Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen Studienarbeit II von Holger Reimann FAKULTÄT FÜR LUFT- UND RAUMFAHRTTECHNIK INSTITUT FÜR LUFTFAHRTTECHNIK Prof. Dr.-Ing. Werner Staudacher Betreuer: Dipl.-Ing. Martin Böhm 01.08.2004 Universitätsprofessor Dr.-Ing. Werner Staudacher Luftfahrttechnik Universität der Bundeswehr München – D-85577 Neubiberg UNIVERSITÄT DER BUNDESWEHR MÜNCHEN FAKULTÄT FÜR LUFT-UND RAUMFAHRTTECHNIK Institut für Luftfahrttechnik und Leichtbau Studienarbeit Nr. 04/3 für Herrn cand.-Ing. Holger Reimann Matrikelnummer: 1001246 Ausgegeben am: 12.03.2004 Eingeliefert am: 01.08.2004 Thema Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen Übersicht Die vergangenen Jahrzehnte zeichnen sich im zivilen Flugzeugbau durch die Verfolgung eines seit langem durchgesetzten Flugzeugkonzeptes aus. Dieser traditionelle Entwurfstyp stößt allerdings mit zunehmendem Abfluggewicht zusehends an seine Grenzen (z.B. A380). Daher sind Wissenschaftler bemüht neue Konfigurationen zu entwickeln, die ein weiteres wachsen der Fluggeräte bei gleichzeitiger Treibstoffminimierung ermöglichen. Bei einigen dieser Konzepte ist allerdings der zweckmäßige Einsatz mit heutigen Flughafenausstattungen jedoch mehr als fraglich. Weiterhin verfolgen nicht alle Konzepte eine umweltverträgliche Integration. Daher soll diese Arbeit verschiedene unkonventionelle Konzepte im Hinblick auf deren ökonomische (z.B. Integration in heutige Strukturen) und ökologische Verträglichkeit beleuchten. Aufgabenstellung 1. Ermittlung von unkonventionellen Flugzeugkonfigurationen für den zivilen Luftverkehr (z.B. Nurflügler, BWB). 2. Beschreibung der konfigurativen Merkmale ausgewählter Konfigurationen und deren Entwicklungsgeschichte bzw. –stand. 3. Quantitative Gegenüberstellung von Vor- und Nachteilen im Vergleich zum traditionellen Flugzeugtyp (z.B. Gewichte, Aerodynamik, Stabilität, Antriebskonzepte etc.) 4. Bewertung der Konfigurationen im Hinblick auf den alternativen Einsatz im zivilen Massenpassagier- bzw. Frachtverkehr. 5. Die Arbeit soll sowohl in gebundener als auch elektronischer Form (z.B. CD-Rom) zur Verfügung stehen. Über den Fortgang der Arbeit ist regelmäßig mit dem Betreuer Rücksprache zu halten. Betreuung Prof. Dr.-Ing. W. Staudacher Dipl.-Ing. M. Böhm Tel.: (089) 6004 2136 Tel.: (089) 6004 2389 Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen i Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ............................................................................................. ii Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................... iii Einleitung .................................................................................................................. 1 1. Beschreibung der konfigurativen Merkmale ...................................................... 2 1.1. Nurflügel oder schwanzlose Flugzeuge ........................................................... 2 1.1.1. Nurflügel .................................................................................................... 3 1.1.2. Blended Wing Body ................................................................................... 8 1.2. Cryoplane – Flugzeuge mit Flüssiggastreibstoffen ........................................ 12 1.3. Bodeneffektflugzeuge .................................................................................... 16 1.4. Luftschiffe....................................................................................................... 20 2. Vor- und Nachteile gegenüber konventionellen Luftfahrzeugen.....................24 2.1. Nurflügel......................................................................................................... 24 2.2. Blended Wing Body........................................................................................ 28 2.3. Cryoplane....................................................................................................... 