Michael Helbig p-adische Funktionentheorie Die Zahlen Cp und ihre Analysis im Vergleich zur klassischen Funktionentheorie 6 |a3 |p %3 |a4 |p %4 |a2 |p %2 M%f »»» »» »» »» »»» %0 »» |a1 |p % »» »»» %00 |a0 |p r - p-adische Funktionentheorie Die Zahlen Cp und ihre Analysis im Vergleich zur klassischen Funktionentheorie Michael Helbig Diplomarbeit bei Prof. Dr. Wolfgang Zimmermann Mathematisches Institut Ludwig-Maximilians-Universität München 15. Dezember 2004 Zusammenfassung Mit p-adischer Funktionentheorie wird die Analysis bezeichnet, die im padischen Analogon zu den komplexen Zahlen C betrieben wird. Diese heißen komplexe p-adische Zahlen und werden mit Cp bezeichnet. Thema dieser Arbeit soll es sein, eben dieses p-adische Analogon zu konstruieren und dann herauszufinden, ob und wie weit sich die p-adische Funktionentheorie zur klassischen Funktionentheorie analog verhält. Beides, die Analogien, wie die Unterschiede, ist faszinierend und es kommt einem vor, als ob man auf die Analysis durch eine verzerrende Brille blickt. Durch zahlreiche Beispiele wurde versucht, dies deutlich zu machen. Der besondere Reiz der p-adischen Funktionentheorie mag aber vielleicht auch in der Mischung von Algebra, Zahlentheorie und Analysis liegen. Anfangs wird eine historische Einführung gegeben und dann im ersten und zweiten Kapitel werden die p-adischen Zahlen Qp und Cp konstruiert und die wichtigsten Tatsachen über sie zusammengestellt. Im Anschluss daran wenden wir uns dem eigentlichen Anliegen dieser Arbeit, der p-adischen Funktionentheorie, zu: Im dritten Kapitel werden die Grundlagen der Analysis in Cp , wie Geometrie, Topologie, Folgen und Reihen, diskutiert - immer mit Blick auf die klassische Analysis. Auch zur Stetigkeit, Differentiation und Integration wird Stellung genommen. Die Potenzreihen bekommen wegen ihrer Wichtigkeit in der p-adischen Funktionentheorie ein eigenes viertes Kapitel. Darauf folgend kommen wir im fünften Kapitel zu den Höhepunkten dieser Arbeit: Es werden p-adische Analogien zu klassischen Sätzen, die mit Namen wie Cauchy, Liouville, Weierstraß und anderen verbunden sind, behandelt. Stets wurde großer Wert auf Beispiele gelegt und so soll dies auch abschließend und ausklingend im sechsten und letzten Kapitel geschehen: es werden einige wichtige klassische Funktionen näher betrachtet und die vorher gewonnene Theorie auf sie angewendet. Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis verrät einem mehr Details. Ich habe versucht alles neu aufzuschreiben, um es in einer zusammenhängenden Geschichte zu erzählen, und habe dabei viel selbst gerechnet. In diesem Sinne: Salvo errore calculi et omissione. Herzlich danken möchte ich an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Wolfgang Zimmermann, der mir dieses schöne Thema gestellt und mich ausgezeichnet betreut hat; er hatte stets ein offenes Ohr für meine Anliegen und hat mich dabei immer sehr freundlich und hilfreich unterstützt. Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung 1 Inhaltsverzeichnis 2 Einführung: Warum p-adische Zahlen? Diophantische Gleichungen . . . . . . . . . Kurt Hensels Analogie . . . . . . . . . . . . Anwendung auf die Arithmetik . . . . . . . Historischer Abriss der p-adischen Analysis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 6 7 9 13 1 Die 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 reellen p-adischen Zahlen Qp Wie hat man sich Q vorzustellen? . . . . . Bewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . Analysis in nicht-archimedischen Körpern Was erwartet man von Zahlen? . . . . . . Q ist nicht vollständig! . . . . . . . . . . . Qp als Vervollständigung von Q . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 14 15 19 23 25 26 2 Die 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 komplexen p-adischen Zahlen Cp Qp ist nicht algebraisch abgeschlossen! . . . . . . Endlich-dimensionale normierte Vektorräume . . Endliche Körpererweiterungen von Qp . . . . . . Algebraischer Abschluss Qp . . . . . . . . . . . . Qp ist nicht vollständig! . . . . . . . . . . . . . . Cp als Vervollständigung von Qp . . . . . . . . . Zusammenfassung: Q ⊂ Qp ⊂ Cp und Q ⊂ R ⊂ C . . . . . . . 30 30 32 34 39 42 46 48 . . . . . . . . 49 49 50 53 56 56 58 62 65 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Grundlagen der p-adischen Funktionentheorie 3.1 Elementare Geometrie und Topologie ultrametrischer 3.1.1 Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Topologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Konvergenz von Folgen und Reihen . . . . . . . . . . 3.2.1 Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Umordnungssätze für Reihen . . . . . . . . . . . . . 3.4 Stetigkeit, Differentiation, Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsverzeichnis 3 4 Potenzreihen 4.1 Formale Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Konvergenz von Potenzreihen über Cp . . . . . . . . . . . . 4.3 Beispiele von Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Addition und Multiplikation von konvergenten Potenzreihen 4.5 Komposition von Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Durch Potenzreihen definierte Funktionen . . . . . . . . . . 4.7 Analytische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Sätze der p-adischen Funktionentheorie 5.1 Cauchysche Ungleichung und Wachstumsmodul . . 5.2 Satz von Liouville . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Nullstellen und Weierstraßscher Vorbereitungssatz 5.3.1 Nullstellen und kritische Sphären . . . . . . 5.3.2 Polynome und eingeschränkte Potenzreihen 5.3.3 Weierstraßscher Vorbereitungssatz . . . . . 5.3.4 Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Ganze Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Maximumprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 68 70 72 78 78 87 89 . . . . . . . . . 92 92 98 100 100 102 105 112 119 122 6 Ausgewählte Funktionen 124 6.1 Exponential- und Logarithmusfunktion . . . . . . . . . . . . . . . 124 6.2 Cosinus- und Sinusfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 6.3 Binomialfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Literaturverzeichnis 132 Erklärung 135 Einführung: Warum p-adische Zahlen? Im letzten Jahrhundert erlangten die p-adischen Zahlen und die p-adische Analysis eine zentrale Rolle in der modernen Zahlentheorie. Der Grund dafür ist, dass die p-adischen Zahlen eine natürliche und mächtige Sprache bieten, um über Kongruenzen von ganzen Zahlen zu sprechen. Die p-adische Analysis macht für solche Fragestellungen Methoden aus der klassischen Analysis anwendbar. Mittlerweile haben p-adische Konzepte auch Einzug in andere Gebiete der Mathematik gehalten; ja sogar in die Physik. In der Quantenphysik benutzt man zum Beispiel die im p-adischen Kontext gültige verschärfte Dreiecksungleichung |x + y| ≤ max(|x|, |y|), um das Verhalten der Raumzeit in sehr kleinen Skalen zu beschreiben. Die padische Quantenphysik, die in den 80er Jahren gegründet wurde, erhielt in den letzten Jahren sehr großes Interesse. Hier ist es notwendig, sich verstärkt mit p-adischer Funktionalanalysis zu beschäftigen, also der Theorie der Räume von p-adischen Funktionen. Diese sind ganz allgemein lokal-konvexe Räume über nicht-archimedisch bewerteten Körper; siehe dazu [Sch02] und [PG03]. Wir beschränken uns aber fast nur auf die p-adische Analysis; es wird gleich vorweg genommen, dass hier die Idee verfolgt wird, einen neuen Abstandsbegriff auf den rationalen Zahlen Q einzuführen. Bezüglich dieses Abstandsbegriffes betrachtet man die Vervollständigung (d.h. eine Erweiterung, in der alle Cauchy-Folgen konvergieren und die rationalen Zahlen dicht liegen): dies sind die p-adischen Zahlen Qp . Das entspricht aber nicht der Entstehungsgeschichte der p-adischen Zahlen: Es sei ausdrücklich gesagt, dass die p-adischen Zahlen nicht vom Verlangen einer Verallgemeinerung des Abstandsbegriffes erwachsen sind, sondern vielmehr aus konkreten Problemen der Arithmetik. Diesem historischen Aspekt soll diese Einführung gerecht werden, ganz nach Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832): Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt. Zuerst soll das Warum der p-adischen Zahlen, nämlich Diophantische Gleichungen, beleuchtet werden. Danach wird die Idee von Kurt Hensel (1861-1941) aus [Hen08] dargestellt, der hoffte, damit der Lösung dieses Problems näher zu kommen. Wie Hensel sich dies gedacht hat, soll abschließend gesagt werden, 6 Einführung: Warum p-adische Zahlen? nämlich die Anwendung der p-adischen Zahlen auf Kongruenzen von ganzen Zahlen. Im Idealfall kann man dann Rückschlüsse auf Diophantische Gleichungen ziehen. Wie man heute weiß, war die Idee der p-adischen Zahlen sehr fruchtbar, aber die Frage nach der Lösbarkeit von Diophantischen Gleichungen ist damit noch längst nicht erschöpfend beantwortet. Es ist nämlich auch heute immer noch ein Problem, das im Brennpunkt des Forschungsinteresses steht, und das noch viele solche neue Ideen verlangt. Man denke nur an den bekannten Satz von Pierre de Fermat (1601-1665),1 der besagt, dass für n ≥ 3 die Gleichung X1n + X2n = X3n keine ganzzahligen Lösungen besitzt. Dies ist aber nur ein Spezialfall von folgendem: Diophantische Gleichungen Die eigentliche Bestimmung der p-adischen Zahlen liegt in der Arithmetik, nämlich bei Diophantischen Gleichungen F (X1 , . . . , Xn ) = 0, F ∈ Z[X1 , . . . , Xn ]. Hierbei stellt sich die Frage nach der Lösbarkeit in den ganzen Zahlen (man ist auch an Diophantischen Gleichungen über den rationalen Zahlen Q interessiert). Angefangen hat diese Art der Fragestellung mit Pythagoras (er lebte in Griechenland, ca. 550 bis 500 v.Chr.), der die mystische Verbindung zwischen Arithmetik und Geometrie bewunderte (“Alles ist Zahl ”) und bemerkte, dass die Gleichung 32 + 42 = 52 gerade für die geometrische Tatsache steht, dass jedes ebene Dreieck mit dem Seitenlängenverhältnis 3 : 4 : 5 rechtwinklig ist. Aus diesem Grunde suchte er weitere Quadratzahlen, die sich als Summe zweier Quadratzahlen schreiben lassen. Also er betrachtete Gleichungen der Art X12 + X22 = X32 . Pythagoras hat weiter noch entdeckt, dass es unendlich viele solche ganzzahlige Lösungstripel gibt, nämlich (m, 12 (m2 − 1), 21 (m2 + 1)) mit ungeradem ganzem m ≥ 3. Dies sind aber nicht sämtliche Lösungen, wie z.B. (8, 15, 17) und (12, 35, 37) belegen. Zum vorläufigen Höhepunkt kommt dann Diophant (er lebte im ägyptischen Alexandria, irgendwann zwischen 100 v.Chr. und 350 n.Chr.) in seinem zahlentheoretischen Werk Arithmetika,2 in dem er sich dann eben mit den oben beschriebenen Gleichungen befasste. Er hat zahlreiche Beispiele bis zum Gesamtgrad vier behandelt, aus denen sich sehr allgemeine Lösungsmethoden erschließen ließen. Ihm zu Ehren erhielten sie dann auch ihren wohlklingenden Namen: 1 Dazu sei einem das Buch [Sin00] ans Herz gelegt, das die Geschichte der Auffindung des Beweises der Fermatschen Vermutung spannend erzählt. 2 Das Werk Arithmetika in griechischer Sprache bestand ursprünglich aus 13 Büchern, von denen heute leider nur noch 10 erhalten sind. Einführung: Warum p-adische Zahlen? 7 Diophantische Gleichungen Erst viel später wird dieses Thema weiter vorangetrieben. Nachdem lineare diophantische Gleichungen relativ einfach abzuhandeln waren, lag es nahe, als nächstes quadratische Formen (das sind homogene Polynome vom Grad 2) über Z und Q zu betrachten. Die ersten wesentlichen Ergebnisse dazu stammen von Fermat, allerdings überwiegend (wie so oft bei ihm) ohne Beweise, die erst gut 100 Jahre später von Leonhard Euler (1707-1783) und Joseph Louis Lagrange (1736-1813) geliefert wurden. Darunter findet man z.B. die Darstellung natürlicher Zahlen als Summen von zwei bzw. vier ganzen Quadraten. Weitere Ergebnisse stammen von Carl Friedrich Gauß (1777-1855) (Summen von drei Quadraten) und Carl Gustav Jacobi (1804-1851) (Anzahl der Darstellungen als Summen von vier Quadraten). Mit Hermann Minkowski (1864-1909) wurde nach 1881 in Königsberg die Theorie der ganzzahligen quadratischen Formen in beliebig vielen Variablen begründet. Zu dieser Zeit hatte er als 17-jähriger Student das Preisthema der Pariser Akademie, eine Zerlegung ganzer Zahlen in eine Summe von fünf Quadraten zu finden, beantwortet. Zur Behandlung dieser quadratischer Formen hatte man die geniale Idee, die p-adischen Zahlen zu benutzen. Zuerst aber zu den p-adischen Zahlen und Hensel. Kurt Hensels Analogie Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts führte der deutsche Mathematiker Kurt Hensel (1861-1941) die p-adischen Zahlen ein, wenngleich sie auch durch Ernst Eduard Kummer (1810-1893) schon vorbereitet wurden. Seine Idee, die sich in [Hen08] erkennen lässt, war, sich die machtvolle Methode der Potenzreihenentwicklung aus der Funktionentheorie zu borgen und sie für die Zahlentheorie zu nutzen (man achte auf den Unterschied von Hensels Standpunkt zu unserem, den wir ab Kapitel 1 einnehmen werden). Hensel wollte folgendermaßen ein Analogon bei den rationalen Zahlen etablieren: Seine Motviation war die Analogie des Polynomrings über C zusammen mit dem Körper der rationalen Funktionen über C zum Ring der ganzen Zahlen zusammen mit dem Körper der rationalen Zahlen, C[X] ⊂ C(X) und Z ⊂ Q. Der Hauptpunkt ist jetzt die Analogie einer eindeutigen Faktorisation in C[X] und Z: Einerseits gilt nach dem Fundamentalsatz der Algebra für alle Polynome f ∈ C[X] vom Grad n > 0 und andererseits gilt nach dem Satz über die Primzahlzerlegung für alle Zahlen 0 6= z ∈ Z folgende eindeutige Faktorisierung, wobei ε aus den jeweiligen Einheitengruppen ist: n Y f = ε (X − αi ) i=0 und z=ε n Y pi , i=0 wobei die αi die Nullstellen des Polynoms sind, und pi Primzahlen. Hensels Erkenntnis war jetzt, wie man unschwer erkennen kann, dass die Primzahlen 8 Einführung: Warum p-adische Zahlen? pi ∈ Z genau den Linearfaktoren X − αi ∈ C[X] entsprechen. Die Wahl einer komplexen Zahl αi entspricht also der Wahl einer Primzahl pi . Sei also im folgenden α eine feste komplexe Zahl und p eine feste Primzahl. Die Analogie hat nun noch tiefere Gründe: Wir können ein Polynom f in einer (i) Taylorreihe um α mit eindeutigen Koeffizienten ai = f i!(α) entwickeln, wobei f (i) die formale i-te Ableitung von f bezeichnet. Ganz analog geht die Entwicklung, die p-adische Entwicklung, einer natürlichen Zahl m ∈ N in der Basis p mit eindeutigen Koeffizienten 0 ≤ ai ≤ p − 1 von statten: f= n X i ai (X − α) und m= i=0 n X ai pi . i=0 Eine solche Darstellung von f bzw. n zeigt nun zum Beispiel an, ob α eine i-fache Nullstelle von f ist, bzw. ob pi die natürliche Zahl m teilt (0 ≤ i ≤ n): Beispiel 0.0.1 Sei ak 6= 0. Man sieht sofort, dass α eine k-fache Nullstelle von ! à n n X X ai (X − α)i−k ai (X − α)i = (X − α)k f= i=k i=k ist. Analog sieht man sofort, dass m= n X i k ai p = p à n X ! i−k ai p i=k i=k durch pk geteilt wird. Will man nun auch negative ganze Zahlen z p-adisch entwickeln, so ist man gezwungen, auch unendliche Summen zu betrachten. Diese Reihen sollen formal als Folge der Partialsummen aufgefasst werden. Sie konvergieren natürlich keineswegs unter dem gewöhnlichen Absolutbetrag. Es ist −1 = ∞ X (p − 1) pi , i=0 da formale Addition mit 1 gleich 0 ergibt (bei uns wird sich in 3.2.2 die Gleichheit aufgrund von Konvergenz ergeben). Man kann somit auch negative Zahlen p-adisch entwickeln. P i Diese unendlichen Reihen ∞ i=0 ai p sind die ganzen p-adischen Zahlen Zp (siehe dazu auch Abschnitt 1.6). In ihnen enthalten sind auch die rationalen Zahlen ab , deren NennerPb nicht durch p teilbar ist. Man kann diese also auch in i einer Reihe der Form ∞ i=0 ai p p-adisch entwickeln. Dagegen geht dies nicht bei beliebigen rationalen Zahlen ab , z.B. wegen P∞ ∞ i X X a i=0 ai p = = ai pi−k = ai+k pi k k p p i=0 i≥−k Einführung: Warum p-adische Zahlen? 9 muss man auch Reihen zulassen, die mit einem Index n0 < 0 beginnen. Allgemeine rationale Funktionen fg ∈ C(X) kann man ebenso in einer solchen Reihe entwickeln, der Laurent-Entwicklung. Zusammen kann man für die Form aller fg ∈ C(X), ab ∈ Q mit einem passenden n0 ∈ Z festhalten: X f ai (X − α)i = g und i≥n0 X a ai pi . = b i≥n0 Es sei angemerkt, dass beide Reihen rechts des Gleichheitszeichens genau dann endlich sind, falls g = (X − α)k bzw. a ∈ N und b = pk für ein k ≥ 0 ist. Diese Laurent-Entwicklung von rationalen Funktionen induziert so eine Inklusion von Körpern ( ) X i C(X) ⊂ ai (X − α) . i≥n0 Nun gibt es aber auch nicht rationale Funktionen, die in einer solchen nach links endlichen Laurent-Reihe dargestellt werden: die transzendenten Funktionen, wie z.B. exp(X), sin(X) oder cos(X). Also ist die eben genannte Inklusion eine echte. Wieder gilt Analoges für Q: Man kann genauso durch die p-adische Entwicklung eine Inklusion ( ) X i Q⊂ ai p i≥n0 finden. Die rechte Menge nennt Hensel den Körper der p-adischen Zahlen und bezeichnet ihn mit Qp . Dessen Konstruktion werden wir später in Abschnitt 1.6 sehen. Die Inklusion ist ebenso echt, da eine p-adische Zahl genau dann in Q ist, wenn die Koeffizienten der Reihe periodisch werden (dazu siehe man etwa [E+ 92] Kap.6 §1). Zusammenfassend halten wir fest: ( ) ( ) X X C(X) ai (X − α)i und Q ai pi = Qp . i≥n0 i≥n0 Somit hat Hensel das Analogon zur funktionentheoretischen Potenzreihenentwicklung für rationale Zahlen etabliert. Was hat dies jetzt aber mit Diophantischen Gleichungen zu tun? Was hatte Hensel dabei im Hinterkopf? Anwendung auf die Arithmetik Man kann in einigen glücklichen Fällen Rückschlüsse auf Lösungen von Diophantischen Gleichungen F (X1 , . . . , Xn ) = 0 erhalten, falls man die Kongruenzen F (X1 , . . . , Xn ) ≡ 0 (mod m), 10 Einführung: Warum p-adische Zahlen? für alle m ∈ N betrachtet, oder, was nach dem chinesischen Restsatz das Gleiche bedeutet, sich das Kongruenzsystem F (X1 , . . . , Xn ) ≡ 0 (mod pi ) für alle Primzahlen p und natürlichen Zahlen i anzuschauen. Für das zuletzt genannte gilt nun folgender Satz 0.0.2 Sei F (X1 , . . . , Xn ) ∈ Z[X1 , . . . , Xn ] und p eine Primzahl. Die Kongruenz F (X1 , . . . , Xn ) ≡ 0 (mod pi ) ist genau dann gleichzeitig für alle natürlichen Zahlen i in Z lösbar, wenn F (X1 , . . . , Xn ) = 0 in den ganzen p-adischen Zahlen Zp lösbar ist. Den Beweis hierfür findet man z.B. in [Neu02] Kap.II (1.4). Wir wollen uns mit folgender Illustration begnügen: Beispiel 0.0.3 Man betrachte das Kongruenzsystem X2 ≡ 2 (mod 7i ), i ∈ N, das man gleichzeitig lösen will. Für i = 0 tut es jede Lösung. Für i = 1 finden wir genau zwei Lösungen x0 ≡ 3 (mod 7) und x00 ≡ −3 ≡ 4 (mod 7). Um nun die Lösungen für i = 2 zu finden, sei bemerkt, dass diese modulo 7 wieder die Lösungen für i = 1 ergeben müssen. Also setzt man x1 = 3 + 7k1 bzw. x01 = 4 + 7k1 und löst für k1 (3 + 7k1 )2 ≡ 2 (mod 72 ) und (4 + 7k1 )2 ≡ 2 (mod 72 ). Die linke Kongruenz ergibt 0 ≡ (3 + 7k1 )2 − 2 ≡ (9 + 42k1 ) − 2 ≡ 7 + 42k1 ≡ 7(1 + 6k1 ) d.h. 1 + 6k1 ≡ 0 (mod 7), also k1 ≡ 1 (mod 7). Somit ist x1 ≡ 3 + 1 · 7 (mod 72 ). Analog finden wir die andere Lösung x01 ≡ 4 + 5 · 7 (mod 72 ). (mod 72 ), Einführung: Warum p-adische Zahlen? 11 Weiter geht man für i = 3 so vor: wir setzen x2 = 3 + 1 · 7 + k2 · 72 und x02 = 4 + 5 · 7 + k2 · 72 wieder in X 2 ≡ 2 (mod 73 ) ein und lösen nach k2 auf. Dies iteriert man und erhält so die zwei 7-adischen Lösungen x = 3 + 1 · 7 + 2 · 72 + 6 · 73 + . . . und x0 = 4 + 5 · 7 + 4 · 72 + 0 · 73 + . . . . Wir bekommen also zwei Lösungen der Quadratwurzel aus 2 in Q7 .3 Diese unterscheiden sich analog zur Quadratwurzel in R nur um ein Minuszeichen, denn die Multiplikation mit −1 = 6 + 6 · 7 + 6 · 72 + 6 · 73 + . . . ergibt jeweils die andere Lösung. Wann kann man jetzt von der Lösbarkeit einer Diophantischen Gleichung F = 0 in Zp für alle Primzahlen p (d.h. von der Lösbarkeit aller Kongruenzen F ≡ 0 (mod m)) auf die Lösbarkeit in Z schließen? Diese Frage wollen wir jetzt für quadratische Formen beantworten. Es war Helmut Hasse (1898-1979), der 1921 in seiner Dissertation auf Minkowski aufbaute und Hensels p-adische Zahlen Qp heranzieht: Es gilt das LokalGlobal-Prinzip von Hasse-Minkowski, dessen Beweis sich z.B. in [Sér73] Kap.IV findet. Satz 0.0.4 (Lokal-Global-Prinzip von Hasse-Minkowski) Sei F (X1 , . . . , Xn ) ∈ Q[X1 , . . . , Xn ] eine quadratische Form. Die Gleichung F (X1 , . . . , Xn ) = 0 besitzt genau dann nicht-triviale Nullstellen in Q, wenn sie eine nicht-triviale Nullstelle in R und Qp für alle Primzahlen p hat. Dies wird auch aus folgendem Grund mit Lokal-Global-Prinzip bezeichnet: Für jede Primzahl p ≤ ∞ sind die p-adischen Körper Qp 4 das Analogon zum Körper der nach links endlichen, um p entwickelten Laurent-Reihen und korrespondieren somit zu lokaler Information nahe der Primzahl p. Eine Nullstelle in jedem p-adischen Körper zu haben, bedeutet somit, eine Nullstelle in der Nähe von jedem p ≤ ∞ zu besitzen. Die Tatsache, dass eine Nullstelle von Q immer eine Nullstelle in Qp (für jedes p ≤ ∞) ist, bedeutet, dass eine globale Nullstelle auch an jedem p eine lokale Nullstelle ist. Somit rechtfertigt sich die Bezeichnung global. Das Lokal-Global-Prinzip, dessen Idee auch auf Hensel zurückzugehen scheint, aber zuerst bei Hasse klar formuliert wurde, besagt allgemein: Man kann von einer lokalen Eigenschaft (für jedes p ≤ ∞) auf eine globale Eigenschaft schließen. Natürlich gilt dieses Prinzip im Allgemeinen nicht so ohne weiteres, d.h. es ist an gewisse Zusatzbedingungen geknüpft, die vom speziellen Problem abhängen. In unserem Fall ist die Zusatzbedingung quadratische Form und das Lokal-GlobalPrinzip lautet: √ Dies würde z.B. √ auch zeigen, dass √ Q Q7 , da ja bekanntlich 2 nicht in Q liegt. In Q5 z.B. aber liegt keine 2, dafür gibt es −1, die wiederum nicht in Q7 ist. 4 Für p = ∞ meint man die reellen Zahlen: Q∞ = R. 3 12 Einführung: Warum p-adische Zahlen? Man kann von nicht-trivialen lokalen Nullstellen von quadratischen Formen auf nicht-triviale globale Nullstellen schließen. Ohne diese Zusatzbedingung wäre der Satz falsch. Man kann zeigen, dass z.B. die Polynome (X 2 − 2)(X 2 − 17)(X 2 − 34) oder X14 − 2X22 − 17 lokale (für jedes p ≤ ∞), aber keine globalen Nullstellen besitzen. Eine entsprechende Aussage des Lokal-Globalprinzips von Hasse-Minkowski mit der Forderung der Ganzzahligkeit, also mit Z statt Q und Zp statt Qp , ist wie schon gesagt, nicht allgemein gültig. An die Stelle dieser Aussage tritt der schwierige Satz von Siegel-Minkowski aus dem Jahre 1935. Diesen findet man in [Kne02] Kap.X. Zuletzt soll noch ein kurzer historischer Abriss in tabellarischer Form, angelehnt an [Kob80], über die p-adischen Zahlen, insbesondere mit Blick auf die p-adische Analysis, gebracht werden. Es werden die Hauptergebnisse der padischen Analysis aufgeführt; mehr zur Geschichte wird später an entsprechenden Stellen gesagt. Bei den angesprochenen Resultaten handelt es sich meist um sehr spezielle Themen. Wir wählen einen grundlegenden systematischen Zugang zur p-adischen Analysis und konzentrieren uns auf p-adische Potenzreihen. Einführung: Warum p-adische Zahlen? 13 Historischer Abriss der p-adischen Analysis 1850-1900 Kummer und Hensel führen die p-adischen Zahlen als formale Laurent-Reihen in einer Primzahl p ein und entdecken ihre grundlegenden Eigenschaften. ab 1881 Minkowski gründet die Theorie der ganzzahligen quadratischen Formen in beliebig vielen Variablen. 1912 Kürschák führt den p-adischen Absolutbetrag ein und begründet die Bewertungstheorie. Er konstruiert die p-adischen Zahlen als Vervollständigung der rationalen Zahlen bzgl. des p-adischen Betrages. 1921 Hasse beweist das Lokal-Global-Prinzip von Hasse-Minkowski. 1935 Siegel beweist den Satz von Siegel-Minkowski. 1950 Tate macht Fourier-Analysis auf p-adischen Gruppen; dies zeigt Beziehungen von p-adischen Zahlen zu L-Funktionen und zur Darstellungstheorie auf. 1960 Dwork benutzt die p-adische Analysis, um einen Teil der WeilVermutung zu beweisen: Er zeigt die Rationalität der ZetaFunktion einer Menge von Gleichungen über einem endlichen Körper; dazu siehe [Kob84] Kap.V. ab 1965 Iwasawa, Sérre, Mazur, Manin, Katz et al. entwickeln Theorien für viele Funktionen, die für die Arithmetik interessant sind. Oft sind diese durch Potenzreihen definiert; siehe dazu [Kob84] und [Rob00]. Dwork, Grothendieck und ihre Studenten behandelten padische Differentialgleichungen und p-adische Kohomologie. Kapitel 1 Die reellen p-adischen Zahlen Qp Warum reelle? Sonst heißen die Zahlen Qp doch nur p-adische Zahlen? Weil wir eben in diesem ersten Kapitel sehen werden, dass sie das Analogon zu den reellen Zahlen R sind. In welcher Weise? Dafür soll man sich noch gedulden; es sei bloß soviel verraten: In diesem ersten Kapitel soll beschrieben werden, wie man die p-adischen Zahlen Qp konstruiert. Dafür wird ein neuer Abstandsbegriff auf den rationalen Zahlen eingeführt. Sobald man einen Begriff für Abstand hat, kann man Analysis betreiben. P Unter diesem neuen Abstand konvergieren jetzt die vorher formalen Reihen i≥n0 ai pi aus der Einführung und man sieht die p-adischen Zahlen in gewohnter Weise als Limites von Cauchy-Folgen rationaler Zahlen. Diese Begründung wurde von dem ungarischen Mathematiker Jószef Kürschák (1864-1933) gegeben (vgl. Hensels Darstellung). Wir wollen die wichtigsten Tatsachen der Analysis, die wir gleich zu Beginn benötigen, zusammenstellen, wenngleich sie auch später im dritten Kapitel noch einmal in einen allgemeineren Rahmen gestellt werden. Danach wird erläutert, was man ganz allgemein von Zahlen erwartet, und diese Erwartungen werden dann gleich zur Hälfte in die Tat umgesetzt.1 Hierbei sollen die wichtigsten Schritte behandelt werden. Da es sich hier lediglich um eine Wiederholung handeln soll, wird teilweise auf Beweise verzichtet (natürlich ausgenommen dem Abschnitt über die Analysis in nichtarchimedischen Körpern). Dementsprechend wird auf die Literatur verwiesen. Es wurde aber trotzdem versucht, alle großen Ideen anzusprechen, da nichts einfach so vom Himmel fällt, und es auch hier nicht tun soll. 1.1 Wie hat man sich Q vorzustellen? Schauen wir uns einmal die rationalen Zahlen Q etwas genauer an, um eine grundlegende Diskussion zu entfachen. 1 Die andere Hälfte der Erwartungen wird dann sogleich im zweiten Kapitel realisiert. 1.2. Bewertungen 15 Wie kann man sie sich bildlich vorstellen? Die Gewohnheit sagt: als auf einer Gerade liegend, als Zahlenstrahl (wenn auch mit Lücken). Geht das auch anders? Natürlich, man muss sich nur folgendes bewusst machen: Die Vorstellung nach welchem Kriterium wir die rationalen Zahlen räumlich oder besser geistig anordnen, hängt nur davon ab, welche Zahl man sich nah an eine andere denkt. Bei der Vorstellung als Zahlenstrahl sagt einem der gewöhnliche Absolutbetrag, was nah ist. Was heißt also nah? Nah ist ein kleiner Abstand. Folglich ist es eine Frage des Abstandsbegriffs, wie sich unsere Vorstellung von Q entwickelt. Somit gilt es den Abstandsbegriff zu abstrahieren. Der passende allgemeine Begriff dieser Überlegung ist die Metrik, der als bekannt vorausgesetzt wird. Wir wollen hier Abstände in Körpern messen und interessieren uns daher für eine Metrik, die von einer Bewertung kommt: 1.2 Bewertungen Die Namensgebung der Objekte ist in Anlehnung an [Neu02] gestaltet. Definition 1.2.1 Eine Bewertung eines Körpers K ist eine Funktion ϕ : K −→ R+ 0 mit folgenden drei Eigenschaften, wobei x, y ∈ K: (i) ϕ(x) = 0 ⇔ x = 0 (ii) ϕ(xy) = ϕ(x)ϕ(y) (iii) ϕ(x + y) ≤ ϕ(x) + ϕ(y) Dann heißt (K, ϕ) bewerteter Körper. Eine Bewertung heißt nicht-archimedisch, wenn sie zusätzlich die verschärfte Dreiecksungleichung erfüllt: (iii’) ϕ(x + y) ≤ max(ϕ(x), ϕ(y)) In diesem Fall heißt (K, ϕ) nicht-archimedisch bewerteter Körper oder kurz nicht-archimedischer Körper. Zuerst sollen ein paar Eigenschaften einer Bewertung, die eine direkte Folgerung der drei Eigenschaften sind, festgehalten werden: Folgerung 1.2.2 Für x, y ∈ K gilt: (i) ϕ(1) = ϕ(−1) = 1 (ii) ϕ(−x) = ϕ(x) (iii) |ϕ(x)−ϕ(y)| ≤ ϕ(x − y) Beweis. (i) Sei x 6= 0, so gilt ϕ(x)ϕ(1) = ϕ(x · 1) = ϕ(x) =⇒ ϕ(1) = 1. Weiter gilt (ϕ(−1))2 = ϕ((−1)2 ) = ϕ(1) = 1 =⇒ ϕ(−1) = 1, 16 Kapitel 1. Die reellen p-adischen Zahlen Qp und (ii) ist eine direkte Folgerung daraus. Für (iii) betrachte man ϕ(x) = ϕ(y + x − y) ≤ ϕ(y) + ϕ(x − y) =⇒ ϕ(x) − ϕ(y) ≤ ϕ(x − y). Man vertauscht nun x und y und erhält −(ϕ(x) − ϕ(y)) = ϕ(y) − ϕ(x) ≤ ϕ(y − x) = ϕ(x − y), woraus (iii) folgt, q.e.d. Bemerkung 1.2.3 Aus einer Bewertung ϕ kann man eine Metrik d zur Abstandsmessung konstruieren, vermöge d(x, y) := ϕ(x − y). Sie heißt von ϕ induzierte Metrik. Als Beispiel einer Bewertung von Q oder R kennt man bereits den gewöhnlichen Absolutbetrag | . |. Wir sind aber nur an folgendem interessiert: In der Arithmetik ist es wichtig zu wissen, ob und bis zu welcher Potenz k eine Primzahl p eine ganze Zahl a teilt. Das größte solche k wird mit νp (a) bezeichnet (für a = 0 vereinbart man νp (0) = ∞). Nun erweitert man dies auf rationale Zahlen x = ab , indem man νp ( ab ) := νp (a) − νp (b) setzt (was nur von x abhängig ist und nicht von a und a b, denn νp ( ac bc ) = νp ( b )). Definition 1.2.4 Sei p eine Primzahl. Die Funktion νp : Q −→ Z ∪ {∞} heißt p-adische Exponentialbewertung von Q. Für die p-adische Exponentialbewertung gilt folgendes Lemma 1.2.5 Für x, y ∈ Q gilt (i) νp (x) = ∞ ⇔ x = 0 (ii) νp (xy) = νp (x) + νp (y) (iii) νp (x + y) ≥ min(νp (x), νp (y)) Wir definieren jetzt die Menge pZ0 := {0} ∪ {p−k : k ∈ Z} ⊂ R und weiter Definition 1.2.6 Sei p eine Primzahl. Die Funktion ½ −ν (x) p p , falls Z | . |p : Q −→ p0 , x −→ |x|p := 0, falls x 6= 0 x=0 heißt p-adischer Absolutbetrag oder auch p-adische Bewertung. 