[email protected] Lehrer für Mathematik und Physik Albert-Schweitzer-Gymnasium Erfurt Soest, 25.09.09 Perspektiven für den Analysisunterricht (mit CAS) in Thüringen Zusammenfassung: Ausgangspunkt ist eine Analyse der Situation des Analysisunterrichts mit CAS-Einsatz hinsichtlich der gewählten Inhalte und der zum Ausdruck kommenden Wertvorstellungen anhand von Schwerpunkten zentraler Prüfungen sowie von Unterrichtsmaterialien, die von Mathematiklehrern für ihre Kollegen erstellt wurden. Darauf aufbauend werden Möglichkeiten für die Weiterentwicklung des Unterrichts hinsichtlich der Inhalte und Methoden vorgestellt und den vom Autor gewünschten noch weitergehenden Veränderungen gegenübergestellt. Die umfangreichen Beispiele sollen klären, wie das Gesagte gemeint ist und weiterhin Hinweise dafür liefern, wie die Vorschläge und Absichten in alltäglichen Unterrichtssituationen realisiert werden können. Analyse der Situation In Thüringen werden seit 1999 in ca. 30 Gymnasien im Grund- und Leistungsfach CASRechner (fast ausschließlich TI-inspire, TI-89) eingesetzt. Zwei Beispiele sollen die Situation näher beschreiben. Das erste betrifft das Abitur, das zweite von Lehrern erstellte Handreichungen für den Unterricht. Abitur: Im Abitur 2008 stehen die Funktionen mit den Gleichungen y = f t ( x) = t − x und y = g t ( x) = x − t sowie ihre Graphen im Mittelpunkt der Untersuchung: größtmöglicher Definitionsbereich; Koordinaten der gemeinsamen Punkte ihres Graphen mit den Koordinatenachsen; Schnittwinkel des Graphen mit der y-Achse gleich 45°; Beschreibung, wie man den Graphen von g 2 aus dem Graphen von f 2 gewinnen kann; Gleichung der vertikalen Geraden, die einen Flächeninhalt halbiert; eine Tangente teilt ein Flächenstück in zwei Teile – das Verhältnis der Flächeninhalte ist zu bestimmen; Rotation eines Flächenstücks um die Gerade mit der Gleichung y = t - das Volumen ist gesucht; Punkte auf dem Graphen und den Achsen: Flächeninhalt ist maximal für ..; wann ist dieser Inhalt ganzzahlig? Usw. Insgesamt sind 13 Aufgaben zu bearbeiten. Hinzu kommen noch 3 Aufgaben aus dem C-Teil, bei denen zum einen eine Folge (Quotient aus zwei in n linearen Termen) auf Monotonie hin zu untersuchen ist und zum anderen ist eine quadratische Funktion so zu bestimmen, dass unter gegebenen Bedingungen der Graph mit der x-Achse eine Fläche gegebenen Inhalts einschließt. Bei den Abituraufgaben haben sich ein stabiles Muster in der Aufgabenstellung sowie ein klar umrissenes Reservoir an Inhalten und Lösungsmethoden herausgebildet. Kurz, es ist hinsichtlich der Inhalte und des Erwartungsbildes (auf der Basis der Unterrichtskultur) eine eigene Aufgabenkultur entstanden. Es gibt also auch Aufgaben, die in anderen Bundesländern eher nicht anzutreffen sind. Beispiele: a) Bei einer Flächeninhaltsberechnung ergab sich ein Bruch der Form n : (n − 2) . Für welche n ist der Inhalt ganzzahlig? b) C-Teil: ∫ ( x ⋅ cos x + 2006)dx ist durch ein Integrationsverfahren zu bestimmen. c) C-Teil: Der Term log 8 a a 251 ist für a > 0; a ≠ 1 weitestgehend zu vereinfachen. Kennzeichen der Aufgabenkultur: 1. Eine effektive Prüfungsvorbereitung (im technokratischen Sinne) ist möglich; die bekannten Aufgabentypen werden systematisch durchgenommen. 2. Die Darlegung des eigenen Verständnisses von mathematischen Sachverhaltens ist nicht Gegenstand von Aufgaben. 3. Geometrische Überlegungen werden nicht oder nur im geringen Maße zur Begründung von Aussagen genutzt. 