30 2.4. Bodeneffektflugzeuge .................................................................................... 35 2.5. Luftschiffe....................................................................................................... 37 3. Auswertung der Ergebnisse in Bezug auf Ökologie und Ökonomie...............40 3.1. Nurflügel und Blended Wing Body ................................................................. 40 3.2. Cryoplane....................................................................................................... 41 3.3. Bodeneffektflugzeuge .................................................................................... 41 3.4. Luftschiffe....................................................................................................... 42 Zusammenfassung..................................................................................................43 Literatur – und Quellenverzeichnis........................................................................44 Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen ii Abbildungsverzeichnis Abb. 1.1: H IX V2 auf dem Flugplatz Oranienburg, Februar 1945 3 Abb. 1.2: Stealthbomber B-2A von Northrop-Grumman 3 Abb. 1.3: Zanonia-Samen und Etrich Taube 4 Abb. 1.4: Formgebung nach dem Vorbild des Zanonia-Samens 5 Abb. 1.5: Die Gebrüder Walter und Reimar Horten mit der H I 5 Abb. 1.6: Nurflügel N-1M von J. Northrop 6 Abb. 1.7: Dreiseitenansicht eines BWB 8 Abb. 1.8: Die Junkers G38 9 Abb. 1.9: Innenansicht der G 38 9 Abb. 1.10: Möglicher Flügelquer- und Längsschnitt des BWB 10 Abb. 1.11: Flugbildskizze des russischen BWB-Projektes 11 Abb. 1.12: Airbus A 310 Cryoplane 12 Abb. 1.13: Dornier DO 328 12 Abb. 1.14: Blockschaltbild des Wasserstoffkreislaufs 14 Abb. 1.15: Tupolev TU 154 14 Abb. 1.16: Der Bodeneffekt 16 Abb. 1.17: Bodeneffektflugzeug Lun 17 Abb. 1.18: Bodeneffektflugzeug Orlenok 17 Abb. 1.19: Bodeneffektflugzeug Hoverwing 18 Abb. 1.20: Boeings Bodeneffektstudie Pelican 19 Abb. 1.21: Das Luftschiff Hindenburg D-LZ 129 20 Abb. 1.22: Montgolfiere 1783 21 Abb. 1.23: CargoLifter CL 160 23 Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen Abkürzungsverzeichnis BWB Blended Wing Body BMB+F Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie FAA Federal Aviation Administration FAR Federal Aviation Regulation ILA Internationale Luftfahrtausstellung (Berlin) LH2 Liquid Hydrogen LFZ Luftfahrzeuge LSV Low Speed Vehicle NT Neue Technologie TEBEF Technische Entwicklung von Bodeneffektfahrzeugen TsAGI Russisches Luftfahrtforschungsinstitut in Moskau UHCA Ultra High Capacity Aircraft VBD Versuchsanstalt für Binnenschiffbau Duisburg VLA Very Large Aircraft iii Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 1 Einleitung Im zivilen Flugzeugbau hat sich seit langem ein bestimmtes Flugzeugkonzept durchgesetzt. Diese konventionelle Konfiguration zeichnet sich durch einen zigarrenförmigen Rumpf, klar abgegrenzte Tragflügel und am Heck liegende Seitenund Höhenleitwerke aus. Dieses Konzept hat sich seit vielen Jahrzehnten bewährt und dadurch in das Bild der Luftfahrtgesellschaften eingeprägt. Zudem hat sich die Produktion auf die Fertigung der traditionellen Flugzeugteile spezialisiert und auch die Infrastruktur der internationalen Flughäfen hat sich an den Umgang mit den Flugzeugen angepasst. Aus diesem Grunde sind wesentliche Änderungen nicht einfach durchzusetzen. Allerdings haben sich in den letzten Jahren die Anforderungen im Luftfahrtsektor verändert. Als Beispiel seien zum einen neu entwickelte Materialien zu nennen, die es ermöglichen Luftfahrzeuge leichter zu bauen und damit den Nutzlastanteil zu steigern und zum anderen treten wirtschaftliche aber auch ökologische Aspekte immer weiter in den Vordergrund. So wird versucht, den Treibstoffverbrauch durch verbesserte Triebwerke oder aber durch Widerstandsminimierung der Luftfahrzeuge zu reduzieren. Dabei kommt aber der traditionelle Entwurfstyp durch die ansteigenden Abfluggewichte an