätzlichen Ertragssteuern. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 8 von 102 Beispiel: Bildung eines Sonderpostens mit Rücklageanteil Ein Unternehmen erwirbt eine Immobilie (Kaufpreis: 1.000 T€) und erhält dafür einen staatlichen Zuschuss (400 T€). Da der Zuschuss in der GuV als Ertrag verbucht wird, entsteht ein höherer Gewinn, mit dem i. d. R. eine höhere Steuerzahlung verbunden ist. GuV Bilanz Aktiva … … Immobilie Zuschuss dafür Steuern … zusätzlicher Gewinn Passiva 1.000 T€ Eigenkapital 400 T€ -200 T€ 200 T€ 800 T€ davon wg. Zuschuss 200 T€ Steuerverbindlichkeiten 200 T€ 1.000 T€ 1.000 T€ Alternative: Bildung eines Sonderpostens mit Rücklageanteil GuV Bilanz Aktiva … … Zuschuss Bildung SoPo mit RL-Anteil dafür Steuern Änderung Gewinn Immobilie Passiva 1.000 T€ Eigenkapital 600 T€ 400 T€ SoPo mit RL-Anteil -400 T€ 0 T€ +/- 0 T€ 1.000 T€ 400 T€ 1.000 T€ Durch die Bildung des Sonderpostens mit Rücklageanteil (SoPo) ist eine Steuerbelastung zwar vermieden worden. Da der SoPo in den folgenden Jahren aber gewinnerhöhend aufgelöst werden muss, tritt im Ergebnis nur ein Steuerstundungseffekt ein. Die durch die Auflösung entstehenden Mehrgewinne führen also nur zu einem späteren Zeitpunkt zur Steuerbelastung. Abb. 3: Beispiel für die Bildung eines Sonderpostens mit Rücklageanteil In der Bilanzanalyse wird der Sonderposten mit Rücklageanteil weder komplett dem Eigenkapital noch dem Fremdkapital zugeordnet. Vielmehr wird er i. d. R. zu je 50 % dem wirtschaftlichen Eigenkapital und dem Fremdkapital zugerechnet: Seine Auflösung erfolgt erfolgswirksam über die GuV. Durch den bei Auflösung des SoPo entstehenden Ertrag wird eine Steuerpflicht ausgelöst, bzw. eine entsprechende Verbindlichkeit in der Bilanz begründet (Aus Vorsichtsgründen wird in der Praxis oft von einer Steuerbelastung von 50% ausgegangen). Sie entspricht dem 50 %-igen Fremdkapitalanteil des Sonderpostens mit Rücklageanteil. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 9 von 102 5 Warum ist „Gewinn“ nicht gleich „Liquidität“? Der Gewinn ist der Maßstab für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens und wird durch die Gegenüberstellung von Erträgen und Aufwendungen im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) ermittelt. Die Liquidität bzw. Liquiditätsentwicklung bezeichnet dagegen die Entwicklung der Zahlungsströme innerhalb dieses Zeitraums. Ursache für die Ungleichheit beider Größen ist, dass nicht alle Erträge/ Aufwendungen zwangsläufig auch zahlungswirksam sein müssen. In der Praxis kommt es bei Unternehmen regelmäßig zu Abweichungen zwischen Gewinn- und Liquiditätsentwicklung. Ein Unternehmen kann z. B. hohe Gewinne ausweisen und dennoch Zahlungsschwierigkeiten haben (z. B. weil Kunden ihre Rechnungen noch nicht bezahlt haben) oder umgekehrt hohe Verluste erwirtschaften und gleichzeitig über eine komfortable Liquiditätssituation verfügen (z. B. weil das Unternehmen seine eigenen Verbindlichkeiten noch nicht beglichen hat). Dabei können die Abweichungen zwischen Gewinn und Liquidität vorübergehend bestehen, aber auch länger andauern. Gewinn und Liquidität stimmen allein in dem speziellen Fall überein, dass im Geschäftsjahr 1. die Umsatzerlöse (Ertrag Gewinnerhöhung) zu gleich hohen Einnahmen (Liquiditätszufluss) geführt haben konstante Forderungen aus Lieferung und Leistung 2. die erhaltenen Rechnungen für betrieblichen Aufwand (Aufwand Gewinnreduzierung) vom Unternehmen bezahlt wurden (Liquiditätsabfluss) konstante Verbindlichkeiten gegenüber Finanzamt/ Lieferanten 3. Die Abschreibungen (Aufwand Gewinnreduzierung) den Tilgungen (Liquiditätsabflüsse) exakt entsprechen 4. Investitionen über die Zuführung von liquiden Mitteln in der gleichen Höhe finanziert worden sind (Aufnahme von Darlehen, Kapitalerhöhung) 5. Gewinne (Erträge Gewinnerhöhung) nicht ausgeschüttet worden sind (Liquiditätszufluss aus Gewinnen). Diese Voraussetzungen zeigen, dass Gewinn und Liquidität eines Unternehmens i. d. R. auseinander fallen. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 10 von 102 Beispiel: Temporäre Abweichung zwischen Gewinn und Liquidität (die o.a. Annahmen gelten für das nachstehende Beispiel) Aufgrund drohender Prozessrisiken muss das Unternehmen im Jahr 1 eine Rückstellung in Höhe von T€ 1.000 bilden GuV Jahr 1 Umsatz Kosten Rückst. Gewinn 10.000 9.000 1.000 0 Bilanz Jahr 1 T€ T€ T€ T€ Aktiva Passiva Anlageverm. 8.000 T€ Eigenkapital 8.000 T€ 1.000 T€ Flüssige Mittel 1.000 T€ Rückst. Bilanzsumme 9.000 T€ Bilanzsumme 9.000 T€ --> Liquiditätszufluss T€ 1.000 totz Null-Gewinn Die Rückstellungen stellen (wie auch Abschreibungen) einen Aufwand dar, der aber zu keinem unmittelbaren Liquiditätsfluss führt. Das Ergebnis des Unternehmens verringert sich durch die Bildung der Rückstellung auf 0 T€. Der Liquiditätszufluss beträgt dennoch 1.000 T€. Im Jahr 2 wird das Unternehmen in dem Prozess zu einer Geldstrafe von 1.000 T€ verurteilt. Die Rückstellung wird verbraucht und die Strafe muss gezahlt werden (Liquiditätsabfluss). GuV Jahr 2 Umsatz Kosten 10.000 T€ 9.600 T€ Gewinn 400 T€ Bilanz Jahr 2 Aktiva Passiva Anlageverm. 8.000 T€ Eigenkapital 8.400 T€ Flüssige Mittel 400 T€ Bilanzsumme 8.400 T€ Bilanzsumme 8.400 T€ --> Liquiditätsbedarf T€ 600 trotz Gewinn (T€ 400 Gewinn - T€ 1.000 Prozesszahlung = Reduzierung der flüssigen Mittel um T€ 600) Obwohl das Unternehmen einen Gewinn erwirtschaftet hat, ist ihm keine Liquidität zugeflossen, da diese durch die Zahlung der Strafe kompensiert wurde. Abb. 4 Beispiel zur Unterscheidung von Gewinn und Liquidität Zur Analyse der Liquiditätsentwicklung wird eine so genannte Kapitalflussrechnung verwendet (auch als Mittelherkunfts- und Mittelverwendungsrechnung, Bewegungsbilanz oder Finanzstromanalyse bezeichnet), die genau die Verbindung herstellt zwischen dem Jahresüberschuss (Gewinn) und der Liquidität (Kontoentwicklung) (vgl. Frage 31). © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 11 von 102 6 Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV)? Rein formal stellt im System der doppelten Buchführung die GuV ein Bilanzkonto unter vielen dar. Hier werden sämtliche Erträge und Aufwendungen eines Geschäftsjahres gebucht, während beispielsweise auf den Darlehenskonten sämtliche Tilgungen und Darlehenszugänge erfasst werden. Bei der Bilanzerstellung werden dann die Salden sämtlicher Konten zum Eröffnungswert der entsprechenden Bilanzposition addiert. Beispiel: Bilanz: Wert zum 31.12. Aktiva Passiva Eigenkapital 1.1. + Jahresüberschuss = Eigenkapital 31.12. GuV: vom 1.1. bis 31.12. 2,5 Mio. € 1 Mio. € 3,5 Mio. € Umsatz ./. Materialaufwand ./. Personal ./. Abschreibungen ./. Son. Aufwand Gewinn 10 4 3 1 1 1 Mio. Mio. Mio. Mio. Mio. Mio. € € € € € € Abb. 5 Zusammenhang zwischen der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung Die Bilanz gibt damit einen Überblick über die Vermögens- und Finanzlage des Unternehmens zum Bilanzstichtag. Dabei werden auf der Aktivseite alle im Unternehmen vorhandenen Vermögensgegenstände (z. B. Gebäude und Grundstücke, Vorräte, Forderungen) aufgeführt. Die Passivseite stellt die Art der Finanzierung dar (z. B. Eigenkapital, langfristiges Fremdkapital oder kurzfristige Verbindlichkeiten wie Bankoder Lieferantenverbindlichkeiten). In der Gewinn und Verlustrechnung wird dagegen der Gewinn eines Jahres dargestellt. Diesen kann man alternativ auch aus der Bilanz als Veränderung der Eigenkapitalposition von einem Bilanzstichtag zum nächsten ermitteln. Ein zweiter wesentlicher Zusammenhang zwischen GuV und Bilanz wird durch das Prinzip der doppelten Buchführung begründet. So hat jede Buchung auf einem Konto eine Gegenbuchung auf einem anderen Konto zur Folge. D. h. jede in der GuV ausgewiesene Buchung zieht eine entsprechende Veränderung einer Bilanzposition nach sich. Das sei an folgenden Beispielen erläutert. Erzielt ein Unternehmen einen Umsatz, führt der zu einer Veränderung in der Bilanz, entweder durch einen Liquiditätszufluss (z.B. erhöht sich bei einem Bargeschäft die Bilanzposition „Kasse“) oder bei einem Rechnungsumsatz die Bilanzposition „Forderung aus Lieferung und Leistung“. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 12 von 102 Die Aufwandsposition „Abschreibungen“ in der GuV reduziert den ausgewiesenen Wert des Anlagevermögens in der Bilanz. Bilanz zum 01.01. Aktiva Passiva Eigenkapital 2,5 Mio. € Anlagevermögen 11,0 Mio. € Kasse Bilanzsumme Schulden 0,2 Mio. € 11,2 Mio. € Bilanzsumme 8,7 Mio. € 11,2 Mio. € GuV Umsatz davon Barumsatz … … Abschreibungen … Gewinn 10,0 Mio. € 0,5 Mio. € 1,0 Mio. € 1,0 Mio. € Bilanz zum 31.12. Aktiva Passiva Eigenkapital Anlagevermögen 10,0 Mio. € Kasse Bilanzsumme Schulden 0,7 Mio. € 10,7 Mio. € Bilanzsumme 3,5 Mio. € 7,2 Mio. € 10,7 Mio. € Abb. 6 Auswirkung von Erfolgsbuchungen auf die Bilanz Der per Saldo in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesene Gewinn (Verlust) erhöht oder verringert die Bilanzposition Eigenkapital. 7 Wie errechnet sich das Eigenkapital eines Unternehmens? Grundsätzlich ist das Eigenkapital stets die Differenz zwischen den in einer Bilanz auf der linken Seite ausgewiesenen Vermögenswerten (Aktiva) und den auf der rechten Seite ausgewiesenen Verbindlichkeiten (Passiva) eines Unternehmens. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 13 von 102 Bilanz Aktiva Vermögen Passiva 22 Mio. € Verbindlichkeiten 19 Mio. € Eigenkapital 3 Mio. € Abb. 7 Herleitung des Eigenkapitals aus der Bilanz In der Praxis wird das Eigenkapital durch jährliche Fortschreibung ermittelt: Zum Zeitpunkt der Gründung stellt das Eigenkapital eines Unternehmens dasjenige Kapital dar, das von den Unternehmensgründern in die Unternehmung eingebracht wurde (Stammkapital bei Aktiengesellschaften, Gezeichnetes Kapital bei Kapitalgesellschaften). Der Restbetrag, der zur Finanzierung des Anlage- und Umlaufvermögens benötigt wird, ist durch Fremdkapital (z. B. Bankdarlehen, Lieferantenverbindlichkeiten) zu finanzieren. Während sich im Laufe der Zeit z. B. die Bankdarlehen (gemäß der Regelung im Kreditvertrag) durch Tilgungen reduzieren, wird die Entwicklung des Eigenkapitals im Wesentlichen von der Ertragssituation und der Ausschüttungspolitik des Unternehmens bestimmt. Eigenkapital zum 01.01. + - Unternehmensgewinn Unternehmensverlust + - Kapitalerhöhungen Ausschüttungen (Dividenden) +/- ertragsneutrale Verrechnungen (z. B. Währungsdifferenzen) = Eigenkapital zum 31.12. Abb. 8 Beeinflussung des Eigenkapitals durch Ertragslage und Ausschüttungspolitik © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 14 von 102 Ein positiver Jahresüberschuss erhöht das Eigenkapital eines Unternehmens, während ein Unternehmensverlust das Eigenkapital entsprechend reduziert. Ertragsneutrale Verrechnungen sind in Konzernabschlüssen regelmäßig anzutreffen, können aber auch in Einzelabschlüssen ausgewiesen werden. So können nach dem HGB Änderungen von Wertansätzen auf Grund von Währungsdifferenzen zwischen zwei Stichtagen oder Firmenwerte direkt – das heißt ohne Berührung der GuV - mit den Rücklagen verrechnet werden. 8 Was ist der Unterschied zwischen einem Geschäftsbericht, einem Jahresabschluss und einem Prüfungsbericht? Bestandteile Der Geschäftsbericht ist die Veröffentlichung eines Unternehmens, in der es gegenüber den Anteilseignern und der interessierten Öffentlichkeit Rechenschaft über das abgelaufene Geschäftsjahr ablegt. Er umfasst i. d. R. die Rechnungslegungsinstrumente Jahresabschluss, Lagebericht der Geschäftsleitung, in einigen Fällen Teile des Wirtschaftsprüfungsberichts, freiwillige Informationen sowie häufig auch Bestandteile zur Selbstdarstellung des Unternehmens. Geschäftsbericht Jahresabschluss Jahresabschluss Gewinn- und Verlustrechnung Lagebericht Bilanz ggfs. Teile des Prüfberichtes Anhang Zusätzl.freiwillige Bestandt. wie: Prüfbericht Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses sowie des Lageberichts mit Stellungnahmen des Wirtschaftsprüfers. - Segmentberichterstattung - Kapitalflussrechnung - Eigenkapitalspiegel - Sozialbericht Pflicht Freiwillig Aufstellungspflicht für jeden Kaufmann Aufstellungspflicht bei mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften. Veröffentlichung - etc. Nein Ja Nein, lediglich der darin enthaltene Bestätigungsvermerk Adressaten Insbesondere: Insbesondere: Insbesondere: - Gläubiger - Gläubiger - potenzielle Investoren - Unternehmensleitung - Unternehmensleitung - Beschäftigte - Fiskus - Eigner (Aktionäre) - Interessierte Öffentlichkeit Abb. 9 Gegenüberstellung von Geschäftsbericht, Jahresabschluss und Prüfungsbericht © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 15 von 102 Der Jahresabschluss ist nur ein, wenn auch der zentrale Bestandteil des Geschäftsberichtes. Er besteht stets aus der Gewinn- und Verlustrechnung und der Bilanz. Bei Kapitalgesellschaften muss der Jahresabschluss um einen Anhang ergänzt werden. Die Geschäftsführung mittelgroßer und großer Kapitalgesellschaften muss zusätzlich zum Jahresabschluss einen Lagebericht erstellen. Bei kapitalmarktorientierten Konzernen muss der Jahresabschluss außerdem um eine Segmentberichterstattung, eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel ergänzt werden. Der Prüfungsbericht ist ein Bericht des Wirtschaftsprüfers zum entsprechenden Jahresabschluss. Die mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften sind gemäß Handelsgesetzbuch (§ 316 HGB) verpflichtet, ihren Jahresabschluss durch einen Abschlussprüfer (Wirtschaftsprüfer) testieren zu lassen. Der Wirtschaftsprüfer muss zunächst zur Lagebeurteilung der gesetzlichen Vertreter des Unternehmens Stellung nehmen. Darüber hinaus kontrolliert er die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und den Jahresabschluss auf vorschriftsmäßige – d. h. Gesetz und Satzung entsprechende – Erstellung. Diese Prüfungshandlungen werden innerhalb des Prüfungsberichts angegeben. Das Ergebnis der Prüfungshandlungen muss der Wirtschaftsprüfer in einem Bestätigungsvermerk (so genanntes Testat) dokumentieren. 9 Wer muss einen Geschäftsbericht und/oder einen Jahresabschluss und/oder einen Prüfungsbericht aufstellen? Jeder Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuches muss einen Jahresabschluss aufstellen (§ 238 ff. HGB). Diese Buchführungspflicht wird in § 141 der Abgabenordnung auf alle übrigen gewerblichen Unternehmen mit einer bestimmten Größenordnungen ausgedehnt, die nach § 2 HGB mit ihrer Eintragung ins Handelsregister buchführungspflichtig werden (vgl. zu den Größenklassen Frage 2). Einen Prüfungsbericht muss dagegen nur ein prüfungspflichtiges Unternehmen erstellen lassen. Die Prüfungspflicht ergibt sich dabei aus § 316 HGB und gilt für alle mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften. Eine Kapitalgesellschaft wird als mittelgroß bzw. groß eingestuft, wenn zwei der drei folgenden Kriterien an den letzten beiden Bilanzstichtagen erfüllt sind: Größenmerkmale von Kapitalgesellschaften nach § 267 HGB Bilanzsumme (Mio. €): Umsatzerlöse (Mio. €): Mitarbeiter: klein bis 4,015 bis 8,03 bis 50 © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 mittelgroß über 4,015 bis 16,06 über 8,03 bis 32,12 über 50 bis 250 groß über 16,06 über 32,12 über 250 16 von 102 Der Geschäftsbericht dient in erster Linie dazu, gegenüber den Gesellschaftern des Unternehmens und der interessierten Öffentlichkeit Rechenschaft über den Verlauf des vergangenen Geschäftsjahres abzulegen. Geschäftsberichte werden typischerweise von börsennotierten Aktiengesellschaften erstellt. Die Pflicht zur Erstellung ergibt sich dabei aus der Pflicht zur Erstellung der einzelnen Bestandteile. Die Erstellung des Geschäftsberichts selbst ist freiwillig. 10 Muss der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers veröffentlicht werden? Nein, das Handelsgesetzbuch schreibt lediglich vor, dass der Bestätigungsvermerk bzw. der Vermerk über dessen Versagung veröffentlicht werden muss. Allerdings können nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Gesellschafter und Gläubiger eines Unternehmens unter bestimmten Voraussetzungen Einsicht in die Prüfungsberichte der letzten drei Jahre nehmen (§ 321 a HGB). Umfang der Offenlegung (am Beispiel von großen Kapitalgesellschaften) - Jahresabschluss - Lagebericht - Bericht des Aufsichtsrates Bei Mutterunternehmen inkl. der Ergebnisse der Prüfung des Konzernabschlusses und des Lageberichts - Ergebnissverwendungsvorschlag Inkl. des Beschlusses über die Ergebnisverwendung - Entsprechendserklärung zum Corporate Governance Kodex Bestätigungsvermerk (bzw. Versagungsvermerk) Ggf. Änderungen des Jahresabschlusses bzw. des Bestätigungsvermerks Nur bei börsennotierten Kapitalgesellschaften - Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz und Anhang Nur bei prüfungspflichtigen Kapitalgesellschaften Aufgrund eines Feststellungsbeschlusses bzw. einer Nachprüfung Abb. 10 Offenlegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften Innerhalb von zwölf Monaten nach der Aufstellung des Jahresabschlusses müssen diese Unterlagen beim zuständigen Handelsregister eingereicht werden. Im Bundesanzeiger muss bekannt gemacht werden, unter welcher Registernummer bei welchem Handelsregister die Unterlagen einzusehen sind (kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften). Große Kapitalgesellschaften sind verpflichtet, ihre Unterlagen analog zu den kleinen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften beim Handelsregister einzureichen und zusätzlich diese Unterlagen im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 17 von 102 11 Bedeutet ein negatives Eigenkapital/ein „nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“, dass das Unternehmen insolvent ist? Nein, nicht generell. Der Begriff der Insolvenz ist in der Insolvenzordnung (InsO) definiert. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wird auf Antrag (z. B. durch Geschäftsführer oder Gläubiger) ausgelöst, wenn einer der drei folgenden Tatbestände erfüllt ist: Zahlungsunfähigkeit drohende Zahlungsunfähigkeit Überschuldung (nicht bei Personengesellschaften). Eine bilanzielle Überschuldung ist dann gegeben, wenn die Vermögenswerte in einer Bilanz kleiner ausfallen als die ausgewiesenen Verbindlichkeiten, wenn also ein negatives Eigenkapital vorhanden ist. HGB-Bilanz Aktiva Vermögensgegenstände Negativkapital Bilanzsumme Passiva 8.000 T€ Schulden 2.000 T€ 10.000 T€ Bilanzsumme 10.000 T€ 10.000 T€ Abb. 11 Beispiel für eine bilanzielle Überschuldung Die bilanzielle Überschuldung, d. h. ein in der Bilanz ausgewiesenes Negativkapital, führt jedoch nicht automatisch zu einem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Entscheidend ist vielmehr, ob die tatsächlichen Vermögenswerte kleiner ausfallen als die Verbindlichkeiten eines Unternehmens. Dafür ist eine Neubewertung sämtlicher Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten erforderlich, die in einer Überschuldungsbilanz - auch Vermögensstatus genannt – durch einen branchenkundigen Dritten erfolgt. Anders als im HGB vorgeschrieben sind dabei z. B. stille Reserven mit anzusetzen, um den tatsächlichen Wert der Vermögensgegenstände zu ermitteln. Stille Reserven entstehen dadurch, dass ein Vermögensgegenstand entweder schneller abgeschrieben wird, als er tatsächlich an Wert verloren hat (z. B. durch Sonderabschreibungen), oder dass der Wert des Vermögensgegenstandes im Zeitverlauf sogar gestiegen ist (z. B. bei einer Immobilie). Diese Wertsteigerung darf in der Bilanz nicht angesetzt werden, so dass sie auch nicht offen ausgewiesen wird. Der Differenzbetrag zwischen dem tatsächlichen Wert und dem Restbuchwert wird als „stille Reserve“ bezeichnet. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 18 von 102 Überschuldungs-Bilanz Aktiva Vermögensgegenstände + Stille Reserven = tatsächliches Vermögen Bilanzsumme Passiva 8.000 T€ Eigenkapital 2.500 T€ Schulden 500 T€ 10.000 T€ 10.500 T€ 10.500 T€ Bilanzsumme 10.500 T€ Abb. 12 Beispiel für eine Überschuldungs-Bilanz Sind genügend stille Reserven vorhanden, so dass der tatsächliche Wert der Vermögensgegenstände (inkl. der nicht in der Bilanz ausgewiesenen stillen Reserven) die Verbindlichkeiten übersteigt, hat das Unternehmen de facto Eigenkapital, ist nicht substanziell überschuldet und muss daher auch nicht Insolvenz wegen Überschuldung anmelden. Als Insolvenzgrund möglich bleibt aber auch in diesem Falle die (drohende) Zahlungsunfähigkeit. 12 Unter welchen Bedingungen darf die Konzernobergesellschaft Gewinne ihrer Tochtergesellschaften abziehen? Konzernobergesellschaften können auf der Grundlage von Gewinnabführungsverträgen (bzw. Teilgewinnabführungsverträge oder andere Unternehmensverträge) die Gewinne ihrer Tochtergesellschaften aus diesen Unternehmen abziehen. Das Recht der Konzernobergesellschaft auf den Gewinn der Tochtergesellschaft ist aber auch bei Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrags nicht uneingeschränkt, da z. B. Gewinne im Tochterunternehmen zurückbehalten werden müssen, um gesetzliche Vorschriften zu erfüllen, wie z. B. bei Aktiengesellschaften die Bildung einer gesetzlichen Eigenkapital-Rücklage (§ 300 AktG). In der Praxis verläuft die Verschiebung von Gewinnen zwischen Unternehmen häufig nicht über Gewinnabführungsverträge sondern über die entsprechende Festsetzung von Verrechnungspreisen durch die Konzernobergesellschaft: © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 19 von 102 Beispiel: Gewinnverschiebung durch entsprechende Festlegung von Verrechnungspreisen Das Tochterunternehmen erstellt ein Erzeugnis, das als Vorprodukt an die Muttergesellschaft verkauft wird. GuV Muttergesellschaft Umsatz Materialaufwand übrige Kosten Gewinn 100.000 10.000 92.000 -2.000 GuV Tochterunternehmen T€ T€ T€ T€ Umsatz 10.000 T€ Kosten Gewinn 7.000 T€ 3.000 T€ Um die Verluste in der Muttergesellschaft zu vermeiden, legt die Mutter neue Verrechnungspreise fest. Der Preis für die Leistung der Tochtergesellschaft wird um 30 % (3.000 T€) gesenkt. Dadurch wird der Gewinn der Tochterunternehmung abgezogen und zur Muttergesellschaft verlagert. GuV Konzernobergesellschaft Umsatz Materialaufwand übrige Kosten Gewinn 100.000 7.000 92.000 1.000 T€ T€ T€ T€ GuV Tochterunternehmen 30 % - ige Umsatz 7.000 T€ Kosten Gewinn 7.000 T€ 0 T€ Preissenkung Abb. 13 Beispiel Verschiebung von Gewinnung durch Gestaltung von Verrechnungspreisen Die Verrechnungspreise müssen einer Betriebsprüfung Stand halten, so dass Gewinnverschiebungen durch die Steuerung von Verrechnungspreisen nicht in unbegrenztem Umfang möglich sind. 13 In welchem Umfang darf das Unternehmen Abschreibungen bilden? Grundsätzlich dienen Abschreibungen dazu, dem Werteverzehr von Vermögensgegenständen Rechnung zu tragen. Wertminderungen können sowohl für Güter des Anlagevermögens (Immobilien, Maschinen etc.) als auch des Umlaufvermögens (Forderungen aus Lieferung und Leistung, Vorräte etc.) berücksichtigt werden. I. d. R. wird unter einer Abschreibung die Wertminderung des Anlagevermögens verstanden. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 20 von 102 Bei Gütern des Anlagevermögens ergibt sich diese Wertminderung nicht ausschließlich aus dem Gebrauch des Gutes sondern auch aus einer wirtschaftlichen, technischen und/oder modischen Abnutzung. So wird eine neue Maschine auch ohne Benutzung auf Grund des technischen Fortschritts mit der Zeit an Wert verlieren. Die Höhe der jährlichen Abschreibungen wird von verschiedenen Faktoren bestimmt: Abschreibung auf Gegenstände des Anlagevermögens Planmäßige Abschreibung Außerplanmäßige Abschreibung z. B. durch Einschränkung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit eines Gutes Höhe richtet sich nach Nutzungsdauer eventuell: Verlängerung der Nutzungsdauer gebrauchter Güter Abschreibungsmethode linear, degressiv Wahl einer Vereinfachungsmethode Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern (GWG) Abb. 14 Bestimmungsgründe für die Höhe von Abschreibungen Abnutzbare Gegenstände des Anlagevermögens (Gebäude, Maschinen, Kfz etc.) werden in jedem Fall planmäßig über ihre voraussichtliche Nutzungsdauer abgeschrieben. Ermessensspielräume ergeben sich aus dem Fehlen gesetzlicher Nutzungsdauern im Handelsrecht. Demgegenüber schreibt das Steuerrecht mit seinen Afa-Tabellen (Afa: Absetzung für Abnutzung) für jeden Vermögensgegenstand eine spezielle Nutzungsdauer fest. Nach diesen Vorgaben wird i. d. R auch die handelsrechtliche Abschreibung bemessen. Neben der Länge der Nutzungsdauer bestehen bilanzpolitische Spielräume vor allem in der Wahl der Abschreibungsmethoden. So kann die lineare, degressive oder die Abschreibung nach Maßgabe der Inanspruchnahme gewählt werden: © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 21 von 102 Beispiel: Abschreibungsmethoden Die X AG Kauft eine Maschinen zu einem Preis von T€ 450, die Nutzungsdauer beträgt 9 Jahre. I. Lineare Abschreibung = T€ 50 Afa p.a. = 450 T€ / 9 Jahre II. Degressive Abschreibung = T€ 90 Afa im 1. Jahr zusätzliche Afa T€ 40 = 20 % von 450 T€ Abb. 15 Beispiele für lineare und degressive Abschreibungen Das Beispiel zeigt, dass ein Unternehmen dann die degressive Methode wählt, wenn es einen kleineren als den maximalen Gewinn in der GuV ausweisen möchte. Die Wahl der Abschreibungsmethode muss im Anhang erläutert werden. Außerplanmäßige Abschreibungen sind dann vorzunehmen, wenn ein Vermögensgegenstand (abnutzbar oder nicht abnutzbar) eine unerwartete Wertminderung erfährt und diese voraussichtlich dauerhaft ist. 14 Warum führt eine Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Umsatzkostenverfahren zu dem gleichen Ergebnis wie eine Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Gesamtkostenverfahren, obwohl das Umsatzkostenverfahren keine Bestandsveränderungen enthält? Voraussetzung dafür, dass beide Verfahren der Gewinnermittlung zum selben Unternehmensergebnis führen, ist eine korrekte und für die Wertermittlung identisch angewandte Kostenrechnung. Die nach dem Gesamtkostenverfahren aufgestellte GuV könnte auch als Gesamtleistungsverfahren bezeichnet werden, da sie die gesamte Leistung eines Unternehmens im Geschäftsjahr ausweist. Dabei ist es unerheblich, ob die Leistung bereits schlussgerechnet wurde (Umsatzerlöse) oder ob sie sich noch im eigenen Bestand befindet, z. B. weil der Auftrag noch nicht komplett fertig gestellt ist (Bestandsaufbau). Wegen der gleichermaßen erfolgenden Erfassung sowohl der schlussgerechneten als auch der noch im Bestand befindlichen Leistung werden analog auch sämtliche zur Leistungserzielung notwendigen Aufwendungen in der GuV erfasst. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 22 von 102 Demgegenüber weist das Umsatzkostenverfahren nur die Umsatzerlöse aus, also die tatsächlich schlussgerechnete Leistung der Rechnungsperiode. Dieser Systematik folgend werden auf der Aufwandsseite auch nur die Kosten aufgeführt, die zur Erstellung dieser Umsatzerlöse angefallen sind. Für beide Verfahren werden Daten der Kostenrechnung benötigt, da sowohl die Bestandsveränderungen der Un-/Fertigen Erzeugnisse (Gesamtkostenverfahren) als auch die im Zusammenhang mit dem erzielten Umsatz angefallenen Aufwendungen (Umsatzkostenverfahren) zu Herstellungskosten bewertet werden. Da das Gesamtkostenverfahren zusätzliche Erträge, aber auch zusätzliche Aufwendungen ausweist, wobei auch die zusätzlichen Erträge zu Herstellungskosten bewertet werden, ist das Ergebnis der beiden Verfahren prinzipiell identisch. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 23 von 102 Beispiel: Gesamtkosten-, Umsatzkostenverfahren Die X AG produziert Maschinen, die sie folgendermaßen kalkuliert: Kalkulation Maschine T€ 80 1 Materialeinzelkosten (= Material) 2 Fertigungseinzelkosten (= Lohnkosten) 3 Fertigungsgemeinkosten = a Meistergehälter b Afa c Fuhrpark d Energie e Sonstige Kosten = Herstellungskosten 4 5 Vertriebsgemeinkosten 6 Gewinn 7 = Verkaufspreis 110 10 30 25 10 40 305 20 30 355 Im vergangenen Geschäftsjahr hat die X AG 10 Maschinen verkauft und 2 weitere Maschinen fertiggestellt, die aber bis zum Ende des Geschäftsjahres noch nicht verkauft worden sind. GuV nach dem Gesamtkosten-Verfahren Umsatzerlöse (10 Maschinen) + Bestandsveränderung (2 Ma.) = Gesamtleistung (12 Ma.) ./. Materialaufwand (12 Ma.) ./. Personalaufwand (12 Ma.) ./. Afa (12 Ma.) ./. Fuhrpark (12 Ma.) ./. Energie (12 Ma.) ./. Sonstiger Aufwand (12 Ma) ./. Vertriebsaufwand (10 Ma.) = Summe Aufwand T€ 3.550 610 4.160 960 1.440 360 300 120 480 200 3.860 = Betriebsergebnis GKV 300 GuV nach dem Umsatzkosten-Verfahren Umsatzerlöse (10 Maschinen) ./. Herstellungskosten zur Umsatzerzielung (10 Ma.) = Bruttoergebnis vom Umsatz ./. Vertriebsaufwand (10 Ma.) = Betriebsergebnis UKV T€ 3.550 3.050 500 200 300 Abb. 16 Gegenüberstellung einer GuV nach Gesamtkosten- und Umsatzkostenverfahren © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 24 von 102 15 Was versteht man unter dem Begriff „Finanzierung aus Rückstellungen“? Die Finanzierung eines Unternehmens aus Rückstellungen ist eine spezielle Art der Innenfinanzierung. Im Gegensatz zur Außenfinanzierung erfolgt sie nicht über die Zuführung externer Mittel, wie z. B. Kredite oder Kapitalerhöhungen. Unter einer Rückstellung werden Verbindlichkeiten verstanden, die in Zukunft zu einem Liquiditätsabfluss führen können (z. B. Prozesskostenrückstellung). Der exakte Liquiditätsbedarf ist hinsichtlich seiner Höhe und / oder des Fälligkeitszeitpunktes noch nicht bekannt. Die Systematik der Finanzierung aus Rückstellungen lässt sich wie folgt beschreiben: Die Bildung einer Rückstellung schmälert zwar den Gewinn, führt aber nicht zu einem zeitgleichen Liquiditätsabfluss. In Höhe neu gebildeter Rückstellungen gewinnt das Unternehmen also über den Gewinn hinaus Liquidität. Beispiel: Finanzierung aus Rückstellungen GuV Umsatz Kosten Rückst.aufwand Gewinn Cash flow Bilanz 10.000 9.000 1.000 0 T€ T€ T€ T€ 1.000 T€ Aktiva Passiva Anlageverm. 9.000 T€ Eigenkapital 0 T€ Fremdkapital 9.000 T€ 1.000 T€ Rückstellung Flüssige Mittel 1.000 T€ Bilanzsumme 10.000 T€ Bilanzsumme 10.000 T€ Obwohl das Unternehmen keinen Gewinn erzielt hat, ist ein Cash flow von 1.000 T€ erwirtschaftet worden (= Betriebsergebnis + Rückstellungsaufwand). Diese Liquidität (hier: flüssige Mittel) steht dem Unternehmen z. B. zur Finanzierung von Investitionen oder zur Tilgung von Verbindlichkeiten zur Verfügung. Abb. 17 Beispiel für eine Finanzierung aus Rückstellungen 16 Wodurch wird festgelegt, welche Vermögensgegenstände und Schulden in der Bilanz ausgewiesen werden müssen bzw. dürfen? Maßgeblich für die Pflicht bzw. das Verbot einer Aktivierung von Vermögensgegenständen/ Passivierung von Verbindlichkeiten sind das Handelsrecht (HGB für Handelsbilanzen) sowie das Steuerecht (für Steuerbilanzen). Nach § 246 HGB hat der Jahresabschluss sämtliche Vermögensgegenstände und Schulden zu enthalten (Bilanzierungsgebote), soweit das gesetzlich bestimmt ist. Dadurch soll gewährleistet werden, dass der Jahresabschluss die tatsächlichen Vermögens- und Schuldenverhältnisse widerspiegelt. Als Vermögenswert definiert das HGB diejenigen Güter, die eigenständig bewertbar und verwertbar sind. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 25 von 102 Bilanzierungsverbote resultieren letztlich aus dem Vorsichtsprinzip, das dem HGB zugrunde liegt. So dürfen z. B. selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände, wie Marken und Kundenlisten, nicht aktiviert werden. Hinzu kommen Bilanzierungswahlrechte, die das HGB zulässt. Bei Bilanzierungswahlrechten handelt es sich um Bilanzpositionen, die nach dem HGB vom Grundsatz her bilanziert werden müssen, bei denen der Gesetzgeber dem Bilanzierenden aber ein Wahlrecht einräumt, den Vermögensgegenstand auch tatsächlich zu bilanzieren oder nicht. 17 Wodurch wird festgelegt, mit welchem Wert ein Vermögensgegenstand und die Schulden in der Bilanz anzusetzen sind? Die Bewertungsansätze von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten sind im Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt. Grundsätzlich spiegelt sich in den Bewertungsansätzen das dem HGB zugrunde liegende Vorsichtsprinzip wider: Vermögensgegenstände dürfen höchstens mit ihren Anschaffungs- und Herstellungskosten, ggf. vermindert um Abschreibungen, in der Bilanz angesetzt werden, Verbindlichkeiten müssen dagegen mit ihrem maximalen Wert (zu Rückzahlungsbeträgen) angesetzt werden. Konkret wird das Vorsichtsprinzip dadurch umgesetzt, dass Vermögensgegenstände grundsätzlich zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die planmäßigen Abschreibungen bewertet werden - es sei denn, der Marktwert des Vermögensgegenstandes liegt unter diesem Wert. Gegenstände des Anlagevermögens sind dann in ihrem Wert entsprechend zu mindern, wenn ein niedrigerer Marktwert dauerhaft zu erwarten ist. Umlaufvermögen, wie Vorräte, sind sofort auf den geringeren Wertansatz abzuschreiben (strenges Niederstwertprinzip). Dabei unterscheiden sich die Regeln des Handelsgesetzbuches zum Teil deutlich von denen der internationalen Rechnungslegung (US-GAAP und IAS/IFRS). Letztere werden vom „Fair Value“-Prinzip bestimmt. Danach soll der „tatsächliche“ Marktwert angesetzt werden, was bei IAS/IFRS auch Wertzuschreibungen zur Folge haben kann. Grundsätzlich gilt: Eine Höherbewertung eines Vermögensgegenstandes hat eine Erhöhung des Gewinns und damit des Eigenkapitals zur Folge. Eine Erhöhung einer Passivposition (z. B. Pensionsrückstellung) bewirkt eine Verringerung des Gewinns und des Eigenkapitals. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 26 von 102 18 Was versteht man unter „Aktivierung“ und „Passivierung“? Aktivierung bezeichnet die Bilanzierung eines Postens auf der Aktivseite der Bilanz (anders ausgedrückt: die Aufnahme eines Wirtschaftsgutes in die Bilanz). Grundsätzlich kann eine Aktivierung nur erfolgen, wenn das Wirtschaftsgut nicht dem Aktivierungsverbot unterliegt, zum Betriebsvermögen gehört, am Bilanzstichtag vorhanden ist und zum Eigentum des Bilanzierenden gehört. Beispiele: Fabrikgebäude, Vorräte, Anzahlungen, etc. Führt ein Geschäftsvorfall zur Aktivierung eines Bilanzpostens, hat das entsprechend weniger Aufwand oder mehr Ertrag und dementsprechend wiederum eine Gewinnsteigerung in der GuV zur Folge. Umgekehrt führt in den Folgejahren die Auflösung der Aktivierung, z. B. über die Abschreibungen abnutzbarer Wirtschaftsgüter, zu einer Gewinnminderung. Mit einer Passivierung werden Vermögenswerte in die Passivseite der Bilanz aufgenommen. Zu den Passivposten der Bilanz gehören das Eigen- und das Fremdkapital. Voraussetzung einer Passivierung ist, dass entweder eine Rückstellung, eine Verbindlichkeit, ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten oder eine steuerfreie Rücklage besteht. 19 Worin unterscheiden sich bilanzielles, nominelles, wirtschaftliches und haftendes Eigenkapital? Allgemein bezeichnet Eigenkapital dasjenige Kapital, welches einem Unternehmen von seinen Eigentümern ohne zeitliche Begrenzung und ohne festen Verzinsungsanspruch zur Verfügung gestellt wird. Unterschieden wird zwischen nominellem, bilanziellem und wirtschaftlichen Eigenkapital. Das bilanzielle Eigenkapital stellt das in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital dar. Es gliedert sich in das gezeichnete Kapital (je nach Rechtsform Grund-, Nenn-, oder Stammkapital genannt), die Rücklagen (Kapital- und Gewinnrücklage) sowie Gewinnvorträge und den Jahresüberschuss. Soweit die Rücklagen durch Einbehaltung von Gewinnen entstanden sind, werden sie als Gewinnrücklagen bezeichnet. Kapitalrücklagen werden durch Kapitalerhöhungen oder einen Aufschlag auf das eingezahlte Nennkapital gebildet. Letztlich ist das bilanzielle Eigenkapital immer die Differenz, um die die bilanzierten Vermögenswerte die bilanzierten Verbindlichkeiten eines Unternehmens übersteigen. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 27 von 102 Beispiel: Eigenkapital Gezeichnetes Kapital (AG) = NOMINELLES EIGENKAPITAL auch Stammkapital (GmbH) oder Grundkapital genannt + Kapitalrücklagen + Gewinnrücklagen +/- Gewinnvortrag/Verlustvortrag +/- Jahresüberschuss / -fehlbetrag = BILANZIELLES EIGENKAPITAL ./. Ausstehende Einlagen die nicht direkt verfügbar sind + Forderungen gegen Gesellschafter die eingetrieben werden können ./. Verbindlichkeiten gegen Gesellschafter die abgeführt werden müssen + Eigenkapitalersetzende Darlehen z.B. mit Rangrücktritt + Sonderposten mit Rücklageanteil = WIRTSCHAFTLICHES EIGENKAPITAL Abb. 18 Eigenkapital-Begriffe Unter wirtschaftlichen Eigenkapital versteht man dasjenige Kapital, das einem Unternehmen als Eigenmittel tatsächlich zur Verfügung steht. In der Praxis korrigieren externe Analysten das bilanzielle Eigenkapital um bestimmte Bilanzpositionen. So werden z. B. Gesellschafterdarlehen mit Rangrücktritt zum wirtschaftlichen Eigenkapital gezählt. Streng genommen bleiben sie zwar Fremdmittel, da sie zurückgezahlt werden müssen. Weil die Ansprüche der Gesellschafter wegen des Rangrücktritts aber nach denen der übrigen Gläubiger befriedigt werden, sie also quasi wie Eigenkapital haften, zählt man solche Darlehen auch zum Eigenkapital. Dagegen ziehen viele Kreditinstitute Firmenwerte in der Bilanzanalyse vom Eigenkapital ab, weil darin auch nicht realisierte Gewinnerwartungen erfasst sind. Das wirtschaftliche Eigenkapital ist die relevante Eigenkapitalgröße im Zusammenhang mit Haftungsfragen, im Rahmen von Insolvenzverfahren und beim Rating. Mit dem nominellen Eigenkapital ist das bilanziell ausgewiesene konstante Eigenkapital (Grund-, bzw. Stamm- bzw. gezeichnetes Kapital) gemeint. Hierzu zählen im Gegensatz zum bilanziellen Eigenkapital keine Rücklagen und Gewinnvorträge. Haftendes Eigenkapital ist im Unterschied zu den oben erläuterten Formen des Eigenkapitals ein Begriff aus dem Kreditwesen. Jede Bank ist gesetzlich verpflichtet, ein angemessenes Eigenkapital („haftendes Eigenkapital“) vorzuhalten, das sich aus dem Kernkapital und dem Ergänzungskapital zusammensetzt. Die rechtlichen Anforderungen an die Höhe des haftenden Eigenkapitals unterscheiden sich je nach Rechtsform. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 28 von 102 Eigenkapital wird fälschlicherweise auch als haftendes Kapital bezeichnet, da die Haftung der Gesellschafter von Kapitalgesellschaften auf das überlassene Kapital beschränkt ist und sie nicht zur Nachzahlung verpflichtet sind. Das Unternehmen selbst haftet aber für seine Schulden mit dem gesamten Vermögen. Bei Personengesellschaften hafteten die Eigentümer darüber hinaus auch mit ihrem Privatvermögen. Beispiel: Wahlrecht zur Aktivierung eines entgeltlich erworbenen Firmenwertes. Ein Unternehmen erwirbt ein anderes Unternehmen für 6.000 T€. Es bezahlt für das Unternehmen 1.000 T€ mehr, als das erworbene Unternehmen an Eigenkapital ausweist. Im Konzernabschluss der Unternehmensgruppe besteht ein Wahlrecht, den Firmenwert zu aktivieren oder mit dem Eigenkapital zu verrechnen. Alternative I: Aktivierung des entgeltlich erworbenen Firmenwertes Konzernbilanz Aktiva Firmenwert Anlagevermögen Umlaufvermögen Bilanzsumme Hinweis: 1.000 6.000 9.000 16.000 Passiva T€ Eigenkapital 7.000 T€ T€ T€ Fremdkapital 9.000 T€ T€ Bilanzsumme 16.000 T€ Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde die Firmenwert-AfA nicht berücksichtigt. Alternative II: Verrechnung des Firmenwertes mit dem Eigenkapital Bilanz des erwerbenden Unternehmens Aktiva Firmenwert 0 Anlagevermögen 6.000 9.000 Umlaufvermögen Bilanzsumme 15.000 Passiva T€ Eigenkapital 6.000 T€ T€ T€ Fremdkapital 9.000 T€ T€ Bilanzsumme 15.000 T€ Abb. 19 Beispiel für die Nutzung des Wahlrechts zur Aktivierung eines entgeltlich erworbenen Firmenwerts Neben den Bilanzierungswahlrechten besteht eine weitere Ausnahme vom Grundsatz des Bilanzierungsgebotes/ -verbotes in den so genannten Bilanzierungshilfen. Um ein periodengerechtes Ergebnis in der GuV darzustellen, lässt das Gesetz in einigen wenigen Ausnahmefällen Bilanzierungshilfen zu, z. B. den Sonderposten mit Rücklageanteil. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 29 von 102 Die Gemeinsamkeit von Bilanzierungswahlrechten und Bilanzierungshilfen besteht darin, dass die Bilanzierung der entsprechenden Position im Ermessen des Bilanzierenden liegt. Grundsätzlich gilt: Wenn ein Bilanzierungswahlrecht oder eine Bilanzierungshilfe zur Aktivierung genutzt wird, bedeutet das eine Erhöhung des Gewinns und des Eigenkapitals. Umgekehrt wirkt sich die Nutzung eines Passivierungswahlrechtes mindernd auf Gewinn und Eigenkapital aus. 20 Worin besteht der Unterschied zwischen Abschreibungen und Wertberichtigungen? Sowohl Abschreibungen als auch Wertberichtigungen bezeichnen die Wertminderung von Vermögen (z. B. Sachanlagen, Forderungen aus Lieferung und Leistung, Vorräte etc.). Eine allgemeingültige Abgrenzung zwischen den Begriffen existiert nicht. So findet z. B. im Handelsgesetzbuch (HGB) vor allem der Begriff der Abschreibung Verwendung: Nach § 275 HGB (Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung) werden Abschreibungen sowohl „auf immaterielle Vermögensgegenstände und Sachanlagen“ als auch „auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens“ durchgeführt. Üblicherweise werden die Begriffe wie folgt voneinander abgegrenzt: Abschreibungen bezeichnen den planmäßigen und außerplanmäßigen (= Sonderabschreibungen) Werteverzehr des Anlagevermögens. Dagegen beschreibt eine Wertberichtigung im Allgemeinen die Wertminderung von Forderungen. Deutlich wird das an den Begriffen „Einzelwertberichtigung“ oder „Pauschalwertberichtigung“, die speziell für die Beschreibung einer Wertkorrektur auf Forderungen aus Lieferung und Leistung Verwendung finden. 21 Was bedeutet „Vorratsbewertung zu Vollkosten“? Fertige und unfertige Erzeugnisse, also selbst erstellte Gegenstände des Vorratsvermögens, werden in der Bilanz in Höhe ihrer Herstellungskosten angesetzt. Das HGB eröffnet jedoch in einer Handelsbilanz erhebliche bilanzpolitische Spielräume, je nachdem, ob die Bewertung des Vorratsvermögens zu Vollkosten oder zu Teilkosten erfolgt. Nach der internationalen Rechnungslegung (IAS/IFRS, US-GAAP) ist nur der Ansatz zu Vollkosten zulässig. Der Unterschied zwischen beiden Bewertungsansätzen liegt in der Art der Kosten, die als Herstellungskosten erfasst werden. Werden die selbst erstellten Vorräte zu Teilkosten bewertet, dann werden allein die direkt zurechenbaren Kosten © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 30 von 102 (= Einzelkosten) für Material und Personal (= Lohnkosten) berücksichtigt. Bei einem Ansatz zu Vollkosten erhöhen sich die Herstellungskosten um die umlegbaren Gemeinkosten. Beispiel: Herstellungskosten Die Zusammensetzung der Herstellungskosten wird am Beispiel eines Bauunternehmens erläutert. Bei der Bewertung eines laufenden Bauprojektes unterscheidet man zwischen Kosten, die ursächlich mit dem produzierten Gut zusammenhängen (Einzelkosten, z. B. Beton, Steine, Arbeitsstunden der Maurer) und Kosten, die zwar anfallen, jedoch nicht direkt mit dem Bau dieses einen Gebäudes in Zusammenhang zu bringen sind (Gemeinkosten). Bei diesen Gemeinkosten handelt es sich z. B. um Meistergehälter oder Kosten für Fuhrpark, Energie, Lager etc. HGB Materialeinzelkosten Materialeinkauf Stahl, Beton, etc. Fertigungseinzelkosten Arbeitsstunden der Bauarbeiter Materialgemeinkosten Energie, Lager, etc. Fertigungsgemeinkosten Personalkosten für Führungskräfte Pflicht IAS/IFRS und US-GAAP Pflicht Teilkosten Pflicht Pflicht Wahlrecht Pflicht Wahlrecht Pflicht Vollkosten Abb. 20 Zusammensetzung der Herstellungskosten nach HGB, IAS/IFRS und US-GAAP Eine Bewertung zu Teilkosten führt zur Bildung von erheblichen stillen Reserven und hat einen geringeren Gewinn- und damit Eigenkapitalausweis zur Folge. Erst zum Zeitpunkt des Verkaufs werden die stillen Reserven gehoben. Der Ansatz von Vollkosten führt zu einem höheren Wertansatz des Vorratsvermögens (fertige/unfertige Erzeugnisse), damit zu einer höheren Gesamtleistung des Unternehmens und somit zu einem höheren Gewinnausweis. Umgekehrt führt die Entscheidung, alle oder einen Teil der Gemeinkosten nicht in die Bewertung der halbfertigen und fertigen Erzeugnisse einzubeziehen, d. h. sie nicht in der Bilanz zu aktivieren, zu einem niedrigeren Gewinnausweis. 22 Worin unterscheiden sich in- und externes Rechnungswesen? Internes und externes Rechnungswesen unterscheiden sich in den angesprochenen Adressaten und den damit verbundenen Zielen und Aufgaben. Adressaten des internen Rechnungswesens (z. B. Kosten- und Leistungsrechnung) sind die Entscheidungsträger im Unternehmen selbst. Das interne Rechnungswesen liefert Informationen für wichtige unternehmerische Entscheidungen, © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 31 von 102 wie z. B. die Preiskalkulation von Produkten, die Aufgabe oder den Ausbau von Standorten etc. Die nachträgliche Erfolgsmessung bezieht sich i. d. R. nicht (ausschließlich) auf das Unternehmen als Ganzes, sondern auf einzelne Unternehmensbestandteile, Produktgruppen oder Produkte sowie regionale Märkte. Das interne Rechnungswesen ist an keine gesetzlichen Vorgaben gebunden. Allerdings bedient es sich allgemeiner betriebswirtschaftlicher Verfahren (Deckungsbeitragsrechnung, Spartenerfolgsrechnung etc.). Das externe Rechnungswesen dient in erster Linie der Information der übrigen, häufig externen Adressaten. Dazu gehören z. B. die Gesellschafter des Unternehmens, das Finanzamt, die Gläubiger, Mitarbeiter, Kreditinstitute, aber auch die interessierte Öffentlichkeit. Das Ziel des externen Rechnungswesens ist, dem z. T. sehr unterschiedlichen Informationsbedürfnis dieser Adressaten gerecht zu werden. Das externe Rechnungswesen ist in hohem Maße durch gesetzliche Vorgaben reglementiert, um die Situation des Unternehmens objektiv und vergleichbar darzustellen (z. B. zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage). Instrumente der externen Rechnungslegung sind z. B. die Handels- und die Steuerbilanz. Im in- und externen Rechnungswesen werden unterschiedliche Begriffe verwendet, die im alltäglichen Sprachgebrauch oft gleichgesetzt werden. Sie unterscheiden sich jedoch durch die unterschiedlichen Ziele, denen das in- und externe Rechnungswesen verpflichtet ist. Das erläutern wir nachfolgend am Beispiel von Aufwendungen und Kosten: © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 32 von 102 Beispiel: Aufwendungen und Kosten Die Begriffe "Aufwendungen" (externes Rechnungswesen) und "Kosten" (internes Rechnungswesen) haben eine große Schnittmenge, sind aber nicht völlig identisch. Neutrale Aufwendungen sind z. B. Spenden, Instandhaltungen für nicht betrieblich genutzte Gebäude oder Kursverluste bei Wertpapieren, die nur zu spekulativen Zwecken gehalten werden. Dieser Aufwand ist im externen Rechnungswesen enthalten. Für betriebswirtschaftliche Entscheidungen, wie die Gewinnkalkulation eines Produktes, ist er dagegen unerheblich und wird nicht berücksichtigt. Aufwand Kosten Neutraler Aufwand Betriebsfremder Aufwand Außerordentlicher Aufwand Bilanzielle Abschreibungen Bilanzielle Fremdkapitalzinsen Zusatzkosten Kalkulator. Kalkulator. Kalkulator. Kalkulator. Abschreibungen Zinsen Unternehmerlohn Wagnisse Das interne Rechnungswesen enthält dagegen zusätzlich Kosten, die unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten für Entscheidungen relevant sind, im externen Rechnungswesen aber nicht angesetzt werden dürfen (Zusatzkosten). So berücksichtigen z. B. kalkulatorische Zinsen auch eine Verzinsung des dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Eigenkapitals. Solche kalkulatorischen Eigenkapitalzinsen können als der Renditeanspruch der Eigenkapitalgeber für das dem Unternehmen überlassene Kapital verstanden werden. Abb. 21 Unterscheidung von Aufwendungen und Kosten 23 Was ist der Unterschied zwischen einer Handels- und einer Steuerbilanz? Woran erkennt man die jeweilige Bilanz? Handels- und Steuerbilanz unterschieden sich durch den Zweck, zu dem sie aufgestellt werden. Die Steuerbilanz dient dem Finanzamt zur Bemessung der Steuerzahllast eines Unternehmens. Aus diesem Grunde sind die Wahlmöglichkeiten (= die bilanzpolitischen Spielräume) stark eingeschränkt, wodurch eine für alle Unternehmen möglichst einheitliche und gerechte Besteuerung gewährleistet werden soll. Die Handelsbilanz dient vor allem der Erfüllung gesellschaftsrechtlicher oder satzungsmäßiger Anforderungen. So wird z. B. die Höhe von Ausschüttungen auf Basis © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 33 von 102 der Handelsbilanz berechnet. Adressaten sind neben der Geschäftsführung die Eigenkapitalgeber und die interessierte Öffentlichkeit (Mitarbeiter, Kreditinstitute etc.). Dabei ist der Anspruch an die Handelsbilanz, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild von der Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage eines Unternehmens zu zeichnen. Um das zu erreichen, wurden dem Bilanzersteller größere Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte eingeräumt als bei der Steuerbilanz. Beispiel Handelsbilanz Steuerbilanz Aktivierungswahlrecht Aktivierungspflicht Bei Aktivierung des Firmenwertes: 0 bis 40 Jahre 15 Jahre Aktivierung Firmenwert Firmenwert-Afa Abb. 22 Unterscheidung von Handelsbilanz und