4. Die Fähigkeit zum Mathematisieren von Problemen kann anhand der Aufgaben nicht entwickelt werden. Modellbildungsprozesse, die zu physikalischen Größen und v Gesetzen führen (z.B. s = ⋅ t ), sind nicht Unterrichtsgegenstand. Man steht ihnen 2 ablehnend gegenüber, „weil das Sache der Physik ist“. 5. Die Komplexität der Terme der vorgegebenen Funktionen und nicht ein substanzielles mathematisches Problem stellt den Zusammenhang zwischen den Aufgaben in Klausuren und Prüfungen her und bestimmt deren Schwierigkeitsgrad. 6. Möglichst alle im Unterricht behandelten Algorithmen und Sachverhalte sollen tatsächlich auch in Prüfungen abverlangt werden. Insbesondere der C-Teil der Abituraufgaben wird dazu genutzt, Wissen und Fertigkeiten kurz und bündig zu überprüfen. 7. Darstellung der gewählten Inhalte in einer gehobeneren und als besonders exakt erachteten Sprache 8. Implizites Fordern einer permanenten Beachtung von Ausnahmen (z.B. das Auftreten von null durch null durch spezielle Parameterwerte in einem Funktionsterm), so dass ihre fehlerfreie Berücksichtigung zur Hauptschwierigkeit einer Aufgabe wird. Bedenkt man weiterhin, dass es in vielen Leistungskursen nicht üblich ist, zum Beispiel den Hauptsatz der Differenzial- und Integralrechnung zu beweisen und dass das Integral lediglich unter dem Aspekt der Flächeninhalts- und Volumenberechnung gesehen wird, dann wird deutlich, dass Verständnisfragen sowie das Auffinden und das Herstellen von Zusammenhängen kaum eine Rolle spielen. Im Gegensatz dazu gilt das fehlerfreie Abarbeiten von bekannten Algorithmen als hohe Kunst. Hinzu kommt noch, dass realitätsnahe Aufgaben und somit das Modellieren bzw. Mathematisieren im Analysisteil der Prüfungen nicht vorkommen. 9. Zusammenfassend ist daher im Unterricht wie in der Prüfung ein gravierender Mangel an zu bearbeitenden Problemen festzustellen, bei denen der Schüler sich kognitive Strategien (allgemeine intellektuelle Haltungen und Fähigkeiten – argumentieren, kreativ verhalten, mathematisieren) aneignen bzw. dieselben nachweisen kann. Anstelle dessen treten die Forderung nach enzyklopädischem Wissen, das korrekte („exakte“) Anwenden von bekannten Verfahren und auch pseudomathematische Rituale. Handreichungen für den Unterricht: In den zurückliegenden Jahren wurden regelmäßig Hefte mit Unterrichtsbeispielen und didaktischen Erläuterungen von Lehrern für Lehrer erarbeitet. Ich kommentiere im Folgenden zwei Beispiele zum entdeckenden Lernen aus dem Heft für die Jahrgangsstufe 12 von 2005, in dem aber wegen erkannter Defizite auch Aufgaben aus der Sekundarstufe I behandelt wurden. Erstes Beispiel - Extremwertuntersuchung: Aus einem 50 cm breiten Blech soll eine Rinne mit rechteckigem Querschnitt so geformt werden, dass sie möglichst viel Wasser fasst. Der Lehrer ermuntert seine Schüler ausdrücklich dazu, genügend viele Beispiele auszuprobieren. Die Ergebnisse des Probierens werden zusammengefasst. „Es liegt nahe, die Ergebnisse über den Daten-Matrix-Editor zu visualisieren.“ Da die Punkte erkennbar auf einer Parabel liegen, „kann aus drei Punkten schnell die Gleichung gefunden und nachgeschaut werden, ob die Vermutung stimmt. Ggf. kann das auch über quadratische Regression geschehen. Über die graphische Darstellung wird das Maximum bestimmt.“ Weiter: „Aus Platzgründen wurden nur wenige Arbeitsschritte durch Bildschirmausdrucke illustriert.