1.2. Bewertungen 17 Mit der vorher gemachten Bemerkung folgt nun leicht, dass der p-adische Absolutbetrag eine Bewertung auf Q ist. Wir haben nun die rationalen Zahlen nach der Güte der Teilbarkeit durch eine feste Primzahl p angeordnet: Groß sind die Zahlen x, für die νp (x) klein ist (auch negativ!) und kleine Zahlen sind diejenigen, für die νp (x) groß ist. Durch die induzierte Metrik d(x, y) = |x − y|p sind sich also die Zahlen nah, deren Differenz durch eine große Potenz von p geteilt wird. Dies ist der neue Abstandsbegriff, der uns von nun an beschäftigen wird. Er ist zwar sehr ungewohnt, aber durchaus natürlich auf Q, wie im folgenden geschildert werden wird. Zuerst soll festgehalten werden, dass sich aus (iii) in Lemma 1.2.5 ein bisschen mehr ergibt, als für eine Bewertung gefordert ist (was sich später in der Analysis als fundamental erweisen wird). Satz 1.2.7 Der p-adische Absolutbetrag ist eine nicht-archimedisch Bewertung, d.h. er erfüllt die verschärfte Dreiecksungleichung |x + y|p ≤ max(|x|p , |y|p ). Der Begriff nicht-archimedisch wird wegen folgendem benutzt: Die verschärfte Dreiecksungleichung ist äquivalent zu der Aussage ϕ(n) = ϕ(1 + . . . + 1) ≤ 1 für alle ganzen n im Primkörper P von K (n ∈ Z ⊂ Q w P für charK = 0), d.h. wegen ϕ(1) = 1 sup ϕ(n) = 1. n∈Z Andererseits erinnern wir uns an die Archimedische Eigenschaft ∀ x, y ∈ K, x 6= 0 ∃ n ∈ N : ϕ(nx) > ϕ(y), die im Falle K = R und ϕ = | . | gerade das Archimedische Axiom ist. Es lässt sich leicht zeigen, dass die Archimedische Eigenschaft äquivalent zur Aussage “Es gibt beliebig große ganze Zahlen n”, d.h. sup ϕ(n) = ∞. n∈Z Wir zeigen nun, dass sup ϕ(n) = 1 und sup ϕ(n) = ∞ n∈Z n∈Z die beiden einzigen Möglichkeiten sind: Sei sup ϕ(n) > 1, so gibt es ein m mit ϕ(m) > 1 und somit ist ϕ(mk ) = ϕ(m)k beliebig groß für k → ∞; also ist sup ϕ(n) bereits ∞. Andrerseits ist immer ϕ(1) = 1 und es kann nicht sup ϕ(n) < 1 sein. Es macht also Sinn eine Bewertung ϕ archimedisch zu nennen, falls es eine natürliche Zahl n im Primkörper gibt, für die ϕ(n) > 1 ist. Somit schließt sich der Kreis. Als nächstes brauchen wir noch den Begriff der Äquivalenz von Bewertungen bzw. Metriken. 18 Kapitel 1. Die reellen p-adischen Zahlen Qp Definition 1.2.8 Zwei Bewertungen ϕ und ψ eines Körpers K heißen äquivalent, falls es ein α ∈ R+ gibt, so dass ϕ(x) = ψ(x)α für alle x ∈ K gilt. In diesem Fall heißen auch die induzierten Metriken äquivalent. Dies macht Sinn, da äquivalente Metriken die gleiche Topologie induzieren. Weiter braucht man später noch die Bemerkung 1.2.9 Zwei Bewertungen ϕ und ψ eines Körpers K sind genau dann äquivalent, wenn für alle x ∈ K ϕ(x) < 1 ⇐⇒ ψ(x) < 1. Nun aber dazu, warum p-adische Bewertungen natürlich auf Q sind: Gemessen mit einer beliebigen nicht-archimedischen Bewertung ϕ von Q, sind nach obigem alle natürlichen Zahlen n kleiner gleich eins. Falls die Bewertung noch nicht-trivial (ϕ heißt trivial, falls ϕ(0) = 0 und sonst ϕ = 1) ist, so gibt es auch natürliche Zahlen mit der Bewertung echt kleiner als eins. Die kleinste solche Zahl n0 ist jetzt aber eine Primzahl, denn wäre es keine, so kann man n0 = ab mit a, b < n0 schreiben. Aus der Minimalität von n0 folgt ϕ(a) = ϕ(b) = 1. Daraus würde aber 1 > ϕ(n0 ) = ϕ(a)ϕ(b) = 1 folgen. Wir schreiben n0 = p, mit einer Primzahl p. Diese Argumentation führt dazu, dass man nun nur die p-adischen Absolutbeträge mit einer Primzahl p betrachtet. Es würde durchaus Sinn machen, den Betrag | . |z mit z ∈ Z zu definieren, da hierbei nur die Teilbarkeit eine Rolle spielt. Dies ist aber nicht notwendig, denn es gilt der Satz 1.2.10 (von Ostrowski) Jede nicht-triviale Bewertung auf Q ist äquivalent zu einer Bewertung | . |p oder | . |. Den Satz von Ostrowski findet man etwa in [Kob84] Kap.I.2. Man bezeichnet den gewöhnlichen Absolutbetrag | . | auch mit | . |∞ . So kann man den Satz auch so formulieren: Jede nicht-triviale Bewertung auf Q ist äquivalent zu einer padischen Bewertung | . |p mit p ≤ ∞. Wir haben also somit die nicht-trivialen Bewertungen auf Q bis auf Äquivalenz klassifiziert und die p-adischen Bewertungen sind in folgendem Sinn natürlich: Es gibt keine anderen als die p-adischen Bewertungen. 1.3. Analysis in nicht-archimedischen Körpern 1.3 19 Analysis in nicht-archimedischen Körpern Jetzt da wir eine Metrik haben, die von der Bewertung induzierte Metrik, können wir auch Analysis betreiben. Dieser Abschnitt soll einige wichtige Eigenschaften der Analysis eines solchen Körpers zusammenstellen. Dies wird später in Kapitel 3 in einen allgemeineren Rahmen gestellt und dort auch ausführlicher diskutiert werden. Da wir einige Aussagen aber schon vorab brauchen, werden diese hier gebracht. In diesem Abschnitt gelten alle Resultate für einen nicht-archimedischen Körper (K, ϕ). Man habe bei allem immer unsere nichtarchimedische Bewertung | . |p im Kopf. Definition 1.3.1 Eine Folge heißt konvergent, falls sie bezüglich der induzierten Metrik konvergiert. Eine Reihe heißt konvergent, falls die Folge der Partialsummen konvergiert. Man kann die meisten Theoreme aus der Analysis, die nur auf den drei Eigenschaften der Metrik fußen, wortwörtlich für nicht-archimedische Körper übernehmen, wie z.B. folgende Rechenregeln: Satz 1.3.2 (RR für lim) Für limn→∞ xn = x und limn→∞ yn = y folgt (i) (ii) (iii) limn→∞ xn ± yn = x ± y limn→∞ xn · yn = x · y −1 falls x 6= 0 für alle n und x 6= 0. limn→∞ x−1 n n =x Eine weitere nützliche Sache ist die Stetigkeit einer Bewertung. Satz 1.3.3 Eine Bewertung ϕ ist stetig, d.h. aus limn→∞ xn = x folgt limn→∞ ϕ(xn ) = ϕ(x). Beweis. Es ist nach 1.2.2 (iii) |ϕ(xn ) − ϕ(x)| ≤ ϕ(xn − x). Letzteres ist beliebig klein nach Voraussetzung, q.e.d. Es gilt wegen der verschärften Dreiecksungleichung in nicht-archimedischen Körpern folgender denkwürdiger Satz über Dreiecke: Satz 1.3.4 (über Dreiecke) Alle Dreiecke sind gleichschenklig, mit einer kürzeren Seite, oder gleichseitig. Beweis. Man betrachte ein Dreieck in K mit den Eckpunkten x, y und z . Sei nun ohne Einschränkung ϕ(y − z) ≤ ϕ(x − y), so gilt nach der verschärften Dreiecks-Ungleichung ϕ(x − z) ≤ max(ϕ(x − y), ϕ(y − z)) = ϕ(x − y) und andererseits ϕ(x − y) = ϕ(x − z + z − y) ≤ max(ϕ(x − z), ϕ(z − y)). 20 Kapitel 1. Die reellen p-adischen Zahlen Qp Falls max(ϕ(x − z), ϕ(z − y)) = ϕ(x − z), so ist ϕ(x − y) = ϕ(x − z) ≥ ϕ(y − z), und falls max(ϕ(x − z), ϕ(z − y)) = ϕ(z − y), so ist ϕ(x − y) = ϕ(y − z) ≥ ϕ(x − z). In jedem Fall erhält man ein Dreieck, wie gesagt, q.e.d. Folgerung 1.3.5 Es gilt ϕ(x) 6= ϕ(y) ⇒ ϕ(x ± y) = max(ϕ(x), ϕ(y)). Beweis. Im Dreieck mit den Eckpunkten 0, x und y ist nach dem Satz über Dreiecke ϕ(x − y) = max(ϕ(x), ϕ(y)) für ϕ(x) 6= ϕ(y). Für das Dreieck mit den Eckpunkten 0, x und x + y ergibt sich analog ϕ(x + y) = max(ϕ(x), ϕ(y)), q.e.d. Folgerung 1.3.6 Für ein genügend großes n gilt lim xn = x 6= a n→∞ ⇒ ϕ(xn − a) = ϕ(x − a). Speziell für a = 0 heißt das lim xn = x 6= 0 n→∞ ⇒ ϕ(xn ) = ϕ(x). Beweis. Sobald ϕ(xn − x) < ϕ(x − a), was nach Konvergenz von xn gegen x für große n gelten muss, so ist nach der Folgerung zuvor ϕ(xn −a) = ϕ(x−a), q.e.d. Weiterhin folgt aus der verschärften Dreiecksungleichung eine verschärfte Konvergenztheorie: Satz 1.3.7 (Cauchy-Kriterium für Folgen) Für eine Folge (xn ) gilt (xn )n∈N ist eine Cauchy-Folge ⇐⇒ lim ϕ(xn − xn+1 ) = 0. n→∞ Beweis. Falls (xn ) eine Cauchy-Folge ist, ist klar, dass auch Nachbarglieder beliebig nah werden. Umgekehrt ist für ϕ(xn − xn+1 ) < ε für alle n ≥ N auch ϕ(xn − xn+m ) ≤ max ϕ(xn+i − xn+i+1 ) < ε 0≤i<m für alle n ≥ N und m ≥ 0, q.e.d. Folgerung 1.3.8 (Cauchy-Kriterium für Reihen) Es gilt ! à n X xi ist eine Cauchy-Folge ⇐⇒ lim xi = 0. i=0 n∈N i→∞ 1.3. Analysis in nicht-archimedischen Körpern 21 Beweis. Man betrachte die Identität ! à n n−1 X X ϕ xi − xi = ϕ(xn ). i=0 i=0 Ist die Folge der Partialsummen eine Cauchy-Folge, so geht die linke Seite gegen null. Gilt umgekehrt limi→∞ xi = 0, so geht die rechte Seite gegen null und es ist unmittelbar aus dem Cauchy-Kriterium für Folgen 1.3.7 die Folge der Partialsummen eine Cauchy-Folge, q.e.d. Hieraus folgt unmittelbar folgendes Konvergenzkriterium in vollständigen Körpern (es überrascht, da dies in archimedischen Körpern gerade nicht gilt; mehr dazu wird in Kapitel 3 gesagt): Folgerung 1.3.9 (Konvergenzkriterium für Reihen) Sei K vollständig. Dann gilt ∞ X xi konvergiert ⇐⇒ lim xi = 0. i→∞ i=0 Die verschärfte Dreiecksungleichung gilt nicht nur für endliche Summen, sondern auch für konvergente unendliche Reihen: Folgerung 1.3.10 P∞(Verallgemeinerte verschärfte Dreiecksungleichung) Falls die Reihe i=0 xi konvergent ist, so gilt Ã∞ ! X ϕ xi ≤ max ϕ(xi ). i=0 i∈N P P∞ Beweis. Falls ∞ zu zeigen. Anderenfalls ist i = 0 ist nichts i=0 xP i=0 xi 6= 0. P∞ n So ist nach 1.3.6 ϕ ( i=0 xi ) = ϕ ( i=0 xi ) für ein großes n. Ebenso gilt für große n, da xi eine Nullfolge ist, supi∈N ϕ(xi ) = maxi=0,...,n ϕ(xi ) und man kann deswegen dafür maxi∈N ϕ(xi ) schreiben. Insgesamt ergibt sich Ã∞ ! à n ! X X ϕ xi = ϕ xi ≤ max ϕ(xi ) = max ϕ(xi ) i=0 i=0 i=0,...,n i∈N für ein großes n, q.e.d. Zuletzt soll noch etwas über unendliche Produkte ausgesagt werden. Die zwei Aussagen sind ganz analog zu denen über Reihen: Folgerung 1.3.11 (Cauchy-Kriterium für Produkte) Es gilt à n ! Y lim xi = 1 =⇒ xi ist eine Cauchy-Folge, i→∞ i=0 n∈N 22 Kapitel 1. Die reellen p-adischen Zahlen Qp und falls das Produkt nicht gegen null konvergiert, gilt auch à n ! Y xi ist eine Cauchy-Folge =⇒ lim xi = 1. i=0 i→∞ n∈N Beweis. Man betrachte die Identität ! Ãn−1 ! à n n−1 Y Y Y xi . xi − xi = ϕ(xn − 1)ϕ ϕ i=0 i=0 i=0 Falls das Produkt eine Cauchy-Folge ist, so geht die linke Seite gegen 0, und da das Produkt weiter keine Nullfolge ist, muss auf der rechten Seite xn → 1. Falls umgekehrt xi → 1, so ist nach 1.3.6 für ein großes i bereits ϕ(xi ) = 1. Deshalb bleibt das endliche Produkt durch ein C > 0 für jedes n beschränkt: Ãn−1 ! Y ϕ xi ≤ C. i=0 Nach obiger Identität ist à n ! n−1 Y Y ϕ xi − xi ≤ ϕ(xn − 1) · C → 0, i=0 i=0 Q für n → ∞. Dies bedeutet ( ni=1 xi )n∈N bildet eine Cauchy-Folge, q.e.d. Wieder existiert in vollständigen Körpern K ein Grenzwert der CauchyFolge der Partialprodukte, den wir mit ∞ Y xi := lim n→∞ i=0 n Y xi i=0 bezeichnen. Wir halten fest: Folgerung 1.3.12 (Konvergenzkriterium für Produkte) Sei ständig. Dann gilt lim xi = 1 i→∞ =⇒ ∞ Y xi konvergiert, i=0 und falls das Produkt nicht gegen null konvergiert, gilt auch ∞ Y i=0 xi konvergiert =⇒ lim xi = 1. i→∞ K voll- 1.4. Was erwartet man von Zahlen? 23 Bei der Rückrichtung ist es notwendig, dass das Produkt nicht gegen null Q konvergiert, denn z.B. gilt für das unendliche Produkt p = 0, da ¯ ¯ ¯n−1 ¯ ¯Y ¯ p¯ = |pn |p = p−n → 0, ¯ ¯ ¯ i=0 p aber p 9 1 (|p − 1|p = p−0 = 1, denn p - p − 1). Von unserem kleinen Ausflug in die Analysis wollen wir jetzt aber wieder zurück zu unserer Diskussion kehren. 1.4 Was erwartet man von Zahlen? Seit Menschengedenken existiert wahrscheinlich schon ein gewisses Gefühl für Quantität, wie z.B. “ich habe mehr Tiere erlegt, als mein Mitmensch”. Die Abstrahierung auf den Zahlbegriff, als ein Maß für eine Quantität von Objekten, muss sich somit auch schon vor langer Zeit ereignet haben. Belegt sind Funde bereits aus dem Jahre ca. 2000 v.Chr.. Man benutzte beispielsweise Zahlen als Maß für die Anzahl von Dingen, die Fläche von Feldern und das Volumen von Kornkammern. Man hat also konkrete Fragestellungen, meist geometrischer Art, die man mit Hilfe der Zahlen lösen will. Uns soll nun folgendes Problem leiten: Wie hängt die Kreisfläche FO vom Durchmesser d ab? Die Ägypter beantworteten dies folgendermaßen: Zuerst wird der Kreis in ein Quadrat der Seitenlänge d einbeschrieben. Die Fläche F8 des unregelmäßigen Achtecks, das durch Drittelung der Quadratseiten entsteht (siehe Bild rechts), ist ¡ ¡ ¡ ¡ @ @ @ @ @ @ ¡ ¡ 7 63 F8 = d2 = d2 . 9 81 Anschließend wird die ägyptische Kreisfläche FOägypt durch die Fläche F8 approximiert und man bekommt sie in Form der Gleichung à FOägypt = !2 8 64 d = d2 ≈ F8 . 9 81 Es ergibt sich nun aus der heute bekannten ¡ ¢2 Kreisflächenformel FO = d2 π, dass à πägypt = 2·8 9 @ ¡ ¡ ¡ @ @ @ ¡ @ @ ¡ ¡ Abbildung 1.1: Ägyptische Berechnung der Kreisfläche als Approximation der Fläche des unregelmäßigen Achtecks. !2 ≈ 1, 006π. 24 Kapitel 1. Die reellen p-adischen Zahlen Qp Erstaunlich ist, dass man somit eine Approximation von π mit nur einem zu π relativen Fehler von 0, 6% erhält.2 Dies ändert jedoch nichts daran, dass ¡ ¢es2 trotzdem falsch ist. Damals wollte man nicht glauben, dass an Stelle von 2·8 9 richtigerweise π stehen sollte, also eine Zahl die nicht rational ist, denn man dachte sich fälschlich die rationalen Zahlen Q als eine kontinuierliche Zahlengerade, als vollständig. Weiteres ist zu beobachten, wenn man die Situaiton von der algebraischen Seite betrachtet: Für gegebene Fläche FOägypt ∈ Q ist die ¡ ¢2 Gleichung FOägypt = 89 d mit d ∈ Q nicht immer lösbar. Denn für FOägypt = 128 81 gilt 128 = 81 µ 8 d 9 ¶2 ⇐⇒ d2 = 2. Wohl ist dies aber geometrisch lösbar, wie √ man im Bild rechts sieht (speziell für 2 gibt es auch eine einfachere Konstruktion: die Diagonale des Einheitsquadrats). √ ab a b Abbildung 1.2: Konstruktion von √ ab mit Zirkel und Lineal. √ Für a = 1 und b = 2 erhält man 2. Man hat also eine algebraische Gleichung in Q, die dort keine Lösung besitzt, obwohl eine geometrische Lösung sichtbar ist. Dies war gar nicht vorstellbar! Wie sollte es einen Kreis geben, der keinen Durchmesser (in Q) besitzt? Die rationalen Zahlen können also nicht der Wahrheits letzter Schluss sein. Also was verlangt man nun von Zahlen? Damals wie heute erwartet man von Zahlen vor allem zwei Dinge: 1. Vollständigkeit, d.h. Konvergenz von Cauchy-Folgen bzgl. der Bewertung: man will keine Lücken. 2. Algebraische Abgeschlossenheit, d.h. Lösen sämtlicher algebraischer Gleichungen: man will mit den Zahlen rechnen können. Man sei dazu aufgerufen, sich an den Aufbau der Zahlen zu erinnern und sie anhand dieser zwei Kriterien zu beurteilen. Man beginnt historisch, wie logisch mit den “von Gott gegebenen” natürlichen Zahlen N und endet bei den komplexen Zahlen C, die die beiden Eigenschaften vollständig und algebraisch abgeschlossen besitzen. Wunderlicherweise sind diese nur eine quadratische Erweiterung √ der reellen Zahlen R, da man sie durch Adjunktion von i = −1 erhält. Wir wollen also auch bei den p-adischen Zahlen eine solche Zahlerweiterung finden, die die eben beschriebenen Erwartungen erfüllt. Man ist also auf der Suche nach einem p-adischen Analogon zu C. Dies soll in dieser Arbeit in den 2 Notabene: Die Babylonier ermittelten eine nicht ganz so gute Näherung der Kreisfläche mit πbabylon = 3, indem sie das Mittel der Flächen des umschriebenen und einbeschriebenen Quadrates berechneten. Derselbe Wert für π findet sich übrigens auch in der Bibel im ersten Buch der Könige, Kapitel 7, Vers 23 und im zweiten Buch der Chronik, Kapitel 4, Vers 2. Wer mehr zur Verwirrung um π erfahren will, dem sei [Bec71] empfohlen. So viel dazu. 1.5. Q ist nicht vollständig! 25 wichtigsten Schritten vorgeführt werden. Es wird sich aber nicht als so einfach erweisen, wie dies bei C geschehen ist. 1.5 Q ist nicht vollständig! Im vorangegangenen Abschnitt 1.2 hat man nun einen neuen Abstand auf Q eingeführt, der die Güte der Teilbarkeit durch eine Primzahl p misst. Q zusammen mit der Bewertung | . |p ist aber genau so wenig vollständig, wie mit | . |, was nach 1.2.10 äquivalent ist zu dem Hauptsatz 1.5.1 Q ist bezüglich keiner nicht-trivialen Bewertung vollständig. Beweis. Für | . | ist dies wohlbekannt.3 Für den Fall von | . |p muss man natürlich ebenfalls eine Cauchy-Folge konstruieren, die nicht konvergiert. Dies ist in den p-adischen Zahlen z.B. durch das Finden einer Gleichung möglich, die in Q keine Lösung hat, aber deren Lösungen xn modulo pn eine Cauchy-Folge bilden. Falls p 6= 2, betrachte man etwa die Gleichung X 2 = a, wobei a kein Quadrat in Q ist und nicht durch p geteilt wird (sonst wäre die Gleichung modulo p trivial! Siehe dazu auch das Beispiel 0.0.3). Weiter soll diese Gleichung modulo p auch wirklich eine Lösung besitzen; man wähle etwa a = b2 + cp für beliebige ganze Zahlen b und c. Die Cauchy-Folge (xn ) bekommt man nun so: Man findet x0 als eine beliebige Lösung von x20 ≡ a (mod p) und darauf aufbauend die anderen xn als Lösung von xn ≡ xn−1 (mod pn ) und x2n ≡ a (mod pn+1 ). Diese Lösungen findet man auch, da unsere Voraussetzung p 6= 2 ist. Man erhält für ein k ∈ Z |xn − xn−1 |p = |kpn |p ≤ p−n → 0. Dies reicht nach 1.3.7 in einem nicht-archimedischen Körper aus, um eine Cauchy-Folge zu sein. Andererseits ist für ein l ∈ Z |x2n − a|p = |lpn+1 |p ≤ p−(n+1) → 0, was besagt, dass der Limes, falls er existiert, eine Quadratwurzel von a ist, was aber nicht sein kann. Für p = 2 geht man für die Gleichung X 3 = 3 analog vor, q.e.d. Wie in Abschnitt 1.4 beschrieben, hat man nun analog zu dem gewöhnlichen Absolutbetrag das Verlangen, diesen Missstand zu beheben und die rationalen Zahlen zu vervollständigen. Vorher tat man das für | . | und erhielt die reellen Zahlen R und nun machen wir dasselbe bezüglich der p-adischen Bewertung | . |p . Das Ergebnis davon ist also als das Analogon zu R zu sehen. 3 verwendeten die rationale Cauchy-Folge (xn ), die rekursiv durch xn+1 := ³ Die Babylonier ´ 1 a xn + xn definiert ist, wobei x0 > 0 ein beliebiger Startwert in Q ist, und die gegen die 2 √ positive Lösung von a ∈ / Q konvergiert. Siehe dazu [For01] §6. 26 Kapitel 1. Die reellen p-adischen Zahlen Qp 1.6 Qp als Vervollständigung von Q Zur Vervollständigung eines Körpers benutzt man die Idee von Georg Cantor (1845-1918) und Charles Méray (1835-1911) (nach Cantor selbst die “einfachste und natürlichste von allen” und, “dass sie sich dem analytischen Kalkül am unmittelbarsten anpasst”), die auf beliebigen metrischen Räumen anwendbar ist und die fehlenden Grenzwerte, wie folgt hinzunimmt: Als Grenzwert der Cauchy-Folgen, die sich beliebig nahe kommen, wählt man einfach die Menge dieser Cauchy-Folgen. Also gleich allgemein für einen Körper K: Sei CFϕ (K) (kurz CF ) die Menge aller Cauchy-Folgen in K bzgl. einer Bewertung ϕ. Auf CF wird nun die Äquivalenzrelation (xn ) ∼ (yn ), falls (xn − yn ) eine Nullfolge ist, eingeführt. Man fasst K ⊂ CF auf, vermöge der Identifikation von x ∈ K mit der konstanten Folge (x). Es gilt folgender Satz (siehe dazu [Jac00] Kap.V.4): Hauptsatz 1.6.1 Die Menge CF/ ∼ ist ein vollständiger Körper, in dem K dicht als Teilkörper liegt, bzgl. folgender Bewertung ϕ und algebraischer Struktur: ¡ ¢ (i) ϕ (xn ) = limn→∞ ϕ(xn ) (ii) (xn ) + (yn ) = (xn + yn ) (iii) (xn ) · (yn ) = (xn · yn ) Wendet man diese Konstruktion auf K = Q und ϕ = | . |p an4 , so erhält man folgenden Spezialfall, der das p-adische Analogon zu den reellen Zahlen R ist: Definition 1.6.2 Der Körper CF| . |p (Q)/ ∼ heißt Körper der reellen p-adischen Zahlen und man bezeichnet ihn mit Qp := CF| . |p (Q)/ ∼ . Man schreibt für die Bewertung ϕ einfach | . |p := ϕ( . ) und nennt sie ebenso p-adischer Absolutbetrag oder p-adische Bewertung. Welche Werte nimmt die p-adische Bewertung auf den reellen p-adischen Zahlen an? Auf Q war es die Menge pZ0 . Hier ist es die gleiche Menge, da Q dicht in Qp liegt. Satz 1.6.3 Die Wertemenge der p-adischen Bewertung | . |p auf Qp ist |Qp |p = pZ0 . 4 In [Kob84] Kap.I.4 wird dies direkt für Q konstruiert. Es wurde hier der allgemeinen Version der Vorzug gegeben, da man diese Vervollständigung ein zweites mal durchführen muss. 1.6. Qp als Vervollständigung von Q 27 Beweis. Dies folgt direkt aus der Aussage 1.3.6: Falls xn → x 6= 0, dann ist |xn |p = |x|p für große n, q.e.d. Man beachte, dass die Menge pZ diskret in R ist, weswegen man auch | . |p als eine diskrete Bewertung bezeichnet. Analog definiert man jetzt wieder die p-adische Exponentialbewertung auf Qp : Definition 1.6.4 Für x ∈ Q× p definiert man νp (x) als die eindeutige ganze Zahl, die |x|p = p−νp (x) erfüllt. Für x = 0 definiert man wieder νp (x) := ∞. Die somit erhaltene Funktion νp : Qp −→ Z ∪ {∞} heißt p-adische Exponentialbewertung von Qp . Nun will man aber eine Darstellung der p-adischen Zahlen, mit denen man auch gut rechnen kann, ohne sich Gedanken über Äquivalenzklassen und Repräsentanten zu machen. Der Kreis schließt sich nun und man kommt wieder P zu deri p-adischen Entwicklung der p-adischen Zahlen als Reihen der Form i≥n0 ai p , wie es in der Einführung beschrieben wurde. Dies geschieht im Groben so (für genaueres konsultiere man [Kob84] Kap.I.4): Vorerst vollzieht man die p-adische Entwicklung der ganzen p-adischen Zahlen, wobei wir natürlich jetzt schon an die Entwicklung, also an Reihen beginnend vom Index null, denken. Was sind also die ganzen p-adischen Zahlen? Definition 1.6.5 Die Menge Zp := {x ∈ Qp : |x|p ≤ 1} heißt Ring der ganzen p-adischen Zahlen. Zuerst soll aber schnell noch eine wichtige Tatsache über die ganzen padischen Zahlen festgehalten werden: Satz 1.6.6 Zp ist ein Teilring von Qp und die Vervollständigung von Z, d.h. Zp ist vollständig und Z liegt dicht darin. Beweis. Teilring: Die Abgeschlossenheit der Addition und Multiplikation ergibt sich direkt aus |x + y|p ≤ max(|x|p , |y|p ) und |xy|p = |x|p |y|p . Vollständigkeit: Sei (xn ) eine Cauchy-Folge in Zp , so existiert ein Grenzwert x in Qp . Da |xn |p ≤ 1, so ist auch |x|p ≤ 1, also x ∈ Zp . Dichtheit: Sei x ∈ Zp . Es existiert nun eine rationale Folge (xn ) die gegen x konvergiert, da Q dicht in Qp liegt. Diese Folge muss nach 1.3.6 für große n ganz in Zp liegen, da |xn |p = |x|p ≤ 1 für große n. Man wählt diese Teilfolge, die nur aus rationalen Gliedern mit |xn |p ≤ 1 besteht, d.h. für jedes Folgenglied kann man xn = abnn , wobei p nicht bn teilt, schreiben. Somit sind auch bn und pi 28 Kapitel 1. Die reellen p-adischen Zahlen Qp für alle i teilerfremd. Deswegen können wir zwei ganze Zahlen r und s finden mit rbn + spi = 1. Die Idee ist jetzt, dass rbn nahe an der 1 bzgl. des p-adischen Betrages ist, sodass r eine gute Approximation von b1n ist. Folglich ist ran eine gute Approximation von xn = abnn : ¯ ¯ ¯ an ¯ |ran − xn |p = ¯¯ ¯¯ |rbn − 1|p ≤ |rbn − 1|p = |spi |p ≤ p−i bn p Dies gilt für jedes i: wir können für jedes Folgenglied xn eine ganze Zahl ran finden, die beliebig nahe an xn ist. Somit können wir uns eine Folge in Z konstruieren, die gegen x konvergiert. D.h. Z liegt dicht in Zp , q.e.d. Nun zurück zur p-adischen Entwicklung der ganzen p-adischen Zahlen: Zunächst wählt man ¯ ¯zu jeder ganzen p-adischen Zahl, das ist eine Äquivalenz¯ klasse (xn ) mit (xn )¯p ≤ 1, den ausgezeichneten eindeutigen Repräsentanten (sn ), der 0 ≤ sn < pn und sn ≡ sn+1 (mod pn ) für alle n ∈ N erfüllt. Es sind jetzt die sn genau die Partialsummen sn = n−1 X ai pi i=0 mit eindeutigen Koeffizienten 0 ≤ ai ≤ p − 1 und wir können somit die Äquivalenzklasse (xn ) eindeutig als (xn ) = (sn ) = ∞ X ai pi i=0 auffassen. Um nun die restlichen p-adischen Zahlen mit Bewertung größer als eins zu entwickeln, multipliziert man sie einfach mit einer genügend großen Potenz von p. Somit sind sie nun ebenfalls kleiner oder gleich eins und man entwickelt sie, wie eben, und zieht danach die Potenz von p wieder heraus. Wie in der Einführung schon informal beschrieben, hat man somit für ein beliebiges Element (xn ) aus Qp die eindeutige p-adische Entwicklung X (xn ) = a i pi i≥n0 mit Koeffizienten 0 ≤ ai ≤ p − 1 und n0 ∈ Z via des ausgezeichneten Repräsentanten (sn ). Wir sehen nun folgendes ein: Satz 1.6.7 Es gilt Zp = ½ X ¾ i ai p : 0 ≤ ai ≤ p − 1 und i≥0 Qp = ½ X i≥n0 ai pi : 0 ≤ ai ≤ p − 1, n0 ∈ Z ¾ . 1.6. Qp als Vervollständigung von Q 29 Diese Vereinfachung der Sichtweise war notwendig, um sich unter Qp etwas vorstellen zu können. Dies ist nicht ungewöhnlich, da man bei R das Gleiche gemacht hat. Folgendes soll dazu etwas sagen: Die p-adische Zahl X ai pi i≥n0 mit 0 ≤ ai ≤ p − 1 kann man als Ziffernfolge (. . . a2 a1 a0 , a−1 a−2 . . . an0 )p darstellen. Analoges gilt für die wohl bekannte Dezimaldarstellung in R, wie etwa in [For01] §5 behandelt. Man kann eine reelle Zahl in der Reihe X ai 10i , i≤n0 wobei 0 ≤ ai ≤ 9, entwickeln und sie als Ziffernfolge (an0 . . . a2 a1 a0 , a−1 a−2 . . .)10 , wie man das jeden Tag macht, schreiben. Die p-adischen Zahlen “hauen nach links ab”, reelle Zahlen dagegen bekanntlich nach rechts. Dies liegt an der Bewertung. Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass die Dezimalbruchentwicklung nicht eindeutig ist, da z.B. die eins als (1)10 oder als (0, 999 . . .)10 entwickelt werden kann. So etwas kommt bei den p-adischen Zahlen nicht vor, weil man eben den eindeutigen Repräsentanten gefunden hat. Dies liegt daran, dass die p-adische Bewertung diskret ist. Zuletzt sei noch an die vielleicht wichtigste algebraische Eigenschaft der p-adischen Zahlen erinnert, das Henselsche Lemma. Es findet sich in dieser Form in [E+ 92] Kap.6 §4. Dabei spricht man von Kongruenz zweier Polynome modulo p, falls jeder einzelne Koeffizient eines Polynoms kongruent modulo p zum jeweiligen Koeffizienten des anderen Polynoms ist. Satz 1.6.8 (Henselsches Lemma) Besitzt ein Polynom f (X) ∈ Zp [X] modulo p eine Zerlegung f (X) ≡ g0 (X)h0 (X) (mod p) mit Polynomen g0 , h0 ∈ Zp [X], die mod p teilerfremd sind und von denen g0 normiert ist, so gibt es über Zp eine Zerlegung f (X) = g(X)h(X) mit Polynomen g, h ∈ Zp [X] derart, dass g normiert ist und g(X) ≡ g0 (X) (mod p), h(X) ≡ h0 (X) (mod p). Kapitel 2 Die komplexen p-adischen Zahlen Cp Angekommen bei den reellen p-adischen Zahlen Qp , wird sich nun zeigen, dass sie leider nicht algebraisch abgeschlossen sind. Das heißt genau wie in R sind auch in Qp nicht alle algebraischen Gleichungen lösbar. In R waren es quadratische Gleichungen, wie X 2 + 1 = 0, in den p-adischen Zahlen sind es bedeutend mehr. Wir sind also mit den p-adischen Zahlen noch nicht zufrieden und sind versucht, dieses Defizit zu beheben. Es soll nun der weitere Weg bis zu dem p-adischen Analogon Cp der komplexen Zahlen beschrieben werden, d.h. einer Körpererweiterung von Q die vollständig (bzgl. einer Fortsetzung der p-adischen Bewertung) und algebraisch abgeschlossen ist, sodass auch alle unsere Erwartungen aus 1.4 erfüllt sind. Dieser Weg von Q nach Cp ist aber viel verzwickter, als der von Q nach C. Die erste Hürde, die Vervollständigung, haben wir schon genommen. Aber jetzt kommen neue Probleme. Wir sind etwa bemüht, eine Bewertung auf diesem Körper Cp zu finden, die einer Anschauung leider völlig entzogen ist. Ganz anders bei C: dort durfte man geometrisch gelenkt auf den Satz von Pythagoras bauen. Wir müssen also abstrahieren (in algebraischer Richtung, nicht geometrisch) und versuchen, diese Methode auch für andere Körper anwendbar zu machen. Als weitere Schwierigkeit wird sich erweisen, dass der algebraische Abschluss von Qp leider nicht mehr vollständig ist; bei C gab es auch dieses Problem nicht. Deswegen ist man gezwungen noch einmal zu vervollständigen. Geht dieses Spiel dann immer so weiter? Nein, danach sind wir dann wirklich an unserem Ziel angekommen. Genug Gerede! Das Gesagte soll nun vorgeführt werden, ad rem: 2.1 Qp ist nicht algebraisch abgeschlossen! Hierfür genügt es, ein einziges Beispiel zu finden. Wir wollen aber hier systematischer vorgehen und gleich eine ganze Menge von Beispielen konstruieren, um noch zu sehen, dass es sogar keinen algebraischen Abschluss, der von endlichem 2.1. Qp ist nicht algebraisch abgeschlossen! 31 Grad ist, geben kann. Wir erinnern uns im Gegensatz dazu an die Endlichkeit des Grades 2 der Körpererweiterung C = R[i] über R. Um dies beides zu sehen, genügt es, Polynome von beliebig hohem Grad n > 1 über Qp zu finden, die irreduzibel sind. Zur Konstruktion solcher irreduziblen Polynome dient der auch sonst sehr nützliche Satz 2.1.1 (Eisensteinsches Irreduzibilitätskriterium) Sei f (X) = an X n + . . . + a1 X + a0 ∈ Zp [X] ein Polynom mit folgenden Eigenschaften: (i) |an |p = 1 (ii) |ai |p < 1 für i = 0, . . . , n − 1 (iii) |a0 |p = 1/p. Dann ist f (X) irreduzibel in Qp [X]. Beweis. Sei etwa f = gh eine nicht-triviale Faktorisierung in Zp [X]1 mit g(X) = br X r + . . . + b1 X 1 + b0 , h(X) = cs X s + · · · + c1 X + c0 , wobei r + s = n, br cs = an , b0 c0 = a0 . Man betrachte alle diese Polynome modulo p; mit einem Querstrich wird die Reduktion modulo p bezeichnet. Nach Voraussetzung (i) ist an 6= 0, und nach (ii) und (iii) sind alle anderen Koeffizienten modulo p gleich 0, also ist nun f = an X n . Weiter folgt wegen (i) und br , cs ∈ Zp , dass |br |p = |cs |p = 1, also br , cs 6= 0. Dann muss g = br X r und h = cs X s bei der Faktorisierung f = gh sein, d.h. alle anderen Koeffizienten bi und ci sind durch p teilbar. Insbesondere sind b0 und c0 durch p teilbar und somit a0 = b0 c0 durch p2 ; dies heißt nichts anderes, als |a0 |p ≤ 1/p2 , im Widerspruch zu (iii), q.e.d. Wir können nun unmittelbar aus dem Eisensteinschen Irreduzibilitätskriterium unser Hauptresultat folgern: Hauptsatz 2.1.2 (i) Qp ist nicht algebraisch abgeschlossen. (ii) Der algebraische Abschluss Qp kann keinen endlichen Grad über Qp haben. Beweis. (i) Nach obigem Satz lässt sich leicht ein irreduzibles Polynom über Qp vom Grad größer als 1 hinschreiben. Somit kann es keine Nullstellen in Qp besitzen. Zum Beispiel erfüllt dies das Polynom f (X) = X n + pX n−1 + . . . + pX + p ∈ Zp [X]. 