Einfuehrungsskript_D..

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Einführung zum
Grundpraktikum Physik
Teil I (WiSe)
Allgemeine Hinweise zum Praktikum
und zur Protokollführung
Das griechische Alphabet
Name
Alpha
Beta
Gamma
Delta
Epsilon
Zeta
Eta
Theta
Iota
Kappa
Lambda
My
Ny
Xi
Omikron
Pi
Rho
Sigma
Tau
Ypsilon
Phi
Chi
Psi
Omega
Minuskel
α
β
γ
δ
ε
ζ
η
θ
ι
κ
λ
µ
ν
ξ
o
π
ρ
σ
τ
υ
ϕ
χ
ψ
ω
Majuskel
A
B
Γ
∆
E
Z
H
Θ
I
K
Λ
M
N
Ξ
O
Π
P
Σ
T
Y
Φ
X
Ψ
Ω
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Fakultät V, Institut für Physik, D-26111 Oldenburg
Tel.: 0441-798-3395 (Technische Assistenz) / 3153 (Praktikumsleitung)
Internet: http://physikpraktika.uni-oldenburg.de
[email protected]
Oktober 2016
1
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1
Einführende Bemerkungen
2
Allgemeine Hinweise zum Modul Grundpraktikum Physik
und zur Protokollführung
3
Zum Aufbau elektrischer Schaltungen und zum Umgang mit
Netzgeräten, Vielfachmessgeräten und Funktionsgeneratoren
11
Mechanische Messwerkzeuge
20
Einsatz der Computer im Grundpraktikum Physik
22
Fehler- und Ausgleichsrechnung
35
Oszilloskop und Funktionsgenerator
56
2
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Einführende Bemerkungen
In diesem einführenden Skript werden allgemeine Hinweise zum Modul Grundpraktikum Physik gegeben.
Insbesondere werden Hilfen zur Erstellung von Versuchsprotokollen, dem Einsatz von Computern und der
im Praktikum verwendeten Software, sowie zur Fehler- und Ausgleichsrechnung gegeben. Die Hinweise
sind auch für den zweiten Teil des Grundpraktikums im darauffolgenden Sommersemester relevant.
Zur Analyse und grafischen Darstellung von Messdaten steht die Software Origin (Version 2016)
jedem Studierenden der Fakultät V als Fakultätslizenz zur Verfügung; gleiches gilt für das Programm
Matlab. Entsprechende Übungen zu den einzelnen Programmen dienen zum Einstieg in die Programme
und sollen von jedem Studierenden bearbeitet werden. Die Übungen werden nicht benotet, müssen aber als
Teilleistungen bestanden werden, um das Modul erfolgreich zu absolvieren. Die entsprechenden
Übungszettel werden unter StudIP bzw. auf der Homepage 1 bereitgestellt.
Am Ende dieses einführenden Skriptes finden Sie auch den ersten Versuch „Oszilloskop und
Funktionsgenerator“, in dem Sie den Umgang mit zwei wichtigen physikalischen Instrumenten
kennenlernen, die auch immer wieder in den weiteren Versuchen zum Einsatz kommen. Deshalb nehmen
Sie sich die Zeit, diesen Versuch gründlich durchzuarbeiten. Für diesen Versuch wird von Ihnen auch ein
Ergebnisprotokoll erwartet, in dem Sie ihre Versuchsergebnisse beschreiben und dokumentieren. Auch hier
erfolgt noch keine Benotung, das Protokoll muss aber mit „bestanden“ bewertet werden. Nehmen sie sich
das Feedback Ihrer Assistentin oder Ihres Assistenten zu Ihrem ersten Protokoll zu Herzen und
berücksichtigen dieses bei der Erstellung zukünftiger Versuchsprotokolle.
Für die Durchführung aller weiterführenden Versuche, die dann jeweils benotet werden, wird ihnen ein
zusätzliches Versuchsskript ausgehändigt, in dem alle Details zu den Versuchen aufgeführt werden.
Rückmeldungen sowie Verbesserungsvorschläge zu den Versuchsbeschreibungen oder zum Skript
allgemein können in das in den Praktikumsräumen ausliegende Anmerkungsskript eingetragen werden oder
an den Praktikumsleiter gesendet werden.
Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Teilnahme am Praktikum und hoffe, dass bei Ihnen, neben all der
Arbeit und den Mühen, auch die Freude und die Neugierde am Experimentieren geweckt werden.
Dr. Michael Krüger
Praktikumsleiter
1
https://www.uni-oldenburg.de/physics/teaching/laboratory-courses/basic-laboratory-course/
3
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Allgemeine Hinweise zum Modul Grundpraktikum Physik
und zur Protokollführung
1
Zur Bedeutung, Planung und Durchführung physikalischer Experimente
Am 23. März 1989 erregte eine Nachricht aus den USA großes Aufsehen in der naturwissenschaftlichen
Öffentlichkeit: zwei international anerkannte Wissenschaftler aus dem Bereich der Physikalischen Chemie
an der Universität von Utah waren mit der Erklärung vor die Weltpresse getreten, ihnen sei die „kalte
Kernfusion“ im Reagenzglas gelungen. Was andere Labore auf der Welt trotz Milliardenaufwandes bis
dahin nicht erreicht hatten, die kontrollierte Atomkernverschmelzung mit dem Ziel der Energieerzeugung,
sollte nun mit Mitteln möglich gewesen sein, die jedem kleinen Labor zur Verfügung stehen.
Rund um den Globus setzten umgehend fieberhafte Aktivitäten ein mit dem Ziel, das beschriebene Experiment nachzumachen. Die beteiligten Wissenschaftler/innen nutzten die internationalen Computernetze,
um ihre Messergebnisse auszutauschen, zugehörige theoretische Überlegungen zu diskutieren, zu spekulieren, den Quellen vieler Gerüchte nachzugehen und - leider auch - selber neue Gerüchte in die Welt zu
setzen.
Nach einigen Wochen war sich die internationale Fachwelt einig: die Ergebnisse des Reagenzglas-Experiments waren nicht reproduzierbar. Damit war das gesamte Experiment wertlos und mit ihm auch die
theoretischen Überlegungen, die die beiden Amerikaner zur Deutung ihrer Messergebnisse angestellt
hatten.
Das geschilderte Beispiel soll die elementarste Anforderung an physikalische Experimente deutlich machen:
Die Ergebnisse eines Experiments haben nur dann wissenschaftliche Bedeutung, wenn eine Wiederholung
des Experiments unter gleichen Bedingungen überall auf der Welt zum gleichen Resultat führt.
Damit ein Experiment diesem Anspruch genügt, muss zunächst der Gegenstand des Experiments, d.h. die
dem Experiment zugrunde liegende Fragestellung, klar und eindeutig beschrieben werden. Bei einigen
Experimenten geht es darum zu klären, ob eine Theorie (z.B. die der „kalten Fusion“ oder der Existenz von
Gravitationswellen) richtig oder falsch ist. Andere Experimente sollen dazu dienen, den algebraischen
Zusammenhang zwischen physikalischen Größen quantitativ zu erfassen (z.B. Galileis Versuche zur
Bestimmung des Zusammenhanges zwischen Weg und Zeit beim freien Fall) oder Zahlenwerte für
physikalische Größen zu ermitteln (z.B. Bestimmung der Masse eines Moleküls mit einem Massenspektrometer).
Nach erfolgter Formulierung der Fragestellung ist eine sorgfältige Planung der Durchführung des Experiments erforderlich. Dazu gehört vor allem die Konzeption eines systematischen Versuchsablaufs, die
Auswahl geeigneter Messinstrumente und das Kennenlernen des Verhaltens dieser Instrumente unter den
geplanten experimentellen Bedingungen. 1 Anschließend folgt der Aufbau des Experiments, die präzise
Beschreibung der Versuchsanordnung, die Durchführung der Messungen und die Aufzeichnung der
Messdaten sowie der Umgebungsparameter, die die Messergebnisse beeinflussen können. Dabei müssen
systematische Fehlerquellen nach bestem Wissen ausgeschlossen und die zufälligen Messfehler quantitativ
erfasst werden (siehe Anleitung „Fehler- und Ausgleichsrechnung“).
Die quantitative Auswertung eines unter solchen Bedingungen durchgeführten Experimentes sollte schließlich eine eindeutige und reproduzierbare Antwort auf die Eingangsfrage geben. Ist das Ergebnis dagegen
nicht eindeutig und nicht reproduzierbar, so müssen alle Schritte von der Fragestellung bis zur Auswertung
1
Hier haben übrigens die beiden Amerikaner die nötige Sorgfalt fehlen lassen - mit dem Ergebnis, dass sie gemessene Effekte
fälschlicherweise dem Einfluss von Neutronen zugeschrieben haben, die tatsächlich durch eine Erwärmung des
Untersuchungsobjektes verursacht worden waren.
4
noch einmal überprüft werden. Irgendwo wird ein Fehler vorliegen, der beseitigt werden muss. So kann
z.B. ein falsches Messgerät gewählt worden sein, dessen Messgenauigkeit oder Messbereich für den
erwarteten Effekt gar nicht ausgelegt ist. Oder es hat sich trotz aller Sorgfalt ein systematischer Fehler bei
der Messwertaufzeichnung eingeschlichen. Oder es wurde versucht, einen gar nicht existenten
Zusammenhang zwischen zwei physikalischen Größen quantitativ zu ermitteln. Ein solches Experiment
wird immer zufällig verteilte Ergebnisse liefern. Oder...
2
Die Lernziele im Grundpraktikum
Um Experimente in der beschriebenen Weise planen, durchführen und auswerten zu können, bedarf es
einiger Erfahrung, die in den verschiedenen aufeinander aufbauenden Praktika im Laufe des Studiums
gewonnen werden soll. Dem Grundpraktikum kommt dabei die Aufgabe zu, erste Grundlagen des Experimentierens zu vermitteln und zu üben. Nach erfolgreicher Teilnahme am Grundpraktikum sollen die
Studierenden mit den Grundprinzipien des Experimentierens vertraut sein, also
- wissen, wie mit einem Experiment der quantitative Zusammenhang zwischen physikalischen Größen
bestimmt oder der Zahlenwert für eine physikalische Größe ermittelt werden kann,
- ein entsprechendes Experiment beschreiben, planen und durchführen können,
- den Unterschied zwischen direkten und indirekten Messverfahren kennen,
- gängige Messverfahren sowie Funktion, Gebrauch, Verhalten und Genauigkeit wesentlicher Messgeräte
kennen,
- Messgeräte überprüfen, justieren und kalibrieren können,
- mit den Grundprinzipien computerunterstützter Messdatenerfassung vertraut sein,
- Messergebnisse sinnvoll darstellen, auswerten, interpretieren und kritisch bewerten können,
- Messunsicherheiten angeben können und mit den Grundlagen der Fehlerrechnung vertraut sein,
- Verfahren zur Anpassung von Ausgleichskurven (Fitkurven) an Messdaten kennen,
- ein Protokoll über die Durchführung eines Experiments führen können,
- die Ergebnisse eines Experiments in einem Vortrag präsentieren können.
Darüber hinaus sollen die Studierenden im Praktikum über den Vorlesungsstoff hinaus weitere physikalische Phänomene, Gesetzmäßigkeiten und Methoden kennen lernen, für deren Behandlung in der Vorlesung
kein Platz ist. Sie müssen sich also gelegentlich im Rahmen der Praktikumsvorbereitung mit Inhalten
auseinandersetzen, die in der Vorlesung bis dahin weder behandelt wurden noch behandelt werden. Deshalb
sind die Versuchsanleitungen so gehalten, dass sie mit den üblichen mathematischen und physikalischen
Vorkenntnissen der Studierenden in den ersten beiden Semestern verstanden werden können. Wem der
Anleitungstext an einigen Stellen zu abstrakt bleibt, dem sind möglicherweise Fotos der Versuchsaufbauten
bei der Vorbereitung der Praktika eine Hilfe. Sie finden sich auf den Internetseiten des Grundpraktikums 2.
Bei gemeinsamen Themen von Vorlesung und Praktikum wird versucht, beide Veranstaltungen soweit wie
möglich zeitlich aufeinander abzustimmen.
3
Durchführung des Praktikums
3.1
Gruppenarbeit
Zu Beginn des Semesters bilden die Studierenden Zweiergruppen (Teams), die bis zum Semesterende
bestehen bleiben. Innerhalb der Teams muss eine gemeinsame Vorbereitung auf das Praktikum stattfinden,
gefolgt von einer gemeinsamen Durchführung der Versuche, einer gemeinsamen Auswertung der
Messergebnisse und einer gemeinsamen Protokollierung. Für jeden Teil des Protokolls sind beide Studierende verantwortlich. Die Vorbereitung, die Durchführung und das Protokoll werden in der Regel mit
einer gemeinsamen Note bewertet.
3.2
Versuchsvorbereitung
Die Vorbereitung auf einen Versuch muss vor dem Praktikumstermin anhand der Versuchsanleitung und
durch Teilnahme am Begleitseminar geschehen. Die Versuchsanleitungen werden in der Regel in der
zweiten Versuchswoche ausgehändigt. Sie stehen darüber hinaus als PDF-Dateien auf den Internetseiten
2
http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/gpr/
5
des Praktikums zur Verfügung. Es genügt möglicherweise nicht immer, nur die Anleitung durchzulesen.
Insbesondere bei ernsthaften Verständnisproblemen muss auch die angegebene Literatur sowie die
Vorlesungsmitschrift zur Vorbereitung mit herangezogen werden. Es ist auch ratsam und oft sehr hilfreich,
sich als Praktikumsgruppe vor und nach dem Praktikumsversuch zu treffen und eine gemeinsame Zeit der
Vor-und Nachbereitung zu haben.
Ohne gründliche Vorbereitung ist eine Durchführung der Versuche weder sinnvoll noch möglich.
In den Praktikumsräumen steht ein Bücherschrank mit einer Büchersammlung zur Nutzung durch die
Studierenden vor Ort zur Verfügung. Die Bücher werden grundsätzlich nicht ausgeliehen. Sie können während der Öffnungszeiten der Praktikumsräume jedoch jederzeit benutzt werden. Die Sammlung enthält
neben der in den Anleitungen angegebenen Literatur weitere Lehrbücher, Formelsammlungen und Tabellenwerke, die für die Auswertung der Versuche hilfreich sind.
Eine gründliche Versuchsvorbereitung schließt die Vorbereitung von Tabellen mit ein, in die während des
Praktikums die Messergebnisse mit dokumentenechtem Stift eingetragen werden.
Die vorbereiteten Messwerttabellen werden zu Beginn des Praktikums von den BetreuerInnen abgestempelt und müssen später dem Protokoll beigefügt werden. 3
Mit der Vorbereitung von Tabellen wird vor allem erreicht, dass man sich bereits vor Beginn der Experimente klar macht, welche Messreihen durchzuführen sind und welche Messgrößen für die Auswertung der
Experimente zusätzlich benötigt werden. Außerdem wird bei vorbereiteten Messwerttabellen von
vornherein vermieden, dass Messergebnisse während des Versuchs zunächst auf Schmierzetteln notiert
werden, um anschließend ins „Reine“ übertragen zu werden. Ein solches Vorgehen ist erstens unökonomisch, schafft zweitens die Gefahr von Übertragungsfehlern und führt möglicherweise auch zur Versuchung, Messdaten nachträglich zu „bereinigen“. Neben der Vorbereitung von Messwerttabellen bietet es
sich ferner an, relevante Informationen zur Versuchsdurchführung und wichtige physikalische Formeln und
Beziehungen im Skript zu markieren und/oder diese den Messwerttabellen beizufügen.
Ökonomisches Arbeiten bei der Vorbereitung, der Durchführung und der Auswertung der Praktikumsversuche setzt auch voraus, dass die Studierenden über folgende Hilfsmittel verfügen:
Versuchsanleitung, Lehrbuch, mathematische Formelsammlung, Taschenrechner mit technisch-wissenschaftlichen Funktionen, Zugang zu Computern (ist für alle Studierenden im Grundpraktikum und
im CIP-Raum des Instituts für Physik gewährleistet).
3.3
Versuchsdurchführung
Während der Versuchsdurchführung müssen die Messergebnisse direkt in die vorbereiteten Messwerttabellen eingetragen werden. Die Ablesegenauigkeit der Messgeräte muss für die später zu erfolgende Fehleranalyse ebenfalls notiert werden. Schließlich müssen all die Gerätespezifikationen und sonstigen Parameter (z. B. Umgebungstemperatur) notiert werden, die für eine vollständige Versuchsdokumentation und
-auswertung im Protokoll erforderlich sind.
Der Umfang der Versuche wurde so gewählt, dass auch die Studierenden, die bereits experimentelle
Erfahrungen mitbringen, nicht schon nach der Hälfte der vorgesehenen Zeit mit ihren Experimenten fertig
sind. Das kann zur Folge haben, dass Studierende ohne jegliche experimentelle Erfahrung, insbesondere
während der ersten Versuchstermine, aus zeitlichen Gründen nicht immer alle Versuchsteile werden
durchführen können. In diesen Fällen gilt:
Bei Zeitknappheit lieber einiges gründlich, als alles oberflächlich durchführen!
Nutzen Sie das Open Lab, um Ihre experimentellen Fähigkeiten eigenständig zu vertiefen!
3
Für die Versuche zum Oszilloskop, zur Datenerfassung mit dem PC und zur Fourieranalyse müssen keine Messwerttabellen
vorbereitet werden. Für Versuchsteile, in denen Messdaten direkt in Origin-Tabellen eingetragen werden sollen, sind
ebenfalls keine Tabellen erforderlich.
6
4
Protokollführung
4.1
Bedeutung des Protokolls
Das Versuchsprotokoll hat die Aufgabe, das gesamte Experiment von der Fragestellung über die Durchführung bis hin zur Auswertung dokumentarisch festzuhalten. Es muss hinsichtlich Inhalt und Form eine
Einheit bilden. Es muss von einer fremden, mit der Materie insgesamt vertrauten Person gelesen und
verstanden werden können und es muss diese Person prinzipiell in die Lage versetzen, ohne Einholen
zusätzlicher Informationen das gleiche Experiment mit den gleichen Geräten jederzeit nachmachen zu
können.
Protokolle werden nicht nur als „lästige Pflicht“ im Rahmen von Praktika geführt. Das Führen und Archivieren eines Protokollbuchs gehört vielmehr unabdingbar zum Alltag des wissenschaftlichen Arbeitens. Im
Zweifelsfall muss ein Protokollbuch als Beleg für erzielte Messergebnisse dienen. Die Fälschungsskandale
in der Wissenschaft aus der Vergangenheit, z.B. der Fall des Physikers JAN HENDRIK SCHÖN aus dem Jahre
2002 4, haben Wissenschaftsorganisationen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dazu
veranlasst, nochmals mit Nachdruck an die Verpflichtung zur Führung von Protokollbüchern und deren
Bedeutung zu erinnern 5.
4.2
Inhalt und Aufbau eines Protokolls
Ein Praktikumsprotokoll muss
o
o
o
in übersichtlicher Gliederung,
mit nummerierten Kapitelüberschriften,
auf nummerierten Seiten enthalten:
1.
2.
3.
4.
Namen, Praktikumsgruppe und Datum der Versuchsdurchführung.
Titel des Versuchs.
Ein Inhaltsverzeichnis ist nicht erforderlich.
Kurze Darstellung des Versuchsgegenstandes in einer Einleitung: was ist Ziel des Versuches, was soll
gemessen werden? Dieser Teil des Protokolls sollte nicht länger als ¼ Seite sein.
Daran anschließend folgt für jeden Versuchsteil eine Protokollierung gemäß der Punkte 5 - 10:
5.
6.
7.
4
5
Eine kurze Nennung der Aufgabenstellung und Beschreibung der Versuchsdurchführung mit einer
Darstellung des Versuchsaufbaus in Form einer Prinzipskizze mit kurzer Erläuterung. Skizzen können
z. B. auch aus der Versuchsanleitung oder aus anderen Quellen übernommen werden. In diesem Fall
muss die Quelle korrekt zitiert werden, s. Kap. 4.3. Skizzen werden wie andere Grafiken nummeriert
und beschriftet (siehe Punkt 8). Beispiel:
„Abb. xx: Anordnung zur Messung der Oberflächenspannung mit der Blasendruckmethode.“
Bei Bedarf Dokumentation derjenigen äußeren Versuchsbedingungen, die die Versuchsergebnisse
beeinflussen können (z.B. Temperatur bei den Versuchen zur Oberflächenspannung und Viskosität)
sowie Dokumentation möglicher Fehlerquellen (z.B. Ablesegenauigkeit von Messgeräten).
Tabellarische Darstellung der Ergebnisse von Messreihen. Bei der Spalten- bzw. Zeilenbeschriftung
muss die Form „physikalische Größe / Einheit der Größe“ gewählt werden, also z.B. „U / V“ für eine
Spannung, „I / A“ für einen Strom, „t / s“ für die Zeit usw. Zur Begründung für diese Notation siehe
Kap. 4.3, Punkt 1. Tabellen müssen innerhalb des Protokolls fortlaufend nummeriert und mit kurzen
erläuternden Beschriftungen versehen werden, aus denen hervorgeht, was in der Tabelle dargestellt ist.
Im Gegensatz zu Abbildungen erfolgt die Beschriftung der Tabelle oberhalb der Tabelle. Hier ein
Beispiel:
Siehe z.B. S. Jorda, PHYSIK JOURNAL 1.11 (2002) 7-8.
DFG:
Vorschläge
zur
Sicherung
guter
wissenschaftlicher
Praxis,
Bonn,
1998
(http://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/reden_stellungnahmen/download/empfehlung_wiss_praxis_1310.pdf).
7
Tab. xx:
Spannung U und Strom I als Funktion der Eintauchtiefe d von Kupferelektroden in einen
Elektrolyten.
d/m
± 10-3 m
0,050
0,045
0,040
0,035
0,030
0,025
0,020
U/V
± 10-2 V
1,74
1,77
1,81
1,85
1,89
1,94
2,01
I / mA
± 10-1 mA
14,8
14,2
13,4
12,6
11,8
10,8
9,8
Zu jeder Tabelle muss ein Verweis im laufenden Text erfolgen, z.B. in der Form: „Die Messdaten
finden sich in Tab. xx“.
Grafische Darstellung der Ergebnisse von Messreihen. Jede Grafik muss neben einer fortlaufenden
Nummer eine kurze erläuternde Beschriftung enthalten, aus der hervorgeht, was in der Grafik dargestellt ist. Die unabhängige Variable, d.h. die vorgegebene Größe (d in der o. a. Mustertabelle), wird auf
der Abszisse dargestellt, die abhängige Größe auf der Ordinate. Die Skaleneinteilung und die Lage der
Achsen-Nullpunkte muss so gewählt werden, dass der interessierende Kurvenverlauf gut zu erkennen
ist. Die Koordinatenachsen müssen vollständig beschriftet sein. Bei der Achsenbeschriftung gilt das
Gleiche wie bei der Spalten- und Zeilenbeschriftung von Tabellen: sie muss in der Form "physikalische
Größe / Einheit der Größe" erfolgen. Falls gefordert, müssen Ausgleichskurven und / oder Fehlerbalken
eingezeichnet sein. Auch hierzu ein Beispiel:
220
220
200
200
180
180
R/Ω
R/Ω
160
Abb. xx:
160
140
140
120
120
0,02
0,03
0,04
Messdaten
Ausgleichsgerade
20
0,05
30
40
50
d/m
d -1 / m-1
Ohmscher Widerstand R eines Elektrolyten als Funktion der Elektroden-Eintauchtiefe d.
Links R über d, rechts linearisierte Darstellung R über 1/d.
Die Abstände zwischen den Werten der unabhängigen Variablen müssen so gewählt sein, dass der
Verlauf der Messwerte der abhängigen Variablen gut zu erkennen ist. Sie sollen also dort besonders
dicht liegen, wo sich im Diagramm „etwas tut“. Das folgende Beispiel der Amplitudenresonanzkurve
eines gedämpften harmonischen Oszillators verdeutlicht dies. In der Umgebung der Eigenkreisfrequenz von ω0 ≈ 4,5 Hz wurden die Abstände der unabhängigen Variablen ω1 deutlich kleiner gewählt
als außerhalb dieses Bereichs, so dass der Verlauf der Amplitude x0 in der Umgebung von ω0 gut zu
erkennen ist:
0,2
x0 / m
8.
0,1
0,0
0
5
10
ω1 / Hz
15
Abb. xx: Amplitudenresonanzkurve eines gedämpften harmonischen Oszillators.
8
Die Messpunkte dürfen in der Regel nicht miteinander verbunden werden. Eine gerade Verbindung würde
z.B. einen linearen Zusammenhang zwischen den dargestellten Größen in dem von zwei Messwerten
begrenzten Bereich suggerieren. Sollte eine Verbindung nötig sein, um den Verlauf der Messwerte besser
erkennen zu können, muss die Verbindungslinie an den Messwerten mit sichtbarer Lücke unterteilt werden:
220
200
R/Ω
180
160
140
120
0,02
0,03
0,04
0,05
d/m
Abb. xx: Ohmscher Widerstand R eines Elektrolyten als Funktion der Elektroden-Eintauchtiefe d.
Zu jeder Grafik muss ein Verweis im laufenden Text erfolgen, z.B. in der Form: „Abb. xx zeigt die
grafische Darstellung der Messdaten“.
9. Berechnung von Zahlenwerten für die zu messenden Größen. Für jeden Zahlenwert muss der Fehler
(die Messunsicherheit) angegeben werden, der entweder berechnet oder sinnvoll abgeschätzt wird.
Einzelheiten dazu und zur Rundung von berechneten Zahlenwerten finden sich in der Anleitung zur
„Fehler- und Ausgleichsrechnung“.
10. Interpretation und Bewertung der Versuchsergebnisse anhand eines Vergleichs mit den nach der
Theorie erwarteten Ergebnissen bzw. mit Literaturwerten. Dabei ist eine realistische und kritische
Bewertung der eigenen Messergebnisse deutlich wichtiger als ein möglichst genaues Treffen eines
Zielwertes oder eine möglichst genaue Reproduktion von Literaturwerten.
Auf eine Auflistung der benutzten Geräte kann verzichtet werden, da sie in der Anleitung unter „Zubehör“
bei den jeweiligen Versuchen aufgeführt sind. Es reicht daher ein entsprechender Verweis.
4.3
Regeln bei der Abfassung von Protokollen
Bei der Abfassung des Protokolls muss man sich von vornherein daran gewöhnen, bestimmte Normen
und Gepflogenheiten einzuhalten (siehe z.B. /10/), wie sie später im Studium auch für die Erstellung von
Examensarbeiten oder anderen wissenschaftlichen Texten üblich sind:
1.
Eine physikalische Größe G wird als Produkt aus Zahlenwert {G} mal Einheit [G] dieser Größe
angegeben, also
(1)
2.
6
G = {G} × [G]
Beispiel: eine elektrische Spannung U hat einen Wert von 5 V, es ist also U = 5 V, mit {U} = 5 und
[U] = V.
Wegen der in Gl. (1) festgelegten Notation werden Tabellenspalten und –zeilen sowie die Achsen von
Grafiken in der Form „G / [G]“ beschriftet, also z.B. „U / V“, „d / m“ usw. Der Quotient G / [G] ergibt
nämlich gerade den Zahlenwert {G}, der in die Tabelle eingetragen oder an die Teilstriche der Achse
geschrieben wird, wie z.B. 5 10 15 20 usw. Angaben der Art „U [V]“ oder „d [m]“ sind formal
falsch! 6
Als Einheit [G] einer physikalischen Größe G muss immer die durch das Internationale Einheitensystem (SI: Système Internationale d'Unités) vorgegebene Einheit verwendet werden /10/. Neben den
sieben SI-Basiseinheiten für die Länge (Meter, m), die Masse (Kilogramm, kg), die Zeit (Sekunde, s),
die Stromstärke (Ampere, A), die Temperatur (Kelvin, K), die Stoffmenge (Mol, mol) und die Lichtstärke (Candela, cd) gibt es abgeleitete SI-Einheiten, die sich immer als Produkt der Basiseinheiten
In Fachzeitschriften werden z.T. andere Arten der Beschriftung verlangt. Leider sind die Regeln nicht einheitlich. So wird z.B.
in NATURE, PHYSICAL REVIEW LETTERS und im PHYSIK JOURNAL jeweils eine andere Notation verwendet.
9
darstellen lassen, also
[G ] = m a kgb sc A d K e mol f
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
cd g