“ Daran anschließend werden die Schüler aufgefordert, dass Problem zu verallgemeinern. Die Funktion x ⋅ (b − 2 ⋅ x) → a(b, x) mit 0 < x < 25 wird mittels des Befehls fMax(a(b, x), x) untersucht. Das Hauptproblem des obigen Herangehens an die Aufgabe besteht darin, dass zur Lösungsfindung ausschließlich konkrete Werte (Trivialisierung) und die Untersuchung von algebraischen Termen herangezogen wurden. Eine Zeichnung, in der deutlich gemacht wird, wie sich kleine Veränderungen in den Maßen auf die Querschnittsfläche auswirken, in der man also eine Analyse durchführt, wird nicht mehr angefertigt. (Man könnte vermuten, dass über Lösungsversuche der Schüler in der von mir favorisierten Art und Weise in der Veröffentlichung aus Platzgründen nicht berichtet wurde. Das ist leider nicht der Fall.) Die Analogie zum isoperimetrischen Problem von Rechtecken ist offenbar selbst dem Autor nicht mehr bewusst. Anhand der Zeichnung können jedoch in besonders einfacher(!) Weise die Idee des funktionalen Zusammenhangs erneut erklärt und angewandt sowie erste Überlegungen, die zur Differenzialrechnung führen, angestellt werden. Die Nutzung des Taschencomputers im obigen Umfang erfordert einige Fertigkeiten, die erst erworben werden müssen - Zeitproblem. Obendrein wird in der Regel angestrebt, dass alle Schüler über entsprechende „Werkzeugkompetenzen“ verfügen. Man beachte in diesem Zusammenhang auch die hohe Anzahl von screen shots in vielen Veröffentlichungen, die haarklein klären sollen, wie das Gerät zu bedienen ist. An manchen Gymnasien gibt es sogar zu Beginn der Oberstufe ein- bis zweiwöchige Einführungslehrgänge in die Handhabung des Rechners. Erbitterte Gegner des Einsatzes von CAS-Rechnern erhalten dadurch natürlich gute Argumente gegen die „Knöpfchendrückermathematik“. Positiv sehe ich die letzte Lösungsvariante, falls es in Zukunft besser gelingt, dieses funktionale Herangehen aus der Trivialisierungsfalle herauszuholen. Damit meine ich zum einen das Lösen von anspruchsvolleren Problemen, die durch ein solches „modulares Vorgehen“ vereinfacht werden können. Und zum anderen bedeutet das dann selbstverständlich auch, dass die Schüler fMax und Ähnliches einmal selbst programmieren. Zweites Beispiel: Senkrechte Geraden: Zur Geraden y = 2 x + 1 sollen im Graphikfenster des Rechners senkrechte Geraden gezeichnet werden. Die Steigungen der Geraden kann man einblenden. Die Steigung einer der Geraden lässt sich im Zugmodus variieren, so dass der Zusammenhang zwischen den Werten im Falle des senkrecht Stehens sichtbar wird. Die Kritik an diesem Vorgehen besteht darin, dass das Resultat der Untersuchung orthogonaler Geraden (die Anstiege sind entgegengesetzt reziprok) als Grundlage für das weitere Lernen gewählt wird und nicht das Bild von zwei kongruenten Anstiegsdreiecken, deren Hypotenusen einen rechten Winkel einschließen, woraus sich die gesuchte Eigenschaft leicht folgern lässt. Möglichkeiten zum Aufbau von tragfähigen Vorstellungen sowie zum Üben des Ziehens von Schlussfolgerungen werden vergeben. Möglichkeiten für die Weiterentwicklung des Unterrichts Eine wesentliche Grundlage für Entwicklungsmöglichkeiten des Mathematikunterrichts ist die Einschätzung der realen Bereitschaft der Mathematiklehrer für Veränderungen und ihrer Fähigkeiten, von Verantwortlichen Gewünschtes auch anzunehmen und umzusetzen. Die im großen Umfang vorliegenden Vorschläge zur Verbesserung des Mathematikunterrichts sind die Grundlage für meine Überlegungen, die darauf abzielen, in möglichst kurzer Zeit Veränderungen herbeizuführen. Auf der Basis der selbst gemachten Erfahrungen und den Ergebnissen der COACTIV-Studie sowie weiterer Studien im Umfeld derselben erscheint mir Folgendes als erstrebenswert und realisierbar. 1. Geometrische Überlegungen wieder stärker in Argumentationen und zur Vernetzung von Wissen nutzen. 