seine strukturellen Grenzen, da ein Flugzeug nicht beliebig größer skaliert werden kann. Das Wurzelkubikgesetz, welches besagt, dass bei quadratischer Flächenvergrößerung eines Flugzeugs das Strukturgewicht mit der dritten Potenz wächst, verhindert dies, so dass Flugzeuge wie der A-380 die Grenze der konstruktiven Möglichkeiten erreicht haben. An diesem Punkt setzen die unkonventionellen Konfigurationen an. Sie sollen neue Möglichkeiten zur Erhöhung der Nutzlast oder Reduzierung des Treibstoffgewichts aufzeigen. In dieser Arbeit werden solche Konfigurationen vorgestellt. Im ersten Teil sollen die auffälligen Merkmale dieser Flugzeugentwürfe beschrieben werden. Anschließend werden die Entwicklungsgeschichte und der heutige Stand aufgezeigt. Im anschließenden Kapitel werden dann die verschiedenen Vor- und Nachteile im Vergleich zum konventionellen Flugzeug gegeneinander abgewogen, um dann im letzten Teil mit der Auswertung mögliche Alternativen zum traditionellen Entwurfstyp aufzeigen zu können. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 2 1. Beschreibung der konfigurativen Merkmale Im Allgemeinen bedeutet unkonventionell, dass etwas ungewöhnlich, überraschend, neu oder unüblich ist. Im Bezug auf Flugzeuge heißt das, dass von einem unkonventionellen Flugzeug gesprochen wird, sobald Unterschiede in der Konfiguration zum traditionellen Flugzeugentwurf, wie er bereits in der Einleitung beschrieben wurde, vorhanden sind. Dies bezieht sich zum Beispiel auf einen neuartigen Antrieb oder ein vollkommen neues Erscheinungsbild des Flugzeugs, wie es bei einem Nurflügelflugzeug der Fall ist. Es gibt demnach vielfältige Möglichkeiten ein Flugzeug unkonventionell auszulegen. In dieser Arbeit soll aber nur eine Auswahl besonders auffallender, unkonventioneller Konfigurationen aufgezeigt werden. Zur näheren Erklärung werden in diesem Kapitel fünf verschiedene Flugzeugkonfigurationen vorgestellt und erläutert. Bei den Luftfahrzeugen handelt es sich um folgende Konfigurationen: • • • • • Nurflügel Blended Wing Body (BWB) Flugzeuge mit Wasserstoff- oder Flüssiggasantrieb (Cryoplane) Bodeneffektflugzeuge Luftschiffe 1.1. Nurflügel oder schwanzlose Flugzeuge In der Literatur gibt es unterschiedliche Ansichten, welche Flugzeuge in die Kategorie der schwanzlosen Flugzeuge fallen. Die eine Auffassung lautet, dass nur Nurflügel für Typen die richtige Bezeichnung ist, bei denen der Tragflügel alle Funktionen der Auftriebserzeugung, sowie die Unterbringung von Piloten, der Antriebssysteme, des Brennstoffs und der Fracht übernimmt. Die andere Auffassung hingegen lautet, dass die Bezeichnung schwanzloses Flugzeug für alle die Typen gilt, bei denen kein Höhenleitwerk vorhanden ist und die nur eine verkürzte Rumpfform besitzen. In dieser Kategorie sind im Gegensatz zum Nurflügel auch Seitenleitwerke oder Flügelendscheiben, die zur Richtungsstabilität benötigt werden, am Flugzeug erlaubt. Demnach werden nur die Flugzeuge der Gebrüder Horten als auch des Amerikaners J. Northrop als reine Nurflügelflugzeuge bezeichnet. Die anderen Konfigurationen in dieser Kategorie werden unter dem Begriff der schwanzlosen Flugzeuge zusammengefasst. Dies trifft auch für die entwickelten Luftfahrzeuge von Dr. A. Lippisch zu, die er selbst als Deltaflugzeug bezeichnete, weil die Flügelvorderkante dem griechischen Buchstaben Delta ∆ ähnlich war. Es kommt vor, dass in der Literatur die Begriffe Nurflügler, Deltaflügler, Schwanzlose oder schwanzloses Flugzeug im selben Kontext verwendet werden und unter ihnen keine Unterscheidung gemacht wird. Dabei ist jedoch lediglich eine Bauform ohne spezielles Leitwerk oder separates Höhenleitwerk gemeint. Was die einzelnen Konfigurationen im speziellen auszeichnet, wird im jeweiligen Kapitel erläutert. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 3 1.1.1. Nurflügel Es handelt sich bei einer Konfiguration um ein Nurflügelflugzeug, wenn kein Rumpf und auch keine Seiten- und Höhenleitwerke vorhanden sind. Ein besonders auffallendes Merkmal eines Nurflügels ist der Tragflügel mit einer großen Spannweite aber einem im Allgemeinen relativ dünnen Profil. Die Piloten befinden sich in einem kleinen Cockpit, das sich oberhalb des Flügels hervorhebt. Da bei einem Nurflügel keine Seitenleitwerke vorhanden sind, erfolgt die Steuerung um die Hochachse in diesem Fall über so genannte Spreizklappen, die möglichst weit außen an den Tragflächen angebracht sein müssen, um einen großen Hebelarm zu erzeugen. Durch das Ausfahren der Spreizklappen wird der Luftwiderstand an den Tragflügelenden erhöht, der durch den Hebelarm die Gierbewegung ermöglicht. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Nurflügel kein separates Höhenleitwerk haben. Das ist aber auch nicht notwendig, weil die an der Hinterkante befindlichen Ruder die beiden Funktionen der Längs- und Quersteuerung übernehmen. Im Gegensatz zu konventionellen Konfigurationen ist der Hebelarm in die x-Richtung durch den fehlenden Schwanz verhältnismäßig kurz. Damit ist die Steuerwirkung um die Querachse bei gleichen Ruderflächen geringer, wodurch bei Nurflügeln große Klappen erforderlich sind. Diese konfigurativen Merkmale sind in den Abbildungen 1.1 und 1.2 deutlich zu erkennen: Abb. 1.1 Eine Horten H IX V2 auf dem Flugplatz Oranienburg, Februar 1945 Abb. 1.2: Stealthbomber B-2A von Northrop-Grumman Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 4 Ziel der Konstrukteure war es und ist es noch heute, bei jedem neuen Fluggerät die Herstellung zu vereinfachen. Ein weiterer Anspruch liegt zudem darin, den aerodynamischen Widerstand zu minimieren, um bessere Flugleistungen zu gewährleisten. Diese Vorgaben bedeuteten gleichzeitig, dass der so genannte fliegende Flügel alle Einrichtungen eines Flugzeuges in sich aufzunehmen hatte, wie bereits beschrieben. Doch oft funktionierte dies nicht und so kehrten sie zum konventionellen Flugzeug mit Rumpf und Leitwerk zurück. Erst als eine Reihe von technischen Entwicklungen und Erkenntnisse aus der Luftfahrt von Flugzeugen mit der normalen Flügel-Rumpf-Kombination auch auf die schwanzlose Konfiguration übertragen werden konnten, kam es zu einer Festigung der Entwürfe und wesentlicher Leistungsverbesserungen. Zuvor musste jedoch überhaupt der erste Schritt gewagt werden, ein Flugzeug in dieser Richtung zu konstruieren. Dabei wurden Vorbilder aus der Natur herangezogen. Die Frucht einer aus Java stammenden Kürbisart verbreitet sich, indem sie sich als Gleitflieger fortbewegt. Sie wird als Zanonia-Samen bezeichnet. Dabei kann dieser Samen als idealer Nurflügel angesehen werden, da die zu transportierende Frucht vollständig im Flügel integriert ist. Prof. F. Ahlhorn berichtete 1897 in einem Aufsatz von der auffallenden Flugstabilität dieses Samens, was den Österreicher Igo Etrich mit seinem Mitarbeiter Wels motivierte, umfassende Flugversuche mit Modellen durchzuführen, die dem Zanonia-Samen nachgebildet wurden. Es gelang den beiden mit einem bemannten Gleitflieger erste erfolgreiche Flüge zu absolvieren. Die Konstruktion wurde verbessert und weiterentwickelt, so dass ab 1908 die Etrich Taube, ein Motorflugzeug mit der Tragflügelform des Zanonia-Samens, von verschiedenen Flugzeugbau-Firmen hergestellt und geflogen wurde. Der Samen sowie das Flugzeug werden in der Abbildung 1.3 im Vergleich dargestellt. Abb. 1.3: Zanonia-Samen und Etrich Taube Aber nicht nur bei der Etrich Taube war die Flügelform dem Zanonia-Gleitflieger nachgebildet. Am Beispiel einiger bekannter Konstrukteure wird ersichtlich, wie groß Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 5 die Bedeutung der Flügelform auch bei anderen Entwürfen war. Auch wenn die naturgetreue Form des Samens den technischen Erfordernissen angepasst wurde, ist die Ähnlichkeit in Abbildung 1.4 deutlich erkennbar: Abb. 1.4: Formgebung nach dem Vorbild des Zanonia-Samens Mit schwanzlosen Konstruktionen hatten sich international zugleich mehrere Flugzeugkonstrukteure