mit den zu bestimmenden Exponenten a, b, c, d, e, f und g. Für viele abgeleitete Einheiten sind eigene
Namen gebräuchlich, wie z.B. das Pascal (Pa) für den Druck (Pa = kg m-1 s-2), das Volt (V) für die
elektrische Spannung (V = kg m2 s-3 A-1) oder das Hertz (Hz) für die Frequenz (Hz = s-1). Die in
Deutschland gesetzlich zugelassenen Namen abgeleiteter Einheiten finden sich in /11/.
Für die meisten physikalischen Größen gibt es etablierte Symbole bzw. Formelzeichen (z.B. F für die
Kraft, ω für die Kreisfrequenz, U für die elektrische Spannung usw.), von denen man nicht ohne
wichtigen Grund abweichen sollte. Eine Liste dieser Symbole enthält /7/.
Die Symbole physikalischer Größen, also z.B. F, ω und U werden kursiv gesetzt, die zugehörigen
Einheiten, im Beispiel N, Hz und V, dagegen gerade. Man schreibt also z.B. F / N, ω / Hz und U / V.
Zwischen den Zahlenwert der physikalischen Größe und die Einheit wird ein Leerzeichen gesetzt, also
z.B. F = 1,5 N oder U = 5 V.
Im Text verwendete Symbole physikalischer Größen müssen grundsätzlich definiert werden. Es muss
also z. B. heißen: „...das elektrische Feld E ist durch die Spannung U und den Abstand d gegeben; es
gilt: E = U/d “.
Bei der Anfertigung von Schaltskizzen sollte man sich an die Vorgaben des Deutschen Instituts für
Normen (DIN) halten, die auch in den Versuchsanleitungen angewendet werden. Kopien der entsprechenden DIN-Normen 7 befinden sich im Bücherschrank.
Für eine Reihe von Berechnungen benötigt man die Zahlenwerte physikalischer Konstanten. Derzeitige
Bestwerte dieser Konstanten findet man in /9/, eine Auswahl davon auf der hinteren Umschlagseite
dieses Skriptes.
Zu jeder Tabelle und jeder Abbildung muss es einen Hinweis im laufenden Text des Protokolls geben
(siehe Hinweise unter Punkt 7 und 8 in Kap. 4.2). Beispiele: „Den prinzipiellen Versuchsaufbau zeigt
Abb. 2“ oder „Die Messwerte sind in Tab. 3 aufgelistet und in Abb. 6 grafisch dargestellt“.
Werden Grafiken, Tabellen oder Textpassagen aus fremden Quellen (einschließlich Internetseiten!) in
das Protokoll übernommen, so muss die Quelle korrekt zitiert werden. Wird beispielsweise eine
Abbildung aus dem Skript zum Modul Grundpraktikum Physik, Teil I übernommen, muss am Ende
der Abbildungsbeschriftung der Hinweis „(aus /1/)“ erfolgen. Am Ende des Protokolls wird dann
angefügt:
Literatur
/1/ Skript zum Grundpraktikum Physik, Teil I, CvO Universität Oldenburg, Institut für Physik, Oktober 2016
Bei Verwendung von Quellen aus dem Internet muss die Internetadresse in Form der URL (Uniform
Resource Locator) und das Datum der Seitenabfrage angegeben werden8, also z.B.:
/2/ Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB): „Fragen zur Zeit“, URL:
http://www.ptb.de/cms/themenrundgaenge/wegweiser/fragenzurzeit.html, Stand: 24.09.2014
Protokolle, die Grafiken, Tabellen oder Textpassagen aus fremden Quellen enthalten, ohne dass die
Quellen zitiert werden, sind Fälschungen und werden mit mangelhaft bewertet. In diesem Zusammenhang
wird nachdrücklich auf die Publikation „Gute wissenschaftliche Praxis“ der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg hingewiesen 9 sowie auf einen Artikel in der ZEIT 10.
Beim Einsatz von Textverarbeitungssoftware für die Erstellung eines Protokolls gilt als oberster Grundsatz:
ein Protokoll lebt in erster Linie von seinem Inhalt und seiner Struktur und nicht von seiner äußeren Form.
Handschriftliche Protokolle oder mit Hand eingesetzte Formeln sind, solange sie lesbar bleiben, prinzipiell
7
8
9
10
Z.B. DIN EN 60617: „Grafische Symbole für Schaltpläne“; siehe auch Text „Zum Aufbau elektrischer Schaltungen…“.in
diesem Skript.
Für alle URL-Angaben in diesem Skript gilt das Datum 24.09.2014 wenn nicht anders vermerkt.
http://www.uni-oldenburg.de/fileadmin/user_upload/physik/ag/physikpraktika/download/Faltblatt_GWP.pdf
„Suchmaschine gegen den Gedankenklau – Universitäten rüsten sich gegen Plagiatoren - und verhängen schwere Strafen.“ DIE
ZEIT, 08.02.07; http://zeus.zeit.de/text/2007/07/B-Plagiatskontrolle.
10
ausreichend, aber es macht Sinn sich schon frühzeitig an das Schreiben mit einem Computer unter
Verwendung gängiger Software zu gewöhnen. Insbesondere für das gemeinsame Bearbeiten eines
Protokolls gibt es kostenlose Online-Möglichkeiten 11, die sinnvoll innerhalb einer Gruppenarbeit eingesetzt
werden können.
Zu guter Letzt noch eine eiserne Regel zum Thema Protokolle:
Der jeweils nächste Versuch kann erst durchgeführt werden, wenn das Protokoll vom vorherigen Versuch
abgegeben wurde.
5
Literatur
Jede Versuchsanleitung enthält eine eigene Literaturliste, in der die Bücher aufgelistet sind, die für die
Vorbereitung auf die einzelnen Versuche besonders nützlich sind. Zum generellen Gebrauch im Praktikum
sind
folgende
Bücher
empfehlenswert
(siehe
auch
http://www.unioldenburg.de/physik/lehre/praktika/literatur/ ) 12:
/1/ Eichler, H. J., Kronfeldt, H.-D., Sahm, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag,
Berlin u.a.
/2/ Geschke, D. [Hrsg.]: „Physikalisches Praktikum“, Teubner-Verlag, Stuttgart u.a.
/3/ Walcher, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner-Verlag, Stuttgart
/4/ Gerthsen, C. u.a.: „Physik“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
/5/ Stöcker, H.: „Taschenbuch der Physik“, Harri Deutsch, Frankfurt (steht auf den Computern im
Grundpraktikum auch als HTML-Version zur Verfügung)
/6/ Bronstein, I. N., Semendjajew, K. A.; Musiol, G.; Mühling, H.: „Taschenbuch der Mathematik“, Verlag Harri
Deutsch, Frankfurt (steht auf den Computern im Grundpraktikum auch als HTML-Version zur Verfügung)
Als Tabellenwerke zum Nachschlagen von Zahlenwerten physikalischer Größen sind besonders geeignet:
/7/ Lide, D. R. [Hrsg.]: „CRC Handbook of Chemistry and Physics”, CRC Press, Boca Raton (steht auf den
Computern im Grundpraktikum auch als PDF-Version zur Verfügung)
/8/ Madelung, O. [Hrsg.]: „Landolt-Börnstein: Zahlenwerte und Funktionen aus Naturwissenschaften und
Technik“, Springer-Verlag, Berlin u.a.
Derzeitige Bestwerte physikalischer Konstanten (Auswahl s. hintere Umschlagseite dieses Skriptes) findet
man in:
/9/ Peter J. Mohr; David B. Nevell; Barry N. Taylor: "CODATA Recommended Values of the Fundamental
Physical Constants: 2014", arXiv: 1507.07956v1 [physics.atom-ph] 21 Jul 2015.
Siehe auch: http://arxiv.org/pdf/1507.07956v1.pdf und http://physics.nist.gov/cuu/Constants/index.html.
Hinweise zur Abfassung wissenschaftlicher Manuskripte sowie eine Zusammenstellung der SI-Basiseinheiten und daraus abgeleiteter Einheiten enthält folgende Broschüre des „Bureau International des Poids et
Mesures (BIPM)“ 13:
/10/ Bureau International des Poids et Mesures: „The International System of Units (SI)“, 8th Edition, Paris, 2006.
(http://www.bipm.org/utils/common/pdf/si_brochure_8_en.pdf)
Eine Zusammenstellung der in Deutschland gesetzlich zugelassen Einheiten findet sich in:
/11/ Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB) [Hrg.]: „Die gesetzlichen Einheiten in Deutschland“, Faltblatt
2012, Braunschweig, 2012.
(https://www.ptb.de/cms/fileadmin/internet/presse_aktuelles/broschueren/intern_einheitensystem/Einheiten
_deutsch.pdf)), aufgerufen 21.07.2016.
11
12
13
Als Beispiel sei hier das „Cloud Computing“ erwähnt oder die Verwendung von Plattformen wie „Google Docs“, die ein
gemeinsames Bearbeiten eines Dokumentes wesentlich erleichtern (siehe auch https://www.google.de/intl/de/docs/about/)
Wegen z. T. häufiger Neuausgaben wird an dieser Stelle auf eine Angabe des Erscheinungsjahres verzichtet. Die
Erscheinungsdaten der aktuellen Ausgaben finden sich auf den Internetseiten des Grundpraktikums.
Das BIPM wurde am 20.05.1875 von 17 Staaten ins Leben gerufen, mittlerweile sind ihm 51 Staaten beigetreten. Aufgabe des
Büros ist die „weltweite Vereinheitlichung von Messungen“. Hauptsitz des Büros ist Paris, die offizielle Sprache des BIPM ist
französisch.
11
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Zum Aufbau elektrischer Schaltungen und zum Umgang mit
Netzgeräten, Vielfachmessgeräten und Funktionsgeneratoren
1
Einleitung
Studierende, die noch nie oder nur wenige Male selbstständig experimentiert haben, haben oftmals Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer Schaltungsskizze oder eines Blockschaltbildes in eine reale elektrische
Schaltung. Auch der Umgang mit Netzgeräten, Vielfach-Messgeräten und Funktionsgeneratoren bereitet
ihnen anfänglich Probleme. Deshalb wird hier eine kurze Einführung gegeben. Zunächst werden die
wichtigsten Funktionen der genannten Geräte erläutert. Im Laufe des Grundpraktikums werden sie noch
genauer behandelt. Anschließend werden einfache Schaltungsskizzen beschrieben und Fotos der zugehörigen realen Aufbauten gezeigt. Beim Aufbau einer der Schaltungen kommt ein Oszilloskop zum Einsatz,
dessen Funktionsweise und Betrieb in einem separaten Praktikumstermin ausführlich behandelt wird.
Details der Fotos lassen sich in der PDF-Version dieses Textes möglicherweise besser erkennen; siehe dazu
http://physikpraktika.uni-oldenburg.de/download/GPR/pdf/Schaltungen_Multimeter.pdf.
2
Netzgeräte
Für viele Versuchsaufbauten im Praktikum werden Gleichspannungen 1 (gelegentlich auch Gleichströme)
mit unterschiedlichen Höhen und Vorzeichen benötigt, wie z. B. + 10 V, - 12 V, + 5 V usw. Solche Spannungen können einem Netzgerät 2 entnommen werden. Netzgeräte werden auch als Stromversorgung oder
Spannungsversorgung bezeichnet.
Abb. 1 zeigt ein Netzgerät der Fa. PHYWE, das im Grundpraktikum zum Einsatz kommt. Es handelt sich
um ein Doppel-Netzgerät, da es über zwei separat einstellbare Ausgänge verfügt. Am linken Ausgang
können Spannungen zwischen 0 V und 15 V eingestellt werden, der Strom kann dort maximal 5 A betragen.
Am rechten Ausgang stehen Spannungen zwischen 0 V und 30 V zur Verfügung bei einem maximalen
Strom von 2,5 A.
Abb. 1:
Netzgerät vom Typ PHYWE. An beiden Ausgängen (jeweils blaue und rote Buchse) ist eine Spannung von
ca. 10 V eingestellt.
Mit den Drehknöpfen können die Spannung U und der Strom I eingestellt bzw. begrenzt werden. In den
meisten Fällen wird im Praktikum für den Betrieb eines Verbrauchers, z. B. eines Fotodetektors, eine
bestimmte Spannung benötigt. Diese Spannung wird zunächst ohne angeschlossenen Verbraucher mit dem
Drehknopf unter der Spannungsanzeige (V) eingestellt. Der eingestellte Wert wird an der Spannungsanzeige überprüft. Anschließend wird der zum selben Ausgang des Netzgeräts gehörende Knopf zur
Strombegrenzung an den rechten Anschlag gedreht. Dadurch wird erreicht, dass der später angeschlossene
Verbraucher dem Netzgerät so viel Strom entnehmen kann, wie zu seinem Betrieb benötigt wird.
1
2
Englisch DC voltage; DC bedeutet direct current (Gleichstrom).
Englisch Power Supply.
12
Jeder Ausgang des Netzgeräts verfügt über zwei Anschlussbuchsen für gewöhnliche Laborkabel. Das
Potential 3 an der blauen Buchse ist immer niedriger als das Potential an der roten Buchse. Vergleicht man
den Ausgang des Netzgeräts mit einer Batterie, so entspricht die blaue Buchse dem Kontakt mit der
Bezeichnung „-“ und die rote Buchse dem Kontakt mit der Bezeichnung „+“.
Das Vorzeichen der Spannung zwischen den beiden Anschlussbuchsen hängt ausschließlich vom gewählten
Bezugspunkt ab. Nehmen wir an, am Ausgang des Netzgerätes sei eine Spannung (Potentialdifferenz) von
10 V eingestellt. Wählen wir die rote Buchse als Bezugspunkt, so ist das Potential an der blauen Buchse
um 10 V niedriger. Von diesem Bezugspunkt aus betrachtet ist die Spannung also U = – 10 V. Wählen wir
dagegen die blaue Buchse als Bezugspunkt, so ist das Potential an der roten Buchse um 10 V höher. Von
diesem Bezugspunkt aus betrachtet ist die Spannung also U = + 10 V.
Abb. 2 verdeutlicht die Zusammenhänge anhand der Spannungsmessung mit zwei als Voltmeter betriebenen Vielfachmessgeräten (weiteres zu Vielfachmessgeräten in Kap. 4).
Abb. 2:
Zum Vorzeichen der Spannung aus einem Netzgerät. An dessen linkem Ausgang ist eine Spannung von
ca.10 V eingestellt. Das linke Multimeter (Typ FLUKE) zeigt eine Spannung von – 10,02 V an, das rechte
eine Spannung von + 10,01 V 4. Ursache: der Bezugspunkt für die Spannungsmessung (schwarze Buchse
COM am Multimeter) ist links mit der roten Buchse des Netzgerätes verbunden (an der das höhere Potential
liegt), rechts mit der blauen Buchse (an der das niedrigere Potential liegt).
Die gleichen Überlegungen gelten auch für eine Batterie. Eine Blockbatterie mit einer Spannung von 9 V
kann demnach, je nach Bezugspunkt, eine Spannung von + 9 V oder - 9 V liefern.
3
Funktionsgeneratoren
Funktionsgeneratoren (FG) dienen der Erzeugung von Wechselspannungen 5 mit unterschiedlichen Formen,
Amplituden und Frequenzen. Wahlweise können zu diesen Wechselspannungen Gleichspannungen
hinzuaddiert werden, man spricht dann von einem DC-Offset. Die gängigste Signalform am Ausgang eines
FG ist eine sinusförmige Wechselspannung U(t), die sich mathematisch wie folgt beschreiben lässt:
(1)=
U ( t ) U 0 sin (ω t ) + U DC
3
4
5
Das (elektrische) Potential ist eine auf einen festen Bezugspunkt bezogene Spannung. Ein Bezugspunkt kann z.B. die Erde
sein, gekennzeichnet mit den Symbolen
oder . Hierbei handelt es sich um einen Anschluss (s. Netzgerät in Abb. 2), der
elektrisch leitend mit der Erde verbunden ist. Dies kann man z. B. erreichen, indem man einen elektrischen Leiter in die Erde
eingräbt und über Kabel mit dem Anschluss verbindet. In Gebäuden findet die Erdung durch einen Fundamenterder statt, an
den über eine Potentialausgleichsschiene u.a. der Schutzleiter der Stromversorgung angeschlossen ist.
Die Abweichungen der angezeigten Spannungsbeträge um 0,01 V werden durch die beschränkte Messgenauigkeit der
Multimeter verursacht.
Englisch AC voltage; AC bedeutet alternating current (Wechselstrom).
13
Darin bedeuten:
t:
U0 :
Zeit
Amplitude
f
=
ω 2π
=
U DC :
2π
: Kreisfrequenz; f : Frequenz, T : Periodendauer
T
Gleichspannungsanteil (DC-Offset)
Abb. 3 zeigt eine solche Wechselspannung zusammen mit anderen typischen Ausgangsspannungen von
Funktionsgeneratoren.
In Abb. 4 sind die Frontansichten von zwei im Grundpraktikum eingesetzten Funktionsgeneratoren dargestellt. Über Schalter und Drehknöpfe werden die Form (Function: Sinus, Rechteck, Dreieck, Sägezahn),
die Frequenz (Freq), die Amplitude (Ampl) und der Gleichspannungsanteil (DC-Offset) des Signals
eingestellt. Auf weitere Einstellmöglichkeiten wird im späteren Verlauf des Praktikums eingegangen.
Die Ausgabe des Signals erfolgt jeweils über die Buchse Output. Hierbei handelt es sich um eine 2-polige
BNC-Buchse 6. Der Innenleiter einer solchen Buchse bildet den einen Pol, der äußere Kontakt den zweiten
Pol (weiteres dazu in Kap. 5.2).
U (t)
U (t)
U0
UDC
t
t
T
U (t)
U (t)
t
t
U (t)
U (t)
High
Low
t
Abb. 3:
6
7
t
Typische Ausgangssignale von Funktionsgeneratoren. Oben links: sinusförmige Wechselspannung ohne
DC-Offset. Oben rechts: dito mit DC-Offset. Mitte links: Dreieckspannung. Mitte rechts:
Sägezahnspannung. Unten links: Rechteckspannung. Unten rechts: TTL-Signal 7.
BNC ist ursprünglich ein Produktname der Fa. AMPHENOL und steht für „Bayonet NEILL CONCELMAN“
TTL ist die Abkürzung für Transistor-Transistor-Logik. Ein TTL-Signal ist ein Logiksignal, das nur zwei Spannungswerte U
annehmen kann: Low und High. Für ein Ausgangssignal eines Gerätes gilt: Zustand Low wenn 0 V ≤ U < 0,4 V, Zustand High
wenn 2,4 V < U ≤ 5,0 V. Für ein Eingangssignal in ein Gerät gilt: Low wenn 0 V ≤ U < 0,8 V, High wenn 2,0 V < U ≤ 5,0 V.
Hinweis: Das Signal an der Buchse TTL-OUT des FG TOELLNER 7401 entspricht dieser Norm nicht.
14
Abb. 4:
Frontansichten von zwei im Praktikum eingesetzten Funktionsgeneratoren. Oben: AGILENT 33120A, unten:
TOELLNER 7401. Beim FG TOELLNER ist die Frequenz f des Ausgangssignals das Produkt aus dem am
Schalter FREQ RANGE eingestellten Wert (hier 100 Hz) und dem am Drehknopf FREQUENCY
eingestellten Multiplikator (hier 1). Bei der dargestellten Einstellung ist also f = 1 × 100 Hz = 100 Hz.
4
Vielfachmessgeräte
Vielfachmessgeräte 8 (Abb. 5) können, wie der Name sagt, je nach Schalterstellung zur Messung
verschiedener elektrischer Größen eingesetzt werden. Die wichtigsten davon sind (angegeben mit typischen
Bezeichnungen auf den Wahlschaltern der Geräte):
Gleichspannung:
Wechselspannung:
Gleichstrom:
Wechselstrom:
Widerstand:
Kapazität:
8
V , DC V
V ∼, AC V
A , DC A
A ∼, AC A
Ω
Englisch: Multimeter. Diese Bezeichnung wird auch im Deutschen verwendet.
15
Abb. 5:
Frontansichten von sechs im Praktikum eingesetzten Multimetern. Oben v. l. n. r.: MONACOR DMT-3010,
ABB METRAWATT M2012, FLUKE 112, AGILENT U1251B. Mitte: KONTRON DMM 3021. Unten: AGILENT
34405A.
Bei Messung von Wechselspannungen oder Wechselströmen (AC-Messungen) zeigen die Messgeräte
jeweils den Effektivwert (Index „eff“) an. Der Effektivwert einer Wechselgröße ist derjenige Wert, den eine
Gleichgröße haben müsste, um an einem ohmschen Verbraucher die gleiche elektrische Leistung
umzusetzen. Für sinusförmige Signale ohne DC-Offset gilt folgender Zusammenhang zwischen Effektivwert und Amplitude (Index „0“):
=
U eff
(2)
=
I eff
T
1
U0
2
T
1
I0
2
1
=
U 2 ( t ) dt
∫
T 0
1 2
=
I ( t ) dt
T ∫0
Die Spannung des Stromnetzes in Deutschland hat beispielsweise einen Effektivwert von Ueff ≈ 230 V.
Dieser Wert ist auf den Typenschildern von Elektrogeräten angegeben. 9 Die zugehörige Amplitude der
Netzspannung ist also
U 0 ≈ 2 × U eff = 2 × 230 V ≈ 325 V
9
Häufig findet sich auf den Typenschildern noch der veraltete Wert von 220 V.
16
Bei AC-Messungen erhält man nur für Signale mit Frequenzen innerhalb eines bestimmten Intervalls einen
korrekten Messwert für den Effektivwert. Außerdem muss die Signalform (Sinus, Dreieck, Rechteck usw.)
bei der Interpretation des Messwertes beachtet werden. Detaillierte Informationen dazu findet man in den
Handbüchern der Geräte.
Vor der Benutzung eines Vielfachmessgerätes muss die zu messende Größe am Wahlschalter eingestellt
werden. Erst danach dürfen die Kabel mit den Eingangsbuchsen verbunden werden.
Die Eingangsbuchse, deren Potential bei Spannungsmessungen das Bezugspotential bildet, wird je nach
Hersteller unterschiedlich bezeichnet. Die gängigsten Bezeichnungen sind:
Bezugspotential:
COM, COMMON, LO, LOW, 0, ⊥
Die Farbe dieser Buchse ist in der Regel schwarz.
Die zweite Buchse, an die bei Spannungsmessungen das Vergleichspotential gelegt wird, trägt gelegentlich
die Bezeichnungen:
Vergleichspotential:
HI, HIGH, +
Häufig sind dort jedoch nur die Einheiten der zu messenden Größen angegeben, wie z. B.: V, Ω usw. Die
Farbe dieser Buchse ist in der Regel rot.
Für Strommessungen wird neben der COM-Buchse eine andere Buchse als für Spannungs- und Widerstandsmessungen benutzt. Diese Buchse, ebenfalls oftmals rot, trägt dann die Beschriftung:
Strommessung:
mA, A
Für hohe Stromstärken bis z. B. 10 A gibt es oftmals separate Anschlussbuchsen.
Bei den im Grundpraktikum eingesetzten Multimetern handelt es sich um Digital-Multimeter. Diese Geräte
bieten eine Anzeigegenauigkeit, die durch die Zahl der in der Anzeige vorhandenen Stellen (Digits 10)
festgelegt ist. Die Stelle ganz links kann dabei üblicherweise nur eine 0 oder eine 1 anzeigen, man zählt sie
deshalb als halbe Stelle. Beispielsweise ist das Gerät vom Typ AGILENT U1251B ein 4 ½-stelliges
Multimeter, das vom Typ AGILENT 34405A ein 5 ½ -stelliges. Das bedeutet: Die erste Stelle kann nur 0
oder 1 anzeigen, die übrigen 4 oder 5 Stellen die Ziffern 0 – 9.
Neben dem eigentlichen Messwert (Zahlenwert) erscheinen bei manchen Geräten weitere Angaben auf der
Anzeige, wie z. B. die Einheit der gemessenen Größe (mA, A, mV,…), der Signaltyp (AC, DC), der
Messbereich (100 mV, 100 Ω,…) usw.
Bei Widerstandsmessungen liefert ein Multimeter intern einen konstanten Teststrom IT, der von der roten
Buchse durch den zu messenden Widerstand zur schwarzen Buchse fließt. Durch interne Messung der
Spannung U über dem Widerstand R ergibt sich dann der Anzeigewert zu R = U / IT. Der Teststrom muss
möglichst klein sein, um eine Erwärmung des Widerstandes zu vermeiden. Einzelheiten zu Widerstandsmessungen werden im Versuch „Messung ohmscher Widerstände …“ behandelt.
Bei Kapazitätsmessungen wird der Kondensator mit einem konstanten Ladestrom IL geladen. Durch Messung der Spannung U über dem Kondensator zu zwei Zeitpunkten t1 und t2 kann die Kapazität C bestimmt
werden. Einzelheiten zu Kapazitätsmessungen werden im Versuch „Messung von Kapazitäten …“ behandelt.
5
Exemplarische Schaltungen
5.1
Spannungsteiler
Abb. 6 zeigt das Schaltbild eines Spannungsteilers mit den Widerständen R1 und R2, die an eine Gleichspannungsquelle (Netzgerät) mit der Klemmenspannung U angeschlossen sind. Die verwendeten Schaltsymbole
werden in Kap. 6 erläutert. Mit einem Amperemeter A wird der Strom durch die Widerstände gemessen,
mit dem Voltmeter V die Spannung über dem Widerstand R2.
10
Digit (engl.) = Ziffer.
17
Abb. 7 zeigt ein Foto des realen Aufbaus. Als Widerstände kommen Widerstandsdekaden zum Einsatz, an
denen mit Hilfe von Schiebeschaltern die gewünschten Widerstandswerte eingestellt werden können (rechts
R1 = (100 + 10) Ω, links R2 = 200 Ω; Genauigkeit jeweils ± 1 %). Zur Strom- und Spannungsmessung
werden Multimeter eingesetzt. Die elektrische Verbindung zwischen den Geräten und Komponenten wird
mit gewöhnlichen einadrigen Laborkabeln realisiert (blaue und rote Kabel in Abb. 7), die an ihren Enden
mit Laborsteckern versehen sind. Die Geräte und Komponenten selber verfügen über Laborbuchsen, die
zu diesen Laborsteckern passen.
Ist U = 4,8 V die am Netzgerät eingestellte Spannung, so fließt durch die Widerstände ein Strom I von
U
=
R
=
I
(3)
4,8 V
≈ 15,5 mA
(110 + 200 ) Ω
Dieser Wert wird auf der Anzeige des Amperemeters erwartet. Tatsächlich zeigt das Amperemeter einen
Wert von 15,38 mA an. Die Abweichung wird durch die eingeschränkte Genauigkeit der Widerstände aus
der Widerstandsdekade, der Spannungseinstellung am Netzgerät und des Messgerätes selber verursacht.
Die Spannung U teilt sich auf die Widerstände im Verhältnis
U1 R1 110 Ω
= =
= 0,55
U 2 R2 200 Ω
(4)
auf. Mit
U
= U1 + U 2
(5)
folgt dann durch Kombination von Gl. (4) und (5) für U2:
(6)
=
U2
U
4,8 V
=
≈ 3,10 V
R1
1,55
1+
R2
Tatsächlich zeigt das Voltmeter einen Wert von – 3,04 V an. Die Abweichung des Zahlenwertes ist wieder
auf die eingeschränkten Genauigkeiten von R1, R2, U und des Messgerätes zurückzuführen. Das negative
Vorzeichen rührt daher, dass die COM-Buchse des Messgerätes mit dem höheren Potential am Widerstand
R2 (rote Leitung) verbunden ist.
=U
A
R2
R1
V
Abb. 6:
Blockschaltbild eines Spannungsteilers mit den Widerständen R1 und
Gleichspannungsquelle
mit
R 2,
Klemmenspannung U, Voltmeter V
und Amperemeter A.
Abb. 7:
Realer Aufbau der Schaltung nach Abb. 6. Am
Netzgerät ist eine Spannung von ca. 4,8 V
eingestellt.
18
5.2
Funktionsgenerator und Oszilloskop
Abb. 8 zeigt ein Blockschaltbild mit einem Funktionsgenerator FG, der eine sinusförmige Wechselspannung U~ mit einstellbarer Amplitude und Frequenz liefert (z. B. 2 V, 1 kHz). An den Ausgang des Funktionsgenerators wird ein Lastwiderstand R (z. B. 1 kΩ) gelegt. Die Ausgangsspannung des FG bei dieser
Belastung wird mit einem Oszilloskop OS gemessen 11. Abb. 9 zeigt ein Foto des realen Aufbaus.
Zur elektrischen Verbindung des Funktionsgenerators mit dem Oszilloskop (Abb. 11) und dem Widerstand
(Widerstandsdekade) kommen in diesem Fall Koaxialkabel zum Einsatz, die im Laufe des Praktikums noch
ausführlicher behandelt werden. Diese Kabel (Abb. 10) verfügen über einen Innenleiter und einen
Außenleiter, es handelt sich also um zweiadrige Kabel. Zwischen Innen- und Außenleiter befindet sich ein
Isolator, der Außenleiter ist von einem Kunststoffmantel umgeben. An den Enden der Kabel befinden sich
BNC-Stecker. Der innere Stift des Steckers ist mit dem Innenleiter, der äußere Metallkörper mit dem
Außenleiter des Kabels verbunden. Die Stecker werden mit einem Bajonettverschluss an die zugehörigen
BNC-Buchsen von Geräten wie Funktionsgenerator oder Oszilloskop angeschlossen.
Um Komponenten wie z. B. Widerstandsdekaden an Koaxialkabel anschließen zu können, gibt es zwei
Varianten. Entweder werden Kabel verwendet, die an einer Seite über einen BNC-Stecker und an der
anderen Seite über zwei gewöhnliche Laborstecker verfügen (Abb. 9, Verbindung von FG und R), oder
man benutzt ein geeignetes Adapterstück (Abb. 10). Mit Hilfe von BNC-T-Stücken (Abb. 10) kann ein
Signal gleichzeitig an zwei Koaxialkabel gelegt werden (in Abb. 9 das Ausgangssignal des FG).
FG
Abb. 8:
U~
R
OS
Blockschaltbild
eines
Funktionsgenerators FG mit Ausgangs-Wechselspannung U~, Lastwiderstand R und
Oszilloskop OS zur Spannungsmessung.
Mantel