Steuerbilanz Daneben besteht zwischen Handels- und Steuerbilanz auch ein formaler Unterschied in den jeweils anzuwendenden gesetzlichen Grundlagen. Die Handelsbilanz basiert – wie der Name schon sagt – auf dem Handelsgesetzbuch (HGB), die Steuerbilanz im Wesentlichen auf den Regelungen des Einkommensteuergesetzes (EStG). Da im HGB Sachverhalte zur Bilanzierung z. T. umfassender und genauer geregelt sind als im Einkommensteuergesetz, greift die Steuerbilanz des Öfteren auf Regelungen der Handelsbilanz zurück (Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz). Der externe Bilanzanalyst kann eine Handelsbilanz von einer Steuerbilanz durch diejenigen Sachverhalte unterscheiden, die nur bei einer Handelsbilanz auftreten können. Die wichtigsten Unterscheidungskriterien sind: © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 34 von 102 Prüfungsbericht ja nein Der Wirtschaftsprüfer prüft ausschließlich die Handelsbilanz. Aktivierung von Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs ja nein Diese Bilanzierungshilfe existiert nur in der Handelsbilanz. Unübliche Nutzungsdauer von Gütern des Anlagevermögens ja nein Maßstab für die Nutzungsdauer in der Steuerbilanz sind die vom Finanzministerium veröffentlichten Afa-Tabellen. Latente Steuern ja nein Die Position existiert nur in der Handelsbilanz. Drohverlustrückstellungen ja nein Die Bildung einer Drohverlustrückstellung ist steuerlich untersagt. Abb. 23 Unterscheidungskriterien für Handels- und Steuerbilanz 24 Was versteht man unter einer Konsolidierung? Unter Konsolidierung versteht man die Technik der Zusammenfassung der Einzelabschlüsse verschiedener Unternehmen zu einem gemeinsamen Jahresabschluss (= Konzernabschluss oder konsolidierter Jahresabschluss). Ziel ist, die Unternehmensgruppe im konsolidierten Abschluss so darzustellen, als handelte es sich um ein einziges Unternehmen (Fiktion der rechtlichen Einheit). Eine reine Addition der GuV- und Bilanzpositionen der Jahresabschlüsse genügt allerdings nicht, da z. B. die Summe der Gewinne (oder des Eigenkapitals) der Einzelabschlüsse ungleich dem konsolidierten Gewinn (oder Eigenkapital) sein kann. Aus diesem Grund werden die Einzelabschlüsse in vier Schritten zu einem konsolidierten Abschluss zusammengefasst (sprich: konsolidiert): © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 35 von 102 1. Kapitalkonsolidierung Aufrechnung des Beteiligungswertes des Konzernmutterunternehmens mit dem Eigenkapital des Tochterunternehmens 2. Schuldenkonsolidierung Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen den Konzernunternehmen 3. Zwischengewinneliminierung Eliminierung von Gewinnen aus dem konzerninternen Leistungsaustauch, d. h. aus Lieferungs-und Leistungsbeziehungen zwischen den Konzernunternehmen 4. Aufwands- und Ertragskonsolidierung Verrechnung von Aufwendungen und Erträgen aus Innenumsätzen, Ergebnisübernahmen und Beteiligungen Abb. 24 Elemente der Konsolidierung Im Folgenden zeigen wir jeden Konsolidierungsschritt und seine Auswirkungen an Hand eines Beispiels: Beispiel zur Kapitalkonsolidierung: Tochterunternehmung (4.000 T€). Die Konzernobergesellschaft hält 100% des Eigenkapitals der Bilanz Konzernobergesellschaft Bilanz Tochterunternehmen Aktiva Passiva Beteiligung 4.000 T€ Eigenkapital 4.000 T€ 8.000 T€ Schulden 8.000 T€ Forderungen Bilanzsumme 12.000 T€ Bilanzsumme 12.000 T€ Aktiva Passiva Forderungen 10.000 T€ Eigenkapital 4.000 T€ Schulden 6.000 T€ Bilanzsumme 10.000 T€ Bilanzsumme 10.000 T€ Bei einer reinen Addition der Bilanzen erhält man folgendes Bild: Die Eigenkapitalquote wird mit 36% ausgewiesen. Erst die Konsolidierung zeigt die tatsächlichen Vermögens- und Kapitalverhältnisse des Konzerns. Nach der Aufrechnung des Beteiligungswertes des Konzernmutterunternehmens mit dem Eigenkapital des Tochterunternehmens beträgt die Eigenkapitalquote 22 %. Bilanz bei reiner Addition der Bilanzen Bilanz nach Konsolidierung Aktiva Passiva Beteiligung 4.000 T€ Eigenkapital 8.000 T€ 36% Forderungen 18.000 T€ Schulden 14.000 T€ Bilanzsumme 22.000 T€ Bilanzsumme 22.000 T€ Aktiva Forderungen Bilanzsumme Passiva Eigenkapital 4.000 T€ 22% 18.000 T€ Schulden 14.000 T€ 18.000 T€ Bilanzsumme 18.000 T€ Abb. 25 Beispiel für eine Kapitalkonsolidierung © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 36 von 102 Beispiel zur Schuldenkonsolidierung: Die Forderungen der Konzernobergesellschaft (4.000 T€) bestehen gegenüber der Tochterunternehmung. Umgekehrt hat diese Forderungen gegenüber der Mutter (2.000 T€). Bilanz Konzernobergesellschaft Aktiva Passiva Anlageverm. 8.000 T€ Eigenkapital 4.000 Forderungen 4.000 T€ Darlehen 4.000 Verbindlichk. 2.000 Bilanzsumme 12.000 T€ Bilanzsumme 12.000 Bilanz Tochterunternehmen T€ T€ T€ T€ Aktiva Passiva Anlageverm. 5.000 T€ Eigenkapital 3.000 T€ Forderungen 2.000 T€ Verbindlichk. 4.000 T€ Bilanzsumme 7.000 T€ Bilanzsumme 7.000 T€ Bei einer reinen Addition der Bilanzen erhält man folgendes Bild: Die Eigenkapitalquote wird mit 33% ausgewiesen. Erst die Konsolidierung zeigt die tatsächlichen Vermögens- und Kapitalverhältnisse des Konzerns. Nach der Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen den Konzernunternehmen beträgt die Eigenkapitalquote 54%. Bilanz bei reiner Addition der Bilanzen Bilanz nach Konsolidierung Aktiva Passiva Anlageverm. 13.000 T€ Eigenkapital 7.000 Forderungen 6.000 T€ Darlehen 4.000 Verbindlichk. 6.000 Bilanzsumme 21.000 T€ Bilanzsumme 21.000 T€ 33% T€ T€ T€ Aktiva Passiva Anlageverm. 13.000 T€ Eigenkapital 7.000 T€ 54% Darlehen 4.000 T€ Bilanzsumme 13.000 T€ Bilanzsumme 13.000 T€ Abb. 26 Beispiel für eine Schuldenkonsolidierung © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 37 von 102 Beispiel zur Zwischengewinneliminierung: Die Konzernmutter verkauft am 1.1. Gegenstände des Anlagevermögens (z. B. eine Immobilie) für T€ 2.250 an ein Tochterunternehmen. Aus dem Verkaufserlös (T€ 2.250), abzgl. dem Restbuchwert des Grundstücks (T€ 1.500) und der gesparten Afa (Restnutzungsdauer 15 Jahre = T€ 100) entsteht der Konzernmutter ein Gewinn in Höhe von T€ 850, der zugleich das Eigenkapital der Muttergesellschaft erhöht. Die Tochtergesellschaft aktiviert den Vermögenszugang in ihrer Bilanz zu Anschaffungskosten, die GuV ist in diesem Fall allein über die zusätzliche Afa betroffen (bei gleicher Restnutzungsdauer von 15 Jahren und Buchwert 2.250 T€ beträgt die Afa 150 T€). Auszüge aus … GuV Konzernmutter … … Erlös aus Anlagenverkauf ./. Afa auf Immobilie ./. Abgang Restbuchwert … zusätzlicher Gewinn Bilanz Konzernmutter 2.250 T€ 100 T€ 1.500 T€ 850 T€ Aktiva Anlageverm. Immobilie … … Bilanzsumme GuV Tochterunternehmen … … Afa auf Immobilie Bilanz Tochterunternehmen 150 T€ … Reduzierung Gewinn Passiva … Eigenkapital … 0 T€ zusätzliches EK 850 T€ wg. Immobilienverkauf … Bilanzsumme -150 T€ Aktiva Passiva Anlageverm. Eigenkapital … Immobilie 2.100 T€ Reduzierung EK 150 T€ (nach Afa) wg. Immobilienverkauf … Bilanzsumme Bilanzsumme In Summe erhöhen sich der Gewinn und das Eigenkapital vor Konsolidierung um 700 T€. GuV bei Addition zusätzlicher Gewinn Bilanz bei Addition + 700 T€ Aktiva Passiva Anlageverm. Eigenkapital Immobilie 2.100 T€ zusätzl. EK Bilanzsumme 700 T€ Bilanzsumme Dieser zusätzliche Gewinn wird auch als Zwischengewinn bezeichnet. Im Rahmen der Konsolidierung wird er eliminiert, so dass der konsolidierte Gewinn- und Eigenkapitalausweis durch derartige konzerninterne Geschäfte nicht beeinflusst werden kann. GuV nach Konsolidierung Bilanz nach Konsolidierung Aktiva Passiva Anlageverm. Eigenkapital 7.000 T€ Immobilie 1.400 T€ zusätzl. EK 0 T€ (nach Afa) zusätzlicher Gewinn 0 T€ Bilanzsumme Bilanzsumme Abb. 27 Beispiel für eine Zwischengewinneleminierung © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 38 von 102 Beispiel zur Aufwands- und Ertragskonsolidierung: Die Tochterunternehmung stellt ein Vorprodukt her und verkauft es an seine Mutterunternehmung. Diese nimmt die letzte Veredelung vor und verkauft das fertige Produkt am Markt. GuV Muttergesellschaft Umsatz Kosten Gewinn 75.000 T€ 70.000 T€ 5.000 T€ Die reine Addition der Gewinnund Verlustrechnungen lässt den Konzern viel größer erscheinen, als er tatsächlich ist. GuV bei reiner Addition Umsatz Kosten Gewinn 145.000 T€ 135.000 T€ 10.000 T€ GuV Tochterunternehmung Umsatz Kosten Gewinn 70.000 T€ 65.000 T€ 5.000 T€ Wären Mutter und Tochterunternehmen nicht rechtlich getrennt (Fiktion der rechtlichen Einheit), sähe die GuV folgendermaßen aus. Erst nach der Verrechnung von Aufwendungen und Erträgen aus Innenumsätzen wird das tatsächliche Bild der Ertragskraft aus den Geschäftsbeziehungen mit Dritten (= Konzernfremden) sichtbar: GuV nach Konsolidierung Umsatz mit Dritten (= Umsatz der Mutter) Kosten mit Dritten (= Kosten der Tochter) Gewinn mit Dritten 75.000 T€ 65.000 T€ 10.000 T€ Abb. 28 Beispiel für eine Aufwands- und Ertragskonsolidierung 25 Was sind stille Reserven, und wie können sie entstehen? Als stille Reserve wird die aus einer Bilanz nicht ersichtliche Differenz zwischen dem Buchwert und einem höheren Tageswert bezeichnet. Bei Veräußerung von Vermögensgegenständen zum höheren Tageswert werden stille Reserven realisiert, d. h. sie erhöhen den Gewinn. Tatsächlich sind stille Reserven daher Rücklagen und müssten somit zum Eigenkapital gezählt werden. Gemäß HGB ist das verboten, gemäß IAS/ IFRS ist dieses Verfahren möglich, wenn es für sämtliche Vermögensgegenstände einer Gruppe angewendet wird. Problematisch bleibt allerdings, stille Reserven zu ermitteln, wenn sie nicht durch einen Veräußerungsvorgang offen gelegt werden. Stille Reserven entstehen durch Unterbewertung von Vermögensgegenständen, was wiederum auf verschiedene Weise geschehen kann: Bewertung zu historischen Anschaffungskosten, die aus heutiger Sicht zu niedrig sind (Bsp. ein vor Jahrzehnten gekauftes Grundstück), Sonderabschreibungen, zu hohe Wertberichtigungen auf Forderungen oder Vorräte etc. Stille Reserven erhöhen den Wert eines Unternehmens über den Wert hinaus, der aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung ersichtlich ist. Durch die Bildung stiller Reserven wird daher die Aussagefähigkeit der Bilanz beeinträchtigt und es wird die Vergleichbarkeit erschwert. Steuerlich führen stille Reserven zu einer zeitweise Verminderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage. Werden sie aufgelöst, wirken sie allerdings Gewinn erhöhend. Folg© Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 39 von 102 lich stellen sie im Ergebnis keine Steuerersparnis dar, sondern lediglich eine Steuerstundung. Beispiel: Ein Unternehmen besitzt ein Wertpapierdepot, das mit T€ 200 in der Bilanz steht. Der Verkehrswert (Kurswert) des Depots beträgt T€ 220. Bilanz Aktiva Finanzanlagen (Wertpapierdepot) restliches Anlagevermögen Umlaufvermögen Bilanzsumme Passiva 200 T€ Eigenkapital 1.000 T€ 1.500 T€ 800 T€ Fremdkapital 1.500 T€ 2.500 T€ Bilanzsumme 2.500 T€ Aufgrund des Realisationsprinzips darf in der Bilanz nach HGB nicht über die Anschaffungskosten (T€ 200) hinaus bewertet werden. Für das Unternehmen stellt dies eine stille Reserve in Höhe von T€ 20 dar, die in der Bilanz nicht erscheint. Abb. 29 Beispiel für die Entstehung stiller Reserven 26 Worin unterscheiden sich das Betriebsergebnis, das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, der Jahresüberschuss und der Bilanzgewinn? In der Gewinn- und Verlustrechnung sind mehrere Erfolgsgrößen ausweispflichtig, die sich in unterschiedlichem Maße für eine Erfolgsanalyse eignen. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 40 von 102 Beispiel: Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung Umsatzerlöse - Materialaufwand - Personalaufwand - Abschreibungen - sonstige betr. Aufwendungen = BETRIEBSERGEBNIS +/- Beteiligungsergebnis +/- Zinserträge/ -aufwendungen = ERGEBNIS DER GEWÖHNLICHEN GESCHÄFTSTÄTIGKEIT +/- außerordentliches Ergebnis - Steuern von Einkommen und Ertrag = JAHRESÜBERSCHUSS/-FEHLBETRAG + Entnahmen aus Rücklagen - Einstellungen in Rücklagen zusätzlich bei Aktiengesellschaften +/- Gewinnvortrag/Verlustvortrag aus dem Vorjahr = BILANZGEWINN/-VERLUST Abb. 30 Erfolgsgrößen in der Gewinn- und Verlustrechnung Das Betriebsergebnis ist kein Begriff, der im GuV-Gliederungsschema des § 275 HGB auftaucht. Dennoch wird die Bonität eines Unternehmens i. d. R. (auch) anhand des Betriebsergebnisses beurteilt. Das Betriebsergebnis berücksichtigt nur einen Teil der Erträge und Aufwendungen eines Geschäftsjahres, und zwar diejenigen, die aus der eigentlichen Geschäftstätigkeit des Unternehmens entstanden sind (operatives Geschäft). Welche Erträge und Aufwendungen das sind, ist in das Ermessen des Analysten gestellt, generell dazu zählen u. a. Umsatzerlöse, Material-, Personal- und Sachaufwendungen. Dagegen sind neutrale Erträge und Aufwendungen, das Beteiligungsergebnis, Steuern u. a. nicht Bestandteil des Betriebsergebnisses. Über die Zugehörigkeit von Zinsaufwendungen und -erträgen zum Betriebsergebnis gehen die Meinungen in der Praxis auseinander. Das Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit findet sich in der GuVGliederung gemäß § 275 HGB. Es enthält sämtliche Erträge und Aufwendungen außer den neutralen Erträgen/ Aufwendungen und den Steuern. Neben den Komponenten des Betriebsergebnisses sind daher immer die Erfolgskomponenten aus Beteiligungen, Zinsaufwendungen und Zinserträge Bestandteil des Ergebnisses aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit. Der Jahresüberschuss/ -fehlbetrag ist dagegen der Saldo aus sämtlichen Erträgen und Aufwendungen eines Geschäftsjahres (also auch der neutralen) inkl. der Steuern. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 41 von 102 Der Bilanzgewinn/-Verlust ist im Ergebnis die Differenz der gesamten Erträge und Aufwendungen sämtlicher Geschäftsjahre. Er ergibt sich, indem der Jahresüberschuss eines Jahres um Gewinn- oder Verlustvorträge aus dem Vorjahr, Entnahmen aus den oder Einstellungen in die Rücklagen und Ausschüttungen erhöht oder verringert werden. Verwendung findet der Bilanzgewinn, der in der Praxis meistens dem auszuschüttenden bzw. schon ausgeschütteten Gewinn entspricht, nur bei der Berechnung der Dividendenrentabilität. Der Bilanzgewinn hat ansonst keine Aussagekraft hinsichtlich des im abgelaufenen Jahr erzielten Gewinns. 27 Warum wird zusätzlich zum Einzelabschluss ein Konzernabschluss aufgestellt? Da die Einzelabschlüsse allein nicht geeignet sind, die wirtschaftliche Entwicklung eines Konzerns darzustellen, ist hierfür ein Konzernabschluss erforderlich. Zweck eines Konzernabschlusses ist es, die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Einzelunternehmen so darzustellen, als wären sie ein einziges Unternehmen (Fiktion der rechtlichen Einheit). So ist z. B. die Summe der Gewinne der einzelnen Konzernunternehmen meist nicht identisch mit dem konsolidierten Gewinn des Konzerns. Daher genügt es nicht, die Daten aus den Einzelabschlüssen aller Unternehmen einfach zu addieren. Die folgende Tabelle zeigt die Auswirkungen der Konsolidierung auf die Gewinn- und Verlustrechnung und die Bilanz im Unterschied zur reinen Addition: Wirkung der Konsolidierung… auf den Ausweis im konsolidierten Abschluss von … Gewinn Umsatzrendite Eigenkapital Eigenkapitalquote = Eigenkapital/ Bilanzsumme = Gewinn / Umsatz Kapitalkonsolidierung - - Schuldenkonsolidierung - - Eliminierung Zwischengewinne Aufwands- und Ertragskonsolidierung - - - Abb. 31 Auswirkung von Konsolidierungsmaßnahmen auf Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung Beispiele zur Konsolidierung finden sich in FAQ 24 „Was versteht man unter einer Konsolidierung?“. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 42 von 102 28 Welche Angaben gehören in den Anhang? Aufgabe des Anhangs ist es, die quantitativen Angaben in der Bilanz und der GuV näher zu erläutern und/oder zu ergänzen. Gerade bei Konzernabschlüssen mit sehr stark aggregierten GuV- und Bilanzdaten enthält der Anhang wesentliche Informationen zur Beurteilung der Bonität des Konzerns. So ist im Anhang z. B. anzugeben, welche Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden bei der Bilanzerstellung herangezogen worden sind (§ 284 Abs. 2 S. 1 HGB) und ob es Veränderungen im Konsolidierungskreis gegeben hat (§ 294 Abs. 2 HGB). Die folgende Übersicht zeigt die Mindestangaben, die in einem Anhang ausgewiesen werden müssen: Informationen des Anhangs - Angewandte Bilanzierungs-, Bewertungsmethoden bzw. Abweichungen davon - Erläuterung der Konsolidierungsmethoden (bei Konzernabschlüssen) - Informationen zu den Tochterunternehmen und Beteiligungen des Konzerns - Grundlagen der Währungsumrechnung - Zusammensetzung der Herstellungskosten (Einbeziehung von Fremdkapitalzinsen) - Aufgliederung der Verbindlichkeiten sowie deren Fristigkeit und Besicherung - Sonstige finanzielle Verpflichtungen, sofern diese nicht in der Bilanz erscheinen - Aufgliederung der Umsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen bzw. geografischen Märkten - Auswirkung von außerordentlichen Abschreibungen bzw. Bildung/Auflösung von Sonderposten Belastungen durch Steuern - Durchschnittliche Anzahl von Mitarbeitern - Bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens: Materialaufwand, Personalaufwand - Mitglieder der Geschäftsführung und anderer Organe sowie deren Gesamtbezüge (Gehälter, Gewinnbeteiligungen, Bezugsrechte/ sonstige aktienbasierte Vergütungen, Aufwands-entschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art) Gesamtbezüge früherer Organmitglieder (Ruhegehälter, Abfindungen, Hinterbliebenenbezüge und ähnliche Leistungen) - Gewährte Vorschüsse und Kredite an Organmitglieder - Name, Eigenkapital, Gewinn und sonstige Informationen zu Unternehmen, an denen das bilanzierende Unternehmen oder dessen Organmitglieder mit mind. 20 % beteiligt ist/sind - Erläuterung der Rückstellungen - Börsennotierte Mutterunternehmen müssen im Konzernanhang zusätzlich eine Kapitalflussrechnung und eine Segmentberichterstattung darstellen. Abb. 32 Informationen im Anhang zum Jahresabschluss Bei Kapitalgesellschaften und Konzernen ist der Anhang neben der Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Bilanz stets Pflichtbestandteil des Jahresabschlusses. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 43 von 102 29 Was ist ein Bilanzausschuss? Der Bilanzausschuss ist ein Ausschuss des Aufsichtsrates. Im angelsächsischen Sprachraum wird dieses Gremium auch als Audit Committee bezeichnet. Der Bilanzausschuss gibt Empfehlungen ab über die Bestellung der Abschlussprüfer, die Festlegung ihrer Vergütung sowie über die Feststellung der Jahres- und Zwischenabschlüsse. Zu seinen Aufgaben zählt weiter, mit den Abschlussprüfern das Prüfungsprogramm sowie die Prüfergebnisse zu erörtern. Zugleich überwacht er die Ordnungsmäßigkeit der internen Kontrollen, Bilanzierungsgrundsätze und Finanzberichterstattung des Konzerns. Der Bilanzausschuss ist dafür verantwortlich, dass die internen und externen Prüfungsverfahren ordnungsgemäß geleitet werden und den Prüfungsangelegenheiten ausreichende Beachtung geschenkt wird. Nach Abschluss der Prüfungshandlungen macht der Bilanzausschuss Vorschläge zur Feststellung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat. Insbesondere infolge von nationalen und internationalen Bilanzskandalen kommt der Überwachung der Arbeit der Abschlussprüfer wachsende Bedeutung zu. Über die Qualifikation der Mitglieder des Ausschusses gibt es im Aktiengesetz keine Vorschriften. Der Deutsche Corporate Governance Kodex in seiner aktuellen Fassung (Juni 2005) hebt allein die fachliche Qualifikation des Ausschussvorsitzenden hervor. Nach Tz. 5.3.2 soll er über „besondere“ Kenntnisse und Erfahrungen in der Anwendung in den Bereichen Rechnungslegung und interne Kontrollverfahren verfügen. Dagegen werden z. B. in den USA die Rechte und Pflichten der Mitglieder des Audit Committee sehr viel genauer geregelt (Sarbanes-Oxley Act). 30 Wozu dient der Lagebericht? Der Lagebericht ist für mittelgroße und große Kapitalgesellschaft sowie für sämtliche börsennotierte Unternehmen Pflichtbestandteil des Jahresabschlusses (neben GuV, Bilanz und Anhang). Er enthält vor allem verbale Informationen, die aber anders als der Anhang nicht unmittelbar die einzelnen Posten der GuV und Bilanz erläutern. Vielmehr soll das Unternehmen mit den Informationen des Lageberichtes eine Gesamtbeurteilung der gegenwärtigen und künftigen wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens und seiner Marktstellung durch die Geschäftsführung abgeben. Neben Pflichtangaben über den Geschäftsverlauf und die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage existieren einige Sollvorschriften, so z. B. zu Vorgängen von besonderer Bedeutung nach Ablauf des Geschäftsjahres, zu der voraussichtlichen Entwicklung des Unternehmens und zu Angaben im Bereich Forschung und Entwicklung (§ 289 HGB). © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 44 von 102 31 Was ist eine Kapitalflussrechnung? Die Kapitalflussrechnung stellt den Zufluss und die Verwendung von liquiden Mitteln eines Unternehmens dar und wird daher auch als Kapitalstromanalyse bezeichnet. Ziel ist es, die Entwicklung, d. h. die Veränderung der flüssigen Mittel bzw. der kurzfristigen Bankverbindlichkeiten innerhalb eines Geschäftsjahres zu erklären. Dazu werden die Veränderungen sämtlicher Bilanzpositionen herangezogen. Die Kapitalflussrechnung ist damit letztlich nichts anderes als eine Bewegungsbilanz. Cash Flow-Konzepte können als Spezialfall der umfassenderen Kapitalflussrechnung angesehen werden. Im Unterschied zur Kapitalflussrechnung berücksichtigen sie nur einen Teil der Veränderungen von Bilanzpositionen. Beispiel: Cash Flow I als Spezialfall der Kapitalstromanalyse Definition Cash Flow I = Änderung Bilanzposition GuV Position Mio. € Betriebsergebnis + Abschreibungen + Bildung bzw. ./. Auflösung langfr. Rückstellungen = Cash Flow I 70 110 15 Änderung Eigenkapital Änderung Anlagevermögen Änderung Pensionsrückstellung 195 Abb. 33 Beispiel für die Berechnung des Cash Flow Der Cash Flow I steht häufig für den Liquiditätszustrom aus dem operativen Geschäft. Im Folgenden wird an Hand eines Beispiels erläutert, welche Schlüsse sich aus der Analyse einer Kapitalflussrechnung ziehen lassen: © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 45 von 102 Beispiel: Positionen in der Kapitalflussrechnung T€ Betriebsergebnis operativer 127.000 + Abschreibungen Cash flow 63.000 +/- Erhöhung (-Verminderung) langfristiger Rückstellungen +/- außerordentliches Ergebnis -11.000 -185.000 +/- Zunahme/Abnahme der Forderungen a.L.u.L., Vorräte und sonstigen Aktiva 205.000 +/- Zunahme/Abnahme der Verbindlichkeiten a.L.u.L. und sonstigen Passiva 102.000 = CASH FLOW AUS DER LAUFENDEN GESCHÄFTSTÄTIGKEIT + Einzahlungen aus dem Verkauf von Sachanlagen/Finanzanlagen - Investitionen in Sachanlagen/Finanzanlagen = CASH FLOW AUS DER INVESTITIONSTÄTIGKEIT 301.000 15.000 -224.000 -209.000 + Einzahlungen aus Eigenkapitalzuführungen (Kapitalerhöhungen, etc.) - Auszahlungen für Anteilseigner (Dividenden, etc.) + Einzahlungen aus der Aufnahme von Darlehen bzw. Begebung von Anleihen - Auszahlungen für Tilgungen = CASH FLOW AUS DER FINANZIERUNGSTÄTIGKEIT + Zahlungsmittelbestand am Anfang der Periode +/- Zahlungswirksame Veränderungen = ZAHLUNGSMITTELBESTAND AM ENDE DER PERIODE -35.000 175.000 -7.000 133.000 91.000 225.000 316.000 Abb. 34 Die Kapitalflussrechnung Im Beispiel hat das Unternehmen aus seiner Geschäftstätigkeit einen Liquiditätszufluss i. H. v. T€ 301.000 erhalten. Obwohl das operative Ergebnis nur T€ 127.000 betrug und dazu noch ein erheblicher neutraler Aufwand (T€ 185.000) entstanden ist, wurde durch den Abbau von Forderungen (T€ 205.000) und das Hinausschieben von Zahlungen für Verbindlichkeiten (T€ 102.000) in erheblichen Maße Liquidität geschöpft (T€ 301.000). Diese und die Liquidität aus der Darlehensaufnahme (T€ 175.000) wurde u. a. für die Ausschüttungen an die Aktionäre (T€ 35.000) verwendet. Der Rest hat zur Erhöhung der Bankguthaben (um T€ 225.000) geführt und steht neben den schon zu Beginn des Jahres vorhandenen Guthaben i. H. v. T€ 91.000 dem Unternehmen als freie Liquidität zur Verfügung. 32 Was ist ein Segmentbericht? Ein Segmentbericht ist eine Darstellung der Unternehmungsentwicklung, getrennt nach einzelnen Unternehmensbereichen, wie geographischen Regionen oder Geschäftssparten. Er ist Teil des Konzernabschlusses börsennotierter Unternehmen und soll dem Bilanzadressaten zusätzliche Informationen zur Verfügung stellen, bzw. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 46 von 102 Informationsdefizite beseitigen. In einem Segmentbericht müssen Umsatzerlöse, Segmentergebnis, Segmentvermögen und -verbindlichkeiten aufgeführt werden. Beispiel: Segmentbericht Umsatzerlöse Segmentergebnis Segmentvermögen Segementverbindlichkeiten … Hochbau Tiefbau Handel Summe Mio. € 5,3 -0,7 Mio. € 7,7 1,2 Mio. € 2,6 0,1 Mio. € 15,6 0,6 2,3 0,8 … 2,8 2,2 … 0,7 0,4 … 5,8 3,4 … Das Beispiel zeigt, dass der Bereich Hochbau defizitär ist. Nur durch die sehr gute Rentabilität des Bereichs Tiefbau kann das Unternehmen den Verlust aus dem Hochbau ausgleichen und einen Gewinn von T€ 600 ausweisen. Abb. 35 Beispiel für einen Segmentbericht Die Segmentberichtserstattung bietet vor allem den Vorteil, dass mit ihrer Hilfe der Erfolg getrennt nach den Segmenten beurteilt werden kann. 33 Was sind Eventualverbindlichkeiten? Bei Eventualverbindlichkeiten handelt es sich um ungewisse Verbindlichkeiten. Sie können zwar grundsätzlich entstehen, d. h. zu Zahlungsabflüssen in der Zukunft führen, nach Einschätzung des Unternehmens ist aber nicht sicher mit ihrem Eintritt zu rechnen. Dadurch unterscheiden sich Eventualverbindlichkeiten von den klassischen Verbindlichkeiten, deren Eintritt sicher bzw. sehr wahrscheinlich ist, und Rückstellungen, deren Eintritt oder Höhe nicht völlig, aber ausreichend sicher sind. Übernimmt z. B. ein Unternehmen für ein anderes Unternehmen eine Bürgschaft, dann besteht ein grundsätzliches Risiko für die Bürgschaftsnehmerin, in Höhe des Bürgschaftsbetrages in Haftung genommen zu werden. Selbst wenn das bürgende Unternehmen den Eintritt dieses Risikos ausschließt, muss der monetäre Gegenwert des Risikos beim bürgenden Unternehmen in Form einer Eventualverbindlichkeit ausgewiesen werden. Der Ausweis erfolgt im Gegensatz zu den Verbindlichkeiten bzw. den Rückstellungen nicht in der Bilanz, sondern „unter dem Bilanzstrich“ (außerhalb der Bilanz/unterhalb der Bilanzsumme). Eventualverbindlichkeiten sind auch im Anhang anzugeben. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 47 von 102 Folgende Eventualverbindlichkeiten (auch Haftungsverhältnisse genannt) müssen ausgewiesen werden, um den Bilanzleser über mögliche Risiken, die auf das Unternehmen zukommen könnten, zu informieren: Verbindlichkeiten aus der Ausgabe und Übertragung von Wechseln, Verbindlichkeiten aus Bürgschaften, Wechsel- und Scheckbürgschaften, Verbindlichkeiten aus Gewährleistungsverträgen, Haftungsverhältnisse aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten. 34 Was bedeutet Off-Balance-Gestaltung? Off-Balance-Gestaltung bedeutet frei übersetzt soviel wie „bilanzneutrale Sachverhaltsgestaltung“. Eine Off-Balance-Gestaltung ist (wie z. B. auch die Wahrnehmung verschiedener gesetzlich eingeräumter Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte) grundsätzlich eine legale bilanzpolitische Maßnahme. Durch die Gestaltung eines Sachverhalts besteht für das Unternehmen die Möglichkeit, das Bilanzbild z. T. massiv zu beeinflussen, ohne dass seine Ertragskraft dadurch materiell verbessert würde. Diese Möglichkeit wird am Beispiel eines Sale and lease back-Geschäftsvorfalls dargestellt. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 48 von 102 Beispiel zu Sale and lease back: Ein Unternehmen erwirtschaftet ein ausgeglichenes Ergebnis (Gewin/Verlust=0) und erhält aufgrund der Abschreibungen auf seine Immobilien einen jährlichen Cash flow i.H.v. 1.000 T€. Die Immobilien sind jeweils zur Hälfte mit Eigenkapital und über Darlehen finanziert sind. Die Eigenkapitalquote des Unternehmens beträgt 33%. GuV vor Sale and lease back Umsatz Abschreibungen Kosten Gewinn Cash flow Bilanz vor Sale and lease back 10.000 1.000 9.000 0 T€ T€ T€ T€ Aktiva Passiva Immobilien 10.000 T€ Eigenkapital 5.000 Darlehen 5.000 Forderungen 5.000 T€ Verbindlichk. 5.000 Bilanzsumme 15.000 T€ Bilanzsumme 15.000 T€ 33% T€ T€ T€ 1.000 T€ Nun verkauft das Unternehmen die Immobilien und schließt gleichzeitig einen Leasingvertrag ab, um sie auch weiterhin nutzen zu können (Sale and lease back). Der Verkaufserlös beträgt 10.000 T€. Die eine Hälfte verwendet das Unternehmen um die Immobiliendarlehen zu tilgen. Die andere Hälfte steht dem Unternehmen zur Verfügung (hier: flüssige Mittel). GuV nach Sale and lease back Bilanz nach Sale and lease back Aktiva Umsatz Leasingkosten Kosten Gewinn 10.000 1.000 9.000 0 Cash flow T€ T€ T€ T€ Flüssige Mittel Forderungen Bilanzsumme Passiva Eigenkapital 5.000 T€ 50% 5.000 T€ 5.000 T€ Verbindlichk. 10.000 T€ Bilanzsumme 5.000 T€ 10.000 T€ 0 T€ Durch den Sale and lease back Vorgang hat das Unternehmen sich Liquidität (die bisher in den Immobilen gebunden war) beschschafft. Durch die Bilanzverkürzung (Reduzierung der Bilanzsumme) hat sich die Eigenkapitalquote auf 50% erhöht. In der GuV entfallen in Zukunft die Abschreibungen auf die Immobilien. Ersetzt wird die Abschreibung durch zukünftig an den Leasinggeber zu entrichtende Leasingzahlungen. Da diese (im Gegensatz zu Abschreibungen) liquiditätswirksam sind reduziert sich der Cash flow. Der einmalige Liquiditätszufluss durch den Immobilienverkauf wird durch einen zukünftig geringeren Cash flow erkauft. Abb. 36 Auswirkungen von Sale and lease back-Maßnahmen auf die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung Neben Sale and lease back ist auch Factoring ein beliebtes Instrument zur Verbesserung des Bilanzbildes. Beim Factoring verkauft ein Unternehmen Forderungen aus Lieferung und Leistung (Geldbeträge, auf deren Zahlung das Unternehmen Anspruch hat, weil es zuvor gegenüber dem Schuldner der Forderung eine Leistung erbracht hat) an eine Factoring-Gesellschaft und beschafft sich so Liquidität. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 49 von 102 Beispiel zu Factoring: Ein Unternehmen erwirtschaftet ein ausgeglichenes Ergebnis (Gewinn/Verlust = 0). Die Eigenkapitalquote beträgt 17 %. GuV vor Factoring Umsatz Kosten Gewinn Bilanz vor Factoring 10.000 T€ 10.000 T€ 0 T€ Aktiva Passiva Anlageverm. 7.000 T€ Eigenkapital 2.000 Darlehen 5.000 Forderungen 5.000 T€ Verbindlichk. 5.000 Bilanzsumme 12.000 T€ Bilanzsumme 12.000 T€ T€ T€ T€ 17% Nun verkauft das Unternehmen seine Forderungen an ein Factoring-Unternehmen und erhält hierfür in gleichem Maße Liquidität. Diese frei gewordene Liquidität nutzt das Unternehmen, um Lieferantenverbindlichkeiten zu begleichen. GuV nach Factoring Umsatz Kosten Factoringgebühren Gewinn 10.000 10.000 100 -100 Bilanz nach Factoring T€ T€ T€ T€ Aktiva Passiva Anlageverm. 7.000 T€ Eigenkapital 2.000 T€ Darlehen 5.000 T€ Bilanzsumme 7.000 T€ Bilanzsumme 29% 7.000 T€ Durch die Bilanzverkürzung (Reduzierung der Bilanzsumme) hat sich die Eigenkapitalquote auf 29% erhöht. In der Zukunft müssen Gebühren an das Factoring-Unternehmen bezahlt werden (GuV). Hierdurch verschlechtert sich die Ertragslage. Für den Fall, dass das Unternehmen die Liquidität aus dem Forderungsverkauf dazu nutzt, die Darlehen zu tilgen, reduzieren sich in der GuV die Zinsaufwendungen. Abhängig von der Höhe der Factoringgebühren und der Zinsen kann sich das Factoring neben dem Einfluss auf das Bilanzbild (Erhöhung der Eigenkapitalquote) zukünftig positiv oder negativ auch auf die GuV auswirken. Abb. 37 Auswirkung von Factoring auf die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung Neben den klassischen Formen der Off-Balance-Gestaltung, wie Sale and lease back und Factoring, gibt es zahlreiche weitere Formen der Bilanzgestaltung. Alternativ zum Verkauf der Forderungen an ein Factoring-Unternehmen können diese auch verbrieft und am Kapitalmarkt verkauft werden (Asset backed securities). 35 Wie unterscheiden sich Rückstellungen von Verbindlichkeiten, bzw. wann muss man eine Rückstellung in der Bilanz bilden und wann eine Verbindlichkeit ausweisen? Im Prinzip sind Rückstellungen lediglich eine spezielle Form der Verbindlichkeiten (bzw. des Fremdkapitals). Im Allgemeinen wird unter einer Verbindlichkeit allerdings eine hinsichtlich Zeitpunkt und Höhe feststehende Verpflichtung verstanden, die ein Unternehmen im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit eingegangen ist. Beispiel: Kauft ein Unternehmen Material ein, so erwächst ihm bis zur Bezahlung eine Verbindlichkeit gegenüber dem Lieferanten in Höhe des vereinbarten Rechnungsbetrages. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 50 von 102 Im Unterschied dazu sind Rückstellungen eine besondere Form von Verbindlichkeiten, da sie hinsichtlich ihrer Höhe oder gar ihres Eintritts nicht sicher sind. Von einem „vorsichtigen Kaufmann“ wird jedoch erwartet, dass er für den Fall des Eintritts Vorsorge trifft. Daraus erwachsen erhebliche bilanzpolitische Spielräume: Jede Bildung einer Rückstellung bedeutet Aufwand in der GuV (Gewinnausweis sinkt), jede zahlungsunwirksame Auflösung einer Rückstellung wird als Ertrag in der GuV gebucht (Gewinnausweis steigt). Beispiel: Erwartet ein Unternehmen in einem noch offenen Rechtsstreit eine Strafzahlung, muss es dieses Risiko in Höhe der wahrscheinlichen Strafzahlung bereits heute in GuV und Bilanz erfassen. Das Unternehmen hat damit vor dem eigentlichen Eintritt des Schadens den möglichen Verlust als Aufwand zu buchen (GuV) und eine Rückstellung in gleicher Höhe (Bilanz) zu bilden. Die Rückstellung steht stellvertretend für eine Verbindlichkeit, die mit einer hinreichend hohen Wahrscheinlichkeit eintritt, jedoch hinsichtlich des Zeitpunktes ihres Eintritts und der Höhe nicht sicher ist. 36 Was versteht man unter dem „gezeichneten Kapital“? Das gezeichnete Kapital einer Kapitalgesellschaft (= Grundkapital bei einer Aktiengesellschaft) ist dasjenige Kapital, auf das sich die Haftung der Gesellschafter beschränkt. Allerdings bedeutet das nicht, dass das gezeichnete Kapital in Form einer Barreserve zur Verfügung steht. Es kann vielmehr in sämtlichen Vermögenswerten gebunden sein. Bereits zum Zeitpunkt der Gründung kann das Stammkapital in bar oder in Form einer Sacheinlage geleistet werden. Hinzu kommt, dass bei Kapitalgesellschaften mit mehr als einem Gesellschafter lediglich 50 % des gezeichneten Kapitals eingezahlt werden müssen. Der restliche Betrag wird als „ausstehende Einlagen“ auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen, also quasi als Forderungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter. Das gezeichnete Kapital wird auch als konstantes Eigenkapital bezeichnet. 37 Was sind Kapitalrücklagen? Kapitalrücklagen zählen zum Eigenkapital eines Unternehmens und werden dem so genannten variablen Eigenkapital zugerechnet. Rücklagen dienen dazu, Verluste aufzufangen, ohne dass dazu das gezeichnete Kapital (konstantes Eigenkapital) angegriffen werden muss. Die gesetzlich geregelte Aufteilung der Rücklagen unterscheidet zwischen Kapitalrücklagen und Gewinnrücklagen. Kapitalrücklagen bezeichnen den Teil des Eigenkapitals, der dem Unternehmen von seinen Anteilseig© Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 51 von 102 nern zugeflossen ist. Die Gewinnrücklagen speisen sich aus während der Geschäftstätigkeit erwirtschafteten Gewinnen oder Verlusten. 38 Was ist ein Cash Flow? Der Begriff Cash Flow bezeichnet die Liquiditätszu-, bzw. Abflüsse aus dem laufenden Geschäft. Ein Unternehmen gilt dann als kapitaldienstfähig, wenn der Cash Flow ausreicht, um die Zahlungen an die Eigenkapitalgeber, die Tilgungen der Fremdkapitalgeber sowie kleinere Investitionen garantieren zu können. War das Unternehmen in der Vergangenheit kapitaldienstfähig, wird daraus oft auch für die Zukunft auf eine grundsätzliche Zahlungsfähigkeit geschlossen (sofern nicht konkrete, gegenteilige Informationen vorliegen). Damit kommt dem Cash Flow eine hohe Bedeutung bei der Beurteilung der Zahlungsfähigkeit zu. Zu ergänzen ist, dass sowohl Zahlungsunfähigkeit als auch drohende Zahlungsunfähigkeit Insolvenztatbestände sind (bei NichtBeseitigung: Antragspflicht auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch den Geschäftsführer innerhalb von drei Wochen). In der Praxis existiert eine Vielzahl von Definitionen für den Cash Flow. Die am häufigsten verwendete Definition lautet: Beispiel: Klassische Cash flow-Definition Betriebsergebnis + Abschreibungen +/- Zuführung (-Verminderung) zu langfristigen Rückstellungen = CASH FLOW Abb. 38 Häufig verwendete Formel zur Berechnung des Cash Flow Wie das Beispiel zeigt, ist der in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesene Gewinn (Verlust) nicht identisch mit dem Liquiditätszufluss (-abfluss). So stellen Abschreibungen und die Bildung von Rückstellungen zwar Aufwand dar, sie haben jedoch keinen Liquiditätsabfluss zur Folge. Mit der dargestellten Cash Flow-Definition wird vereinfachend unterstellt, dass außer den Abschreibungen und Zuführungen (Verminderungen) von langfristigen Rückstellungen alle sonstigen GuV-Positionen liquiditätswirksam sind. D. h. man unterstellt, dass z. B. alle Umsatzerlöse zu Liquiditätszuflüssen und alle sonstigen Aufwendungen zu Liquiditätsabflüssen geführt haben. Dem ist natürlich nicht so. Aus diesem Grunde werden (für börsennotierte Aktiengesellschaften verpflichtend, für Kapitalge© Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 52 von 102 sellschaften üblicherweise) Kapitalflussrechnungen erstellt, die sämtliche Liquiditätsströme eines Unternehmens erfassen. Dadurch lässt sich die Veränderung der liquiden Mittel bzw. der kurzfristigen Bankverbindlichkeiten in einem Geschäftsjahr erklären (s. FAQ 31 „Was ist eine Kapitalflussrechnung?“). Die Informationen innerhalb einer Kapitalflussanalyse sind noch umfangreicher, da sie neben dem operativen Cash Flow (der sich aus der GuV ableitet) auch den bilanziellen Cash Flow (durch die Veränderung von Bilanzpositionen, wie z. B. Tilgungen) berücksichtigt. 39 Wie oft muss ein Jahresabschluss aufgestellt werden? Der Jahresabschluss dient der Information der Anteilseigner, Gläubiger, Mitarbeiter, der interessierten Öffentlichkeit und nicht zuletzt des Finanzamtes über den Erfolg des Unternehmens. Er muss daher jedes Jahr aufgestellt werden. In Ausnahmefällen kann es vorkommen, dass auch für einen kürzeren Zeitraum bzw. mehrfach im Kalenderjahr ein Jahresabschluss erstellt wird. Gründe dafür können u. a. sein: Konsolidierung von Jahresabschlüssen (uneinheitliche Bilanzstichtage der Konzernunternehmen) Jahresabschluss für ein so genanntes Rumpfgeschäftsjahr bei Verkauf / Kauf / Verschmelzung eines Unternehmens. 40 Wie kommt es zustande, dass das Eigenkapital eines Tochterunternehmens größer ist als das der Konzernmutter? Das Eigenkapital eines Unternehmens ist derjenige Teil der Vermögenswerte, der nicht durch die Gläubiger (= Fremdkapital) eines Unternehmens finanziert worden ist, sondern durch seine Eigentümer. Die Höhe des Eigenkapitals hängt also entscheidend von der Finanzierungsstruktur von Investitionen, der Gewinnentwicklung in der Vergangenheit und der Ausschüttungspolitik von Unternehmen ab und nicht unmittelbar von ihrer Größe oder etwa einem Mutter-Tochter-Verhältnis. Beispiel: Einfluss der Finanzierungsstruktur auf die Höhe des Eigenkapitals Bilanz I Bilanz II Unternehmen I finanziert seine Investitionen mit 20% Eigenmitteln Unternehmen II finanziert geringere Investitionen mit 80% Eigenmitteln Aktiva Passiva 10.000 T€ Eigenkapital 2.000 T€ Anlageverm. Darlehen 8.000 T€ Bilanzsumme 10.000 T€ Bilanzsumme 10.000 T€ Aktiva Passiva Anlageverm. 5.000 T€ Eigenkapital 4.000 T€ Darlehen 1.000 T€ Bilanzsumme 5.000 T€ Bilanzsumme 5.000 T€ Abb. 39 Einfluss der Finanzierungsstruktur auf die Höhe des Eigenkapitals, Beispiel 1 © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 53 von 102 Fazit: Obwohl das Unternehmen I größer ist als Unternehmen II (gemessen an der Bilanzsumme), weist Unternehmen I absolut und im Verhältnis zur Bilanzsumme ein wesentlich geringeres Eigenkapital aus als Unternehmen II. Um zu zeigen, dass das Eigenkapital der Muttergesellschaft kleiner als das der Tochtergesellschaft sein kann, genügt es, das Beispiel an einer Stelle zu konkretisieren: Angenommen, das Unternehmen I hat 100 % der Anteile am Unternehmen II erworben. Der Kaufpreis der Beteiligung entsprach dem Eigenkapital der Tochter und ist nur zu 20 % mit Eigenkapital und zu 80 % mit Fremdkapital finanziert worden. Damit ist Unternehmen I die Muttergesellschaft. Bilanz Konzernmutter I Bilanz Tochterunternehmen I Aktiva Passiva Anlageverm. 6.000 T€ Eigenkapital 2.000 T€ Beteiligung 4.000 T€ Darlehen 8.000 T€ Bilanzsumme 10.000 T€ Bilanzsumme 10.000 T€ Aktiva Passiva Anlageverm. 5.000 T€ Eigenkapital 4.000 T€ Darlehen 1.000 T€ Bilanzsumme 5.000 T€ Bilanzsumme 5.000 T€ Abb. 40 Einfluss der Finanzierungsstruktur auf die Höhe des Eigenkapitals, Beispiel 2 Fazit: Obwohl Unternehmen I die Muttergesellschaft ist, weist es auf Grund der Finanzierungsstruktur bei Investitionen ein niedrigeres Eigenkapital als die Tochtergesellschaft II aus. 41 Was bedeutet Publizitätspflicht? Mit der Publizitäts- oder auch Offenlegungspflicht ist die gesetzliche Verpflichtung eines Unternehmens gemeint, seinen Jahresabschluss gegenüber Unternehmensexternen bekannt zu machen. Zweck der Publizitätspflicht ist, nicht nur den Unternehmenseigentümern sondern auch den Gläubigern, Mitarbeitern und der interessierten Öffentlichkeit ein Mindestmaß an Informationen über das Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Die rechtlichen Grundlagen für die Publizitätspflicht leiten sich primär aus dem Handelsgesetzbuch (HGB), dem Publizitätsgesetz (PublG) und EUVorgaben ab. Die Anforderungen und der Umfang der Offenlegung sind von der Rechtsform und der Größe des Unternehmens abhängig. So sind Personengesellschaften (in Abhängigkeit von ihrer Größe und ggf. der Rechtsform ihres Vollhafters (vgl. KapCoGesellschaften) und kleine/mittelgroße Kapitalgesellschaften von bestimmten Publizitätsvorschriften befreit. Die umfangreichsten Publizitätspflichten müssen börsennotierte Aktiengesellschaften beachten. Von der Veröffentlichung eines Konzernabschlusses gänzlich befreit sind Tochterunternehmen, deren Muttergesellschaft zu Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist. Die folgende Übersicht zeigt © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 54 von 102 die Publizitätspflichten für nach dem HGB und PublG offenlegungspflichtige Gesellschaften: Pflicht zur Offenlegung Personengesellschaft kleine Kapitalgesellschaft mittelgroße Kapitalgesellschaft große Kapitalgesellschaft dazu zählt jede börsennotierte AG Bilanz - ja ja ja Anhang - ja, aber ohne Angaben zur GuV ja ja GuV - keine Pflicht ja ja Lagebericht - - ja ja Bericht des Aufsichtsrates - - ja ja Ergebnisverwendungsvorschlag - - ja ja Ergebnisverwendungsbeschluss - - ja ja Veröffentlichung im - Handelsregister Handelsregister Bundesanzeiger Abb. 41 Offenlegungspflichten für Unternehmen nach dem HGB und dem PublG 42 Welche Folgen hat die Verletzung der Publizitätspflichten? Die Verletzung der Publizitätspflichten kann zur Festsetzung eines Zwangsgeldes von bis zu 5.000 € (§ 335 HGB) gegenüber dem vertretungsberechtigten Organ (Vorstand, Geschäftsführer) führen. Kommt das Unternehmen dann innerhalb einer vom Amtsgericht festgesetzten Frist der Offenlegungspflicht weiter nicht nach, wird ein Ordnungsgeld zwischen 2.500 € und 25.000 € (§ 335a HGB) mit der erneuten Androhung eines weiteren Ordnungsgeldes erlassen. Kommt eine börsennotierte Aktiengesellschaft ihrer Publikationspflicht nicht nach, können ihre Aktien vom Handel ausgesetzt werden. 43 Wer kann die Einhaltung der Publizitätspflichten durchsetzen? Das Ordnungsgeldverfahren wird durch das Amtsgericht nicht automatisch („von Amts wegen“) sondern nur auf Antrag eines Dritten eingeleitet. Jedermann ist berechtigt, bei Verletzung der gesetzlich verankerten Offenlegungspflicht (bis zwölf Monate nach dem Bilanzstichtag, § 325 HGB) einen Antrag auf die Verhängung eines © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 55 von 102 Ordnungsgeldes zu stellen. Dabei ist es unerheblich, ob der Antragsteller ein besonderes Interesse an der Veröffentlichung hat. 44 Wie wird die Höhe der Pensionsrückstellungen im Jahresabschluss berechnet? Pensionsrückstellungen - wie andere Rückstellungen auch – sind Verbindlichkeiten, die hinsichtlich ihrer Höhe und hinsichtlich des Eintrittszeitpunktes zum Zeitpunkt ihrer Bildung wahrscheinlich aber letztlich nicht sicher sind. Um die Höhe einer Pensionsrückstellung zu ermitteln, wird ein versicherungsmathematisches Rechenmodell verwendet. Die grundsätzliche Vorgehensweise lässt sich vereinfacht wie folgt darstellen: Bildung und Bewertung von Pensionsrückstellungen für einen Arbeitnehmer in der Handelsbilanz 1. Schritt: Ermittlung des Barwerts der zukünftigen Pensionszahlungen Schätzung der Lebenszeit nach Renteneintritt mit Hilfe der "Richttafeln 2005 G" von Prof. Klaus Heubeck Annahme eines Diskontierungszinssatzes, für Handelsbilanzen max. 6 % 2. Schritt: Annuitätische Verteilung des Barwerts auf den voraussichtlichen Arbeitszeitraum des Mitarbeiters eine Annuität ist ein gleichbleibender Betrag pro Jahr 3. Schritt: Bildung der Rückstellung bis zum Eintritt in den Ruhestand wird die Rückstellung um die Annuität zuzüglich Verzinsung aufgebaut 4. Schritt: Auflösung der Rückstellung mit dem Eintritt in den Ruhestand wird die Rückstellung um die Annuität abzüglich Verzinsung aufgelöst Abb. 42 Verfahren zur Bildung von Pensionsrückstellungen Dieses Verfahren beruht auf Schätzungen über Sterbewahrscheinlichkeiten, Zinsen und Zinseszinsen. Während gemäß EStG § 6a die Sterbetafeln von Professor Klaus Heubeck zur Berechnung verbindlich sind (ab 01.07.2006 „Richttafeln 2005 G“), lässt das HGB Spielräume beim Ansatz des Diskontzinssatzes (max. 6 %). In einem vereinfachten Beispiel soll die Wirkung von Lebenszeit und Diskontierungszinssatz dargestellt werden: Beispiel: Ein Unternehmen vereinbart mit einem Mitarbeiter, dass ihm nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine monatliche Pension von T€ 1 bzw. T€ 12 im Jahr gezahlt wird. Die Höhe der dafür notwendigen Pensionsrückstellung hängt von der Lebensdauer des Mitarbeiters sowie dem Diskontierungszinssatz ab. Der Einfachheit halber wird unterstellt, dass © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 56 von 102 der Mitarbeiter fünf Jahre Ruhestandsbezüge erhält der Diskontierungszinssatz Fall I: 6 % bzw. Fall II: 3% Fall III: 0% und der verbleibende Arbeitszeitraum nur noch ein Jahr beträgt, d. h. Barwert Pensionszahlungen = notwendige Rückstellung. Notwendige Pensionsrückstellung am Ende des Erwerbszeitraums für eine jährliche Pensionszahlung von T€ 12 über 5 Jahre T€ 65 60,0 60 55,0 55 50,5 50 45 40 Diskontierungszins 6% 3% 0% Abb. 43 Höhe der Pensionsrückstellungen in Abhängigkeit vom Diskontierungszinssatz In Abhängigkeit vom Diskontierungszinssatz und der Lebensdauer gilt: Je höher der Diskontierungszinssatz, desto niedriger die notwendige Rückstellung, desto niedriger der Rückstellungsaufwand und desto höher der Gewinnausweis. Je länger die unterstellte Lebensdauer, desto höher die notwendige Rückstellung, desto höher der Rückstellungsaufwand und desto niedriger der Gewinnausweis. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 57 von 102 45 Was versteht man unter Handelsbilanz, Steuerbilanz, Strukturbilanz, Sonderbilanz und Ergänzungsbilanz? Die Handelsbilanz wird auf der Grundlage des Handelsgesetzbuches (HGB) erstellt. Sie hat den Zweck, den verschiedenen Bilanzadressaten, wie Anteilseigner, Gläubiger, Arbeitnehmer, interessierte Öffentlichkeit, Information über die Vermögens- Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu geben. Darüber hinaus dient sie als Grundlage für die Gewinnverwendung (z. B. Ausschüttung von Dividenden). Eine Handelsbilanz muss grundsätzlich jeder Kaufmann aufstellen. Dieser Grundsatz bedeutet in der Praxis jedoch nicht, dass jedes Unternehmen eine Handelsbilanz erstellt. Insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen erstellen aus Kostengründen eine so genannte Einheitsbilanz. Hierbei handelt es sich um eine Bilanz, die sowohl den handelsrechtlichen als auch den steuerrechtlichen Anforderungen gleichermaßen gerecht wird. Adressat der Steuerbilanz ist der Fiskus. Die Steuerbilanz ist von allen Gewerbetreibenden zu erstellen und dient als Bemessungsgrundlage für die Besteuerung. Sie ist weitgehend aus der Handelsbilanz abgeleitet, kann aber in einigen Positionen von ihr abweichen, um dem Zweck einer objektiven und periodengerechten Erfolgsermittlung als Bemessungsgrundlage für die Besteuerung zu genügen. Für die Aufstellung von Strukturbilanzen gibt es keine rechtlichen Vorschriften. Strukturbilanzen entstehen i. d. R. durch die Übertragung der Daten aus den Originalbilanzen in ein fest vorgegebenes Analyseschema (Struktur). Die so erstellte Strukturbilanz dient ausschließlich der Analyse von Jahresabschlüssen (z. B. bei der Bonitätsprüfung durch Kreditinstitute) und enthält meist einen mehrjährigen Vergleich sowie Kennzahlen und weitere Auswertungen, wie z. B. Branchenvergleichszahlen. Sonderbilanzen sind Bilanzen, die zu besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Anlässen erstellt werden, wie bspw. die Gründung, Liquidation, Kapitalerhöhung oder Fusion von Unternehmen. Im Gegensatz zu den oben beschriebenen, regelmäßig zu erstellenden Jahresabschlüssen - wie Handelsbilanz und Steuerbilanz - werden Sonderbilanzen unregelmäßig oder gar nur einmalig verfasst. In Abhängigkeit von der Rechtsform des Unternehmens gelten für Sonderbilanzen ebenso wie für Steuerund Handelsbilanzen spezielle Rechtsvorschriften. In einer Ergänzungsbilanz werden im Gegensatz zu den Sonderbilanzen nur Wertunterschiede gegenüber der Handels- oder Steuerbilanz einer Personengesellschaft erfasst, die auf einzelne Gesellschafter entfallen. Regelmäßig wird eine Ergänzungsbilanz bei einem Wechsel der Gesellschafter von Personengesellschaften notwendig: Weicht der Kaufpreis vom Buchwert des Kapitalkontos des ausscheidenden Gesellschafters ab, wird der Unterschied in einer positiven oder negativen Ergänzungsbilanz für den neuen Gesellschafter erfasst. Die Handels- oder Steuerbilanz der Personengesellschaft selbst wird zu den ursprünglichen Buchwerten fortgeführt. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 58 von 102 46 Was sind latente Steuern? Die Position aktive (passive) latente Steuern kann als Forderung (Verbindlichkeit) gegenüber dem Finanzamt interpretiert werden. Sie wird nur in Handelsbilanzen ausgewiesen und beruht letztlich darauf, dass der ausgewiesene Gewinn in der Handels- und der Steuerbilanz nicht zwingend übereinstimmen muss, da in beiden Bilanzen unterschiedliche bilanzpolitische Wahlrechte genutzt werden können. In diesem Fall wird die auf Basis der Steuerbilanz ermittelte Steuerzahllast von der theoretisch aus der Handelsbilanz abgeleiteten Steuerzahllast abweichen. Fällt der Gewinn in der Handelsbilanz höher aus als in der Steuerbilanz (z. B. auf Grund steuerlich motivierter Sonderabschreibungen), dann werden in der Handelsbilanz auch höhere Steueraufwendungen ausgewiesen. Die Differenz zu den tatsächlich zu zahlenden Steuern (Steueraufwand laut Steuerbilanz) wird als latenter Steueraufwand in der GuV der Handelsbilanz bezeichnet und in der Bilanz als Rückstellung für latente Steuern bezeichnet. Beispiel zu latenten Steuern GuV (Steuerbilanz) Umsatz Materialaufwand Personalaufwand Sachaufwand Gewinn vor Steuer Steueraufwand (40 %) Jahresüberschuss 10.000 T€ 6.000 T€ 1.500 T€ 1.800 T€ 700 T€ 280 T€ 420 T€ Bilanz (Steuerbilanz) Aktiva Passiva Anlageverm. Eigenkapital Vorräte … … … … … … Darlehen Forderungen Verbindlichkeiten Bilanzsumme Bilanzsumme Hat das Unternehmen in der Steuerbilanz seinen Gewinn minimiert, dann fällt das Ergebnis der Handelsbilanz ohne diese bilanzpolitischen Maßnahmen entsprechend höher aus: GuV (Handelsbilanz) Umsatz Materialaufwand Personalaufwand Sachaufwand Gewinn vor Steuer Steueraufwand latenter Steueraufwand Jahresüberschuss 10.000 T€ 6.000 T€ 1.500 T€ 1.200 T€ 1.300 T€ 280 T€ 240 T€ (*) 780 T€ Bilanz (Handelsbilanz) Aktiva Passiva Anlageverm. Eigenkapital Vorräte … … Rückstellung … für latente Steuern … … Darlehen Forderungen Bilanzsumme 240 T€ Verbindlichkeiten Bilanzsumme (*) Auf den Gewinn von TEUR 1.300 wären 40 % Steuern (=TEUR 520) entfallen, so dass noch TEUR 240 latenter Steueraufwand als Rückstellung zu buchen sind. Abb. 44 Beispiel für die Bildung latenter Steuern Die unterschiedlichen Gewinnausweise in der Handel- und der Steuerbilanz in den einzelnen Geschäftsjahren gleichen sich über den Zeitraum des Bestehens eines Unternehmens also langfristig aus. Die Ergebnisdifferenzen bewirken damit lediglich eine zeitliche Verschiebung des ausgewiesenen Steueraufwandes. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 59 von 102 47 Ist das Testat ein „Gesundheitsattest“ des Wirtschaftsprüfers für Unternehmen? Nein. Das Testat (oder der Bestätigungsvermerk) stellt kein Gütesiegel für die Qualität der Unternehmensführung und/oder eine gute, gesicherte Ertrags-, Vermögensoder Schuldenlage des Unternehmens dar. Vielmehr bezieht sich das Testat auf die Ordnungsmäßigkeit des Rechnungswesens, d. h. der Prüfer bestätigt mit dem Testat „nur“, dass das Rechnungswesen Gesetz und Satzung entspricht. Die Prüfungsaussagen geben zwar Hinweise zur Zuverlässigkeit des Rechnungswesens, ein Urteil über die Bonität des Unternehmens lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Hierzu können Informationen aus dem Prüfbericht, die Stellungnahme des Abschlussprüfers zur zukünftigen Entwicklung und zu evtl. bestehenden Risiken oder Angaben zur Bilanzpolitik Anhaltspunkte geben. 48 Worin besteht der Unterschied zwischen Bilanzpolitik und Bilanzfälschung? Der zentrale Unterschied liegt darin, dass es sich bei der Bilanzpolitik um ein legales Instrumentarium des Ergebnisausweises handelt, während die Bilanzfälschung illegal ist und einen Straftatbestand darstellt. Sowohl das deutsche Handels- und Steuerrecht als auch die in Deutschland zulässigen internationalen Rechnungslegungsgrundsätze IAS/ IFRS und US-GAAP enthalten Wahlrechte, die dem Bilanzierenden mehr oder weniger große Spielräume erlauben, ob und mit welchem Wertansatz eine Bilanzposition (z. B. ein Vermögensgegenstand) in der Bilanz angesetzt werden soll. Die Bilanzierung hat dabei einen entsprechend hohen Einfluss auf die Gewinn- und Verlustrechnung, so dass mit der Wahrnehmung von Wahlrechten der Gewinnausweis (Verlustausweis) beeinflusst werden kann. Die Wahlrechte selbst sowie deren Umfang sind dabei klar im Gesetz definiert, und ihre Inanspruchnahme muss im Anhang eines Jahresabschlusses ausgewiesen werden. Als Bilanzfälschung hingegen bezeichnet man darüber hinaus gehende Beeinflussungen des Ergebnisausweises. Dazu zählen u. a.: erfundenen Umsatzerlöse (Luftbuchungen) nicht werthaltiges Vorratsvermögen (durch gefälschte Inventurwerte) nicht gebuchte Aufwandsrechnungen etc. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 60 von 102 49 Was versteht man unter „Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs“, und wie werden diese in der Bilanz erfasst? Aufwendungen für die Ingangsetzung des Geschäftsbetriebs entstehen im Rahmen der Unternehmensgründung. Diese Aufwendungen dienen dem Aufbau der Gesamtorganisation des Unternehmens. Beispiele sind: Kosten der Marktanalyse, Beratungskosten, Kosten für die Personalsuche, Maklerkosten, Aufwand für den Aufbau einer Vertriebsorganisation etc. Aufwendungen für die Erweiterung des Geschäftsbetriebs sind Aufwendungen, die im Zuge des weiteren Ausbaus des Unternehmens und der Vergrößerung des Betriebes anfallen, also im Zuge des Unternehmenswachstums entstehen. Nicht zu den Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs gehören Gründungskosten im engeren Sinne, wie Notarkosten oder Gebühren für die Eintragung ins Handelsregister und Aufwendungen für die Kapitalbeschaffung (z. B. Bürgschaftsprovision, Bereitstellungszinsen). Die Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs sind ein sog. bilanzieller Hilfsposten, der in der Bilanz vor dem Anlagevermögen auszuweisen und im Anhang zu erklären ist. Für die Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen besteht in der Handelsbilanz ein Aktivierungswahlrecht, das nur Kapitalgesellschaften eingeräumt wird. D. h. das Unternehmen hat die Möglichkeit, diese Aufwendungen in der Bilanz als Vermögenswert anzusetzen (zu aktivieren) oder in der Gewinn- und Verlustrechnung ergebnismindernd zu berücksichtigen. Im Falle einer Aktivierung wird der Bilanzposten über maximal vier Jahre abgeschrieben. Absicht des Gesetzgebers war es, Unternehmen vor einer möglichen buchmäßigen Überschuldung in der Anlauf- und Erweiterungsphase dadurch zu bewahren, dass derartige Aufwendungen als Vermögen aktiviert werden können. Zu beachten ist, dass Bilanzierungshilfen nur in der Handelsbilanz angesetzt werden können. Eine Übernahme in die Steuerbilanz ist nicht möglich. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 61 von 102 Beispiel A: Existenzgründungs-GmbH im 1. Jahr ohne Nutzung des Aktivierungswahlrechts: GuV 1. Jahr Umsatz 10.000 T€ Kosten 11.000 T€ Gewinn -1.000 T€ davon 1.100 T€ Aufwendungen für die Ingangsetzung Bilanz 1. Jahr Aktiva Vermögen Passiva 2.000 T€ Eigenkapital -100 T€ Schulden Bilanzsumme 2.100 T€ 2.000 T€ Bilanzsumme 2.000 T€ Beispiel B: Existenzgründungs-GmbH im 1. Jahr mit Nutzung des Aktivierungswahlrechts: GuV 1. Jahr Umsatz Kosten Gewinn 10.000 T€ 9.900 T€ 100 T€ reduziert um Aufwendungen für Ingangsetzung Bilanz 1. Jahr Aktiva Aktivierung der Aufwendung für Ingangsetzung Passiva Aufw. f. Ings. 1.100 T€ Eigenkapital 1.000 T€ Vermögen 2.000 T€ Schulden 2.100 T€ Bilanzsumme 3.100 T€ Bilanzsumme 3.100 T€ Abb. 45 Beeinflussung von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung durch die Bildung von Ingangsetzungsaufwand Das Beispiel zeigt, dass die Aktivierung zu einer Verbesserung der Eigenkapitalsituation führt. Außerdem wird im Jahr der Aktivierung ein höheres Ergebnis ausgewiesen. In den Folgejahren führt die Abschreibung der Ingangsetzungsaufwendungen dann allerdings zu einer Verschlechterung des Ergebnisses. 50 Was passiert, wenn ein Unternehmen überschuldet ist? Ein Unternehmen ist dann überschuldet (bilanzielle Überschuldung), wenn die bilanziellen Verbindlichkeiten das bilanzielle Vermögen übersteigen. In diesem Falle wird in Höhe der Differenz auf der Aktivseite der Bilanz ein „nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ ausgewiesen. Wird die bilanzielle Überschuldung festgestellt, ist zu prüfen, ob auch eine insolvenzrechtlich relevante Überschuldung gegeben ist (nur bei Kapitalgesellschaften, nicht © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 62 von 102 bei Personengesellschaften). Das wird mit Hilfe eines Überschuldungsstatus geprüft. Dabei handelt es sich um eine Sonderbilanz, in der ein branchenkundiger Dritter das Gesellschaftsvermögen und die Schulden neu bewertet. Im Überschuldungsstatus wird von Fortführungswerten und nicht von Zerschlagungswerten ausgegangen. Das bedeutet: Die Posten auf der Aktivseite sind nach ihren derzeit (z. B. durch Verkauf) realisierbaren Verkehrswerten anzusetzen (z. B. ein Grundstück, das 1950 käuflich erworben wurde und noch heute mit den Anschaffungskosten von € 1.500 in den Büchern steht, aber laut einem Wertgutachten mindestens T€ 50 wert ist). Bei den Positionen auf der Passivseite sind die tatsächlich bestehenden Verbindlichkeiten anzusetzen (z. B. überhöhte Rückstellungen: Für den anstehenden Prozess wurden T€ 50 zurückgestellt, nach heutigem Kenntnisstand werden jedoch nur T€ 20 benötigt). Ergibt sich auch zu Fortführungswerten noch eine rechnerische Überschuldung, muss die Geschäftsführung einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht stellen, es sei denn, die Überschuldung kann mit anderen Maßnahmen beseitigt werden (Eigenkapitalerhöhung, Rangrücktrittserklärung für gegebene Gesellschafterdarlehen etc.). Wird dagegen unter Zugrundelegung von Fortführungswerten festgestellt, dass die Verbindlichkeiten der Gesellschaft durch Vermögenswerte gedeckt sind, besteht definitiv keine Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung. Alternativ zur Beseitigung der Überschuldung kann der Insolvenztatbestand durch eine positive Fortführungsprognose beseitigt werden. Die Prognose muss die Frage beantworten, ob die Kapitalgesellschaft in der Lage ist, die Überschuldungssituation mittelfristig zu überwinden. Dazu ist ein Sanierungskonzept erforderlich, das von einem branchenkundigen Dritten, häufig einem Wirtschaftsprüfer, erarbeitet und geprüft werden muss. Ist die Fortführungsprognose negativ, ist die Geschäftsführung (Vorstand, Geschäftsführer) des überschuldeten Unternehmens verpflichtet, beim Amtsgericht Insolvenz anzumelden, wenn die Überschuldung durch keine anderen Maßnahmen beseitigt werden kann. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 63 von 102 Beispiel: Für das Unternehmen A wird eine positive Fortführungsprognose aufgestellt und in einem Überschuldungsstatus das Gesellschaftsvermögen neu bewertet. Das Vermögen der Gesellschaft wird mit T€ 2.000 bilanziert. Im Gesellschaftsvermögen befindet sich eine Immobilie mit einem Buchwert von T€ 500. Der Verkehrswert der Immobilie lt. Gutachten beträgt T€ 1.700. Bilanz Aktiva Vermögen Bilanzsumme Passiva 2.000 T€ Eigenkapital -1.000 T€ Schulden 3.000 T€ 2.000 T€ Bilanzsumme 2.000 T€ Ansatz des Vermögens zu Buchwerten Sonderbilanz / Überschuldungsstatus Aktiva Vermögen zu Verkehrswerten Bilanzsumme Passiva 3.200 T€ Eigenkapital 200 T€ Schulden 3.000 T€ 3.200 T€ Bilanzsumme 3.200 T€ Ansatz des Vermögens zu Verkehrswerten Abb. 46 Überschuldungsstatus Das Beispiel zeigt, dass durch den Ansatz von am Markt realisierbaren Werten in der Bilanz (Verkehrswert der Immobilie lt. Gutachten) keine Überschuldung mehr vorliegt. 51 Worin unterscheiden sich Pauschalwertberichtigungen und Einzelwertberichtigungen? Pauschalwertberichtigungen sind Abschreibungen auf einen Gesamtbestand von Forderungen, mit denen verborgenen Risiken (sog. latenten Risiken) Rechnung getragen werden soll. Die Höhe einer Pauschalwertberichtigung richtet sich nach Erfahrungswerten, z. B. nach der durchschnittlichen Ausfallquote von Forderungen in der Vergangenheit. In der Bilanz werden Pauschalwertberichtigungen nicht explizit, d. h. nicht in einer eigenständigen Position, ausgewiesen sondern direkt vom Forderungsbetrag abgezogen. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 64 von 102 Einzelwertberichtigungen sind Wertkorrekturen von einzelnen Forderungen in der Bilanz wegen konkret absehbarer Ausfallrisiken. Ihre Höhe muss je nach dem vermutlichen Forderungsausfall geschätzt werden. Während mit der Einzelwertberichtigung also dem spezifischen Ausfallrisiko einer konkreten Forderung Rechnung getragen wird, findet bei der Pauschalwertberichtigung das allgemeine Ausfallrisiko von Forderungen vor dem Hintergrund entsprechender Erfahrungen in der Vergangenheit Berücksichtigung. Beispiel: Einzel- u. Pauschalwertberichtigung Forderungen davon zweifelhaft abzgl. EWB abzgl. 1 % PWB Forderungen 10.000 T€ 2.000 T€ Wert aus der Buchhaltung des Unternehmens Gegen Kunde A bestehen Forderungen in Höhe von T€ 2.000. Lt. Einschätzung des Unternehmers ist mit einem Zahlungseingang von 50 % zu rechnen. 862 T€ Bildung einer Einzewertberichtigung (EWB) auf den Forderungsbestand ohne MwSt.(= 1.724 T€) in Höhe von 50 % 69 T€ 9.069 T€ Es wird eine pauschale Wertberichtigung auf die übrigen Forderungen von T € 6.897 (= 8.000 T€ abzgl. MwSt.) vorgenommen, da aufgrund von Erfahrungswerten mit einem Prozent Forderungsverlust zu rechnen ist. Ansatz der Position "Forderungen" im Jahresabschluss Abb. 47 Beispiel für die Bildung einer Einzel- und Pauschalwertberichtigung 52 Stimmt es, dass „Liquidität“ wichtiger ist als „Rentabilität“? Unter Liquidität versteht man die Fähigkeit eines Unternehmens, sämtliche Zahlungsverpflichtungen in der vorgesehenen Frist erfüllen zu können. Faktoren, die die Liquidität eines Unternehmens belasten, sind z. B. rückläufige Gewinne, Tilgungen, Investitionen, Ausschüttungen an Anteilseigner, Aufbau an Vorratsbeständen, verschlechtertes Zahlungsverhalten der Kunden. Faktoren, die die Liquidität erhöhen, sind z. B. steigende Gewinne, Verzicht auf Ausschüttungen an Anteilseigner, Abbau von Vorratsbeständen, schnellere Zahlungseingänge auf Kundenforderungen. Unter Rentabilität versteht man die Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Rentabilitätskennziffern (z. B. Umsatzrendite) liefern dem Eigentümer des Unternehmens eine Entscheidungsgrundlage, ob der Gewinn für eine „angemessene“ Eigenkapitalverzinsung ausreicht oder ob es für ihn lukrativer wäre, sein Geld anderweitig zu inves© Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 65 von 102 tieren (sog. Opportunitätskostenprinzip). Die Rentabilität ist somit ein Maßstab für die Ertragskraft eines Unternehmens. Hohe Gewinne bei niedrigem Kapitaleinsatz sorgen für eine hohe Rentabilität, niedrige Gewinne bei hohem Kapitaleinsatz für eine niedrige Rentabilität. Ausreichende Liquidität ist für die Sicherung der Existenz jedes Unternehmens eine unbedingte Voraussetzung. Befindet sich ein Unternehmen in der Krise, trifft häufig die Aussage „Liquidität vor Rentabilität“ zu: Kurzfristig ist die Liquidität der Rentabilität überzuordnen, weil eine ausreichende Versorgung mit liquiden Mitteln dringend erforderlich ist, um den Zahlungsverpflichtungen fristgerecht nachzukommen und eine Insolvenz wegen (drohender) Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden. Eine hohe Rentabilität schließt aber die Illiquidität eines Unternehmens nicht aus. Auch rentabilitätsstarke Unternehmen können zahlungsunfähig werden, z. B. wenn Kunden später zahlen als erwartet und somit dringend erforderliche Einzahlungen ausbleiben. Das Beispiel zeigt, dass bei vergleichbarer Rentabilität die Liquiditätssituation sehr unterschiedlich sein kann (z. B. wegen der unterschiedlichen Schnelligkeit der Zahlungseingänge). Zu hohe Liquidität bedingt i. d. R. Rentabilitätseinbußen. Wer Zahlungsmittel hortet und nicht mehr investiert, kann zwar seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen, verzichtet aber ggf. auf eine höhere Verzinsung seines eingesetzten Kapitals. Pauschale Behauptungen wie „Liquidität ist wichtiger als Rentabilität“ sind somit mit Vorsicht zu genießen und im jeweiligen Zusammenhang zu betrachten. Generell richtig ist hingegen, dass es Unternehmensziel sein sollte, eine hohe Rentabilität unter Berücksichtigung einer ausreichenden Liquidität zu erreichen. Beispiel für Unternehmen mit gleicher Ertragskraft aber unterschiedlicher Liquidität Umsatz 12.000 T€ Kosten 11.000 T€ Gewinn 1.000 T€ Barzahlung Forderungen 0€ GuV Umsatz Kosten Gewinn 12.000 T€ 11.000 T€ 1.000 T€ © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 Zahlungsziel 90 Tage Forderungen 3 Mio. € unterschiedliche Liquidität gleiche Ertragskraft GuV 66 von 102 Abb. 48 Beispiel für mögliche Abweichungen zwischen Ertrag und Liquidität 53 Worin unterscheidet sich ein „Jahresabschluss“ von einem „Konzernabschluss“? Unter einem Jahresabschluss versteht man ein Instrument zur externen Rechnungslegung über das Geschäftsjahr eines einzelnen Unternehmens, mit dem der wirtschaftliche Erfolg des abgelaufenen Geschäftsjahres festgestellt wird. Ein Konzernabschluss hingegen ist ein konsolidierter Abschlusses für sämtliche Unternehmen, die in einem Konzern unter der einheitlichen Leitung oder dem beherrschenden Einfluss einer Muttergesellschaft stehen. Im Konzernabschluss werden alle verbundenen Unternehmen so dargestellt, als ob der Konzern ein einheitliches Unternehmen wäre. Während der Konzernabschluss einen umfassenden Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des gesamten Konzerns gewährt, beschränkt sich der Jahresabschluss nur auf die wirtschaftliche Lage eines einzelnen Unternehmens. Für die Erstellung eines Konzernabschlusses addiert man die Bilanzen und Gewinnund Verlustrechnungen der einzelnen, in den Konzernabschluss einzubeziehenden Gesellschaften und eliminiert dabei alle konzerninternen Lieferungs- und Leistungsbeziehungen, wie z. B. Forderungen gegenüber verbundenen Unternehmen, Kapitalbeteiligungen an verbundenen Unternehmen etc. Unternehmen, die den Vorschriften des Handelsgesetzbuches unterliegen, müssen unabhängig davon, ob sie in den Konzernabschluss aufgenommen („konsolidiert“) werden, zusätzlich einen Einzelabschluss aufstellen. Er dient unter anderem der Bemessung der Gewinnausschüttung an die Anteilseigner. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 67 von 102 Beispiel: Konzernabschluss/Jahresabschluss Jahresabschluss Unternehmen A. Jahresabschluss Unternehmen B. Aktiva Passiva 1.000 T€ Eigenkapital 500 T€ Vermögen Ford. an B. 500 T€ Fremdkapital 1.000 T€ Bilanzsumme 1.500 T€ Bilanzsumme 1.500 T€ Aktiva Passiva Vermögen 3.000 T€ Eigenkapital 1.000 Fremdkapital 1.500 500 Verb. gg. A. Bilanzsumme 3.000 T€ Bilanzsumme 3.000 T€ T€ T€ T€ Konzernabschluss Aktiva Vermögen Bilanzsumme Passiva 4.000 T€ Eigenkapital 1.500 T€ Fremdkapital 2.500 T€ 4.000 T€ Bilanzsumme 4.000 T€ Abb. 49 Ableitung eines Konzernabschlusses aus den Einzelabschlüssen 54 Ist für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens der Gewinn oder der Cash Flow besser geeignet? Der Gewinn wird allgemein definiert als der Überschuss der Erträge über die Aufwendungen innerhalb einer Geschäftsperiode. Der Cash Flow wird allgemein definiert als Gewinn plus Abschreibungen plus Veränderung der langfristigen Rückstellungen. Der Unterschied zwischen Gewinn und Cash Flow besteht also in den Aufwendungen (und Erträgen), die nicht zu Zahlungsströmen führen, wie z. B. den Abschreibungen. Abschreibungen sind Aufwand für das Unternehmen und mindern seinen Gewinn. Sie führen aber nicht zu einem Zahlungsabfluss. Der Gegenwert der Abschreibungen steht dem Unternehmen darum als Liquidität zur Verfügung – jedenfalls, solange das Unternehmen Gewinne erzielt - und dient im Allgemeinen zur Tilgung der für die Investition aufgenommenen Darlehen. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 68 von 102 Beispiel: Gleiches Unternehmen mit zwei verschiedenen Abschreibungsmethoden, um aus steuertaktischen Überlegungen den Gewinn zu beeinflussen. GuV Umsatz Afa sonst. Kosten Normal Minimierer 10.000 T€ 1.000 T€ 8.000 T€ 10.000 T€ 1.500 T€ 8.000 T€ Gewinn 1.000 T€ 500 T€ Cash Flow 2.000 T€ 2.000 T€ Gewinnminimierer normaler Gewinn Abb. 50 Beeinflussbarkeit des Gewinnes durch Bilanzpolitik Insbesondere bei kapitalintensiven Unternehmen (z. B. im Maschinenbau), die hohe Abschreibungen verrechnen können, weichen Gewinn und Cash Flow oft erheblich voneinander ab. Die Abschreibungspolitik des jeweiligen Unternehmens kann große Auswirkungen auf den Gewinn haben. Auf den Cash Flow hat sie allerdings keinen Einfluss. Das Beispiel zeigt, dass ein Unternehmen durch die Wahl der Abschreibungsmethode den Gewinn maßgeblich beeinflussen kann. Eine allgemeingültige Aussage, dass das „normale“ Unternehmen mit einem Gewinn von T€ 1.000 ertragsstärker sei als das Unternehmen mit einem Gewinn von T€ 500, kann somit nicht getroffen werden. Der Cash Flow des Unternehmens beträgt in beiden Fällen T€ 2.000 und ist in diesem Fall somit besser geeignet, den Erfolg des Unternehmens zu beurteilen. 55 Welche Fristen gibt es für den Jahresabschluss? Bei den Fristen für den Jahresabschluss ist zwischen den Aufstellungs- und den Publizitätspflichten (oder Offenlegungspflichten) zu unterscheiden. Unter Aufstellungspflicht versteht man die Pflicht, den Jahresabschluss bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erstellen. Publizitätspflicht bedeutet die Pflicht zur Offenlegung der Inhalte des Jahresabschlusses gegenüber Dritten. Die Offenlegung umfasst damit alle Vorschriften und Maßnahmen zur Veröffentlichung und Verbreitung von Jahresabschlussinformationen. Die Fristen, innerhalb derer nach Abschluss des Geschäftsjahres der Jahresabschluss aufzustellen und offen zulegen ist, sind unterschiedlich. Insbesondere die Aufstellungsfristen hängen von Rechtsform und Betriebsgröße ab: © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 69 von 102 Unternehmen Aufstellungsfrist Offenlegungsfrist (Rechtsform) von Jahresabschluss und ggf. Lagebericht Kleine Kapitalgesellschaft und Kapitalgesellschaft & Co. 6 Monate 12 Monate Mittelgroße und große Kapitalgesellschaft und Kapitalgesellschaft & Co. 3 Monate 12 Monate Großunternehmen nach PublG (Einzelkaufleute, OHG, KG, Unternehmen anderer Rechtsformen) 3 Monate 12 Monate innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit entfällt 5 Monate 12 Monate 5 Monate 12 Monate Einzelkaufleute unterhalb PublG OHG und KG mit natürlicher Person als PHG unterhalb PublG Eingetragene Genossenschaften Konzerne nach HGB und nach PublG Abb. 51 Aufstellungs- und Offenlegungsfristen Kapitalgesellschaften werden in kleine, mittlere und große Kapitalgesellschaften anhand der drei Größenmerkmale Bilanzsumme, Umsatz und Arbeitnehmerzahl eingeteilt. Hier ist zu beachten, dass zwei dieser drei Größenmerkmale an zwei aufeinander folgenden Bilanzstichtagen erfüllt sein müssen (vgl. § 267 HGB): Kriterien Kapitalgesellschaft kleine mittlere große Großunternehmen 1 Bilanzsumme1 in Mio. € Umsatz1 in Mio. € Arbeitnehmer1 ≤ 4,015 ≤ 16,06 > 16,06 ≤ 8,03 ≤ 32,12 > 32,12 ≤ 50 ≤ 250 > 250 > 65 > 130 > 5000 Zwei dieser drei Größenmerkmale müssen an zwei aufeinanderfolgenden Bilanzstichtagen erfüllt sein. Abb. 52 Größenkriterien für Kapitalgesellschaften nach dem HGB © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 70 von 102 Erkennbar ist das Interesse des Gesetzgebers, mit wachsender Größe strengere Maßstäbe anzulegen, um eine bessere Kontrolle bei größerem gesellschaftlichem Interesse zu ermöglichen. 