1 Dies ist gleichwertig zu der Existenz einer Faktorisierung in Qp [X] nach dem Satz von Gauß, siehe dazu [Bos01] 2.7(7); dazu bedenke man, dass Qp der Quotientenkörper von Zp ist. 32 Kapitel 2. Die komplexen p-adischen Zahlen Cp (ii) Zu dieser Aussage sei einem bewusst, dass die Adjunktion einer Nullstelle eines irreduziblen Polynoms vom Grad n, eine Körpererweiterung ebenfalls vom Grad n erzeugt. Das bedeutet, dass auch der algebraische Abschluss2 Qp der p-adischen Zahlen Körpererweiterungen vom Grad n enthalten muss. Dies kann man für jedes beliebig große n machen (siehe eben genanntes Polynom). Deswegen kann Qp keine endliche Körpererweiterung sein, q.e.d. Also ist man gezwungen, einen algebraischen Abschluss Qp der p-adischen Zahlen Qp zu bilden, der riesengroß sein wird. Man weiß aber noch nichts über eine Bewertung dieses Körpers. Dazu muss man einige Überlegungen anstellen. Wie geht man nun vor? Man studiert zuerst endlich-dimensionale normierte Vektorräume über einem vollständig bewerteten Körper (K, ϕ), da eine endliche Körpererweiterung von Qp so ein Ding ist und der algebraische Abschluss die Vereinigung aller solcher endlichen Körperweiterungen ist. Somit beginnt hier eine Reise, die sich aber ganz anders verhält, wie die von R nach C. Aber halt! Zuvor noch ein sehr wichtiges Beispiel 2.1.3 (p-tes Kreisteilungspolynom, Teil 1) Sei ζ eine p-te Einheitswurzel mit ζ 6= 1. Dann ist ζ eine Nullstelle des p-ten Kreisteilungspolynoms Φp (X) = Xp − 1 = X p−1 + X p−2 + . . . + X + 1. X −1 Dieses Polynom ist irreduzibel über Qp : Dazu betrachtet man das Polynom Φp (X +1) und wendet darauf das Eisensteinsche Kriterium an. Man sieht leicht, dass Φp (X) genau dann irreduzibel ist, wenn Φp (X + 1) irreduzibel ist. Es gilt Φp (X + 1) = (X + 1)p − 1 (X + 1) − 1 = ≡ (X + 1)p − 1 X X p + 1p − 1 ≡ X p−1 X (mod p), d.h. alle Koeffizienten sind durch p teilbar, aber nicht der höchste, |ap−1 |p = P d.h. n 1 und |ai |p < 1 für i = 0, . . . , p − 2 (falls man Φp (X + 1) = an X schreibt). Für den niedrigsten Koeffizienten a0 gilt a0 = Φp (0 + 1) = Φp (1) = p, also |a0 |p = 1/p und somit sind alle Bedingungen erfüllt. 2.2 Endlich-dimensionale normierte Vektorräume Definition 2.2.1 Sei V ein Vektorraum über einem bewerteten Körper (K, ϕ). Eine Norm ist eine Funktion || . || : V → R+ mit folgenden drei Eigenschaften, 2 Man konstruiert Qp , indem man alle endlichen Körpererweiterungen von Qp vereint. 2.2. Endlich-dimensionale normierte Vektorräume 33 wobei v, w ∈ V und λ ∈ K: (i) ||v|| = 0 ⇔ v = 0 (ii) ||λv|| = ϕ(λ)||v|| (iii) ||v + w|| ≤ ||v|| + ||y|| In diesem Fall heisst (V, || . ||) normierter Vektorraum. Dabei kann man mit der Norm des Vektorraums wieder eine Metrik etablieren, indem man d(x, y) := ||x − y|| setzt. Dies führt wieder zu einer Topologie, in der man über Offenheit, Konvergenz, etc. sprechen kann. Ausgezeichnet unter den Normen endlich-dimensionaler Vektorräume ist diese: Definition 2.2.2 Sei (K, ϕ) ein bewerteter Körper und v1 , . . . , vn eine feste Basis des K-Vektorraums V . Die Norm ¯¯ ¯¯ n ¯¯X ¯¯ ¯¯ ¯¯ ||v||sup = ¯¯ λi vi ¯¯ := max (ϕ(λi )) . i=1,··· ,n ¯¯ ¯¯ i=1 sup bezüglich der Basisdarstellung eines v ∈ V mit eindeutigen Koeffizienten λi ∈ K heißt sup-Norm. Ausgezeichnet deswegen, da man hier ganz leicht sieht, dass der Vektorraum V unter einer gewissen Voraussetzung, nämlich der Vollständigkeit des Grundkörpers, vollständig ist: Lemma 2.2.3 Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über einem vollständig bewerteten Körper (K, ϕ). Dann ist V bezüglich || . ||sup vollständig. Beweis. Sei v1 , . . . , vn eine Basis und (wk ) eine Folge in V mit folgender Basisdarstellung wk = λ1k v1 + . . . + λnk vn Nun ist (wk ) genau dann eine Cauchy-Folge bzgl. || . ||sup , wenn alle Folgen der Koeffizienten (λ1k ), . . . , (λnk ) Cauchy-Folgen in K bzgl. ϕ sind. Aber für die Cauchy-Folgen der Koeffizienten existieren Grenzwerte nach Voraussetzung und man erhält somit auch einen Grenzwert für die CauchyFolge (wk ): lim wk = ( lim λ1k )v1 + . . . + ( lim λnk )vn , k→∞ k→∞ k→∞ q.e.d. Nun kommt wieder ein Äquivalenzbegriff ins Spiel: Definition 2.2.4 Zwei Normen || . ||1 und || . ||2 heißen äquivalent, falls es zwei Konstanten c, C ∈ R+ gibt, sodass für alle v ∈ V folgende Bedingung gilt: c||v||1 ≤ ||v||2 ≤ C||v||1 . 34 Kapitel 2. Die komplexen p-adischen Zahlen Cp Dies macht Sinn, da äquivalente Normen die gleiche Topologie induzieren.3 Es stellt sich jetzt folgendes heraus (für den etwas technischen Beweis siehe man etwa [Gou00] 5.2 oder [Cas86]): Satz 2.2.5 Sei V ein endlich-dimensionaler Verktorraum über einem vollständig bewerteten Körper K. Dann sind alle Normen äquivalent. Insbesondere hat man jetzt als Resultat diesen Satz 2.2.6 Sei V ein endlich-dimensionaler normierter Verktorraum über einem vollständig bewerteten Körper K. Dann ist V vollständig. Beweis. Nach Lemma 2.2.3 ist V bzgl. der sup-Norm vollständig, also nach Satz 2.2.5 auch bzgl. jeder anderen Norm, q.e.d. Für unendlich-dimensionale normierte Vektorräume gelten komplexere Verhältnisse. Dies ist Gegenstand der Funktionalanalysis: die klassische findet man etwa in [SR70], die p-adische z.B. in [BGR84] oder [Sch84]. Diese unendliche Dimension ist außerdem auch der Grund, warum der algebraische Abschluss Qp nicht mehr vollständig sein wird. Jetzt wenden wir die gemachten Ergebnisse auf die p-adischen Zahlen an. 2.3 Endliche Körpererweiterungen von Qp Sei jetzt K = Qp . Wir suchen nun eine Bewertung einer endlichen Körpererweiterung L/Qp , die eine Fortsetzung der p-adischen Bewertung | . |p ist. Aus den angestellten Überlegungen des vorigen Abschnitts lässt sich nun festhalten: Satz 2.3.1 Sei L eine endliche Körpererweiterung von Qp . Falls eine Bewertung ϕ von L, die eine Fortsetzung der p-adischen Bewertung | . |p ist, existiert, so gilt (i) L ist bzgl. ϕ vollständig. (ii) Die Topologie auf L die durch ϕ induziert wird, ist die einzige Toplogie auf L als normierter Qp -Vektorraum. Deswegen ist sie unabhängig von der speziellen Wahl einer solchen Bewertung. (iii) Den Grenzwert einer Folge (xk ) in L ermittelt man bzgl. einer gegebenen Qp -Basis v1 . . . vn einfach so, wobei die λ1k , . . . , λnk ∈ Qp die Koeffizienten der Basisdarstellung von xk sind: lim xk = ( lim λ1k )v1 + . . . + ( lim λnk )vn . k→∞ 3 k→∞ k→∞ Äquivalente Normen induzieren sogar die gleichen Cauchy-Folgen, was a priori eine stärkere Forderung ist. Dies folgt aus der Tatsache, dass die Metrik von einer Norm auf einem Vektorraum kommt. 2.3. Endliche Körpererweiterungen von Qp 35 Beweis. Jede endliche Körpererweiterung L von Qp ist auch ein endlichdimensionaler Vektorraum über Qp , und eine Bewertung von L, die eine Fortsetzung der p-adischen Bewertung | . |p ist, ist auch eine Norm auf L als Qp Vektorraum. So folgt (i) direkt aus Satz 2.2.6. Da nach Lemma 2.2.5 die Bewertung ϕ als Norm äquivalent zu der supNorm ist und somit die gleiche Topologie induziert, ergibt sich die Behauptung (ii) und auch (iii), die genau die Konvergenz bzgl. der sup-Norm wiedergibt (wie im Beweis von Lemma 2.2.3 beschrieben), q.e.d. Als Folgerung dieser Erkenntnis kann man festhalten: Satz 2.3.2 Sei L eine endliche Körpererweiterung von Qp . Es gibt höchstens eine Bewertung auf L, die die p-adische Bewertung | . |p fortsetzt. Beweis. Seien ϕ und ψ zwei solche Bewertungen. Man zeigt zuerst, dass sie äquivalent (als Bewertungen) sind, und anschließend, dass sie sogar identisch sind. Wir erinnern uns an 1.2.9: die Äquivalenz der beiden Bewertungen ist gleichwertig zur Aussage ϕ(x) < 1 ⇐⇒ ψ(x) < 1 für alle x ∈ L. Weiter seien einem noch folgende einfache Aussagen bewusst: ϕ(x) < 1 ⇐⇒ xn → 0 und ψ(x) < 1 ⇐⇒ xn → 0, einmal bzgl. der von ϕ erzeugten Topologie und einmal bzgl. der von ψ erzeugten Topologie. Wir wissen bereits, dass ϕ und ψ als Normen des Qp -Vektorraums L äquivalent sind und somit auch die gleiche Topologie erzeugen (Satz 2.3.1(iii)). Deswegen konvergiert die Folge xn genau dann bzgl. ϕ gegen null, wenn sie das bzgl. ψ tut; und das für alle x ∈ L. Folglich sind ϕ und ψ äquivalente Bewertungen. Dies heißt aber, dass es ein α ∈ R+ gibt, sodass ϕ(x) = ψ(x)α für alle x ∈ L. Da beide eine Fortsetzung der p-adischen Bewertung sind, erhält man, wenn man etwa x = p ∈ Qp einsetzt, α = 1, q.e.d. Weiterhin sei noch bemerkt, dass eine solche Bewertung ebenfalls nichtarchimedisch ist, da dies ja nur von der Bewertung der natürlichen Zahlen abhängt, die aber bereits in Qp enthalten sind (siehe Abschnitt 1.2). Wir wissen jetzt, dass es nur eine einzige Fortsetzung der p-adischen Bewertung geben kann und dass L bzgl. dieser vollständig sein muss. Das Problem ist aber nun, dass wir noch gar nicht wissen, ob eine solche Fortsetzung der p-adischen Bewertung überhaupt existiert! Nun also zur Existenz: Wir brauchen eine Konstruktion für eine Bewertung. Die Hauptidee dafür ist jetzt, dass man die Norm4 NL/Qp der Körpererweiterung L/Qp benutzt. Dazu erinnern wir uns an die Definition der Norm und an ein Lemma, dessen Beweis sich in [Bos01] 4.7 findet. 4 Diese Norm ist nicht mit der Vektorraumnorm zu verwechseln! 36 Kapitel 2. Die komplexen p-adischen Zahlen Cp Definition 2.3.3 Sei L/K eine endliche Körpererweiterung. Für x ∈ L betrachte man τx : L −→ L, y −→ xy, als K-Vektorraumendomorphismus von L. Dann heißt NL/K (x) := det τx ∈ K die Norm von x bezüglich der Körpererweiterung L/K. Aus dieser Definition sieht man mit Multiplikationssatz, dass die Norm multiplikativ ist. dem Determinanten- Lemma 2.3.4 Sei L/K eine endliche Körpererweiterung vom Grad n, und sei x ∈ L. So gilt: (i) Für x ∈ K gilt NL/K (x) = xn . (ii) Für L = K(x) und X n + an−1 X n−1 + . . . + a0 als Minimalpolynom von x über K gilt NL/K (x) = (−1)n a0 . (iii) Für s = [L : K(x)] gilt NL/K (x) = (NK(x)/K (x))s . Wieso spielt diese Norm hier eine Rolle? Da sie eine Möglichkeit bietet, die Elemente vom großen Körper L in den kleineren Körper K (hier Qp ) zu holen. Man bewertet nun die Elemente aus L über die p-adische Bewertung der p-adischen Zahlen. Dies geschieht folgendermaßen5 , wobei beim Beweis hier [E+ 92] Kap.6 §4 gefolgt wird: Hauptsatz 2.3.5 Sei L/Qp eine endliche Körpererweiterung vom Grad n. Dann setzt sich die p-adische Bewertung | . |p von Qp in eindeutiger Weise zu einer Bewertung | . |L auf L fort, nämlich durch |x|L := q n |NL/Qp (x)|p und L ist bzgl. | . |L wieder vollständig. 5 Man kennt dies bereits von C/R, wo gilt: q ||a + ib|| = 2 s¯ µ ¶¯ ¯ a −b ¯¯ p 2 |NC/R (a + ib)| = 2 ¯¯det = a + b2 . b a ¯ 2.3. Endliche Körpererweiterungen von Qp 37 Beweis. Die Aussagen über die Eindeutigkeit und die Vollständigkeit wurden zuvor in 2.3.2 und 2.3.1 bewiesen. So bleibt nur noch zu zeigen, dass | . |L wirklich eine Bewertung ist, die | . |p fortsetzt. Falls |x|L = 0, so ist NL/Qp = 0, was nur dann passiert falls τx nicht invertierbar ist. Da L aber ein Körper ist, ist dies nur für x = 0 möglich. Umgekehrt, falls x = 0, ist klar, dass |x|L = 0. Die Eigenschaft |xy|L = |x|L |y|L geht aus der Multiplikativität der Norm hervor. Man beweist nun sogar6 die verschärfte Dreiecksungleichung |x + y|L ≤ max(|x|L , |y|L ) mit Hilfe des Henselschen Lemmas 1.6.8. Diese folgt bereits aus der Implikation |x|L ≤ 1 =⇒ |x − 1|L ≤ 1. Diese technische Sache wird in dieser Fußnote7 begründet. Dies ist aber nach Definition äquivalent zu |NL/Qp (x)|p ≤ 1 =⇒ |NL/Qp (x − 1)|p ≤ 1, was nichts anderes heißt, wie NL/Qp (x) ∈ Zp =⇒ NL/Qp (x − 1) ∈ Zp . Wegen der Transitivität der Norm, siehe Lemma 2.3.4 (iii) und der Endlichkeit der Körpererweiterung darf man hierzu L = Qp (x) annehmen. Sei nun f (X) = X n + an−1 X n−1 + . . . + a1 X + a0 das Minimalpolynom von x über Qp , so ist klar, dass f (X + 1) = X n + (n + an−1 )X n−1 + . . . + (1 + an−1 + . . . + a1 + a0 ) 6 Die normale Dreicksungleichung würde genügen, da die Fortsetzung, wie zuvor bemerkt, automatisch nicht-archimedisch sein müsste. 7 Man teilt die verschärfte Dreiecksungleichung zuerst etwa durch y und erhält die äquivalente Ungleichung |x + 1|L ≤ max(|x|L , 1), die für alle x gelten muss. Diese folgt nun wiederum aus der Implikation |x|L ≤ 1 =⇒ |x − 1|L ≤ 1. Dass dies stimmt, sieht man so: Zuerst sei einem bewusst, dass, falls diese Implikation richtig ist, wegen | − x|L = |x|L auch |x|L ≤ 1 =⇒ |x + 1|L ≤ 1 gilt. Man macht nun eine Fallunterscheidung: Falls |x|L ≤ 1, so ist |x + 1|L ≤ 1 = max(|x|L , 1). Falls |x|L > 1, so ist |1/x|L < 1, und deswegen ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯x + 1¯ ¯ = ¯1 + 1 ¯ ≤ 1. ¯ ¯ ¯ x ¯ x ¯L L Nun haben wir |x + 1|L ≤ |x|L = max(|x|L , 1). 38 Kapitel 2. Die komplexen p-adischen Zahlen Cp das Minimalpolynom für x − 1 ist. An diesen beiden Gleichungen sieht man dann wegen Lemma 2.3.4 (ii), dass NL/Qp (x) = (−1)n a0 und NL/Qp (x − 1) = (−1)n (1 + an−1 + . . . + a1 + a0 ). Jetzt bleibt folgendes zu zeigen: a0 ∈ Zp =⇒ 1 + an−1 + . . . + a1 + a0 ∈ Zp . Wir zeigen hier sogar a0 ∈ Zp =⇒ a0 , a1 , . . . , an−1 ∈ Zp . Sei also angenommen, dass a0 ∈ Zp aber nicht alle a1 , . . . , an−1 in Zp liegen. Man multipliziert nun f (X) mit der kleinsten Potenz m von p, so dass alle pm a0 , pm a1 , . . . , pm an−1 ∈ Zp . Man erhält somit das Polynom mit Koeffizienten bi = pm ai ∈ Zp g(X) = pm f (X) = bn X n + bn−1 X n−1 + . . . + b1 X + b0 ∈ Zp [X]. Es ist bn = pm durch p teilbar. Auch b0 = pm a0 ist durch p teilbar, da a0 nach Voraussetzung aus Zp ist. Weiter, da m minimal gewählt ist, ist mindestens ein Koeffizient von b1 , . . . , bn−1 nicht durch p teilbar. Sei br ein solcher Koeffizient mit minimalem r. Dann bekommt man eine Zerlegung g(X) ≡ (bn X n−r + bn−1 X n−r−1 + . . . + br )X r (mod p) in mod p teilerfremde Faktoren. Mit dem Henselschen Lemma 1.6.8 folgt hieraus, dass g(X) = pm f (X) reduzibel ist und somit auch f (X), was zu einem Widerspruch führt. Also ist | . |L eine Bewertung, die nun auch wirklich eine Fortsetzung von | . |p ist, da NL/Qp (x) = xn für x ∈ Qp wegen Lemma 2.3.4 (i) gilt, q.e.d. Definition 2.3.6 Die eindeutige Bewertung | . |L von L aus 2.3.5 heißt padische Bewertung von L und wird ebenfalls mit | . |p bezeichnet. Zuletzt noch ein Beispiel dazu: Beispiel 2.3.7 (p-tes Kreisteilungspolynom, Teil 2) Nach Beispiel 2.1.3 ist das p-te Kreisteilungspolynom Φp (X) = Xp − 1 = X p−1 + X p−2 + . . . + X + 1 X −1 2.4. Algebraischer Abschluss Qp 39 irreduzibel über Qp . Es ist das Minimalpolynom von einer p-ten Einheitswurzel ζ mit ζ 6= 1. Somit ist L = Qp (ζ) eine Erweiterung vom Grad p − 1. Weiter sieht man am Minimalpolynom, dass NL/Qp (ζ) = (−1)p−1 1 und deswegen ist q |NL/Qp (ζ)|p = 1. |ζ|p = p−1 Weiter ist Φp (X + 1) das Minimalpolynom von ζ − 1. Deswegen gilt NL/Qp (ζ − 1) = (−1)p−1 p und somit q |ζ − 1|p = 2.4 p−1 1 − p−1 |NL/Qp (ζ − 1)|p = p . Algebraischer Abschluss Qp Jetzt endlich kann man ruhigen Gewissens den algebraischen Abschluss Qp als Vereinigung aller endlichen Körpererweiterungen L von Qp bilden, da man jetzt auch eine Bewertung hierfür erhält: Wir konstruierten eben die p-adische Bewertung von endlichen Körpererweiterungen von Qp und basteln hieraus eine p-adische Bewertung der unendlichen Körpererweiterung Qp , wie folgt. Sei x ∈ Qp . Wir betrachten die dazugehörige Körpererweiterung Qp (x), die endlich ist, da ihr Grad gerade der Grad des Minimalpolynoms von x ist. In Qp (x) haben wir nach 2.3.5 | . |Qp (x) als eindeutige Fortsetzung von | . |p . Wir definieren jetzt die Bewertung | . |Qp von Qp durch diese. Dies macht Sinn, da diese Bewertung nur von x abhängt und nicht von der speziellen Körpererweiterung Qp (x): Denn seien M ⊃ L ⊃ Qp Körpererweiterungen. So folgt wegen der Eindeutigkeit für die Fortsetzungen der p-adischen Bewertung | . |L auf L und | . |M auf M aus 2.3.5, dass diese auf L übereinstimmen, d.h. für x ∈ L ⊂ M gilt |x|L = |x|M . Wir erhalten somit eine Bewertung8 des algebraischen Abschlusses der padischen Zahlen und diese setzt auch wieder die p-adische Bewertung fort. Definition 2.4.1 Die Funktion | . |Qp : Qp −→ R+ , x 7−→ |x|Qp := |x|Qp (x) = q n |NQp (x)/Qp (x)|p heißt p-adische Bewertung von Qp und wird von nun an ebenfalls mit | . |p bezeichnet. 8 Um zu zeigen, dass es wirklich eine Bewertung ist, betrachte man für je zwei Elemente x, y ∈ Qp die endliche Körperwerweiterung Qp (x, y), die auch Produkt und Summe enthält. 40 Kapitel 2. Die komplexen p-adischen Zahlen Cp Die Frage ist nun, welche Werte diese Bewertung annehmen wird. Für Qp war es die Wertemenge pZ0 . Dann sieht man aus obigem sofort, dass für eine endliche Körpererweiterung L/Qp vom Grade n 1 |L|p ⊂ p0n Z gilt. Inwieweit die Wertemenge von L dort enthalten ist, soll nun etwas mehr geklärt werden. Dazu sei für x ∈ Qp erinnert an die p-adische Exponentialbewertung νp (x). Es wurde νp (0) = ∞ gesetzt. Definition 2.4.2 Sei L/Qp eine Körpererweiterung vom Grad n. Für x ∈ L× definiert man νp (x) als die eindeutige rationale Zahl, die |x|p = p−νp (x) erfüllt. Für x = 0 definiert man wieder νp (x) = ∞. Die somit erhaltene Funktion νp : L −→ 1 Z ∪ {∞} n heißt p-adische Exponentialbewertung von L. Man sieht aus obigem oder direkt aus 2.3.5, dass νp für x ∈ L× von folgender Form ist: 1 νp (x) = νp (NL/Qp (x)). n Dies stimmt mit dem ursprünglichen νp auf Qp überein und hat ebenfalls die Eigenschaften aus 1.2.5, insbesondere νp (xy) = νp (x) + νp (y). Dies besagt, dass νp ein Gruppenhomomorphismus von (L× , ·) nach ( n1 Z, +) ist. Nun wurde bereits erwähnt, dass νp (L× ) ⊂ n1 Z. Da νp ein Gruppenhomomorphismus ist, so ist νp (L× ) eine Untergruppe von n1 Z. Aus einfacher Überlegung muss es ein e ∈ N mit e | n geben, sodass die Untergruppe von der Form 1 νp (L× ) = Z e ist. Diese Zahl e spielt nun eine besondere Rolle und bekommt einen Namen. Definition 2.4.3 Sei L/Qp eine endliche Körpererweiterung und gelte 1 νp (L× ) = Z. e Dann heißt e der Verzweigungsindex von L über Qp . Weiter heißt L/Qp unverzweigt, falls e = 1; L/Qp heißt verzweigt, falls e > 1 und voll verzweigt, falls e = n. Mit Hilfe dieser Begriffe kann man die endlichen Körpererweiterungen gut beschreiben, wovon ich aber absehen will, da diese Arbeit einen anderen Schwerpunkt haben soll. Dazu siehe man etwa [Kob84] Kap.III.3. Es sei hier nur soviel gesagt: In Qp hat die Zahl p eine besondere Rolle gespielt, da p ein Element ist, das kleinste positive Exponentialbewertung hat, 2.4. Algebraischer Abschluss Qp 41 d.h. ein Minimum von νp > 0 annimmt: νp (p) = 1. Dies bedeutet, dass man jedes Element x ∈ Qp als x = pνp (x) u schreiben kann, wobei |u|p = 1 und νp (x) ∈ Z. Um etwas Ähnliches in einer endlichen Körpererweiterung L zu tun, sucht man jetzt ein Element π, das ebenfalls das Minimum von νp > 0 annimmt, also νp (π) = 1e . Dann ist klar, dass man jedes Element x ∈ L analog als x = πk u schreiben kann, wobei |u|p = 1 und k ∈ Z; hierbei ist k = e · νp (x). Die Rolle von p übernimmt hier also ein solches π; in unverzweigten Körpererweiterungen kann man beim p bleiben. Man kann dann analog zu Qp zeigen, dass jedes x ∈ L eine Reihenentwicklung in Potenzen von π hat; siehe dazu [Gou00] 5.4.5 oder [Kob84] Kap.III.3. Nun aber zurück zu der Frage nach der Wertemenge der Bewertung | . |p . Es wird ebenfalls in [Kob84] Kap.III.3 folgendes gezeigt: Satz 2.4.4 Um eine Körpererweiterung L/Qp vom Grad n und Verzweigungsindex e zu erhalten, muss man folgendes tun:9 Zuerst konstruiert man eine unverzweigte Erweiterung vom Grad ne durch Adjunktion einer primitiven (pn/e − 1)-ten Einheitswurzel. Und danach konstruiert man eine voll verzweigte Erweiterung vom Grad e der vorher erhaltenen Erweiterung durch Adjunktion einer Nullstelle eines normierten Eisenstein-Polynoms (d.h. ein Polynom mit Voraussetzungen wie in 2.1.1) . Dieser Satz klingt kompliziert, ist er auch, aber er braucht uns jetzt nur für eine Sache zu interessieren, weswegen hier auf eine Ausführung verzichtet wird: Wir können jetzt voll verzweigte Körpererweiterungen jedes beliebigen Grades n konstruieren, die als Wertemenge der p-adischen Bewertung 1 |L|p = p0n Z haben und natürlich alle im algebraischen Abschluss Qp enthalten sind. So erhalten wir als Wertemenge darauf auch wirklich die ganze Menge [ 1Z ¯ ¯ ¯Qp ¯ = p0n p n∈N und halten fest: Satz 2.4.5 Die Wertemenge der p-adischen Bewertung | . |p auf Qp ist ¯ ¯ ¯Qp ¯ = pQ . 0 p 9 Man bedenke e | n, also n = ef für ein f ∈ N. Dabei werden der Verzweigungsindex und der andere Faktor, dem auch eine Bedeutung zukommt, traditionell mit e und f bezeichnet. 42 Kapitel 2. Die komplexen p-adischen Zahlen Cp + Man beachte, dass pQ 0 in R0 dicht liegt, also die p-adische Bewertung auf Qp nicht mehr diskret ist: Dazu bezeichne logp den Logarithmus zur Basis p. Q q Zwischen je zwei Zahlen r < s ∈ R+ 0 liegt ein p ∈ p0 r = plogp r < pq < plogp s = s, da man wegen der Dichtheit von Q in R ein q ∈ Q mit logp r < q < logp s wählen kann. Wieder definiert man die p-adische Exponentialfunktion: × Definition 2.4.6 Für x ∈ Qp definiert man νp (x) als die eindeutige rationale Zahl, die |x|p = p−νp (x) erfüllt. Für x = 0 definiert man wieder νp (x) = ∞. Die somit erhaltene Funktion νp : Qp −→ Q ∪ {∞} heißt p-adische Exponentialbewertung von Qp . Da Q im Vergleich zu Z nicht mehr diskret ist, kann man hier kein Element π mit minimalem νp (π) > 0 mehr finden. Somit ist auch die Darstellung der Zahlen in einer Reihe in Potenzen von einem solchen π nicht mehr möglich. Es ist jetzt, wie vorher schon erwähnt nicht klar, ob Qp vollständig bezüglich dieser Bewertung ist, da es eine unendliche Körpererweiterung ist, wie in 2.3.5 beschrieben wurde. Dies ist nicht nur nicht klar, sondern auch wirklich nicht wahr! 2.5 Qp ist nicht vollständig! Jetzt ergibt sich folgendes Problem in Qp ⊃ Qp ⊃ Q, das im Falle C ⊃ R ⊃ Q nicht auftritt: Hauptsatz 2.5.1 Qp ist nicht vollständig. Hierzu brauchen wir noch zwei Lemmata für ein paar technische Feinheiten: Lemma 2.5.2 Es gilt f0 | f =⇒ 0 pf − 1 | pf − 1. Beweis. Man schreibt f = f 0 k und erhält f ³ f0 p −1= p ´k k−1 ³ ³ 0 ´X ´ 0 i f −1 = p −1 pf , k q.e.d. i=0 Das zweite Lemma wird uns auch später noch sehr hilfreich sein. Hierbei betrachtet man Einheitswurzeln reduziert modulo p, d.h. man schreibt x ≡ y (mod p), falls es ein u mit |u|p = 1 gibt, so dass x = y + pu. 2.5. Qp ist nicht vollständig! 43 Lemma 2.5.3 (i) Falls ggT (m, p) = 1, dann sind zwei verschiedene m-te Einheitswurzeln unmöglich kongruent modulo p. (ii) Ist zusätzlich noch ggT (n, p) = 1, dann können auch eine m-te und eine dazu verschiedene n-te Einheitswurzel unmöglich kongruent modulo p sein. (iii) Haben m und n die Gestalt pf − 1 und pg − 1 (auch f = g), dann gilt für eine m-te Einheitswurzeln ζ1 und eine dazu verschiedene n-te Einheitswurzel ζ2 |ζ1 − ζ2 |p = 1. Beweis. (i) Denn sind zwei m-te Einheitswurzeln ζ1 und ζ2 kongruent ζ1 ≡ ζ2 (mod p), so sind sie schon gleich: Auf Grund von ggT (m, p) = 1 und der Endlichkeit der Gruppe (Z/mZ)× gilt pf ≡ 1 (mod m) für ein f ∈ N (etwa f = ϕ(m) := |(Z/mZ)× |). Somit kann man f f ζ1 = ζ1p und ζ2 = ζ2p schreiben. Weiter gilt f f ζ1p ≡ ζ2p (mod pf +1 ), denn p µ f¶ X f p = ζ2p −i pi ui i f f ζ1p pf = (ζ2 + pu) i=0 = f ζ2p = f ζ2p + f pf ζ2p −1 pu + f −1 µ ¶ pX pf i i=2 +p f +1 f (ζ2p −1 u f −i ζ2p f f pi ui + pp up f + . . .) = ζ2p + pf +1 u0 . Insgesamt ergibt sich f f ζ1 = ζ1p ≡ ζ2p = ζ2 (mod pf +1 ). Man kann das ganze jetzt für ein beliebiges Vielfaches kf von f machen und erhält ζ1 ≡ ζ2 (mod pkf +1 ) modulo einer beliebig hohen Potenz kf von p. Daraus folgt, dass |ζ1 − ζ2 | ≤ p−(kf +1) für alle k ∈ N. Deswegen muss ζ1 = ζ2 sein. (ii) Ist noch ggT (n, p) = 1, so ist auch ggT (mn, p) = 1. Und analog gilt pf ≡ 1 (mod mn) für ein f ∈ N. Falls ζm eine m-te und ζn eine dazu verschiedene n-te Einheitswurzel bezeichnet, so gilt dann f p ζm = ζm f und ζn = ζnp , 44 Kapitel 2. Die komplexen p-adischen Zahlen Cp und man kann analog wie in (i) schließen. (iii) Wenn m und n diese Form haben, gilt insbesondere ggT (m, p) = ggT (n, p) = 1. Weiter beachte man hierbei, dass solche Einheitswurzeln nach 2.4.4 unverzweigte Körpererweiterungen10 erzeugen und somit der Wertebereich solcher Erweiterungen von νp nur Z ist.11 Deswegen kann man jetzt |ζ1 − ζ2 |p > p−1 schließen (denn wäre |ζ1 − ζ2 | ≤ p−1 , also gleich p−i mit i = 1, 2, 3, . . ., dann 2 kann man ζ1 − ζ2 = pi u mit u := ζ1p−ζ , also |u|p = 1, schreiben. Jetzt kann i man analog zu obigem ζ1 = ζ2 folgern.), d.h. |ζ1 − ζ2 |p = pi mit i = 0, 1, 2, . . .. Andererseits gilt aber stets nach der verschärften Dreiecksungleichung |ζ1 − ζ2 |p ≤ max(1, 1) = 1 = p0 , woraus die Behauptung folgt, q.e.d. Jetzt hat man das Handwerkszeug zum Beweis zu 2.5.1. Dazu benötigen wir eine Cauchy-Folge in Qp , die nicht unter | . |p konvergiert. Da ja alle endlichen Körpererweiterungen von Qp vollständig sind, müssen die Glieder dieser Folge aus immer größeren Körpererweiterungen kommen, denn sonst würde eine bestimmte Körpererweiterung alle Folgenglieder enthalten und die Folge müsste konvergieren. Also wird es ein bisschen kompliziert. Es wird [Cas86] S.150 gefolgt: Man sucht zuerst eine Folge (ζi ) von Einheitswurzeln. Wir wählen ζ1 = 1 und für höhere i geht man folgendermaßen vor: (i) ζi ist eine Einheitswurzel deren Ordnung kein Vielfaches von p ist, d.h. es gibt ein mi mit p - mi mit ζimi = 1. (ii) Für jedes i ist ζi−1 ∈ Qp (ζi ), also Qp (ζi−1 ) ⊂ Qp (ζi ). (iii) Der Grad der Erweiterung Qp (ζi )/Qp (ζi−1 ) ist größer als i, also [Qp (ζi ) : Qp (ζi−1 )] > i. 10 Falls wir uns in einer verzweigten Körpererweiterung befinden wollen, so macht es Sinn, hier p durch π zu ersetzen. 11 Dies gilt auch bei der Vereinigung aller unverzweigten Erweiterungen, die man in der Literatur mit Qunr (unr von unramified, also unverzweigt) bezeichnet. Wir bewegen uns p momentan also gar nicht in ganz Qp , sondern nur in einer echten Teilmenge Qunr Qp ! p 2.5. Qp ist nicht vollständig! 45 Dies ist möglich: Zuerst sei einem noch einmal der Satz 2.4.4 bewusst. Man bekommt eine unverzweigte Erweiterung vom Grad f , wenn man eine pf − 1te Einheitswurzel adjungiert. Wir wählen mi = pfi − 1 (so ist Bedingung (i) erfüllt) mit folgenden fi : Bedingung (ii) erreicht man einfach dadurch, dass man mi als Vielfaches von mi−1 wählt. Dies wiederum erwirkt nach obigem Lemma dadurch, dass man fi als ein Vielfaches von fi−1 wählt. Ist Qp (ζi ) ⊃ Qp (ζi−1 ) ⊃ Qp mit [Qp (ζi ) : Qp ] = fi und [Qp (ζi−1 ) : Qp ] = fi−1 so ist [Qp (ζi ) : Qp (ζi−1 )] = fi /fi−1 . Wir müssen nun diese Zahl groß genug wählen, nämlich größer als i und dann ist auch Bedingung (iii) erfüllt. Nun konstruiert man die gewollte Cauchy-Folge, oder besser die gewollte Reihe ∞ X ζi pi , i=0 deren Folge der Partialsummen sn = n X ζi pi i=0 nach 1.3.8 eine Cauchy-Folge in Qp bilden, da der Hauptterm ζi pi eine Nullfolge bildet (|ζi pi |p = |pi |p = p−i → 0 für i → ∞). Wir müssen jetzt zeigen, dass diese Reihe keinen Grenzwert in Qp besitzt und nehmen dazu an, dass es so wäre: Sei S der Limes der Reihe. Wie auch immer, S muss die Nullstelle eines irreduziblen Polynoms über Qp sein, da es in dessen algebraischen Abschluss liegt. Sei g der Grad dieses Polynoms, so ist [Qp (S) : Qp ] = g und wir betrachten nun die g-te Partialsumme sg = g X ζi pi . i=0 Es ist S − sg = ∞ X ζi pi i=g+1 und nach der verschärften Dreiecksungleichungen für Reihen 1.3.10 gilt |S − sg |p ≤ p−(g+1) . Man nimmt jetzt irgendeinen Körperautomorphismus σ : Qp −→ Qp , der auf Qp die Identität ist (konjugierte Elemente haben die gleiche Bewertung, also erhalten diese Automorphismen die Bewertung) und sieht |σ(S) − σ(sg )|p ≤ p−(g+1) . (2.1) Bedingung (iii) für die ζ’s sagt für i = g, dass es mindestens g + 1 Automorphismen σ1 , . . . , σg+1 gibt, die den Körper Qp (ζg−1 ) fix lassen, also insbesondere nach (ii) auch ζ1 , . . . , ζg−1 , aber ζg verschieden abbilden. 46 Kapitel 2. Die komplexen p-adischen Zahlen Cp Für 0 ≤ k 6= l ≤ g + 1 erhalten wir nun à σk (sg ) − σl (sg ) = g σk (ζg )p + g−1 X ! ζi p i à − g σl (ζg )p + i=0 g−1 X ! i ζi p i=0 = (σk (ζg ) − σl (ζg )) pg . Dabei sind σk (ζg ) und σl (ζg ) verschiedene mg -te Einheitswurzeln. Nach obigem Lemma gilt für diese |σk (ζg ) − σl (ζg )|p = 1. Und folglich ist |σk (sg ) − σl (sg )|p = p−g . Weiter wissen wir nach (2.1), dass |σk (sg ) − σk (S)|p ≤ p−(g+1) und |σl (sg ) − σl (S)|p ≤ p−(g+1) . Wendet man jetzt den Satz über Dreiecke 1.3.4 zweimal an. Zuerst auf das Dreieck mit den Eckpunkten σk (sg ), σl (sg ) und σl (S) und dann auf das Dreieck mit den Eckpunkten σk (sg ), σl (S) und σk (S), so erhält man |σk (S) − σl (S)|p = p−g , insbesondere ist σk (S) 6= σl (S). In anderen Worten hat man g + 1 Qp Automorphismen σ1 , . . . , σg+1 gefunden, sodass die Bilder von S alle unterschiedlich sind. Aber dann muss das Minimalpolynom von S mindestens g + 1 Nullstellen haben, was im Widerspruch zum Grad g des Minimalpolynoms von S steht. So folgt, dass S keine Nullstelle eines Polynoms über Qp sein kann und es kann also nicht zu Qp gehören. Somit haben wir eine Cauchy-Folge konstruiert, deren Grenzwert nicht in der Menge liegt, q.e.d. Wir wollen nun wieder die Löcher stopfen und müssen somit die Vervollständigung bilden. Ist diese Vervollständigung dann auch algebraisch abgeschlossen oder muss man dieselbe Prozedur immer wiederholen? Hört das auf? Ja, die Vervollständigung von Qp wird tatsächlich auch algebraisch abgeschlossen sein. 2.6 Cp als Vervollständigung von Qp Man wendet jetzt einfach 1.6.1 auf (Qp , | . |p ) an und erhält den nichtarchimedisch bewerteten vollständigen Körper (CF| . |p (Qp )/ ∼, | . |p ). Definition 2.6.1 Der Körper CF| . |p (Qp )/ ∼ heißt Körper der komplexen padischen Zahlen und man bezeichnet ihn mit Cp . Man schreibt für | . |p einfach ebenso | . |p und nennt sie auch p-adische Bewertung. 