2. Anregungen für eine wesentlich größere Vielfalt bei Argumentationen geben. 3. Die Erklärungskraft der fundamentalen Begriffe und Ideen muss viel stärker als bisher genutzt werden; auch um Zusammenhänge zwischen den Teilgebieten und den einzelnen Schuljahren deutlicher werden zu lassen. 4. Erlangung von Fähigkeiten zur Mathematisierung von Problemen anhand physikalischer Beispiele 5. Stellen von Konstruktionsaufgaben: Das sind Aufgaben, bei denen mathematische Objekte mit gewünschten Eigenschaften zu konstruieren sind und es in der Regel unendlich viele Lösungen gibt. 6. Anregungen für das selbst regulierte Lernen der Schüler geben, um die Verantwortung der Schüler für das eigene Lernen stärker zu betonen und damit Verständnisfragen eine höhere Bedeutung erlangen. Anhand von einigen Beispielen möchte ich meine Vorschläge erläutern. Sie sind als Teil einer relativ großen Gesamtheit von Unterrichtsmaterialien und insbesondere von Aufgabensammlungen zu sehen, die den Lehrern zur Verfügung stehen müssen. Dies ist notwendig, da die Lehrer im Alltagsstress nur wenig Zeit und Muße finden, Materialien zur Umsetzung von neuen Konzepten selbst zu entwickeln. Die Rolle, die bei der Bearbeitung der Probleme leistungsfähige Rechner spielen können, ergibt sich aus den Problemen selbst. Über den Einsatz des Rechners entscheidet der Schüler oder im Zweifelsfalle der Lehrer. Entscheidend ist, dass er das Denken bzw. Lernen der Schüler befördert und nicht behindert oder gar ersetzt. Sollen zum Beispiel die Schüler das schriftliche Lösen von Gleichungssystemen üben, dann wird der Rechner in der folgenden Aufgabe lediglich zur Kontrolle eingesetzt. In der Regel werden die Schnittpunkte der Geraden mithilfe des Rechners bestimmt und die Anzahl der Schnittpunkte anhand der Besonderheiten der Geradengleichungen diskutiert. Zu 1.) Komplexe Übung, Klasse 9: Gegeben sind die Gleichungen von 4 Geraden. 1 11 7 103 g1 : y = ⋅ x + g 2 : 4 y + 7 x = 43 g 3 : 8 y − x = 71 g 4 : y = − ⋅ x + 8 8 4 4 a) Bestimmen Sie alle Schnittpunkte dieser Geraden! b) Welche Figur bestimmen diese Schnittpunkte? Klassifizieren Sie so genau wie möglich und begründen Sie Ihre Aussage. c) Welchen Winkel schließen die Diagonalen ein? (Beweis!) Klasse 11, Einführung in die Integralrechnung: Die Schüler berechnen die Integrale anhand einer gewählten Zerlegung näherungsweise. Der Hauptsatz sowie der Begriff der Ableitung sind ihnen noch nicht bekannt. 30 1 70 1 84 1 10 1 20 1 a) Vergleiche die folgenden Integrale mit ∫ dx . ∫ dx , ∫ dx , ∫ dx , ∫ dx 8, 4 x 1 x 2 x 3 x 7 x b) Verallgemeinern Sie die Erkenntnisse aus der ersten Aufgabe. Begründen Sie Ihre Vermutung anhand der ersten beiden Integrale. Wie könnte man die Verallgemeinerung beweisen? a⋅b 1 c) Wenn a und b reelle Zahlen größer als 1 sind und wenn man ∫ dx in die Summanden 1 x a⋅b 1 a1 z 1 ∫ dx und ∫ dx zerlegt, dann offenbart sich eine Eigenschaft von F ( z ) = ∫ dx . Welche? 1 x 1 x a x d) Welche Funktionen haben dieselbe Eigenschaft wie die Funktion F und wie könnte die Gleichung für F lauten? Kurvendiskussionen, Klasse 11: Bestimmen Sie die Gleichungen der Asymptoten, ihren Schnittpunkt und weisen Sie nach, dass die Bilder punktsymmetrisch sind! x 2 − 8 x + 16 y = f ( x) = ( x − 1) : ( x − 2) und y = g ( x) = Erläutern Sie den Zusammenhang x−3 1 1 zwischen den Bildern dieser Funktionen und denen von y = ; y = x+ . x x Wichtig ist mir bei diesen und ähnlichen Beispielen, dass den Schülern bewusst wird, dass die behandelten Funktionen Klassen zugeordnet werden können. Der Nachweis der Punktsymmetrie sollte erfolgen. Dabei zeichne ich folgendes Bild an die Tafel: P(x; f(x)), ein Punkt auf dem Graphen; M(a; b), das Drehzentrum der Punktsymmetrie und P’(x’; y’), das Bild von P. Damit M der Mittelpunkt der Strecke PP’ ist, muss a das arithmetische Mittel von x und x’ sein, also x' = x + 2(a − x) und weiterhin b das arithmetische Mittel von y und y’ 1 sein, kurz: ⋅ ( f ( x ) + f ( x + 2 ⋅ (a − x ))) = b . 