Außenleiter
(Geflecht)
Abb. 9: Realer Aufbau der Schaltung nach Abb. 8.
Isolierung
Innenleiter
Abb. 10: Oben links: Koaxialkabel schematisch, oben rechts: Koaxialkabel mit BNC-Stecker, unten v. l. n. r.: TStück für Koaxialkabel mit BNC-Steckern, Verbindungsstück für Koaxialkabel mit BNC-Steckern,
Adapterstück für den Übergang BNC-Stecker → Laborbuchse.
11
Einzelheiten zum Oszilloskop werden im Versuch „Oszilloskop und Funktionsgenerator“ behandelt.
19
Abb. 11: Frontansichten von zwei im Praktikum eingesetzten Oszilloskopen. Oben: Digital-Oszilloskop TEKTRONIX
TDS 210, Unten: Digital-Oszilloskp TEKTRONIX TDS 1012B.
6
Anhang
Auswahl von Schaltsymbolen nach DIN EN 60617:
Spannungsquelle
Widerstand
Stromquelle
Kondensator
V
Voltmeter
Spule
A
Amperemeter
Leitungskreuzung mit Verbindung
Erde
Leitungskreuzung ohne Verbindung
Masse
Anschlussbuchse
20
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Mechanische Messwerkzeuge
1
Bügelmessschraube
Eine Bügelmessschraube (Abb. 1) dient zur Messung des Außenmaßes eines Körpers mit einer Genauigkeit
von 0,01 mm. Der Körper (blau in Abb. 1) wird zwischen den starren Amboss und die verschiebbare
Messspindel positioniert. Die Messtrommel wird im Uhrzeigersinn gedreht, bis zwischen Messspindel und
Körper noch ein kleiner Spalt besteht. Anschließend wird die Messspindel durch Drehen der Ratsche im
Uhrzeigersinn weiter vorgeschoben, bis sie den Körper berührt. Die Ratsche sorgt dafür, dass die
Messspindel nur mit einem definierten Drehmoment gegen den Körper gedrückt wird, um dessen Stauchung zwischen Amboss und Messspindel zu vermeiden (Prinzip des Drehmomentschlüssels). Die
Ablesung des Messwertes ist in Abb. 1 erläutert 1.
Abb. 1: Bügelmessschraube 2. Auf der Messhülse (Skalenstriche vertikal) wird der Messwert bis auf einen halben
Millimeter genau abgelesen (untere Teilstriche: ganze Millimeter, obere Teilstriche: halbe Millimeter).
Dies ist der Skalenwert, der links neben der Messtrommel gerade noch zu erkennen ist. Auf der
Messtrommel (Skalenstriche horizontal) werden die hundertstel Millimeter abgelesen. Abgelesen wird der
Wert, der auf der horizontalen Achse der Messhülse liegt. Gemessen wird in diesem Beispiel die Dicke des
blauen Quaders. Der angezeigte Messwert beträgt 20,22 mm.
2
Messschieber
Ein Messschieber (Abb. 2) dient zur Messung eines Außen-, Innen- oder Tiefenmaßes eines Körpers mit
einer Genauigkeit von 0,1 mm oder 0,05 mm. Zur Messung eines Außenmaßes wird der Körper (blau in
Abb. 2) zwischen den starren linken und den beweglichen rechten Außenmessschenkel gehalten und der
bewegliche Schenkel soweit nach links geschoben, bis beide Schenkel den Körper berühren. Zur Messung
eines Innenmaßes wird der Körper zwischen die Innenmessschenkel gehalten und der bewegliche Schenkel
soweit nach rechts geschoben, bis beide Schenkel den Körper berühren. Zur Messung eines Tiefenmaßes,
z.B. der Tiefe eines Bohrloches, wird der bewegliche Schenkel soweit nach rechts geschoben, bis die
Tiefenmessschiene auf den Boden der Bohrung aufstößt und die Messschiene auf dem Rand der Bohrung
aufliegt. Die Ablesung des Messwertes ist in Abb. 2 und Abb. 3 erläutert 3.
1
Siehe auch http://www.messmittelonline.de/Buegelmessschraube/seite1.htm
2
Abbildung nach http://www.messmittelonline.de/
Siehe auch http://www.messmittelonline.de/Messschieber/seite1.htm
3
21
Abb. 2:
Messschieber2 zur Messung von Außenmaßen (Beispiel: blauer Quader), Innenmaßen und Tiefenmaßen.
Auf der Messschiene werden die ganzen Millimeter abgelesen (nächster Skalenwert links neben der „0“
des Nonius, hier 75 mm). Auf dem Nonius erfolgt die Ablesung des Nachkommawertes (Abb. 3).
Abb. 3:
Vergrößerte Darstellung des Nonius aus Abb. 2. Im abgebildeten Modell beträgt die Messgenauigkeit
0,05 mm. Zur Ablesung des Nachkommawertes wird der Teilstrich auf dem Nonius gesucht, der mit einem
Teilstrich auf der Messschiene auf einer Linie liegt. Im Beispiel ist das bei 0,75 mm der Fall. Der
zusammengesetzte Messwert für den blauen Quader aus Abb. 2 beträgt demnach 75,75 mm.
22
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Einsatz der Computer im Grundpraktikum Physik
1
Zum Umgang mit den Computern im Grundpraktikum
Die Computer im Grundpraktikum können und sollen von den Studierenden für alle Aufgaben genutzt
werden, die im Zusammenhang mit den Praktikumsversuchen stehen. Eine kurze Einführung in ihre Benutzung wird während des ersten Praktikumstermins gegeben. Studierenden ohne ausreichende Kenntnisse im
Umgang mit Computern wird empfohlen, möglichst bald an entsprechenden Kursen teilzunehmen
(Windows, Textverarbeitung (Word oder LaTeX), Tabellenkalkulation (Excel), Präsentation
(Powerpoint), eine Programmiersprache).
1.1
Anmelden am Computer
Die Computer im Grundpraktikum (Betriebssystem Windows 7) sind Teil (Clients) der WindowsDomäne gpr. Zur Anmeldung ist die Angabe eines Benutzernamens, des zugehörigen Passworts und die
Auswahl der Domäne erforderlich. Der Benutzername ist gprnn 1, wobei „nn“ für die Nummer der Praktikumsgruppe laut Veranstaltungsverzeichnis steht (01, 02, 03, ...), also z. B. gpr01, gpr02,…. Das Passwort
wird vor Ort mitgeteilt. Der Domänenname ist gpr.
1.2
Arbeitsverzeichnis auf den PCs im Praktikum und im Hochschulnetz
Auf den Computern steht nach dem Anmelden das Arbeitsverzeichnis (Laufwerk) O:\ zur Verfügung. Im
Windows-Explorer (Dateimanager) erscheint dieses Arbeitsverzeichnis unter dem Eintrag
gprnn (\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de\gprdaten$) (O:).
Es handelt sich dabei um ein Verzeichnis auf dem Server gpr00 der Domäne gpr. Jedes 2er-Team (also
z. B. Müller und Meier) legt dort bei der ersten Anmeldung sein eigenes Unterverzeichnis an. Als Verzeichnisname werden die Nachnamen gewählt, also z. B. O:\Mueller_Meier.
 Eigene Daten dürfen nur in diesem persönlichen Verzeichnis gespeichert werden!
In diesem Verzeichnis muss im Laufe des Semesters eine Struktur mit Unterordnern angelegt werden, in
denen später die Daten zu einzelnen Versuchen abgelegt werden, also:
o
O:\Mueller_Meier
o Uebungen_Origin
o Oszilloskop
o Fehlerrechnung
o Widerstaende
o Kapazitaeten
o …
Vermeiden Sie Umlaute und Leerzeichen in den Namen von Ordnern und Dokumenten. Dadurch verhindern Sie, dass es zu Problemen kommt, wenn Sie auf ein anderes Betriebssystem wechseln.
Alle Mitglieder einer Praktikumsgruppe „nn“ haben im gesamten Verzeichnis O:\ die Berechtigung zum
Lesen und Schreiben und damit auch zum Löschen von Daten. Dauerhafte Datensicherheit kann also nicht
gewährleistet werden. Um persönliche Daten dauerhaft zu sichern, sollten sie deshalb auf einem eigenen
USB-Speicherstick oder in einem persönlichen Verzeichnis im Hochschulnetz gespeichert werden. Ein
solches Verzeichnis wird von der Abteilung IT-Dienste 2 der Universität für alle Studierenden automatisch
1
2
Für Studierende der Umweltwissenschaften sind die Benutzernamen uwibnn (Modul Physik I) oder uwiann (Modul Phys. II).
http://www.uni-oldenburg.de/itdienste/
23
angelegt. Näheres dazu erfährt man bei der Abteilung IT-Dienste und über die Person, die die Computer
im CIP-Raum 3 des Instituts für Physik betreut.
1.3
Laufwerksverknüpfungen
Nach dem Anmelden an einem PC im Grundpraktikum stehen neben dem Arbeitsverzeichnis (O:) zwei
weitere voreingestellte Laufwerksverknüpfungen zur Verfügung:
P:
Q:
Lexika$ (\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de)
MatlabSkripte$ (\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de)
Unter P: finden sich Lexika und Handbücher, die durch Klick auf die Dateien index.html oder
start.htm oder start.bat geöffnet werden können. Eine Liste der verfügbaren Lexika und Handbücher ist unter http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/literatur/ zu finden.
Unter Q: sind Matlab-Skripte abgelegt, die im Laufe des Praktikums benötigt werden. Einzelheiten dazu
sind den entsprechenden Versuchsanleitungen zu entnehmen.
1.4
Drucker im Praktikum
Im Grundpraktikum steht ein Netzwerkdrucker (HP LaserJet 4300 PS, schwarz/weiß) zur Verfügung.
Der Drucker kann zum Ausdruck der Dokumente genutzt werden, die im Rahmen des Grundpraktikums
erstellt werden.
1.5
Verbindung mit O: vom CIP-Raum aus
Wenn von einem PC im CIP-Raum aus auf das Arbeitsverzeichnis O: im Grundpraktikum zugegriffen
werden soll, muss dort beim ersten Mal eine Laufwerksverknüpfung zu O: hergestellt werden. Dazu wie
folgt vorgehen (hier exemplarisch beschrieben für den Benutzernamen gpr01):
Rechter Mausklick auf Start → Windows Explorer → Extras (obere Menüleiste 4) → Netzwerklaufwerk
verbinden. Alternativ: Rechtsklick auf → Computer → Netzwerklaufwerk verbinden.
Im erscheinenden Fenster eintragen:
o
o
o
o
o
o
1.6
Laufwerk:
O:
Pfad:
\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de\gprdaten$\gpr01
Haken setzen unter „Verbindung bei Anmeldung wieder herstellen“
Haken setzen unter „Verbindung mit anderen Anmeldeinformationen herstellen“
Fertig stellen
Benutzername: gpr\gpr01
Passwort:
s. 1.1.
Haken setzen unter „Anmeldedaten speichern“
Verbindung mit dem Drucker im Praktikum vom CIP-Raum aus
Um vom CIP-Raum aus den Drucker im Praktikum nutzen zu können, muss er am CIP-Arbeitsplatz einmal
der Druckerliste hinzugefügt werden. Dazu sind folgende Schritte nötig (hier exemplarisch für den Nutzer
gpr01):
o
o
o
o
o
3
4
Start → Geräte und Drucker
Drucker hinzufügen
Einen Netzwerkdrucker … hinzufügen
Klick auf „Der gesuchte Drucker ist nicht aufgeführt“
Haken setzen bei „Freigegebene Drucker über den Namen auswählen“
Im CIP-Raum des Instituts für Physik (W2 2-249) stehen den Studierenden mehrere Computer zur Verfügung. Einzelheiten
dazu unter http://www.uni-oldenburg.de/physik/cip/.
Sollte die Menüzeile nicht sichtbar sein: → Organisieren → Layout → Menüleiste.
24
o
o
1.7
Im Feld eintragen:
\\gpr00.gpr.physik.uni-oldenburg.de\HP LaserJet 4300 PS
(drei Leerzeichen im Druckernamen beachten!)
Benutzername: gpr\gpr01
Passwort:
s. 1.1.
Schutz vor Computer-Viren
Die Studierenden im Grundpraktikum können für die Sicherung ihrer eigenen Daten USB-Speichersticks
verwenden. Dabei ist sicherzustellen, dass keine Computer-Viren auf die PCs übertragen werden. Im
Zweifelsfall muss der Datenträger vor Verwendung mit der Antivirensoftware Sophos überprüft werden.
2
Auswahl der zur Verfügung stehenden Software
Neben den Windows-Standardprogrammen sind übliche Programme zur Textverarbeitung (Word), zur
Tabellenkalkulation (Excel), zur Präsentation (Powerpoint) und Internetbrowser (Firefox) auf den
Computern im Grundpraktikum verfügbar. Darüber hinaus stehen die Programme Origin und Matlab
zur Verfügung. Sie sind für die Datenaufnahme, Datenanalyse und Datenvisualisierung sowie für allgemeine Funktionsberechnungen und Darstellungen von Funktionsgraphen besonders geeignet und im technisch-wissenschaftlichen Bereich weit verbreitet. Beide Programme sind auch auf den Computern im CIPRaum des Instituts für Physik verfügbar. Eine Nutzung auf dem eigenen PC ist ebenfalls möglich.
Informationen dazu finden sich hier:
http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/origin/ (Origin)
http://www.uni-oldenburg.de/physik/lehre/praktika/matlab/ (Matlab).
Die folgenden Kurzanleitungen können und sollen keine Handbücher ersetzen, sondern lediglich Einstiegshinweise geben, die für die Lösung der jeweiligen exemplarischen Aufgaben ausreichend sind.
Weitere Hinweise werden vor Ort gegeben. Bei den folgenden Beschreibungen wird vorausgesetzt, dass
grundlegende Kenntnisse im Umgang mit Windows-Programmen vorhanden sind.
3
Origin
Das Programm Origin (Version 2016) wird im Praktikum eingesetzt, um Messdaten in Tabellen einzugeben, Berechnungen mit den Daten durchzuführen, grafische Darstellungen der Daten zu erzeugen,
Parameter von Ausgleichsgeraden durch Messwerte zu berechnen (lineare Regression) und nichtlineare
Funktionsfits durchzuführen. Die in Kap. 3.3.3 beschriebenen Punkte werden erst im späteren Verlauf des
Praktikums benötigt. Es wird daher empfohlen, zu gegebener Zeit erneut einen Blick in diesen Text zu
werfen. 5
3.1
Start von Origin, Grundeinstellungen
Nach dem Start von Origin erscheint eine Bildschirmoberfläche ähnlich wie in Abb. 1 dargestellt. Die
Anzahl und die Position geöffneter Fenster und Symbolleisten hängen von den persönlichen Einstellungen
ab. Über
→ Ansicht
bzw.
→ Ansicht → Symbolleisten
lassen sich die Einstellungen den individuellen Bedürfnissen anpassen. 6
5
6
Weitere Unterlagen zu Origin (Getting Started, Tutorials, Help,…) finden sich im Download-Bereich der Seite
http://www.originlab.com/.
Die Lage einer Symbolleiste (oben, unten, seitlich) kann, wie bei Windows-Programmen üblich, verändert werden, indem die
Symbolleiste bei gedrückter linker Maustaste an die gewünschte Position gezogen wird.
25
In dem Startfenster erscheint, ähnlich wie beim Programm EXCEL, ein Fenster mit einem leeren Arbeitsblatt (Sheet1) einer Arbeitsmappe (Book1). In dieses Arbeitsblatt werden die Messdaten eingetragen, aus
denen anschließend Diagramme erzeugt werden. Möglicherweise werden später weitere Arbeitsblätter und
Diagramme, Notizen, Berechnungen usw. ergänzt. All diese Daten werden von Origin zu einem Projekt
zusammengefasst, das als Ganzes in einer Datei mit der Endung .opj (origin project) abgespeichert wird:
→ Datei → Projekt speichern.
Das in Abb. 1 unten dargestellte Fenster des Projekt-Explorers enthält eine Übersicht aller zu einem Projekt
gehörenden Daten. Es lässt sich wie folgt sichtbar machen:
→ Ansicht → Projekt Explorer
Die Lage und Größe des Fensters kann wie üblich eingestellt werden.
Über das Menü
→ Hilfe → Sprache ändern
→ Help → Change Language
bzw.
kann zwischen der deutschen und englischen Sprachversion von Origin umgeschaltet werden.
Abb. 1: Ausschnitt der Bildschirmoberfläche nach dem Starten des Programms Origin(Version 2016).
3.2
Einstellung des Dezimalzeichens
Version 2016 von Origin erlaubt die Umschaltung zwischen einer deutschen und englischen Sprachversion. Dadurch kann es zu Mehrdeutigkeiten bei der Interpretation des Dezimaltrennzeichens (Dezimalkomma bzw. Dezimalpunkt) kommen, die u.U. zu scheinbar unerklärlichen Fehlern führen. Um solche
26
Probleme zu vermeiden, dürfen bei Verwendung von Origin nicht die Regions- und Sprachoptionen aus
Windows übernommen werden, sondern es muss explizit der Dezimalpunkt als Trennzeichen eingestellt
werden. Diese Einstellung erfolgt gem. Abb. 2 über
→ Hilfsmittel → Optionen → Zahlenformat → Trennzeichen→ 1,000.0
Trennzeichen für ASCII-Import→ 1,000.0
Der Punkt in der Angabe 1,000.0 ist das Dezimaltrennzeichen, das Komma nur eine visuelle Hilfe zur
Hervorhebung von Tausender-Blöcken (englische Notation).
Abb. 2:
3.3
Einstellung des Dezimalpunktes als Dezimaltrennzeichen.
Beispielaufgaben
Kap. 3.3.3 widmet sich der linearen Regression. Es kann zunächst übersprungen werden. Es wird bei der
Behandlung der „Fehler- und Ausgleichsrechnung“ benötigt.
3.3.1
Grafische Darstellung von Messdaten
Ziel: Eingabe von X-Werten (X), einem dazugehörigen Satz von Y-Werten (Y1), Fehlern zu diesen
Y1-Werten (FY1) und einem zweiten Satz von Y-Werten (Y2) zu denselben X-Werten. Anschließend
grafische Darstellung dieser Werte inkl. Fehlerbalken für die Y1-Werte.
(1)
(2)
(3)
7
Nach dem Start von Origin erscheint die Oberfläche eines neuen Projektes (Abb. 1). Auf der
Projektoberfläche ist ein Arbeitsblatt (Worksheet) der Arbeitsmappe Book1 geöffnet, in das die Daten
eingegeben werden können (analog zu einer Excel-Tabelle).
Statt manueller Eingabe in das Arbeitsblatt können Daten auch aus Dateien mit fremden Formaten
(Excel, ASCII,...) importiert oder per cut&paste eingefügt werden.
Die Arbeitsblatt-Tabelle hat zunächst 2 Spalten 7: A(X) und B(Y), wobei A und B die Bezeichnungen
der Spalten sind und die Buchstaben in Klammern angeben, ob es sich um Abszissen-Werte (X) oder
Ordinaten-Werte (Y) handelt. Weitere Spalten für die Fehlerangabe zu Y (FY1) und den zweiten
Datensatz mit Y-Werten (Y2) erhält man durch: → Spalte → Spalten hinzufügen.
englisch column, in Origin abgekürzt mit col.
27
(4)
Die Dateneingabe erfolgt unter Verwendung des Dezimalpunktes (s. Kap. 3.2). In den gelb unterlegten Zellen der Zeile Langname wird die Beschriftung für die Daten der jeweiligen Spalte
eingetragen. Abb. 3 (links) zeigt das Arbeitsblatt nach Eintrag der Daten.
Abb. 3:
(5)
Origin-Arbeitsblatt in der Arbeitsmappe Book1 nach Eintrag der Daten (links) und nach Festlegung des
Datentyps in den Spalten (rechts).
Zur Erstellung eines Diagramms aus den eingegebenen Daten ist festzulegen, welche Spalte welchen
Datentyp enthält. Dazu jeweils die gesamte Spalte markieren (Mausklick auf den Kopf der Spalte),
dann rechter Mausklick, danach → Setzen Als. Zur Auswahl stehen:
→
→
→
→
Als X setzen
Als Y setzen
Y-Fehlerbalken
X-Fehlerbalken.
Durch diese Festlegung ändert sich die Spaltenbeschriftung gem. Abb. 3 (rechts): C(yEr±) 8 bedeutet z. B., dass in Spalte C Y-Fehlerwerte stehen.
(6) Anschließend die Spalten mit den zu zeichnenden Daten markieren. Da hier alle Daten gezeichnet
werden sollen, müssen alle Spalten markiert werden. Danach → Zeichnen → Symbol
→ Punktdiagramm. Durch Wahl von Punktdiagramm werden nur Datenpunkte gezeichnet,
ohne Verbindungslinien, die in der Regel physikalisch unsinnig sind.
(7) Das Diagramm wird in ein neues Fenster (Graph1) gezeichnet, das damit zum aktiven Fenster wird.
Dadurch ergeben sich z.T. andere Einstellungen in der Hauptmenüleiste (Abb. 4), als wenn das
Arbeitsblatt das aktive Fenster ist (Abb. 1).
(8) Die Symbole für die Datenpunkte lassen sich nach Doppelklick auf die Symbole ändern. Im sich
öffnenden Fenster muss zunächst unter → Gruppe → Modus Bearbeiten der Wert Unabhängig eingestellt werden. Danach können unter → Symbole diverse Eigenschaften (Größe,
Form, Farbe) für die einzelnen Datensätze unabhängig voneinander eingestellt werden. Es wird
empfohlen, möglichst offene statt gefüllter Symbole zu verwenden, da dadurch z. B. kleine Fehlerbalken besser erkannt werden können.
(9) Alle Textfenster in einem Diagramm sind nach Anklicken frei verschiebbar.
(10) Die Achsenbeschriftung, die Achsenskalierung, die Art der Achse (linear, logarithmisch, ...), Gitterlinien usw. lassen sich über ein Fenster einstellen, das sich nach einem Doppelklick auf die
entsprechende Achse öffnet.
(11) Funktionsgraphen können einem Diagramm wie folgt hinzugefügt werden: Klick auf das Diagrammfenster, das dadurch zum aktiven Fenster wird. Dann → Grafik → Funktionsgraph hinzufügen. Im sich öffnenden Fenster kann die Funktion eingeben werden.
8
„Er“ von „error“ (Fehler).
28
Abb. 4:
Origin-Fenster nach Zeichnen eines Diagramms (Graph1). Die Fehler zu den Y1-Werten (schwarze
Kreise) werden als Fehlerbalken (rote Linien) dargestellt.
3.3.2
Berechnungen mit Tabellendaten
Berechnungen mit den eingegebenen Daten können wie folgt durchgeführt werden: Arbeitsblatt durch
Anklicken zum aktiven Fenster machen, dann eine leere Spalte (in den folgenden Beispielen E, F oder G)
markieren, anschließend
→ Spalte → Spaltenwerte errechnen
In das nun erscheinende obere Textfenster (Abb. 5 links) wird die gewünschte Rechenoperation eingetragen.
1. Beispiel: In Spalte E soll das (elementweise) Produkt der Spalten A und B erscheinen. In das Textfenster trägt man demnach col(A)*col(B) ein (Abb. 5 links), anschließend → OK.
Abb. 5:
Textfenster zum Eintrag von Rechenoperationen (links) und zusätzliches Skriptfenster (rechts, unten) zur
Definition von Parametern.
29
Häufig müssen Berechnungen durchgeführt werden, bei denen neben den Zahlenwerten aus einzelnen
Spalten auch Zahlenwerte physikalischer Größen wie z.B. die Erdbeschleunigung g, ein Widerstand R, eine
Kapazität C usw. benötigt werden. Dann ist es praktisch, wenn diese Zahlenwerte einmal definiert
(festgelegt) werden können und für alle späteren Berechnungen innerhalb desselben Projektes zur Verfügung stehen. Solche Definitionen können in einem Skriptfenster vorgenommen werden. Dazu wird dieses
Fenster zunächst durch Klick auf den nach unten gerichteten Doppelpfeil (Abb. 5 links, unten rechts)
sichtbar gemacht. Danach trägt man im unteren Skriptfenster (Abb. 5 rechts) die gewünschten Definitionen
ein. Jede Definition wird mit einem Semikolon und der Eingabetaste abgeschlossen. Dazu folgendes
Beispiel:
2. Beispiel: In Spalte F soll die Differenz aus dem Produkt der Spalten A und B, dividiert durch Spalte C,
und der Erdbeschleunigung g erscheinen, die im Skriptfenster mit g=9.8133 definiert wird. Der
Eintrag im Textfenster muss dann lauten: col(A)*col(B)/col(C) - g, → OK.
3. Beispiel: In Spalte G soll der Sinus von der Differenz der Werte in den Spalten B und A erscheinen.
Der Eintrag im Textfenster muss dann lauten: sin(col(B)-col(A)), → OK.
3.3.3
Lineare Regression
Eine lineare Regression („linearer Fit“), d. h. die Berechnung einer Ausgleichsgeraden y = a + bx durch
Datenpunkte, die in einem Diagramm dargestellt wurden, wird wie folgt durchgeführt: Klick auf das Diagrammfenster, das dadurch zum aktiven Fenster wird. Anschließend Klick auf einen Datenpunkt, der zu
dem Datensatz gehört, für den eine Ausgleichsgerade berechnet werden soll (hier ein Punkt aus dem
Datensatz (X,Y1)). Danach → Analyse → Anpassen → Linearer Fit 9. Es öffnet sich ein
Fenster Lineare Anpassung, in dem eine Vielzahl von Parametern eingestellt werden kann. Nur die
Wichtigsten werden hier erwähnt:
(1) Der Wert im Fenster Neu berechnen sollte auf Auto gesetzt werden. Dadurch erfolgt eine
automatische Neuberechnung aller Parameter der linearen Regression nach Änderung von Daten.
(2) Im Feld Fit Steuerung → Fehler als Gewichtung → Keine Gewichtung (vorerst).
(3) Für eine Berechnung der Steigung b und des Ordinatenabschnitts a der Ausgleichsgeraden im Feld Fit
Steuerung keine Haken setzen.
Hinweis:
Für eine Berechnung nur der Steigung b der Ausgleichsgeraden (wenn der Ordinatenabschnitt a fest
vorgegeben ist): Haken bei Fester Schnittpunkt mit der Y-Achse setzen, Ordinatenabschnitt a festlegen. Für eine Berechnung nur des Ordinatenabschnitts a der Ausgleichsgeraden (wenn
also die Steigung der Geraden fest vorgegeben ist): Haken bei Feste Steigung setzen, Steigungswert b festlegen.
(4) Im Feld Angepasstes Kurvendiagramm unter → X-Datentyp → Bereich die Einstellung Ausweiten auf gesamten Achsenbereich wählen. Die übrigen Einstellungen können
beibehalten werden.
(5) Nach Klick auf OK wird der lineare Fit durchgeführt. Im Diagrammfenster erscheinen die Ausgleichsgerade und eine Tabelle mit den Ergebnissen des linearen Fits (Abb. 6). Nach Doppelklick auf die
Tabelle kann sie, wie üblich, den eigenen Bedürfnissen angepasst werden.
9
Wenn bereits einmal ein linearer Fit durchgeführt wurde, muss gewählt werden, ob alte Einstellungen übernommen werden
sollen, oder ob ein neues Dialogfenster geöffnet werden soll.
30
Abb. 6: Origin-Diagrammfenster nach Durchführung eines linearen Fits durch die X/Y1-Wertepaare.
(6) Nach Durchführung des linearen Fits werden in der Arbeitsmappe Book1 automatisch zwei weitere
Arbeitsblätter ergänzt, in denen die Ergebnisse des linearen Fits (Blatt FitLinear1) und eine Wertetabelle zu der Ausgleichsgeraden (Blatt FitLinearCurves1) ausgegeben werden (Abb. 7).
Abb. 7:
Origin-Arbeitsmappe nach Durchführung eines linearen Fits.
(7) Neben den Größen a und/oder b werden im Ergebnisfenster die Zahl N der für den Fit benutzten Datenpunkte (Wertepaare) und der Korrelationskoeffizient R ausgegeben. Die übrigen Parameter sind im
Grundpraktikum vorerst unbedeutend.
Andere Verfahren zur Berechnung von Ausgleichskurven („Fit“) durch Datenpunkte, z. B. nichtlineare
Funktionsfits, wie sie unter → Analyse → Anpassen zur Verfügung stehen, werden im Grundpraktikum erst später benötigt. Auf sie wird zu gegebener Zeit eingegangen.
31
3.3.4
Lineare Regression in logarithmischen Diagrammen
Durch Logarithmierung lassen sich bestimmte nichtlineare Zusammenhänge linearisieren. Beispielsweise
wird aus dem Exponentialzusammenhang
y = a eb x
durch Anwendung des natürlichen Logarithmus (Basis e)
ln=
y ln a + b x
Trägt man also in einem halblogarithmischen Diagramm y über x auf (Ordinate logarithmisch), so ergibt
sich eine lineare Darstellung: eine Gerade mit der Steigung b und dem Ordinatenabschnitt ln a.
Ebenso wird aus dem Potenzgesetz
y = a xb
durch Logarithmieren (Basis 10)
log
=
y log a + b log x
Trägt man demnach in einem doppeltlogarithmischen Diagramm y über x auf (Ordinate und Abszisse
logarithmisch), so ergibt sich ebenfalls eine lineare Darstellung: eine Gerade mit der Steigung b und dem
Ordinatenabschnitt log a.
Für eine lineare Regression durch derart linearisierte Daten muss unter → Analyse → Anpassen