2.6. Cp als Vervollständigung von Qp 47 Das ging jetzt leicht von der Hand, aber man mache sich bewusst, wie riesig dieser Körper ist: Q ⊂ Qp ⊂ Qp ⊂ Cp . Man kann, wie in [Rob00] Kap.III.3.5, zeigen, dass Cp die gleiche Mächtigkeit wie R hat und es gilt, dass C und Cp isomorph sind. Jetzt stellt sich wieder die Frage nach den möglichen Werten, die für die p-adische Bewertung auf Cp in Frage kommen. Die Antwort lautet: Dieselben wie auf Qp . Satz 2.6.2 Die Wertemenge der p-adischen Bewertung | . |p auf Cp ist |Cp |p = pQ 0. Beweis. Dies folgt wieder direkt aus der Aussage 1.3.6 und da Qp dicht in Cp liegt, q.e.d. Das nächste Resultat sagt uns jetzt, dass wir wirklich am Ziel unserer Reise angekommen sind. Hauptsatz 2.6.3 Cp ist algebraisch abgeschlossen. Dazu braucht man ein Lemma, das sich in etwas allgemeinerer Form in [Ami75] findet: Lemma 2.6.4 Sei (K, | . |) ein vollständig nicht-archimedisch bewerteter Körper der Charakteristik 0 und sei f (X) = X n + an−1 X n−1 + . . . + a1 X + a0 ∈ K[X] ein irreduzibles Polynom vom Grad n. Dann existiert ein ε > 0 mit folgender Eigenschaft: Falls g(X) = X n + bn−1 X n−1 + . . . + b1 X + b0 irgendein Polynom vom Grad n mit |ai − bi | < ε für alle i = 0, 1, . . . , n − 1 ist, dann ist auch g(X) irreduzibel über K. Beweis von 2.6.3. Wir betrachten ein irreduzibles Polynom f (X) ∈ Cp [X]. Da Qp dicht in Cp liegt, können wir ein Polynom g(X) ∈ Qp [X] des gleichen Grades mit Koeffizienten beliebig nahe an den Koeffizienten von f (X) finden. Wenn wir die Koeffizienten von g(X) nah genug an die von f (X) wählen, ist g(X) nach 2.6.4 irreduzibel über Cp und somit auch über Qp . Da aber Qp algebraisch abgeschlossen ist, bedeutet das, dass g(X) den Grad 1 hat und folglich, da f (X) und g(X) denselben Grad haben, auch f (X), q.e.d. 48 Kapitel 2. Die komplexen p-adischen Zahlen Cp Das ist prima! Hier endet unsere Reise. Aber wie können wir uns diese Zahlen vorstellen, wie setzen sie sich zusammen? Es lässt sich analog zu Qp die p-adische Exponentialbewertung νp auf Cp fortsetzen: νp : Cp −→ Q ∪ {∞} Da νp auch wieder nicht diskret ist (wie zuvor bei Qp ), gibt es ebenfalls kein Element kleinster positiver Exponentialbewertung und somit auch keine Reihenentwicklung. Man kann aber ein Element 0 6= x ∈ Cp mit νp (x) = r = ab immer noch folgendermaßen zerlegen: Man findet irgendeine Nullstelle des Polynoms X b − pa und bezeichnet diese mit pr (für diese gilt auch νp (pr ) = ab ); dann ist u0 = pxr mit |u0 |p = 1. Dieses u0 kann man jetzt weiter durch eine 0 Einheitswurzel ζ teilen und man erhält u = uζ , was ebenfalls |u|p = 1 erfüllt (welche Einheitswurzel man am besten nimmt, ist abhängig, zu welchem Zweck man die Zerlegung braucht). So ergibt sich Satz 2.6.5 Jedes Element 0 6= x ∈ Cp mit νp (x) = a b lässt sich als Produkt x = pr ζu darstellen, wobei pr eine Nullstelle des Polynoms X b −pa , ζ eine Einheitswurzel und u ein Element mit |u|p = 1 ist. 2.7 Zusammenfassung: Q ⊂ Qp ⊂ Cp und Q ⊂ R ⊂ C Zusammenfassend soll noch einmal festgehalten werden: Abhängig von der Bewertung erhält man als Vervollständigung von Q die Körper R oder Qp und die Frage nach dem vollständigen algebraischen Abschluss wird mit C oder Cp beantwortet. Diese Analogie sollte man sich immer vor Augen halten. Der Zwischenkörper Qp war für uns nur Mittel zum Zweck zur Konstruktion von Cp und interessiert uns ab jetzt nicht mehr, da er nicht vollständig ist und wir ja schließlich von nun an Analysis betreiben wollen. Abschließend soll noch erwähnt werden, dass Cp nicht sphärisch abgeschlossen ist. Ein Raum heißt sphärisch abgeschlossen, wenn jede absteigende Folge von abgeschlossenen Bällen einen nicht-leeren Durchschnitt besitzt. Man kann auch einen solchen Abschluss bilden. Für unsere Zwecke ist diese Eigenschaft aber nicht notwendig und wird daher nicht Thema sein. Es wird auf [Rob00] Kap.3 verwiesen. Mit folgendem Satz aus [Kob84] möchte ich den ersten Teil über die Grundlagen der Zahlen Cp beschließen: The field Cp is a beautiful, gigantic realm, in which p-adic analysis lives. Kapitel 3 Grundlagen der p-adischen Funktionentheorie Nun beginnt der Aufbruch in die faszinierende Welt der p-adischen Funktionentheorie, in der so manches gleich zu C ist, aber doch auch gravierende Unterschiede herrschen. Man soll sich klar machen, dass im Prinzip alles aus einer “kleinen” Abänderung hervorgeht. Nicht einmal das, sondern nur einer Verschärfung einer der Bedingungen, nämlich eine verschärfte Dreiecksungleichung. Natürlich ist es nicht verwunderlich, wenn man weiß, dass schließlich ein total anderes Konzept dahinter steckt. Unsere Absicht ist es nun, alles von diesem Blickwinkel aus zu betrachten und uns vom Vorbild der wunderschönen Funktionentheorie leiten zu lassen, um zu sehen, was ihr gleicht und was von ihr verschieden ist. Deswegen ist versucht worden, den Aufbau ganz analog zu gestalten, wie man vielleicht schon dem Inhaltsverzeichnis entnehmen konnte (als Richtlinie wurde ein klassisches Funktionentheorielehrbuch, wie [RS01], [Jän99] oder [FB00] benutzt). Es wird grundlegend mit der Geometrie und Topologie begonnen und anschließend Folgen, Reihen, Funktionen, Stetigkeit, Differentiation, Potenzreihen, usw. behandelt, natürlich nicht erschöpfend, sondern es wird vielmehr eine lehrende Auswahl geboten, die auch eine gewisse Ästhetik ausüben soll. Wir werden gleich von Anfang an über dem Körper Cp Analysis betreiben, wenn gleich noch viele Beispiele des besseren Verständnisses wegen in Qp oder gar Zp gebracht werden. 3.1 Elementare Geometrie und Topologie ultrametrischer Räume Die Geometrie und Topologie wird besser gleich im allgemeinen Rahmen eines ultrametrischen Raumes abgehandelt. Definition 3.1.1 Ein ultrametrischer Raum (X, d) ist ein metrischer Raum, in dem für x, y, z ∈ X die so genannte ultrametrische Ungleichung gilt: d(x, z) ≤ max(d(x, y), d(x, z)) 50 Kapitel 3. Grundlagen der p-adischen Funktionentheorie Somit sind gleichzeitig unsere nicht-archimedischen Körper Qp und Cp , die ultrametrische Räume sind, behandelt. In solchen Räumen herrscht, wie schon am Beispiel von Q in 1.1 und 1.2 diskutiert, ein exotischer Abstandsbegriff. Der Anschauung entzogen, die sich eigentlich nur auf die euklidischen Räume Rn mit n = 1, 2, 3 beschränkt, können wir dementsprechend mit unintuitiven Resultaten in der Geometrie und einer verrückten Topologie rechnen, die sich jedoch zu studieren lohnen. 3.1.1 Geometrie Sobald man die Möglichkeit hat, Abstände zu messen, kann man auch Geometrie betreiben. Wenn nichts anderes gesagt wird, befinden wir uns im folgenden immer in einem ultrametrischer Raum (X, d). Dort gilt auch folgender interessanter Satz, dessen Beweis ganz analog wie in einem nicht-archimedischen Körper von statten geht. Der Vollständigkeit halber soll er aber gebracht werden. Satz 3.1.2 (über Dreiecke) Alle Dreiecke sind gleichschenklig, mit einer kürzeren Seite, oder gleichseitig. Beweis. Man betrachte ein Dreieck in X mit den Eckpunkten x, y und z . Sei nun ohne Einschränkung d(x, y) ≥ d(y, z), so gilt nach der ultrametrischen Ungleichung d(x, z) ≤ max(d(x, y), d(y, z)) = d(x, y) und andererseits ½ d(x, y) ≤ max(d(x, z), d(z, y)) = d(x, z), d(z, y), so ist d(x, z) = d(x, y) ≥ d(y, z) so ist d(x, y) = d(y, z) ≥ d(x, z), q.e.d. In Bildern gesprochen heißt das Solche Dreiecke gibt es. . . ££BB £ B B £ ­­JJ B J £ ­ B J £ ­ B J £ ­ . . . und solche nicht! ¢¢ ¢ # # ##cc c c ¢ ¢ ¢ Abbildung 3.1: Von links: ein gleichschenklinges Dreieck mit einer kürzeren Seite, ein gleichseitiges Dreieck, ein gleichschenkliges Dreieck mit einer längeren Seite und ein nicht-gleichschenkliges Dreieck. Folgerung 3.1.3 (über n-Ecke) Für n ≥ 3 haben alle n-Ecke mindestens zwei gleich lange Seiten, die von maximaler Länge sind. 3.1. Elementare Geometrie und Topologie ultrametrischer Räume 51 Beweis über Induktion. Der Induktionsanfang ist der Satz über Dreiecke. Der Induktionsschritt von n − 1 nach n: Man betrachte ein n-Eck mit den Eckpunkten x1 , . . . , xn . Man nehme einen Punkt, o.E. xn , heraus und erhält ein (n − 1)-Eck mit einer neuen Seite, definiert durch die Punkte xn−1 und x1 . Nach Induktionsvoraussetzung hat dieses (n − 1)-Eck zwei gleich lange Seiten, die maximal sind. Ist die neue Seite (definiert durch xn−1 und x1 ) keine maximale Seite, so gibt es kein Problem. Falls aber die neue Seite maximal ist, kann man dies wiederum mit dem Satz über Dreiecke für das Dreieck x1 , xn−1 und xn klären: Entweder gilt d(xn−1 , xn ) = d(xn , x1 ) ≥ d(xn−1 , x1 ) oder d(xn−1 , x1 ) bleibt auch im Dreieck maximal. Dann muss aber noch eine zweite Seite im Dreieck, die auch eine Seite des n-Ecks ist, die gleiche maximale Länge haben. In jedem Fall erhält man nun im n-Eck zwei gleich lange Seiten, die dort von maximaler Länge sind, q.e.d. Man definiert für r ≥ 0 und a ∈ X den abgeschlossenen Ball B≤r (a) := {x ∈ X : d(x, a) ≤ r}, den offenen Ball B<r (a) := {x ∈ X : d(x, a) < r} und die Sphäre Sr (a) := {x ∈ X : d(x, a) = r}, für welche man jetzt folgende überraschende Resultate bekommt: Satz 3.1.4 (über Bälle, Teil 1) In ultrametrischen Räumen gilt: (i) (ii) (iii) (iv) Jeder Punkt eines Balls ist Mittelpunkt des Balls. Falls zwei Bälle einen gemeinsamen Punkt haben, ist einer im anderen enthalten. Der Durchmesser eines Balls ist kleiner oder gleich seinem Radius. Seien B und B 0 zwei disjunkte Bälle. Dann gilt d(B, B 0 ) = d(x, x0 ) für alle x ∈ B und x0 ∈ B 0 . Beweis. Für offene Bälle sieht man: (i) Sei b ∈ B<r (a), also d(a, b) < r. So gilt (∗) x ∈ B<r (a) ⇔ d(x, a) < r ⇐⇒ d(x, b) < r ⇔ x ∈ B<r (b); (∗) gilt bei “⇒” wegen d(x, b) ≤ max(d(x, a), d(a, b)) < r und analog bei “⇐”. Also ist B<r (a) = B<r (b). (ii) Sei c ∈ B<r (a) ∩ B<r0 (b). Nach (i) gilt B<r (a) = B<r (c) und B<r0 (b) = B<r0 (c). So ist ein Ball im anderen enthalten, je nachdem welcher Radius größer ist. (iii) Nach (i) ist die größte Entfernung, die zwei Punkte x, y ∈ B<r (a) haben können, kleiner als r. 52 Kapitel 3. Grundlagen der p-adischen Funktionentheorie Für abgeschlossene Bälle beweist man (i)-(iii) völlig analog. Man bedenke nur, dass man bei (ii) noch zusätzlich offene mit abgeschlossenen Bällen schneiden muss, was aber auch ganz analog läuft. (iv) Man nehme vier Punkte: x, y ∈ B und x0 , y 0 ∈ B 0 . Nach dem Satz über n-Ecke hat das Viereck, definiert durch die Punkte x, x0 , y 0 , y, zwei gleich lange maximale Seiten. Diese beiden Seiten können nur d(x, x0 ) = d(y, y 0 ) sein, da die Bälle disjunkt sind. Weiter haben nach mehrmaliger Anwendung des Satzes über Dreiecke alle Paare von Punkten x ∈ B, x0 ∈ B 0 den gleichen Abstand. Deswegen ist dieser unabhängig von der Wahl der zwei Punkte: d(B, B 0 ) = inf x∈B,x0 ∈B 0 d(x, x0 ) = d(x, x0 ), q.e.d. Wieder in Bildern heißt das Möglich sind. . . . . . aber nicht so etwas! '$ '$ ¾» º· r r r ½¼ r ¹¸ &% &% '$ ¿ ÁÀ &% Abbildung 3.2: Von links: disjunkte Bälle, ineinander enthaltene Bälle und sich schneidende Bälle, die nicht ineinander enthalten sind. Die Punkte stellen mögliche Mittelpunkte der Kreise dar. Auch Sphären verhalten sich eigenartig, wie sich vielleicht schon in obigem Bild im zweiten Ball von links andeutet: Satz 3.1.5 (über Sphären, Teil 1) In ultrametrischen Räumen gilt für x ∈ Sr (a) mit r > 0, dass B<r (x) ⊂ Sr (a) und Sr (a) = [ B<r (x). x∈Sr (a) Beweis. Sei x ∈ Sr (a) und b ∈ B<r (x), d.h. d(x, a) = r und d(b, x) < r. So gilt nach dem Satz über DreieckeSfür das Dreieck a, b, x, dass d(b, a) = r, also b ∈ Sr (a). Somit gilt Sr (a) ⊃ x∈Sr (a) S B<r (x) und schließlich ist für jedes x ∈ Sr (a) natürlich stets x ∈ B<r (x) ⊂ x∈Sr (a) B<r (x), q.e.d. Leider ist mir keine gute Idee eingefallen eine Sphäre einfach zu illustrieren. Vielleicht als Kreisring, aber auch das ist nicht passend, da die Bälle darin wieder den Radius des großen Balles haben müssten. Ein interessantes Bild des 3-adischen Einheitsballs findet sich in [Kob84] auf Seite ii. Nochmal eine kurze Zusammenfassung: Bälle und Sphären sind keineswegs so, wie man sie sich vorstellt! Bälle sind entweder disjunkt oder ineinander 3.1. Elementare Geometrie und Topologie ultrametrischer Räume 53 enthalten mit jeder Menge Mittelpunkte, die alle gleich weit von einem Punkt außerhalb des Balls entfernt sind. Sphären dagegen sind keineswegs die Randpunkte eines Balls, sondern ebenfalls mittendrin. . . Bemerkung 3.1.6 (über Bälle, Teil 2) (i) In Qp sind die B≤r (a) mit r > 0 der Form B≤p−i (a) = a + pi Zp , i ∈ Z, und die B<r (a) mit r > 0 der Form B<p−i (a) = a + pi+1 Zp , (ii) i ∈ Z. In Cp sind die B≤r (a) mit r > 0 der Form B≤p−i (a) = a + pi B≤1 (0), i ∈ Q, und die B<r (a) mit r > 0 der Form B<p−i (a) = a + pi B<1 (0), i ∈ Q. Beweis. (i) In Qp kommen für r nur Werte in pZ0 in Frage, also sind alle abgeschlossenen Bälle mit einem Radius > 0 der Form B≤p−i (a). Insbesondere ist B≤1 (0) = Zp und daher B≤p−i (0) = pi Zp . Somit ist der allgemeine abgeschlossene Ball um a in Qp von der besagten Form. Die Aussage über die offenen Bälle ergibt sich, wenn man B<1 (0) = pZp beachtet. (ii) Nach 2.6.2 kommen für r in Cp nur Werte in pQ 0 in Frage, also sind alle abgeschlossenen Bälle mit einem Radius > 0 der Form B≤p−i (a). Analog ist der allgemeine abgeschlossene Ball um a in Cp von der besagten Form. Ebenso ergibt sie sich für die offenen Bälle, q.e.d. Der schöne Zusammenhang zwischen offenen Bällen und geschlossenen Bällen in Qp geht in Cp verloren, da die Bewertung nicht mehr diskret ist. Die Begriffe der offenen und abgeschlossen Bälle sind aber auch Begriffe der Topologie und sollen jetzt dahingehend näher untersucht werden. 3.1.2 Topologie Die Begriffe offen und abgeschlossen sind für den Begriff eines Balls in einem ultrametrischen Raum trügerisch. Deswegen wurde anstatt Br (a) und Br (a) die Notation B<r (a) und B≤r gewählt. 54 Kapitel 3. Grundlagen der p-adischen Funktionentheorie Natürlich gilt, wie in jedem metrischen Raum (dazu etwa [For20], §1), dass die offenen bzw. abgeschlossen Bälle auch wirklich offen bzw. abgeschlossen sind. Angemerkt sei, dass die offenen Bälle in natürlicher Weise eine Basis einer Topologie bilden (d.h. jede andere offene Menge ist eine Vereinigung von offenen Bällen und die Vereinigung aller offenen Bälle ergibt den ganzen metrischen Raum X). In ultrametrischen Räumen X gilt aber mehr. Definition 3.1.7 Eine Menge B ⊂ X heißt geschloffen, falls sie offen und zugleich abgeschlossen ist. Geschloffen wurde frei aus dem Englischen übersetzt: clopen. Es ist auf Deutsch aber fast schöner. In Qp folgt mit Bemerkung 3.1.6 leicht, dass alle Bälle geschloffen sind, da B≤p−(i+1) (a) = B<p−i (a). In Cp ist das nicht mehr so einfach, da bereits i ∈ Q ist. Es gilt aber in allgemeinen ultrametrischen Räumen folgender Satz 3.1.8 (über Bälle, Teil 3) In ultrametrischen Räumen gilt: (i) (ii) Der offene Ball ist geschloffen. Der abgeschlossene Ball ist für r > 0 geschloffen. Beweis. (i) Sei x ein Randpunkt von B<r (a), d.h. für alle s > 0 gibt es ein y ∈ B<r (a) ∩ B<s (x). Wähle s ≤ r. Daraus folgt d(x, a) ≤ max(d(x, y), d(y, a)) < max(s, r) = r, d.h. x ∈ B<r (a). Also gehört jeder Randpunkt von B<r (a) auch zu B<r (a), was heisst, dass B<r (a) auch geschlossen ist. (ii) Sei x ∈ B≤r (a). Nach Satz 3.1.4 (i) ist B≤r (a) = B≤r (x). Für r > 0 ist nun B<r (x) ⊂ B≤r (a) eine offene Umgebung für x. Dies besagt, dass B≤r (a) auch offen ist, q.e.d. Dasselbe gilt für die Sphären: Satz 3.1.9 (über Sphären, Teil 2) In ultrametrischen Räumen ist die Sphäre für r > 0 geschloffen. Beweis. Die Sphäre Sr (a) ist in jedem metrischen Raum geschlossen, da die Funktion x 7→ d(x, a) stetig ist und somit das Urbild der abgeschlossenen Menge {r} abgeschlossen ist. Dass eine Sphäre mit positivem Radius auch offen ist, folgt unmittelbar aus 3.1.5, q.e.d. In R oder C sind die einzigen geschloffenen Mengen nur sie selbst und die leere Menge. Dies liegt daran, dass R und C zusammenhängend sind. Hier aber hat man gleich eine Basis der Topologie, deren Mengen allesamt geschloffen sind. Dies macht die Topologie eher exotisch. Satz 3.1.10 Ein ultrametrischer Raum ist ein total unzusammenhängender Hausdorffraum. 3.1. Elementare Geometrie und Topologie ultrametrischer Räume 55 Beweis. Jeder metrische Raum ist ein Hausdorffraum, da man zwei Punkte x, y einfach durch zwei offen Kugeln mit Radius 21 d(x, y) trennen kann. Total unzusammenhängend heißt, dass die Zusammenhangskomponente eines jeden Punktes x ∈ X nur die Menge {x} aus diesem Punkt selbst ist. Sei Z ⊂ X die Zusammenhangskomponente von x. Es ist ja {x} ⊂ Z; würde nun Z einen weiteren Punkt y enthalten, so würde Z nicht zusammenhängend sein: Sei d(x, y) = r. Zu x wählt man den offenen Ball B<r/2 (x), der y nicht enthält, und das Komplement dieses Balls, das ebenfalls offen ist, da der Ball nach Satz 3.1.8 auch geschlossen ist. Man erhält somit eine disjunkte Zerlegung von Z Z = (Z ∩ B<r/2 (x)) ∪ (Z ∩ (B<r/2 (x))c ) in zwei nichtleere offene1 Mengen, q.e.d. Dies hat zur Folge, dass man keine klaren Begriffe, wie Intervall oder Kurve hat (zumindest nicht im gewöhnlichen Sinn). Weiter sind R und C lokalkompakt und die kompakten Mengen sind dort nach dem Satz von Heine-Borel (siehe [For20]) gerade die beschränkten und abgeschlossenen Mengen. Satz 3.1.11 In Qp gilt: (i) (ii) Zp ist kompakt. Qp ist lokalkompakt. Beweis. Sobald (i) gezeigt ist, folgt (ii) aus Bemerkung 3.1.6: Die Bilder von Zp der stetigen Körperoperationen Qp 3 x 7→ a+x ∈ Qp und Qp 3 x 7→ px ∈ Qp (sie sind sogar Homöomorphismen) sind kompakt. Also sind a + Zp , oder gar a + pn Zp kompakte Umgebungen von a. Nun zu (i): In metrischen Räumen sind die Begriffe kompakt und folgenkompakt äquivalent (siehe [Jän01] 6.3). Sei also (xn ) eine Folge in Zp . Man entwicklt alle xn p-adisch und wählt dann mittels des Diagonalverfahrens eine konvergente Teilfolge aus: x1 = a11 + a12 p + a13 p2 + a14 p3 + . . . x2 = a21 + a22 p + a23 p2 + a24 p3 + . . . x3 = a31 + a32 p + a33 p2 + a34 p3 + . . . .. . Zuerst gibt es unendlich viele i mit gleichen ai1 (man bedenke, dass die Koeffizienten nur endlich viele Werte 0, . . . , p − 1 annehmen). Wähle also diese erste Teilfolge mit den gleichen ersten Koeffizienten ai1 aus. Als nächstes gibt es in dieser ersten Teilfolge wieder unendlich viele i mit gleichen ai2 . Wähle nun aus der ersten Teilfolge die zweite Teilfolge mit den gleichen ersten beiden Koeffizienten ai1 und ai2 aus, usw.. Nun nimmt man die Teilfolge, bestehend aus dem ersten Glied der ersten Teilfolge, dem zweiten Glied der zweiten Teilfolge,. . . , dem i-ten Glied der i-ten 1 Offen in der Teilraumtopolgie von Z! 56 Kapitel 3. Grundlagen der p-adischen Funktionentheorie Teilfolge, usw.. Diese Teilfolge ist trivialerweise konvergent, q.e.d. Leider gilt dies nicht mehr für den Körper Cp , was ein weiterer grober Unterschied zu C ist. Satz 3.1.12 Cp ist nicht lokalkompakt. Beweis. Wir zeigen, dass der Einheitsball B≤1 (0) nicht folgenkompakt ist. Dazu nehmen wir irgendeine Folge von verschiedenen pf − 1-ten Einheitswurzeln (ζi ), wobei f ∈ N. Dann sagt einem Lemma 2.5.3, dass für je zwei solche Einheitswurzeln ζi und ζj mit i 6= j |ζi − ζj |p = 1 gelten muss, d.h. alle Folgenglieder haben einen Abstand 1 zueinander. Es kann somit auch keine konvergente Teilfolge geben, q.e.d. Dies waren die Grundlagen der Geometrie und Topologie, die im folgenden benötigt werden. 3.2 Konvergenz von Folgen und Reihen Auch hier wollen wir wieder möglichst allgemein arbeiten. Es sei einem aber bewusst, dass man bei der Reihenbildung eine Addition braucht, die in einem ultrametrischen Raum nicht unbedingt gegeben sein muss. Zuerst aber zu den 3.2.1 Folgen Definition 3.2.1 Eine Folge in einem ultrametrischen Raum (X, d) heißt konvergent, falls sie bzgl. der Metrik d konvergiert. Speziell für Cp wurde das Wichtigste schon gesagt: Es konvergieren alle Cauchy-Folgen. Man kann auf Grund der ultrametrischen Ungleichung diverse Resultate der Konvergenz verschärfen: Satz 3.2.2 (Cauchy-Kriterium für Folgen) Für eine Folge (xn ) in einem ultrametrischen Raum gilt: (xn ) ist eine Cauchy-Folge ⇐⇒ lim d(xn , xn+1 ) = 0. n→∞ Beweis. Ganz analog zu 1.3.7: Die eine Richtung ist sowieso klar und zur anderen betrachte man für d(xn , xn+1 ) < ε (für große n) d(xn , xn+m ) ≤ max d(xn+i , xn+i+1 ) < ε, 0≤i<m q.e.d. Damit haben wir, da wir in dem vollständigen Körper Cp arbeiten, ein sehr hilfreiches Konvergenzkriterium für Folgen. Folgende Beispiele sollen ein Gefühl für die Konvergenz von Folgen vermitteln: 3.2. Konvergenz von Folgen und Reihen 57 Beispiele 3.2.3 (1) xn = n! konvergiert gegen 0, da für n ≥ mp und ein großes m gilt |n!|p ≤ |1 · 2 · · · p · · · 2p · · · mp|p = p−m < ε. (2) xn = n divergiert, da |(n + 1) − n|p = 1 9 0 für alle n und somit (xn ) keine Cauchy-Folge ist. (3) xn = 1 n divergiert, da für n > 0 gilt ¯ ¯ ¯ ¯ ¯1 ¯ ¯ ¯ 1 νp (n2 +n) ¯ − 1 ¯ =¯ ¯ ≥ 1. ¯n n + 1¯ ¯ n(n + 1) ¯ = p p p (4) xn = pn konvergiert gegen 0, da |pn |p = p−n < ε für ein genügend großes n gilt. (5) xn = (1 + p)p n konvergiert gegen 1. Man betrachtet dazu pn (1 + p) à pn µ ¶ ! pn µ n ¶ X pn X p −1= pi − 1 = pi i i i=0 i=1 und weiter ist für jedes i ∈ N ¯ i¯ ¯p ¯ ¯ ¯ = |p · p · · · p|p ≤ 1. ¯ i! ¯ |1 · 2 · · · i|p p Jetzt sieht man, dass für ein genügend großes n ¯µ n ¶ ¯ ¯ ¯ p ¯ ¯ ¯(1 + p)pn − 1¯ ≤ pi ¯¯ max n ¯¯ p i=1,...,p i p ¯ i¯ ¯p ¯ = max n |p (p − 1) · · · (p − i + 1)|p ¯¯ ¯¯ i=1,...,p i! p n ≤ = n max |pn (pn i=1,...,pn |pn |p = p−n < n − 1) · · · (pn − i + 1)|p ε. 58 Kapitel 3. Grundlagen der p-adischen Funktionentheorie Dies sind interessante Beispiele, an denen man sieht, dass hier alles ganz anders läuft wie im archimedischen Fall: Schnell wachsende Zahlenfolgen n! konvergieren und andere Folgen, die normalerweise Nullfolgen sind, wie n1 , divergieren. Bemerkenswert für die Konvergenz in ultrametrischen Räumen (analog zu nicht-archimedischen Körpern) ist auch der Satz 3.2.4 Falls limn→∞ xn = x 6= a gilt, dann ist d(xn , a) = d(x, a) für große n. Dies heißt speziell für a = 0 und einer Folge in Cp , dass, falls limn→∞ xn = x 6= 0 gilt, ist |xn |p = |x|p für große n. Beweis. Sobald d(xn , x) < d(x, a), was nach Konvergenz von xn gegen x für große n gelten muss, so ist nach dem Satz über Dreiecke d(xn , a) = d(x, a), q.e.d. 3.2.2 Reihen Hierfür reicht der Begriff des ultrametrischen Raumes nicht mehr aus, denn man braucht noch eine Addition. Da aber auch hier angestrebt wird, möglichst allgemein zu arbeiten, folgt die Definition 3.2.5 Eine ultrametrische abelsche Gruppe (X, +, d, | . |) ist ein ultrametrischer Raum (X, d) mit folgenden zusätzlichen Eigenschaften: (i) (ii) (X,+) ist eine abelsche Gruppe Die Metrik d ist invariant bzgl. der Addition, d.h. für x, y, z ∈ X gilt d(x + z, y + z) = d(x, y). (iii) | . | : X −→ R+ , x −→ |x| := d(x, 0). Die Funktion | . | ist eine Art Bewertung der Gruppe, die folgende Eigenschaften besitzt: Bemerkung 3.2.6 Für | . | gilt: (i) (ii) (iii) |x| = 0 ⇔ x = 0 | − x| = |x| |x + y| ≤ max(|x|, |y|) Beweis. (i) folgt direkt aus der Eigenschaft der Definitheit der Metrik. (ii) | − x| = d(−x, 0) = d(0, x) = d(x, 0) = |x|. (iii) |x + y| = d(x + y, 0) ≤ max(d(x + y, y), d(y, 0)) ≤ max(d(x, 0), d(y, 0)) = max(|x|, |y|), q.e.d. Umgekehrt ist klar: wenn man eine Funktion | . | : X −→ R+ mit den Eigenschaften (i)-(iii) aus 3.2.6 hat, so kann man eine bzgl. der Addition invariante Ultrametrik definieren, wie gehabt mit d(x, y) := |x − y|. Somit wissen wir, dass 3.2. Konvergenz von Folgen und Reihen 59 unsere bewerteten Körper Qp und Cp auch ultrametrische abelsche Gruppen sind. Definition 3.2.7 Eine Reihe in einer ultrametrischen abelschen Gruppe (X, +, d, | . |) heißt konvergent, falls die Folge der Partialsummen in X konvergiert. P Die Analysis der konvergenten Reihen ∞ i=0 xi in ultrametrischen abelschen Gruppen ist nun einfacher als die klassische Analysis. Ganz allgemein bilden die Reihenglieder xi eine Nullfolge, denn lim xn = lim n→∞ n→∞ n X xi − lim n→∞ i=0 n−1 X xi = 0. i=0 Die Umkehrung ist in R und C ärgerlicherweise falsch: das klassische Beispiel dafür ist die harmonische Reihe ∞ X 1 i=0 i . In Cp löst sich dieses Dilemma in Wohlgefallen auf: 1i ist keine Nullfolge und kann gleich von vornherein nicht konvergieren. Dies ist kein Einzelfall. Es gilt in vollständigen ultrametrischen abelschen Gruppen folgender wünschenswerter Satz 3.2.8 (Konvergenz-Kriterium für Reihen) In vollständigen ultrametrischen abelschen Gruppen gilt: ∞ X xi ist konvergent ⇐⇒ i=0 lim xi = 0. i→∞ Beweis. Sei also limi→∞ xi = 0. So ist à n ! X n−1 X lim d xi , xi = lim n→∞ i=0 ¯ n ¯ n−1 ¯X ¯ X ¯ ¯ xi − xi ¯ = lim |xn | = 0 ¯ n→∞ ¯ ¯ n→∞ i=0 i=0 i=0 und deshalb ist die Folge der Partialsummen nach dem Cauchy-Kriterium für Folgen 3.2.2 eine Cauchy-Folge und somit konvergent, q.e.d. Dieses Konvergenz-Kriterium ist fundamental; es vereinfacht die Konvergenztheorie von Reihen ungemein! Beispielsweise spielt deswegen ein wechselndes ± der Koeffizienten für die Konvergenz der Reihe keine Rolle. Von so etwas wie einem Leibnizkriterium für alternierende Reihen kann also hier keine Rede sein. Satz 3.2.9 (Verallgemeinerte verschärfte Dreiecksungleichung) In ulP∞ trametrischen abelschen Gruppen gilt, falls die Reihe i=0 xi konvergent ist ¯∞ ¯ ¯X ¯ ¯ ¯ xi ¯ ≤ max |xi |. ¯ ¯ ¯ i∈N i=0 60 Kapitel 3. Grundlagen der p-adischen Funktionentheorie Der Beweis ist wortwörtlich der gleiche, wie bei nicht-archimedischen Körpern in 1.3.10. Man muss nur | . | für ϕ( . ) schreiben, q.e.d. Wieder sollen zuletzt Beispiele ein Gefühl für die Konvergenz von Reihen in Cp vermitteln. Beispiele 3.2.10 (1) ∞ X pi = i=0 1 . 1−p Nach dem Konvergenz-Kriterium konvergiert die Reihe, da pi eine Nullfolge ist. Aber dies sagt einem leider nicht gegen was. Pn−1Es igilt die endlin che geometrische Summenformel 1 − p = (1 − p) i=0 p . Weiter folgt |1 − p|p = 1 aus |p|p < |1|p nach dem Satz über Dreiecke. So ist für ein genügend großes n ¯ ¯ n−1 ¯ 1 ¯ X |1 − (1 − pn )|p ¯ ¯ − pi ¯ = = p−n < ε. ¯ ¯1 − p ¯ |1 − p|p i=0 (2) p In der Einführung wurde schon ∞ X (p − 1) pi = −1 i=0 erwähnt. Dort galt diese Gleichheit formal (man addiere 1 und erhält 0). In unserer p-adischen Bewertung konvergiert diese Reihe auch gegen −1, denn für ein genügend großes n gilt ¯ ¯Ã ¯ ¯ ! n n ¯ ¯ ¯ ¯ X X ¯ ¯ ¯ ¯ (p − 1) pi ¯ (p − 1) pi − (−1)¯ = ¯p + ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ i=1 i=0 p p ¯ ¯ n ¯ ¯ X ¯ ¯ (p − 1) pi ¯ = ¯p2 + ¯ ¯ i=2 .. . p ¯ ¯ n ¯ ¯ X ¯ ¯ n−1 + (p − 1) pi ¯ = ¯p ¯ ¯ i=n−1 p ¯ n+1 ¯ −(n+1) ¯ ¯ =p < ε. = p p 3.2. Konvergenz von Folgen und Reihen (3) 61 Wir müssen immer sehr vorsichtig sein bzgl. welchem p ≤ ∞ Konvergenz herrscht. Folgendes schönes Gedicht aus [BS96] mahnt dazu: If you claim a series sums to S Your metric you must not suppress The danger, you can now see Is that another may disagree And you both may be right: what a mess! Denn nach (1) ist z.B. ∞ X 3i = − i=0 1 2 in C3 , dagegen divergiert die Reihe für jedes andere 3 6= p ≤ ∞. Für p = ∞ ist dies klar, und für p 6= 3 ist |3|p = 1 9 0. Weiter ist die Reihe ∞ X 1 i! i=0 für jede Primzahl p divergent, da (i!) eine Nullfolge ist und somit |1/i|p größer als jedes C > 0 wird. Sie konvergiert bekanntlich für p = ∞ gegen die Eulersche Zahl e. Zuletzt ist ∞ X 1 i=0 i eine für jedes p ≤ ∞ divergente Reihe. Für p = ∞ ist dies bekannt und sonst ist 1i keine Nullfolge. Man kann sich fragen: Gibt es eine Reihe, die in allen Körpern Cp mit p ≤ ∞ konvergiert? Diese Problematik könnte man auch so formulieren: You can sum some of the series some of the time and some of the series none of the time. . . but can you sum some of the series all of the time? Diese Frage beantwortet [BS96], von dem auch das eben genannte Zitat stammt. Es wird sogar folgendes gezeigt: Für jedes p ≤ ∞ sei ein αp ∈ Qp gegeben. Dann existiert eine Reihe mit positiven rationalen Gliedern, die für jedes p ≤ ∞ bzgl. | . |p gegen αp konvergiert. Weiter spielt in R und C für Reihen bei Fragen der Umordnung der Begriff der absoluten Konvergenz eine große Rolle. Das Ergebnis, das eine Reihe genau dann konvergiert, wenn ihre Glieder eine Nullfolge bilden, vereinfacht die Theorie der Reihen auch hier. 62 3.3 Kapitel 3. Grundlagen der p-adischen Funktionentheorie Umordnungssätze für Reihen In der klassischen Analysis gilt bei absoluter Konvergenz der Umordnungssatz. Auch folgt daraus die Konvergenz der Reihe. Diese Resultate kann man wieder Strich für Strich übertragen (man muss nur manchmal ein kleines p an den Betrag hin malen). Dies ist aber für Umordnungen in ultrametrischen abelschen Gruppen unnötig, denn wegen der verallgemeinerten nicht-archimedischen Ungleichung reicht bereits die normale Konvergenz für Umordnungen von Reihen aus. Dieser Abschnitt richtet sich nach [Rud98] Kap.3 und [Wal01] Kap.B.5.11, wurde aber für ultrametrische abelsche Gruppen umgeschrieben. P Satz 3.3.1 (Umordnungssatz) Sei ∞ i=0 xi eine konvergente Reihe in einer ultrametrischen abelschen Gruppe. Dann gilt für eine Bijektion σ : N → N ∞ X xi = i=0 ∞ X xσ(i) . i=0 P Beweis. Sei xi konvergent gegen S, insbesondere gilt dann xi → 0, d.h. für jedes ε > 0 gibt es ein N ∈ N, sodass |xi | < ε für alle i ≥ N gilt. Dann gilt auch für alle n ≥ N ¯ ¯ n ¯X ¯ ¯ ¯ xi ¯ ≤ max |xi | < ε. (3.1) ¯ ¯ ¯ N ≤i≤n i=N Man wählt jetzt ein k ≥ N so groß, dass die Zahlen 0, 1, 2, . . . , N in der Menge der Zahlen σ(0), σ(1), σ(2), . . . , σ(k) enthalten sind. P P Man bezeichne jetzt mit 0 sn bzw. sn die n-te Partialsumme von xi bzw. xσ(i) ; dann gilt für jedes n > k, dass die Glieder x1 , x2 , . . . , xN sich in der Differenz s0n − sn gegenseitig aufheben. s0n − sn ist dann eine Summe, in der jedes Glied < ε ist, also eine Summe vom Typ 3.1: |s0n − sn | < ε. Somit gilt für ein genügend großes n |s0n − S| ≤ max(|s0n − sn |, |sn − S|) < ε, d.h. P∞ i=0 xσ(i) = S, q.e.d. P∞Jetzt kann man statt einer (nicht unbedingt absolut) konvergenten Reihe i=0 xi allgemeiner auch X xi i∈M für eine abzählbare Menge M schreiben. M hat dabei a priori keine Ordnung. Ihr wird eine Ordnung erst im Nachhinein durch eine bijektive Abbildung σ : P P∞ N → M aufgeprägt. Es ist nach obigem P Satz i∈M xi = i=0 xσ(i) , unabhängig von der Wahl von σ. Die Summe Wählt man i∈M xi ist somit wohldefiniert. P P ein solches σ, so wird ∞ x als eine Realisierung von x i=0 σ(i) i∈M i bezeichnet. 