2 Auch sollte jeder Schüler wissen und an einfachen Beispielen nachweisen können, dass das Bild eines Polynoms dritten Grades y = f ( x) = a ⋅ x 3 + b ⋅ x 2 + c ⋅ x + d punktsymmetrisch ist. 3 ⎛ b b ⎞ b ⎞ ⎛ b2 ⎞ ⎛ ⎛ ⎛ b ⎞ ⎛ b ⎞⎞ ⎟⎟ ⋅ ⎜ x + y = a ⋅⎜ x + , f ⎜− ⎟ + ⎜⎜ c − ⎟ + f ⎜− ⎟ ⇒ W ⎜⎜ − ⎟ ⎟⎟ 3⋅ a ⎠ ⎝ 3⋅ a ⎠ ⎝ 3⋅ a ⎠ ⎝ ⎝ 3⋅ a ⎠ ⎝ 3 ⋅ a ⎝ 3 ⋅ a ⎠⎠ Die Umformungen erfolgen natürlich mit dem CAS bzw. man überprüft die angegebene Gleichung mit dem CAS. Dadurch wird Zeit für Schlussfolgerungen gewonnen: Wenn man die Funktion mit der Gleichung y = f k ( x ) = x 3 + k ⋅ x untersucht, dann kann man die Eigenschaften der Polynome dritten Grades daraus ableiten (und das Bild der Funktion f k wird ganz einfach durch geometrische Addition der Bilder von gefunden). y = x 3 und y = k ⋅ x Zu 2.) Klasse 9: Die doppelten Summen der ersten Potenzen der Zahl 3 sind zu bestimmen und mit den Potenzen von 3 zu vergleichen. 2 ⋅ 1 + 31 = 8 = 3 2 − 1; 2 ⋅ 1 + 31 + 3 2 = 26 = 33 − 1; 2 ⋅ 1 + 31 + 3 2 + 33 = 80 = 3 4 − 1 Das (die doppelte Summe ist gleich dem Vorgänger der nächsten Dreierpotenz) scheint immer so zu sein. Wenn nicht, dann gibt es ein kleinstes Gegenbeispiel. Also gibt es eine Zahl n, bis zu der es immer funktioniert hat: 2 ⋅ 1 + 31 + 3 2 + 33 + ... + 3 n = 3 n +1 − 1 und danach dann nicht ( ) ( ) ( ( ) ) ( ) mehr. Für die nächste Summe gilt aber 2 ⋅ 1 + 31 + ... + 3 n + 3 n +1 = 3 n +1 − 1 + 2 ⋅ 3 n +1 = 3 n + 2 − 1 ; die Formel ist immer noch richtig. Die Annahme, dass die Gültigkeit irgendwo unterbrochen wird, war falsch. Klasse 9: Es werden alle positiven Zahlen betrachtet, deren Summe 100 ist. Wie sind diese Zahlen zu wählen, damit ihr Produkt so groß wie möglich wird? Das Problem ist zu verallgemeinern. Bezeichnet man die Zahlen mit p und q, so gilt (*) p + q = 100 . Sind p und q beide gleich 50, so ist ihr Produkt 2500. Ist p von 50 verschieden, zum Beispiel kleiner als 50, so ist q größer als 50 (ansonsten ist es umgekehrt). Man kann dann eine positive Zahl x mit p = 50 − x finden. Wegen (*) gilt dann q = 50 + x . Es folgt p ⋅ q = (50 − x) ⋅ (50 + x) = 2500 − x 2 ≤ 2500 . Daher ist das Produkt am größten, wenn beide Zahlen gleich der halben gegebenen Summe 2 2 p+q ⎛ p+q⎞ ⎛ p+q⎞ sind. Allgemein: wegen 2500 = ⎜ . ⎟ , erhält man p ⋅ q ≤ ⎜ ⎟ bzw. p ⋅ q ≤ 2 ⎝ 2 ⎠ ⎝ 2 ⎠ Die erste Ungleichung wird durch Umformungen bestätigt (Gleichheit nur für p = q). Die zweite kann man auch auf geometrischem Wege einsehen. Ein rechtwinkliges Dreieck mit den Hypotenusenabschnitten p und q hat einen Umkreisradius (des Thaleskreises) der Länge p+q und eine Höhe der Länge p ⋅ q (Höhensatz). 2 Klasse 9: Es werden drei positiven Zahlen betrachtet, deren Summe 120 ist. Wie sind diese drei Zahlen zu wählen, damit ihr Produkt so groß wie möglich wird? Da alle drei Zahlen kleiner als 120 sind, gilt ganz sicher, dass ihr Produkt kleiner als 120 3 ist. Daher gibt es einen größten Wert für das Produkt. Die drei Zahlen werden mit p, q und r bezeichnet. Es wird die Frage gestellt, ob es drei Zahlen gibt, die nicht alle gleich groß sind und deren Produkt das größtmögliche ist. Wenn nicht alle drei Zahlen gleich groß sind, dann sind zumindest zwei dieser Zahlen voneinander verschieden, zum Beispiel p und q. Dann gilt 2 p+q p+q ⎛ p+q⎞ p⋅q⋅r < ⎜ , und r haben also ein größeres Produkt. ⎟ ⋅ r . Die drei Zahlen 2 2 ⎝ 2 ⎠ Wenn nicht alle drei Zahlen gleich sind, kann das Produkt nicht maximal sein. Es kann nur p+q+r dann maximal sein, wenn alle drei Zahlen gleich groß und somit gleich = 40 sind. 3 3 ⎛ p+q+r⎞ Ihr Produkt ist dann gleich 40 . Allgemein: p ⋅ q ⋅ r ≤ ⎜ ⎟ ; analog für 4, 5, ... Zahlen. 