→ Linearer Fit unter Fit Optionen der Haken bei Scheinbarer Fit gesetzt werden. Der
Fit erfolgt dann durch die linearisierten Daten, wie sie im Diagramm erscheinen.
4
Matlab
Das Programm Matlab wird im Praktikum eingesetzt, um Zahlenwerte mathematischer Funktionen zu
berechnen und grafisch darzustellen, Berechnungen mit vektoriellen Größen durchzuführen (z. B. beim
Versuch „Impuls- und Energieerhaltungssatz“) und Messdaten über geeignete Hardware in den Computer
einzulesen und darzustellen. Dies stellt nur einen sehr bescheidenen Ausschnitt der vielfältigen Möglichkeiten dar, die Matlab bietet, der für die Arbeit im Grundpraktikum jedoch zunächst ausreichend ist. 10
Die folgenden Bemerkungen sind wichtig, um die Lösung der Aufgabe aus Kap. 4.1 verstehen zu können.
Matlab steht für matrix laboratory. Damit wird deutlich, dass Matlab ein Werkzeug zur Rechnung mit
Matrizen (zur Matrizenalgebra) ist. Eine Matrix besteht aus m × n Zahlen, die in einem zweidimensionalen
Schema mit m Zeilen und n Spalten angeordnet sind; man spricht auch von einer (m,n) Matrix (Abb. 8). Im
einfachsten Fall ist m = n = 1, die Matrix enthält dann nur ein Element und stellt somit nur eine einzelne
Zahl (einen Skalar) dar. Im nächst einfachen Fall enthält die Matrix nur eine Zeile oder nur eine Spalte, sie
stellt dann einen Zeilen- oder Spaltenvektor dar.
10
Eine Kurzanleitung für Matlab („Primer“) ist zu finden unter:
http://www.mathworks.com/access/helpdesk/help/pdf_doc/matlab/getstart.pdf
32
a
Abb. 8:
a b c
a
b
c
a b c
d e f
g h i
V. l. n. r: schematische Darstellung von Skalar, Zeilenvektor mit 3 Komponenten, Spaltenvektor mit 3
Komponenten, Matrix mit 3 × 3 Elementen.
In einer Programmiersprache stellen üblicherweise z. B. A und B zwei Variablen dar, die jeweils eine Zahl
repräsentieren und deren Produkt C = A × B eine neue Zahl C ergibt. In Matlab dagegen stellen die
Variablen A und B im Allgemeinen Matrizen dar, deren Produkt A × B eine neue Matrix C ergibt. Sollen
demnach z. B. zwei Zeilenvektoren A = [1 2 3] und B = [4 5 6] elementweise miteinander multipliziert
werden, um den Zeilenvektor C = [1×4 2×5 3×6] zu erzeugen, so darf man in Matlab nicht schreiben
C = A × B. Das ergäbe nach den Gesetzen der Matrizenalgebra auch keinen Sinn, denn es lassen sich nur
Matrizen miteinander multiplizieren, bei denen die Spaltenzahl der ersten Matrix mit der Zeilenzahl der
zweiten identisch ist. Für eine elementweise Multiplikation muss man vielmehr schreiben: C = A . × B. Aus
dem Operator „ד wird also der Operator „ . ד, wenn elementweise Multiplikation gemeint ist, die im
genannten Beispiel zu dem Ergebnis C = [4 10 18] führt. Analog dazu gibt es die Operatoren für die
elementweise Division („ ./“) und das elementweise Potenzieren („ .^“).
Dazu ein einfaches Beispiel. Für die x-Werte 1, 2, 3, 4 sollen die Funktionen
=
y1 sin(
=
x)
und
y2 x sin( x)
berechnet werden. Dazu schreibt man die x-Werte zunächst in einen Zeilenvektor x. In Matlab-Syntax
lautet der entsprechende Befehl:
x = [1, 2, 3, 4]
Mit Hilfe von
y1 = sin(x)
wird aus dem Zeilenvektor x der Zeilenvektor y1 berechnet, der vier Funktionswerte für die vier x-Werte
enthält:
y1 = 0.8415
0.9093
0.1411
-0.7568
Für die Berechnung der Funktion y2 schreibt man:
y2 = x .* y1
oder direkt
y2 = x .* sin(x)
Der Punkt vor dem Multiplikationszeichen (*) sorgt dafür, dass eine elementweise Multiplikation der
Zeilenvektoren x und y1 bzw. x und sin(x) stattfindet und das Ergebnis einen neuen Zeilenvektor y2
mit ebenfalls vier Elementen ergibt:
y2 = 0.8415
1.8186
0.4234
-3.0272
Alles Weitere im Umgang mit Matlab ist „learning by doing“, wie aus der Lösung der folgenden Aufgabe
hoffentlich deutlich wird.
4.1
Exemplarische Aufgabe
Zeichnen Sie ein Spannungssignal U als Funktion der Zeit t, das eine gedämpfte harmonische Schwingung
darstellt:
(1)=
U (t ) U 0 sin (ω t + ϕ ) e −α t
33
mit der Amplitude U0 = 2 V, der Kreisfrequenz ω = 2π f, der Frequenz f = 0,5 Hz, der Anfangsphase
ϕ = π/5 und der Dämpfungskonstanten α = 1/(4T ) (T = 2π/ω ist die Periodendauer der Schwingung) im
Zeitbereich zwischen t = 0 s und t = 15 s.
4.2
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
Hinweise zur Lösung
Starten des Programms durch Doppelklick auf das Matlab-Icon.
Nach dem Start erscheint ein Fenster gem. Abb. 9. Sollte das Startfenster anders aussehen, kann es
durch → Layout → Default in die Form aus Abb. 9 gebracht werden.
Das Fenster enthält in der Mitte das „Command Window“, in das Matlab-Befehle direkt eingegeben werden können. Rechts oben erscheint das Fenster „Workspace“, in dem alle benutzen Variablen
aufgelistet werden. In dem darunter liegenden Fenster „Command History“ erscheinen alle Befehle,
die in das „Command Windows“ eingegeben wurden. Das linke Fenster „Current Folder“ zeigt den
Inhalt des aktuellen Arbeitsverzeichnisses an, das in der Pfad-Zeile ausgewählt wurde.
Statt Matlab-Befehle direkt in das „Command Window“ einzugeben, ist es praktischer, sie
zunächst in eine Textdatei, das so genannte „m-File“ (oder „Matlab-Script-File“, Endung „.m“) zu
schreiben. Durch → New Script öffnet sich das Fenster des Matlab Editors, in das die Befehle zur
Lösung der Aufgabe eingetragen werden können. Abb. 10 zeigt das Editor-Fenster mit diesen
Befehlen und zusätzlichen Kommentaren.
Nach Ende der Eingabe erfolgt ein Klick auf das Symbol (Save and Run) in der "Toolbar-Zeile"
des Editor-Fensters. Das m-File wird dadurch zunächst unter einem einzugebenden Namen, z. B.
O:\Mueller_Meier\Uebungen_Matlab\Gedaempfte_Schwingung.m
gespeichert. Anschließend werden die Befehle aus dem Script-File Gedaempfte_Schwingung.m
nacheinander ausgeführt. In diesem Beispiel wird die gesuchte Funktion berechnet und in einem
separaten Fenster „Figure 1“ grafisch dargestellt (Abb. 11).
Abb. 9: Bildschirmoberfläche nach Starten des Programms Matlab.
34
Abb. 10: Matlab Editor Fenster mit Befehlen für das Berechnen und Zeichnen der Funktion aus Gl. (1).
Abb. 11: Grafische Darstellung der Funktion aus Gl. (1) im „Figure“ Fenster. Auf die kursive Darstellung der
physikalischen Größen U und t wird in diesem Beispiel verzichtet.
35
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Fehler- und Ausgleichsrechnung
Stichworte:
Messgröße, Messwert, Messergebnis, Messunsicherheit, systematische und zufällige Fehler, absolute
und relative Fehler, Häufigkeitsverteilung, Dichtefunktion, Gaußkurve, Mittelwert, Standardabweichung, Varianz, mittlerer quadratischer Fehler, Größtfehler, Fehlerfortpflanzungsgesetz, lineare
Regression.
Literatur:
/1/ BIPM 1: „Evaluation of measurement data — Guide to the expression of uncertainty in measurement” (GUM),
2008
http://www.bipm.org/utils/common/documents/jcgm/JCGM_100_2008_E.pdf
/2/ DIN 1319-3 2: „Grundlagen der Messtechnik - Teil 3: Auswertung von Messungen einer einzelnen Messgröße,
Messunsicherheit“, 1996
/3/ DIN 1319-4: „Grundlagen der Messtechnik - Teil 4: Auswertung von Messungen, Messunsicherheit“, 1999
/4/ NIST 3 Technical Note 1297: „Guidelines for Evaluating and Expressing the Uncertainty of NIST
Measurement Results”, 1994 (http://physics.nist.gov/Pubs/guidelines/TN1297/tn1297s.pdf)
/5/ TAYLOR, J. R.: „Fehleranalyse“, VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim
/6/ YOUNG, H. D.: „Statistical Treatment of Experimental Data“, McGraw-Hill, New York u.a.
1
Einleitung
In einem Hörsaal wird ein Experiment zur Bestimmung der Erdbeschleunigung g durchgeführt. Eine Kugel
wird in einem Magnethalter gehalten. Nach dem Einschalten des Magneten fällt die Kugel und trifft auf
eine Plattform. Für das Durchfallen der Strecke s benötigt sie die Zeit t. Durch Messung der Messgrößen s
und t lässt sich die Messgröße g bestimmen:
(1)
g=
2s
t2
Die Apparatur sei so gebaut, dass beim Loslassen der Kugel und beim Auftreffen auf die Plattform jeweils
ein Lichtblitz ausgelöst wird. Der Zeit t zwischen den beiden Lichtblitzen wird von den Studierenden im
Hörsaal mit einer Stoppuhr gemessen. Niemand wird erwarten, dass alle die gleiche Zeit messen. Die
einzelnen Messwerte werden voneinander abweichen. Das liegt zum einen an der individuellen
Reaktionsfähigkeit der Studierenden, zum anderen an Gang- oder Kalibrierunterschieden zwischen den
einzelnen Stoppuhren. Ebenso kommt es zu unterschiedlichen Messwerten, wenn mehrere Personen die
Strecke s messen, denn das Anlegen und Ablesen des Maßstabs wird individuell unterschiedlich sein. Hinzu
kommt, dass der Maßstab selbst nur eine begrenzte Kalibriergenauigkeit aufweist.
Daraus ergeben sich folgende Fragen:
(1)
(2)
(3)
Welche Werte sollen für s und t zur Berechnung von g in Gl. (1) eingesetzt werden?
Wie berücksichtigt man die Tatsache, dass die einzelnen Messwerte für s und t voneinander abweichen und dass die Messgeräte nur über eine begrenzte Genauigkeit verfügen?
Wie verlässlich ist der Wert für g, den man aus den Messwerten errechnet?
Die Antworten auf diese Fragen lauten:
1
2
3
BIPM: Bureau International des Poids et Mesures
DIN: Deutsches Institut für Normung e.V.
NIST: National Institute of Standards and Technology des United States Department of Commerce - Technology
Administration.
36
Zu (1): Aus den einzelnen Messwerten muss nach festgelegten Regeln jeweils ein Messergebnis für s und
t ausgerechnet werden. Die Messergebnisse für s und t werden in Gl. (1) eingesetzt und liefern ein
Messergebnis für g.
Zu (2): Zu den Messergebnissen für s und t müssen nach festgelegten Regeln Messunsicherheiten
ausgerechnet werden. Diese Messunsicherheiten liefern ein statistisches Maß für die Abweichungen der einzelnen Messwerte voneinander. Sie sind so bemessen, dass eine weitere Messung von s
oder t mit einer definierten Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis liefert, das jeweils innerhalb des
Intervalls Messergebnis ± Messunsicherheit liegt.
Zu (3): Aus den Messergebnissen und Messunsicherheiten für s und t muss nach festgelegten Regeln eine
Messunsicherheit für g ausgerechnet werden. Eine weitere Messung von g nach dem gleichen
Messverfahren wird dann mit einer definierten Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis liefern, das
innerhalb des Intervalls Messergebnis ± Messunsicherheit liegt. Beide Größen zusammen bilden
schließlich das vollständige Messergebnis für die Messung der Größe g.
Die oben erwähnten Regeln haben internationale Gültigkeit. Sie sind für alle denkbaren Anwendungen in
etlichen Normen und Anleitungen sehr ausführlich beschrieben (siehe z.B. /1/ - /4/). Darüber hinaus gibt es
eine Reihe von umfangreichen Büchern, die sich diesem Thema widmen (z.B. /5/und /6/). Es würde den
Rahmen dieser Anleitung sprengen, wenn diese Regeln hier im Detail wieder gegeben würden. Wir werden
uns deshalb darauf beschränken, einige Grundlagen darzustellen und das Handwerkszeug bereitzustellen,
das im Praktikum für die Berechnung von Messergebnissen und Messunsicherheiten benötigt wird.
2
Direkte und indirekte Messung
Im betrachteten Beispiel lassen sich die Messgrößen s und t direkt messen, nämlich mit einem Maßstab und
einer Stoppuhr. Man spricht in einem solchen Fall von einem direkten Messverfahren. Die Messgröße g
wird in dem Beispiel indirekt gemessen, nämlich über den Umweg der Messung von s und t, aus deren
Messergebnissen ein Messergebnis für g gewonnen wird. In einem solchen Fall spricht man von einem
indirekten Messverfahren.
3
Hinweis zur Nomenklatur
Nach /2/ soll im Kontext der Messung einer Messgröße von Messergebnis und Messunsicherheit gesprochen werden. Im physikalischen Alltag hat sich dies jedoch bislang wenig durchgesetzt. Vielmehr wird statt
des Begriffs Messunsicherheit vielfach der Begriff Fehler verwendet. Deshalb ist auch eher von
Fehlerrechnung die Rede, als von Berechnung von Messunsicherheiten. Oder von Fehlerbalken statt von
Balken der Messunsicherheit. Wir werden in diesem Text beide Begriffe, Fehler und Messunsicherheit,
verwenden.
4
Mögliche Fehlerarten
4.1
Systematische Fehler
Systematische Fehler entstehen bei einer Messung z.B. durch unvollkommene Messgeräte, durch unvermeidbare Umwelteinflüsse auf die Messung oder auch durch Wahl eines ungeeigneten Messverfahrens.
Wir wollen dies an einigen Beispielen aus dem Praktikum verdeutlichen:
(1) Unvollkommene Messgeräte: Hierzu zählen z.B. ein Oszilloskop mit dejustierter Zeitablenkeinheit,
ein Vielfachmessgerät mit Nullpunktfehler, eine dejustierte elektronische Waage, usw. Das Unangenehme an diesen Mängeln ist, dass man sie zum Teil während der Messung nicht erkennt. Im Gegenteil:
der abgelesene Messwert (z.B. 27,5 µs, 147 Ω, 5,389 g) täuscht die Genauigkeit vor, die man von
Geräten dieses Typs erwartet. Es besteht also eigentlich kein Grund, das Ergebnis zu bezweifeln.
(2) Einfluss der Umwelt: Ein Beispiel dafür ist die Temperaturabhängigkeit von Messgeräten. In der
Regel sind diese Abhängigkeiten quantitativ bekannt. Man kann sie dann den Gerätehandbüchern
entnehmen und bei der Auswertung der Messung berücksichtigen.
37
(3) Ungeeignete Messverfahren: Wenn man die Masse eines Magneten mit einer elektronischen Waage
bestimmen will, merkt man schnell, dass das Messergebnis offensichtlich unsinnig ist. Da das Magnetfeld auf die Mechanik der Waage einwirkt, ist das Messverfahren ungeeignet; man muss eine andere
Waage benutzen. Erheblich schwieriger ist es beispielsweise zu beurteilen, ob der innerhalb einer
elektrischen Schaltung gemessene Strom in unzulässiger Weise durch die Beschaltung und den
Innenwiderstand des Messgeräts beeinflusst wird. Hier sieht man dem Messergebnis nicht auf den
ersten Blick an, ob es „richtig“ oder „falsch“ ist. Man kann sich also i.Allg. nicht darauf verlassen, dass
man schon merkt, wenn man das falsche Messverfahren einsetzt. Vielmehr muss bereits bei der
Planung des Experiments gründlich überlegt werden, welches Messverfahren geeignet ist.
Systematische Fehler lassen sich niemals völlig ausschließen. Sie beeinflussen das Messergebnis in einer
ganz bestimmten Art und Weise - hinter den Fehlern steckt „System“. Das bedeutet insbesondere, dass man
den Einfluss dieser Fehler auf das Messergebnis auch durch häufige Wiederholung der Messung nicht
verringern kann. Ist jedoch das Ausmaß des systematischen Fehlers bekannt (z.B. der Nullpunktfehler eines
Ohmmeters, der Temperaturgang eines Verstärkers oder der Kalibrierfehler eines Drucksensors), kann man
ihn bei der Angabe des Messergebnisses berücksichtigen.
4.2
Zufällige Fehler
Zufällige Fehler beeinflussen das Ergebnis einer Messung auf eine unvorhersehbare und unkontrollierbare,
eben auf rein zufällige Art und Weise. Ursachen für zufällige Fehler, wie sie im Praktikum auftreten,
können z.B. sein:
(1) Die Zufälligkeit, mit der ein Naturprozess abläuft, wie z.B. der radioaktive Zerfall oder die Emission
von Photonen aus einer Lichtquelle. Sie führt z.B. dazu, dass die während einer Messzeit t gemessene
Anzahl von Ereignissen zufällig schwankt.
(2) Die Stoppuhr, die je nach Reaktionszeit mal zu früh, mal zu spät gedrückt wird.
(3) Der Maßstab oder der Messschieber, an dem mal ein zu großer, mal ein zu kleiner Wert abgelesen
wird.
(4) Das elektronische Rauschen eines Messverstärkers, das zu Schwankungen der Ausgangsspannung
führt.
Zufällige Fehler führen immer dazu, dass das Messergebnis mal in der einen, mal in der anderen Richtung
vom „wahren“ Wert abweicht (zum Begriff des „wahren“ Wertes siehe Kap. 5). Wird die Messung mehrmals wiederholt, halten sich die Abweichungen in beiden Richtungen die Waage. Wäre das nicht der Fall,
so wären die beobachteten Fehler nicht rein zufällig.
Die Konsequenzen aus dieser Aussage lassen sich so zusammenfassen: liegen keine Erfahrungen mit einem
bestimmten Messverfahren vor, so sagt ein einziger Messwert im Prinzip gar nichts aus. Der Messwert
kann zufällig mehr oder weniger stark nach oben oder unten vom „wahren“ Wert abweichen. Erst durch
häufige Wiederholung der Messung oder aufgrund zurückliegender Erfahrungen mit dem Messverfahren
bekommt man ein Gefühl dafür, um welchen Wert herum einzelne Messwerte schwanken und man kann
beurteilen, welche Aussagekraft in einem solchen Messwert steckt. In den nächsten Kapiteln werden diese
Zusammenhänge quantitativ mit Hilfe von Formeln beschrieben.
5
Die Häufigkeitsverteilung von Messwerten
Wir wollen annehmen, dass eine Messgröße, etwa die Zeit t, die ein Körper braucht, um von A nach B zu
gelangen, N-mal gemessen wurde 4. Es liegen also N Messwerte vor, die nach den Gesetzen des Zufalls
voneinander abweichen. Die Frage ist: welche dieser Messwerte kommen dem „wahren“ Wert am nächsten?
Um diese Frage zu beantworten, muss man untersuchen, ob bestimmte Messwerte deutlich häufiger vorkommen als andere, und wenn ja welche. Denn man darf mit Recht erwarten, dass es diese häufigsten, d.h.
4
Die folgenden Überlegungen gelten gleichermaßen für jede physikalische Messgröße. Die Größe t (Zeit) dient hier
nur als Beispiel.
38
wahrscheinlichsten Messwerte sind, die dem „wahren“ Wert am nächsten kommen. Man teilt deshalb die
N Messwerte, die im Bereich zwischen tmin und tmax liegen, in j Klassen mit der Klassenbreite ∆t ein und
ordnet der Klasse i (i = 1, 2,..., j) den Messwertbereich
(2)
tmin + ( i − 1) ∆t ≤ t < tmin + i∆t
zu 5. Jeder Klasse i wird eine Zeit ti zugeordnet, die der Mitte des jeweiligen Zeitintervalls entspricht. Nun
wird für jede Klasse i die Zahl der Messwerte pro ∆t, n(ti), die in dieser Klasse liegen, in Form eines Balkens
über der zugehörigen Zeit ti aufgetragen. Man erhält auf diese Weise ein Balkendiagramm, dem man
entnehmen kann, wie häufig die einzelnen Messwerte vorgekommen sind (Abb. 1).
Abb. 1:
Häufigkeitskurve von Messwerten.
Die Breite eines Zeitintervalls
(Balkens) ist ∆t.
Abb. 2:
Häufigkeitskurve (Dichtefunktion) der
Gauß- oder Normalverteilung (Gaußkurve).
Die Einhüllende dieses Diagramms, n(ti), heißt Häufigkeitskurve der Messwerte. Entsprechend ihrer
Definition ist der Flächeninhalt unter der Häufigkeitskurve immer gleich der Gesamtzahl der Messwerte N.
Frage 1:
- Welche Einheit hat die Größe n(ti) im gewählten Beispiel? Wie lautet die (sehr einfache!) Beziehung
zwischen der Messwerthäufigkeit pro ∆t, n(ti), und der Zahl der Messwerte in einer Klasse, m(ti)?
- Wie lautet die Gleichung zur Berechnung von N aus der Häufigkeitskurve n(ti)?
Die Erfahrung lehrt, und die auf CARL FRIEDRICH GAUß (Abb. 3) zurückgehende Theorie kann das begründen, dass für N → ∞ und ∆t → 0 (und damit ti → t) die Häufigkeitskurve n(t) für Messwerte, die
unabhängig voneinander gewonnen wurden und die mit zufälligen Fehlern behaftet sind, eine ganz charakteristische Form hat: Die Form einer Gaußschen Glockenkurve oder kurz Gaußkurve (Abb. 2). Man
spricht dann auch davon, dass die Messwerte gaußverteilt oder normalverteilt seien.
Abb. 3: CARL FRIEDRICH GAUß (1777 - 1855) 6
5
6
Dazu ein Beispiel: Die Messwerte mögen im Bereich zwischen tmin = 20,4 s und tmax = 22,3 s liegen, die Ablesegenauigkeit der
Uhr betrage 0,1 s. Die Messwerte werden daher in insgesamt j = (22,3 - 20,4)/0,1 = 19 Klassen eingeteilt, die jeweils ein
Zeitintervall von ∆t = 0,1 s Breite repräsentieren.
Bildquelle: GELLERT, W. et al. [Eds.]: „Kleine Enzyklopädie Mathematik“, VEB Bibliographisches Institut, Leipzig, 1969.
39
Der Flächeninhalt unter der Gaußkurve ist wiederum gleich der Gesamtzahl der Messwerte N. Es ist jedoch
üblich, ihn auf den Wert 1 zu normieren. Wie weiter unten noch erläutert wird, bringt man damit zum
Ausdruck, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Messwert im gesamten Wertebereich von -∞ bis +∞ zu
finden, gleich 1 ist 7.
Der Verlauf der auf den Flächeninhalt 1 normierten Gaußkurve ist gegeben durch:
(3)
1
n (t ) =
e
σ 2π
−
( t − t )2
∞
2σ 2
mit
∫
n(t )dt = 1
−∞
wobei t der Mittelwert und σ die Standardabweichung der Gaußkurve ist. Das Quadrat der Standardabweichung, σ 2, heißt Varianz. An den Stellen t = t ± σ hat die Gaußkurve ihre Wendepunkte. Die Größen
t und σ haben große praktische Bedeutung:
- Der Mittelwert t ist der Wert, bei dem n(t) ein Maximum hat. Dieser Wert würde also bei einer Messreihe mit unendlich vielen Einzelmessungen am häufigsten vorkommen. Er stellt somit das wahrscheinlichste Ergebnis der Messung dar. Mit anderen Worten: eine Messreihe liefert nie einen wahren, sondern
immer nur einen wahrscheinlichsten Wert.
- Die Standardabweichung σ ist ein Maß für die Streuung der Messwerte um den Mittelwert t . Je größer
die Streuung, je größer also σ, desto breiter wird die Häufigkeitskurve (bei gleich bleibendem Flächeninhalt), umso weniger deutlich hebt sich also ein Messwert von den übrigen ab.
Frage 2:
- Berechnen und zeichnen Sie mit Hilfe von Matlab n(t) gem. Gl. (3) im Zeitintervall
121,5 s ≤ t ≤ 123,5 s für t = 122,5 s sowie a) σ = 0,1 s und b) σ = 0,2 s. Stellen Sie beide Kurven in
einem Diagramm dar (Matlab-Befehl hold on). Gl. (3) lautet in Matlab-Notation:
n = (1/(sigma*sqrt(2*pi)))*exp(- ((t - t_quer).^2)/(2*sigma^2))
Wir wollen nun so tun, als ob wir unser Experiment so durchgeführt hätten, dass die Bedingungen N → ∞
und ∆t → 0 annähernd erfüllt waren, dass also die Häufigkeitskurve für die Messwerte näherungsweise
durch eine Gaußkurve gem. Gl. (3) gegeben ist. Dann kann man durch Integration von n(t) ausrechnen
(man muss also nicht zählen!), wie viele Messwerte z.B. in dem Zeitintervall [ t − σ , t + σ ] , also im
Bereich t ± σ liegen:
Wir wissen, dass alle N Messwerte im Zeitintervall [-∞, +∞] liegen müssen. Aufgrund der Normierung des
Flächeninhalts unter der Gaußkurve auf den Wert 1 (s. Gl. (3)) bedeutet das:
(4)
+∞
∫−∞ 𝑛𝑛(𝑡𝑡)𝑑𝑑𝑑𝑑 = 1  𝑁𝑁  100% aller Messwerte;
Für das gesuchte Intervall [ t - σ, t + σ] ergibt sich:
t +σ
(5)
∫σ
t−
t +σ
−
1
n(t )dt = ∫
e
t − σ σ 2π
( t − t )2
2σ 2
dt ⋲0,683  0,683 N  68,3% aller Messwerte.
 Wer dies nachrechnen möchte, sei gewarnt: das Integral über die Gaußkurve gem. Gl. (3) lässt sich
nicht analytisch, sondern nur numerisch lösen! Es ist in Tabelle 2 (Kap. 11.5) angegeben.
7
Im betrachteten Beispiel ist die Zeit t die Messgröße, deren realer Wertebereich nur im Intervall 0 ≤ t ≤ ∞ liegen kann. Formal
gesehen erscheint es dann falsch oder mindestens unsinnig, den Wertebereich bis nach - ∞ auszudehnen. Jedoch ist in der Praxis
der Anteil des Integrals aus Gl. (3) im Bereich - ∞ ≤ t < 0 so klein (≈ 0), dass er vernachlässigt werden kann. Deshalb werden
aus Gründen der mathematischen Vereinfachung die Grenzen des Wertebereiches auf ± ∞ festgelegt.
40
Ist also die Häufigkeitskurve der Messwerte durch eine Gaußkurve gegeben (wovon wir in der Praxis fast
immer ausgehen werden), so liegen immer rund 68,3 % aller Messwerte im Bereich t ± σ (Abb. 4). Für
den Bereich t ± 2σ erhält man immer einen Wert von rund 95,5 % (Abb. 4), für den Bereich t ± 3σ
immer einen Wert von rund 99,7 %. Im Laborjargon heißt es dann häufig: 68 % aller Messwerte liegen im
1σ-Bereich um den Mittelwert, 95 % im 2σ-Bereich und 99 % im 3σ-Bereich.
In der Praxis lassen sich die Bedingungen N → ∞ und ∆t → 0 natürlich nicht einhalten. Dadurch wird der
Bereich größer, in dem z.B. 68,3 % aller Messwerte liegen. t ± σ ist in diesem Fall durch t ± pσ zu
ersetzen, wobei der Wert der Größe p ≥ 1 von N abhängt und sich mit Hilfe der Statistik berechnen lässt
(z.B. p = 1,32 für N = 3, p = 1,15 für N = 5, p = 1,06 für N = 10 und p → 1 für N → ∞). Für die Auswertung
von Messungen im Praktikum werden wir das jedoch nicht berücksichtigen.
Abb. 4:
Flächenanteile unter einer Gaußkurve mit der auf 1 normierten Gesamtfläche. Oben: Flächenanteil im
Bereich
6
t
± σ, unten: Flächenanteil im Bereich
t
± 2σ.
Mittelwert und Standardabweichung
Im vorigen Kapitel wurde erläutert, dass man unter den dort genannten Annahmen über das Ergebnis einer
einzelnen Messung (einen Messwert) aus einer Messreihe folgende Aussage machen kann:
 Das Ergebnis einer Einzelmessung liegt mit ca. 68 % Wahrscheinlichkeit im Bereich t ± σ.
Für die Praxis stellt sich nun die Frage, wie man t und σ ermittelt. Da man im realen Experiment weder
die Bedingung N → ∞ noch die Bedingung ∆t → 0 einhalten kann, muss man herausfinden, wie man aus
nur endlich vielen Messwerten (einer so genannten Stichprobe) die besten Schätzwerte, kurz: die Bestwerte,
für t und σ ausrechnet. Wir verzichten auf die theoretische Herleitung zur Berechnung der Bestwerte und
geben im Folgenden nur die Ergebnisse an.
6.1
Mittelwert
Wird eine Messgröße, etwa die Zeit t, N-mal gemessen, so ist der Bestwert für den Mittelwert t , der sich
im Falle N → ∞ ergeben würde, das arithmetische Mittel der Messwerte ti:
(6)
t =
1
N
N
∑ ti
i= 1
41
6.2
Standardabweichung der Einzelmessung
Als Bestwert für die Standardabweichung σ der Einzelmessung ergibt sich:
(7)
=
σ
 1 N