3.3. Umordnungssätze für Reihen 63 Als nächstes leiten wir einige Eigenschaften von Summen in vollständigen Räumen ab. Dafür bezeichnen wir für I ⊂ M X S(I) := xi i∈I ` und mit dem umgedrehten Produktzeichen disjunkte Vereinigungen. Unser Ziel ist eine allgemeinere Form des Umordnungssatzes. Lemma 3.3.2 Sei S(M ) eine konvergente Reihe in einer vollständigen ultrametrischen abelschen Gruppe. Dann gilt: (i) S(I) + S(M − I) = S(M ) für I ⊂ M (ii) S(I) + S(J) = S(I q J) für I, J ⊂ M disjunkt (iii) S(I1 ) + . . . + S(In ) = S(I1 q . . . q In ) für Ij ⊂ M paarweise disjunkt Beweis. (i) Für eine endliche Menge I ist dies klar. Sei also I eine unendliche P Menge. Jetzt stelltPsich das Problem der Konvergenz der Reihen S(I) = i∈I xi und S(M − I) = i∈M −I xi . Man betrachte etwa die Realisation für σ, die die geraden Zahlen auf I und die ungeraden Zahlen auf M − I abbildet. Damit ist S(M ) = ∞ X xσ(i) , S(I) = i=0 ∞ X xσ(2i) und S(M − I) = i=0 ∞ X xσ(2i+1) . i=0 Da S(M ) konvergiert, bildet die Folge der Glieder (xσ(i) )i∈N eine Nullfolge und somit auch jede Teilfolge dieser Folge, insbesondere auch die Folgen (xσ(2i) )i∈N und (xσ(2i+1) )i∈N . Da wir uns in einem vollständigen Raum befinden, sind nach dem Konvergenzkriterium für Reihen die Reihen S(I) und S(M −I) konvergent. Somit gilt nach den Rechenregeln für den Limes S(I) + S(M − I) = lim n→∞ n X xσ(2i) + lim n→∞ i=0 n X xσ(2i+1) = lim n→∞ i=0 2n+1 X xσ(i) = S(M ). i=0 (ii) Man tauscht in (i) M mit I q J (auch auf dieser Indexmenge konvergiert die Reihe analog, wie zuvor gesehen) und erhält die gewünschte Gleichung. (iii) erhält man durch Induktion von (ii), q.e.d. Eine (iii) im Lemma entsprechende Gleichung gilt sogar für überabzählbar viele Teilmengen Ij , was man allgemein als den großen Umordnungssatz bezeichnet, der mehr wie der Umordnungssatz aussagt. Satz P3.3.3 (Großer Umordnungssatz) Sei M eine abzählbare Menge und sei i∈M xi eine konvergente Reihe in einer vollständigen ultrametrischen abel` schen Gruppe. Dann gilt für jede Partition M = ∞ I j=1 j X i∈M xi = ∞ µX X j=1 i∈Ij ¶ xi . 64 Kapitel 3. Grundlagen der p-adischen Funktionentheorie Beweis. Man muss mit der Notation aus dem Lemma zeigen, dass für M = S(M ) = ∞ X ` Ij S(Ij ). j=1 Nach dem Lemma gilt für jedes n ¶ µ n a Ij . S(M ) = S(I1 ) + . . . + S(In ) + S M − P∞ j=1 Bezeichne jetzt i=0 xσ(i) eine Realisierung von S(M ), so gilt nach der Konvergenz von S(M ), dass (xσ(i) ) eine Nullfolge ist, und somit gibt es für jedes ε > 0 ein N mit ¯ ¯ ¯ ¯ ¯X ¯ ¯ (3.2) xσ(i) ¯¯ ≤ max |xσ(i) | < ε. ¯ ¯i≥N ¯ i≥N ` ` Man wählt ein k ≥ N so groß, dass I1 . . . Ik alle Indizes σ(0), ` σ(1), . . . , σ(N ) enthält. Für ¡ `nn > ¢k kommen diese Indizes somit nicht in n M − j=1 Ij vor, d.h. S M − j=1 Ij ist eine Summe vom Typ (3.2) und es gilt ¯ ¯ ¯ µ ¶¯ n a ¯ ¯ ¯S M − Ij ¯¯ < ε. ¯ ¯ ¯ j=1 Somit ist ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ µ ¶¯ n n X a ¯ ¯ ¯ ¯ ¯S(M ) − S(Ij )¯¯ = ¯¯S M − Ij ¯¯ < ε, ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ j=1 j=1 P∞ was nichts anderes heißt, wie S(M ) = j=1 S(Ij ), q.e.d. Man darf also den Indexbereich in beliebiger Weise aufspalten und jeden Teilbereich Ij beliebig anordnen. Man mache sich bewusst, dass die Voraussetzung des Satzes in vollständigen Räumen bereits durch xi → 0 erfüllt ist, im krassen Gegensatz zur Voraussetzung der absoluten Konvergenz der Reihe in der herkömmlichen Analysis. Etwas ist aber gleich: In beiden Kontexten kann eine Umordnung einer divergenten Reihe eine konvergente Reihe liefern. Folgende Beispiele sollen dies verdeutlichen. Beispiele 3.3.4 (1) P i i In R oder C ist ∞ i=0 (−1) eine divergente Reihe, da ((−1) )i keine Nullfolge bildet. Dagegen erhält man bei einer Umgruppierung konvergente Reihen, wie etwa (1 − 1) + (1 − 1) + . . . = 0 + 0 + . . . = 0 oder 1 + (−1 + 1) + (−1 + 1) + . . . = 1 + 0 + 0 + . . . = 1. 3.4. Stetigkeit, Differentiation, Integration (2) P∞ In Cp denke man etwa an genten Reihen führen: i=0 1, 65 wo folgende Anordnungen zu konver- 1 + (1 . . + 1}) + (1 . . + 1}) + . . . = 1 + p + p2 + . . . = | + .{z | + .{z p-Stück p2 -Stück 1 1−p oder (1 . . + 1}) + (1| + .{z . . + 1}) + ( |1 + .{z . . + 1} ) + . . . | + .{z (p−1)-Stück (p−1)p2 -Stück (p−1)p-Stück = (p − 1) + (p − 1)p + (p − 1)p2 + . . . = −1. Zuletzt soll noch eine sehr nützliche Folgerung des großen Umordnungssatzes festgehalten werden. Folgerung 3.3.5 (Doppelreihensatz) Sei (xij )i,j∈N eine Doppelfolge in einer vollständigen ultrametrischen abelschen Gruppe, sodass für jedes ε > 0 die Menge der Paare (i, j) mit |xij | ≥ ε endlich ist. Dann ist (xij ) beliebig summierbar und insbesondere gilt X k∈N×N xk = ∞ µX ∞ X i=0 j=0 ¶ xij = ∞ µX ∞ X j=0 i=0 ¶ xij = ∞ µ X X n=0 ¶ xij . i+j=n P Beweis. Die Reihe k∈N×N xk über die abzählbare Indexmenge N × N konvergiert nach Voraussetzung: (xk ) bildet eine Nullfolge, denn für jedes ε > 0 ist |xk | < ε für fast alle k. Aus dem großen Umordnungssatz folgt die Gleichheit für jede beliebige Anordnung von N × N; insbesondere liefern hier die disjunkten Zerlegungen von N × N in Zeilen Zi = {i} × N, Spalten Sj = N × {j} und Diagonalen Dn = {(i, j) : i + j = n} die drei gewünschten Summationen, q.e.d. 3.4 Stetigkeit, Differentiation, Integration Will man nun Funktionen auf Cp definieren, so geht man genauso vor, wie in der gewöhnlichen Analysis. Dabei beachte man aber folgendes: Der Körper Cp ist total unzusammenhängend und aus diesem Grunde hat man keine Intervalle oder allgemein zusammenhängende Mengen, die aus mehr als einem Punkt bestehen (vgl. Abschnitt 3.1.2). So definiert man eine Funktion gewöhnlich auf einem Ball. Man kann nun den Begriff der Stetigkeit ebenfalls analog definieren, da dies nur von der Struktur eines metrischen Raumes abhängt. Dies ist aber hier ein nicht sehr tiefsinniger Begriff. Zwar gelten alle Resultate, die in allgemeinen metrischen Räumen wahr sind, auch hier; z.B. gilt ein p-adisches Analogon des Zwischenwertsatzes: 66 Kapitel 3. Grundlagen der p-adischen Funktionentheorie Stetige Bilder menhängend. zusammenhängender Mengen sind zusam- Aber, wie eben erwähnt, sind die einzigen zusammenhängenden Mengen diejenigen, die nur aus einem Punkt bestehen. In der Funktionentheorie spielte die Differential- und Integralrechnung eine so entscheidende Rolle. Will man nun beginnen p-adische Funktionentheorie zu betreiben, so ist man vor folgendes Problem gestellt: Man hat keine Begriffe wie Intervall oder Weg und somit existiert auch keine Integralrechnung. Alles gemeint im gewöhnlichen Sinne; es gibt natürlich eine p-adische Integrationstheorie, aber diese ist eine total andere Geschichte. Man benutzt sie z.B. für Interpolationsprobleme von Funktionen, d.h. die stetige Fortsetzung einer Funktion von Z auf Zp oder von Q auf Qp . Dazu sei auf [Kob84] Kap.II verwiesen. Auch Differenzierbarkeit spielt eine geringe Rolle. Man kann zwar wieder alles ganz analog definieren, aber sie ist im p-adischen Kontext lange nicht so interessant. Der Fakt, dass der Mittelwertsatz nicht hält, zeigt, dass der Begriff differenzierbar (in C holomorph) nicht ausreicht, um Aussagen analog zur klassischen Analysis zu bekommen. Hier eine einfache Form eines p-adischen Mittelwertsatzes, der nicht gilt: falscher Satz 3.4.1 (Mittelwertsatz) Sei f eine stetig differenzierbare Funktion auf Cp . Dann existiert für alle zwei Zahlen a, b ∈ Cp ein ξ ∈ Cp “zwischen” a und b, d.h. von der Form ξ = at + b(1 − t), wobei t ∈ Cp mit |t|p ≤ 1, sodass f (b) − f (a) = f 0 (ξ)(b − a). Beweis. Es genügt ein Gegenbeispiel: Für f (x) = xp − x, a = 0 und b = 1 ist f 0 (x) = pxp−1 − 1 und f (a) = f (b) = 0. Man muss nun zeigen, dass es kein ξ mit ξ = 1 − t und t ∈ B≤1 (0) gibt mit f 0 (ξ) = pξ p−1 − 1 = 0. Dies ist aber einfach: Es muss ξ ebenfalls aus B≤1 (0) sein, da |ξ|p ≤ max(1, |t|p ) = 1. Aber dann ist pξ p−1 − 1 ∈ (−1) + pB≤1 (0) = B≤1/p (−1), also insbesondere verschieden von 0, q.e.d. Funktionen die durch Potenzreihen definiert sind, sind viel schöner. Man kann hier den Mittelwertsatz auch retten, indem man |b − a|p nur klein genug wählt; siehe dazu [Rob00] Kap.V.3.2. Weiter gilt folgender Satz nicht: falscher Satz 3.4.2 Sei f eine differenzierbare Funktion auf Cp mit überall verschwindender Ableitung, dann ist sie lokal-konstant. 3.4. Stetigkeit, Differentiation, Integration 67 Beweis. Wieder genügt ein Gegenbeispiel: Man konstruiert eine Funktion, die differenzierbar ist und deren Ableitung überall verschwindet, aber dennoch nicht lokal-konstant ist: Man denke an eine Funktion, die überall lokal-konstant ist, außer an der 0. Definiere f (0) = 0 und wähle f konstant auf immer kleiner werdenden Ballringen um die 0 (ein Ballring soll so etwas sein, wie B≤r − B<r0 mit r0 ≤ r). Weiter wählt man die konstanten Werte so, dass die Ableitung an 0 existiert und verschwindet, q.e.d. Insbesondere folgt hieraus, dass zwei Funktionen, die dieselbe Ableitung besitzen, sich nicht unbedingt nur durch eine konstante Funktion unterscheiden müssen. Diese Beispiele zeigen, dass der Begriff Differenzierbarkeit in Cp nicht so nützlich ist, wie in der klassischen Analysis. Das Analogon der holomorphen Funktionen ist also nicht bei den differenzierbaren, sondern den analytischen Funktionen zu suchen (analytische Funktionen sind im Weierstraßschen Sinn Funktionen, die in Potenzreihen entwickelbar sind; hier fallen die Begriffe holomorph und analytisch nicht zusammen!). Wenn man also wirklich Funktionentheorie betreiben will, so ist in den p-adischen Zahlen nur der Weierstraßsche Ansatz fruchtbar, der die konvergenten Potenzreihen an die Spitze stellt. Ein indischer Mathematiker hat einmal in diesem Zusammenhang geschrieben: Weierstraß, the prince of analysis, was an algebraist. Kapitel 4 Potenzreihen Eine Potenzreihe ist ein spezieller Typ einer Reihe, der wie eben besprochen, eine besondere Beachtung in der p-adischen Funktionentheorie verdient. Zunächst soll ganz allgemein begonnen werden, nach [Bou90] Kap.IV.4. 4.1 Formale Potenzreihen Definition 4.1.1 Sei R 6= {0} ein kommutativer Ring mit Eins. Eine formale Potenzreihe über R ist eine Folge (an ) in R. Man schreibt dafür f = f (X) = ∞ X an X n . n=0 Die Menge aller Potenzreihen über R wird mit R[[X]] bezeichnet und heißt Ring der formalen Potenzreihen über R. definiert man natürliche algebraische Struktur, falls f (X) = P Weiter P folgende n n an X und g(X) = bn X : f (X) + g(X) := f (X) · g(X) := ∞ X (an + bn )X n , n=0 ∞ µ X n=0 ¶ ¶ ∞ µX n X n ai bj X = ai bn−i X n . X n=0 i+j=n i=0 Durch diese Struktur wird R[[X]] zum kommutativen Ring mit Eins. Ist R ein Integritätsring, so auch R[[X]]. Weiter hat R[[X]] die zusätzliche Struktur der Komposition von Potenzreihen f ◦ g(X) := f (g(X)). Eine interessante und nützliche Operation auf den formalen Potenzreihen ist folgende: Definition 4.1.2 Die formale Ableitung des Ringes R[[X]] ist die Abbildung D : R[[X]] −→ R[[X]], ∞ X n=0 n an X 7−→ ∞ X n=1 nan X n−1 . 4.1. Formale Potenzreihen 69 Die formale Ableitung erfüllt folgende einfache Eigenschaften: Bemerkung 4.1.3 Für f (X), g(X) ∈ R[[X]] und a ∈ R gilt: (i) (ii) (iii) D(f + g) = Df + Dg D(af ) = aDf D(f g) = Df · g + f · Dg Hieraus sieht man, dass die formale Ableitung eine R-lineare Abbildung ist. Wenn man die formale Ableitung k-mal auf X n anwendet, so erhält man Dk (X n ) = n(n − 1) · . . . · (n − k + 1)X n−k . n(n − 1) · . . . · (n − k + 1) ist ein Vielfaches von k!, denn der Binomialkoeffizient µ ¶ n n(n − 1) · . . . · (n − k + 1) = k k! ist ganz allgemein die Anzahl der k-elementigen Teilmengen einer n-elementigen Menge, also insbesondere eine natürliche Zahl (eine natürliche Zahl m ist im allgemeinen Ring als m · 1 = 1 + . . . + 1 zu verstehen). Deswegen ist µ ¶ n Dk (X n ) = X n−k k! k und man kann wegen obiger Bemerkung auf ganz R[[X]] die Abbildung Dk : R[[X]] −→ R[[X]], k! ∞ X n=0 ∞ µ ¶ X n an X − 7 → an X n−k k n n=k definieren. Eine Potenzreihe ist im allgemeinen keine Funktion, da sie nicht für jeden eingesetzten Wert Falls man aber 0 einsetzt, so erhält man Pkonvergiert. n f (0) = a0 für f (X) = an X , und falls wir nun D0 (f ) := f und wie gehabt 0! := 1 vereinbaren, so gilt für eine Potenzreihe folgende Bemerkung 4.1.4 Für die P∞ n n=0 an X ∈ R[[X]] gilt Koeffizienten ak = der Potenzreihe f (X) = Dk (f )(0). k! Wir wollen jetzt, da wir p-adische Funktionentheorie betreiben, natürlich die analytischen Funktionen studieren. Es wird sich aber herausstellen, dass p-adische analytische Funktionen nicht die gewöhnten schönen Eigenschaften besitzen. Dazu aber später mehr. Wenn man aber trotzdem versuchen will, eine solche Funktion zu definieren, dann muss man zuerst einmal wissen, wo eine Potenzreihe konvergiert. Dies soll im folgenden geschehen. Nun also zu unserem Fall, in dem die Potenzreihen über R = Cp sind. 70 Kapitel 4. Potenzreihen 4.2 Konvergenz von Potenzreihen über Cp Die Theorie der Potenzreihen ist in C und R eine besonders schöne. Constantin Carathédory (1873-1950) schreibt dazu: Die Potenzreihen sind deshalb besonders bequem, weil man mit ihnen fast wie mit Polynomen rechnen kann. Es stellt sich nun die Frage, inwieweit sich die dort gemachten Ergebnisse auch in Cp erzielen lassen.1 Es wird sich zeigen, dass sich einerseits manche sonst komplizierte Dinge viel einfacher handhaben lassen, andererseits auch ein paar neue Probleme auftauchen. Das größte Problem wird sein, dass die Beziehung zwischen der Komposition von formalen Potenzreihen und der Komposition der Funktion, die sie definieren, im p-adischen Kontext komplizierter wird. Es sei noch einmal an 3.2.8 erinnert, was besagt, dass in Cp eine Reihe genau dann konvergiert, wenn die Reihenglieder P eine Nullfolge bilden. Setzt man jetzt ein x ∈ Cp in eine Potenzreihe f (X) = an X n ∈ Cp [[X]] ein, so kann man sich fragen, ob diese konvergiert. Sie konvergiert genau dann, falls |an xn |p → 0. Man erhält so den Konvergenzbereich der Potenzreihe {x ∈ Cp : |an xn |p → 0}. Es stellt sich jetzt die Frage, ob so etwas wie ein Konvergenzradius existiert; aber ja doch! P Satz 4.2.1 (Konvergenzradius) Jede Potenzreihe f (X) = an X n ∈ Cp [[X]] besitzt einen Konvergenzradius 0 ≤ r ≤ ∞ mit der Eigenschaft, dass die Reihe f (x) für für |x|p < r |x|p > r konvergiert und divergiert. Der Konvergenzradius hängt nur von |an |p ab und berechnet sich nach der Formel von Cauchy-Hadamard r= wobei hier 1 0 = ∞ und 1 ∞ 1 lim supn→∞ p n |an |p , = 0 festgelegt wird. Beweis. Ist |x|p < r, so ist notwendigerweise r > 0 und wir können ein |x|p < s < r wählen. Damit gilt q q s lim sup n |an |p sn = s lim sup n |an |p = < 1. r n→∞ n→∞ 1 Obwohl wir eigentlich immer an Cp denken wollen, ist die Eigenschaft algebraisch abgeschlossen eigentlich meistens nicht nötig. Man benötigt nur die Eigenschaft der Vollständigkeit, weswegen man in den folgenden Resultaten statt Cp auch eine endliche Körpererweiterung L ⊃ Qp zulassen kann. 4.2. Konvergenz von Potenzreihen über Cp 71 p Also ist supn≥N n |an |p sn < 1 für ein großes N , also auch |an |p sn < 1 für alle n ≥ N . Jetzt gilt für n → ∞ µ ¶ µ ¶ |x|p n |x|p n < → 0, 0 ≤ |an xn |p = |an |p sn s s was zeigt, dass die Potenzreihe konvergent ist. Ist nun schließlich |x|p > r, so ist q lim sup |an xn |p = |x|p lim sup n n→∞ n→∞ q |x|p n |an |p = > 1. r Dann hat man für unendlich viele n, dass |an xn |p > 1. Damit bildet (an xn ) keine Nullfolge. Daraus folgt die Divergenz der Reihe, q.e.d.2 Man erhält also ganz analog zur klassischen Analysis, dass der Konvergenzbereich den Ball B<r (0) ⊂ {x ∈ Cp : |an xn |p → 0} mit einem Radius 0 < r ≤ ∞ oder nur die 0 enthält. Es stellt sich analog zur Funktionentheorie die Frage nach dem Konvergenzverhalten auf der Sphäre3 Sr (0) = {x : |x|p = r} des Balls. In C war alles möglich und somit alles sehr kompliziert. Man denke an folgende Beispiele: (1) Die geometrische Reihe ∞ X Xn mit Konvergenzbereich B<1 (0). n=0 (2) Die logarithmische Reihe log(1+X) = ∞ X (−1)n−1 n=1 (3) ∞ X Xn n=1 n2 Xn n mit Konvergenzbereich B≤1 (0)−{−1}. mit Konvergenzbereich B≤1 (0). Die Antwort hier ist viel einfacher: Lemma 4.2.2 Das Konvergenzverhalten auf der Sphäre des Konvergenzballs ist folgendes: Entweder konvergiert die Potenzreihe auf allen Sphärenpunkten oder auf keinem. 2 Wer aufgepasst hat, hat vielleicht gemerkt, dass hier das Wurzelkriterium mit bewiesen wurde. . . 3 Es wurde gezielt der Begriff Rand des Balles nicht benutzt, da die Sphäre eines Balles in ultrametrischen Räumen nicht der Rand des Balles im topologischen Sinne ist; siehe dazu die Sätze 3.1.5 und 3.1.9. 72 Kapitel 4. Potenzreihen P Beweis. Dies ist wieder wegen 3.2.8 klar: Die Reihe f (x) = an xn konvergiert genau dann, wenn |an xn |p = |an |p |x|np → 0. Dies hängt nur von dem Wert |x|p ab und nicht von der speziellen Wahl von x, q.e.d. Jetzt folgt unmittelbar dieser Satz 4.2.3 Der Konvergenzbereich einer Potenzreihe f (X) = Cp [[X]] mit Konvergenzradius 0 ≤ r ≤ ∞ ist ½ n {x ∈ Cp : |an x |p → 0} = P an X n ∈ B≤r (0), falls f (x) für ein x ∈ Sr (0) konvergiert, B<r (0), sonst. Das ist eine schöne Antwort. Wir müssen also keine komplizierten Randbetrachtungen, wie in der Funktionentheorie, vollziehen: Der Konvergenzbereich ist in jedem Fall ein Ball (entweder ein offener oder ein abgeschlossener). Dies wollen wir gleich an zahlreichen Beispielen illustrieren. 4.3 (1) Beispiele von Potenzreihen Jede Potenzreihe f (X) = ∞ X an X n ∈ B≤1 [[X]] konvergiert mindestens in B<1 (0), n=0 denn aus |an | ≤ 1 und |x|p < 1 folgt, dass |an xn |p ≤ |x|np → 0. Man beachte, dass Zp ⊂ B≤1 . Ein spannendes Beispiel ergibt die Binomialreihe ∞ µ ¶ X a ba (X) := X n ∈ Zp [[X]] n n=0 mit einem festen a ∈ Zp , wobei µ ¶ a a(a − 1) · · · (a − n + 1) := . n 1 · 2···n Diese werden wir später in 6.3 betrachten. (2) ∞ X 1 Xn = 1−X hat den Konvergenzbereich B<1 (0), n=0 da nach der Formel von Cauchy-Hadamard r = 1 ist (nach (1) ist der Konvergenzradius r ≥ 1). Wie sieht es auf der Sphäre S1 (0) aus? Die Folge der Reihenglieder geht nicht gegen null, ganz analog zur Funktionentheorie (dies hängt nur von der 1 ab, die aber in jedem bewerteten Körper gleich bewertet ist!). 4.3. Beispiele von Potenzreihen (3) 73 Die logarithmische Reihe log(1 + X) := ∞ X Xn n (−1)n−1 n=1 hat den Konvergenzbereich B<1 (0) : Für n ≥ 1 gilt offensichtlich 1 ≤ |n|p ≤ 1 n und weiter, wenn man die n-te Wurzel zieht, sieht man für n → ∞, dass q n |n|p → 1. ¯ ¯ n−1 ¯ ¯ Dann ist wegen |an |p = ¯ (−1)n ¯ = p pνp (n) 1 |n|p klar, dass auch p n |an |p → 1. Auf der Sphäre ist |an xn |p = ≥ 1, also insbesondere keine Nullfolge; man vergleiche dies zum Falle C! (4) ∞ X Xn n=1 n2 hat den Konvergenzbereich B<1 (0), weil aus (3) q n 1 |an |p = p 2 →1 n |n|p folgt. Auch analog zu (3) herrscht wegen |an xn |p = p2νp (n) ≥ 1 auf der Sphäre Divergenz; auch dies vergleiche man zu C. (5) ∞ X 1 = pn X n 1 − pX hat den Konvergenzbereich B<p (0), n=0 nach (2) oder direkt: q 1 n |an |p = und auf der Sphäre gilt |an xn |p = p−n pn = 1. p (6) ∞ X Xn 1 = pn 1 − Xp n=0 hat den Konvergenzbereich B<1/p (0). Wieder nach (2) oder ganz analog zu (5) gilt q n |an |p = p und auf der Sphäre gilt |an xn |p = pn p−n = 1. Will man Reihen mit Koeffizienten behandeln, die n! enthalten, so muss man besser wie bisher n! abschätzen können: 74 Kapitel 4. Potenzreihen Lemma 4.3.1 Sei n ≥ 1 mit n = n0 + n1 p + n2 p2 + . . . + nm pm und sp (n) := n0 + n1 + . . . + nm ≥ 1. Dann ist ∞ ¹ º X n − sp (n) n n νp (n!) = = < , i p p−1 p−1 i=1 insbesondere ist |n!|p = p − n−sp (n) p−1 n − p−1 >p . Beweis. Man zähle wie viele Zahlen des Produkts n! = 1 · 2 · · · n durch p, p2 , p3 ,. . . geteilt werden. bmc bezeichne die größte ganze Zahl ≤ m, so werden b np c durch p, b pn2 c durch p2 ,. . . geteilt. Also ergibt sich die endliche Summe νp (n!) = ∞ ¹ º X n i=1 pi . Man schreibe jetzt n in der Basis p als n = n0 + n1 p + n2 p2 + . . . + nm pm mit 0 ≤ ni < p, dann ist ¹ º ¹ º n0 n m−1 = + n1 + n2 p + . . . + nm p = n1 + n2 p + n3 p2 + . . . + nm pm−1 p p ¹ º º ¹ n n0 n1 m−2 + n2 + . . . + nm p = n2 + n3 p + n4 p2 + . . . + nm pm−2 = + p2 p2 p .. º ¹ º . ¹ n n0 n1 n2 nm−1 + nm = nm , = + + + ... + pm pm pm−1 pm−2 p da die Summe der nicht-ganzen Terme immer kleiner als 1 ist: Im schlimmsten Fall sind bei b pnk c die Koeffizienten n0 = . . . = nk−1 = p − 1 und es gilt für die n n1 Summe der nicht-ganzen Terme npk0 + pk−1 + . . . + k−1 p p−1 p−1 p−1 + k−1 + . . . + = (p − 1) k p p p µ ¶ 1 − (1/p)k+1 pk − 1 −1 = < 1. 1 − 1/p pk Somit ist ¹ º n n = n0 + p p ¹ º ¹ º n n = n1 + p 2 p p .. ¹ º ¹ º . n n = nm + p m+1 = nm . pm p Summiert man alle Gleichungen auf, so erhält man n + νp (n!) = sp (n) + pνp (n!), 4.3. Beispiele von Potenzreihen 75 und der Rest ist evident, q.e.d. Jetzt können wir auch folgende Reihen betrachten: (7) Die Exponentialreihe exp(X) := ∞ X Xn n=0 hat den Konvergenzbereich B<p−1/(p−1) (0) : n! Nach Lemma 4.3.1 ist hier der Konvergenzradius r≥p 1 − p−1 und folglich konvergiert die Reihe für |x|p < p 1 − p−1 . Aber schon für 1 − p−1 |x|p = p konvergiert die Reihe nicht mehr: Für n = pm ist wieder nach 4.3.1, da sp (pm ) = 1 νp (pm !) = Schließlich ist wegen νp (x) = µ νp m xp pm ! ¶ = pm − 1 . p−1 1 p−1 pm pm − 1 1 − = p−1 p−1 p−1 m und somit (xp /pm !)m , also auch (xn /n!)n , keine Nullfolge. Dieser Konvergenzbereich ist verglichen mit dem in C eher schäbig! So etwas, wie die in C existierende Eulersche Zahl e= ∞ X 1 n! n=0 sucht man also vergeblich in den Körpern Cp (siehe dazu auch Beispiel 3.2.10 (3)). (8) Sei ζ 6= 1 eine p-te Einheitswurzel: ∞ X (ζ − 1)n n=0 n! Xn hat den Konvergenzbereich B<1 (0), da nach Beispiel 2.3.7 |ζ − 1|p = p−1/p−1 ist und somit analog zu (7) das besagte Konvergenzverhalten folgt. Dies ist faszinierend! Zuguterletzt soll noch eine nützliche Aussage über die formale Ableitung gezeigt werden: P Satz 4.3.2 (formale Ableitung, Teil 3) Die Potenzreihen f (X) = an X n P und Df (X) = nan X n−1 haben den gleichen Konvergenzradius. 76 Kapitel 4. Potenzreihen Beweis. Es reicht lim sup n→∞ q n |an |p = lim sup q |nan |p n−1 n→∞ zu zeigen. Eigentlich ist die Aussage evident: Ob eine Wurzel mehr oder weniger gezogen wird, ist beim Grenzübergang vernachlässigbar und weiter haben wir p vorher schon gesehen, dass n |n|p → 1 geht. Will man es dennoch explizit vorgeführt haben, so lese man folgenden Beweis (wenn nicht, dann überspringe man ihn einfach, da man danach auch nicht schlauer ist): Sei dazu q q lim sup n |an |p =: A und lim sup n−1 |nan |p =: B. n→∞ n→∞ Beide sind ≥ 0 und es ist klar, dass A = ∞ genau dann, wenn B = ∞. Ebenso ist A = 0 genau dann, wenn B = 0. Somit ist 0 < A < ∞ genau dann, wenn auch 0 < B < ∞ ist, und wir zeigen jetzt A = B: Wie schon in (3) bemerkt, ist stets n1 ≤ |n|p ≤ 1, und wenn man die n − 1-te p p Wurzel zieht auch n−1 |n|p ≤ 1, also insbesondere supk≥n k−1 |k|p ≤ 1. Weiter gibt es für jedes n ein k ≥ n, das nicht von p geteilt wird (man wählt m in k = pm − 1 groß), also mit |k|p = 1. Somit ist q sup k−1 |k|p = 1. k≥n p p Weiter heißt lim sup n |an |p = A nichts anderes, als | supk≥n k |ak |p −A| < ε für jedes ε > 0 und ein genügend großes n. Man kann somit ein genügend kleines ε > 0 und dazu ein genügend großes n wählen, sodass q 0 < A − ε < sup k |ak |p < A + ε k≥n gilt. Zieht man hier die n − 1-te Wurzel und lässt n → ∞ gehen, so erhalten wir s q n−1 sup k≥n k |ak |p → 1. Dann ergibt sich insgesamt ¯ ¯ q q ¯ ¯ ¯ ¯ 0 ≤ ¯sup k−1 |kak |p − sup k |ak |p ¯ ¯k≥n ¯ k≥n ¯ ¯ r q q q ¯ ¯ ¯ ¯ k−1 k ≤ sup k |ak |p · ¯sup |ak |p · sup k−1 |k|p − 1¯ ¯k≥n ¯ k≥n k≥n ¯ s ¯ q q ¯ ¯ ¯ ¯ n→∞ ≤ sup k |ak |p · ¯ n−1 sup k |ak |p − 1¯ −→ A · |1 − 1| = 0, ¯ ¯ k≥n k≥n da eine größere Wurzel näher bei der eins ist als eine kleinere (k − 1 ≥ n − 1 für k ≥ n). Also gilt A = B, q.e.d. 4.3. Beispiele von Potenzreihen 77 Obwohl f (X) und Df (X) den gleichen Konvergenzradius haben, kann ihr Verhalten auf der Sphäre verschieden sein; siehe dazu folgendes Beispiel (9). Als weitere schöne Anwendung zur Konvergenzradiusbestimmung ist folgendes Beispiel (10) gedacht. (9) ∞ X n Xp hat den Konvergenzbereich B<1 (0). n=0 p n Wegen lim p |an |p = 1 ist der Konvergenzradius r = 1; auf der Sphäre herrscht wie in (2) Divergenz. D µX ∞ ¶ X pn = n=0 ∞ X n −1 pn X p hat den Konvergenzbereich B≤1 (0). n=0 Nach 4.3.2 hat es den gleichen Konvergenzradius, aber konvergiert auf der Sphäre: n |an xp −1 |p = |an |p = p−n → 0. (10) ∞ X 1 = (−1)n X n 1+X hat den Konvergenzbereich B<1 (0). n=0 1 Wegen D log(1 + X) = 1+X ist nach (3) und 4.3.2 der Konvergenzradius r = 1. Dies ist natürlich offensichtlich und es wäre arbeitseffizienter gewesen umgekehrt zu schließen, aber es sollte hier so geschehen, da die direkte Bestimmungpdes Konvergenzradius von log(1 + X) die zusätzliche Erkenntnis lim n |n|p = 1 gebracht hat. Auf der Sphäre divergiert die Reihe wieder analog zu (2). Die beiden wichtigsten Beispiele wollen wir nochmal explizit in Form eines Satzes festhalten. Man beachte nochmal, wie sich die Verhältnisse im p-adischen Kontext umdrehen: Satz 4.3.3 (exp(X) und log(1 + X), Teil 1) (i) (ii) exp(X) hat den Konvergenzbereich B<p−1/(p−1) (0). log(1 + X) hat den Konvergenzbereich B<1 (0). Als nächstes kann man sich fragen: Was passiert mit dem Konvergenzradius, wenn man die Reihenstruktur von Cp [[X]] auf konvergente Potenzreihen loslässt? (Die Frage, wie es sich mit der Komposition von konvergenten Potenzreihen verhält, verdient, wie schon in in 4.2 angesprochen, besondere Aufmerksamkeit und soll in einem eigenen Abschnitt 4.5 anschließend behandelt werden.) 78 Kapitel 4. Potenzreihen 4.4 Addition und Multiplikation von konvergenten Potenzreihen Folgender Satz gibt zur Addition und Multiplikation von konvergenten Potenzreihen Antwort: P Satz 4.4.1 (Addition und Multiplikation) Seien f (X) = an X n und P g(X) = bn X n zwei Potenzreihen mit Konvergenzradien r und s. Falls f (x) und g(x) für x ∈ Cp konvergiert (auf jeden Fall für |x|p < min(r, s)), so konvergieren auch die Reihen f + g(x) und f g(x) und es gilt: (i) (ii) f + g(x) = f (x) + g(x) f g(x) = f (x)g(x) Beide Potenzreihen haben einen Konvergenzradius ≥ min(r, s). Beweis. (i) Nach Voraussetzung sind (an xn ) und (bn xn ) Nullfolgen, also auch ((an + bn )xn ) und somit konvergiert f + g(x). Weiter gilt f (x) + g(x) = lim k→∞ k X n an x + lim n=0 k→∞ k X k X n bn x = lim k→∞ n=0 (an + bn )xn = f + g(x). n=0 (ii) Für die Glieder der Reihe X ai bj xi+j (i,j)∈N×N gilt: Für jedes ε > 0 ist die Menge der (i, j) mit |ai bj xi+j |p ≥ ε endlich, da nach Voraussetzung (ai xi ) und (bj xj ) Nullfolgen sind. Aus dem Doppelreihensatz 3.3.5 erhält man, dass diese Reihe konvergent ist und auch jede Umordnung gegen denselben Grenzwert konvergiert. Insbesondere gilt f (x)g(x) = ∞ X i=0 ai xi ∞ X j=0 bj xj = ∞ X ∞ X i=0 j=0 ai bj xi+j = ∞ X X ai bj xn = f g(x) n=0 i+j=n und die Aussage über die Konvergenzradien ist klar, q.e.d. 4.5 Komposition von Potenzreihen Nach dem Erfolg bei der Addition und Multiplikation von konvergenten Potenzreihen wollen wir mutiger werden und uns an die Komposition Pwagen. Wir P beginnen mit der formalen Komposition: Seien f (X) = an X n und n g(X) = bn X zwei formale Potenzreihen. Zusätzlich braucht man die Bedingung b0 = 0, was dasselbe bedeutet wie g(0) = 0 (diese Voraussetzung bedeutete in C, dass f (g(X)) in einer kleinen Umgebung von 0 definiert und analytisch, d.h. in einer Potenzreihe c0 + c1 X + c2 X 2 + . . . entwickelbar ist). Wenn man jetzt formal g(X) in f (X) einsetzt, erhält man f (g(X)) = a0 + a1 g(X) + a2 g(X)2 + . . . 4.5. Komposition von Potenzreihen 79 und man will diese Potenzreihe wieder nach Potenzen von X ordnen und bekommt die Potenzreihe f ◦ g(X) = c0 + c1 X + c2 X 2 + . . . Diese zwei Potenzreihen sind zwar formal identisch, aber, wie man später sehen wird, muss man bei Konvergenzfragen strikt zwischen ihnen unterscheiden! Wir wollen uns jetzt die Koeffizienten cn genauer anschauen. Da nach Voraussetzung b0 = 0 ist, beginnt g(X)2 mit einem Term vom Grad 2, g(X)3 mit einem Term vom Grad 3, usw.. Also braucht man nur endlich viel Arbeit, wenn man den Koeffizienten cn berechnen will. Zur Berechnung von etwa c0 , c1 , c2 und c3 betrachte man f (g(X)) = a0 + a1 g(X) + a2 g(X)2 + a3 g(X)3 + . . . = a0 + a1 (b1 X + b2 X 2 + b3 X 3 + . . .) +a2 (b1 b1 X 2 + b1 b2 X 3 + b2 b1 X 3 + . . .) +a3 (b1 b1 b1 X 3 + . . .) + . . . und man liest sie mit Leichtigkeit ab: c0 = a0 c1 = a1 b1 c2 = a1 b2 + a2 b21 c3 = a1 b3 + 2a2 b1 b2 + a3 b31 .. . Allgemein kann man aus obiger Darstellung von f (g(X)) auch sehen, dass für m≥1 ∞ X βmn X n g(X)m = n=m mit ½ βmn := P 0 i1 +i2 ...+im =n bi1 bi2 . . . bim , falls n < m , falls n ≥ m. Auch sieht man aus obiger Darstellung der cn für n ≥ 1 n X cn = am βmn . m=1 Somit lässt sich f ◦ g(X) = a0 + ∞ X n=1 à n X ! am βmn Xn m=1 schreiben. Nun stellt sich die Frage nach der Konvergenz dieser formalen Potenzreihe in Cp . Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten, da das Problem folgendes ist: Es kann passieren, dass man zu unterschiedlichen Ergebnissen 80 Kapitel 4. Potenzreihen kommt, falls man einerseits x ∈ Cp in f ◦ g(X) einsetzt und andererseits dieses x zuerst in g(X) einsetzt und dann das Resultat in f (X) einsetzt. Es ist also in diesem Sinne, wie schon vorher erwähnt, deutlich zwischen der Reihe f ◦ g(X) und der Reihe f (g(X)) zu unterschieden, wenn man einen Wert x ∈ Cp einsetzt, obwohl sie formal gleich sind! Man könnte Vermuten, dass das Problem daran liegt, wie stark man eine Reihe umordnen darf. In der Tat muss man sehr vorsichtig sein: Am Ende dieses Abschnitts wird ein wichtiges Beispiel mit der Logarithmus- und der Exponentialreihe ausführlich diskutiert. Hier aber der Satz aus [Has80] Kap.17, wann man es darf: P an X n , Satz 4.5.1 von Potenzreihen) Seien f (X) = P (Komposition n g(X) = bn X ∈ Cp [[X]] mit g(0) = 0 und Konvergenzradien r, s und sei x ∈ Cp . Falls die Voraussetzungen (i) (ii) (iii) g(x) konvergiert f (g(x)) konvergiert maxn∈N |bn xn |p ≤ |g(x)|p erfüllt sind, dann konvergiert die Reihe f ◦ g(x) mit Konvergenzradius ≥ |x|p , und es gilt f ◦ g(x) = f (g(x)). Beweis. Man muss sich überlegen, ob die Doppelreihe f ◦ g(x) = a0 + ∞ X à n=1 n X ! am βmn xn m=1 mit den Voraussetzungen konvergiert. Zuerst kann man die Voraussetzungen von (i) und (iii) auf g(X)m erweitern: Mit Induktion von 4.4.1 (ii) konvergiert auch g(x)m mit ∞ X βmn xn . (4.1) g(x)m = n=m Weiter sieht man max |βmn xn |p ≤ |g(x)m |p (4.2) n∈N folgendermaßen: Falls n < m, so ist |βmn xn |p = 0 und somit nichts zu zeigen. Falls n ≥ m, so ist ¯Ã ! ¯ ¯ ¯ X ¯ ¯ n bi1 bi2 . . . bim xn ¯ |βmn x |p = ¯ ¯ ¯ i1 +i2 ...+im =n ≤ max i1 +i2 ...+im =n p i1 i2 |bi1 x |p |bi2 x |p . . . |bim xim |p . Nach Voraussetzung (iii) ist aber maxij ∈N |bij xij |p ≤ |g(x)|p und es folgt (4.2). 4.5. Komposition von Potenzreihen 81 Voraussetzung (ii) sagt einem folgendes, wobei die Art der Summation natürlich ausschlaggebend ist: Die Doppelreihe à ∞ ! ∞ ∞ X X X n m βmn x f (g(x)) = am g(x) = a0 + am m=0 = a0 + n=m m=1 ∞ X ∞ X am βmn xn , m=1 n=m konvergiert, insbesondere ist (am g(x)m ) eine Nullfolge. Zusammenfassung: Man hat folgende zwei Reihen, die man gegenseitig voneinander erhält, falls man die Summenzeichen vertauscht: f (g(x)) = a0 + f ◦ g(x) = a0 + ∞ X ∞ X n am βmn x = a0 + ∞ X ∞ X m=1 n=m ∞ X n X ∞ X ∞ X n=1 m=1 n=1 m=1 am βmn xn = a0 + am βmn xn m=1 n=1 am βmn xn Wir müssen jetzt also nur den Doppelreihensatz 3.3.5 anwenden. Dieser hat als Voraussetzung, dass es für jedes ε > 0 nur endlich viele Paare (m, n) gibt, sodass |am βmn xn |p > ε. Sei also ein ε > 0 gegeben. Jetzt kommt schlagend (4.2) ins Spiel: max |am βmn xn |p ≤ |am g(x)m |p → 0 n∈N Dabei ist wichtig, dass die rechte Seite nicht von n abhängt. Man kann also ein minimales m wählen, sodass |am βmn xn |p < ε. Somit kann nur für i ∈ {0, . . . , m − 1} |ai βin xn |p ≥ ε sein. P n Andererseits weiß man aus (4.1), dass g(x)m = ∞ n=m βmn x konvergiert, was nichts anderes heißt, als (βmn xn )n und somit auch (am βmn xn )n eine Nullfolge ist. Somit gibt es zu jedem Index i ∈ {0, . . . , m − 1} ein minimales ni mit |ai βini xni |p < ε; also nur für j ∈ {0, . . . , ni − 1} ist |ai βij xj |p ≥ ε. Deswegen ist die S Menge der (i, j) mit |ai βij xj |p ≥ ε in der endlichen Menge {0, . . . , m − 1} × m−1 i=0 {0, . . . , ni − 1} enthalten. Die Aussage über den Konvergenzradius ist klar, q.e.d. Es ist interessant, dass sich dieser Sachverhalt in der Funktionentheorie einfacher handhaben lässt: Hier reicht für f ◦ g(x) = f (g(x)), falls r der Konvergenzradius von f (X) ist, dass |g(x)| < r ist. Ausschlaggebend in der p-adischen Funktionentheorie ist also die Voraussetzung (iii)! Bevor wir aber das besagte Beispiel bringen, soll noch eine nützliche Aussage über die formale Ableitung behandelt werden; nämlich die Kettenregel. Diese ergibt sich aus der oben gewonnenen Reihendarstellung von f ◦ g(X). 82 Kapitel 4. Potenzreihen Folgerung Teil 4: Kettenregel) Seien P 4.5.2 (Formale Ableitung, P f (X) = an X n und g(X) = bn X n zwei formale Potenzreihen mit g(0) = 0, dann gilt: D(f ◦ g) = (Df ◦ g)Dg Beweis. Es ist à D(f ◦ g) = D a0 + ∞ X n X ! am βmn X n n=1 m=1 = ∞ X am m=1 ∞ X = ∞ X ∞ X nam βmn X n−1 n=1 m=1 nβmn X n−1 = n=1 ∞ X am D(g m ). m=1 Wir müssen jetzt D(g m ) berechnen: D(g m ) = D(g m−1 )g + g m−1 D(g) = [D(g m−2 )g + g m−2 D(g)]g + g m−1 D(g) = [[D(g m−3 )g + g m−3 D(g)]g + g m−2 D(g)]g + g m−1 D(g) = . . . = mg m−1 D(g). Also erhält man à D(f ◦ g) = ∞ X ! mam g m−1 Dg = (Df ◦ g)Dg, q.e.d. m=1 Beispiele 4.5.3 (1) Mit 4.5.2 könnte man die Koeffizienten von f ◦ g(X) jetzt auch mit der Formel von 4.1.4 bestimmen: c0 = f ◦ g(0) = f (0) = a0 , c1 = D(f ◦ g)(0) = (Df ◦ g)(0)Dg(0) = a1 b1 , D2 (D2 f ◦ g)(0)Dg(0)2 + (Df ◦ g)(0)D2 g(0) c2 = (f ◦ g)(0) = 2 2 = a2 b21 + a1 b2 , .. . Dk (f ◦ g)(0) ck = k! .. . 4.5. Komposition von Potenzreihen (2) 83 Man betrachte die formalen Potenzreihen aus Cp exp(X) = ∞ X Xn n=0 und n! log(1 + X) = ∞ X (−1)n−1 n=1 Xn . n Die formalen Ableitungen sind nach Beispiel 4.3 (10) D exp(X) = exp(X) und D log(1 + X) = 1 . 1+X Die Komposition log ◦ exp(X) lässt sich wegen (exp −1)(0) = 0 log ◦ exp(X) = log(1 + (exp −1))(X) = X + ∞ X cn X n n=2 schreiben. Einerseits ist jetzt D(log ◦ exp)(X) = 1 + ∞ X ncn X n−1 n=2 und andererseits nach 4.5.2 wegen D(exp −1) = exp D(log ◦ exp)(X) = 1 (X) exp(X) = 1. 1 + (exp −1) Koeffizientenvergleich der formalen Potenzreihen ergibt ncn = 0 und somit cn = 0 für n ≥ 2. Dies zeigt log ◦ exp(X) = X. Analog lässt sich die Komposition exp ◦ log(1 + X) wegen log(1 + 0) = 0 als ∞ X exp ◦ log(1 + X) = 1 + cn X n n=1 schreiben. Einerseits gilt wieder D(exp ◦ log(1 + X)) = ∞ X ncn X n−1 n=1 und andererseits nach 4.5.2 P n 1+ ∞ exp ◦ log(1 + X) n=1 cn X D(exp ◦ log)(1 + X) = = . 1+X 1+X 84 Kapitel 4. Potenzreihen Gleichsetzen dieser zwei Resultate ergibt, wenn man berücksichtigt, 1+ ∞ X n cn X = (1 + X) n=1 ∞ X 1 1+X · (1 + X) = 1 ncn X n−1 . n=1 Das heißt 1+ ∞ X cn X n = n=1 ∞ X n (n + 1)cn+1 X + n=0 = c1 + ∞ X ncn X n n=1 ∞ X ((n + 1)cn+1 + ncn )X n . n=1 Durch Koeffizientenvergleich der formalen Potenzreihen erhält man 1 = c1 , c1 = 2c2 + c1 , , c2 = 3c3 + 2c2 , .... Somit ist c2 = 0 und dann auch c3 = 0. . . , also cn = 0 für n ≥ 2. Wir erhalten folglich exp ◦ log(1 + X) = 1 + X und sehen, dass die formale Potenzreihe (exp −1)(X) das Inverse von log(1 + X) bezüglich der Komposition ist: log ◦ exp(X) = X und exp ◦ log(1 + X) = 1 + X. Abschließend soll der Satz 4.5.1 über die Komposition von Potenzreihen auf exp(X) und log(1 + X), wie weiter oben versprochen, diskutiert werden. Satz 4.5.4 (exp(X) und log(1 + X), Teil 2) Für x ∈ B<p−1/(p−1) (0) gilt log(exp(x)) = x und exp(log(1 + x)) = 1 + x. Dazu folgendes, auch sonst sehr nützliches Lemma 4.5.5 (exp(X) und log(1 + X), Teil 3) Für x ∈ B<p−1/(p−1) (0) gilt | exp(x)|p = 1, | exp(x) − 1|p = |x|p und | log(1 + x)|p = |x|p . Beweis. Für x = 0 ist nichts zu zeigen; sei also x 6= 0. Es sei nochmal an 4.3.1 erinnert: Für n ≥ 1 ist sp (n) ≥ 1 und somit νp (n!) ≤ n−1 . p−1 Daraus folgt |n|p ≥ |n!|p ≥ p − n−1 p−1 4.5. Komposition von Potenzreihen 85 und für n ≥ 2 und |x|p < p−1/(p−1) sogar ¯ n¯ ¯ n¯ ¶n−1 µ ¯x ¯ ¯ ¯ |x|p ¯ ¯ ≤ ¯x ¯ ≤ · |x|p < |x|p < 1. ¯n¯ ¯ n! ¯ p−1/(p−1) p p Deswegen gilt bei der Reihe exp(x) = 1 + x + ∞ X xn n=2 auch n! ¯ n¯ ¯ n¯ ¯ n¯ ¯x ¯ ¯x ¯ ¯x ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ max ¯ ¯ < max ¯ ¯ = |x|p < max ¯¯ ¯¯ = 1, n≥2 n! p n≥1 n! p n≥0 n! p und deshalb ergibt sich ¯ n¯ ¯x ¯ | exp(x)|p ≤ max ¯¯ ¯¯ = 1 n≥0 n! p ¯ n¯ ¯x ¯ und | exp(x) − 1|p ≤ max ¯¯ ¯¯ = |x|p . n≥1 n! p Analog sieht man bei der Reihe log(1 + x) = x + ∞ X (−1)n−1 n=2 auch xn n ¯ n¯ ¯ n¯ ¯x ¯ ¯x ¯ ¯ ¯ max ¯ ¯ < max ¯¯ ¯¯ = |x|p n≥2 n p n≥1 n p und somit ¯ n¯ ¯x ¯ | log(1 + x)|p ≤ max ¯¯ ¯¯ = |x|p . n≥1 n p Um zu zeigen, dass wirklich überall Gleichheit herrscht, beachte man, dass dahinter ein allgemeinerer Zusammenhang P steckt, der später genauer in 5.1 beschrieben werden soll: Sei 0 6= f (X) = an X n ∈ Cp [[X]] eine in x konvergente Potenzreihe. Falls es nur ein einziges N gibt mit |aN xN |p = max |an xn |p , n∈N so ist |f (x)|p = |aN xN |p . Es gilt ja immer |f (x)|p ≤ |aN xN |p ; wäre jetzt |f (x)|p < |aN xN |p , so ist nach dem Satz über Dreiecke |f (x) − aN xN |p = |aN xN |p was im Widerspruch zu max |an xn |p < |aN xN |p = |f (x) − aN xN |p ≤ max |an xn |p n6=N n6=N 86 Kapitel 4. Potenzreihen steht. Hier im Lemma ist N = 0 bei exp(X) und N = 1 bei exp(X) − 1 und log(1 + X), q.e.d. Beweis von 4.5.4. Nach 4.5.3 (2) ist log ◦ exp(X) = X und exp ◦ log(1 + X) = 1 + X. Man muss also nur die drei Bedingungen (i)-(iii) aus Satz 4.5.1 zeigen: Nach Satz 4.3.3 ist (i) in beiden Kompositionen nach Voraussetzung erfüllt. Bedingung (ii) lautet auch wegen 4.3.3 |(exp −1)(x)|p < 1 1 − p−1 und | log(1 + x)|p < p , was aber direkt aus dem eben gezeigten Lemma folgt. Bedingung (iii) ist in diesem Fall |x|p ≤ |(exp −1)(x)|p und |x|p ≤ | log(1 + x)|p , was ebenfalls unmittelbar aus dem Lemma folgt, sodass alle Bedingungen erfüllt sind, q.e.d. Zum Schluss noch ein Beispiel dafür, dass die Bedingung (iii) aus Satz 4.5.1 nicht vernachlässigbar ist: Beispiel 4.5.6 Für p = 2 und x = −2 ergibt sich folgender Widerspruch, wenn man bedenkenlos x zuerst in exp ◦ log(1 + X) = 1 + X und dann in exp(log(1 + X)) einsetzt: Dazu folgt aus 2 log(−1) = log((−1)2 ) = log(1) = 0 (dass der Logarithmus tatsächlich auch hier diese Eigenschaft hat, wird später in 6.1.1 gezeigt!) log(1 + x) = log(−1) = 0, und somit exp(log(−1)) = exp(0) = 1 6= −1 = 1 + x = exp ◦ log(1 + x). Was ist hier los? Gemäß dem vorherigen Satz kann für x mit |x|p < p−1/(p−1) nichts schiefgehen; hier ist aber |−2|2 = 12 = p−1/(p−1) . Es konvergieren zwar alle Reihen (|−2|2 < 1 und 0 < p−1/(p−1) ), aber dennoch ist exp(log(1+x)) 6= 1+x. Die Lösung dieses Mysteriums liegt in der Bedingung (iii), die hier nicht erfüllt ist: da die Koeffizienten von log(1 + X) alle ungleich 0 sind, ist ¯ ¯ n¯ ¯ n−1 (−2) ¯ ¯ . | log(1 + (−2))|p = 0 < max ¯(−1) n≥1 n ¯2 Dies zeigt einen wichtigen allgemeinen Fakt auf: Falls g(x) = 0 ist, hat man Probleme bei der Erfüllung von Bedingung (iii) für f ◦ g! 4.6. Durch Potenzreihen definierte Funktionen 4.6 87 Durch Potenzreihen definierte Funktionen Eine Potenzreihe definiert eine Funktion auf dem Konvergenzbereich B, entweder der Form B<r (0) oder B≤r (0): f : B → Cp , x 7−→ f (x) = ∞ X an xn n=0 Wie in der klassischen Analysis haben solche Funktionen schöne Eigenschaften. Man kann sich fragen: Ist so eine Funktion ebenfalls stetig auf B? Ja klar: Satz 4.6.1 Jede Potenzreihe f (X) = ist stetig auf B. P an X n ∈ Cp mit Konvergenzbereich B Beweis. Sei ε > 0 und 0 6= x ∈ B gegeben (die Stetigkeit in x = 0 ist sehr einfach). Da (an xn ) eine Nullfolge ist, ist C := maxn∈N |an xn |p eine Konstante. Wähle nun x0 ∈ B mit |x − x0 |p < δ := min(ε|x|p /C, |x|p ); somit ist insbesondere |x − x0 |p < |x|p und nach dem Satz über Dreiecke 3.1.2 |x|p = |x0 |p . So ergibt sich ¯∞ ¯ ¯X ¯ ¯ ¯ |f (x) − f (x0 )|p = ¯ an (xn − x0n )¯ ≤ max(|an |p |xn − x0n |p ) ¯ ¯ n∈N n=0 p ¯n−1 ¯ ¯X ¯ ¯ ¯ = max |an |p |x − x0 |p ¯ xi x0(n−1)−i ¯ . ¯ ¯ n∈N i=0 p ¯P ¯ ¯ i x0(n−1)−i ¯ ≤ max i 0(n−1)−i | = |x|n−1 ist schließlich x Wegen ¯ n−1 ¯ i=0...n−1 |x x p p i=0 p ¡ ¢ ¡ ¢ δ max |an |p |x|np ≤ ε, |f (x) − f (x0 )|p ≤ max |an |p |x − x0 |p |x|n−1 < p n∈N |x|p n∈N q.e.d. Ein wichtiger Satz für solche Funktionen ist der aus der klassischen Analysis bekannte und auch hier gültige Identitätssatz : Satz 4.6.2 (Identitätssatz) Seien f (X), g(X) ∈ Cp [[X]] und sei 0 6= xn → 0 eine Folge in Cp , sodass f (xn ) = g(xn ), dann ist f (X) = g(X). Beweis. Wegen der Stetigkeit im Nullpunkt nach 4.6.1 ist lim f (xn ) = f (0) = a0 und auch lim g(xn ) = g(0) = b0 , also a0 = b0 . Nach Subtraktion von a0 und Division durch xn erhalten wir f1 (xn ) = g1 (xn ), wobei f1 (X) = a1 + a2 X + a3 X 2 + . . . und g1 (X) = b1 + b2 X + b3 X 2 + . . . ist. Diese beiden Reihen haben ebenfalls einen positiven Konvergenzradius. Lässt man xn → 0 streben, so ergibt sich auf dieselbe Weise wie oben a1 = b1 , usw., q.e.d. 88 Kapitel 4. Potenzreihen Als direkte Folgerung des Identitätssatzes ergibt sich ein weiteres schönes Ergebnis für die formale Ableitung: Weiter oben wurde in 3.4.2 gezeigt, dass es p-adische Funktionen gibt, deren Ableitungen4 gleich sind, ohne dass ihre Differenz lokal-konstant ist. Das passiert nicht für Funktionen, die durch Potenzreihen definiert sind: Folgerung 4.6.3 (formale Ableitung, Teil 5) Seien f (X), g(X) ∈ Cp [[X]] mit Konvergenzradius r > 0. Falls für alle x ∈ B<r Df (x) = Dg(x) gilt, dann exisitert eine Konstante c ∈ Cp , sodass f (X) = g(X) + c. Beweis. Den Identitätssatz wendet man auf Df und Dg an und erhält: Df = Dg, also an = bn für n ≥ 1, q.e.d. Zuletzt seien wieder zwei Beispiele gebracht. Dazu erinnere man sich an 4.3.3 und Beispiel 4.3 (2) und man erhält folgende Funktionen: Beispiele 4.6.4 (1) exp : B<p−1/(p−1) (0) −→ Cp , x 7−→ exp(x) = ∞ X xn n=0 n! (2) log : B<1 (1) −→ Cp , x 7−→ log(x) = log(1 + (x − 1)) ∞ X (x − 1)n = (−1)n−1 . n n=1 (3) 1 : B<1 (0) −→ Cp , 1−X x 7−→ ∞ X xn . n=0 1 Man kann ganz leicht zeigen, dass die Reihe gegen 1−x konvergiert; man Pn−1 i n n beachte (1−x) i=0 x = 1−x , wobei x wegen |x|p < 1 eine Nullfolge ist. Nun aber zum nächsten Thema. 4 Man kann natürlich zeigen, dass bei Potenzreihen die formale Ableitung genau der Ableitung entspricht; dazu siehe man [Has80] oder [Jän99]. 4.7. Analytische Funktionen 4.7 89 Analytische Funktionen Wie es sich zeigen wird, ist der Begriff der analytischen Funktion nicht so einfach aus der Funktionentheorie zu übertragen. Definition 4.7.1 Eine Funktion heißt in B in eine Potenzreihe entwickelbar, falls eine Potenzreihe, die in B gegen die Werte der Funktion konvergiert, existiert. Aus der Funktionentheorie geleitet, ist man nun versucht folgende Definition zu geben, die, wie sich herausstellen wird, im p-adischen Kontext nicht optimal ist. Definition 4.7.2 Eine Funktion, die in einem abgeschlossenen Ball in eine Potenzreihe entwickelbar ist, heißt analytische Funktion. Insbesondere ist eine auf einem abgeschlossenen Ball durch eine Potenzreihe f (X) definierte Funktion analytisch. Man bezeichnet sie ebenfalls mit f : f : B≤r (0) → Cp , x 7−→ f (x) = ∞ X an xn n=0 In der Funktionentheorie spielt der Begriff lokal analytisch eine Rolle. Definition 4.7.3 Eine Funktion heißt lokal analytisch, falls zu jedem Punkt eine offene Umgebung exisitert, sodass die Funktion dort in eine Potenzreihe entwickelbar ist. Da Cp aber total unzusammenhängend ist, gibt es dort etliche solcher Funktionen, die gar nicht das sind, was man sich darunter vorstellen will, wie folgendes Beispiel zeigen soll: ½ 1, falls x ∈ B≤1 (0) f (x) := 0, falls x ∈ Cp − B≤1 (0) ist lokal analytisch, da sowohl B≤1 (0) als auch Cp − B≤1 (0) offen ist! So eine Funktion will man nicht in irgendeiner Weise analytisch nennen. Da sich aber die analytischen Funktionen auf abgeschlossenen Bällen gut verhalten, ist es nicht klar, wie der Zusammenhang von lokal analytisch und global analytisch ist. Dies ist unschön! Man kann dies aber tatsächlich umgehen. Dazu soll später nochmal Stellung genommen werden. Es treten noch weitere Schwierigkeiten bei dem Begriff analytisch auf: In der Funktionentheorie war eine sehr wichtige Frage, ob und wie man eine analytische Fortsetzung finden kann. Dies erreicht man zum Beispiel oft dadurch, indem man einfach P den Entwicklungspunkt ändert, d.h. man ordnet eine Potenzreihe f (X) = an X n für α ∈ B nach Potenzen von (X − α) um. Somit erhält man die folgende Gleichheit formaler Potenzreihen: ∞ ∞ n µ ¶ X X X n m f (X) = an ((X − α) + α) = an (X − α)m αn−m m n=0 n=0 m=0 µ ¶ ∞ ∞ ∞ X X X n an αn−m (X − α)m = bm (X − α)m =: g(X) = m n=m m=0 m=0 90 Kapitel 4. Potenzreihen Diese neue (formal aber dieselbe) Potenzreihe g(X) hat dann in C meistens einen anderen Konvergenzbereich und man erhält somit eine analytische Fortsetzung. Überraschenderweise kann das aber nie in der p-adischen Funktionentheorie passieren! Dies kann man sich vielleicht so vorstellen, dass jeder Punkt eines Balls Mittelpunkt des Balls ist. . . ; hier aber der Satz dazu: P Satz 4.7.4 Sei f (X) = an X n ∈ Cp [[X]] und α ∈ Cp , sodass f (α) konvergiert. Für m ∈ N definiere X µn¶ bm := an αn−m m n≥m und betrachte die Potenzreihe mit Entwicklungspunkt α g(X) = ∞ X bm (X − α)m . m=0 Es konvergiert f (x) genau dann, wenn g(x) konvergiert und es gilt dann f (x) = g(x). Insbesondere haben f (X) und g(X) den gleichen Konvergenzbereich. Beweis. Zuerst muss man zeigen, dass die bm wohldefiniert sind, d.h. dass sie konvergieren. Dies ist aber einfach, da f (α) konvergiert: Für ein festes m ist ¯µ ¶ ¯ ¯ n ¯ n−m ¯ n−m ¯ a α |p = |α|−m · |an αn |p → 0. n p ¯ m ¯ ≤ |an α p Man nehme ein x aus dem Konvergenzbereich von f (X) und betrachte ∞ ∞ X µ ¶ X X n f (x) = an ((x − α) + α)m = an αn−m (x − α)m , m n=0 n=0 m≤n was g(x) bis auf die Art der Summation gleicht. Man muss lediglich den Doppelreihensatz 3.3.5 anwenden. Dazu definiere ½ ¡n¢ n−m (x − α)m , falls m ≤ n m an α βnm := 0 , falls m > n. Falls r den Konvergenzradius von f (X) bezeichnet, so wählt man jetzt ein % ≤ r, sodass x, α ∈ B≤% (0). So gilt auch |α|n−m ≤ %n−m p und mit der verschärften Dreiecksungleichung m m |x − α|m p ≤ max(|x|p , |α|p ) ≤ % . Schließlich erhält man ¯ ¯µ ¶ ¯ ¯ ¯ ¯ n n−m m¯ ¯ an α (x − α) ¯ ≤ ¯an αn−m (x − α)m ¯p ≤ |an |%n → 0, |βnm |p = ¯ m p 4.7. Analytische Funktionen 91 für n → ∞, aber unabhängig von m. Weiter ist klar, dass auch für m → ∞ nach Definition der βnm ebenfalls βnm → 0 (βnm = 0 für m > n). Man schließt nun ganz wie im Beweis von 4.5.1, dass für ein ε > 0 die Menge der (j, i) mit |βji |p > ε endlich ist, sodass die Voraussetzung des Doppelreihensatzes 3.3.5 erfüllt ist. Somit ist, falls f (x) konvergiert, auch g(x) konvergent und f (x) = g(x). Sei umgekehrt g(x) konvergent, dann beachte man für ein festes m, dass ¯ ¯ ¯ ¯X µ ¶ ¯ ¯ n n−m m¯ ¯ an α (x − α) ¯ ≤ max |an αn−m (x − α)m |p . ¯ n≥m ¯ ¯n≥m m p Falls s den Konvergenzradius von g(X) bezeichnet, so wähle man analog ein σ ≤ s, und gehe ganz wie eben vor, q.e.d. Die Theorie der analytischen Funktionen, wie oben definiert, ist analog zu C ebenfalls schön, aber wie wir gerade gesehen haben, ist nicht ganz so viel möglich: Man bekommt keine analytische Fortsetzung einer Funktion, falls man den Entwicklungspunkt der Potenzreihe ändert. Auch hat man das Problem mit lokal und global analytisch. Es existiert tatsächlich ein besseres Konzept von analytischen Funktionen und analytischer Fortsetzbarkeit, das solche Schwierigkeiten umgeht: Dies war die Idee von Krasner, in der man von einem Satz von Runge aus der Funktionentheorie geleitet ist, in welchem man analytische Funktionen als Approximation von rationalen Funktionen sieht. Siehe dazu [Rob00] Kap.VI.4. Es gibt sogar eine noch modernere Methode, deren Gründung John Tate zugeschrieben wird und ein wichtiger Zweig der modernen Zahlentheorie ist: rigide analytische Geometrie. Sie benötigt aber in hohem Grade kommutative Algebra. Eine Einführung zu diesem schwierigen Thema findet sich in [BGR84]. Dies zeigt, dass der Begriff analytisch nicht so einfach zu fassen ist. Wir wollen hiervon absehen und lediglich Funktionen studieren, die durch Potenzreihen definiert sind. Kapitel 5 Sätze der p-adischen Funktionentheorie Dieses Kapitel ist der Höhepunkt dieser Arbeit: Hier sollen p-adische Analogien zu klassischen Sätzen behandelt werden, die mit Namen wie Cauchy, Liouville, Weierstraß et al. verbunden sind. Zuerst beweist man ein Analogon zur Cauchyschen Ungleichung und beweist damit einen p-adischen Satz von Liouville. Dazu braucht man neue Begriffe. Wir führen das Wachstumsmodul ein, das Potenzreihen sehr gut und auch anschaulich beschreibt. Dann untersucht man die Nullstellen von Potenzreihen und kommt zu unserem Hauptresultat, einer p-adischen Version des Weierstraßschen Vorbereitungssatzes. Aus diesem folgt alles andere in leichter Weise, insbesondere werden wir mit dessen Hilfe ganze Funktionen charakterisieren. Zum Abschluß wird noch gezeigt, dass auch hier das Maximumprinzip gilt. 5.1 Cauchysche Ungleichung und Wachstumsmodul Ziel dieses Abschnitts ist es zu untersuchen, inwieweit die in der Funktionentheorie gültige Cauchysche Ungleichung für die Taylorkoeffizienten auch in Cp gültig ist. Der französische Mathematiker Augustin Louis Cauchy (17891857) kannte die nach ihm benannte Ungleichung spätestens 1835. Er bewies sie mit Hilfe von Integralen. Weierstraß hat sie 1841 elementar mit einer arithmetischen Mittelwertbildung bewiesen. Wir halten uns im Prinzip an [Rob00] Kap.VI.1, obwohl dieser Text grundlegend überarbeitet wurde, z.B. erwähnt [Rob00] die Analogie zur Cauchyschen Ungleichung nicht. Wir erinnern uns an die Cauchysche Ungleichung in den komplexen Zahlen: P Für eine Potenzreihe f (X) = an X n ∈ C[[X]] mit Konvergenzradius r sei % < r, so gilt für alle n ∈ N |an |%n ≤ max |f (z)|. |z|=% 5.1. Cauchysche Ungleichung und Wachstumsmodul 93 Aus dieser Ungleichung folgt dann in der Funktionentheorie unmittelbar der Satz von Liouville: Jede beschränkte ganze Funktion ist konstant. Auch wir wollen einen Satz von Liouville, natürlich eine p-adische Version davon, mit einem p-adischen Analogon zur Cauchyschen Ungleichung beweisen. Ist das möglich? Was steht uns hier zur Verfügung? P Hier ist die Cauchysche Ungleichung umgedreht: Sei f (X) = an X n ∈ Cp [[X]] eine Potenzreihe mit Konvergenzradius r > 0. Wir haben für alle x mit |x|p = % < r |f (x)|p ≤ max |an |p %n . n∈N Insbesondere besagt dies, obwohl die Sphäre S% (0) nicht kompakt ist, dass f dennoch darauf beschränkt ist. Wie ist aber nun der Zusammenhang? Um die Situation besser zu verstehen, lohnt es sich folgende Begriffe zu entwickeln: Definition 5.1.1 Falls nur ein einziges N existiert mit |aN |p %N = max |an |p %n , n∈N d.h. |aN |p %N > maxn6=N |an |p %n , so sagen wir das Monom aN X N ist auf der Sphäre S% (0) dominant. Gibt es (mindestens) zwei i und j mit |ai |p %i = |aj |p %j = max |an |p %n , n∈N so sagen wir die Monome ai X i und aj X j sind auf der Sphäre S% (0) konkurrierend. Satz 5.1.2 (über das dominante Monom) (i) Für ein auf der Sphäre S% (0) dominantes Monom aN X N gilt dort |f (x)|p = |aN xN |p = |aN |p %N . (ii) Insbesondere ist in diesem Fall |f (x)|p konstant auf der Sphäre S% (0). Falls % nur klein genug ist, so existiert immer ein dominantes Monom aN X N auf der Sphäre S% (0). Beweis. (i) wurde schon im Beweis von 4.5.5 gezeigt. P (ii) Sei f (X) = an X n ∈ Cp [[X]] und definiert man N := min{n ∈ N : an 6= 0}, so gilt für ein genügend kleines |x|p |aN xN |p > max |an |p |x|np , n>N q.e.d. 94 Kapitel 5. Sätze der p-adischen Funktionentheorie P Definition 5.1.3 Sei f (X) = an X n ∈ Cp [[X]] eine Potenzreihe mit Konvergenzradius r > 0. Die monoton wachsende Funktion Q M% f : pQ 0 ∩ [0, r) −→ p0 , % 7−→ M% f := max |an |p %n n∈N heißt Wachstumsmodul von f . % < r heißt regulärer Radius von f , falls ein dominantes Monom auf S% (0) existiert. % < r heißt kritischer Radius von f , falls kein dominantes Monom auf S% (0) existiert. Das Wachstumsmodul ist wohldefiniert, da für ein |x|p = % < r geht an xn → 0 bzgl. | . |p und so geht |an |p %n → 0 bzgl. | . |∞ . Deswegen exisitiert ein m mit |am |p %m = max |an |p %n = M% f. n∈N Der Name Wachstumsmodul ist berechtigt, weil es misst, wie groß |f |p höchstens sein kann: Nach Definition ist für |x|p = % < r |f (x)|p ≤ M% f. Wir halten direkt aus 5.1.2 (i) fest: Satz 5.1.4 (über reguläre Radien) Falls % einen regulären Radius bezeichnet gilt |f (x)|p = M% f. Falls a0 6= 0, so ist % = 0 ein regulärer Radius, da a0 dort das dominante Monom ist: |a0 |p > 0 = max |an |p %n n≥1 Falls a0 = 0, dann ist % = 0 ein kritscher Radius: Denn dann ist max |an |p %n = 0 n≥0 und somit hat man unendlich viele konkurrierende Monome a0 = 0, a1 X, a2 X 2 ,. . . . Weiter gilt: Falls % ein positiver kritischer Radius ist, so gibt es (mindestens) i und j mit M% f = |ai |p %i = |aj |p %j und wir können ¯ ¯ ¯ aj ¯ i−j % = ¯¯ ¯¯ ai p schreiben. Aus eben gesagten folgt unmittelbar der 5.1. Cauchysche Ungleichung und Wachstumsmodul 95 Satz 5.1.5 (über kritische Radien) (i) (ii) % = 0 ist genau dann ein kritischer Radius wenn a0 = 0. Für einen positiven kritischen Radius % ist ¯ ¯ ¯ aj ¯ i−j % = ¯¯ ¯¯ , ai p d.h. ein positiver kritischer Radius ist eine Wurzel eines Betrages eines Elements aus Cp . Somit ist ein positiver kritischer Radius der Betrag eines algebraischen Elements. Wie steht es aber nun mit einem Analogon zur Cauchyschen Ungleichung für die Taylorkoeffizienten? P Hauptsatz 5.1.6 (Cauchysche Ungleichung) Sei f (X) = an X n ∈ Cp [[X]] eine Potenzreihe mit Konvergenzradius r. Für reguläre Radien % < r und alle n ∈ N gilt die Cauchysche Ungleichung: |an |%n ≤ M% f = max |f (x)|. |x|=% Beweis. Das “≤” gilt nach Definition von M% f und das “=” gilt nach dem Satz über reguläre Radien, q.e.d. Wenn man einen p-adischen Satz von Liouville mit der Cauchyschen Ungleichung 5.1.6 beweisen will, haben wir das Problem, dass wir im Gegensatz zur Funktionentheorie reguläre Radien brauchen. Wir brauchen, wenn man die Schlussweise in der Funktionentheorie imitieren will, genügend reguläre Radien. Dass genügend solche Radien existieren, verrät vielleicht schon die Bezeichnung; sie sind wirklich regulär : P an X n ∈ Cp [[X]] mit KonverLemma 5.1.7 Eine Potenzreihe 0 6= f (X) = genzradius 0 < r ≤ ∞ hat nur reguläre Radien % < r bis auf eine diskrete Teilmenge von kritischen Radien {% < %0 < %00 < . . .} ⊂ pQ 0 ∩ [0, r). Beweis. Sei 0 < |x|p = % < r und sei N mit |aN |p %N = M% f. Falls n > N und 0 < σ < % so ist nach Definition von M% f |an |p %n ≤ |aN |p %N und es folgt |an |p n−N % ≤1 |aN |p =⇒ |an |p n−N σ <1 |aN |p =⇒ |an |p σ n < |aN |p σ N . Somit ergibt sich für σ < %, dass nur die Monome a0 , a1 X, . . . aN −1 X N −1 mit aN X N auf der Sphäre Sσ (0) konkurrieren können. Deswegen sind die kritischen Radien σ < % lediglich unter den Lösungen der Gleichungen σ j−i = |ai |p |aj |p 96 Kapitel 5. Sätze der p-adischen Funktionentheorie mit 0 ≤ i < j ≤ N zu suchen; dies sind nur endlich viele. Die Menge der kritischen Radien < r ist folglich endlich (eventuell auch leer) oder besteht aus einer streng monoton wachsenden Folge, die sich in r häuft, q.e.d. Man kann den Graphen (%, M% f ) einfach skizzieren: Es sei einem dabei Q bewusst, dass sich der Graph in pQ 0 × p0 befindet. 6 |a3 |p %3 |a4 |p %4 |a2 |p %2 M%f » » »»» » »» »» »»» »»» »» »»» |a0 |p »» »»» »»» 0 % |a1 |p % 00 % - r Abbildung 5.1: Das Wachstumsmodul M% f . Der Graph des Wachstumsmoduls ist die konvexe Oberkante aller Graphen von Beträgen von Monomen. Es wurden nur die Graphen dick gezeichnet, die eine Rolle für M% f spielen. Für a0 6= 0 ist nach 5.1.5 (i) % = 0 ein regulärer Radius und somit gilt nach 5.1.2 (ii) auch noch für kleine |x|p = %, genauer für 0 ≤ % < %0 M% f = |a0 |p . Bei einem kritischen Radius %0 schneiden sich also die Graphen mindestens zweier konkurrierender Monome. Auf der Abbildung hat man gleich drei konkurrierende Monome bei %0 M%0 f = |a0 |p = |a1 |p %0 = |a2 |p %02 , und zwei bei %00 M%00 f = |a2 |p %002 = |a3 |p %003 . Zwischen zwei kritischen Radien %0 < %00 liegen nur reguläre Radien %. Deswegen gilt hier, also für %0 < % < %00 , für ein einziges N M% f = |aN |p %N . 5.1. Cauchysche Ungleichung und Wachstumsmodul 97 In der Abbildung ist hier N = 2 und für %00 < % < r ist N = 3. Das Wachstumsmodul ist somit die konvexe Oberkante aller Graphen von |an |p %n (n ∈ N und 0 ≤ % < r). Außerdem beachte man, wie das Monom a4 X 4 bzw. dessen Betrag |a4 |p %4 keine Rolle für das Wachstumsmodul spielt. Zusammenfassend kann man festhalten: Bemerkung 5.1.8 Für alle 0 ≤ % < r stimmt das Wachstumsmodul M% f stückweise mit den Beträgen von Monomen |aN |p %N auf der Sphäre S% (0) überein. Insbesondere ist M% f stetig, sogar bis auf diskret viele Ausnahmen stetig differenzierbar. Auch gilt für alle 0 ≤ % < r bis auf diskret viele Ausnahmen, dass der Betrag der Potenzreihe |f (x)|p mit |x|p = % mit dem Wachstumsmodul M% f übereinstimmt, insbesondere auch mit den Beträgen von Monomen |aN |p %N . Beispiele 5.1.9 (1) ∞ X 1 = Xn 1−X n=0 hat den Konvergenzradius r = 1 und keine kritischen Radien % < 1, denn das dominante Monom a0 = 1 ist für alle % < 1 dominant: M% f = |a0 |p = 1. Man denke dabei an folgendes Bild: Man zeichne die Graphen der Funktionen 1, %, %2 , . . . für % < 1 und sieht, dass wirklich das Monom a0 = 1 dominant ist. (2) exp(X) = ∞ X Xn n=0 n! hat den Konvergenzradius r = p−1/(p−1) und keine kritischen Radien: In 4.5.5 hat sich ergeben, dass für |x|p < r < 1 ¯ n¯ ¯x ¯ max ¯¯ ¯¯ = |x|p < 1. n≥1 n! p Also ist das dominante Monom a0 = 1. (3) log(1 + X) = ∞ X (−1)n−1 n=1 Xn n hat den Konvergenzradius r = 1 und in B<p−1/(p−1) (0) nur den kritischen Radius % = 0. Denn wegen a0 = 0 ist nach 5.1.5 (ii) % = 0 ein kritischer Radius. Dagegen ist für 0 < |x|p < p−1/(p−1) nach 4.5.5 ¯ n¯ ¯ n¯ ¯x ¯ ¯x ¯ ¯ ¯ max ¯ ¯ < max ¯¯ ¯¯ = |x|p , n≥1 n p n≥2 n p also a1 X = X das dominierende Monom. 98 (4) (5) Kapitel 5. Sätze der p-adischen Funktionentheorie P Falls f (X) = an X n eine Potenzreihe mit Konvergenzradius r ist, wobei für n → ∞ |an |p rn → ∞, dann existiert eine Folge von kritischen Radien %0 , %00 , %000 , . . ., die gegen r konvergiert. Man stelle sich dies bildlich vor und formuliere dahingehend einen Beweis. Die Idee: Da % 7→ M% f stetig ist, muss für % → r auch M% f → Mr f = ∞. Da aber jedes Monom an X n an der Sphäre Sr (0) nur einen endlichen Betragswert annimmt (die Monome haben ja keinen Pol, sondern sind bijektiv auf R+ ), muss je näher % an r kommt, ein Monom immer größeren Betrages auf der Sphäre S% (0) dominant werden. Somit erhält man die kritischen Radien, die gegen r konvergieren. Ein Beispiel für (4) ist n ∞ X Xp ; pn n=0 sie hat den Konvergenzradius r = 1, da s¯ ¯ ¯1¯ n/pn pn ¯ ¯ → p0 = 1. ¯ pn ¯ = p p Es gilt für |x|p = 1 n |an |p 1p = pn → ∞. Jetzt noch eine Schlussbemerkung: Das Wachstumsmodul steht in engem Zusammenhang mit dem Newton-Polygon. Man kann das so sagen: Was beim Wachstumsmodul die Rolle von | . |p spielt, ist beim Newton-Polygon νp ( . ). Dies kann man in [Rob00] Kap.VI.1 nachlesen. Für unsere Zwecke ist das Wachstumsmodul anschaulicher, natürlicher und einfacher zu verstehen. Mit den hier entwickelten Begriffen können wir nun endlich zum p-adischen Analogon des Satzes von Liouville kommen. 