3 ⎠ ⎝ Dass die obere Grenze der Funktionswerte einer in [a; b] stetigen Funktion als Funktionswert angenommen wird, ist Thema in Klasse 11. Diese Tatsache nutzt man in Klasse 9 intuitiv. 3 Zu 3.) Die Beschäftigung mit der fundamentalen Idee der linearen Funktion bzw. des linearen Wachstums sowie der Additivität sollte von der Grundschule bis zum Abitur erfolgen. Klasse 5/6: Gegeben ist ein Problem, das zu der Gleichung x + x : 2 = 2160 führt (bevor effektive Algorithmen erarbeitet wurden). Der Schüler sollte sich anhand von geeigneten Aufgaben erarbeitet haben, dass der linke Term die folgende Eigenschaft hat: f (a + b) = f (a) + f (b) . Mithilfe dieser Eigenschaft (Additivität) und der Methode des falschen Ansatzes wird die Lösung ermittelt. Der Sachverhalt wird dabei auch „durch geometrische Bilder belebt“ (F. Klein, 1911) – zum Beispiel durch Streifen fester Breite und variabler Länge. Die Eindeutigkeit der Lösung folgt aus Monotonieüberlegungen. Bei der Lösung von Gleichungen sollte die Beantwortung von Fragen im Vordergrund stehen. Wie kann ich eine Lösung ermitteln? Gibt es noch mehr Lösungen? Wie kann man zeigen, dass alle Lösungen gefunden wurden? Ziel ist die immer weiter führende Anreicherung der Begriffe Additivität und Linearität mit Beispielen erfolgreichen Problemlösens. Zu 4.) Klasse 11, Einführung in die Integralrechnung (vor der Differenzialrechnung): Entladung eines Kondensators über einen Widerstand R: Wesentlich ist die Erläuterung des mathematischen Modells des Entladungsvorganges und das Fassen des Wesentlichen zunächst in umgangssprachlicher Form: Man betrachtet das Bild eines übergroßen Kondensators an der Tafel. Auf der negativen Platte sind die überschüssigen Elektronen, durch die entsprechenden Symbole eingezeichnet. Die Annahme aufgrund der gegenseitigen Abstoßung der Elektronen lautet nun, dass pro gewählter Zeiteinheit immer der gleiche Anteil der noch vorhandenen I ⋅ Δt I ⋅ Δt ΔQ Δt Ladung abfließt (von der Platte getrieben wird). = konst ≈ − =− =− Q C ⋅U C⋅R⋅I C⋅R Das Vorzeichen der rechten Seiten ist negativ, da Q sinkt. Die Aufsummierung und Grenzwertbildung führt zum gewünschten Ergebnis. (Im Unterricht werden Wertepaare für I und t zu Beginn der Untersuchung des Problems im Experiment bestimmt und die Ladung näherungsweise berechnet.) Klasse 11, Einführung in die Differenzialrechnung: Dass die Ableitung der Sinusfunktion die Kosinusfunktion ist, wird mithilfe der gleichförmigen Kreisbewegung anhand einer einfachen Skizze bewiesen. (Man erhält damit auch ein erstes Beispiel für die Kettenregel.) Die Ableitung der Kosinusfunktion folgt analog. (Brenner: Die leichten und die schweren Funktionen) Zu 5.) Klasse 11, Differenzialrechnung: a) Dem Funktionsterm von f mit f ( x) = − x 4 soll ein Summand so hinzugefügt werden, dass das Bild der neuen Funktion die Eigenschaft hat, orthogonale Wendetangenten zu besitzen. b) Ermitteln Sie zwei quadratischen Funktionen, deren Bilder sich im Punkt P(2; 3) senkrecht schneiden. 