56 Was ist ein Goodwill? Was ist ein Badwill? Die Begriffe Goodwill und Badwill werden im Zusammenhang mit dem Geschäftsoder Firmenwert verwendet. Der (derivative) Geschäfts- oder Firmenwert eines Unternehmens entsteht aus dem Unterschied zwischen dem Kaufpreis eines Unternehmens und dessen Reinvermögen (= Vermögensgegenstände abzüglich Schulden = Eigenkapital). Ist der Kaufpreis höher als das Reinvermögen, wird der Geschäfts- oder Firmenwert als Goodwill bezeichnet, aktiviert und über mehrere Jahre abgeschrieben. Zulässig ist auch eine direkte Verrechnung mit dem Eigenkapital. Im Goodwill spiegelt sich der über das Reinvermögen hinausgehende Mehrwert bzw. das Zukunftspotenzial der erworbenen Gesellschaft wider. Ist der Kaufpreis niedriger als das Reinvermögen, spricht man von einem Badwill. Im Badwill spiegelt sich ein im Unternehmenskauf möglicherweise verborgenes Risiko wider, das z. B. aus negativen Ertragserwartungen herrühren kann. Die Auflösung des Badwill erfolgt als außerordentlicher Ertrag über die GuV. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 71 von 102 Beispiel 1: Ein Investor kauft das Unternehmen A. Der Kaufpreis für das Unternehmen A ist größer als das Reinvermögen (Vermögen minus Schulden) in der Bilanz des Unternehmens A. Bilanz (Unternehmen A) Aktiva Anlagevermögen Umlaufvermögen Bilanzsumme Passiva 1.000 T€ Eigenkapital 700 T€ 1.500 T€ Schulden 1.800 T€ 2.500 T€ Bilanzsumme 2.500 T€ Kaufspreis 1.000 T€ Reinvermögen Differenz: 700 T€ 300 T€ Goodwill in Höhe von T€ 300 Beispiel 2: Ein Investor kauft Unternehmen B. Der Kaufpreis für das Unternehmen B ist kleiner als das Reinvermögen (Vermögen minus Schulden) in der Bilanz des Unternehmens B. Bilanz (Unternehmen B) Aktiva Anlagevermögen Umlaufvermögen Bilanzsumme Passiva 2.000 T€ Eigenkapital 1.500 T€ 1.500 T€ Schulden 2.000 T€ 3.500 T€ Bilanzsumme 3.500 T€ Kaufspreis 1.000 T€ Reinvermögen Differenz: 1.500 T€ ./. 500 T€ Badwill in Höhe von T€ 500 Abb. 53 Entstehung von Goodwill und Badwill 57 Was sind Rechnungsabgrenzungsposten, und zu welchem Zweck werden sie gebildet? Rechnungsabgrenzungsposten sind Bilanzpositionen, die das Auseinanderfallen von vorschüssigen Zahlungen (Erfassung in der Bilanz) bei erst später erfolgender Erfolgswirksamkeit (spätere Erfassung der entsprechenden Erträge und Aufwendungen in der GuV) anzeigen. Damit dienen sie der periodengerechten Erfolgsermittlung und werden in der Bilanz auf der Aktiv- oder Passivseite gesondert ausgewie© Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 72 von 102 sen. Dementsprechend werden aktive und passive Rechnungsabgrenzungsposten unterschieden. Aktive Rechnungsabgrenzungsposten (ARAP) sind materiell Forderungen eines Unternehmens, da es bereits eine Zahlung in dem Geschäftsjahr vorgenommen hat, obwohl es erst im nächsten Geschäftsjahr die zugehörige Leistung erhalten wird. Auf diese Leistung hat das Unternehmen daher einen Anspruch. Beispiel: Gewerbemiete für Januar, die bereits im Dezember gezahlt wird. Dagegen stellt ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten (PRAP) für ein Unternehmen eine Verbindlichkeit dar, d. h. es muss im nächsten Geschäftsjahr selbst eine Leistung erbringen, für die es bereits im laufenden Geschäftsjahr eine Zahlung erhalten hat. Beispiel: Erhaltene Zinsen oder Mieten für Teile des neuen Geschäftsjahres. Beispiel A: Mietzahlung Anfang Dezember in Höhe von € 3.000 für die nächsten drei Monate (Dezember, Januar, Februar) Mietzahlung für Dezember Mietzahlung für Januar u. Februar € 1.000 € 2.000 ARAP in Höhe von T€ 2.000 Beispiel B: Mieteinnahmen Anfang November in Höhe von € 1.500 für die nächsten drei Monate (November, Dezember, Januar) Mieteinnahmen für Nov. u. Dez. Mieteinnahmen für Januar € 1.000 € 500 PRAP in Höhe von T€ 500 Abb. 54 Beispiel für die Entstehung eines aktiven und eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens 58 Was versteht man unter „schwebenden Geschäften“, und wie werden sie bilanziell berücksichtigt? Der Begriff „schwebende Geschäfte“ bezeichnet zweiseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte, wie z. B. Lieferverträge, die noch von keinem Partner erfüllt worden sind. Der Schwebezustand beginnt meistens mit Abschluss des Vertrages und endet mit dem Zeitpunkt der Lieferung oder Leistung durch mindestens einen Geschäftspartner. Schwebende Geschäfte werden mangels Realisation im Jahresabschluss grundsätzlich nicht berücksichtigt. Ein Bilanzausweis ist erst geboten, wenn ein Geschäftspartner eine Leistung erbracht hat und das Geschäft somit nicht mehr schwebend ist oder wenn aus dem schwebenden Geschäft ein Verlust droht. Ein drohender Verlust besteht, wenn aufgrund konkreter Tatsachen die eigene Verbindlichkeit aus dem schwebenden Geschäft den Wert der Gegenleistung aus dem Geschäft übersteigt. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 73 von 102 59 Wodurch unterscheiden sich Betriebe von Unternehmen? Betriebe sind Orte, an denen Leistungsprozesse stattfinden. Die Ausprägung von Betrieben in marktwirtschaftlichen Systemen nennt man „Unternehmen“. Typisch für Unternehmen sind die erwerbswirtschaftliche Ausrichtung (Gewinnorientierung), die zielgerechte Kombination von Produktionsfaktoren und die autonome Entscheidung über Art und Zusammensetzung ihres Leistungsprogramms. Unternehmen sind bemüht, nach dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit zu arbeiten. Die Produktionsmittel bei Unternehmen befinden sich im Privateigentum. 60 Was versteht man unter „Windowdressing“? Beim Windowdressing handelt es sich um bilanzpolitische Maßnahmen, die ausschließlich der optischen Gestaltung des Bilanzbildes dienen und nicht der dauerhaften Verbesserung der Bilanzstruktur. Anders als bei den traditionellen Maßnahmen der Bilanzpolitik handelt es sich um Maßnahmen im Grenzbereich des rechtlich Zulässigen, da der Blick in die tatsächliche Vermögens-, Finanz- und Ertragslage verstellt wird. „Windowdressing” wird auch mit „Bilanzkosmetik” ins Deutsche übersetzt. Beispiel: Erhöhung der Bestände an flüssigen Mitteln zum Bilanzstichtag und sofortiger Abzug der flüssigen Mittel aus dem Unternehmen nach dem Bilanzstichtag, mit dem Ziel, zum Bilanzstichtag eine bessere Liquidität als tatsächlich vorhanden auszuweisen. 61 Worin unterscheiden sich Produktivität und Wirtschaftlichkeit? Produktivität misst die Effizienz von Produktionsvorgängen. Dabei handelt es sich um eine mengenbezogene Betrachtung, bei der die Produktionsmenge ins Verhältnis zur Einsatzmenge gesetzt wird. Anders als bei der Produktivität wird bei der Messung der Wirtschaftlichkeit eine wertmäßige Betrachtung angestellt. Wirtschaftlichkeit ist somit die in Geld bewertete Produktivität. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 74 von 102 Beispiel: Ein Unternehmen produziert 1000 Stühle aus 2000 Kilogramm Holz (5€/Kg). Durch die Anschaffung einer neuen Maschine konnte der Verschnitt gesenkt worden, so dass jetzt insgesamt 100 Kilogramm Holz weniger gebraucht werden. Aufgrund einer verstärkten Konkurrenzsituation ausländischer Anbieter musste jedoch der Verkaufspreis um 10% gesenkt werden (von € 100 auf € 90). Situation 1: Vor Anschaffung der neuen Maschine und ohne Preissenkung Produktivität = Ausbringungsmenge = Einsatzmenge 1.000 2.000 = 0,5 Ausbringungsmenge X € Wirtschaftlichkeit = 1000 Stk. X 100 € = Einsatzmenge X € 2000 Kg X 5€ = 10 Situation 2: Nach Anschaffung der neuen Maschine und mit Preissenkung Produktivität = Ausbringungsmenge = Einsatzmenge 1.000 1.900 = 0,526 gesteigerte Produktivität Ausbringungsmenge X € Wirtschaftlichkeit = 1000 Kg X 90 € = Einsatzmenge X € = 9,5 1900 Kg X 5€ gesunkene Wirtschaftlichkeit Abb. 55 Beispiele für die Berechnung von Produktivität und Wirtschaftlichkeit An diesem Beispiel wird deutlich, dass durchaus der Fall eintreten kann, dass eine steigende Produktivität mit einer sinkenden Wirtschaftlichkeit einhergeht (oder auch umgekehrt). Sinkende Marktpreise für die erbrachten Leistungen führen ebenso wie steigende Preise für Einsatzfaktoren zu einem Rückgang der Wirtschaftlichkeit, die sogar Produktivitätsfortschritte überkompensieren können (siehe Beispiel). 62 Was ist das Stichtagsprinzip, und welche Folgen hat es? Die Bilanzierung und Bewertung von Bilanzpositionen richten sich nach den Verhältnissen an einem bestimmten Stichtag. Der Abschlussstichtag ist der letzte Tag des Wirtschaftsjahres, das aber vom kalendarischen Jahr abweichen kann (Bsp. Landwirtschaft). Das Stichtagsprinzip besagt, dass alle am Abschlussstichtag vorhande- © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 75 von 102 nen Wirtschaftsgüter - aber auch nur sie - zu bilanzieren und zu bewerten sind. Hierbei sind die Wertverhältnisse zum Abschlussstichtag zugrunde zu legen: Beispiel: Ein Unternehmen ist saisonal sehr starken Schwankungen ausgesetzt und hat traditionell im Dezember einen sehr niedrigen Vorratsbestand. Mrz. Jun. Sept. Dez. 1.200 1.100 1.300 100 Vermögenswerte Vorräte (in T€) Aktiva Anlagevermögen Umlaufvermögen davon Vorräte Bilanzsumme Bilanz Passiva 4.900 T€ Eigenkapital 1.500 T€ Fremdkapital 1.300 T€ 5.100 T€ 6.400 T€ Bilanzsumme 6.400 T€ 100 T€ Bilanzansatz Abb. 56 Einfluss des Bilanzstichtages auf die Höhe des Vorratsvermögens Das Beispiel zeigt, dass nur die am Bilanzstichtag vorhandenen Wirtschaftsgüter zu bilanzieren und bewerten sind. Damit kann der Ausweis in Einzelfällen stichtagsverzerrt sein. Umgekehrt sind unterjährige, saisonal bedingte Schwankungen aus der Bilanz nicht ersichtlich. 63 Welche Abschreibungsarten werden unterschieden? Allgemein wird der Wertverlust des Produktionsvermögens als Abschreibung bezeichnet. Es werden folgende Abschreibungsarten unterschieden: Bei der linearen Abschreibung werden die Anschaffungskosten des abzuschreibenden Wirtschaftsgutes gleichmäßig auf die Jahre der Nutzung aufgeteilt. Dadurch wird jedes Jahr der gleiche Betrag abgeschrieben, und im letzten Nutzungsjahr ist das Wirtschaftsgut vollständig abgeschrieben. Bei der geometrisch-degressiven Abschreibung wird jeweils ein fester Prozentsatz vom Restbuchwert eines Wirtschaftsgutes abgeschrieben. Zu beachten ist, dass dieser Prozentsatz höchstens doppelt so hoch wie der lineare Abschreibungssatz sein und maximal 20 % der Anschaffungskosten betragen darf (§ 7 Abs. 2 EStG). Der Abschreibungsbetrag wird folglich bei dieser Methode von Jahr zu Jahr kleiner. Ein Wechsel von der geometrisch-degressiven Abschreibung zur linearen Abschreibung ist möglich. Würde (unüblicherweise) die geometrisch-degressive Abschreibung © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 76 von 102 beibehalten, dann würde das Wirtschaftsgut am Ende der geplanten Nutzungsdauer in Höhe des verbliebenen Restbuchwertes vollständig abgeschrieben. Im Gegensatz zur degressiven Abschreibung werden bei der progressiven Abschreibung mit zunehmender Nutzungsdauer steigende jährliche Abschreibungen vorgenommen. Diese Methode ist steuerrechtlich nicht zulässig. Bei der leistungsbezogenen Abschreibung bestimmt die konkrete Nutzung des Wirtschaftsgutes den abzuschreibenden Betrag im jeweiligen Jahr. Damit das Wirtschaftsgut innerhalb einer festgelegten Zeit vollständig abgeschrieben werden kann, muss eine wahrscheinliche Gesamtleistung angenommen werden. Des Weiteren gibt es auch noch die arithmetisch-degressive Methode, bei der sich der Abschreibungsbetrag jedes Jahr um einen festen Betrag verringert. Diese Methode ist allerdings nur handelsrechtlich, nicht aber steuerrechtlich zulässig. 64 Was versteht man unter einer „Plausibilitätsprüfung“ im Rahmen der handelsrechtlichen Jahresabschlussprüfung? Eine Prüfung der Plausibilität im Rahmen der handelsrechtlichen Jahresabschlussprüfung umfasst die Analyse der erteilten Auskünfte sowie der vorgelegten Unterlagen des Unternehmers durch den Steuerberater hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit, z. B. durch Befragungen, Bestandsnachweise, Inventurkontrollen, Stichprobenprüfungen etc. Diese Plausibilitätsprüfung betrifft Unternehmen, deren Jahresabschlüsse nicht von einem Wirtschaftsprüfer testiert werden (kleine und mittlere Unternehmen). Seit der Einführung der Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft (MaK) haben auch Banken verstärkt Prüfungshandlungen vorzunehmen. Der Gesetzgeber will sicherstellen, dass die Kreditinstitute die Kreditwürdigkeit ihrer Kreditnehmer in ausreichendem Maße anhand von Unterlagen prüfen (vgl. auch aufgrund von § 18 Kreditwesengesetz; KWG). Ziel der Prüfungshandlung ist in erster Linie, das Ausfallrisiko eines Kredites zu verringern. Als Folge der MaK treten Banken verstärkt an nicht prüfungspflichtige Firmenkunden (kleine und mittlere Unternehmen) heran und verlangen Jahresabschlüsse mit einer so genannten „Plausibilitätsprüfung“. Durch die Prüfung der erteilten Auskünfte und der vorgelegten Unterlagen durch den Steuerberater wird dieser mit in die Haftung genommen und die Glaubwürdigkeit der vorgelegten Jahresabschlüsse gestärkt. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 77 von 102 65 Was versteht man unter einer „Nachtragsprüfung“? Die Nachtragsprüfung ist eine erneute Prüfung geänderter Teile eines bereits geprüften Jahresabschlusses bzw. Lageberichts. Es kommt vor, dass Teile der Rechnungslegung auch noch nach der Vorlage des Prüfungsberichtes geändert werden. In diesen Fällen hat der bestellte Abschlussprüfer die betreffenden Änderungen gemäß § 316 Abs. 3 HGB erneut zu prüfen (Nachtragsprüfung). Grundsätzlich wird der Bestätigungsvermerk dadurch aber nicht unwirksam. Ist vor der Änderung ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt worden und bleibt dieser auch nach der Nachtragsprüfung ohne Einschränkungen bestehen, ist der Vermerk um einen gesonderten Abschnitt zu ergänzen. Er soll verdeutlichen, dass sich der Vermerk nun auf geänderte Tatsachen bezieht. In diesem Abschnitt sind die Änderungen zu bezeichnen. Liegen die ursprüngliche Prüfung und die Nachtragsprüfung zeitlich dicht beieinander, kann auf diesen Absatz verzichtet werden. Direkte Auswirkungen auf den bereits erteilten Vermerk entstehen immer dann, wenn im Zuge der Nachtragsprüfung festgestellt wird, dass alte Mängel beseitigt oder neue verursacht wurden. Das Prüfungsurteil ist in diesen Fällen neu zu formulieren, auf die Änderungen ist gesondert hinzuweisen. Der ergänzte Bestätigungsvermerk ist jeweils mit Datum der Beendigung der ursprünglichen und der Nachtragsprüfung vom Wirtschaftsprüfer zu unterzeichnen. 66 Was besagt der Grundsatz des „true and fair“ view, und welche Auswirkungen hat er auf die Bilanzierungspraxis? Die in der anglo-amerikanischen Rechnungslegung dominierende Generalnorm des „true and fair view“ (fair presentation) hat zum Ziel, den Wert des Unternehmens möglichst realitätsnah darzustellen, um die Qualität des Jahresabschlusses als Informationsgrundlage insbesondere für potenzielle Investoren zu verbessern. Dabei wird nach IFRS/ IAS die Darstellung der Ertrags-, Vermögens- und Schuldenlage im Sinne des „true and fair view“ nicht als Generalnorm (wie bei US-GAAP) sondern als Ergebnis der Rechnungslegung interpretiert. Bei konsequenter Einhaltung der Prinzipien der Rechnungslegung, wie Verständlichkeit, Relevanz, Vergleichbarkeit, Verlässlichkeit, zeitnahe Rechnungslegung, Kosten-Nutzen-Postulat (Primärgrundsätze) bzw. Wesentlichkeit, Vollständigkeit, wirtschaftliche Betrachtung (Sekundärgrundsätze) ergibt sich ein „true and fair view“ nach dieser Auffassung zwangsläufig. Während in der Rechnungslegung nach HGB bei der Bewertung eines Vermögensgegenstandes die historischen Anschaffungskosten zugrunde gelegt werden, gilt bei IAS/ IFRS weitgehend das Marktwertprinzip: Die Rechnungslegung soll möglichst © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 78 von 102 den Ertragswert der Aktiva widerspiegeln. Häufig werden Discounted Cash Flow Verfahren (DCF) herangezogen, um den Wert eines Vermögensgegenstandes zu bestimmen. Die Betrachtung ist also eher zukunftsorientiert. Kritiker verweisen auf die Unsicherheit und Entscheidungsspielräume des Managements, die mit einer derartigen Vorgehensweise verbunden sind. Befürworter heben dagegen hervor, dass erst dadurch ein periodengerechter Gewinn- und Eigenkapitalausweis gewährleistet sein kann. Beispiel A: Aktivierung und Bewertung eines Grundstücks nach HGB zu Anschaffungskosten Bilanz HGB Aktiva Grundstück Passiva 1.000 T€ Eigenkapital 500 T€ Mobilien (z. B. Maschinen) 4.000 T€ Übrige Vermögen 3.000 T€ Verbindlichkeiten 7.500 T€ Bilanzsumme 8.000 T€ Bilanzsumme 8.000 T€ Eine Bewertungsänderung des Grundstücks findet gemäß HGB nur bei einer dauerhaften Wertminderung statt. Eine Zuschreibung über die ursprünglichen Anschaffungskosten hinaus ist nicht zulässig. Beispiel B: Aktivierung und Bewertung eines Grundstücks nach IAS/ IFRS Fall 1: zunächst zu Anschaffungskosten Die Bilanz nach IAS/ IFRS entspricht dann der obigen Bilanz nach HGB. Fall 2: Neubewertungstest ergibt einen geringeren "fair value" von 780 T€ Die Wertminderung wird als a. o. Aufwand (220 T€) in der GuV gewinnreduzierend erfasst. Bilanz IAS/ IFRS Aktiva Grundstück Passiva 780 T€ ursprüngl. Eigenkapital abzgl. Geringerer Gewinn 500 T€ -220 T€ Mobilien (z.B. Maschinen) 4.000 T€ Eigenkapital = 280 T€ Übrige Vermögen 3.000 T€ Verbindlichkeiten 7.500 T€ Bilanzsumme 7.780 T€ Bilanzsumme 7.780 T€ oder Fall 3: Neubewertungstest ergibt einen höheren "fair value" von 1.300 T€ Die Werterhöhung wird ergebnisneutral als "Neubewertungsrücklage" im Eigenkapital erfasst. Bilanz IAS/ IFRS Aktiva Grundstück Passiva 1.300 T€ ursprüngl. Eigenkapital + Neubewertungsrücklage 500 T€ 300 T€ Mobilien (z.B. Maschinen) 4.000 T€ Eigenkapital = 800 T€ Übrige Vermögen 3.000 T€ Verbindlichkeiten 7.500 T€ Bilanzsumme 8.300 T€ Bilanzsumme 8.300 T€ Abb. 57 Einfluss der Rechnungslegungsnorm auf die Bilanzierung und Bewertung © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 79 von 102 67 Was versteht man unter Due Diligence? Allgemein bezeichnet der Begriff Due Diligence die sorgfältige Analyse, Prüfung und Bewertung eines Objektes im Rahmen einer geschäftlichen Transaktion, insbesondere jedoch im Zusammenhang mit Unternehmensverkäufen. Der Begriff stammt aus dem US-amerikanischen Kapitalmarkt- und Anlegerschutzrecht. Dort muss nicht der Anleger beweisen, dass der Experte falsche Angaben gemacht hat, sondern der Experte, dass seine Angaben richtig waren. In einer so genannten Due Diligence Defense muss er nachweisen, dass er mit der notwendigen Sorgfalt vorgegangen ist. Während einer Due Diligence werden vor allem die Jahresabschlüsse, die strategische Positionierung sowie die fachlichen und persönlichen Qualifikationen des Managements und der Mitarbeiter des zu akquirierenden Unternehmens geprüft. Due Diligence bezeichnet also die Beschaffung und Aufarbeitung von Informationen für eine Prüfung im Zusammenhang mit einem Unternehmenskauf oder einer Unternehmensübernahme. Ziel ist es, potenzielle Chancen und Risiken beim Zielunternehmen aufzudecken, um die Genauigkeit der Unternehmenswertermittlung zu verbessern und so die Kaufentscheidung abzusichern. Grundsätzlich kann zwischen einer Buyers und einer Vendors Due Diligence unterschieden werden. Während bei einer Buyers Due Diligence der Käufer eines Unternehmens die Due Diligence veranlasst, ist es bei einer Vendors Due Diligence der Verkäufer. Der Verkäufer versucht mit der Due Diligence, Schwachstellen seines Unternehmens zu erkennen, abzustellen und dadurch einen höchst möglichen Verkaufspreis zu realisieren. 68 Was versteht man unter einem Impairment-Test, und wann ist ein Impairment-Test durchzuführen? Der Impairment-Test verkörpert die internationale Umsetzung des im Handelsgesetzbuch (HGB) enthaltenen Niederstwertprinzips. Bilanziert ein Unternehmen nach internationaler Rechnungslegung (IAS/ IFRS oder US-GAAP), ist es verpflichtet, an jedem Bilanzstichtag zu untersuchen, ob Anhaltspunkte für eine Wertminderung eines Vermögenswertes vorliegen. Im Allgemeinen gilt das für alle Vermögensgegenstände mit Ausnahme von Vorräten, Vermögenswerten, die aus Fertigungsaufträgen entstehen oder aus Leistungen für Arbeitnehmer resultieren, sowie für finanzielle Vermögenswerte. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 80 von 102 Liegen Anzeichen für eine Wertminderung vor, muss ein Impairment-Test durchgeführt werden. Hierbei stellt das Unternehmen dem Buchwert den aktuell zu realisierenden Betrag gegenüber. Stellt sich heraus, dass der Buchwert über dem realisierbaren Wert liegt, ist eine außerplanmäßige Abschreibung vorzunehmen. Die Abschreibung wirkt sich dann direkt in der Gewinn- und Verlustrechnung erfolgsmindernd aus. Ziel des Impairment-Tests ist es sicherzustellen, dass die Vermögenswerte eines Unternehmens nicht mit einem höheren als ihrem aktuell erzielbaren Betrag bewertet werden. Gemäß den Regelungen der US-GAAP ist der Firmenwert nicht planmäßig abzuschreiben sondern jährlich mit Hilfe eines Impairment-Tests auf seine Werthaltigkeit zu überprüfen. 69 Was versteht man unter LIFO und FIFO, und was unterscheidet beide? LIFO (Last in – First out) und FIFO (First in – First out) bezeichnen Verbrauchsfolgeverfahren zur vereinfachten Ermittlung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Vorratsvermögens. Während beim LIFO-Verfahren die (fiktive) Annahme getroffen wird, dass zuerst die neueren Bestände verbraucht oder veräußert werden, bevor auf ältere Bestände zurückgegriffen wird, basiert das FIFO-Verfahren auf der Annahme, dass die zuerst angeschafften Gegenstände auch zuerst verbraucht oder veräußert werden. Beim LIFO-Verfahren wird der Materialverbrauch zu gegenwartsnahen Preisen ermittelt. Das hat zur Folge, dass sich der rechnerische Warenbestand aus dem Anfangsbestand und den zeitlich folgenden Käufen zusammensetzt. Bei steigenden Einstandspreisen für die Vorräte während des Geschäftsjahrs wird somit ein höherer Materialverbrauch (Aufwand) ausgewiesen, der zu einem niedrigeren Gewinnausweis führt. Im Gegensatz zum LIFO-Verfahren setzten sich beim FIFO-Verfahren die am Bilanzstichtag vorhandenen Vorräte aus den zuletzt erworbenen Beständen zusammen. Bei steigenden Einstandspreisen wird somit ein relativ niedriger Materialverbrauch (Aufwand) ausgewiesen und ein hoher Gewinnausweis erzielt. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 81 von 102 Beispiel: Auszug aus der Lagerbuchhaltung eines Unternehmens Anfangsbestand 1.1.Jahr 1 Bilanzansatz 31.12.Jahr 0 Stück 1.800 Kauf 13.3.Jahr 1 Kauf 18.7.Jahr 1 Kauf 06.9.Jahr 1 1.200 800 1.900 Verbräuche im Jahr Endbestand 31.12.Jahr 1 2.500 3.200 € je Stück € 17,5 31.500 18 19 21 21.600 15.200 39.900 FIFO-Verfahren Endbestand davon verbraucht Anfangsbestand Kauf 13.3.Jahr 1 3.200 1.800 Stück X 17,5 € 700 Stück X 18,0 € Materialeinsatz mit FIFO-Verfahren 31.500 € 12.600 € 44.100 € LIFO-Verfahren Endbestand davon Kauf 06.09.Jahr 1 Kauf 18.7.Jahr 1 3.200 1.900 Stück X 21,0 € 600 Stück X 19,0 € Materialeinsatz mit LIFO-Verfahren GuV mit FIFO-Verfahren Umsatz Materialeinsatz sonstige Kosten Gewinn 100.000 € 44.100 € 32.000 € 23.900 € 39.900 € 11.400 € 51.300 € GuV mit LIFO-Verfahren Umsatz Materialeinsatz sonstige Kosten Gewinn 100.000 € 51.300 € 32.000 € 16.700 € Bei steigenden Einstandspreisen wird somit unter Zugrundelegen des FIFOVerfahrens ein höherer Gewinn als unter dem LIFO-Verfahren ausgewiesen. Abb. 58 Vorratsbewertung nach verschiedenen Verbrauchsfolgeverfahren 70 Was versteht man unter Zahlungsunfähigkeit, und was unterscheidet die Zahlungsunfähigkeit von der drohenden Zahlungsunfähigkeit? Nach der Definition der Insolvenzordnung ist ein Schuldner dann zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen (§ 17 InsO). Dabei erweist sich die Bestimmung des Zeitpunktes, ab wann die Zahlungsunfähigkeit vorliegt, oftmals als schwierig. Die Zahlungsunfähigkeit muss über einen länger andauernden Zeitraum anhalten. Die Zahlungsunfähigkeit ist daher zu unterscheiden von der Zahlungsstockung, die regelmäßig dann vorliegt, wenn der Schuldner lediglich vorübergehend die Zahlungen einstellen muss, aber erwartet © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 82 von 102 werden kann, dass er seine Schuldzahlungen in naher Zukunft erfüllen kann. Während die Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzeröffnungsgrund ist, ist die Zahlungsstockung kein Grund zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. § 18 der Insolvenzordnung definiert die drohende Zahlungsunfähigkeit. Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er aller Voraussicht nach nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Dem Schuldner soll die Möglichkeit gegeben werden, bereits in einem frühen Stadium das Insolvenzverfahren einzuleiten, um die Sanierungschancen zu erhöhen. Als Grundlage für die Beurteilung der zukünftigen drohenden Zahlungsunfähigkeit kann ein Finanz- bzw. Liquiditätsplan herangezogen werden, der den voraussichtlichen Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit aufzeigt. Die Finanz- bzw. Liquiditätsplanung sollte mindestens die nächsten sechs Monate erfassen. Der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aufgrund drohender Zahlungsunfähigkeit kann nur von dem Schuldner selbst gestellt werden, nicht aber von den Gläubigern. Der grundlegende Unterschied zwischen der Zahlungsunfähigkeit und der drohenden Zahlungsunfähigkeit liegt somit in der Person des Antragsstellers sowie im Zeitpunkt der Antragsstellung auf ein Insolvenzverfahren. Während bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Antrag nur vom Schuldner selbst gestellt werden kann, können bei der Zahlungsunfähigkeit sowohl der Schuldner selbst als auch die Gläubiger den Antrag auf ein Insolvenzverfahren beim Amtsgericht einreichen. Des Weiteren ist der Schuldner zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit noch nicht zahlungsunfähig, sondern handelt nur in weiser Voraussicht, während bei der Zahlungsunfähigkeit der Schuldner bereits zahlungsunfähig ist. 71 Dürfen immaterielle Werte in der Bilanz aktiviert werden? Immaterielle Vermögenswerte sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht materiell, d. h. nicht körperlich erfassbar sind. Nach dem Grundsatz der Vollständigkeit sind sämtliche, also auch immaterielle Vermögensgegenstände, in der Bilanz zu erfassen. Allerdings macht der Gesetzgeber die Einschränkung, dass nur solche immateriellen Vermögensgegenstände in der Bilanz aktiviert werden dürfen, die entgeltlich erworben wurden (gilt nicht für IAS/ IFRS oder US-GAAP). Für die entgeltlich erworbenen immateriellen Vermögensgegenstände besteht nach dem Vollständigkeitsgrundsatz eine Aktivierungspflicht („muss“ auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen werden). Als Beispiele für immaterielle Vermögensgegenstände können Konzessionen und gewerbliche Schutzrechte sowie ähnliche Rechte und Werte genannt werden. Des Weiteren ist der Geschäftsoder Firmenwert einer Kapitalgesellschaft unter den immateriellen Vermögensge© Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 83 von 102 genständen aufzuführen, sofern es sich um einen entgeltlich erworbenen (so genannten derivativen) Firmenwert handelt. Wurde der immaterielle Vermögenswert nicht entgeltlich erworbenen, greift das Bilanzierungsverbot („darf“ nicht auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen werden). Beispiel: selbst geschaffene (so genannte originäre) Geschäftswerte, selbst entwickelte Patente oder selbst erstellte Software. 72 Was unterscheidet Eventualverbindlichkeiten von Rückstellungen? Rückstellungen sind Verbindlichkeiten (Passivposten), die hinsichtlich ihres Eintretens oder ihrer Höhe nicht völlig aber hinreichend sicher sind. Der Begriff Eventualverbindlichkeiten hingegen wird für nicht bilanzierte Schulden und Vermögenswerte verwendet, die durch das Eintreten oder Nichteintreten eines unsicheren künftigen Ereignisses bedingt sind. Ob aus einer Eventualverbindlichkeit eine tatsächliche Verbindlichkeit wird, kann das Unternehmen nicht oder nur teilweise beeinflussen. Der Unterschied zwischen Rückstellungen und Eventualverbindlichkeiten liegt somit in der Gewissheit über die Zahlungspflicht: Während bei Rückstellungen die Zahlungspflicht relativ gewiss ist, ist sie bei Eventualverbindlichkeiten ungewiss. Im Ergebnis bedeutet das, dass für Eventualverbindlichkeiten keine Rückstellungen passiviert (in der Bilanz auf der Passivseite ausgewiesen) werden. Beispiel: Unternehmen A übernimmt für seinen wichtigsten Kunden eine Bürgschaft für einen Kredit in Höhe von T€ 100. A: Im ersten Jahr erfüllt der Kunde seine Pflicht ordnungsgemäß. Es ist eine Verpflichtung vorhanden, aber der Eintritt ist sehr ungewiss. Daher handelt es sich für das Unternehmen A um eine Eventualverbindlichkeit . B: Im darauf folgenden Jahr vernachlässigt der Kunde seine Verpflichtungen aus der Zahlungsverpflichtung. Das Unternehmen wird von seiner Bank auf die wahrscheinliche Inanspruchnahme hingewiesen. Ist eine konkretisierte Verpflichtung vorhanden und die Inanspruchnahme wahrscheinlich, ist eine Rückstellung in der Bilanz auszuweisen. Abb. 59 Unterscheidung von Eventualverbindlichkeiten und Rückstellungen © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 84 von 102 73 Was ist unter dem handelsrechtlichen Begriff „Vermögensgegenstand“ zu verstehen? Der Begriff „Vermögensgegenstand“ ist nicht näher definiert. Ein brauchbares Kriterium für die Definition ist jedoch die selbstständige Veräußerbarkeit (so genannte Verkehrsfähigkeit) eines Gegenstandes. Es sind also nur die Güter Vermögensgegenstände im bilanziellen Sinne, die Gegenstände des Rechtsverkehrs sein können (wirtschaftliche Betrachtungsweise). Die Beschränkung der Vermögensgegenstände auf einzeln veräußerbare Güter trägt besonders dem Gläubigerschutz Rechnung. Hierdurch wird im Insolvenzfall sichergestellt, dass Gläubiger einzelne Objekte zur Schuldentilgung veräußern können. Des Weiteren müssen Vermögensgegenstände im juristischen und wirtschaftlichen Eigentum des Unternehmens stehen und dem Unternehmenszweck dienen. Dann gehören sie zum Betriebsvermögen und sind bilanzierungsfähig. 74 Was ist unter dem handelsrechtlichen Begriff „Schulden“ zu verstehen? Der Begriff „Schulden“ ist im HGB nicht eindeutig definiert. Jedoch geht aus den Ausführungen des HGB hervor, dass unter Schulden nicht nur die bürgerlich- rechtlichen Schulden zu verstehen sind, sondern alle gegenwärtigen und zukünftigen Belastungen des Vermögens des Kaufmanns, die dem Grunde nach bestehen oder hinreichend sicher erwartet werden. Das gilt ausdrücklich auch, wenn deren Höhe noch ungewiss ist. Schulden im handelsrechtlichen Sinne umfassen somit neben den Verbindlichkeiten grundsätzlich auch Rückstellungen, die durch die Ungewissheit hinsichtlich ihres Eintrittszeitpunktes und ihrer Höhe gekennzeichnet sind. 75 Was bedeutet EBIT bzw. EBITDA? Die aus der angelsächsischen Praxis der Finanzanalyse stammende Kennzahl EBIT ist ein Maßstab zur Beurteilung die Unternehmensrentabilität vor Steuern und Zinsen. EBIT ist die Abkürzung für den englischen Ausdruck „earnings before interest (Zinsen) and taxes (Steuern)“ und kann mit „ordentliches Ergebnis vor Zinsen und Steuern“ ins Deutsche übersetzt werden. Ziel der Kennzahl ist es, einen objektiven Vergleich der operativen Ertragskraft verschiedener Unternehmen (vor Berücksichtigung des jeweiligen Finanzergebnisses) zu ermöglichen. Der Vorzug des EBIT besteht vor allem darin, dass die Kennzahl nicht von der Kapitalstruktur des Unternehmens beeinflusst wird. Kapitalanleger und Investoren können mit Hilfe des EBIT entscheiden, ob die Umsatzrentabilität vor Berücksichtigung der Finanzierungskosten ausreicht, um eigene Renditeansprüche zu decken. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 85 von 102 EBITDA ist die Abkürzung für den englischen Ausdruck „earnings before interest, taxes, depreciation and amortization“. Die Begriffe depreciation und amortization können beide mit Abschreibung ins Deutsche übersetzt werden. Während sich „depreciation“ auf den Werteverzehr von materiellen Gütern des Sachanlagevermögens bezieht, wird „amortization“ mit dem Werteverzehr von immateriellen Gütern (z. B. des Firmenwertes) in Verbindung gebracht. Damit entspricht EBITDA dem Cash Flow vor Zinsen und Ertragssteuern. EBITDA zeigt die Selbstfinanzierungskraft eines Unternehmens, losgelöst von dessen Finanzierungsstruktur und Steuerlast. Wie auch mit dem EBIT wird mit Hilfe von EBITDA der wirtschaftliche Erfolg aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit einer Geschäftsperiode ermittelt. Der Unterschied zwischen EBIT und EBITDA liegt somit in den Abschreibungen. Abschreibungen sind nicht liquiditätswirksam und werden bei der Berechnung des EBITDA dem Jahresergebnis hinzu gerechnet. Die Kennzahl EBITDA eignet sich daher gut für junge, wachstumsstarke Unternehmen, die häufig schwache Jahresergebnisse erwirtschaften. Beispiel: Berechnung der EBIT- und EBITDA-Kennzahl G+V Umsatz - Zinsen - Abschreibungen - übrige Kosten = Betriebsergebnis - Ertragssteuern = Unternehmensergebnis T€ 1.000 100 200 500 200 50 150 T€ +/+/= + = +/+/= Jahresüberschuss Außerordentliches Ergebnis Ertragssteuern Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit Zinsaufwand EBIT Afa auf Anlagevermögen Afa auf immaterielle Vermögensgegenstände EBITDA 150 0 50 200 100 300 150 50 500 Abb. 60 Berechnung des EBIT und des EBITDA © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 86 von 102 76 Warum ist es so wichtig, zwischen Aufwand und Kosten bzw. Ertrag und Leistung zu unterscheiden? Kosten sind der bewertete Güter- und Leistungsverzehr, der ausschließlich durch die betriebliche Leistungserstellung und Leistungsverwertung verursacht wird. Aufwand hingegen ist jeder bewertete Güter- und Leistungsverzehr einer Periode. Leistung ist die ausschließlich betriebliche Leistungserstellung. Ertrag ist jede Leistungserstellung einer Periode. Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen den Begriffspaaren Ertrag und Aufwand sowie Kosten und Leistungen ist, dass Ertrag und Aufwand im außerbetrieblichen Rechnungswesen angewendet werden, während Kosten und Leistungen im innerbetrieblichen Rechnungswesen Anwendung finden. Das außerbetriebliche Rechnungswesen findet seinen Niederschlag im Wesentlichen im handels- oder steuerrechtlichen Jahresabschluss und basiert somit auf gesetzlichen Buchführungs-, Bewertungs- und Bilanzierungsvorschriften. Die legalen Gestaltungsspielräume beschränken sich auf die Entscheidung über die Ausübung von Wahlrechten, Sachverhaltsgestaltungen und Ermessensspielräumen. Im Gegensatz zum außerbetrieblichen Rechnungswesen ist das innerbetriebliche Rechnungswesen nicht an gesetzliche Vorschriften gebunden. Der Unternehmer kann das innerbetriebliche Rechnungswesen nach eigenen Überlegungen gestalten. Die externe Vergleichbarkeit wird dadurch erheblich gestört. Obwohl die Begriffe Aufwand und Kosten aus verschiedenen Kreisläufen des Rechnungswesens kommen, unterscheiden sie sich dennoch nur in Teilbereichen voneinander. Im externen Rechnungswesen betrifft das den Bereich der neutralen Aufwendungen und im internen Rechnungswesen den Teil der kalkulatorischen Kosten (so genannte Zusatzkosten). Analog zu den Begriffen Aufwand und Kosten unterscheidet sich das Begriffspaar Ertrag und Leistung um die Komponenten Neutrale Erträge bzw. Zusatzleistungen. 77 Wodurch unterscheiden sich die offenen von den stillen Rücklagen? Die offenen Rücklagen bezeichnen die in der Bilanz offen ersichtlich (ausgewiesenen) Rücklagen. Sie lassen sich in die Kapitalrücklage und die Gewinnrücklage unterteilen. Durch die Trennung in Kapital- und Gewinnrücklage ist für den externen Bilanzleser jederzeit erkennbar, welcher Teil des Eigenkapitals durch in der Vergangenheit erwirtschaftete Gewinne (Gewinnrücklage) bzw. durch Einzahlungen der Gesellschafter von außen (Kapitalrücklage) entstanden ist. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 87 von 102 Stille Rücklagen (auch stille Reserven) hingegen sind Teile des Eigenkapitals, deren Höhe nicht aus der Bilanz ersichtlich ist. Neben dieser Eigenschaft unterscheiden sich die stillen von den offenen Rücklagen, indem die stillen Rücklagen bei ihrer Auflösung im Allgemeinen der Besteuerung unterliegen. Während offene Rücklagen ausschließlich auf der Passivseite der Bilanz zu finden sind, können stille Rücklagen sowohl auf der Passiv- als auch auf der Aktivseite der Bilanz verborgen sein. Stille Rücklagen entstehen auf der Aktivseite durch eine zu niedrige Bewertung der Vermögenspositionen im Vergleich und auf der Passivseite durch eine zu hohe Bewertung der Schuldpositionen, jeweils im Vergleich zu den tatsächlichen Verhältnissen. Die stillen Rücklagen ergeben sich aus der Differenz zwischen den Buchwerten (Wertansatz des Vermögens in der Bilanz) und den tatsächlichen (Markt- oder Anschaffung-) Werten. Beispiel: Bilanzansatz von offenen und stillen Rücklagen Bilanz Aktiva Anlagevermögen Umlaufvermögen Bilanzsumme Passiva 1.000 T€ Eigenkapital davon Grundkapital 2.000 T€ davon Kapitalrücklage davon Gewinnrücklage 2.000 1.000 500 500 T€ T€ T€ T€ Fremdkapital 3.000 T€ Bilanzsumme 1.000 T€ 3.000 T€ offene Rücklagen tatsächlicher Verkehrswert lt. Gutachten T€ 1.500 Differenz zwischen Verkehrswert und Buchwert ist T€ 500 = stille Reserven = stille Rücklagen aus der Bilanz nicht ersichtlich Abb. 61 Beispiel für die Bilanzierung von offenen und stillen Rücklagen 78 Was ist eine Unterbilanz, und wann liegt eine Überschuldung vor? Eine Unterbilanz liegt vor, wenn in der Bilanz des Unternehmens der Verlust (inklusive des Verlustvortrags) nicht mehr durch offene Rücklagen (Kapital- und Gewinnrücklagen) abgedeckt werden kann. Übersteigt der Verlust sogar das gesamte Eigenkapital, d. h. deckt das Vermögen des Unternehmens die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr, so spricht man von einer Überschuldung des Unternehmens. Insbesondere bei Kapitalgesellschaften (AG, GmbH), aber auch für bestimmte Personengesellschaften (GmbH & Co. KG) sind die Unterbilanz und die Überschuldung © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 88 von 102 von besonderer Bedeutung, da sie bei diesen Gesellschaften insolvenzrechtlich relevante Rechtsfolgen auslösen (können). 79 Worin unterscheidet sich die Kapitalrücklage von den Gewinnrücklagen? Der prinzipielle Unterschied zwischen Kapital- und Gewinnrücklagen ist, dass Kapitalrücklagen dem Unternehmen von außen zufließen und Gewinnrücklagen im Unternehmen selbst, z. B. durch Gewinnthesaurierung (Einbehaltung von Gewinnen) gebildet werden. Die Kapitalrücklage umfasst das einer Kapitalgesellschaft (AG, GmbH) von ihren Gesellschaftern zusätzlich zum Nominalkapital von außen zugeführte Eigenkapital. Hierzu zählen auch diejenigen Beträge, die bei der Ausgabe von Gesellschaftsanteilen über dem Nennwert liegen, sowie der Betrag, der bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen für Wandelanleihen oder Optionsrechte erzielt wird. Gewinnrücklagen hingegen sind Rücklagen, die durch Gewinne der Geschäftsperiode entstehen. Zu unterscheiden sind die gesetzliche Rücklage, die Rücklage für eigene Anteile, satzungsmäßige Rücklagen und andere Gewinnrücklagen. Durch die Trennung der offenen Rücklagen in Kapitalrücklagen und Gewinnrücklagen kann ein externer Bilanzleser die Entwicklung und die Zusammensetzung des Eigenkapitals besser nachvollziehen. 80 Welche Bilanzpositionen zeigen die Liquidität eines Unternehmens? Liquidität ist die Fähigkeit, allen Zahlungsverpflichtungen zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen in voller Höhe nachkommen zu können. Zwischen den Bilanzpositionen, die zum kurzfristig liquidierbaren Vermögen gehören, bestehen Unterschiede im Hinblick auf ihre Liquidierbarkeit (= Liquiditätsnähe). Man unterscheidet deshalb liquide (flüssige) Mittel erster, zweiter und dritter Ordnung. Zahlungsmittel, die unmittelbar für Zahlungen verwendet werden können, gehören zur Liquidität erster Ordnung. Als Beispiele können der Kassenbestand, Guthaben auf Girokonten und Schecks genannt werden. In der Regel werden die liquiden Mittel in der Bilanz unter der Position „flüssige Mittel“ zusammengefasst. Zur Liquidität zweiter Ordnung werden zusätzlich die kurzfristigen Forderungen aus Warenlieferungen, Aktien sowie leicht verkäufliche Warenvorräte hinzugerechnet. Sie sind nicht unmittelbar liquidierbar, können aber relativ kurzfristig verflüssigt werden. Bei der Liquidität dritter Ordnung werden zusätzlich die Roh-, Hilfsund Betriebsstoffe sowie die fertigen und unfertigen Erzeugnisse berücksichtigt. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 89 von 102 Hierbei ist zu beachten, dass der „eiserne Bestand“ nicht zu den liquiden Mitteln dritter Ordnung hinzugerechnet werden darf. Die Höhe der liquiden Mittel allein sagt jedoch nur begrenzt etwas über die Liquidität des Unternehmens aus. Ein Unternehmen kann durchaus über nur geringe liquide Mittel aber dennoch über ausreichend Liquidität verfügen, nämlich dann, wenn die kurzfristigen Verbindlichkeiten noch geringer sind als die liquiden Mittel. Hierbei wird deutlich, dass die Liquidität immer abhängig vom Verhältnis der liquiden Mittel zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten ist. 81 Welchen Einfluss hat die Bilanzpolitik auf die Bilanzstruktur? Bilanzpolitik ist derjenige Teil der Unternehmenspolitik, der sich mit der Ausnutzung steuer- und handelsrechtlicher Wahlrechte (Bilanzierung und Bewertung) und damit verbundener Interpretationsspielräume in der Bilanzierung eines Unternehmens beschäftigt. Die Bilanzpolitik kann die Bilanzstruktur eines Unternehmens maßgeblich beeinflussen. Die Nutzung von Handlungsalternativen wie Leasing statt Kreditfinanzierung und Factoring statt Forderungsbestand können die Bilanzrelationen des Unternehmens deutlich verändern. Insbesondere die für die Kreditwirtschaft wichtigen Kennzahlen, wie Verschuldung oder Eigenkapitalquote, verbessern sich dadurch. Die Auswirkungen auf den Ertrag und die Liquidität hängen von den Vertragsbedingungen ab. Bilanzpolitische Maßnahmen führen zudem durch Ausnutzung von Bewertungswahlrechten zu Veränderungen im Ertrags- und Bilanzausweis. Bilanzpolitik wird maßgeblich bestimmt durch die unternehmerische Zielsetzung. Der für die Kreditwirtschaft wichtige Nachweis der Ertragskraft (= Gewinnausweis) steht in einem Spannungsverhältnis zu der unternehmerischen Zielsetzung der Steuerminimierung (= möglichst niedriger Gewinnausweis). Verdeutlichen lassen sich die Zusammenhänge am Beispiel verschiedener Abschreibungsmethoden. Wählt ein Unternehmer anstatt der linearen Abschreibung die degressive, verringert sich der Gewinn und damit der Eigenkapitalausweis. Die Bilanzstrukturkennzahlen, wie z. B. die Eigenkapitalquote, verschlechtern sich. Wählt ein Unternehmer demgegenüber die lineare Abschreibung, wird die Ertragskraft weniger belastet. Das Eigenkapital fällt entsprechend höher aus. und die Bilanzstrukturkennzahlen sind i. d. R. besser. Des Weiteren kann die Bilanzstruktur z. B. durch Ausübung bestimmter Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte beeinflusst werden, die sich in den Positionen Bestandsveränderungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen niederschlagen. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 90 von 102 82 Welche Möglichkeiten bestehen, die Eigenkapitalquote eines Unternehmens durch bilanzstrukturelle Maßnahmen zu verändern? Die Eigenkapitalquote ist eine in der deutschen Analysepraxis häufig verwendete betriebswirtschaftliche Kennzahl. Sie setzt das Eigenkapital in Relation zur Bilanzsumme (Gesamtkapital, bzw. Summe aus Eigenkapital und Fremdkapital). Grundsätzlich kann die Eigenkapitalquote durch verschiedene Maßnahmen verbessert werden. Eine Möglichkeit ist z. B. die Zufuhr von Beteiligungskapital, die das wirtschaftliche Eigenkapital stärkt. Alternativ können auch Vermögensumschichtungen die Eigenkapitalquote eines Unternehmens verbessern. Verkauft ein Unternehmen z. B. ein nicht genutztes Grundstück zu einem Preis, der über den Anschaffungskosten liegt, so realisiert es einen nicht operativen Ertrag. Infolge dieser Aufdeckung von stillen Reserven werden Eigenkapital und Eigenkapitalquote verbessert. Eine weitere häufig angewandte Maßnahme ist das Factoring. Verkauft ein Unternehmen seine Forderungen an einen Factorer, verringert es seinen Debitorenbestand (Forderungen aus Lieferung und Leistung) in der Bilanz. Dadurch verringert sich die Bilanzsumme, wodurch wiederum die Eigenkapitalquote steigt (vorausgesetzt natürlich, alle anderen Bilanzpositionen bleiben unverändert). Eine weitere Maßnahme ist das Leasing. Wird Anlagevermögen geleast, statt es zu kaufen, wird ebenfalls die Bilanzsumme verkürzt und damit die Eigenkapitalquote verbessert. Zusätzlich kann auch durch Bilanzpolitik die Eigenkapitalquote maßgeblich beeinflusst werden. Z. B. durch Ausübung von Bewertungswahlrechten bei Abschreibungen, Rückstellungen und dem Vorratsvermögen kann der Ertrag zum Teil deutlich gesteigert werden. Diese Ertragsverbesserung wirkt sich über den höheren Gewinnausweis positiv auf die Höhe des Eigenkapitals aus. Hierbei ist zu beachten, dass sich die Liquidität durch bilanzpolitische Maßnahmen im Allgemeinen nicht verändert. 83 Was versteht man unter einem Substanzwert? Als Substanzwert bezeichnet man im Allgemeinen die Summe der in der Handelsbilanz ausgewiesenen, im Unterschied zum Wertansatz in der Bilanz jedoch zu Wiederbeschaffungskosten bewerteten betriebsnotwendigen Vermögenswerte und Schulden. Der Substanzwert ist somit der Betrag, den man aktuell mindestens aufwenden müsste, um die gleiche Substanz im gleichen Zustand zu erhalten. Der Substanzwert kommt in den Ausprägungen Teilreproduktionswert, Vollreproduktionswert und Liquidationswert vor. Beim Teilreproduktionswert werden nur die in der Bilanz erfassten materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände und Schulden sowie selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte berücksichtigt, wie z. B. Patente. Geschäftswertbildende Fak© Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 91 von 102 toren, wie Bekanntheitsgrad, Kundenstamm und Fähigkeit der Mitarbeiter, bleiben beim Teilreproduktionswert außen vor. Der Substanzwert als Vollreproduktionswert ergibt sich, indem geschäftswertbildende Faktoren (originärer Firmen- und Geschäftswert) zum Teilreproduktionswert hinzugerechnet werden. Der genaue Wert geschäftswertbildender Faktoren lässt sich häufig aber nur schwer ermitteln. Der Liquidationswert bezeichnet denjenigen Wert, der bei einer Unternehmensauflösung aus sämtlichen verkaufsfähigen Vermögensgegenständen im Falle des Einzelverkaufs zu erzielen wäre. 84 Darf die gesetzliche Rücklage aufgelöst werden, und wenn ja, in welcher Höhe und zu welchem Zweck? Die gesetzliche Rücklage ist neben den satzungsmäßigen Rücklagen, den Rücklagen für eigene Aktien und anderen Gewinnrücklagen ein Teil der Gewinnrücklage. Sie ist aufgrund gesetzlicher Vorschriften bei den Rechtsformen AG oder KGaA (Kommanditgesellschaft auf Aktien) zu bilden. Dabei sind so lange 5 % des Jahresüberschusses in die gesetzliche Rücklage einzustellen, bis die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage 10 % (oder einen in der Satzung bestimmten höheren Teil) des Grundkapitals erreicht haben (§ 150 Abs. 2 AktG). Bei der Auflösung von gesetzlichen Rücklagen sind strenge Vorschriften zu beachten. Die Zulässigkeit der Auflösung wird hierbei nicht alleine von der Höhe der Gewinnrücklage bestimmt, sondern hängt von der Summe der Kapital- und Gewinnrücklage ab. Hierbei sind zwei Fälle zu unterscheiden: Übersteigt die Summe aus Kapitalrücklage und gesetzlicher Rücklage 10 % oder einen in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals, so kann der übersteigende Betrag für den Ausgleich eines Jahresfehlbetrages oder Verlustausgleichs verwendet werden, soweit dieser nicht durch einen Gewinnvortrag bzw. Jahresüberschuss gedeckt ist und soweit nicht gleichzeitig Gewinnrücklagen zur Ausschüttung verwendet werden (§ 150 Abs. 4 AktG). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, den übersteigenden Betrag zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (Umwandlung von Kapital- und Gewinnrücklagen in Grundkapital durch Ausgabe von Gratisaktien) zu verwenden. Übersteigen die Kapitalrücklage und die gesetzliche Rücklage zusammen nicht 10 % oder einen in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals, so darf die Rücklage nur zum Ausgleich eines Jahresverlustes oder eines Verlustvortrages aufgelöst werden. Auch das gilt aber nur, wenn zur Abdeckung des Verlustes nicht © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 92 von 102 ein Jahresüberschuss oder ein Gewinnvortrag reichen und/oder der Verlust nicht durch Auflösung anderer Gewinnrücklagen ausgeglichen werden kann (§ 150 Abs. 3 AktG). 