( ti − t
 N − 1 i∑
=1


)2 

Dies lässt sich plausibel machen: Die Standardabweichung der Einzelmessung stellt ein Maß für die
Streuung der Messwerte ti um den Mittelwert t dar. Die Abweichung 8 eines einzelnen Messwertes ti von
t ist durch die Differenz ti − t gegeben (siehe Abb. 5). Würde man das arithmetische Mittel dieser
Differenzen als Maß für die Streuung ansetzen, so würde sich hierfür als direkte Folge aus der Definition
des Mittelwertes immer ein Wert Null ergeben, da sich positive und negative Differenzen gegenseitig
aufheben. Die Information über die vorhandene Streuung der Messwerte ginge also verloren. Um das zu
verhindern, werden die Differenzen zunächst quadriert:
( ti − t )
2
Dadurch werden alle Größen positiv. Danach wird das arithmetische Mittel dieser Quadrate gebildet und
schließlich daraus die Wurzel gezogen.
Die Tatsache, dass bei Bildung des arithmetischen Mittels nicht durch N, sondern durch N - 1 geteilt wird,
lässt sich aus einer detaillierten statistischen Analyse begründen, die insbesondere auf die Unterschiede
zwischen Stichprobe und Grundgesamtheit eingeht. Wir wollen dies hier jedoch nicht weiter vertiefen,
zumal für großes N die Abweichung zwischen 1/N und 1/(N - 1) nur winzig ist.
14
t5 - t > 0
12
ti / s
10
8
t
t15 - t < 0
6
4
2
0
0
5
10
15
20
25
30
35
i
Abb. 5:
Zur Veranschaulichung der Standardabweichung. Aufgetragen sind 32 Messwerte ti der Zeit t über der
Nummer der Messung i.
ti und
t
t
ist der Mittelwert der ti. Für i = 5 und i = 15 sind die Abweichungen zwischen
exemplarisch eingezeichnet.
Die Standardabweichung σ der Einzelmessung wird auch als Fehler (Unsicherheit) der Einzelmessung oder
gem. Gl. (7) als mittlerer quadratischer Fehler (engl. rms error, rms = root-mean-square) bezeichnet.
6.3
Standardabweichung des Mittelwertes
In der Praxis ist die Standardabweichung σ der Einzelmessung oftmals nicht die wesentliche Größe. Es
interessiert nämlich nicht so sehr, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein einzelner Messwert im Bereich
t ± σ liegt. Viel wichtiger ist die Frage, wie verlässlich bzw. reproduzierbar der Mittelwert t ist, der mit
8
nach /2/ heißt diese Größe Messabweichung.
42
einer Messreihe gefunden wurde und der das Messergebnis einer Messung darstellt. Anders ausgedrückt:
mit welcher Wahrscheinlichkeit würde das Messergebnis einer weiteren Messreihe, also ein zweiter Mittelwert, in einem vorgegebenen Intervall um den ersten herum liegen? Um diese Frage beantworten zu können, benötigt man analog zur Standardabweichung der Einzelmessung eine Angabe über die Standardabweichung des Mittelwertes σ t .
Nehmen wir an, wir haben eine Messreihe mit N Messwerten insgesamt M-mal wiederholt, so dass
anschließend M Mittelwerte t j vorliegen (j = 1, 2,..., M). Man kann nun zeigen, dass für M → ∞ die Häufigkeitskurve dieser Mittelwerte der Messreihen wieder eine Gaußkurve ist mit der Standardabweichung σ t .
In der Praxis wird man die Messreihe nicht M-mal wiederholen wollen, um die Standardabweichung des
Mittelwertes, σ t , zu ermitteln. Vielmehr ist es das Ziel, aus einer Messreihe mit N Messwerten den Bestwert für σ t zu ermitteln. Dieser ergibt sich zu:
(8)
=
σt
σ
=
N
N


1
2


−
t
t
(
)
i
 N ( N − 1) i∑

=
1


Damit kann man über den Mittelwert t dieser einen Messreihe, der das Messergebnis darstellt, folgende
Wahrscheinlichkeitsaussage machen:
 Das Messergebnis einer weiteren Messreihe wird mit ca. 68 % Wahrscheinlichkeit im Bereich t ± σ t
liegen.
Ferner gilt:
 Die Standardabweichung σ t des Mittelwertes ist die in Kap. 1 genannte Messunsicherheit, die zusammen mit dem Messergebnis (dem Mittelwert) als vollständiges Messergebnis einer Messreihe zur
Bestimmung einer Messgröße angegeben wird. Sie wird häufig auch als Fehler des Mittelwertes
bezeichnet.
Man sieht aus Gl. (7), dass mit zunehmender Zahl N der Messwerte die Standardabweichung σ der Einzelmessung nahezu gleich bleibt. Das erkennt man auch in Abb. 5. Durch Hinzufügen weiterer Messwerte in
das Diagramm ändert sich nichts an der Streuung der Messwerte um den Mittelwert.
Dagegen lässt sich aus Gl. (8) ablesen, dass die Standardabweichung σ t des Mittelwertes, also die Messunsicherheit, mit zunehmendem N immer kleiner wird: Die Messunsicherheit nimmt mit 1/ N ab. Im
Prinzip könnte man sie also beliebig klein machen, wenn nur oft genug gemessen wird. In der Praxis wird
man jedoch nur so oft messen, bis die Messunsicherheit einer vorher festgelegten Genauigkeitsanforderung
genügt. Dabei muss jedoch immer N ≥ 4 eingehalten werden, da andernfalls keine Standardabweichung
nach Gl. (7) angegeben werden kann. Dies folgt aus statistischen Überlegungen, auf die hier nicht weiter
eingegangen werden kann.
Zusammenfassend lässt sich festhalten:
 Das Ergebnis einer Messreihe wird immer in der Form t ± σ t angegeben.
 Die Messunsicherheit σ t (der Fehler des Mittelwertes) nimmt mit zunehmender Zahl N der Messwerte
um den Faktor 1 / N ab.
 Solange keine anderen Angaben gemacht werden, wird ein Messergebnis der Art t = (100,6 ± 1,2) s
immer wie folgt interpretiert: Messergebnis (Mittelwert) 100,6 s, Messunsicherheit (Standardabweichung des Mittelwertes) 1,2 s.
43
6.4
Absoluter und relativer Fehler
Die Größe σ t stellt den absoluten Fehler des Messergebnisses dar, die Größe σ t / t den relativen Fehler,
der in der Regel in Prozent angegeben wird. Im Praktikum werden wir uns überwiegend auf die Angabe
absoluter Fehler beschränken.
7
Größtfehler der Einzelmessung
Oftmals kommt es vor, im Praktikum sehr häufig, dass der Wert einer Messgröße a nicht mit Hilfe einer
Messreihe, sondern nur durch eine Einzelmessung bestimmt wird, wie z.B. bei einer Längenmessung. In
diesem Fall wird im Praktikum statt des Mittelwertes das Ergebnis der Einzelmessung und statt der Standardabweichung des Mittelwertes der Größtfehler ∆a angegeben. Dies ist der größtmögliche Fehler, der
bei der Einzelmessung der Größe insgesamt auftreten kann. Er muss nach vernünftigen Überlegungen abgeschätzt werden. Wird beispielsweise die Länge einer Strecke mit einem Maßstab gemessen, so wird man
bei sorgfältiger Messung die Ablesegenauigkeit des Maßstabs als Größtfehler annehmen. Sie beträgt z.B.
bei einem Metallmaßband 0,5 mm, bei einem Messschieber 0,1 mm oder 0,05 mm und bei einer
Bügelmessschraube 0,01 mm.
8
Genauigkeitsangaben
Die Genauigkeit, mit der ein Messergebnis für die Messgröße a angegeben werden kann, d.h. die Anzahl
der signifikanten Stellen, ist durch die Messunsicherheit limitiert, also durch die Standardabweichung σ a
des Mittelwertes bzw. durch den Größtfehler ∆a einer Einzelmessung.
σ a und ∆a werden im Grundpraktikum auf maximal zwei signifikante Stellen gerundet! 9
Der Mittelwert bzw. der Einzelmesswert ist dann so zu runden, dass seine letzte signifikante Stelle die
gleiche Größenordnung hat wie die letzte signifikante Stelle von σ a bzw. von ∆a.
Dazu Beispiele: Eine durch Rechenoperationen oder die Zahl der Stellen einer elektronischen Uhr vorgetäuschte Genauigkeit der Art t = 90,4671 s ist schlichtweg falsch, wenn der Größtfehler der Zeitmessung
z.B. 1,1 s beträgt. In diesem Fall müsste es (gerundet) richtig heißen: t = (90,5 ± 1,1) s. Ebenso falsch ist
eine Angabe der Art R = (83,62 ± 2,624) Ω; hier müsste es wegen der Beschränkung auf 2 signifikante
Stellen für die Messunsicherheit heißen R = (83,6 ± 2,6) Ω.
Die Signifikanz einer Stelle ist unabhängig von ihrer Größenordnung (Stellung in Bezug auf den Dezimalpunkt). Folgende Angaben enthalten demnach jeweils zwei signifikante Stellen:
18
1,8
0,18
0,018
0,0018
usw.
Das erkennt man besonders deutlich, wenn man zur empfohlenen Darstellung mit Zehnerpotenzen übergeht, also für die genannten Zahlen schreibt:
1,8×101
1,8×100
1,8×10-1
1,8×10-2
1,8×10-3.
Beim Runden stellt sich die Frage, wie mit der Ziffer 5 umzugehen ist. Nehmen wir als Beispiel die Zahl
4,135, die auf zwei Stellen hinter dem Komma gerundet werden soll. Möglich wäre die Rundung auf 4,13
oder auf 4,14. Es gilt die Regel so zu runden, dass die letzte Ziffer der gerundeten Zahl gerade ist. Im
Beispiel würde also auf den Wert 4,14 aufgerundet. Dagegen würde die Zahl 4,125 auf den Wert 4,12
abgerundet. Hinter dieser Regel steckt die Überlegung, dass bei einer Division durch 2 gerundete und
ungerundete Zahl den gleichen gerundeten Zahlenwert ergeben. Für die genannten Beispielen gilt:
9
4,135 : 2 = 2,0675 ≈ 2,07
und ebenso
4,14 : 2 = 2,07
4,125 : 2 = 2,0625 ≈ 2,06
und ebenso
4,12 : 2 = 2,06
Dies bedeutet, dass die Messunsicherheit mit einer Genauigkeit von ca. 1 % angegeben wird. Eine bessere Genauigkeit ist mit
den Geräten im Praktikum nicht zu erreichen!
44
9
Fehlerfortpflanzung, zusammengesetzte Messgrößen
Es kommt häufig vor, dass bei einem Experiment nicht die gemessene Größe (direktes Messergebnis) selbst
interessiert, sondern eine hieraus berechnete Größe (indirektes Messergebnis, s. Kap. 2). Nehmen wir als
Beispiel noch einmal die Schwerebeschleunigung g nach Gl. (1), die von den Messgrößen s und t abhängt:
g=
2s
t2
Weitere Beispiele sind die Dichte ρ eines Körpers, die eine Funktion der Messgrößen Masse m und
Volumen V ist:
ρ=
(9)
m
V
oder die Kapazität C eines Plattenkondensators im Vakuum, die von den Messgrößen Fläche A und Abstand
d der Platten abhängt. Mit der elektrischen Feldkonstanten ε0 gilt:
(10)
C = ε0
A
d
Für all diese Beispiele wird deutlich, dass der Fehler der gesuchten Größe aus den Fehlern der einzelnen
Messgrößen berechnet werden muss. Wie das geht, wird in den folgenden Kapiteln beschrieben.
9.1
Wahrscheinlichster Fehler einer zusammengesetzten Messgröße
Wird das Messergebnis für eine Messgröße y aus den Messergebnissen für mehrere gaußverteilte Messgrößen berechnet, für die Mittelwerte und Standardabweichungen aus Messreihen gewonnen wurden, so
wird der wahrscheinlichste Fehler für y mit dem gaußschen Fehlerfortpflanzungsgesetz berechnet, das wir
nun formulieren wollen.
Wir wollen annehmen, dass die gesuchte Größe y von den Messgrößen a, b, c, usw. abhängt:
(11)
y = f (a, b, c,...)
Die Messwerte für die Messgrößen a, b, c,... seien gaußverteilt und sollen sich gegenseitig nicht beeinflussen, d. h. im statistischen Sinne unabhängig voneinander sein. Für die Messgrößen mögen Mittelwerte
a , b , c , ... und die Standardabweichungen der Mittelwerte σ a , σ b , σ c , ... vorliegen. Dann ist der Bestwert yB 10 der gesuchten Messgröße y derjenige Wert, der sich ergibt, wenn y aus den Mittelwerten (Bestwerten) a , b , c , ... berechnet wird:
(12)
y B = f ( a , b , c , ...)
Das ist plausibel. Die Standardabweichung σ yB von yB ist durch das gaußsche Fehlerfortpflanzungsgesetz
(veranschaulicht in Kap. 9.2) gegeben, das lautet:
2
(13)
σ yB =
2
2
 ∂ y 

 ∂ y 

 ∂ y 


 σ a  + 
 σ b  + 
 σ c  + ... :=
 ∂ b  B 
 ∂ c  B 
 ∂ a  B 
∆ya2 + ∆yb2 + ∆yc2 + ...
Die Ausdrücke ∂y/∂a, ∂y/∂b, usw. in Gleichung (13) sind die „partiellen Ableitungen“ von y nach den
Größen a, b, c,.... Sie geben an, wie sich y ändert, wenn man nur a, oder nur b, oder nur c usw. verändern
und die jeweils anderen Größen konstant halten würde. Mathematisch: Man leitet y jeweils nach einer der
10
Der Index B steht für Bestwert.
45
Größen a, b, c,... ab und betrachtet die anderen Größen dabei als Konstanten. Der Index B bei den partiellen
Ableitungen gibt an, dass man die Zahlenwerte der partiellen Ableitungen jeweils für die Bestwerte
(Mittelwerte) a , b , c , ... der Messgrößen a, b, c, ... berechnen muss.
Als Beispiel für die Berechnung von partiellen Ableitungen nehmen wir nochmals Gl. (1) für die
Schwerebeschleunigung g, die von den Größen s und t abhängt. Die partielle Ableitung von g nach s ist:
∂g 2
=
∂s t 2
und die partielle Ableitung von g nach t:
∂g
4s
= − 3
∂t
t
9.2
Veranschaulichung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes
Zur Veranschaulichung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes betrachten wir als Beispiel erneut die Schwerebeschleunigung g nach Gl. (1). Wir haben es also mit einer Funktion zu tun, die von den zwei Variablen s
und t abhängt. Gl. (11) lautet dann mit y := g, a := s und b := t:
g f=
(14)=
( s, t )
2s
t2
In Abb. 6 ist g als Funktion von s und t in einem 3D-Plot dargestellt, in dem die lineare Abhängigkeit der
Schwerebeschleunigung von s und die reziprok-quadratische Abhängigkeit von t deutlich wird.
Mit Blick auf Abb. 6 betrachten wir die einzelnen Summanden in Gleichung (13) einmal näher und greifen
beispielhaft den zweiten heraus: Die zu bestimmende Größe y (hier g) hängt unter anderem von der
Messgröße b (hier t) ab. Ändert sich b, so ändert sich auch y. Die partielle Ableitung ∂y/∂b gibt an, wie
groß diese Änderung ist, d.h. wie groß die Steigung der Funktion y = f(a, b, c,...) als Funktion von b ist,
wenn man die übrigen Größen a, c,... als konstant annimmt. Im betrachteten Beispiel ergibt sich:
(15)
∂y ∂g
4s
:=
= − 3
∂b ∂t
t
Da diese Steigung nicht überall gleich ist (im Beispiel ändert sie sich gem. Gl. (15) mit t-3), ist es sinnvoll,
sie an der Stelle a , b , c , ... (hier s , t ) zu berechnen, die auch für die Berechnung des Bestwertes yB (hier
gB) maßgeblich ist. Deshalb steht in Gl. (13) der Index B: (∂y/∂b)B.
Abb. 6: Zur Veranschaulichung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes
46
Nun muss man für den herausgegriffenen Term noch wissen, wie groß die Änderung von yB ist, der durch
den Fehler σ b hervorgerufen wird. Aus den Grundlagen der Differentialrechnung ist bekannt, dass diese
Änderung durch das Differential
(16)
∂ y
∆yb :=