1 c) y = f ( x) = ⋅ x 4 − x 3 mit D ( f ) = ℜ 4 c1) Führen Sie eine Kurvendiskussion durch. c2) Bestimmen Sie den Schnittpunkt und den Schnittwinkel der Wendetangenten. c3) Dem Funktionsterm von f soll ein Summand so hinzugefügt werden, dass das Bild der neu entstandenen Funktion genau zwei lokale Tiefpunkte besitzt. Geben Sie dafür ein Beispiel an und erläutern Sie Ihr Vorgehen. d) Bestimme ein Polynom 3.Grades, dessen Graph folgende Eigenschaften hat. (*) P(2; 0) und Q(4; 0) liegen auf dem Graphen und (**) die Wendetangente schneidet die y-Achse in R(0; 1). Zu 6.) Klasse 11: Checkliste für Schüler: Einführung in die Integralrechnung (3 Beispielaufgaben von 9) a) Können Sie erklären, wie der Flächeninhalt der Figur, die vom Graphen der Funktion mit 1 der Gleichung y = ⋅ x 3 + 1 , der x-Achse sowie von den Geraden x = 0 und x = 2 2 eingeschlossen wird, näherungsweise mit wachsender Genauigkeit berechnet werden kann? Geben Sie einen Näherungswert an. (Zusatz: Wie genau ist er?) 1 1 1 1 ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ b) Berechnen Sie ∫ ⎜ ⋅ x 3 + 1⎟dx − ∫ ⎜ ⋅ x 3 + 1⎟dx auf drei verschiedene Weisen und −1⎝ 2 0⎝ 2 ⎠ ⎠ erklären Sie Ihren Lösungsweg. Welche Lösungswege lassen sich verallgemeinern? c) Wird ein Körper auf der Erde um eine geringe Höhe gehoben, so kann die verrichtete Hubarbeit mithilfe von W = F ⋅ s berechnet werden. Welche Annahmen liegen dieser Gleichung zugrunde? Hebt man einen Körper in größere Höhen (mehrere hundert km oder noch mehr), so muss m⋅M beachtet werden, dass F = γ ⋅ 2 gilt. Wie kann jetzt die verrichtete Arbeit berechnet r werden? Wie lässt sich das begründen? Wie stelle ich mir den zukünftigen Analysisunterricht vor? Um Antworten auf diese Frage geben zu können, ist es erforderlich, Ziele des Mathematikunterrichts sowie dessen Inhalte zu benennen und zu begründen. In Verbindung damit ist die Methodik des Unterrichts weiterzuentwickeln bzw. zu diskutieren. Insbesondere gilt es, für ein ausgewogenes Verhältnis von empirischem und theoretischem Lernen (siehe J. Lompscher) zu sorgen. Das hauptsächliche Anliegen meiner Vorschläge besteht darin, dass die Schüler im Unterricht Gelegenheit erhalten, größtmögliche Unabhängigkeit im Denken zu erlangen und weiterhin durch ihre mathematischen Anstrengungen im wachsenden Maße Aufklärung über die Welt im naturwissenschaftlichen(!) Sinne erfahren. Ich bin der Ansicht, dass die grundsätzlichen Annahmen, Überlegungen und Methoden der modernen Naturwissenschaften und insbesondere der Physik (siehe „Potsdamer Manifest“) erheblich stärker bei der Planung des zukünftigen Analysisunterrichts berücksichtigt werden müssen. Da die Aufgaben und die zu lösenden Probleme des Unterrichts immer größer werden, gehe ich davon aus, dass die typische 1 zu 1 Situation (ein Lehrer - eine Klasse) nicht mehr den Anforderungen genügt. Die Bildung von Lehrerteams ist nicht nur aus offensichtlichen Gründen notwendig. Zu bedenken ist auch, dass im Falle des Arbeitens im Team der notwendige Fortschritt beim Lernen der Lehrer ermöglicht wird. Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist das Allgemeinbildungskonzept von Heinrich Winter: Mathematik als Schule der Anschauung. (Biehler/Jahnke: Mathematische Allgemeinbildung in der Kontroverse, 1997) Mittels begrifflicher Instrumente der Elementarmathematik können und sollen strukturelle Züge in wichtigen Phänomenen und Lebensbereichen unserer Welt aufgedeckt werden, so dass Verständnis, Aufklärung und Anteilnahme möglich werden. Das Anschauungsvermögen wird dabei im Sinne (1) wachsender Sensibilisierung im Wahrnehmen, (2) begrifflicher Strukturierungs- und Umstrukturierungsfähigkeit, (3) Produktivität im Darstellen und (4) kritischer Reflexivität gefördert. Weiterhin stimme ich den Forderungen Lutz Führers für den Geometrieunterricht (Führer 2002) und für den Mathematikunterricht im Allgemeinen (Borneleit, Expertise zum Mathematikunterricht, 2000) zu. „Im engeren Bezug auf den Geometrieunterricht verlangt das Konzentration auf heuristische Erschließung des Anschauungsraums und intelligentes Problemlösen, kurz: Primat der Mathematisierungsheuristik vor dem Systemdenken.