5.2 Satz von Liouville Nach Karl Theodor Wilhelm Weierstraß (1815-1897) heißen Funktionen, die überall in C holomorph sind, ganze Funktionen. So wollen wir analog für Potenzreihen definieren: Definition 5.2.1 Eine Potenzreihe f (X) = genzradius r = ∞ heißt ganze Potenzreihe. P an X n ∈ Cp [[X]] mit Konver- Wir wollen für ganze Potenzreihen folgendes allgemeines Lemma zeigen, dessen Spezialfall unser angestrebtes Ziel ist: 5.2. Satz von Liouville 99 P Satz 5.2.2 Sei f (X) = an X n ∈ Cp [[X]] eine ganze Potenzreihe. Es gelte für ein C > 0 und ein N ∈ N |f (x)|p ≤ C|x|N p , für jedes x mit |x|p > 0, dann ist f ein Polynom vom Grade ≤ N . Beweis. Es ist für einen regulären Radius |x|p = % nach der Cauchyschen Ungleichung 5.1.6 |an |p %n ≤ M% f = max |f (x)|p |x|p =% und nach Voraussetzung für % > 0 max |f (x)|p ≤ C%N . |x|p =% Daher ist für einen regulären Radius % > 0 |an |p ≤ C%N −n . Jetzt kommt die Idee: Nach dem Lemma 5.1.7 gibt es aber nur “diskret viele” kritische Radien und man kann insbesondere eine Folge von regulären Radien %j → ∞ wählen,1 für die dann −n |an |p ≤ C%N j gilt. Für j → ∞ bekommt man an = 0, falls n > N , q.e.d. Wir kommen somit zum p-adischen Analogon des Satzes von Liouville, der unmittelbar aus dem voran gehenden Satz folgt. Der französische Mathematiker Joseph Liouville (1809-1882) stellte 1847 den Satz Une fonction doublement périodique qui ne devient jamais infinite est impossible. an den Anfang seiner Vorlesung, die der deutsche Mathematiker Carl Wilhelm Borchardt (1817-1880) hörte und ihn in einer Veröffentlichung nach Liouville benannte. Eigentlich aber stammte der Satz von Cauchy, der ihn 1844 mittels seines Residuenkalküls herleitete. Die direkte Herleitung aus der Cauchyschen Ungleichung, wie auch wir es eben getan haben, gab Camille Jordan (1838-1921): Hauptsatz 5.2.3 (von Liouville) Jede beschränkte ganze Potenzreihe über Cp ist konstant. 1 Aufgepasst, hier ist Cp notwendig: Es müssen insgesamt genügend Radien, d.h. Werte von + | . |p existieren. Dies ist hier der Fall, da |Cp |p = pQ 0 dicht in R0 liegt. Dieser Schluss ist für Qp oder einer endlichen Körpererweiterung davon nicht zulässig, denn deren Wertemenge von | . |p bildet selbst nur eine diskrete Menge! 100 Kapitel 5. Sätze der p-adischen Funktionentheorie Beweis. Man wendet den Satz 5.2.2 für N = 0 an: Es existiert nach Voraussetzung ein C > 0, so dass für alle x ∈ Cp |f (x)|p ≤ C und es ist somit f ein Polynom vom Grad 0, d.h. f ist konstant, q.e.d. 5.3 Nullstellen und Weierstraßscher Vorbereitungssatz Unser nächstes Ziel ist es, über das Nullstellenverhalten von Potenzreihen, also über die Existenz und Vielfachheit von Nullstellen, Aussagen zu treffen. Ein Satz, der dies alles auf einmal erschlägt, ist eine p-adische Version des Weierstraßschen Vorbereitungssatz. Wir folgen hier [Cas86] und [Rob00]. Alles wurde aber grundlegend überarbeitet. Wir werden zuerst das Resultat für Polynome beweisen und dann für Potenzreihen als Limes von Polynomen. Diese Konvergenztheorie soll im folgenden entwickelt werden. Dazu braucht man aber noch mehr Wissen über unsere entwickelten Begriffe. 5.3.1 Nullstellen und kritische Sphären Definition 5.3.1 Eine Sphäre S% (0) heißt kritisch für eine Potenzreihe f (X), falls % ein kritischer Radius von f (X) ist. Satz 5.3.2 Nullstellen einer Potenzreihe über Cp befinden sich nur auf kritischen Sphären. Beweis. Ist f = P0, so nist die Aussage klar, da jeder Radius kritisch ist. Sei nun 0 6= f (X) = an X ∈ Cp [[X]] mit Konvergenzradius r > 0 und weiter sei |x|p = % < r mit f (x) = 0; insbesondere ist f somit nicht konstant. Falls für x 6= 0 nun % > 0 ein regulärer Radius wäre, so müsste 0 = |f (x)|p = M% f = maxn∈N |an |p %n > 0 gelten. Deswegen ist % = |x|p ein kritischer Radius. Falls x = 0 mit f (x) = 0, so ist a0 = 0 und wir wissen bereits aus 5.1.5, dass % = |x|p = 0 ein kritischer Radius ist, q.e.d. Beispiel 5.3.3 (1) (2) exp(X) hat keine kritischen Sphären in B<p−1/(p−1) (0), da nach 5.1.9 (2) keine kritischen Radien. Somit existieren dort auch keine Nullstellen (dies ist aber auch direkt aus | exp(x)|p = 1 (4.5.5) ersichtlich). log(1 + X) hat in B<p−1/(p−1) (0) nur S0 (0) als kritische Sphäre, da nach 5.1.9 (3) nur % = 0 ein kritischer Radius ist. Hier existiert auch eine Nullstelle (dies ist ebenfalls bereits durch | log(1 + x)|p = |x|p (4.5.5) ersichtlich). 5.3. Nullstellen und Weierstraßscher Vorbereitungssatz 101 Auf einer kritischen Sphäre konkurrieren immer mindestens zwei Monome. Dabei sind zwei Monome ausgezeichnet: P Definition 5.3.4 Sei f (X) = an X n ∈ Cp [[X]] mit Konvergenzradius r und 0 < % < r. Dann heißen n := min{n : |an |p %n = M% f } ≤ n := max{n : |an |p %n = M% f } < ∞ der kleinste und der größte konkurrierende Index auf der Sphäre S% (0) von f . Die Monome an X n und an X n heißen das kleinste und das größte konkurrierende Monom auf S% (0) von f . Falls % = 0 wäre, so ist n = ∞. Diesen einfachen Fall wollen wir aber im folgenden ausschließen. Für 0 < % < r ist immer n < ∞, da die |an |p %n eine Nullfolge bilden. Was kann man sich unter den Monomen an X n und an X n vorstellen? Wenn man wieder an den Graphen von M% f , bzw. der Monome |an |p %n denkt, kann man das so interpretieren: Falls % ein regulärer Radius ist, schneidet sich mit dem dominierenden Monom-Graph kein anderer Monom-Graph und es gilt n = n. Bezeichnet % einen kritischen Radius, so schneiden sich dort mehrere Monom-Graphen mit dem vorher dominierenden Monom-Graph |an |p %n . Dabei hat |an |p %n unter all diesen den höchsten Grad, also wird an X n das neue dominante Monom (falls |ai |p %i = |aj |p %j für ein % gilt, so ist klar, dass |ai |p (% + ε)i > |aj |p (% + ε)j für i > j und ein ε > 0 ist). Beispiel 5.3.5 In Abbildung 5.1 ist bei dem kritischen Radius %0 n = 0 und n = 2, und bei %00 ist n = 2 und n = 3. Wir halten fest: Bemerkung 5.3.6 Für einen regulären Radius % gilt n=n und für einen kritischen Radius % gilt n < n. Bezeichnen %0 < %00 zwei unmittelbar aufeinander folgende kritische Radien mit kleinsten bzw. größten Indizes n0 bzw. n0 und n00 bzw. n00 , dann gilt n0 = n00 . Wir wissen schon, dass Nullstellen nur auf kritischen Sphären liegen. Gilt es auch umgekehrt, falls man einen kritischen Radius hat, dass auch Nullstellen darauf existieren? Ja! Es wird sich später aus dem Weierstraßschen Vorbereitungssatz ergeben, dass die Anzahl der Nullstellen auf der Sphäre S% (0) 102 Kapitel 5. Sätze der p-adischen Funktionentheorie gleich n − n ist (für einen regulären Radius sieht man schon jetzt, dass es stimmt). Wenn wir dies wissen, liefert uns das Wachstumsmodul eine anschauliche Möglichkeit eine Potenzreihe zu analysieren. Nun aber zu Potenzreihen, die man jetzt als Limes von Polynomen sehen will. 5.3.2 Polynome und eingeschränkte Potenzreihen P Wir betrachten nun eine Potenzreihe f (X) = an X n ∈ Cp [[X]] mit einem Konvergenzradius r zusammen mit dem Wachstumsmodul. f konvergiert dann auch für ein % < r im abgeschlossenen Ball B≤% (0). Ist % = 1 (< r ⇒ |ai |p → 0), so heißt das Wachstumsmodul M1 f Gauß-Norm oder auch sup-Norm sup |ai |p = max |ai |p = M1 f. i∈N i∈N Wie wir sehen werden, ist Mf (1) tatsächlich eine Norm auf dem Unterraum des Cp -Vektorraums Cp [[X]] Cp {X} := {f (X) ∈ Cp [[X]] : |ai |p → 0} ⊂ Cp [[X]]; dies ist sogar ein Unterring. Dies scheint Anlass zur Annahme zu geben, dass die Abbildung f 7→ M% f eine Norm auf einem geeigneten Unterraum von Cp [[X]] ist. Dies ist tatsächlich der Fall. Dazu definieren wir zuerst passende Unterräume: Definition 5.3.7 Sei % > 0. Dann heißt n o X Cp {X}% := f (X) = an X n ∈ Cp [[X]] : |ai |p %n → 0 Ring der bzgl. % eingeschränkten Potenzreihen. Für % = 1 heißt n o X Cp {X} := Cp {X}1 = f (X) = an X n ∈ Cp [[X]] : |ai |p → 0 Ring der eingeschränkten Potenzreihen. Die Potenzreihen in Cp {X}% konvergieren in B≤% (0) und sie bilden tatsächlich einen Unterring und auch Untervektorraum von Cp [[X]].2 Weiter ist M% f tatsächlich eine Norm darauf, es gilt sogar noch mehr: Satz 5.3.8 Sei % > 0 und f (X), g(X) ∈ Cp {X}% . Dann gilt für M% f : (i) (ii) (iii) (iv) M% f = 0 ⇐⇒ f (X) = 0 M% (f + g) ≤ max(M% f, M% g) M% (f g) = M% f · M% g Für f = a0 ∈ Cp ist M% f = |a0 |p Insbesondere ist f 7→ M% f eine multiplikative Norm auf dem Vektorraum Cp {X}% , der den p-adischen Absolutbetrag | . |p fortsetzt. 2 Man könnte statt Cp auch eine endliche Körpererweiterung von Qp zulassen, allerdings gelten hier nicht alle Ergebnisse, die wir im folgenden machen werden: dies liegt wieder daran, dass die Bewertung nur diskret ist. Es wird aber an den entsprechenden Stellen darauf hingewiesen. 5.3. Nullstellen und Weierstraßscher Vorbereitungssatz 103 Beweis. (i) und (ii) folgen direkt aus den Eigenschaften von | . |p ; (iv) direkt aus der Definition von M% f . (iii) Für reguläre Radien % gilt ja M% f = |f (x)|p für ein x mit |x|p = %. So heißt (iii) nichts anderes, als |f g(x)|p = |f (x)|p |f (x)|p . Für einen kritischen Radius % geht man folgendermaßen vor: Da die regulären Radien dicht liegen,3 nähere man % durch reguläre Radien %n an, also %n → %. Dann ergibt sich nach obigem M%n (f g) = M%n f · M%n g und wegen der Stetigkeit der Abbildung % 7→ M% (h) für ein beliebiges h erhält man nach Grenzübergang die Behauptung, q.e.d. Falls man diesen Satz nur für Polynome Cp [X] ⊂ Cp {X}% liest, so sieht man, dass M% f eine nicht-archimedische Bewertung des Körpers der rationalen Funktionen Cp (X) ist.4 Diese Bewertung auf dem Polynomring ist ein hilfreiches Werkzeug, z.B. kann man den Beweis des Eisensteinschen Irreduzibilitätskriterium 2.1.1 vereinfachen. Dieser Satz wird für jedes positive reelle % > 0 erfüllt; wir interessieren uns ab jetzt aber nur für % ∈ pQ , da nur solche positiven Radien vorkommen können (die Erweiterung der im folgenden gemachten Ergebnisse auf ein beliebiges % ∈ R+ erhält man aus der Tatsache, dass pQ dort dicht liegt und % 7→ M% f stetig ist). Als nächstes soll beschrieben werden, wie man Potenzreihen durch Polynome annähert. Es bildet Cp {X}% die Vervollständigung des Polynomrings Cp [X] bzgl. der Norm M% f . Also ist eine bzgl. % eingeschränkte Potenzreihe der Limes von Polynomen; genau das, was wir wollen. Satz 5.3.9 Sei % ∈ pQ . Dann ist Cp {X}% die Vervollständigung des Polynomrings Cp [X] bzgl. der Norm M% f . Beweis. Zuerst wird gezeigt, dass Cp {X} vollständig bzgl. M1 f ist, und anschließend, dass Cp {X}c vollständig bzgl. M% f ist. Anschließend wird gezeigt, dass Cp [X] bzgl. M1 f dicht in Cp {X} und dann, dass es bzgl. M% f dicht in Cp {X}% liegt. Cp {X} vollständig bzgl. M1 f : Sei fi (X) = ai0 + ai1 X + ai2 X 2 + ai3 X 3 + . . . 3 Hier wäre eine endliche Körpererweiterung von Qp nicht ausreichend! Man kann aber noch zeigen, dass M% (f g) ≤ M% f · M% g gilt. 4 Für Polynome könnte man Cp durch eine endliche Körpererweiterung von Qp ersetzen; der Beweis ist aber ein bisschen kompliziert. 104 Kapitel 5. Sätze der p-adischen Funktionentheorie eine Cauchy-Folge in K{X}, d.h. für jedes ε > 0 gibt es große i, j, sodass M1 (fi − fj ) < ε. Dies heißt nichts anderes, als |ain − ajn |p < ε, für alle n, also sind alle Koeffizientenfolgen (ain )i Cauchy. Da aber Cp vollständig ist, konvergieren diese gegen ein an , also ain → an . Man betrachte dahingehend g(X) = a0 + a1 X + a2 X 2 + a3 X 3 + . . . und zeigt, dass dies wirklich der Grenzwert von (fi (X))i in Cp {X} ist: Falls man für große i und j → ∞ die Ungleichung |ain − ajn |p < ε betrachtet, erhält man |ain − an |p ≤ ε für alle n und somit für große i M1 (fi − g) = max |ain − an |p ≤ ε. n∈N Jetzt muss man nur noch zeigen, dass g(X) auch wirklich in Cp {X} liegt. Da aber die fi (X) daraus waren, gilt |ain |p → 0 für n → ∞. Insgesamt gilt also für ein großes i und ein großes n |an |p ≤ |ain − an |p + |ain |p ≤ ε + ε, d.h. an → 0. Cp {X}% vollständig bzgl. M% f : Für % = pa/b ∈ pQ , wählt man ein α ∈ Cp mit |α|p = % = pa/b .5 Sei fi (X) = ai0 + ai1 X + ai2 X 2 + ai3 X 3 + . . . eine Cauchy-Folge in Cp {X}% , dann betrachtet man die Folge fi0 (X) := fi (αX) = ∞ X ain αn X n , n=0 die in Cp {X} liegt und ebenfalls Cauchy ist, da M1 (fi0 − fj0 ) = max |ain αn − ajn αn |p = max |ain − ajn |p %n = M% (fi − fj ). n∈N n∈N Wendet man den Fall % = 1 auf die Cauchy-Folge fi0 an, so erhält man als Grenzwert der Folge ∞ X g 0 (X) = an αn X n . n=0 5 So ein α existiert auch wirklich, da Cp algebraisch abgeschlossen ist: Man sucht ein α mit |α|p = pa/b und findet es als Nullstelle des Polynoms X b − p−a . Falls man eine endliche Körpererweiterung von Qp mit Verzweigungsindex e annimmt, so muss ab ∈ 1e Z sein, also b = e. Hier muss man also vorsichtig sein! 5.3. Nullstellen und Weierstraßscher Vorbereitungssatz 105 Definiert man nun g(X) := g 0 (α−1 X), so ist g(X) ∈ Cp {X}% . Es ist dann auch M% (fi − g) = max |ain − an |p %n = max |ain αn − an αn |p = M1 (fi0 − g 0 ) n∈N n∈N und die Folge fi konvergiert dann tatsächlich gegen g. Cp [X] liegt bzgl. M1 f dicht in Cp {X}: Sei f (X) = a0 + a1 X + a2 X 2 + a3 X 3 + . . . ∈ Cp {X}. Betrachte nun folgende Polynome, die f (X) annähern: f0 (X) = a0 f1 (X) = a0 + a1 X f2 (X) = a0 + a1 X + a2 X 2 .. . fi (X) = a0 + a1 X + a2 X 2 + . . . + ai X i Es gilt da f (X) ∈ Cp {X} M1 (f − fi ) = max |an |p → 0, n>i also wirklich fi → f . Cp [X] liegt bzgl. M% f dicht in Cp {X}% : Jetzt wendet man wieder für % = pa/b denselben Trick an: Man betrachtet zu f (X) ∈ Cp {X}% das Polynom f 0 (X) := f (αX) ∈ Cp {X}, wobeiP |α|p = %. Man kann i n n annähern. jetzt nach obigem f 0 (X) durch Polynome fi0 = n=0 an α X Jetzt definiert man analog fi (X) := fi0 (α−1 X) und es gilt wieder M% (f − fi ) = maxn>i |an |p %n = maxn>i |an αn |p = M1 (f 0 − fi0 ), q.e.d. Die wichtigste Tatsache ist nun, dass diejenigen Eigenschaften von Polynomen, die wir für eingeschränkte Potenzreihen zeigen wollen, beim Grenzübergang erhalten bleiben. Wir denken dabei an den 5.3.3 Weierstraßscher Vorbereitungssatz Der Weierstraßsche Vorbereitungssatz ist ein klassischer Satz über Potenzreihen in mehreren Variablen, der ein wichtiges Werkzeug der kommutativen Algebra und algebraischen Geometrie ist. Man findet ihn in [ZS75] Kap.VII.1: Sei K ein Körper und f (X1 , . . . , Xn ) eine beliebige Potenzreihe. Weiter sei g(X1 , . . . , Xn ) eine nicht-invertierbare Potenzreihe über K, die Terme der Form aXnh mit a 6= 0 enthält. Bezeichnet s (≥ 1) das kleinste solche h, dann gibt es eine eindeutige Potenzreihe q(X1 , . . . , Xn ) und s eindeutige Potenzreihen ri (X1 , . . . , Xn ) (0 ≤ i ≤ s − 1), so dass f (X1 , . . . , Xn ) = q(X1 , . . . , Xn )g(X1 , . . . , Xn ) s−1 X + ri (X1 , . . . , Xn−1 )Xni . i=0 106 Kapitel 5. Sätze der p-adischen Funktionentheorie Wir arbeiten natürlich nur mit einer Variable, so lässt sich die Zerlegung P i mit r ∈ K, d.h. folgendermaßen lesen: f (X) = q(X)g(X) + s−1 r X i i i=0 f (X) = q(X)g(X) + r(X), mit deg r < s. Wir wollen ebenfalls eine solche Zerlegung einer, jetzt aber in B≤% (0) mit % > 0 konvergenten, Potenzreihe f anstreben, die einer Art Division mit Rest gleicht. Diese erhalten wir in Lemma 5.3.12. Aber wir können es in unserem nichtarchimedischen Fall noch viel weiter treiben: es ergibt sich ein noch viel schöneres Ergebnis, nämlich eine Zerlegung einer Potenzreihe f (X), die in B≤% (0) mit % > 0 konvergent ist, in ein Produkt eines Polynoms g(X) und einer Potenzreihe h(X) (ohne Rest). Dabei hat f (X) genau die Nullstellen des Polynoms (dieses zerfällt aber über Cp in Linearfaktoren). Somit gibt dieser Satz Auskunft über das Nullstellenverhalten einer bzgl. % eingeschränkten Potenzreihe. Dies wollen wir als das p-adische Analogon zum Weierstraßschen Vorbereitungssatz bezeichnen. Man interessiert sich wieder nur für % ∈ pQ . Der Fall % = 0 ist einfach zu beantworten: Es ist 0 genau dann eine Nullstelle, falls der 0-te Koeffizient gleich 0 ist. Hier ist aber der Satz, der unser Hauptergebnis darstellt, und von dem alles andere folgen wird: Hauptsatz (Weierstraßscher Vorbereitungssatz) Sei c ∈ pQ , P 5.3.10 n f (X) = an X ∈ Cp {X}% und n der größte konkurrierende Index von f bzgl. M% f . Dann existiert eine Zerlegung von f (X) f (X) = g(X)h(X) in ein Polynom g(X) = n X bn X n ∈ Cp [X] n=0 vom Grad n und eine bzgl. % eingeschränkte Potenzreihe h(X) = ∞ X cn X n ∈ Cp {X}% n=0 mit folgenden Eigenschaften: (i) (ii) M% g = M% f = |bn |p %n M% (h − 1) < 1 Insbesondere liegen alle n Nullstellen von g(X) in B≤% (0) und h(X) hat dort keine Nullstellen. Somit hat f (X) in B≤% (0) genau n Nullstellen. Zum Beweis braucht man ein Lemma, das zuerst für Polynome bewiesen wird und danach, wie schon angedeutet, auf bzgl. % eingeschränkte Potenzreihen übertragen wird. 5.3. Nullstellen und Weierstraßscher Vorbereitungssatz 107 Lemma 5.3.11 Sei % ∈ pQ und f (X) ∈ Cp [X] ein beliebiges Polynom und g(X) = N X bn X n ∈ Cp [X] n=0 ein Polynom vom Grad N mit M% g = |bN |p %N . Seien q(X) und r(X) der Quotient und der Rest bei der Polynomdivision von f (X) durch g(X). Dann gilt: (i) (ii) M% f ≥ M% q · M% g M% f ≥ M% r Beweis. Man betrachtet wieder zwei Fälle für %: Fall % = 1: So ist M1 g = |bN |p . Ohne Einschränkung sei M1 g = |bN |p = 1; gegebenenfalls multipliziert man ein passendes Element aus Cp mit g(X). Man betrachte die Polynomdivision f (X) = q(X)g(X) + r(X) mit deg r < N. Wieder ohne Einschränkung (nach eventueller Multiplikation der ganzen Gleichung mit einem Element aus Cp ) sei max(M1 q, M1 r) = 1. Nun folgt aus 5.3.8 (ii) und (iii), dass M1 f ≤ 1. Nehmen wir an, dass M1 f < 1. Dann ist jeder Koeffizient von f (X) in B<1 (0). Man betrachtet nun die Polynomdivision modulo B<1 (0) und bezeichnet diese Reduktion mit einem Querstrich: 0 = f (X) = q(X)g(X) + r(X) Da aber nun |bN |p = 1, so ist deg g = N > deg r ≥ deg r, woraus folgt, dass q(X) = 0, also damit auch r(X) = 0. Dies steht im Widerspruch zu max(M1 q, M1 r) = 1. Somit ist M1 f = 1 und das Lemma ist für % = 1 gezeigt. Fall % = pa/b ∈ pQ : Hier wählt man ein α ∈ Cp mit |α|p = %. Dann betrachtet man die Polynome f 0 (X) := f (αX) und g 0 (X) := g(αX), für die M1 f 0 = M% f und M1 g 0 = M% g gilt. Wendet man den Fall % = 1 auf f 0 und g 0 an, so erhält man die gewünschten Ungleichungen, q.e.d. Jetzt verallgemeinern wir dieses Lemma noch auf f (X) ∈ Cp {X}% : 108 Kapitel 5. Sätze der p-adischen Funktionentheorie Lemma 5.3.12 Sei % ∈ pQ und f (X) ∈ Cp {X}% eine bzgl. % eingeschränkte Potenzreihe und N X g(X) = bn X n ∈ Cp [X] n=0 ein Polynom vom Grad N mit M% g = |bN |p %N . Dann existieren q(X) ∈ Cp {X}% und r(X) ∈ Cp [X] vom Grad < N , sodass f (X) = q(X)g(X) + r(X), wobei: (i) (ii) M% f ≥ M% q · M% g M% f ≥ M% r Beweis. Die Idee ist jetzt, das Lemma zuvor zu benutzen mit der Tatsache, dass Cp {X}% die Vervollständigung von Cp [X] ist: Sei also fi (X) eine Folge von Polynomen, die gegen f (X) konvergiert. Jetzt teilt man fi (X) durch g(X) und erhält fi (X) = qi (X)g(X) + ri (X) und deg ri < N. Es ist nun zu zeigen, dass qi (X) und ri (X) konvergieren, was das Gleiche ist, zu zeigen, dass sie Cauchy sind: Um dies einzusehen, betrachte man die zwei Gleichungen fi (X) = qi (X)g(X) + ri (X) mit deg ri < N, fi+1 (X) = qi+1 (X)g(X) + ri+1 (X) mit deg ri+1 < N. Subtrahiert man die eine von der anderen, so ergibt sich fi+1 (X) − fi (X) = (qi+1 (X) − qi (X))g(X) + (ri+1 (X) − ri (X)) mit deg(ri+1 − ri ) < N . Auf diese Gleichung wendet man Lemma 5.3.11 an und bekommt M% (qi+1 − qi ) ≤ M% (fi+1 − fi ) M% g und M% (ri+1 − ri ) ≤ M% (fi+1 − fi ). Es ist also, da (fi ) eine Cauchy-Folge ist, lim M% (qi+1 − qi ) = lim M% (ri+1 − ri ) = 0. i→∞ i→∞ Wegen 5.3.8 (ii) ist M% f eine nicht-archimedische Norm und die qi (X) und die ri (X) bilden somit nach dem Cauchy-Kriterium für Folgen Cauchy-Folgen. Es existieren also Grenzwerte q(X) und r(X). Diese erfüllen die Bedingungen des Satzes, da qi (X) und ri (X) diese erfüllen und die Norm f 7→ M% f analog zu 1.3.3 stetig ist, q.e.d. 5.3. Nullstellen und Weierstraßscher Vorbereitungssatz 109 Jetzt ist man in der Lage den Weierstraßschen Vorbereitungssatz zu beweisen, wobei das N aus dem Lemma die Rolle des größten konkurrierenden Index n spielen wird. Beweis des Weierstraßschen Vorbereitungssatz 5.3.10. Der Fall f = 0 ist trivial; sei also im folgenden f 6= 0: Man startet mit einer angenäherten Faktorisierung von f ≈ g1 h1 und verfeinert sie dann schrittweise durch bessere gi und hi , die dann schließlich gegen gewünschte g und h konvergieren. Die Konstruktion der gi und hi erfolgt via Induktion und anschließend wird gezeigt, dass die dadurch erhaltenen gi und hi auch geeignet sind, d.h. dass sie gegen ein g und ein h konvergieren, die unsere Anforderungen erfüllen. Induktionshypothese. Es kann eine Folge von Polynomen gi = n X bin X n ∈ Cp [X], n=0 eine Folge von bzgl. % eingeschränkten Potenzreihen hi = ∞ X cin X n ∈ Cp {X}% n=0 und ein festes 0 < δ < 1 gefunden werden, die folgende Eigenschaften erfüllen: (1) (2) (3) deg gi = n und hi ∈ Cp {X}% M% (f − gi ) ≤ δM% f und M% (hi − 1) ≤ δ M% (f − gi hi ) ≤ δ i M% f Induktionsanfang i = 1. Wir suchen nun g1 , h1 und ein δ < 1. Falls n den größten konkurrierenden Index bezeichnet, so ist M% f = |an |p %n und für n > n ist |an |p %n < M% f . Daraus folgt à M% f− n X ! an X n < M% f, n=0 also für ein 0 < δ < 1 ist à M% f− n X ! an X n = δM% f. n=0 P Nun wählt man g1 (X) := nn=0 an X n und h1 (X) := 1, die ganz klar die Bedingungen (1)-(3) erfüllen. Induktionsvoraussetzung. Nehmen wir an, wir hätten ein gi und ein hi mit (1)-(3) gefunden. Jetzt untersuchen wir diese genauer und wenden das Lemma an: M% f erfüllt als nicht-archimedische Norm den Satz über Dreiecke. Wir wenden jetzt den Satz über Dreiecke gleich doppelt an, einmal für M% f und 110 Kapitel 5. Sätze der p-adischen Funktionentheorie einmal für | . |p . Einerseits betrachtet man also das Dreieck mit den Eckpunkten 0, f, gi in Cp {X}c , für das nach (2) M% (f − gi ) ≤ δM% f < M% f gilt, und andererseits das Dreieck 0, an xn , bin xn in Cp mit einem |x|p = %, für das wegen obigem insbesondere |an − bin |p %n < |an |p %n gilt. Insgesamt ergibt sich mit 2× dem Satz über Dreiecke M% gi = M% f = |an |p %n = |bin |p %n . Somit ist für gi (X) die Voraussetzung des Lemmas 5.3.12 für N = n erfüllt. Man wendet es auf f − gi hi ∈ Cp {X}% und gi (X) ∈ Cp [X] an und erhält q(X) ∈ Cp {X}% und r(X) ∈ Cp [X] mit f − gi hi = qgi + r und deg r < n, für die mit (3) M% q ≤ M% (f − gi hi ) M% (f − gi hi ) = ≤ δi < δ M% gi M% f und M% r ≤ M% (f − gi hi ) ≤ δ i M% f < δM% f gilt. Induktionsschritt von i auf i + 1. Man definiert jetzt gi+1 (X) := gi (X) + r(X) und hi+1 (X) := hi (X) + q(X) und man zeigt für diese, dass sie wieder (1)-(3) erfüllen. (1) Zuerst ist wegen deg r < n auch wirklich wieder deg gi+1 = n. Auch ist wegen q(X), hi (X) ∈ Cp {X}% auch hi+1 ∈ Cp {X}% . (2) Es ist, da nach obigem M% r < δM% f gilt, nach Voraussetzung (2) M% (f − gi+1 ) = M% (f − gi − r) ≤ max(M% (f − gi ), M% r) ≤ δM% f und analog, wegen M% q < δ, M% (hi+1 − 1) = M% (hi − 1 + q) ≤ max(M% (hi − 1), M% q) ≤ δ. (3) Es gilt f − gi+1 hi+1 = f − (gi + r)(hi + q) = f − gi hi − qgi − rhi − rq = r − rhi − rq = r[(1 − hi ) − q], woraus mit M% r ≤ δ i M% f , Voraussetzung (2) und M% q < δ M% (f − gi+1 hi+1 ) = M% r · M% ((1 − hi ) − q) ≤ δ i M% f · max(M% (1 − hi ), M% q) ≤ δ i+1 M% f 5.3. Nullstellen und Weierstraßscher Vorbereitungssatz 111 folgt. Konvergenz der Folgen gegen geignete g und h. Jetzt da man die Folgen gefunden hat, muss man noch zeigen, dass sie auch konvergieren; und zwar gegen geeignete g und h: Die Ungleichungen M% q ≤ δ i und M% r ≤ δ i M% f bedeuten, wenn man q = hi+1 − hi und r = gi+1 − gi beachtet, M% (hi − hi+1 ) ≤ δ i und M% (gi − gi+1 ) ≤ δ i M% f. Da δ < 1, so bilden die gi (X) und die hi (X) also Cauchy-Folgen bezüglich der nicht-archimedischen Norm M% f . Diese konvergieren nach Definition der Norm M% f gegen g(X) = h(X) = n X n=0 ∞ X n=0 n bn X := n cn X := n µ X ¶ lim bin X n ∈ Cp [X] i→∞ n=0 ∞ µ X n=0 ¶ lim cin X n ∈ Cp {X}% . i→∞ Diese Grenzwerte erfüllen jetzt auch die Aussagen des Satzes: Da die Norm f 7→ M% f stetig ist, lassen sich die Ungleichungen in (2) auch auf g(X) und h(X) übertragen, also M% (f − g) ≤ δM% f . Dies heißt nach dem Satz über Dreiecke wieder M% f = M% g und nach nochmaliger Anwendung des Satzes über Dreiecke, analog zur Induktionsvoraussetzung, ergibt sich M% g = M% f = |an |p %n = |bn |p %n . Dies ist bereits Aussage (i). Hier sieht man auch wegen f 6= 0 und somit M% f 6= 0, dass wirklich deg g = n. Weiter sagt einem (3) (nach Grenzübergang i → ∞), dass f (X) = g(X)h(X) und somit ist auch wirklich h(X) ∈ Cp {X}% . Weiter ist nach (2) auch M% (h − 1) ≤ δ < 1, also gilt Aussage (ii). Jetzt noch zu der letzten Aussage des Satzes: g(X) hat alle Nullstellen in B≤% (0). Es garantiert (i) M% g = |bn |p %n , dass das Polynom g(X) alle Nullstellen in B≤% (0) hat: Also wenn man g(X) durch bn teilt erhält man das normierte Polynom g 0 (X) = b00 + b01 X + . . . + b0n−1 X n−1 + X n , für dessen Koeffizienten |b0n |p %n ≤ M% g 0 = %n gilt und somit für alle n = 0, . . . , n − 1 |b0n |p ≤ %n−n . 112 Kapitel 5. Sätze der p-adischen Funktionentheorie Sei nun α eine Nullstelle von g(X), so ist α auch eine Nullstelle von g 0 (X) und wir schreiben αn = −(b00 + b01 α + . . . + b0n−1 αn−1 ). Insgesamt ergibt sich |α|np ≤ max n=0...n−1 |b0n αn |p ≤ max n=0...n−1 %n−n |α|np , woraus |α|p ≤ % folgt; denn wäre nun |α|p > %, so ergäbe sich der Widerspruch |α|p < |α|p . h(X) hat keine Nullstelle in B≤% (0). Aussage (ii) besagt für ein |x|p ≤ % |h(x) − 1|p ≤ M% (h − 1) < 1 und somit kann h(X) keine Nullstelle in B≤% besitzen, denn sonst ergäbe sich 1 < 1. f (X) hat n Nullstellen in B≤% (0). Nach Obigem hat f (X) in B≤% (0) genau die Nullstellen von dem Polynom g(X), das aber wegen der algebraischen Abgeschlossenheit von Cp n (nicht unbedingt verschiedene) Nullstellen besitzt, q.e.d. 5.3.4 Folgerungen Jetzt soll der Weierstraßsche Vorbereitungssatz sozusagen ausgemolken werden. Dazu schauen wir ihn uns noch einmal genauer an: Was bedeutet der Weierstraßsche Vorbereitungssatz? Wenn wir eine Potenzreihe ungleich null haben, die in B≤% (0) konvergiert, also ∞ X f (X) = an X n ∈ Cp {X}% , n=0 und wenn n den größten konkurrierenden Index von f bzgl. M% f bezeichnet, so kann man f folgendermaßen faktorisieren: à f (X) = g(X)h(X) = n X ! bn X n h(X) n=0 Dabei hat h(X) ∈ Cp {X}% keine Nullstellen in B≤% (0), dagegen g(X) ∈ Cp [X] alle n. Man kann g(X) als g(X) = bn (X − α1 ) · · · (x − αn ) schreiben, wobei α1 , . . . , αn die (nicht notwendig unterschiedlichen) Nullstellen bezeichnen. Diese sind exakt auch die Nullstellen von f (X) in B≤% (0). Wir halten fest: 5.3. Nullstellen und Weierstraßscher Vorbereitungssatz 113 P Folgerung 5.3.13 Sei 0 6= f (X) = an X n ∈ Cp {X}% und n der größte konkurrierende Index von f bzgl. M% f . Dann hat f in B≤% (0) genau n Nullstellen und lässt sich als f (X) = (X − α1 ) · · · (X − αn )h0 (X) schreiben, wobei α1 , . . . , αn die Nullstellen sind und h0 (X) ∈ Cp {X}% keine Nullstellen besitzt. Insbesondere gilt für ein solches f 6= 0, was man auch den Satz von Strassman nennt, folgende Folgerung 5.3.14 (Satz von Strassman) Sei f 6= 0 eine Potenzreihe die in B≤% (0) konvergiert. Dann hat f dort nur endlich viele Nullstellen. Damit kann man nun den Identitätssatz auch so formulieren: P Folgerung 5.3.15 (Identitätssatz) Seien f (X) = an X n und g(X) = P n bn X ∈ Cp {X}% . Falls es unendlich viele α ∈ B≤% (0) mit f (α) = g(α) gibt, dann ist an = bn für alle n ∈ N. Beweis. Da die Reihe f − g unendlich viele Nullstellen besitzt, kann sie nach dem Satz von Strassman nur identisch gleich 0 sein, q.e.d. Dies ist überraschend! In der Funktionentheorie ist es nicht ausreichend nur unendlich viele Punkte zu haben; sie müssen sich noch zusätzlich in einem Punkt häufen (so haben auch wir den Identitätssatz zuerst formuliert). Daraus ergibt sich eine weitere Überraschung für periodische Funktionen: P Sei f (X) = an X n ∈ Cp {X}% , so definiert sie eine Funktion f : B≤% (0) → Cp . Diese Funktion heißt periodisch, falls es ein π ∈ B≤% (0) mit f (x + π) = f (x) für alle x ∈ B≤% (0) gibt. Folgerung 5.3.16 (periodische Funktionen) Eine periodische durch eine Potenzreihe definierte Funktion ist konstant. Beweis. Für die periodische Funktion f = 0 ist die Aussage klar. Sei also f 6= 0 eine durch eine Potenzreihe definierte Funktion mit der Periode π, dann besitzt die Reihe f (0 + X) − f (0) die Nullstelle π und somit auch die Nullstellen nπ mit n ∈ Z. Mit π ∈ B≤% (0) sind auch alle nπ ∈ B≤% (0) und somit ist die Reihe f (X) − f (0) nach dem Identitätssatz gleich 0. Daraus ergibt sich, dass f (X) gleich der Konstante f (0) = a0 sein muss, q.e.d. 114 Kapitel 5. Sätze der p-adischen Funktionentheorie Das heißt, dass es keine periodischen durch Potenzreihen definierte Funktionen gibt, außer den Konstanten. Diese Folgerung steht im krassen Gegensatz zu den klassischen trigonometrischen Funktionen sin(X) und cos(X), die in C sehr wohl periodisch sind; auch exp(X) ist in C periodisch. Dies rührt daher, dass alle Vielfachen nπ der Periode π in unserem nichtarchimedischen Fall in einem beschränkten Ball liegen, was in C durch die archimedische Eigenschaft nicht passieren kann. Als nächstes wollen wir, wie schon vorher in 5.3.1 erwähnt, die Verteilung der Anzahl der Nullstellen von Potenzreihen noch genauer festlegen. P Satz 5.3.17 (Verteilung der Nullstellen, Teil 1) Sei f (X) = an X n ∈ Cp [[X]] mit Konvergenzradius r > 0 und bezeichne n und n den kleinsten und größten konkurrierenden Index von f bzgl. M% f . Dann hat die Potenzreihe für 0 < % < r folgende Anzahlen von Nullstellen: in einem abgeschlossenen Ball B≤% (0) auf einer kritischen Sphäre S% (0) in einem offenen Ball B<% (0), mit kritischem % in einem offenen Ball B<% (0), mit regulärem % n n−n n n Beweis. Die Aussage mit dem abgeschlossenen Ball ist direkt der Weierstraßsche Vorbereitungssatz. Wenn das mit den kritischen Sphären stimmt, dann sieht man sofort die letzten beiden Aussagen: Wenn also % ein kritischer Radius ist, so liegen in B<% (0) n − (n − n) = n Nullstellen. Wenn dagegen % einen regulären Radius bezeichnet, so ist die Anzahl der Nullstellen in B<% (0) und B≤% (0) gleich, da man bereits weiß, dass sich Nullstellen nur auf kritischen Sphären befinden. Nun aber zu den kritischen Sphären: Sei 0 < %0 ≤ % < r zwei unmittelbar folgende kritische Radien, d.h. es gibt keinen weiteren kritischen Radius zwischen ihnen und somit können hier auch keine Nullstellen mehr auftauchen. Dies funktioniert, da wir wissen, dass die kritischen Radien diskret sind. Nach dem Weierstraßschen Vorbereitungssatz ist die Anzahl der Nullstellen im Ball B≤% (0) von f (X) gleich n und im Ball B≤%0 (0) gleich n0 , also n − n0 Nullstellen auf der Sphäre S% (0). Weiter sei man für den eben beschriebenen Fall an die Beschreibung des größten und kleinsten konkurrierenden Monoms aus 5.3.1 erinnert: für zwei unmittelbar folgende kritische Radien gilt stets n = n0 . Somit gibt es auf der Sphäre S% (0) genau n − n Nullstellen, q.e.d. Dies ist ein sehr schönes Ergebnis: Man kann den Graphen von M% f zeichnen und dann die Anzahl der Nullstellen auf den kritischen Sphären einfach ablesen. Dazu folgende 5.3. Nullstellen und Weierstraßscher Vorbereitungssatz 115 Beispiele 5.3.18 Wir wollen dies für eine beliebige Potenzreihe f (X) = ∞ X an X n ∈ Cp [[X]] n=0 mit Konvergenzradius r > 0 etwas genauer diskutieren und anhand folgender drei Fälle beleuchten (die nicht aufgezeichneten Monome seien vernachlässigbar): 6 |a2 |p %2 ©© n0 = 1 = n00 © ©© ©© n00 = 2 |a0 |p © © n0 = 0 © |a1 |p % © M% f ©© (1) In der linken Abbildung ist % = 0 ein regulärer Radius und somit ist 0 keine Nullstelle. Weiter gilt für die kleinsten und größten konkurrierenden Indizes dort (n0 , n0 beziehen sich auf %0 und n00 , n00 auf %00 ): %0 %00 r - Man definiere jetzt die Funktion Abbildung 5.2: Der Radius % = 0 ist ein regulärer Radius. #N (M ) := Anzahl der Nullstellen von f auf der Menge M und so ergibt sich #N (B≤%0 ) = #N (S%0 ) = n0 − n0 = 1 − 0 = 1. Der Weierstraßsche Vorbereitungssatz hätte gleich #N (B≤%0 ) = n0 = 1 gesagt. Analog findet man #N (B≤%00 ) = #N (S%0 ) + #N (S%00 ) = (n0 − n0 ) + (n00 − n00 ) = (1 − 0) + (2 − 1) = 2. Wieder hätte der Weierstraßsche Vorbereitungssatz die gleiche Antwort parat: #N (B≤%00 ) = n00 = 2. 