 σb
 ∂ b B
hier:
∂ g 
4s
∆gt =
− 3 σt

 σt =
t
 ∂ t B
gegeben ist. Auf gleiche Weise kann man die Fehler
∂ y
 σa
 ∂ a B
(17) =
∆ya : 
(18)
∂ y
∆yc :=

 σc
 ∂ c B
∂ g 
2
hier:=
∆g s  =
σs
 σs
t2
 ∂ s B
(hier ohne Belang)
usw. bestimmen, die alle zum Gesamtfehler, d.h. zur Standardabweichung σ yB von yB beitragen. Es ist
daher einleuchtend, sie zur Berechnung von σ yB aufzuaddieren. Da jedoch die einzelnen Fehler gem. Gl.
(16) - (18) positiv und negativ sein können, können sie sich teilweise oder sogar ganz aufheben und damit
einen zu kleinen Gesamtfehler suggerieren. Um das zu vermeiden, ist es vernünftig, die Einzelfehler
zunächst zu quadrieren (dadurch werden alle Beiträge positiv) und anschließend aus der Summe der Quadrate die Wurzel zu ziehen. Durch diese geometrische (quadratische) Addition der Einzelfehler wird der
Gesamtfehler kleiner als die Summe der Einzelfehler. Damit wird berücksichtigt, dass sich die Einzelfehler
der voneinander unabhängigen Größen a, b, c usw. nicht alle gleichsinnig im Endergebnis niederschlagen,
sondern sich gegenseitig wenigstens teilweise kompensieren. Man spricht deshalb vom wahrscheinlichsten
Fehler.
9.3
Größtfehler einer zusammengesetzten Messgröße
Wir wollen nun den Fall betrachten, dass die Größen a, b, c usw. z. B. keine zufälligen Fehler aufweisen
oder ihre Fehler zum Teil nicht aus Messreihen gewonnen wurden. Letzteres kommt in der Praxis (auch im
Praktikum) recht häufig vor, wenn nämlich Messergebnisse für die Messgrößen a, b, c usw. mindestens
zum Teil aus Einzelmessungen gewonnen wurden, für die nur die jeweiligen Größtfehler ∆a, ∆b, ∆c usw.
vorliegen.
In einem solchen Fall wird für die zusammengesetzte Messgröße y statt der Standardabweichung nach Gl.
(13) der Größtfehler ∆yB angegeben. Er ergibt sich aus der ungünstigsten, d. h. arithmetischen (linearen)
Addition aller Einzelfehler und ist gegeben durch:
(19)
∆yB =
∂ y
∂ y
∂ y
∆a +
∆b +
∆c + ...:= ∆ya + ∆yb + ∆yc + ...
∂aB
∂bB
∂cB
Dabei sind für die Größen ∆a, ∆b, ∆c,... die Größtfehler bzw. Standardabweichungen einzusetzen.
Bis auf die Betragsstriche stellt Gl. (19) das totale Differential von yB dar.
 Wenn nicht ausdrücklich ein anderer Hinweis erfolgt, soll im Praktikum für zusammengesetzte Messgrößen immer der Größtfehler angegeben werden.
10
Ein konkretes Beispiel
Mit einem so genannten „mathematischen Pendel“ kann die Erdbeschleunigung g bestimmt werden. Das
mathematische Pendel, das sich in der Praxis nur annähernd realisieren lässt, besteht im Idealfall aus einer
47
punktförmigen Masse, die an einem masselosen Faden derart aufgehängt wird, dass sie ohne äußere Störeinflüsse (insbesondere Reibung) pendeln kann. Für Pendelausschläge um einen kleinen Winkel α unter
ca. 5 ° ist α ≈ sin α ≈ tan α (α im Bogenmaß!) und es gilt in guter Näherung folgender Zusammenhang
zwischen der Schwingungsdauer T des Pendels, der Fadenlänge l und der Erdbeschleunigung g:
(20)
T = 2π
l
g
g=
bzw.
4π 2l
T2
Durch Messung von l und T ist es also möglich, g zu bestimmen. Schon vor Beginn der Messung kann man
sagen, welche systematischen Fehler auftreten werden:
- Entgegen der Theorie ist die Masse nicht punktförmig und der Faden nicht masselos. Welchen Einfluss
dies auf die Messung hat, lässt sich nur schwer angeben. Man muss versuchen, durch Verwendung eines
sehr dünnen Fadens und einer Masse mit kleiner räumlicher Ausdehnung dem mathematischen Pendel
möglichst nahe zu kommen und erwartet, dass die verbleibenden Fehler so klein gegenüber den
Messunsicherheiten der Messgrößen l und T sind, dass sie vernachlässigt werden können.
- Das Pendel kann nicht völlig reibungsfrei aufgehängt werden. Man muss sich deshalb bei der Aufhängung so viel Mühe geben, dass der Fehler durch Reibung klein gegenüber den Messunsicherheiten ist.
Bei der Vorbereitung des Experiments muss man darauf achten, dass sowohl die Uhr zur Messung von T
als auch der Maßstab zur Messung von l kalibriert sind, um systematische Fehler durch unzulängliche
Messgeräte auszuschließen. Außerdem muss man die Fadenlänge l so groß wählen, dass die Messung bei
Pendelausschlägen unter ca. 5° erfolgen kann, weil Gleichung (20) nur dann in guter Näherung gilt.
Nach diesen Vorbereitungen kann die Messung beginnen. Es ist bekannt, dass man den Einfluss zufälliger
Fehler auf die Messunsicherheit minimieren kann, wenn möglichst oft gemessen wird. Gleichzeitig erkennt
man, dass eine mehrmalige Messung der Länge l gar nichts bringt. Denn wenn man den Maßstab sorgfältig
anlegt und abliest, ändert sich an dem abgelesenen Wert auch bei mehrmaliger Wiederholung nichts.
Dennoch ist natürlich auch der abgelesene Wert für l mit einem Fehler behaftet: Zum einen hat der Maßstab
selbst trotz Kalibrierung nur eine bestimmte Genauigkeit, zum anderen kann man ihn nur mit einer
endlichen Genauigkeit anlegen und ablesen. Das Ergebnis der Längenmessung kann man dann folgendermaßen festhalten:
(21)
l= L ± ∆L ;
=
l
z.B.
( 2,5580 ± 0, 0020 ) m
wobei L der abgelesene Wert und ∆L dessen Größtfehler ist.
Die Periodendauer T wird mit einer Stoppuhr gemessen, deren Gangungenauigkeit vernachlässigbar klein
sei. Das Starten und Stoppen der Uhr hängt von der Reaktionsfähigkeit der BenutzerIn ab und unterliegt
damit zufälligen Schwankungen, deren Einfluss auf die Messunsicherheit des Messergebnisses durch
häufige Messung minimiert werden kann. Nach insgesamt N Messungen, die die Messwerte Ti liefern, lautet
das Ergebnis der Zeitmessung:
(22)
T= T ± σ T ;
T
z.B.=
( 3, 210 ± 0,010) s
wobei T der arithmetische Mittelwert der Messwerte Ti nach Gl. (6) und damit der Bestwert für T ist und
σ T die Standardabweichung des Mittelwertes nach Gl. (8).
Der Bestwert gB für g ist also gem. Gl. (20):
(23)
gB =
4π 2 L
;
T2
im Beispiel=
gB
4π 2 × 2,5580 m
m
=
9,801 2
2
s
( 3, 210 s )
Da L nicht aus einer Messreihe ermittelt wurde, wird nicht die Standardabweichung nach Gl. (13) berechnet,
sondern der Größtfehler ∆gB nach Gl. (19). Es ergibt sich:
48
(24)
∆=
gB
∂ g
∂ g
∆L +
σ
∂ l B
∂ TB T
Zunächst werden die Beträge der partiellen Ableitungen an den Stellen der Bestwerte B ermittelt, hier also
für die Werte L und T :
∂ g
4π 2
4π 2
=
=
=
∂ l L,T
T 2 L,T T 2
4π 2
=
...
2
3,
210
s
(
)
(25)
∂ g
∂ T
L ,T
8π 2 L 8π 2 × 2,5580 m
8π 2l
=
− 3
=
=
=
...
T L,T
T3
( 3, 210 s )3
Gleichung (25) liefert nach Einsetzen der Zahlwerte für L und T zwei Zahlen, die gemäß Gleichung (24)
mit zwei anderen Zahlen, nämlich ∆L und σ T , multipliziert und anschließend addiert werden müssen, um
den gesuchten Wert ∆gB zu erhalten:
∆g B =
4π 2
8π 2 L
∆
+
σT
L
T2
T3
(26)
=
4π 2
( 3, 210 s )
2
0, 0020 m +
8π 2 × 2,5580 m
( 3, 210 s )
3
0, 010 s = 0,069
m
s2
Bei der Angabe des Zahlenwertes muss die Rundung auf zwei signifikante Stellen beachtet werden.
Zusammengefasst lautet das vollständige Messergebnis:
(27)
g= g B ± ∆g B=
( 9,801 ± 0, 069 )
m
s2
Da in diesem Beispiel bereits ein Literaturwert für g vorliegt, der für die eigene geographische Lage in
geeigneten Tabellenwerken nachschlagen werden kann 11, muss dieser Wert mit dem Messergebnis verglichen werden. Liegt der Literaturwert für g im Bereich gB ± ∆gB, so beendet man das Experiment mit der
Feststellung, dass eine „gute Übereinstimmung im Rahmen der Messgenauigkeit“ erreicht wurde. Liegt
jedoch der Literaturwert außerhalb des Bereichs gB ± ∆gB, so ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, dass
die Messung durch einen systematischen Fehler verfälscht wurde.
Statt des absoluten Fehlers ∆gB des Messergebnisses gB kann man auch den relativen Fehler εg für gB angeben:
(28)
εg =
∆g B
gB
ε=
g
σ
∆L
+2 T
L
T
also:
(29)
11
Siehe z.B. http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php
49
Dieser Gleichung kann man entnehmen, dass sich der relative Fehler von T , σ T / T , doppelt, der relative
Fehler von L, ∆L/L, jedoch nur einfach im Ergebnis niederschlägt. Soll dies kompensiert werden, so darf
der relative Fehler von T nur halb so groß werden wie der relative Fehler von L. Das lässt sich durch eine
ausreichende Anzahl von Messungen der Periodendauer immer erreichen (s. Gl. (8)) und sollte bereits bei
der Planung des Experiments berücksichtigt werden.
11
Anhang
11.1 Lineare Regression, Ausgleichsgeraden
11.1.1 Ausgleichsgeraden der Form y = ax + b
Es kommt in der Praxis recht häufig vor, dass zwei Größen x und y linear voneinander abhängen, d.h. sie
sind über eine Geradengleichung miteinander verknüpft: y = ax + b. Ziel der Messung ist es dann oftmals,
die Größen a und b zu ermitteln. Nehmen wir als Beispiel den zeitlichen Verlauf der Geschwindigkeit v bei
einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung: v(t) = at + v0 mit a: Beschleunigung, t: Zeit und v0: Anfangsgeschwindigkeit. Wir messen v(t) (abhängige Variable) bei bestimmten Vorgabewerten von t
(unabhängige Variable), um einen Wert für die Beschleunigung a und die Anfangsgeschwindigkeit v0 zu
erhalten.
Tragen wir gem. Abb. 7 die Messwerte v(t) über t auf, so erwarten wir, dass die eingezeichneten Messpunkte
auf einer Geraden liegen, deren Steigung dem gesuchten Wert für a und deren v-Achsabschnitt dem
gesuchten Wert für v0 entspricht. Wollen wir diese Gerade in das Diagramm der Messwerte einzeichnen,
so stellen wir fest, dass es mehrere Steigungen und Achsabschnitte gibt, bei denen die Messwerte mehr
oder weniger gut getroffen werden. Welche Parameter sind aber nun die richtigen? Diese Frage lässt sich
wieder nur im Sinne einer Wahrscheinlichkeitsaussage beantworten. Wir wollen die Antwort im Folgenden
geben.
Wir kehren zurück zu unserer Funktion y = ax + b. Wie in der Praxis häufig der Fall, geben wir N Werte
der Größe x vor, zu denen wir N Messwerte der Größe y bestimmen. Die Fehler der Vorgabewerte von x
seien zu vernachlässigen, die Fehler der Messwerte von y seien zufällig verteilt. Wir behaupten, dass die
Bestwerte A und B für die Parameter a und b der Geradengleichung dann gefunden wurden, wenn die
Summe der Quadrate der vertikalen Abstände der Messwerte von der durch A und B bestimmten „Ausgleichsgeraden“ minimal ist, wenn also gilt:
N
(30)
∑  yi − ( Axi + B )
2
→ Minimum
i =1
Frage 3:
- Wie lässt sich dieser Ansatz begründen?
Abb. 7: Wo liegt die beste Ausgleichsgerade durch die roten Messwerte?
50
Mit Hilfe der Differentialrechnung lässt sich eine Lösung für die in Gl. (30) dargestellte Forderung relativ
einfach bestimmen. Man findet für A und B (Summation jeweils von 1 bis N):
(31)
A=
N ( ∑ xi yi ) − ( ∑ xi )( ∑ yi )
(32)
B=
( ∑ yi )( ∑ xi2 ) − ( ∑ xi yi )( ∑ xi )
N ( ∑ xi2 ) − ( ∑ xi )2
N ( ∑ xi2 ) − ( ∑ xi )2
Natürlich sind auch diese Bestwerte mit Fehlern behaftet, die wir nun suchen. Die fehlerbehafteten Größen
in Gl. (31) und (32) sind die yi. Für die Varianz der yi ergibt sich als Bestwert (s. Gl. (7)):
1
2
( Axi + B − yi )
∑
N −2
=
σ y
(33)
2
wobei die Division durch (N - 2) anstatt durch (N - 1) darauf zurückzuführen ist, dass die Bestwerte A und
B in die Berechnung der Größe σ
2
y
einfließen. Wendet man nun die Fehlerfortpflanzung auf Gl. (31) und
(32) an und setzt für σy Gl. (33) ein, so findet man als Bestwerte für die Standardabweichungen von A und
B (D ist eine in Gl. (36) definierte Hilfsgröße):
(34)
σ A = ND
(35)
σ B = D ∑ xi2
mit
1 ∑ ( Axi + B − yi )
D=
N − 2 N (∑ xi2 ) − (∑ xi ) 2
2
(36)
Im Praktikum wird die Software Origin für diese Berechnungen eingesetzt. Sie liefert die gesuchten
Daten durch ein paar Mausklicks (→ Analyse → Anpassen → Linearer Fit). Rechnen Sie die Parameter
von Ausgleichsgeraden niemals „zu Fuß“ aus, das wäre viel zu zeitaufwändig!
11.1.2 Ausgleichsgeraden der Form y = ax + b mit vorgegebenem b
In der Praxis kommt es auch vor, dass Messwerte durch eine lineare Funktion y = ax + b miteinander verknüpft sind, für die der Achsabschnitt b fest vorgegeben ist. Als Beispiel sei das OHMsche Gesetz U = RI
genannt: misst man die Spannung U als Funktion des Stromes I, so ergibt sich als Ausgleichsgerade durch
die Messwerte eine Gerade durch den Ursprung (b = 0) mit der Steigung R. Die Bedingung für die Berechnung des Bestwertes A der Steigung a der Ausgleichsgeraden lautet analog zu Gl. (30) in diesem Fall:
2
N
(37)
yi − Axi ] → Minimum
∑[
i =1
und man findet mit Hilfe der Differentialrechnung für A und mit Hilfe der Fehlerfortpflanzung für σA:
(38)
(39)
A=
∑x y
∑x
σA =
i
i
2
i
∑( y
i
− Axi )
2
( N − 2 ) ∑ xi2
51
Um entsprechende Berechnungen mit Origin durchzuführen, muss im Fenster Lineare Anpassung der
Haken im Feld Fester Schnittpunkt mit der Y-Achse gesetzt und der Zahlenwert für b eingetragen
werden.
11.1.3 Ausgleichsgeraden der Form y = ax + b mit vorgegebenem a
Auch der umgekehrte Fall, in dem die Steigung a der Ausgleichsgeraden fest vorgegeben ist und nur der
Achsabschnitt b der Ausgleichsgeraden gesucht wird, kommt gelegentlich vor. Die Bedingung für die
Berechnung des Bestwertes B von b lautet wieder analog zu Gl. (30):
N
(40)
∑  y − ( ax
i =1
i
i
2
+ B )  → Minimum
wobei diesmal nur B ein freier Parameter für die Bestimmung des Minimums ist. Für B und σB ergibt sich
in diesem Fall:
(41)
B=
(42)
=
σB
∑y
i
− a ∑ xi
N
1
( axi + B − yi )2
∑
N ( N − 2)
Um entsprechende Berechnungen mit Origin durchzuführen, muss im Fenster Lineare Anpassung der
Haken im Feld Feste Steigung gesetzt und der Zahlenwert für a eingetragen werden.
11.2 Linearisierungen
Mit Hilfe recht elementarer mathematischer Umformungen lassen sich oftmals nichtlineare Zusammenhänge von Messgrößen linearisieren, so dass es möglich wird, auch in solchen Fällen die lineare Regression
zur Bestimmung von Bestwerten für gesuchte Größen anzuwenden. So wird z.B. aus einem Potenz-Zusammenhang der Form:
(43)
y = bx a
durch einfaches Logarithmieren der lineare Zusammenhang (Geradengleichung):
(44)
log
log
also
b + a log
x
y =
y
b
y =
b + ax
x
Bei solchen logarithmierten Zusammenhängen muss eines beachtet werden: der Logarithmus einer physikalischen Größe y, die durch das Produkt aus Zahlenwert mal Einheit gegeben ist, lässt sich nicht direkt
bilden, da der Logarithmus einer Einheit keinen Sinn macht. Deshalb müssen solche Größen per Division
durch ihre Einheit zunächst dimensionslos gemacht werden, ehe Umrechnungen der Art Gl. (43) nach Gl.
(44) erfolgen dürfen. Dazu ein Beispiel: aus dem ohmschen Widerstand R wird r = R/Ω, aus der Spannung
U wird u = U/V, aus der Stromstärke I wird i = I/A und damit aus dem ohmschen Gesetz R = U/I die
modifizierte Form r = u/i, das in logarithmierter Form lautet: log r = log u – log i.
Tragen wir gem. Gl. (44) y über x doppelt-logarithmisch auf (also log y über log x), so erhalten wir als beste
Ausgleichskurve durch die Messwerte eine Gerade mit dem Achsabschnitt log b und der Steigung a. Die
Bestwerte für a und log b dieser Geraden finden wir mit Hilfe der linearen Regression, die wir in diesem
Fall auf Gl. (44) anwenden müssen.
Logarithmieren macht auch aus einem exponentiellen Zusammenhang der Form:
(45)
y = be ax
einen linearen Zusammenhang:
52
(46)
ln y =
ln b + ax ln e =
ln b + ax
Tragen wir in diesem Fall y über x halb-logarithmisch auf, so erhalten wir auch hier als beste Ausgleichskurve eine Gerade, für deren Achsabschnitt ln b und Steigung a wir mit Hilfe der jetzt auf Gl. (46) angewandten linearen Regression die Bestwerte finden.
Bei Verwendung von Logarithmenpapieren ist zu beachten, dass diese immer für den dekadischen Logarithmus (log, Basis 10) ausgelegt sind. In Gl. (46) haben wir es aber mit dem natürlichen Logarithmus (ln,
Basis e) zu tun. Werden daher Größen auf grafischem Wege einem Diagramm auf Logarithmenpapier
entnommen oder sollen berechnete Größen dort eingetragen werden, müssen sie geeignet umgerechnet
werden (Erinnerung: log x = ln x/ln 10; ln x = log x/log e).
Im Praktikum wird zur Berechnung der Parameter von Ausgleichgeraden in logarithmierten Diagrammen
die Software Origin eingesetzt. Dazu muss im Fenster Lineare Anpassung der Haken im Feld
Scheinbarer Fit 12 gesetzt werden.
Frage 4:
- Das exponentielle Schwächungsgesetz=
I ( x ) I 0 exp ( − µ x ) beschreibt die Schwächung der Intensität
I einer Strahlung beim Durchgang durch eine Materieschicht der Dicke x. I0 ist die Anfangsintensität der
Strahlung an der Stelle x = 0 und µ ein materialabhängiger Abschwächungskoeffizient ([µ] = 1/m).
Skizzieren Sie I(x) in linearer und halblogarithmischer Darstellung (Abszisse x jeweils linear). Wie lässt
sich aus dem halb-logarithmischen Diagramm der Abschwächungskoeffizient µ gewinnen?
11.3 Korrelation
Gelegentlich, wenngleich im Grundpraktikum eher selten, muss untersucht werden, ob ein vermuteter
linearer Zusammenhang zwischen zwei Größen x und y tatsächlich existiert, ob die beiden Größen also
miteinander korreliert sind. Nicht immer sieht man es dem Diagramm der Messwerte an, ob die eingetragenen Messwerte „gut“ auf einer Geraden liegen oder nicht. In jedem Fall stellt sich die Frage: wie „gut“
ist „gut genug“, um die Hypothese, x und y seien miteinander korreliert, nicht verwerfen zu müssen? Die
quantitative Antwort auf diese Frage liefert die Berechnung des Korrelationskoeffizienten r. Er ist gegeben
durch:
(47)
r=
∑ ( xi − x )( yi − y )
∑ ( xi − x )2 ∑ ( yi − y )2
wobei x und y die arithmetischen Mittelwerte der Messwerte von x und y sind. Der Korrelationskoeffizient kann nur Werte zwischen -1 und +1 annehmen. Für die Beurteilung der Frage, ob zwei Größen miteinander korreliert sind, ist der Betrag von r maßgebend. Für |r| = 1 sind die Größen perfekt miteinander
korreliert, für |r| = 0 sind sie unkorreliert. Für alle Werte dazwischen lassen sich Wahrscheinlichkeitsaussagen machen, die zusätzlich von der Zahl N der durchgeführten Messungen abhängen. Für N = 10 und
|r| ≥ 0,8 ist beispielsweise die Wahrscheinlichkeit P, dass die Größen unkorreliert sind, P = 0,5 %. Aus
Tabelle 1 (Kap. 11.5) können für weitere Kombinationen von N und |r| die zugehörigen Wahrscheinlichkeiten abgelesen werden.
11.4 Fehler gewichteter Mittelwerte
Eine Messgröße h werde in M Messungen (Nr. i = 1,...,M) unter jeweils veränderten Bedingungen gemessen. Das Ergebnis der einzelnen Messungen habe zu den Messergebnissen hi und den Messunsicherheiten
σi geführt.
12
Der Fit heißt scheinbar, weil die Daten im Origin-Arbeitsblatt weiterhin in ihrer ursprünglichen, linearen Form vorliegen.
Nur im Diagramm, das dem Fit zu Grunde gelegt wird, erscheinen die Daten logarithmiert, wenn für die Skalierung der
entsprechenden Achsen als Art „log10“, „log2“ oder „ln“ gewählt wurde.
53
Ziel ist nun, aus den M Werten hi ein Endergebnis für die gesuchte Größe h zu berechnen. Im einfachsten
Fall wäre dies das arithmetische Mittel der hi. Dabei bliebe jedoch unberücksichtigt, dass die hi unter Umständen recht unterschiedliche Messunsicherheiten σi aufweisen können, weil beispielsweise die erreichbare Messgenauigkeit nicht für alle Messreihen die gleiche war.
In solchen Fällen berechnet man statt des arithmetischen Mittels der hi einen gewichteten Mittelwert hg.
Sind gi die Gewichte, mit denen die Einzelwerte hi bei der Berechnung von hg berücksichtigt werden sollen,
so gilt bei Summation von 1 bis M:
(48)
hg =
∑ hi gi
∑ gi
In der Regel wählt man als Gewichte die Reziprokwerte der Varianzen:
(49)
gi =
1
σ i2
Dann erhält man bei Anwendung der Fehlerfortpflanzung auf Gl. (48) für die Messunsichertheit σg des
gewichteten Mittelwertes bei Summation von 1 bis M:
2
(50)
σg
=
 ∂ hg 
=
∑ ∂ h σi 
i