“ Und im gleichen Artikel: „Informellerer Umgang mit fachsprachlichen Wendungen zwecks Integration mathematischer Ausdrucksweisen in die Alltagssprache kann nur ohne Substanzverlust gelingen, wenn sich diese Wendungen auf robuste mathematische Inhalte, Formen und Methoden beziehen, d. h. auf eine Mathematik, in der Stabilititätsaspekte gegenüber Exaktheitsforderungen bevorzugt werden.“ (Hervorhebungen vom Autor) Zu bedenken sind auch die von Bruno Buchberger genannten Ziele der Mathematik (Wien 2002): Simplifizieren, Trivialisieren, Algorithmisieren. Die Erreichung dieser Ziele macht einen großen Teil der Faszination der Mathematik aus. Die für mich wichtigste Schlussfolgerung ist, dass Mathematik und Teile der Physik sowie der Informatik in der Schule in einem Unterrichtsfach zu integrieren sind. Der Mathematikunterricht benötigt die Beispiele sowie die mathematischen Denkmethoden dieser Fächer, damit der Lernprozess gelingen kann. Die Erlangung von „Exaktheit“, d.h. die Erkundung der Reichweite von Ideen, Begriffen und Methoden, ist ein langwieriger Prozess, der dann im besonderen Maße zur Graduierung der Schülerleistungen führt. Um ein grundlegendes Verständnis muss sich jeder Schüler bemühen; unsere Hilfe und die der Mitschüler dabei wird zu einer deutlich größeren Individualisierung des Lernprozesses führen. Die mathematischen Inhalte sind so zu erarbeiten, dass verschiedene Begründungstiefen möglich sind. Ergänzungen zu den traditionellen Inhalten, die insbesondere hinsichtlich der Komplexität der Termstrukturen zu überdenken sind (bei Funktionsuntersuchungen auftretende komplexere Termstrukturen wie y = f t ( x) = x ⋅ t −1 ⋅ ln( x 2 + t 2 ) sind zu meiden, da sie in der Regel nicht zum besseren Verständnis der Grundlagen beitragen, es sogar eher verhindern): • • • Programme in Pseudocode Untersuchung glatter Funktionen in mehreren Veränderlichen Einführung in die Vektoranalysis Das Programmieren sollte ein fester Bestandteil des Mathematikunterrichts sein. Zum Beispiel das Kennenlernen der FOR-TO-Schleife in Klasse 7: Was bewirken die folgenden Anweisungen? a) INPUT a : FOR b = 1 TO 7 DO a := a – 1 NEXT b PRINT a b) INPUT a : s := 0 FOR b = 1 TO a NEXT b DO s := s + b PRINT s c) FOR i = 1 TO 4 DO FOR j = i + 1 TO 5 NEXT j NEXT i DO PRINT i, j Beispiel für die Untersuchung einer Funktion in mehreren Veränderlichen: Bestimmung der Tangentialebene an das Bild der Funktion z = f ( x, y ) = 8 − ( x 2 + y 2 ) in einem Punkt; näherungsweise Berechnung von Funktionswerten; Einführung in die Fehlerrechnung (Brenner: Von orthogonalen Geraden zum totalen Differenzial; www.thillm.de) Einführung in die Vektoranalysis: Untersuchung einfacher zusammengesetzter Bewegungen (z.B. schräger Wurf, Schraubenlinie) mithilfe von Vektoren und ihren Ableitungen (auch schon bei der Einführung des Ableitungsbegriffs) Welche Rolle soll dabei der Computer spielen? All diejenigen, bei denen er das Denken, das Bemühen um Vorstellungen und Verständnis unterstützen kann. Und er ist bei den Problemen unentbehrlich, bei denen er das Untersuchen von Beispielen und das intelligente Probieren oder Üben erst möglich macht.