116 Kapitel 5. Sätze der p-adischen Funktionentheorie 6 |a3 |p %3 |a2 |p %2 (2) Betrachtet man jetzt das nächste Bild, in dem % = 0 ein kritischer Radius und somit 0 eine Nullstelle ist. Es gilt für die kleinsten und größten konkurrierenden Indizes bei %0 und %00 : n0 = 1 M% f n0 = 2 = n00 ³ |a1 |p % ³³ ³ ³³ ³ ³³ ³ ³³ n00 = 3 ³ |a0 |p = 0 %0 %00 r - Abbildung 5.3: Der Radius % = 0 ist ein kritischer Radius. Wir erhalten hier, da auch die 0 mitgezählt werden muss #N (B≤%0 ) = 1 + #N (S%0 ) = 1 + (n0 − n0 ) = 1 + (2 − 1) = 2. Der Weierstraßsche Vorbereitungssatz hätte sofort #N (B≤%0 ) = n0 = 2 gesagt. Analog finden wir #N (B≤%00 ) = 1 + #N (S%0 ) + #N (S%00 ) = 1 + (n0 − n0 ) + (n00 − n00 ) = 1 + (2 − 1) + (3 − 2) = 3. Wieder dirket mit dem Weierstraßschen Vorbereitungssatz lautet die Antwort: #N (B≤%00 ) = n00 = 3. Erstaunlich ist, dass der Weierstraßsche Vorbereitungssatz die 0 sozusagen mit berücksichtigt. 5.3. Nullstellen und Weierstraßscher Vorbereitungssatz 6 |a3 |p %3 117 (3) In der nächsten Abbildung kreuzen sich gleich drei Monome bei %0 . Hier gilt für die kleinsten und größten konkurrierenden Indizes: n0 = 0 |a2 |p %2 n0 = 2 = n00 n00 = 3 M% (f ) ³ |a1 |p % ³ ³³ ³ ³³ ³ ³³ |a0 |p ³ ³³ %0 %00 Wir bekommen jetzt r #N (B≤%0 ) = #N (S%0 ) = (n0 − n0 ) - Abbildung 5.4: Am kritischen Radius %0 schneiden sich sogar drei Monomgraphen. = 2 − 0 = 2. Mit dem Weierstraßschen Vorbereitungssatz erhalten wir wieder gleich #N (B≤%0 ) = n0 = 2. Analog finden wir #N (B≤%00 ) = #N (S%0 ) + #N (S%00 ) = (n0 − n0 ) + (n00 − n00 ) = (2 − 0) + (3 − 2) = 3. Wieder mit dem Weierstraßschen Vorbereitungssatz lautet die Antwort: #N (B≤%00 ) = n00 = 3. Lässt man sich diese Beispiele durch den Kopf gehen, dann hat man schon viel verstanden. Anderes Thema: Vorher hat man geschlossen, wenn x eine Nullstelle ist, so ist |x|p = % eine kritische Sphäre. Jetzt kann man auch umgekehrt schließen: Folgerung 5.3.19 % ist genau dann eine kritische Sphäre, wenn eine Nullstelle x mit |x|p = % existiert. So folgt: Falls eine Potenzreihe über Cp keine Nullstellen in einem offenen Ball hat, so befinden sich dort auch keine kritischen Sphären. Wir wollen noch ein paar Beispiele für Reihen, die wir schon vorher betrachtet haben, behandeln: 118 Kapitel 5. Sätze der p-adischen Funktionentheorie Beispiele 5.3.20 (1) (2) exp(X) hat nach 4.5.5 keine Nullstellen in B<p−1/(p−1) . Im Beispiel 5.1.9 (2) könnte man jetzt leichter sehen, dass sich dort also keine kritischen Sphären P n n befinden. p X hat den Konvergenzbereich B<p (0) und dort keine Nullstellen, da für x ∈ B<p (0) nach 4.6.4 (3) X pn xn = 1 1 − px gilt. Somit gibt es dort auch keine kritischen Sphären (man kann dies auch einfach direkt zeigen: für |x|p = % < p gilt für n ≥ 1 |pn |p %n < p−n pn = 1 = |p0 |p %0 ; (3) dies sagt, dass a0 das dominante Monom ist und die Anzahl der Nullstellen alle Bälle B≤% (0) mit % < p gleich n = 0 ist). P −n für n p X hat den Konvergenzbereich B<1/p (0) und dort keine Nullstellen, da für x ∈ B<1/p (0) analog X p−n xn = 1 1− x p gilt. Und somit gibt es auch hier keine kritischen Sphären (auch könnte man es wieder direkt zeigen; ganz wie eben). Zum Schluss soll noch speziell für ganze Potenzreihen eine Nullstellenverteilung gegeben werden, die ganz ähnlich zum klassischen Fall verläuft: Folgerung 5.3.21 (Verteilung der Nullstellen, Teil 2) Sei f (X) = P an X n ∈ Cp [[X]] eine ganze Potenzreihe. Dann hat f (X) höchstens abzählbar viele Nullstellen. Hat f (X) unendlich viele Nullstellen αi , so gilt |αi |p → ∞. Beweis. Dies ist klar, da die kritischen Radien diskret sind und sich auf jeder kritischen Sphäre nur endlich viele Nullstellen befinden, q.e.d. Aus dieser Folgerung möchte man vermuten, dass man ganze Potenzreihen als “f (X) = h(X) ∞ Y (X − αi )” i=0 mit unendlich vielen Nullstellen αi von f und einer ganzen nullstellenfreien Potenzreihe h(X) darstellen kann (natürlich muss das unendliche Produkt konvergieren; hier sieht man schon, dass das so nicht klappt, aber, wie wir sehen werden, genügt dazu eine einfache Umformung). Damit sind wir schon inmitten unseres nächsten Themas. 5.4. Ganze Funktionen 5.4 119 Ganze Funktionen Wir nannten eine Potenzreihe mit unendlichem Konvergenzradius eine ganze Potenzreihe. Die Idee, sie so zu nennen, haben wir, wie bereits in 5.2 erwähnt, von Weierstraß. Und so definieren wir: Definition 5.4.1 Eine Funktion f heißt ganze Funktion, falls sie durch eine ganze Potenzreihe dargestellt wird. Eine weitere Anwendung des Weierstraßschen Vorbereitungssatz ist die Beschreibung dieser ganzen Potenzreihen oder ganzen Funktionen: P Hauptsatz 5.4.2 (ganze Funktionen) Sei f = an X n eine ganze Funktion. Dann gilt: (i) Falls f keine Nullstelle hat, so ist f = a0 . (ii) Falls f endlich viele Nullstellen hat, so ist f ein Polynom. (iii) Falls f 6= 0 unendlich viele Nullstellen hat, dann lässt sich f als konvergentes unendliches Produkt f = am X m ∞ Y (1 − αn−1 X) n=1 darstellen, wobei m = min{n : an 6= 0} (also die Vielfachheit der Nullstelle 0) und die αn die Nullstellen 6= 0 sind. Beweis. (i) Falls f keine Nullstelle hat, dann ist a0 = f (0) 6= 0 und es ist |f (x)|p = |a0 |p für alle |x|p kleiner als der erste kritische Radius. Aber f hat keinen kritischen Radius, da es keine Nullstellen hat. Somit muss an = 0 für alle n ≥ 1 sein (denn sonst würde ein Monom höheren Grades für großes |x|p = % sich mit dem konstanten Monom a0 kreuzen). Daraus folgt dann f = a0 . (ii) Seien αk die endlich vielen Nullstellen. Man teilt f durch alle (X − αk ) und ist dann wieder in (i). (iii) Unsere Idee ist jetzt folgende: Wir wenden den Weierstraßschen Vorbereitungssatz für immer größer werdende Bälle B≤% (0) an und erhalten dann hoffentlich die gewollte Darstellung. Also los: Da f 6= 0, kann man, wenn m := min{n : an 6= 0} definiert wird, µ ¶ X X am+n n m n f (X) = an X = am X 1+ X am n≥m n≥1 schreiben. Somit haben wir schon einen Teil der Darstellung. Wir betrachten deshalb jetzt die rechte Reihe. Sie ist ohne Einschränkung vom Typ X f (X) = 1 + an X n = 1 + a1 X + a2 X 2 + a3 X 3 + . . . . n≥1 120 Kapitel 5. Sätze der p-adischen Funktionentheorie Wir nummerieren die kritischen Radien %0 < %1 < %2 < . . . und zerlegen jetzt f nach und nach auf allen Sphären B≤%i (0) nach dem Weierstraßschen Vorbereitungssatz: Auf %0 bezeichne n0 den größten konkurrierenden Index und wir erhalten f (X) = g0 (X)h0 (X) = (1 + b01 X + . . . + b0n0 X n0 ) + (1 + c01 X + c02 X 2 + . . .) mit M%0 (h0 − 1) < 1. Man faktorisiert jetzt g0 (X) mit Hilfe der Nullstellen α1 , . . . , αn0 und schreibt es folgendermaßen um: g0 (X) = b0n0 n0 Y (X − αn ) n=1 = −b0n0 (α1 · · · αn0 ) n0 Y (1 − αn−1 X) = n=1 n0 Y (1 − αn−1 X) n=1 Letzte Gleichung gilt wegen g0 (0) = 1. Warum wir g0 (X) so umschreiben, wird später klar werden. Man erhält f (X) = h0 (X) n0 Y (1 − αn−1 X). n=1 Dies macht man jetzt für jedes i bzw. %i und erhält f (X) = hi (X) ni Y (1 − αn−1 X) n=1 = (1 + ci1 X + ci2 X 2 + . . .) ni Y (1 − αn−1 X) n=1 mit M%i (hi − 1) < 1 (dabei ist wegen der unendlichen Anzahl der Nullstellen ni > ni−1 ; nebenbei ist |αn |p = %i für ni−1 < n ≤ ni ). Als nächstes kommt der Grenzübergang i → ∞. Wir müssen jetzt hi (X) und das jetzt unendliche (ni → ∞ für i → ∞ wegen der unendlichen Anzahl der Nullstellen) Produkt betrachten. Zuerst zum Produkt: Es gilt für jedes feste x ∈ Cp für die Faktoren des Produkts (1 − αn−1 x) → 1, da nach 5.3.21 |αn |p → ∞ (deswegen auch die Umformulierung der gi (X)). Nach dem Konvergenzkriterium für Produkte 1.3.12 konvergiert das Produkt gegen ni ∞ Y Y −1 lim (1 − αn x) = (1 − αn−1 x). i→∞ n=1 n=1 Jetzt zu hi (X) = 1 + ci1 X + ci2 X 2 + . . . 5.4. Ganze Funktionen 121 mit M%i (hi − 1) < 1. Es ist nach 5.3.21 auch %i → ∞ und somit gilt für beliebig große %i M%i (hi − 1) = max |cin |p %ni < 1. n≥1 Insbesondere gilt für alle n ≥ 1 |cin |p < 1 →0 %ni für i → ∞, woraus sich die Behauptung ergibt, q.e.d. Wir sind also tatsächlich zu einer Darstellung, wie im vorigen Abschnitt gehofft, gekommen: h(X) = am 6= 0 ist nullstellenfrei und g(X) ist ein unendliches Produkt von Linearfaktoren, wenn auch die Form der Linearfaktoren etwas anders, als erwartet, ist: g(X) = X m (1 − α1−1 X)(1 − α2−1 X) · . . . ManQ kann auch umgekehrt vorgehen: Jedes unendliche Produkt am X m (1−αn−1 X), das für jedes x konvergiert (dafür muss der Faktor gegen 1 gehen; dies passiert für |αn |p → ∞) stellt eine ganze Funktion dar. Wir können also eine ganze Funktion mit vorgegebenen Nullstellen αn 6= 0 mit |αn |p → ∞ und m-facher Nullstelle 0 durch am X m ∞ Y (1 − αn−1 X) n=1 definieren. Dieser Satz ist auch insofern interessant, da wir bereits wissen, dass die Exponentialfunktion exp im p-adischen, wie im klassischen Kontext keine Nullstellen hat. Dies ist unabhängig vom Kontext, sondern hängt lediglich von der Homomorphismus-Eigenschaft der exp-Funktion ab: wie wir im letzten Kapitel sehen werden gilt stets exp(x) exp(−x) = exp(0) = 1, woraus exp(x) 6= 0 folgt. Dagegen ist sie nur in der komplexen Analysis ganz. Diese Endlichkeit der Nullstellen verhindert sozusagen ihre Ganzheit in der p-adischen Analysis (sie ist ja kein Polynom oder gar konstant). In der komplexen Analysis war jede ganze Funktion ohne Nullstellen von der Form f (z) = exp(g(z)) für eine ganze Funktion g(z). Hier sind solche Funktionen nur die Konstanten. Das ist beeindruckend. 122 5.5 Kapitel 5. Sätze der p-adischen Funktionentheorie Maximumprinzip Zum Abschluss dieses Kapitels soll mit Hilfe der Theorie über die Nullstellen und kritischen Sphären noch ein Analogon zum Maximumprinzip aus der Funktionentheorie gefunden werden: Sei G ⊂ C ein beschränktes Gebiet und f eine stetige Funktion auf dem Abschluss von G, welche im Innern von G analytisch ist, so nimmt |f | sein Maximum auf dem Rand von G an. Wie kann ein p-adisches Maximumprinzip ausschauen? Wir wissen schon, den Begriff analytische Funktion durch Potenzreihe auszutauschen; das beschränkte Gebiet wird somit ein abgeschlossener Ball sein und der Rand wird durch Sphäre ersetzt werden. Die ganzen anderen Begriffe, wie stetig, Inneres, Abschluss werden wir gar nicht benötigen. Also hier ist der Satz: P Hauptsatz 5.5.1 (Maximumprinzip) Sei f (X) = an X n ∈ Cp {X}% , also in B≤% (0) konvergent. Dann nimmt |f (X)|p sein Maximum auf der Sphäre S% (0) an: max |f (x)|p = M% f |x|p =% Dazu soll mit Hilfe der vorangegangenen Theorie über kritische Radien, insbesondere der Existenz von Nullstellen auf kritischen Sphären, ein Satz bewiesen werden: Satz 5.5.2 Sei % ein kritischer Radius von f (X) = nimmt |f (X)|p auf der Sphäre S% (0) alle Werte in P an X n ∈ Cp {X}% . Dann [0, M% f ] ∩ pQ 0 an. Beweis. Wir suchen jetzt zu einem y mit |y|p ∈∈ [0, M% f ] ∩ pQ 0 ein x ∈ S% (0) mit f (x) = y. Insbesonders ist dann |f (x)|p = |y|p . 1. Fall |y|p ∈ [0, M% f ) ∩ pQ 0 : Für y = 0 ist die Aussage klar, da f (X) eine Nullstelle auf der kritischen Sphäre S% (0) besitzt. Für alle andere solche y ∈ Cp betrachte man die Potenzreihe X f (X) − y = (a0 − y) + an X n . n≥1 Außer dem konstanten wird kein Monom verändert. Falls das konstante Monom a0 auf der Sphäre S% (0) konkurriert, dann konkurriert auch das konstante Monom a0 − y, denn nach dem Satz über Dreiecke folgt |a0 − y|p = |a0 |p aus |y|p < M% (f ) = |a0 |p . Falls a0 auf der Sphäre S% (0) nicht konkurriert, so gibt es keinerlei Probleme (|a0 − y|p ≤ max(|a0 |p , |y|p ) < M% (f ), d.h. a0 − y konkurriert dort auch nicht). 5.5. Maximumprinzip 123 Somit ist % in jedem Falle auch ein kritischer Radius von f (X) − y und wir wissen um die Existenz von Nullstellen auf der Sphäre S% (0), d.h. eine Lösung x der Gleichung f (X) = y mit |x|p = %. |f (x)|p = |y|p . 2. Fall |y|p = M% f : Ist a0 nicht konkurrierend auf S% (0), dann ist aber immer noch |a0 − y|p ≤ M% f , d.h. % bleibt in jedem Fall kritisch und man kann auch hier eine Nullstelle von f (X) − y finden. Falls a0 auf der Sphäre S% (0) konkurriert, so stellt sich das Problem, dass jetzt |a0 − y|p < |a0 |p = M% f sein kann, d.h. a0 − y konkurriert nicht mehr auf S% (0) und somit ist S% (0) nicht unbedingt mehr eine kritische Sphäre für f (X) − y. Wir können aber y so wählen, dass dies eben nicht eintritt, dass also |a0 − y|p = M% f gilt. Ist nämlich M% f = |a0 |p = p−r , so schreibt man nach Satz 2.6.5 a0 = pr ζu, wobei ζ eine pk − 1-te Einheitswurzel ist. Dann definiert man y := pr ζ 0 u mit einer dazu verschiedenen pl − 1-ten Einheitswurzel ζ 0 . Insbesondere gilt auch |y|p = M% f . Weiter wissen wir |ζ −ζ 0 |p = 1 nach Lemma 2.5.3. Insgesamt haben wir dann auch |a0 − y|p = |pr (ζ − ζ 0 )u|p = p−r = M% f, was nichts anderes heißt, als dass a0 − y konkurriert. Man kann hier also auch eine Nullstelle von f (X) − y auf S% (0) finden, q.e.d. Damit folgt jetzt das Maximumprinzip mit Leichtigkeit: Beweis des Maximumprinzips. Für einen regulären Radius % ist es leicht: das Wachstumsmodul ist konstant auf der Sphäre |x|p = % gleich |f (x)|p = M% f. Für einen kritischen Radius haben wir das Lemma, das besagt, dass |f (x)|p auch insbesondere den Wert M% f annimmt, q.e.d. Kapitel 6 Ausgewählte Funktionen Zum Abschluss soll die gewonnene Theorie der Potenzreihen über Cp auf einige Beispiele, die in der Funktionentheorie eine zentrale Rolle besitzen, angewandt werden und wieder aufzuzeigen, wie gleich oder unterschiedlich sie sich im padischen Kontext verhalten. Es wurde schon vorher damit begonnen. Denn was ist eine Theorie ohne ihre Anwendung? In diesem Sinne Finis coronat opus. 6.1 Exponential- und Logarithmusfunktion Die logarithmische Reihe wurde von Nicolaus Mercator (1620-1687) bei 1 der Quadratur (=gliedweise Integration der Reihe) der Hyperbel 1+x in seinem Werk Logarithmotechnia von 1668 verwendet. Isaac Newton (1643-1727) machte 1665-1666 die gleiche Entdeckung (er kam mit Mathematik zum ersten mal im Alter von 21 in Berührung). Er verwendete Reihen in viel größerer Allgemeinheit und meinte, mit ihnen alle Quadraturen lösen zu können. Später fand er durch Umkehrung der logarithmischen Reihe, die er nach dem 5. Glied abbrach, die Exponentialreihe. Es sei an unsere Resultate 4.3.3 und 4.5.4 für diese beiden Potenzreihen erinnert und man betrachte jetzt dahingehend die Funktionen exp : B<p−1/(p−1) (0) −→ Cp , x 7−→ exp(x) = ∞ X xn n=0 log : B<1 (1) −→ Cp , x 7−→ log(x) = ∞ X (−1)n−1 n=1 n! (x − 1)n . n Es ist überraschend, dass exp einen kleineren Definitionsbereich als log(1 + X) hat, was daran liegt, dass (n!) eine Nullfolge ist und (n) eben nicht. Analog zur Funktionentheorie ist dagegen, dass sie sich in gewisser Weise invers zueinander verhalten, wie schon in 4.5.4 herausgefunden. Es gilt sogar noch mehr, was jetzt untersucht werden soll. Zuerst halten wir fest, dass es sich bei diesen beiden wirklich um eine Exponential- und eine Logarithmusfunktion handelt: 6.1. Exponential- und Logarithmusfunktion 125 Satz 6.1.1 (exp(X) und log(X), Teil 4) (i) Für x, y ∈ B<p−1/(p−1) (0) ist auch x + y ∈ B<p−1/(p−1) (0) und es gilt exp(x + y) = exp(x) exp(y). (ii) Für x, y ∈ B<1 (1) ist auch xy ∈ B<1 (1) und es gilt log(xy) = log(x) + log(y). Beweis. (i) Es ist x + y ∈ B<p−1/(p−1) (0) als direkte Folgerung der verschärften Dreiecksungleichung. Wegen 4.4.1 folgt aus der Konvergenz der Reihen exp(x) und exp(y) die Konvergenz der Reihe exp(x) exp(y) mit ∞ X ∞ n µ ¶ n X X 1 X n n n−k xk y n−k exp(x) exp(y) = = x y = exp(x + y). k! (n − k)! n! k n=0 k=0 n=0 k=0 (ii) Wegen |x − 1|p < 1 und |y − 1|p < 1 ist auch |xy − 1|p = |(x − 1)(y − 1) + (x − 1) + (y − 1)|p ≤ max(|x − 1|p |y − 1|p , |x − 1|p , |y − 1|p ) < 1. Wir fixieren ein y ∈ B<1 (1) und definieren g(x) := log(xy). Jetzt ist nach der Kettenregel 4.5.2 Dg(x) = 1 1 · y = = D log(x). xy x Nach 4.6.3 existiert ein c ∈ Cp mit g(x) = log(x) + c. Wenn man hier x = 1 einsetzt, ergibt sich einerseits g(1) = c und andererseits ist nach Definition g(1) = log(y), also insgesamt log(xy) = g(x) = log(x) + log(y). Dies kann man jetzt für jedes y ∈ B<1 (1) machen, q.e.d. Jetzt kann man wegen −1 ∈ B<1 (1) in C2 (| − 1 − 1|2 = 12 ), wie schon vorher in Beispiel 4.5.6 benötigt, log(−1) = 0 beweisen: 2 log(−1) = log((−1)2 ) = log(1) = 0 Dieses Ergebnis ist nicht trivial, denn schreibt man dies aus, so ist − ∞ X 2n n=1 n = ∞ X (−1)n−1 n=1 (−1 − 1)n = 0. n 126 Kapitel 6. Ausgewählte Funktionen Dies besagt, dass eine beliebig hohe Potenz von 2 für ein genügend großes n die Summe 22 23 2n 2+ + + ... + 2 3 n teilt. Hier haben wir also mit analytischen Mitteln eine Aussage in der Zahlentheorie gezeigt! Als direkte Folgerung von 4.5.4 und 6.1.1 erhält man nun folgendes Resultat: Folgerung 6.1.2 (exp(X) und log(X), Teil 5) Die Funktionen exp und log sind zueinander inverse Gruppenisomorphismen zwischen (B<p−1/(p−1) (0), +) und (B<p−1/(p−1) (1), ·). Als nächstes wissen wir, wie bereits oft in verschiedener Weise diskutiert wurde, folgenden Satz 6.1.3 (exp(X) und log(X), Teil 6) (i) (ii) exp hat in seinem gesamten Definitionsbereich B<p−1/(p−1) (0) keine Nullstellen. log hat in B<p−1/(p−1) (1) nur die Nullstelle 1. log ist aber auf B<1 (1) definiert! Was ist hier los? Bereits auf der Sphäre Sp−1/(p−1) (0) hat log viele Nullstellen, z.B. wissen wir, dass eine p-te Einheitswurzel ζ 6= 1 wegen |ζ − 1|p = p−1/(p−1) (dies wurde in 2.3.7 gezeigt) auf dieser Sphäre sein muss. Jetzt muss eine solche Einheitswurzel aber eine Nullstelle von log sein, denn p log(ζ) = log(ζ p ) = log(1) = 0. Somit sehen wir in 6.1.2, dass B<p−1/(p−1) (1) der größte Ball ist, auf dem log injektiv ist (log(1) = 0 = log(ζ) und ζ 6= 1). Außerdem ergibt sich daraus auch eine sehr interessante Formel, bei der man sieht, wie schön Algebra und Analysis Hand in Hand gehen: Schreibt man die logarithmische Reihe in ζ aus, so haben wir ∞ X (−1)n−1 n=1 (ζ − 1)n = 0. n Dies kann man leicht umschreiben in ∞ X (1 − ζ)n n=1 n = 0, was eine bemerkenswerte Gleichung ist. Zuletzt möchte ich noch erwähnen, dass es möglich ist, eine Erweiterung von log auf ganz Cp − {0} zu finden. Die Exponentialfunktion kann man wegen 6.2. Cosinus- und Sinusfunktion 127 1 dem gegen unendlich strebenden n! nicht retten. Man kann aber die sogenannte Artin-Hasse-Exponentialfunktion à ! 2 Xp Xp + 2 + ... Ep (X) := exp X + p p definieren, die den besseren Konvergenzbereich B<1 (0) hat und sich in gewisser Weise ähnlich zu exp verhält. Da schon so viel gesagt wurde, dass ich auch an ein Ende zu kommen gedenken muss, will ich dies nicht näher auszuführen und verweise auf [Kob84] Kap.IV.2 und [Rob00] Kap.7. 6.2 Cosinus- und Sinusfunktion Auch kann man die trigonometrischen Funktionen Sinus und Cosinus definieren. Die Potenzreihen sin(X) := cos(X) := ∞ X (−1)n n=0 ∞ X (−1)n n=0 X 2n+1 (2n + 1)! X 2n (2n)! haben offensichtlich den gleichen Konvergenzradius wie exp(X) und ergeben somit Funktionen sin : B<p−1/(p−1) (0) −→ Cp , cos : B<p−1/(p−1) (0) −→ Cp , x 7−→ sin(x) = x 7−→ cos(x) = ∞ X (−1)n n=0 ∞ X (−1)n n=0 x2n+1 (2n + 1)! x2n . (2n)! Nach 4.5.5 gilt für ein |x|p < p−1/(p−1) ¯ n¯ ¯x ¯ max ¯¯ ¯¯ < |x|p < 1, n≥2 n! p d.h. X bzw. 1 ist im gesamten B<p−1/(p−1) (0) von sin bzw. cos das dominante Monom. Es gibt nur den kritischen Radius 0 bzw. keinen kritischen Radius. Also hat sin nur die 0 als Nullstelle und cos ist nullstellenfrei. Man könnte auch mit dem Satz über Dreiecke |sin(x)|p = |x|p und | cos(x)|p = 1 schließen, woran man auch das Nullstellenverhalten sieht. Da Cp algebraisch abgeschlossen ist,1 existiert dort ein i mit i2 = −1 und wie in C ergibt sich die Eulersche Formel 2 exp(ix) = cos(x) + i sin(x) 1 2 i existiert in Qp , falls p ≡ 1 (mod 4). Leonhard Euler (1707-1783) hat sie 1748 für reelle Argumente angegeben. 128 Kapitel 6. Ausgewählte Funktionen unmittelbar durch Grenzübergang aus der Gleichung 2m+1 X n=0 m m n=0 n=0 X x2n x2n+1 (ix)n X = (−1)n +i (−1)n . n! (2n)! (2n + 1)! Wie schon bereits in 5.3.4 erwähnt, können die trigonometrischen Funktionen im p-adische Kontext nicht periodisch sein, da sie sicherlich nicht konstant sind. 6.3 Binomialfunktion Eine weitere wichtige Reihe in der Funktionentheorie und in der reellen Analysis ist die Binomialreihe, die für ein festes a ∈ Cp in 4.3 (1) definiert wurde: ∞ µ ¶ X a ba (X) = Xn n n=0 mit den Binomialkoeffizienten µ ¶ a(a − 1) · · · (a − n + 1) a a(a − 1) · · · (a − n + 1) = . = 1 · 2···n n! n Die Binomialreihe wurde ebenfalls von Newton gefunden: In seiner Arbeit De analysi per aequationes numero terminorum infinitas aus ¢ n Jahre 1669 beP ¡adem hauptete er, dass für jedes reelle a die binomische Reihe n x für −1 < x < 1 das Binom (1 + x)a darstellt, und stellt fest, dass damit das Wurzelausziehen wesentlich abgekürzt werden kann. Diese Reihe ist nur interessant, wenn a 6= N ist (sonst ist sie lediglich eine endliche Summe; es ergibt sich dann nämlich die binomische Formel). Zum Beispiel ist sie für a = −1 die alternierende geometrische Reihe ¶ ∞ µ ∞ X X −1 1 b−1 (X) = Xn = (−X)n = . n 1+X n=0 n=0 Später im Jahre 1826 untersuchte Niels Henrik Abel (1802-1829) die Reihe für ein beliebiges a ∈ C − N und x ∈ C, findet den Konvergenzradius 1 und dass sie dort wieder das Binom (1 + x)a darstellt. Das Konvergenzverhalten für |x| = 1 hängt von a ab und ist ein bisschen kompliziert. In Cp dagegen hängt sogar der Konvergenzradius stark von a ab. Wir unterscheiden zwischen zwei Fällen: 1. Fall |a|p > 1. Dies ist einfach: Es folgt wegen |i|p ≤ 1 für i ∈ N aus dem Satz über Dreiecke |a − i|p = |a|p . Also gilt ¯ ¯µ ¶ ¯ ¯ ¯ a(a − 1) · · · (a − n + 1) n ¯ ¯ a n¯ |ax|np ¯ ¯ ¯ ¯ = = x x . ¯ ¯ ¯ n ¯ n! |n!|p p p Nach Diskussion der Exponentialreihe ist der Konvergenzradius r= p 1 − p−1 |a|p 6.3. Binomialfunktion 129 und der Konvergenzbereich B<p−1/(p−1) /|a|p (0). 2. Fall |a|p ∈ B≤1 − N. Dies ist komplizierter, weswegen wir uns nur auf a ∈ Zp − N konzentrieren. In jedem Fall aber hat man wegen |a − i|p ≤ max(|a|p , |i|p ) ≤ 1 ¯ ¯µ ¶ ¯ ¯ ¯ a n¯ ¯ a(a − 1) · · · (a − n + 1) n ¯ |x|np ¯ ¯ =¯ ¯ ≤ . x x ¯ ¯ n ¯ ¯ n! |n!|p p p So ist der Konvergenzradius r≥p 1 − p−1 . Sei ab jetzt aber a ∈ Zp . Es gilt folgendes Lemma 6.3.1 Falls a ∈ Zp und n ∈ N so ist ¡a¢ n ∈ Zp . Beweis. Für jedes n ∈ N betrachte man das Polynom µ ¶ X X(X − 1) · · · (X − n + 1) ∈ Q[X], Pn (X) := = n! n das wie jedes Polynom eine stetige Funktion Pn : Cp −→ Cp ¡ ¢ induziert. Für a ∈ Z ist Pn (a) = na ∈ Z. Dies wiederum heißt: Pn definiert eine Funktion Pn : Z −→ Z. P i Man erinnere sich, dass jedes Element ∞ i=0 ai p ∈ Zp der Grenzwert einer Pk Folge in N ⊂ Z ist, nämlich ( i=0 ai pi )k . P i Nach Stetigkeit der Funktion Pn gilt nun für beliebiges a = ∞ i=0 ai p ∈ Zp Ã∞ ! à k ! X X Pn (a) = Pn ai pi = lim Pn ai pi ∈ Zp , k→∞ i=0 i=0 da Zp die Vervollständigung von Z ist. Wir haben jetzt die wohldefinierte Funktion Pn : Zp −→ Zp , q.e.d. Es ist für a ∈ Zp also ∞ µ ¶ X a ba (X) = X n ∈ Zp [[X]]. n n=0 Nun folgt direkt aus 4.3 (1) Folgerung 6.3.2 Für a ∈ Zp und x ∈ B<1 (0) konvergiert die Binomialreihe und definiert somit eine Funktion ∞ µ ¶ X a n x . ba : B<1 (0) −→ Cp , x 7−→ ba (x) = n n=0 130 Kapitel 6. Ausgewählte Funktionen ¡ ¢ Auf der Sphäre S1 (0) konvergiert die Binomialreihe genau dann, wenn na eine Nullfolge ist. Die Bezeichnung der Binomialreihe ba (X) mit dem Binom (1 + X)a , wie in der klassischen Analysis, macht im p-adischen Kontext auch Sinn (andererseits ist dieser Sinn ein anderer). Dazu betrachte man folgendes: Für a = rs ∈ Q ∩ Zp = { rs ∈ Q : p - s} gilt wegen der in Q[[X]] gültigen formalen Identität ³r ´´s ¡ ¢s ³ br/s (X) = exp log(1 + X) = exp(r log(1 + X)) = (1 + X)r . s So macht es auch wirklich Sinn für x ∈ B<1 (0) r br/s (x) = (1 + x) s zu schreiben. Dies veranlasst einen zu folgender Definition 6.3.3 Für a ∈ Zp und x ∈ B<1 (0) definiert man (1 + x)a := ba (x). Obwohl dies Sinn macht, müssen wir trotzdem (1 + x)a , bzw. die Binomialreihe im p-adischen Kontext, strikt von (1 + x)a , bzw. der Binomialreihe im klassischen Kontext trennen, da die Topologie grundverschieden ist. Dazu soll folgendes Beispiel mahnen, in dem rs und x rational sind und 1 + x eine s-te Potenz in Q ist (also findet alles in Q statt und Q ist sowohl in C, als auch in Cp enthalten!): Beispiel 6.3.4 Sei p = 7, rs = 12 und x = 79 , also |x|7 = 17 , sodass x ∈ B<1 (0). Weiter ist 4 2 1 + x = 16 9 = ( 3 ) . In Q gilt bzgl. Konvergenz mit | . | 1 4 b1/2 (x) = (1 + x) 2 = . 3 Jetzt hat man bzgl. Konvergenz mit | . |7 ¯∞ µ ¶ ¯ ¯µ ¶ ¯ ¯ ¯X 1/2 ¯ ¯ ¯ 1/2 n ¯ ¯ ¯ 1 ¯ ¯ ¯ n¯ ¯ ¯ 2 x ¯ ≤ max ¯¯ x ¯¯ ¯(1 + x) − 1¯ = b1/2 (x) − 1 7 = ¯ ¯ ¯ n≥1 n n 7 7 n=1 7 1 1 ≤ max |x|n7 = max n = < 1, n≥1 n≥1 7 7 1 1 also (1 + x) 2 ∈ B<1 (1). Wenn man aber das obige Ergebnis (1 + x) 2 = einsetzt, ergibt sich ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯ ¯4 ¯1¯ ¯ 1 ¯ ¯ ¯ ¯ 2 ¯(1 + x) − 1¯ = ¯ − 1¯ = ¯¯ ¯¯ = 1. 3 3 7 7 7 1 4 3 Folglich kann (1 + x) 2 , bzw. b1/2 (x) nicht das gleiche in C und C7 sein! Was ist hier los? In Q hat 1 + x = 16/9 die zwei Quadratwurzeln ±4/3. Bzgl. | . | 6.3. Binomialfunktion 131 konvergiert die Reihe b1/2 ( 79 ) gegen die Wurzel + 43 , aber bzgl. | . |7 gegen den negativen Wert, der kongruent 1 modulo 7 ist: 1 4 7 (1 + x) 2 = b1/2 (x) = − = 1 − ∈ B<1 (1). 3 3 Es bedeutet also, auch wenn man sich ganz auf Q beschränkt, dass (1 + x)a und (1 + x)a nicht dasselbe sind! Wann konvergiert die Reihe ba (x) im p-adischen, wie im archimedischen Fall gegen denselben Grenzwert? Falls a ∈ Z und x ∈ Q, da es sich hier um eine endliche Summe von rationalen Zahlen handelt. Im obigen Beispiel konnte man aber sehen, dass dies im allgemeinen nicht der Fall ist. Es ergibt sich folgender nicht gültiger Satz: P falscher Satz 6.3.5 Sei an eine Reihe mit Gliedern in Q die bezüglich | . |∞ und | . |p gegen rationale Zahlen p und q konvergieren. Dann gilt p = q. Dies war der letzte Satz meiner Arbeit und mit folgendem Satz möchte ich diese Arbeit beschließen: In magnis et voluisse sat est. Literaturverzeichnis [Ami75] Y. Amice. Les Nombres p-adiques. Presses Universitaires de France, Paris, 1975. [Bec71] P. Beckmann. A History of π. St. Martin’s press, New York, 1971. [BGR84] S. Bosch, U. Güntzer, and R. Remmert. Non-Archimedian Analysis. Springer, Berlin, Heidelberg, New York, 1984. [Bos01] Siegfried Bosch. Algebra, vierte Auflage. Springer, Berlin, Heidelberg, 2001. [Bou90] Nicolas Bourbaki. Algebra 2. Springer, Berlin, Heidelberg, New York, 1990. P 1 [BS96] Edward B. Burger and Thomas Struppeck. Does ∞ n=0 n! really converge? infinite series and p-adic analysis. Amer. Math. Monthly 103, S.565-577, 1996. [Cas86] J. W. S. Cassels. Local Fields. 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