1 
 ∑ 2 
 σi 
−
1
2
Frage 5:
- Wie gelangt man zu diesem Resultat? Was ergibt sich für σg im speziellen Fall gi = const. = 1?
54
11.5 Tabellen
Tabelle 1:
Prozentuale Wahrscheinlichkeit dafür, dass zwei Messgrößen, die N-mal gemessen wurden und einen
Korrelationskoeffizienten |r| ≥ |rb| aufweisen, unkorreliert sind (nach /1/).
|rb|→
0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1
N↓
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
25
30
35
40
45
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
100
94
90
87
85
83
81
80
78
77
76
75
73
72
71
70
69
68
67
63
60
57
54
51
87
80
75
70
67
63
61
58
56
53
51
49
47
46
44
43
41
40
34
29
25
22
19
81
70
62
56
51
47
43
40
37
34
32
30
28
26
24
23
21
20
15
11
8,0
6,0
4,5
74
60
50
43
37
33
29
25
22
20
18
16
14
12
11
10
9,0
8,1
4,8
2,9
1,7
1,1
0,6
67
50
39
31
25
21
17
14
12
9,8
8,2
6,9
5,8
4,9
4,1
3,5
2,9
2,5
1,1
0,5
0,2
0,1
59
40
28
21
15
12
8,8
6,7
5,1
3,9
3,0
2,3
1,8
1,4
1,1
0,8
0,7
0,5
0,2
0,1
51
30
19
12
8,0
5,3
3,6
2,4
1,6
1,1
0,8
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0,1
0,1
41
20
10
5,6
3,1
1,7
1,0
0,5
0,3
0,2
0,1
0,1
29
10
3,7
1,4
0,6
0,2
0,1
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
|rb|→
0
0,05
0,1
0,15
0,2
0,25
0,3
0,35
0,4
0,45
N↓
50
60
70
80
90
100
100
100
100
100
100
100
73
70
68
66
64
62
49
45
41
38
35
32
30
25
22
18
16
14
16
13
9,7
7,5
5,9
4,6
8,0
5,4
3,7
2,5
1,7
1,2
3,4
2,0
1,2
0,7
0,4
0,2
1,3
0,6
0,3
0,1
0,1
0,4
0,2
0,1
0,1
55
Tabelle 2:
Werte der Integrale P(a) über die Gaußfunktion (error-function) als Funktion des Parameters a für beliebige
Werte von Mittelwert t und Standardabweichung σ (aus /1/; beachte den Faktor 100 gegenüber Gl. (5) ff.):
P(a ) =
100
σ 2π
t + aσ
∫
−
e
( t − t )2
2σ 2
t − aσ
Exemplarisch markiert: P(a = 1,00) = 68,27, P(a = 2,00) = 95,45, P(a = 3,00) = 99,73
a
0,0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1,0
1,1
1,2
1,3
1,4
1,5
1,6
1,7
1,8
1,9
2,0
2,1
2,2
2,3
2,4
2,5
2,6
2,7
2,8
2,9
3,0
3,5
4,0
4,5
5,0
0,00
0,00
7,97
15,85
23,58
31,08
38,29
45,15
51,61
57,63
63,19
68,27
72,87
76,99
80,64
83,85
86,64
89,04
91,09
92,81
94,26
95,45
96,43
97,22
97,86
98,36
98,76
99,07
99,31
99,49
99,63
99,73
99,95
99,994
99,9993
99,99994
0,01
0,80
8,76
16,63
24,34
31,82
38,99
45,81
52,23
58,21
63,72
68,75
73,30
77,37
80,98
84,15
86,90
89,26
91,27
91,97
94,39
95,56
96,51
97,29
97,91
98,40
98,79
99,09
99,33
99,50
99,64
0,02
1,60
9,55
17,41
25,10
32,55
39,69
46,47
52,85
58,78
64,24
69,23
73,73
77,75
81,32
84,44
87,15
89,48
91,46
93,12
94,51
95,66
96,60
97,36
97,97
98,45
98,83
99,12
99,35
99,52
99,65
0,03
2,39
10,34
18,19
25,86
33,28
40,39
47,13
53,46
39,35
64,76
69,70
74,15
78,13
81,65
84,73
87,40
89,69
91,64
93,28
94,64
95,76
96,68
97,43
98,02
98,49
98,86
99,15
99,37
99,53
99,66
0,04
3,19
11,13
18,97
26,61
34,01
41,08
47,78
54,07
59,91
65,28
70,17
74,57
78,50
81,98
85,01
87,64
89,90
91,81
93,42
94,76
95,86
96,76
97,49
98,07
98,53
98,89
99,17
99,39
99,55
99,67
0,05
3,99
11,92
19,74
27,37
34,73
41,77
48,43
54,67
60,47
65,79
70,63
74,99
78,87
82,30
85,29
87,89
90,11
91,99
93,57
94,88
95,96
96,84
97,56
98,12
98,57
98,92
99,20
99,40
99,56
99,68
0,06
4,78
12,71
20,51
28,12
35,45
42,45
49,07
55,27
61,02
66,29
71,09
75,40
79,23
82,62
85,57
88,12
90,31
92,16
93,71
95,00
96,06
96,92
97,62
98,17
98,61
98,95
99,22
99,42
99,58
99,69
0,07
5,58
13,50
21,28
28,86
36,16
43,13
49,71
55,87
61,57
66,80
71,54
75,80
79,59
82,93
85,84
88,36
90,51
92,33
93,85
95,12
96,15
97,00
97,68
98,22
98,65
98,98
99,24
99,44
99,59
99,70
0,08
6,38
14,28
22,05
29,61
36,88
43,81
50,35
56,46
62,11
67,29
71,99
76,20
79,95
83,24
86,11
88,59
90,70
92,49
93,99
95,23
96,25
97,07
97,74
98,27
98,69
99,01
99,26
99,46
99,60
99,71
0,09
7,17
15,07
22,82
30,35
37,59
44,48
50,98
57,05
62,65
67,78
72,43
76,60
80,29
83,55
86,38
88,82
90,90
92,65
94,12
95,34
96,34
97,15
97,80
98,32
98,72
99,04
99,29
99,47
99,61
99,72
56
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg - Fakultät V- Institut für Physik
Modul Grundpraktikum Physik – Teil I
Oszilloskop und Funktionsgenerator
Stichworte:
Anode, Kathode, Kathodenstrahlröhre, Elektronenablenkung, Ablenkplatten, Trigger, AC/DC-Kopplung, Gleichspannung, Wechselspannung, Frequenz, Kreisfrequenz, Periode, Amplitude, Phase, Phasendifferenz, Scheitel- und Effektivwert von Wechselspannungen, LISSAJOUS-Figuren, harmonische
Schwingung.
Messprogramm
Darstellung von Signalen eines Funktionsgenerators, Trigger-Level und Trigger-Flanke, zeitlicher
Verlauf der Lichtintensität einer Glüh- und einer Leuchtstofflampe, Scheitel- und Effektivwert der
Netzspannung, Untersuchung eines gedämpften periodischen Spannungssignals, Dauer eines Lichtblitzes, Frequenzstabilität eines Stroboskops, LISSAJOUS-Figuren.
Literatur:
/1/ WALCHER, W.: „Praktikum der Physik“, Teubner Studienbücher Physik, Teubner-Verlag, Stuttgart
/2/ EICHLER, H. J., KRONFELDT, H.-D., SAHM, J.: „Das Neue Physikalische Grundpraktikum“, Springer-Verlag,
Berlin u. a.
/3/ GERTHSEN, C. u.a.: „Physik“, Springer-Verlag, Berlin u. a.
1
Einleitung
Das Oszilloskop zählt zu den wichtigen Messinstrumenten in der experimentellen Physik. Mit ihm ist es
möglich, den Verlauf einer elektrischen Spannung Uy als Funktion der Zeit t oder als Funktion einer
Spannung Ux in „Echtzeit“ („Real-Time“) zu beobachten und quantitativ zu vermessen. Der zeitliche
Verlauf aller physikalischen Größen, die mit einem geeigneten Sensor (Messwertaufnehmer, Messgrößenaufnehmer) in eine elektrische Spannung umgewandelt werden können 1, ist mit einem Oszilloskop
darstellbar. Hinsichtlich der Amplitude und Frequenz der messbaren Signale bestehen nur wenige Einschränkungen: Ist man bereit, genügend viel Geld auszugeben, so lässt sich mit ziemlicher Sicherheit ein
Oszilloskop finden, das den gestellten Anforderungen gewachsen ist.
Auch im Grundpraktikum ist das Oszilloskop ein häufig eingesetztes Messgerät. In einigen Versuchen ist
es wesentlicher Bestandteil des Versuchsaufbaus und liefert die quantitativen Daten, die für die Versuchsauswertung benötigt werden. In anderen Versuchen dient es der qualitativen Kontrolle, ob eine
Schaltung richtig aufgebaut wurde und funktionstüchtig ist, ob ein Sensor das richtige Signal liefert usw.
Um die Versuche im Praktikum erfolgreich durchführen zu können, ist daher eine gründliche Kenntnis des
Oszilloskops unabdingbar.
Bis vor einigen Jahren waren vielfach noch Elektronenstrahl-Oszilloskope im Einsatz. Heute sind diese
Geräte überwiegend durch Digital-Speicher-Oszilloskope verdrängt worden. Auch in diesem Versuch und
im Praktikum generell wird mit Digital-Speicher-Oszilloskopen gearbeitet. Dennoch wird im Theorieteil
zunächst kurz das Prinzip des Elektronenstrahl-Oszilloskops dargestellt, da sich einige grundlegende
Funktionsprinzipien von Oszilloskopen damit einfach und anschaulich erklären lassen.
2
Theorie
2.1
Elektronenstrahl-Oszilloskop
Abb. 1 zeigt den schematischen Aufbau einer Oszilloskopröhre; die realen Bauformen der einzelnen Komponenten sind erheblich komplexer (Abb. 2). Die auf Massepotenzial (0 V) liegende Kathode K wird über
eine Heizwendel indirekt so weit aufgeheizt (Heizspannung UH), dass es zur Glühemission von Elektronen
1
Einzelheiten dazu werden im Versuch „Sensoren für Kraft, Druck, ...“ behandelt.
57
kommt. Im Abstand dA von der Kathode befindet sich die in der Mitte durchbohrte Anode A. Zwischen K
und A wird eine positive Hochspannung UA in der Größenordnung von 1000 V angelegt. Dadurch entsteht
zwischen K und A ein elektrisches Feld EA vom Betrag
(1)
EA =
UA
,
dA
durch das auf die Elektronen mit der Ladung e eine Kraft FA vom Betrag
(2)
FA = e E A
ausgeübt wird. Diese Kraft beschleunigt die Elektronen in Richtung Anode. Nach Durchtritt durch das Loch
in der Anode treffen die Elektronen auf den Leuchtschirm L, wo sie beim Auftreffen abgebremst werden
und den Phosphor des Schirms zur Fluoreszenz anregen. Dadurch entsteht ein sichtbarer Leuchtfleck,
dessen Größe mit Hilfe der Spannung UF an der Fokussiereinheit F minimiert werden kann.
Uy
K W F
Ux
A
UH~
- UW
+UA
L
+UF
Abb. 1:
Schematischer Aufbau einer Elektronenstrahl-Oszilloskopröhre. Bezeichnungen siehe Text. Die
strichpunktierte grüne Linie gibt schematisch die Bahn der Elektronen im Fall UX = UY = 0 an.
Abb. 2:
Foto des hinteren Endes einer Elektronenstrahl-Oszilloskopröhre. Es zeigt die komplexe Struktur der
Elektroden zur Formung und Steuerung des Elektronenstrahls. Am Ende der Röhre und rechts am
Röhrenmantel sind die Anschlusskontakte für die verschiedenen Elektroden zu erkennen.
Mithilfe einer negativen Spannung UW zwischen K und dem WEHNELT-Zylinder W kann die Intensität des
Leuchtpunktes variiert werden. Das durch UW hervorgerufene elektrische Feld EW ist zum Feld EA entgegen
gerichtet und bremst die Elektronen. Nur Elektronen ausreichender kinetischer Energie können die Anode
erreichen.
Die X- und Y-Ablenkplatten (blau in Abb. 1) bilden paarweise je einen Plattenkondensator und dienen zur
horizontalen und vertikalen Ablenkung des Elektronenstrahls. Wird an die Y-Ablenkplatten die Ablenkspannung UY angelegt, so entsteht zwischen den Platten bei einem Plattenabstand dY ein elektrisches Feld
EY vom Betrag
58
VOLTS
/ DIV
MODE
AC
CH1
X
Y1
CH 1
CH 2
CH 1 / CH 2
CH 1 + CH 2
DC
GND
UY
VOLTS
/ DIV
AC
CH2
Y
Y2
DC
TRIGGER
GND
AUTO
LEVEL
CH1
CH2
EXT
TRIG
NORM
EXT
LINE
SLOPE
NETZTEIL
230 V ~
SEC
/ DIV
KIPPGEN.
YT
UX
XY
Abb. 3:
Blockschaltbild der wichtigsten Funktionseinheiten eines Oszilloskops. Bezeichnungen siehe Text und
Abb. 4.
BNC-Buchse
- innen: Signalleitung
- außen: Massekontakt
Einheit zur Einstellung von z.B.
- Verstärkungsfaktor in VOLTS/DIV
- Zeitablenkung in SEC/DIV
- Triggerschwelle (LEVEL)
- Triggerflanke (SLOPE)
- Intensität (INTENS)
Verstärker
Schwellwertdiskriminator:
erzeugt Ausgangsimpuls, wenn
Eingangsspannung > Schwellwert
Abb. 4:
(3)
EY =
Erklärung von Blockschaltbild-Elementen.
UY
,
dY
durch das auf die Elektronen während ihres Durchflugs eine Kraft FY vom Betrag
(4)
=
FY e=
EY e
UY
dY
ausgeübt wird. Je nach Vorzeichen und Höhe der Spannung UY werden die Elektronen deshalb mehr oder
weniger stark nach oben oder unten abgelenkt und erreichen den Leuchtschirm in vertikaler Richtung an
einer anderen Stelle. Analoge Überlegungen gelten für die X-Ablenkplatten, mit denen eine Ablenkung der
Elektronen in horizontaler Richtung erreicht werden kann.
59
Abb. 3 zeigt in einem Blockschaltbild die wichtigsten (nicht alle!) Funktionseinheiten für die Ansteuerung
der einzelnen Elemente der Oszilloskopröhre. In Abb. 4 wird die Funktion der Blockschaltbild-Elemente
erklärt. Abb. 5 zeigt die Frontansicht der Steuereinheiten eines typischen Elektronenstrahl-Oszilloskops.
Bei dem mit Abb. 3 und Abb. 5 beschriebenen Gerät handelt es sich um ein so genanntes 2-Kanal-Oszilloskop mit zwei Signaleingängen. Die Eingänge sind als BNC-Buchsen ausgelegt und heißen Kanal 1
(Channel 1; häufig bezeichnet mit CH1 2 oder X oder Y1) und Kanal 2 (CH2 oder Y oder Y2). Zusätzlich
gibt es einen BNC-Eingang für ein externes Triggersignal (EXT INPUT oder EXT TRIG).
In der Stellung DC 3 des Kanal-Eingangsschalters gelangt das jeweilige Eingangssignal direkt auf einen
Eingangsverstärker, in der Schalterstellung AC 4 nur sein Wechselspannungsanteil 5. In der Stellung GND
(Ground) wird der Eingang auf Massepotenzial gelegt.
Mit dem Drehschalter VOLTS/DIV wird der Verstärkungsfaktor des Eingangsverstärkers variiert und
festgelegt, wie viel Volt (VOLTS) des Eingangssignals zu einer Elektronenstrahlablenkung von einer
Längeneinheit (einer DIVision, meistens 1 cm) auf dem Oszilloskopbildschirm führen. Die VOLTS/DIVEinstellung bestimmt also die vertikale Größe eines Signals auf dem Oszilloskopbildschirm. Die horizontale und die vertikale Lage des Oszilloskopbildes wird dagegen über die POSITION-Potentiometer
verändert, über die eine positive oder negative Gleichspannung variabler Größe zu den Ablenkspannungen
UY und UX hinzu addiert wird.
Abb. 5: Frontansicht der Steuereinheiten des Elektronenstrahl-Oszilloskops TEKTRONIX 2213A (Quelle:
TEKTRONIX-Manual).
2.1.1 XY- und YT-Betrieb
Das Oszilloskop kann je nach Einstellung der Funktionsgruppe MODE in verschiedenen Modi arbeiten:
−
2
3
4
5
Im XY-Betrieb wird der Signalverlauf Uy(Ux) dargestellt. Hierzu gelangt das Signal vom Eingang CH1
(X) über einen Eingangsverstärker als Spannung UX an die X-Ablenkplatten und das Signal vom
Eingang CH2 (Y) über einen Eingangsverstärker als Spannung UY an die Y-Ablenkplatten.
In der Schriftart ARIAL gesetzte Bezeichnungen entsprechen den Beschriftungen auf der Frontplatte des Oszilloskops.
DC: direct current (Gleichstrom); hier ist mit „DC“ Gleichspannungskopplung gemeint.
AC: alternating current (Wechselstrom); hier ist mit „AC“ Wechselspannungskopplung gemeint.
Einzelheiten zu Gleich- und Wechselspannungssignalen siehe Kapitel „Zum Aufbau elektrischer Schaltungen…“ dieses
Skriptes.
60
−
−
Im YT-Betrieb werden Signale als Funktion der Zeit t dargestellt: Uy1(t), Uy2(t) oder Uy1(t) + Uy2(t).
Hierzu gelangen die Signale von CH1 bzw. von CH2 nach Verstärkung an die Y-Ablenkplatten. Ein
Kippgenerator erzeugt eine Sägezahnspannung mit der Periodendauer td, die als Ablenkspannung UX
für eine periodisch sich wiederholende horizontale Ablenkung des Elektronenstrahls sorgt (s. Abb. 6).
Der Kippgenerator mit zugehörigen Komponenten (u.a. SEC/DIV-Schalter) wird auch als Zeitbasis
oder Time-Base bezeichnet.
Mit dem Zeitablenkschalter (SEC/DIV) wird im YT-Betrieb festgelegt, welche Zeit te der Elektronenstrahl benötigt, um auf dem Oszilloskopschirm in horizontaler Richtung eine Strecke von einer Längeneinheit (1 DIV) zurückzulegen. Bei einer Bildschirmbreite von m DIVisions gilt td = m te.
UX
tr
t
td
Abb. 6:
Sägezahnspannung des Kippgenerators. Während der Zeit td läuft der Elektronenstrahl mit gleichmäßiger
Geschwindigkeit von links nach rechts, während der Zeit tr läuft er von rechts nach links an den Bildanfang
zurück. Durch Verringerung von UW wird erreicht, dass der Strahl während des Rücklaufs nicht auf den
Leuchtschirm gelangt.
2.1.2 Synchronisierung (Triggerung)
Um auf dem Oszilloskopschirm ein periodisches Signal Uy(t) mit der Periodendauer T als stehendes Bild
darzustellen, muss Uy(t) mit der horizontalen Ablenkspannung UX(t) synchronisiert werden. Dieser Vorgang der Synchronisation heißt Triggerung. Sie wird über die Funktionseinheit Trigger gesteuert. Abb. 7
demonstriert die Triggerung anhand eines Beispiels für den Fall T ≥ td + tr. Der Kippgenerator erzeugt die
nächste Periode von UX(t) erst dann, wenn die Eingangsspannung Uy(t) gleich der Schwellenspannung UL
(TRIGGER LEVEL) ist und die Steigung (SLOPE) von Uy(t) das am Trigger-Schalter SLOPE eingestellte
Vorzeichen hat („+“ in dem in Abb. 7 dargestellten Fall). Nur wenn beide Bedingungen erfüllt sind wird
getriggert, d. h. der Elektronenstrahl läuft einmal von links nach rechts über den Oszilloskopschirm und
wartet anschließend am linken Rand auf das nächste Triggerereignis.
Uy
UL
T
t
UX
t
td + tr
Abb. 7:
Signaltriggerung. Oben Eingangssignal Uy(t), unten Signal UX(t) des Kippgenerators. UL: Trigger-Level.
Mit den Elementen der Funktionseinheit TRIGGER wird eingestellt, ob das Oszilloskop im oben
beschriebenen NORMal- oder im AUTO-Triggermodus betrieben werden soll:
−
Im NORMal-Modus kann eingestellt werden, auf welches Signal getriggert (synchronisiert) werden
soll. Möglich sind die INTerne Triggerung auf ein an CH1 oder CH2 anliegendes Signal, auf ein
EXTernes Signal, das dem Oszilloskop über die EXT INPUT / TRIG-Buchse zugeführt wird oder auf
die Netzspannung (LINE).
61
−
Im AUTO-Modus findet eine Triggerung wie im NORMal-Modus statt, falls das Eingangssignal die
Triggerbedingung erfüllt; andernfalls wird die nächste Periode der Sägezahnspannung auch ohne
Triggerung erzeugt. In dieser Betriebsart kann der Elektronenstrahl auch dann sichtbar gemacht werden, wenn der Kanal-Eingangsschalter auf GND steht. In diesem Fall ist Uy(t) = 0, sodass die Triggerbedingung (Uy > UL) für das Loslaufen des Elektronenstrahls gar nicht erfüllt werden kann.
Frage 1:
- Was bedeutet es für die Triggerung des Oszilloskops, wenn die TRIGGER-Wahlschalter auf
a) NORM, EXT, „-“,
b) NORM, CH1, „+“
stehen?
Frage 2:
- Auf dem Oszilloskopschirm mögen zwei sinusförmige Spannungsverläufe Uy1(t) und Uy2(t) zu sehen
sein. Wie lassen sich die Periodendauern T, die Frequenzen f und die Kreisfrequenzen ω der Signale
ermitteln? Wie lautet der formelmäßige Zusammenhang zwischen diesen Größen? Wie lassen sich die
Amplituden Uy1,0 und Uy2,0 der Spannungssignale bestimmen?
Frage 3:
- Angenommen, die Signale Uy1(t) und Uy2(t) haben die gleichen Frequenzen, sind jedoch seitlich gegeneinander versetzt, d. h. phasenverschoben. Wie lässt sich dann der Betrag der Phasenverschiebung ϕ (in
Grad) der beiden Signale ermitteln (Formel)?
2.2
Digital-Speicher-Oszilloskop
2.2.1 Grundlagen
Ein Digital-Speicher-Oszilloskop (kurz: Digital-Oszilloskop) ist im Grunde nichts anderes als ein Computer, der neben den üblichen Einheiten wie CPU, internem / externen Speicher, Bussystem und Software
folgende spezielle Komponenten enthält:
−
−
−
Ein Bedienfeld mit Drehknöpfen (z.B. VOLTS/DIV, SEC/DIV, LEVEL,…) und Tasten (z.B. CH1/2
MENU, TRIG MENU, CURSOR,…), s. Abb. 9 und Abb. 10, über die die Steuerung der Software
erfolgt (statt über Tastatur und Maus).
Eine Einheit zur Erfassung und Digitalisierung von Spannungssignalen, die an die BNC-Buchsen CH1,
CH2 und EXTR TRIG angelegt werden.
Einen LCD-Bildschirm zur Anzeige der erfassten Signale, zur Ausgabe von Messwerten und Einstellungsparametern sowie zur Darstellung der Menüs zur Gerätesteuerung (s. Abb. 11, Abb. 12, Abb. 13).
Die analogen Eingangssignale werden mit einem Analog/Digital-Wandler (A/D-Wandler) in digitale
Signale umgewandelt. Details dieses Wandlungsprozesses werden in einem separaten Versuch „Datenerfassung und –verarbeitung mit dem PC...“ behandelt. Deshalb werden im Folgenden nur einige Grundbegriffe erläutert.
Die Umwandlung analog → digital geschieht nicht kontinuierlich, sondern nur zu diskreten, periodisch
angeordneten Zeitpunkten, den so genannten Abtastpunkten (sampling points, Abb. 8). Die Häufigkeit, mit
der ein Signal abgetastet wird, ist durch die Abtastrate oder Abtastfrequenz fa vorgegeben, ihr Kehrwert ist
das Abtastintervall Ta. Je höher fa, je kleiner also Ta, desto präziser kann der zeitliche Verlauf eines
Eingangssignals dargestellt werden. Bei den im Praktikum eingesetzten Geräten beträgt fa maximal 1 GHz.
Die höchstmögliche Abtastfrequenz fa bestimmt nach dem Abtasttheorem 6 gleichzeitig die maximale
Frequenz fs eines harmonischen Eingangssignals, die mit einem Digital-Oszilloskop noch erfasst werden
kann. Für eine korrekte Signalerfassung muss die Bedingung
(5)
fa > 2 fs
erfüllt sein, andernfalls treten Fehler auf (Aliasing).
6
Weitere Details zum Abtasttheorem und zum Aliasing werden im späteren Versuch „Fourieranalyse“ behandelt.
62
U
Ta
t
Abb. 8:
∆U
Abtastung eines Sinussignals (rot). Die Abtastpunkte (blau) haben den zeitlichen Abstand Ta = 1/fa
voneinander. ∆U gibt die maximale Spannungsdifferenz im dargestellten Signal an.
Um den Spannungswert an einem Abtastpunkt möglichst genau bestimmen zu können, benötigt man einen
A/D-Wandler mit möglichst großer Auflösung, die durch die Zahl n der verfügbaren Bits gegeben ist. n Bits
erlauben eine relative Genauigkeit für Spannungsmessungen von 1/2n. Bei den im Praktikum eingesetzten
Typen ist n = 8, es können also 28 = 256 unterschiedliche Spannungswerte erfasst werden. Dazu zwei
Beispiele:
−
Bei einer Verstärkereinstellung am VOLTS/DIV-Schalter von 1 V/DIV und 8 Divisions in vertikaler
Richtung
können
Eingangssignale
mit
maximalen
Spannungsunterschieden
von
∆U = 1 V/DIV × 8 DIV = 8 V dargestellt werden. Einzelne Spannungswerte können dann mit einer
Genauigkeit (Auflösung) von 8 V/ 28 ≈ 30 mV gemessen werden. Spannungsunterschiede im Eingangsignal, die kleiner als ca. 30 mV sind, können demnach nicht aufgelöst werden.
−
Bei einer Verstärkereinstellung von 20 mV/DIV und 8 Divisions können Eingangssignale mit maximalen Spannungsunterschieden von ∆U = 20 mV/DIV × 8 DIV = 160 mV dargestellt werden. Die
Auflösung bei der Messung einzelner Spannungswerte beträgt dann 160 mV/ 28 ≈ 0,63 mV.
Für Messungen mit möglichst hoher Auflösung ist es deshalb wichtig, die Eingangssignale über die richtige
Einstellung am VOLTS/DIV-Schalter immer so weit zu verstärken, dass sie sich in vertikaler Richtung
annähernd über den gesamten Bildschirm erstrecken.
Eine weitere Größe, die die Güte eines Digital-Oszilloskops bestimmt, ist die maximale Zahl N von
Abtastwerten, die gespeichert werden können. Bei den im Praktikum eingesetzten Geräten ist N = 2.500.
Die Darstellung der Messwerte erfolgt auf einem Bildschirm mit z.B. 320 (horizontal) × 240 (vertikal)
Pixeln.
Die Signalspeicherung geschieht bei einem Digital-Oszilloskop kontinuierlich. Im Speicher stehen immer
die letzten N Abtastwerte des Signals zur Verfügung. Die Darstellung der Signale geschieht jedoch nur
dann, wenn eine Triggerung erfolgte. Die kontinuierliche Signalspeicherung hat den Vorteil, dass auch
Signalanteile vor dem Triggerzeitpunkt dargestellt werden können (Vortriggerung, englisch Pre-Triggering). So ist in der Grundeinstellung des Oszilloskops der Zeitpunkt, zu dem die Triggerung ausgelöst