85 Was versteht man unter gewillkürtem Betriebsvermögen? Bei gewillkürtem Betriebsvermögen handelt es sich um Wirtschaftsgüter, die sowohl eine Beziehung zum Privatvermögen als auch zum Betriebsvermögen haben. Sie spielen insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen eine Rolle. Grundsätzlich können diese Güter sowohl für private als auch betriebliche Zwecke eingesetzt werden, in der Praxis können sie sogar gemischt verwendet werden. Diese Wirtschaftsgüter müssen allerdings stets dem Betrieb in irgendeiner Weise förderlich sein, um dem gewillkürten Betriebsvermögen zugerechnet werden zu können. Dem Steuerpflichtigen steht es frei, ob er das gewillkürte Betriebsvermögen in die Bilanz aufnehmen und somit als Betriebsvermögen behandeln will. Entscheidet er sich dafür, ist dieses Vermögen immer dem Anlagevermögen zuzuordnen. Als Beispiele für gewillkürtes Betriebsvermögen können eine freistehende Wohnung oder ein Mietgebäude genannt werden. 86 Woran kann man erkennen, ob ein Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich arbeitet? Um festzustellen, ob ein Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich arbeitet, muss die Rentabilität berechnet werden. Es genügt nicht, nur die Höhe des Bilanzgewinns zu kennen. Ziel der Rentabilitätsermittlung ist es, den Kapitalertrag des im Unternehmen eingesetzten Kapitals mit dem anderer Anlageformen zu vergleichen. Für die Ermittlung der Rentabilität werden mehrere Kennzahlen herangezogen, insbesondere die Eigenkapital-, Gesamt- und die Umsatzrentabilität. Die Rentabilität des Eigenkapitals errechnet sich als Verhältnis von Gewinn zu Eigenkapital. Sie informiert über die Verzinsung des im Unternehmen investierten Eigenkapitals. Je höher die Verzinsung des Eigenkapitals, desto rentabler das Unternehmen. Die Rentabilität des Gesamtkapitals setzt die Summe aus Gewinn und Zinsaufwand ins Verhältnis zum Gesamtkapital. Die Gesamtkapitalrentabilität gibt somit die Verzinsung des gesamten im Unternehmen arbeitenden Kapitals an. Sie ist deswegen interessant, weil der Erfolg eines Unternehmens i. d. R. nicht nur auf den Einsatz © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 93 von 102 von Eigenkapital sondern auch auf den Einsatz von Fremdkapital zurückzuführen ist. Je höher die Verzinsung des Gesamtkapitals, desto rentabler das Unternehmen. Eine weitere wichtige Kennzahl ist die Umsatzrentabilität, die den Gewinn ins Verhältnis zum Geschäftsvolumen (Umsatz) setzt. Eine hohe Umsatzrentabilität drückt aus, dass das Unternehmen in Relation zu seinem Umsatz einen hohen Gewinn erwirtschaftet. Um die Umsatzrentabilität eines Unternehmens zu bewerten, ist es sinnvoll, einen Vergleich mit weiteren Unternehmen derselben Branche anzustellen. Kennzahlen aus zwischenbetrieblichen Vergleichen mit Unternehmen aus derselben Branche, zeigen wie „gut“ das jeweilige Unternehmen im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern ist. Je höher die Umsatzrentabilität des Unternehmens im Vergleich zu seinen Wettbewerbern, desto rentabler ist es. 87 Was versteht man unter aktivierten Eigenleistungen? Eigenleistungen sind innerbetriebliche Leistungen des Unternehmens, die nicht zum Verkauf bestimmt sind. Grundsätzlich kann zwischen Gemeinkostenleistungen und Eigenleistungen, die zu einem Wertzuwachs führen, unterschieden werden. Gemeinkostenleistungen entstehen, wenn interne Abteilungen bestimmte Aufgaben für andere Kostenstellen desselben Unternehmens erbringen. Als Beispiele können Reparaturleistungen und die Hausverwaltung genannt werden. Des Weiteren errichten Unternehmen oft Anlagen in Eigenleistung. Hierbei handelt es sich um Eigenleistungen, die zu einem Wertzuwachs führen. Werden die Eigenleistungen aktiviert (in der Bilanz angesetzt), spricht man von aktivierten Eigenleistungen. Aktivierungsfähig sind innerbetriebliche Eigenleistungen, wenn die Herstellkosten über 410 € (ohne USt.) liegen und ein selbstständiges Wirtschaftsgut mit einer Nutzungsdauer von über einem Jahr vorliegt. Innerbetriebliche Eigenleistungen, wie Reparaturen der eigenen Handwerker an Maschinen oder Gebäuden, sind nur aktivierungsfähig, wenn die Instandhaltungsarbeiten werterhöhend sind. 88 Was versteht man unter einer Sonderbilanz, und welche Sonderbilanzen können unterschieden werden? Neben den zum Bilanzstichtag aufgestellten Jahresabschlüssen werden Bilanzen auch für besondere Zwecke gefertigt. Sie werden als Sonderbilanzen bezeichnet. Kennzeichnend für Sonderbilanzen ist, dass sie nur einmalig zu einem besonderen Anlass aufgestellt werden. Anlässe zur Erstellung einer Sonderbilanz sind die Gründung, Sanierung und die Insolvenz. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 94 von 102 Eine Sanierungsbilanz wird unter Auflösung stiller Reserven aufgestellt, um die Sanierungsfähigkeit eines Not leidenden Unternehmens zu bestimmen. Ähnlichen Zwecken dient die Vergleichsbilanz, die Transparenz über die tatsächlichen Werte der Aktiva herstellen soll. Eine Eröffnungsbilanz wird nur zu Beginn eines Unternehmens aufgestellt und daher auch häufig Gründungsbilanz genannt. In der Regel erstellen die Unternehmen in den Folgejahren nicht jeweils eine gesonderte Eröffnungsbilanz zu Beginn des Geschäftsjahres, sondern betrachten die Schlussbilanz des Vorjahres gleichzeitig als Eröffnungsbilanz des Folgejahres. In der Insolvenzbilanz, die vom Insolvenzverwalter aufgestellt wird, werden die Vermögensgegenstände mit ihren voraussichtlichen Veräußerungswerten angesetzt. Entsprechendes gilt für die Liquidationsbilanz, die die zu erwartenden Erlöse bei Auflösung eines Unternehmens ausweisen soll. 89 Was versteht man unter Rohertrag? Der Rohertrag ist eine der wichtigsten Kennzahlen der Gewinn- und Verlustrechnung. Er drückt die Wertschöpfung eines Unternehmens aus, die nach Abzug der variablen Materialaufwendungen und Fremdleistungen vom Umsatz (bei Produktionsunternehmen von der Gesamtleistung) verbleibt, um den „Fixkostenblock“ (Personalaufwendungen und Sachaufwendungen) sowie einen Gewinnanspruch zu decken. Insbesondere bei Handelsunternehmen lässt die Rohertragsquote Rückschlüsse auf die Preiskalkulation zu, da die Kalkulation im Handel i. d. R. allein aus den Zuschlägen auf den Einkauf (Material) besteht. Bei Produktionsunternehmen wird die Rohertragsquote zusätzlich durch die Material- oder Lohnintensivität der Fertigung beeinflusst. Für Produktionsunternehmen gewinnt damit der Rohertrag insbesondere in Kombination mit dem Personalaufwand eine besondere Aussagekraft: Beispiel: Rohertrag G+V Umsatz - Materialaufwendungen = Rohertrag - Personalaufwand = Deckungsbeitrag T€ 1.000 700 300 120 180 wichtig für Handelsunternehmen wichtig für Produktionsunternehmen Abb. 62 Beispiel für die Berechnung des Rohertrags © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 95 von 102 90 Welchen Wert besitzen „Testate“, wie Bestätigungsvermerke und Bescheinigungen von Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern? Aufgabe einer Bilanz ist es, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zutreffend wiederzugeben. Bei der Aufstellung des Jahresabschlusses müssen vor allem die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung eingehalten werden. Um das zu gewährleisten, wird die externe Rechnungslegung von Unternehmen ab einer bestimmten Größenordnung (vgl. § 267 HGB) von Wirtschaftsprüfern bzw. vereidigten Buchprüfern geprüft. Entspricht sie den gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorschriften, erteilt der Prüfer ein so genanntes Testat. Echte Testate können nur von Abschlussprüfern (Wirtschaftsprüfern, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und vereidigten Buchprüfern) unter Beifügung des Berufssiegels erteilt werden. Darin wird erklärt, ob und inwieweit Buchführung, Jahresabschluss und ein evtl. vorliegender Lagebericht den Gesetzen, d. h. den handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften, sowie der Satzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag des Unternehmens entsprechen. Es handelt sich hierbei um den so genannten Bestätigungsvermerk, der entweder uneingeschränkt oder eingeschränkt vergeben oder ganz versagt werden kann. Der uneingeschränkte Bestätigungsvermerk eines Wirtschaftsprüfers/ vereidigten Buchprüfers ist ein Positivbefund zur Gesetzes- und Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung. Der Abschlussprüfer bestätigt damit die Übereinstimmung von Jahresabschluss und Lagebericht mit den für das Unternehmen geltenden Rechnungslegungsvorschriften. Das Testat ist aber kein Urteil über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Der Bestätigungsvermerk kann sowohl ergänzt als auch eingeschränkt als auch ganz versagt werden. Er ist einzuschränken, wenn nach der Prüfung Einwände zu wesentlichen Teilen der Rechnungslegung zu erheben sind, wobei zu den wesentlichen Teilen aber noch ein Positivbefund gegeben ist. Ist das nicht mehr möglich, ist der Bestätigungsvermerk zu versagen. Hat der Wirtschaftsprüfer den Jahresabschluss nicht in der für Kapitalgesellschaften erforderlichen Weise (Art und Umfang) geprüft, so darf er lediglich eine Bescheinigung erteilen. Das setzt allerdings voraus, dass kein Anlass zu Zweifeln an der Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses besteht. Im Gegensatz zu Wirtschaftsprüfern dürfen vereidigte Buchprüfer lediglich Jahresabschlüsse und Lageberichte mittelgroßer Gesellschaften mit beschränkter Haftung als Abschlussprüfer prüfen. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 96 von 102 Insgesamt erhöhen Prüfungsaussagen zwar die Verlässlichkeit der Rechnungslegung, bieten aber keine Gewähr für die zukünftige Überlebensfähigkeit des Unternehmens. Außerdem sagen sie auch nichts über die Qualität des Managements aus. 91 Was sind Minderheitsanteile? Minderheitsanteile betreffen die von Drittaktionären gehaltenen Anteile am Eigenkapital von Tochtergesellschaften. In der Bilanz des Mutterunternehmens werden die Minderheitsanteile oft zwischen Fremdkapital und Eigenkapital eingeordnet, da sie einerseits weder zurückgezahlt noch verzinst werden müssen und folglich keine Verbindlichkeit für das Unternehmen darstellen. Auf der anderen Seite gehören sie aber auch nicht den Aktionären des Konzerns der Muttergesellschaft. 92 Was ist der Unterschied zwischen Umsatz und Gesamtleistung? Der Umsatz eines Unternehmens bezeichnet den Wert der in einer Geschäftsperiode verkauften Güter und Dienstleistungen. Im Gegensatz zum Umsatz setzt sich die Gesamtleistung neben den Umsätzen auch aus den Positionen Bestandsveränderungen unfertige/ fertige Erzeugnisse und andere aktivierte Eigenleistungen zusammen. Bei der Berechnung der Gesamtleistung müssen die Bestandsminderungen von den Umsatzerlösen abgezogen werden, da die Leistung für diese Produkte in einer früheren Periode erbracht wurde. Entsprechend müssen Bestandserhöhungen zu den Umsatzerlösen hinzugerechnet werden, da es sich hierbei um eine Leistung handelt, die zwar innerhalb der Geschäftsperiode erbracht wurde, aber nicht in der laufenden, sondern erst in einer späteren Periode zu Umsatz wird. Des Weiteren müssen zur Ermittlung der Gesamtleistung den Umsätzen und Bestandsveränderungen die anderen aktivierten Eigenleistungen, z. B. in Form von selbst erstellten Anlagen, hinzugerechnet werden. Für produzierende Unternehmen, insbesondere für Auftragsfertiger, hat die Gesamtleistung eine deutlich höhere Aussagekraft als der Umsatz, da nur der Zeitpunkt der Auftragsschlussrechnung über die Höhe des für die Geschäftsperiode ausgewiesenen Umsatzes entscheidet. Der Zeitpunkt der Rechnungsstellung – z. B. bei Langfristfertigung - fällt aber häufig nicht in die Periode der Leistungserstellung, so dass in diesem Fall während der Berichtsperiode kein Umsatz ausgewiesen wird, obwohl tatsächlich eine Leistung erbracht wurde. Für Handelsunternehmen hingegen ist der Umsatz größtenteils identisch mit der Gesamtleistung. Die Gesamtleistung ist jedoch mit Vorsicht zu beurteilen, da die Bestandsveränderungen und die anderen aktivierbaren Eigenleistungen einem erheblichen Bewer© Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 97 von 102 tungsspielraum unterliegen. Des Weiteren gehen in die Gesamtleistung nur die aktivierbaren Leistungen ein. Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen hingegen bleiben unberücksichtigt. Sie können aber insbesondere in der Chemie- und Pharmabranche einen erheblichen Teil der betriebswirtschaftlichen Leistung ausmachen. 93 Wie errechnet sich der Wert unfertiger und fertiger Erzeugnisse? Die jährliche Bewertung der unfertigen und fertigen Erzeugnisse hat über die Bestandsveränderungen maßgeblich Einfluss auf das ausgewiesene operative Ergebnis in der GuV. Bewertungsmaßstab für die unfertigen und fertigen Erzeugnisse sind die durch den Herstellungsprozess entstandenen Herstellungskosten. Die Herstellungskosten bilden den höchst möglichen Wertansatz für die unfertigen und fertigen Erzeugnisse. Entsprechend dem Vorsichtsprinzip wird dadurch der Ausweis unrealisierter Gewinne verhindert. Das Handelsrecht definiert die Herstellungskosten als die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen (§ 255 Abs. 2 HGB). Der Umfang der Herstellungskosten ergibt sich in erster Linie nach dem Grundsatz der sachlichen Abgrenzung, wonach alle in der Periode hergestellten, aber noch nicht verkauften Gegenstände mit den ihnen zuzurechnenden Aufwendungen angesetzt werden müssen. Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über die Zurechenbarkeit bestimmter Aufwendungen definiert das HGB genau, welche Bestandteile der Herstellungskosten einbezogen werden dürfen bzw. müssen und für welche die Berücksichtigung im Bilanzansatz untersagt ist. Pflichtbestandteile der Herstellungskosten gemäß HGB sind demnach die Materialund Fertigungseinzelkosten sowie die Sondereinzelkosten der Fertigung. Sondereinzelkosten der Fertigung sind Kosten, die einem Auftrag als Einzelkosten direkt zugeordnet werden können und vor Beginn des eigentlichen Herstellungsprozesses entstehen (Beispiele: Kosten für Spezialwerkzeuge, Kosten für Modelle). Wahlweise in die Herstellungskosten einzubeziehen sind Material- und Fertigungsgemeinkosten sowie allgemeine Verwaltungskosten. Nicht aktiviert werden dürfen Sondereinzelkosten des Vertriebs, Vertriebskosten und Gewinne. Grundsätzlich ist es auch möglich, dass der beizulegende Wert am Bilanzstichtag unter den Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegt. Hierfür schreibt das Handelsrecht ausdrücklich vor, dass in der Handelsbilanz ein niedrigerer Wertansatz zu wählen ist. Dieser Wertansatz bemisst sich daran, ob ein Fremdbezug für die unfertigen oder fertigen Erzeugnisse möglich ist oder nicht. Könnten die unfertigen oder fertigen Erzeugnisse auch fremd bezogen werden, ist der Beschaffungsmarkt maßgeblich © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 98 von 102 für die Wertermittlung. Ist kein Fremdbezug der unfertigen oder fertigen Erzeugnisse möglich, so ist der Absatzmarkt maßgeblich. Beispiel: Wertermittlung eines fertigen Erzeugnisses bei einem Anlagenbauer anhand zweier Beispiele (Beispiel 1: mit Ansatz aller Aktivierungswahlrechte, Beispiel 2: nur mit Ansatz der Aktivierungsgebote) Beispiel 1 Beispiel 2 T€ T€ ANSCHAFFUNGSKOSTEN Anschaffungspreis 150,0 150,0 20,0 20,0 5,0 5,0 165,0 165,0 45,0 48,0 5,0 70,0 5,0 45,0 48,0 0,0 0,0 0,0 + Verwaltungskosten + Vertriebskosten = Herstellungskosten 14,0 0,0 187,0 0,0 0,0 93,0 = WERT DES FERTIGEN ERZEUGNISSES 352,0 258,0 (Nettopreis ohne Ust.) + Anschaffungsnebenkosten Aktivierungsgebot (Transport- und Montagekosten) - Anschaffungspreisminderungen (Skonti und Rabatt) = Anschaffungskosten HERSTELLUNGSKOSTEN + + + + + Materialeinzelkosten Fertigungseinzelkosten Materialgemeinkosten Fertigungsgemeinkosten Zinsen für Fremdkapital zum Finanzieren der Herstellung des Vermögensgegenstandes Aktivierungsgebot Aktivierungswahlrecht Aktivierungsverbot Abb. 63 Wertermittlung von fertigen Erzeugnissen 94 Was versteht man unter „verlustfreier Bewertung“? Im Allgemeinen werden Gegenstände des Umlaufvermögens mit den Anschaffungsoder Herstellungskosten bewertet. Diese bilden zugleich auch die Höchstgrenze der Bewertung, um gemäß dem Vorsichtsprinzip einen Ausweis unrealisierter Gewinne zu verhindern. Für die Bewertung des Umlaufvermögens gilt darüber hinaus aber auch das strenge Niederstwertprinzip. Demzufolge müssen Wertminderungen im Umlaufvermögen auch dann (durch Abschreibungen) berücksichtigt werden, wenn sie aller Voraussicht nach nicht von Dauer sind. Liegt der Wert am Bilanzstichtag unter den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, so ist in der Handelsbilanz der niedrigere Wertansatz zu wählen. Um den Wert der Gegenstände des Umlaufvermögens am Bilanzstichtag für die Handelsbilanz zu ermitteln, ist grundsätzlich der Preis am Beschaffungsmarkt maßgeblich, sofern ein Fremdbezug möglich ist. Ist das nicht der Fall, ist der zu erwartende Preis am Absatzmarkt maßgeblich. Deutet der Preis am Absatzmarkt © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 99 von 102 darauf hin, dass die voraussichtlichen Verkaufserlöse abzüglich der Erlösminderungen (z. B. Rabatte, Skonti, usw.) und aller noch anfallenden Aufwendungen (z. B. Verwaltungs-, Verpackungs- oder Vertriebskosten) unter den Herstellungskosten liegen, ist gemäß dem Grundsatz der verlustfreien Bewertung eine unter den Herstellungskosten liegende Bewertung der Gegenstände des Umlaufvermögens geboten. Der Grundsatz der verlustfreien Bewertung trägt dem kaufmännischen Vorsichtsprinzip Rechnung und soll vor allem dem Schutz der Gläubiger dienen, denen ein nicht der Realität entsprechendes Bilanzbild eine bessere wirtschaftliche Lage des Unternehmens vorspiegeln würde, als sie tatsächlich gegeben ist. 95 Was versteht man unter Working Capital? Der aus dem anglo-amerikanischen Raum stammende Begriff des Working Capital bezeichnet eine Kennzahl zur Beurteilung der kurzfristigen Liquidität. Häufig wird das Working Capital auch als Netto-Umlaufvermögen bezeichnet. Rechnerisch lässt sich das Working Capital durch Subtraktion der kurzfristigen Verbindlichkeiten vom Umlaufvermögen ermitteln. Es zeigt das Deckungspotenzial der kurzfristigen Verbindlichkeiten aus dem Umlaufvermögen an. Hier wird das Volumen des liquidierbaren Vermögens den kurzfristigen zahlungspflichtigen Verbindlichkeiten gegenübergestellt, allerdings ohne die Zahlungsbedingungen zu berücksichtigen. Ziel der Kennzahl ist es, die Liquiditätsmasse zu ermitteln, die nach Abzug der liquiditätswirksamen kurzfristigen Verbindlichkeiten von dem „liquidierbaren“ (zu Geld zu machenden) Umlaufvermögen verbleibt. 96 Was ist unter den Grundsätzen der Bilanzklarheit, Bilanzwahrheit und der Bilanzvollständigkeit zu verstehen? Der Grundsatz der Bilanzklarheit betrifft in erster Linie die äußere Gestaltung des Jahresabschlusses und fordert, dass der Jahresabschluss klar und übersichtlich gestaltet sein muss. Der Grundsatz der Bilanzklarheit verlangt u. a. eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Gliederung der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (§§ 266 und 275 HGB). Der Grundsatz der Bilanzwahrheit verlangt, dass der Jahresabschluss unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln hat. Hiernach müssen die Aktiva und die Passiva ordnungsgemäß bewertet sein. Das bedeutet, dass die Vermögensseite nicht überbewertet und die Verbindlichkeiten nicht unterbewertet werden dürfen. Verboten ist sowohl, nicht aktivierungsfähiges © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 100 von 102 Vermögen in die Bilanz zu schreiben, als auch, vorhandene Verbindlichkeiten, einfach wegzulassen. Der Grundsatz der Bilanzwahrheit wird aber durch andere Bilanzierungsvorschriften eingeschränkt, z. B. durch das Vorsichtsprinzip. Danach dürfen nicht realisierte Gewinne nicht ausgewiesen werden, während drohende Verluste erfolgswirksam berücksichtigt werden müssen, sobald sie mit ausreichender Sicherheit bekannt sind. Hierdurch können stille Reserven entstehen, die ein wahrheitsgetreues und „ehrliches“ Bilanzbild beeinträchtigen. Der Grundsatz der Bilanzvollständigkeit fordert, dass der Jahresabschluss sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungen, Aufwendungen und Erträge zu enthalten hat, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. 97 Wie ist eine Änderung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zu interpretieren? Das HGB schreibt für alle Kaufleute vor, dass die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewandten Bewertungsmethoden beibehalten werden sollen (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB). Dieses so genannte Stetigkeitsprinzip (auch: Bilanzkontinuität) soll die Vergleichbarkeit aufeinander folgender Jahresabschlüsse ermöglichen. Von dem Grundsatz der Bewertungsstetigkeit darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden. Solche Ausnahmen sind nur dann sachlich gerechtfertigt, wenn die Abweichung durch eine Änderung der rechtlichen Gegebenheiten veranlasst wurde, z. B. durch eine Änderung der Rechtsprechung. Erlaubt ist eine Abweichung auch dann, wenn unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) ein besseres Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt wird oder wenn die Abweichung durch die Inanspruchnahme von Bewertungsvereinfachungsverfahren verursacht wurde. Andere Abweichungen vom Stetigkeitsprinzip können den mehrjährigen Bilanzvergleich empfindlich stören. In der Praxis kommen solche Durchbrechungen allerdings häufig vor und dienen oftmals dazu, wirtschaftliche Misserfolge zu vertuschen. Anfängliche Probleme werden z. B. durch eine geringere Bemessung von Rückstellungen kaschiert und sind selbst für geübte Bilanzanalysten nur schwer zu erkennen. Für den externen Bilanzleser bleibt somit nur der Trost, dass Kapitalgesellschaften und Kapitalgesellschaften & Co. über Änderungen der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden im Anhang berichten müssen. Durch sorgfältiges Studieren dieser Angaben kann sowohl die Wirkung auf den mehrjährigen Bilanzvergleich herausgefunden als auch die Richtung der damit beabsichtigten Bilanzpolitik ausgemacht werden. Bei nicht in diesem Umfang rechnungslegungspflichtigen Unternehmen können Änderungen nur durch Erfragen herausgefunden werden. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 101 von 102 Grundsätzlich ist festzuhalten, dass insbesondere ungewöhnliche Veränderungen einzelner Bilanz- oder Erfolgsposten, die möglicherweise aus einer Bewertungs- oder Ausweisänderung resultieren, besonders kritisch hinterfragt werden sollten. 98 Was ist der Unterschied zwischen Anlage- und Umlaufvermögen? Zum Anlagevermögen zählen gemäß Handelsgesetzbuch alle Vermögensgegenstände, die dazu bestimmt sind, dem Geschäftsbetrieb dauerhaft zu dienen. Beispiele: Sachanlagen, wie Maschinen und Immobilien, langfristige Finanzanlagen und immaterielle Vermögensgegenstände, wie Lizenzen und Patente. Im Unterschied zum Anlagevermögen, gehören zum Umlaufvermögen diejenigen Wirtschaftsgüter, die nicht dazu bestimmt sind, dauerhaft dem Geschäftsbetrieb zu dienen. Sie sind zum Verbrauch oder zur Weiterveräußerung bestimmt. Beispiele: Vorräte (Warenbestände), Forderungen, Bankguthaben und Kasse. Einige Wirtschaftsgüter können jedoch nicht eindeutig dem Anlage- oder dem Umlaufvermögen zugeordnet werden. In der Praxis werden sie daher je nach den Besonderheiten des Einzelfalles zugewiesen. Beispiele: Vorführwagen bei Kfz-Händlern oder Finanzanlagen, die entweder spekulativer Natur sein können (Umlaufvermögen) oder als langfristige Beteiligung angelegt sind (Anlagevermögen). Ein weiterer Unterschied zwischen Anlage- und Umlaufvermögen ist die Erfassung des Werteverzehrs über die Abschreibungen. Bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens mit einer endlichen Nutzungsdauer werden die Anschaffungs- und Herstellkosten planmäßig abgeschrieben. Beim Umlaufvermögen hingegen sind keine planmäßigen Abschreibungen vorgesehen. Außerplanmäßige Abschreibungen hingegen können sowohl beim Anlagevermögen (z. B. bei einer außerordentlichen technischen oder wirtschaftlichen Abnutzung) als auch beim Umlaufvermögen (uneinbringliche Forderung) vorgenommen werden. © Hans-Böckler-Stiftung – März 2007 102 von 102