wurde, in der horizontalen Bildmitte zu finden (s. Abb. 11). Mit Hilfe des HORIZONTAL POSITIONKnopfes kann dieser Zeitpunkt nach links und rechts verschoben werden.
63
Abb. 9:
Frontansicht des Digital-Oszilloskops TEKTRONIX Typ TDS 220 (Quelle: TEKTRONIX-Manual).
Abb. 10: Frontansicht des Digital-Oszilloskops TEKTRONIX TDS 1012B (Quelle: TEKTRONIX-Manual). Die Modelle
TDS 1012, TDS 1012B und TDS 2012C verfügen über die Möglichkeit der Datenspeicherung auf einer
SD-Karte bzw. einem USB-Speicherstick.
Abb. 11: Bildschirmfoto des Digital-Speicher-Oszilloskops TEKTRONIX TDS 1012, mit dem eine sinusförmige
Wechselspannung an CH1 gemessen wird. Durch Aktivierung der Funktion MESSUNG werden am
rechten Bildrand der Spitze-Spitze-Wert USS der Spannung (8,16 V) sowie ihre Frequenz (1,002 kHz)
ausgegeben. Unten wird die Einstellung der Parameter VOLTS/DIV (CH1 2.00V) und SEC/DIV (M
250µs) sowie die Höhe des TRIGGER LEVELs ( 560mV) angezeigt. Das Zeichen
bedeutet
Triggerung auf einen Signalabschnitt mit positiver Steigung (SLOPE). Der nach unten zeigende Pfeil am
oberen Bildrand markiert den Triggerzeitpunkt, der nach links zeigende Pfeil am rechten Bildrand den
TRIGGER LEVEL und der nach rechts zeigende Pfeil am linken Bildrand mit der Ziffer 1 die Lage der
0 V-Linie (GND) von CH1.
64
2.2.2 Menüsteuerung
Viele Funktionen des Digital-Oszilloskops werden über Menüs gesteuert. Nach der Betätigung einer Taste
wie CH1 MENU, MESSUNG / MEASURE, ERFASSUNG / ACQUIRE, DISPLAY usw. erscheint in
der rechten Spalte des Bildschirms ein Menü mit fünf untereinander angeordneten Feldern. Abb. 12 zeigt
als Beispiel das Menü nach Betätigung der Taste CH1 MENU. Die Einträge in den einzelnen Feldern lassen
sich durch Betätigung der rechts neben den Feldern liegenden Tasten verändern. So führt beispielsweise
eine mehrmalige Betätigung der Taste neben dem Feld Kopplung zur Änderung der Signalkopplung: DC
→ AC → GND → DC → AC → GND →… Weitere Menüs sind in Abb. 13 dargestellt.
Abb. 12: Menü auf dem Bildschirm (rechte Spalte) nach Betätigung der Taste CH1 MENU. Rechts daneben die
Tasten zur Änderung der Menüauswahl in den einzelnen Feldern.
Abb. 13: Menüs nach Betätigung unterschiedlicher Funktionstasten. Von links nach rechts und von oben nach unten
sind dargestellt: Menü DISPLAY (u.a. Umschaltung zwischen YT- und XY-Betrieb), Menü TRIGGER,
Menü ERFASSUNG und Menü MESSUNG.
2.2.3 Quantitative Messungen
Ein großer Vorteil von Digital-Oszilloskopen gegenüber analogen Geräten besteht in der Möglichkeit, die
gespeicherten Daten geräteintern verrechnen zu können. So können auf einfache Weise Signalmittelwerte,
65
Spitzenwerte von Signalen, Zeit- und Amplitudendifferenzen, Periodendauern, Signalfrequenzen usw.
gemessen werden.
Zur Messung von Parametern periodischer Signale (Periode, Frequenz, Amplitude usw.) eignet sich das
Menü MESSUNG / MEASURE. Die Ergebnisausgabe erfolgt jeweils am rechten und unteren Rand der
Anzeige. Abb. 11 und Abb. 13 unten rechts zeigen Beispiele.
Nichtperiodische Signale oder einzelne Spannungs- und Zeitwerte lassen sich mithilfe des CURSORMenüs messen (Abb. 14). Mit zwei horizontalen Cursorn (Spannungscursor) lassen sich Spannungswerte
und Spannungsdifferenzen bestimmen, mit zwei vertikalen Cursorn (Zeitcursor) Zeitwerte und Zeitdifferenzen. Die Cursor lassen sich mit Hilfe der POSITION-Knöpfe (Typ TDS 1012) oder mit einem separaten
Drehknopf (Typ TDS 1012B / 2012C) verschieben. Die zu den Cursorpositionen gehörenden Messwerte
werden jeweils in Anzeigefeldern am rechten Bildrand ausgegeben.
Abb. 14: CURSOR-Menüs. Links zwei Spannungscursor (Typ Amplitude), die die Maxima (CURSOR 1,
100 mV) und die Minima (CURSOR 2, -102 mV) des Signals an CH1 markieren. ∆V zeigt die
Spannungsdifferenz beider Cursorwerte an (202 mV). Rechts zwei Zeitcursor (Typ Zeit), die den Beginn
(CURSOR 1, - 90 µs) und das Ende (CURSOR 2, 910 µs) einer Periode des Signals an CH1 markieren.
∆t zeigt die Zeitdifferenz beider Cursorwerte an (1.000 ms).
2.2.4 Speicherung von einmaligen Signalen
Ein weiterer Vorteil von Digital-Oszilloskopen gegenüber analogen Geräten besteht in der Möglichkeit,
einmalige Signale erfassen und speichern zu können. Ein Beispiel für solche Signale sind Spannungsimpulse, die eine Fotodiode nach Bestrahlung mit einem kurzen Lichtblitz ausgibt. Über das TRIGGERMenü kann man die Bedingungen einstellen (PEGEL / LEVEL, FLANKE / SLOPE,…) unter denen eine
einmalige Signalaufzeichnung erfolgen soll. Durch Betätigung der Taste RUN / STOP bzw. SINGLE
SEQ wird das Oszilloskop anschließend in eine Wartestellung versetzt (Anzeige READY in oberer
Menüzeile). Erfüllt das Eingangssignal danach die Triggerbedingungen, erfolgt die Aufzeichnung. Aufgrund der Pre-Triggerung (s. Kap. 2.2.1) ist dann auch der Signalverlauf direkt vor dem Auslösen des
Triggerereignisses sichtbar.
3
Versuchsdurchführung
Zubehör:
Digital-Oszilloskop TEKTRONIX TDS 1012 / 1012B / 2012C / TBS 1102B, 2 Funktionsgeneratoren
(TOELLNER 7401 und AGILENT 33120A / 33220A), Signalformer, Stroboskop, Blitzgerät (METZ 44 AF1), Fotodetektor (Si-Fotoelement SIEMENS BPY64P), Glühlampe und Leuchtstofflampe in lichtdichtem
Kasten, hochohmiger Spannungsteiler 100:1 zur Teilung der Netzspannung.
Hinweise:
Einzelheiten zum Betrieb der zur Verfügung stehenden Geräte, insbesondere der Oszilloskope, müssen
bei Bedarf in den bereitliegenden Gerätehandbüchern nachgelesen werden. Das Erlernen des Umgangs
mit Handbüchern (auch englischsprachigen) gehört mit zu den Lernzielen im Praktikum!
66
Im Laufe des Studiums wird man immer wieder mit Oszilloskopen arbeiten müssen, die jeweils anders
aussehen und unterschiedlich in ihrer Bedienung sind. Es wäre daher falsch, sich im Praktikum an nur
einen Gerätetyp zu gewöhnen. Im Gegenteil, man sollte im eigenen Interesse häufig zwischen verschiedenen Modellen wechseln, um genügend Routine beim Umgang mit den Geräten zu erwerben.
Die Versuche werden mit dem Funktionsgenerator (FG) TOELLNER 7401 durchgeführt. Der Funktionsgenerator AGILENT 33120A / 33220A kommt nur im Versuch 3.10 zum Einsatz.
Manchmal kann es hilfreich sein, die AUTOSET-Taste am Oszilloskop zu betätigen. Das Gerät analysiert dann das Eingangssignal und stellt es mit daraus abgeleiteten Einstellungen dar.
3.1
Erzeugung eines Punktes
In der Mitte des Bildschirmes soll ein ruhender Punkt erzeugt werden. Dazu muss das Oszilloskop auf XYBetrieb (Menü DISPLAY) eingestellt werden. Durch welche Bedienungselemente lässt sich die vertikale
und horizontale Lage des Punktes verändern?
3.2
Erzeugung eines vertikalen Striches
Im XY-Betrieb soll in der Mitte des Bildschirms ein vertikaler Strich mit einer Länge von 6 DIVisions
erzeugt werden. Dazu muss ein geeignetes Signal aus dem Funktionsgenerator (Buchse OUTPUT) an den
Y-Kanal gelegt werden. Durch welche Bedienungselemente des Oszilloskops und des Funktionsgenerators
lassen sich die Länge und die Lage des Striches beeinflussen? (Alle Möglichkeiten ausprobieren!)
3.3
Ausgangssignale eines Funktionsgenerators
Im YT-Betrieb sollen nacheinander die verschiedenen Ausgangssignale (Sinus-, Dreieck-, Rechtecksignal)
des Funktionsgenerators an CH1 dargestellt werden. Variieren Sie die Frequenz, die Amplitude und den
Gleichspannungsanteil (DC-OFFSET) am FG und beobachten Sie die zugehörigen Signaländerungen auf
dem Oszilloskop. Um Änderungen bei Variation des Gleichspannungsanteils beobachten zu können, muss
am Oszilloskop die DC-Kopplung (CH1/2 MENU) eingestellt sein. Stellen Sie gleichzeitig mit dem
Ausgangssignal des FG das Signal an der Buchse TTL OUT 7 dar. Dokumentieren Sie für alle drei
Signalformen das Ausgangssignal zusammen mit dem TTL-Signal entweder per Handskizze oder mit
einem Bildschirmfoto (siehe Anhang, Kap. 4). Geben Sie den maximalen und minimalen Spannungswert
des TTL-Signals sowie seine Phasenlage relativ zu den Ausgangssignalen (Sinus, Dreieck, Rechteck) an.
3.4
Trigger-Level und Trigger-Flanke
Der Funktionsgenerator (DC-OFFSET OFF) wird an CH1 des Oszilloskops angeschlossen. Auf dem
Schirm wird ein Bild entsprechend Abb. 15 erzeugt, d. h. ein „Sinussignal mit Grundlinie“. Die Amplitude
des Sinussignals soll 1 V betragen, die Frequenz 2 kHz und auf dem Schirm soll genau eine Periode sichtbar
sein. Getriggert wird im NORMal-Modus (TRIG MENU), der Triggerzeitpunkt soll am linken Bildrand
liegen.
Das Sinussignal soll am linken Rand nacheinander bei einem Argument (Phasenwinkel) von 0°, 45°, 90°,
135°, 180°, 225° und 270° beginnen, ohne dass die Einstellung der HORIZONTAL POSITION am
Oszilloskop dabei verändert wird. Wie müssen der PEGEL / LEVEL und die FLANKE / SLOPE der
Triggereinheit dazu eingestellt werden? (Darstellung der Ergebnisse in Tabellenform; Trigger-Level für die
jeweiligen Phasenwinkel ausrechnen, am Oszilloskop einstellen und in die Tabelle eintragen.)
7
Siehe Erläuterungen zu den Ausgangssignalen eines FG im Kapitel „Zum Aufbau elektrischer Schaltungen…“ im
Versuchskript.
67
Abb. 15: Oszilloskopbild eines Sinussignals mit Grundlinie (rot). Jedes Kästchen hat die Größe 1 DIV × 1 DIV.
3.5
Quantitative Messung eines Spannungssignals
Mit Hilfe eines Fotodetektors ist es möglich, den zeitlichen Verlauf einer Lichtintensität I(t) in ein dazu
proportionales Spannungssignal U(t) umzuwandeln. Mit dem zur Verfügung stehenden Fotodetektor soll
der zeitliche Verlauf der Lichtintensität einer an das Stromnetz (50 Hz Wechselspannung) angeschlossenen
Glühlampe und einer Leuchtstofflampe (Abb. 16) mit dem Oszilloskop gemessen werden (Frequenz,
Amplitude, Signalform (Skizze)). Dabei soll insbesondere auf charakteristische Unterschiede in den
Signalen beider Lampen geachtet werden.
Zur Messung wird der Fotodetektor auf die Öffnung des Lampenkastens gelegt und die jeweilige Lampe
eingeschaltet. I(t) enthält einen Gleichanteil IDC und einen deutlich kleineren zeitlich variierenden Anteil
IAC. Nur das zu IAC gehörende Spannungssignal wird auf dem Oszilloskop dargestellt und vermessen.
Frage 4:
- Warum enthält I(t) einen Gleichanteil IDC?
Bei der Messung der Signale wird auffallen, dass sie von einem Rauschsignal kleiner Amplitude überlagert
sind. Bei periodischen Signalen lässt sich dieser Rauschanteil durch Mittelwertbildung verringern. Dazu
wählt man die Betriebsart ERFASSUNG / ACQIRE → MITTELWERT, in der die Signale über 4, 16,
64 oder 128 Zeitintervalle der Länge ∆t gemittelt werden können. ∆t entspricht dabei der Breite des auf
dem Bildschirm angezeigten Zeitbereichs: ∆t = 10 × te, wobei te der eingestellte SEC/DIV-Wert ist.
Schalten Sie zwischen den Erfassungsmodi NORMALE ABTASTUNG und MITTELWERT um, variieren
Sie die Zahl der Zeitintervalle, über die gemittelt wird und dokumentieren Sie die Änderungen in den
dargestellten Signalen.
Spule
Leuchtstoff
U~
Elektroden
Gas
Glimmstarter
Abb. 16: Blockschaltbild einer Leuchtstofflampe.
Frage 5:
- Abb. 16 zeigt das Blockschaltbild einer Leuchtstofflampe. Wie funktioniert die Lampe prinzipiell?
Worin besteht der wesentliche Unterschied zu einer Glühlampe?
68
3.6
Scheitel- und Effektivwert der Netzspannung
Mit einem hochohmigen Spannungsteiler wird die Netzspannung im Verhältnis 100:1 auf zwei Widerstände
aufgeteilt (Abb. 17; Genauigkeit der Widerstände ± 1 %). 8
100 R1
Netzspannung
230 V ~
L
R1
CH 1
Abb. 17: Hochohmiger Spannungsteiler zur Teilung der Netzspannung mit Kontrolllämpchen L (rot).
Achtung:
 Beim Anschluss des Spannungsteilers an die Netzspannung muss unbedingt auf richtige Polung geachtet werden! Bei richtiger Polung leuchtet das rote Kontrolllämpchen L auf, bei falscher Polung nicht.
In diesem Fall muss der Netzstecker umgedreht werden! Keinesfalls darf das Oszilloskop bei falscher
Polung angeschlossen werden!
 Aus Sicherheitsgründen ist ein Einsatz der beschriebenen Spannungsteilerschaltung nur durch geschultes Personal zulässig (Gefahr der Berührung von Netzspannung bei falschem Einsatz der Schaltung
oder bei Leitungsbruch). Das Kabel am Widerstand R1 darf daher erst angeschlossen werden, nachdem
die Schaltung durch eine betreuende Person überprüft wurde!
Über dem kleineren Widerstand R1 wird die Spannung abgegriffen, auf CH1 des Oszilloskops gegeben und
Form, Frequenz und Amplitude gemessen.
Frage 6:
- Wie groß ist die Amplitude (der Scheitelwert) der Netzspannung, wie groß ihr Effektivwert (sinusförmige Netzspannung vorausgesetzt)? Wie groß wäre der Effektivwert einer rechteckförmigen Wechselspannung gleicher Amplitude?
Frage 7:
- Welcher Strom (Effektivwert) fließt durch eine Heizplatte, die mit Wechselstrom betrieben wird und
deren Typenschild die Angabe „230 V / 1,5 kW“ trägt? Wie groß ist der Scheitelwert dieses Stromes?
3.7
Untersuchung eines gedämpften periodischen Spannungssignals
An den Eingang eines Signalformers wird eine Rechteckspannung angelegt (Frequenz 10 kHz, Amplitude
einige V). Dieser Signalformer wird als „Black Box“ behandelt, dessen Funktionsprinzip hier nicht interessiert. Wichtig ist nur, dass am Ausgang des Signalformers ein Spannungssignal vorliegt, dessen Verlauf
dem einer gedämpften harmonischen Schwingung entspricht.
Frage 8:
- Der Spannungsverlauf U(t) einer gedämpften harmonischen Schwingung (siehe Abb. 18) mit der
Anfangsamplitude U0, der Kreisfrequenz ω und der Dämpfungskonstanten α lässt sich als Funktion der
Zeit t schreiben als:
(6) U ( t ) = U 0 cos (ω t ) e −α t
Die mit der Zeit abnehmenden Amplituden der Teilschwingungen seien Ui (i = 1, 2, 3,…, s. Abb. 18).
Was für ein Funktionsverlauf ergibt sich, wenn die Ui über i a) linear und b) halblogarithmisch aufgetragen wird? (Die i-Achse soll jeweils linear skaliert sein.)
8
Zur Vermessung der Netzspannung wird ein Spannungsteiler statt eines Netztransformators benutzt, um die Form der
Netzspannung nicht zu verfälschen.
69
Das Ausgangssignal des Signalformers wird an CH1 des Oszilloskops angeschlossen. Die Triggerung und
Zeitablenkung des Oszilloskops wird so eingestellt, dass eine gedämpfte Schwingung vollständig und von
einer weiteren der Anfang auf dem Schirm zu sehen ist. Anschließend werden folgende Signaldaten
gemessen:
a) Frequenz der gedämpften Schwingung,
b) Spannungsamplituden Ui der ersten 5 Teilschwingungen.
Stellen Sie im Versuchsprotokoll Ui als Funktion von i grafisch dar (linear und halblogarithmisch) und
vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit den Erwartungen gemäß Frage 8.
1,0
U1
U/ V
0,5
U2
0,0
-0,5
-1,0
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
t/s
Abb. 18: Gedämpfte harmonische Schwingung gem. Gl. (6). U0 = 1V ist die Anfangsamplitude, U1 und U2 sind die
Amplituden der beiden nachfolgenden Teilschwingungen.
3.8
Frequenzstabilität eines Stroboskops
Die Aufgabe in diesem Versuchsteil besteht darin, quantitative Aussagen über die Frequenzstabilität eines
Stroboskops zu machen, dessen Lichtblitze mit einem Fotodetektor in Spannungsimpulse umgewandelt
werden. Ein Maß für diese Frequenzstabilität ist die maximale Zeitspanne ∆T, um die der Abstand zwischen
aufeinander folgenden Stroboskopblitzen mit dem mittleren Impulsabstand T variiert (s. Abb. 19).
∆T
U
1. Impuls (getriggert)
2. Impulse
t
T
t0
Abb. 19: Oszilloskopbild einer zeitlich schwankenden Impulsfolge.
Zur Lösung der angegebenen Aufgabe wird das Oszilloskop im NORMal-Triggermodus auf das Spannungssignal des Fotodetektors getriggert. Das Stroboskop wird bei einer Frequenz von f ≈ 30 Hz betrieben.
Die Zeitablenkung wird so eingestellt, dass ein Zeitintervall der Länge t0 ≈ 1,1 T ≈ 1,1 f auf dem Bildschirm zur Darstellung kommt.
Danach wird der Triggermodus auf Einzelimpulserfassung umgestellt (Taste SINGLE SEQ beim Typ TDS
1012 / 1012B bzw. Triggermodus SINGLE SHOT beim Typ TDS 210/220). Dadurch wird erreicht, dass
nach Betätigung der RUN/STOP-Taste jeweils ein Impulsverlauf gespeichert und dargestellt wird, wie er
sich nach erfolgter Triggerung ergibt. Vor der Triggerung erscheint im Display READY (das Oszilloskop
wartet auf das Erreichen der Triggerschwelle), nach der Triggerung erscheint STOP. Mit Hilfe der
Zeitcursor kann der Impulsabstand T zwischen dem ersten Impuls, auf den getriggert wurde, und dem
70
zweiten Impuls vermessen werden. Durch mindestens zehnmalige Wiederholung der Messung (jeweils
erneut die RUN/STOP-Taste betätigen) wird ein brauchbarer Schätzwert für das Zeitintervall ∆T ermittelt
und in Relation zum mittleren Impulsabstand T angegeben.
3.9
Dauer eines Lichtblitzes
Mit Hilfe eines Fotodetektors soll die Dauer des Lichtblitzes aus einem Foto-Blitzgerät ermittelt werden
(Taste M am Blitzgerät so oft drücken, bis die LED über 1/64 aufleuchtet). Der Blitz wird aus ca. (0,5 –
1) m auf den Fotodetektor gerichtet und ausgelöst. Das Signal des Fotodetektors wird mit dem Oszilloskop
im SINGLE SEQ / SINGLE SHOT-Modus erfasst.
Da die Dauer des Lichtblitzes kurz ist (< 1 ms) und die Lichtintensität des Blitzes schnell ansteigt und
abfällt, muss ein schneller Fotodetektor verwendet werden. Darunter versteht man einen Detektor, der
Lichtimpulse mit kurzer Anstiegs- und Abfallzeit messen kann. Bei dem verwendeten Fotodetektor erreicht
man dies dadurch, dass man die Ausgangskontakte des Fotodetektors mit einem 50 Ω -Widerstand
verbindet und die Spannung über diesem Widerstand misst. Man spricht in dem Fall von einem 50 ΩAbschluss des Detektors 9. Der physikalische Grund für diese Beschaltung wird bei den späteren Versuchen
„Messung von Kapazitäten....“ und „Sensoren...“ klar werden.
Als Dauer des Lichtblitzes soll die 10%-Breite tb des aufgezeichneten Spannungsimpulses angegeben
werden, wie sie in Abb. 20 definiert ist. Eine Skizze bzw. ein Bildschirmfoto (vgl. Kap. 4) des aufgezeichneten Impulses wird dem Protokoll beigefügt.
U
U0
0,1 U0
tb
t
Abb. 20: Zur Definition der 10%-Breite tb eines Spannungsimpulses U(t) mit der Amplitude U0.
3.10 Lissajous-Figuren
LISSAJOUS-Figuren entstehen durch Überlagerung von zwei sinusförmigen Signalen Ux(t) und Uy(t), die im
XY-Betrieb an die beiden Eingänge des Oszilloskops gelegt werden.
Frage 9:
- Wie sieht eine LISSAJOUS-Figur aus, die durch die Überlagerung zweier Sinussignale mit dem Amplitudenverhältnis 1:2 und dem Frequenzverhältnis 2:3 entsteht? (Skizze mit Matlab zeichnen. Die
Phasenverschiebung zwischen beiden Signalen zur Zeit t = 0 sei 0.)
Auf dem Oszilloskop sollen LISSAJOUS-Figuren durch die Überlagerung von zwei sinusförmigen Wechselspannungen aus den Funktionsgeneratoren AGILENT und TOELLNER erzeugt werden. Die Figuren sollen
in horizontaler und vertikaler Richtung etwa die gleiche Ausdehnung haben. Der Funktionsgenerator
AGILENT wird auf eine feste Frequenz von f1 = 50 Hz eingestellt, am Funktionsgenerator TOELLNER wird
die Frequenz f2 variiert. Es soll versucht werden, möglichst ruhige Bilder für Frequenzen von f2 = (25, 50,
100, 150, 200) Hz zu erzeugen. Die entstehenden Bilder sollen dokumentiert und interpretiert werden.
Frage 10:
- Was könnte die Ursache dafür sein, dass keine dauerhaft stehenden Bilder erzeugt werden können?
9
Ein 50 Ω-Abschluss lässt sich realisieren, indem man auf die BNC-Buchse des Fotodetektors ein T-Stück aufsetzt. An einen
Ausgang des T-Stücks schließt man einen 50 Ω-Widerstand an, an den anderen das Verbindungskabel zum Oszilloskop.
71
4
Anhang
Um ein Bildschirmfoto des Digital-Oszilloskops auf einem USB-Stick bzw. einer SD-Card zu speichern,
müssen folgende Tastenfolgen gedrückt werden:
Grundeinstellungen (müssen nur einmal vorgenommen werden):
SAVE/RECALL
Dateiformat
Verzeichnis auswählen
→ Aktion
→ TIFF
→ GPRnn 10
→ Bild speichern
→ Verzeichnis wechseln
Bild speichern:
Speichern / PRINT
→ TEKnnnn.TIF
nnnn ist die Bildnummer. Sie wird nach jedem Speichervorgang automatisch um 1 erhöht.
10
nn ist die Gruppennummer; Auswahl mit dem Drehknopf oben links.
Empfohlene Werte ausgewählter physikalischer Konstanten (Stand 2014)
Konstante
Atomare Masseeinheit
Symbol
u
Wert
1,660 539 040 (20)⋅10-27
Einheit
kg
Avogadro-Konstante
NA
6,022 140 857 (74)⋅1023
mol-1
Boltzmann-Konstante
k
1,380 648 52 (79)⋅10-23
J/K
Elektrische Feldkonstante: 1/(µ0c2)
ε0
8,854 187 817...⋅10-12
Elementarladung
e
-19
Faraday-Konstante
F
96 485,332 89 (59)
C/mol
Gravitationskonstante
G
6,674 08 (31)⋅10-11
m3/(s2kg)
Lichtgeschwindigkeit im Vakuum
c
2,99792458⋅108
Magnetische Feldkonstante: 4π⋅10-7
µ0
1,256 637 0614…⋅10-6
Molare Gaskonstante
R
Plancksche Konstante
h
6,626 070 040(81)⋅10-34
Js
Ruhemasse des Elektrons
me
9,109 383 56(11)⋅10-31
kg
Ruhemasse des Neutrons
mn
1,674 927 351 (74)⋅10
-27
kg
Ruhemasse des Protons
mp
1,674 927 471 (21)⋅10-27
kg
Standard-Erdbeschleunigung
g
9,80665
1,602 176 6208 (98)⋅10
1
Bemerkung
As/(Vm)
exakt
As
m/s
exakt
Vs/(Am)
exakt
8,314 4598 (48) J/(mol K)
m/s2
exakt
(Definition)
Die in Klammern stehenden Zahlen geben die einfache Standardabweichung in Einheiten der letzten Dezimalen an.
Präfixe
Faktor
deci
10-2
centi
10
Symbol
Faktor
Name
Symbol
d
10
1
deka
da
c
102
hecto
h
10
3
kilo
k
6
mega
M
10
-3
milli
m
10
-6
micro
µ
10
10-9
nano
n
109
giga
G
12
tera
T
-12
pico
p
10
10-15
femto
f
1015
peta
P
a
18
exa
E
21
10
-18
10
1
Name
-1
atto
10
10
-21
zepto
z
10
zetta
Z
10-24
yocto
y
1024
yotta
Y
Quelle: Peter J. Mohr; David B. Nevell; Barry N. Taylor: "CODATA Recommended Values of the Fundamental
Physical Constants: 2014", arXiv: 1507.07956v1 [physics.atom-ph] 21 Jul 2015. Siehe auch unter:
http://arxiv.org/pdf/1507.07956v1.pdf und unter http://physics.nist.gov/cuu/Constants/index.html.
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