und -pioniere wie zum Beispiel J. W. Dunne aus England, H. Junkers aus Deutschland, J. Northrop aus den USA, A. Soldenhoff aus der Schweiz und B. I. Tscheranowski aus der UdSSR beschäftigt. Obwohl alle in die gleiche Richtung forschten, erlangten sie ihre Erkenntnisse unabhängig voneinander. Besonders herausragend sind die Entwicklungen der Gebrüder Horten. Nach gründlichen Vorstudien mit Modellen und theoretischen Untersuchungen bauten die Brüder mit der Horten H I ihr erstes Nurflügelflugzeug mit einer Spannweite von 12 Metern, das 1934 erfolgreich auf der Wasserkuppe in der Rhön mit Gummistartseil und Flugzeugschlepp erprobt wurde (Abbildung 1.5). Abb. 1.5: Die Gebrüder Walter (rechts) und Reimar Horten mit der H I Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 6 Für die Steuerung um die Querachse dienten die inneren über Stoßstangen angelenkten Klappen. Die äußeren Klappen wurden hingegen über Seilzüge bewegt und dienten als Querruder. Zur Steuerung um die Hochachse besaß die Horten H I bereits Spreizklappen. Infolge von Transport- und Unterstellproblemen musste das Flugzeug aber abgewrackt werden. Die Horten Brüder entwickelten auch während des zweiten Weltkriegs eine Reihe von Nurflügeln. Der Höhepunkt der Hortenkarriere war die Horten H IX V2, wobei es sich um den ersten Nurflügel handelte, der von zwei Strahltriebwerken angetrieben wurde (Abbildung 1.1). Der Prototyp ist aber durch einen Absturz verloren gegangen, der durch einen Triebwerksausfall hervorgerufen wurde. Ein weiterer Prototyp wurde bis zum Ende des Krieges nicht mehr fertig gestellt. Die einzelnen Teile dieser Maschine wurden dann als Kriegsbeute in die USA gebracht. Neben den Horten Brüdern war J. Northrop aus den USA ein weiterer erwähnenswerter Konstrukteur, der sich mit Nurflügeln beschäftigte. Sein erster „richtiger“ Nurflügel wurde N-1M (Abbildung 1.6) genannt, hatte eine Spannweite von 11,58 Metern und absolvierte seinen Erstflug 1940. Als Antrieb dienten zwei Druckpropeller und er hatte zunächst aus Stabilisierungsgründen schräg nach unten abgewinkelte Flügelenden, welche später dem gerade durchgehenden Flügel wichen. Abb. 1.6: Nurflügel N-1M von J. Northrop Es folgte die N-9M als ein im Maßstab 1:3 verkleinerter Vorläufer der geplanten Nurflügelbomber B-35 und B-49, die nach dem Zweiten Weltkrieg bei Northrop entstanden. Der schwere Bomber B-35 flog 1946 zum ersten Mal. Seine Spannweite betrug 52,42 Meter, das Abfluggewicht belief sich auf 104 Tonnen und er wurde durch Propeller angetrieben. 1947 hatte dann die turbinengetriebene Weiterentwicklung der YB-49 ihren Erstflug, stürzte aber später aus ungeklärten Gründen ab. Das Nurflügelbomberprogramm wurde bald darauf im Jahr 1950 gestoppt. In den nächsten Jahren liefen noch einige Vorstudien, doch erst 1981 bekam Northrop wieder einen Auftrag zur Entwicklung eines Nurflügels, dessen Erstflug 1989 stattfand. Die B-2 (siehe Abbildung 1.2) ist mit einem dicken, superkritischen Profil und geringer Verwindung ausschließlich für den Unterschallflug ausgelegt. Die Stabilität ist durch eine aktive rechnergestützte Flugsteuerung gewährleistet. Die B-2 ist mit ca. 1 Milliarde Dollar pro Stück das Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 7 teuerste Flugzeug der Luftfahrtgeschichte. Auch wenn die Konstruktionen der Nurflügel der Gebrüder Horten und J. Northrop herausragend waren, verhalfen diese Luftfahrtentwicklungen der Idee des Nurflügels nicht zum Durchbruch. Denn bis zum Ende des 20. Jahrhunderts konnte sich diese Bauart noch nicht als Reiseflugzeug durchsetzen. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 8 1.1.2. Blended Wing Body Blended Wing Body (BWB) Konfigurationen sind den Nurflüglern sehr ähnlich. Da die Projekte aber unter anderem Seitenleitwerke zur Richtungsstabilisierung besitzen, können sie nicht als reine Nurflügel sondern als schwanzlose Flugzeuge bezeichnet werden. BWB zeichnen sich dadurch aus, dass bei ihnen noch deutlich ein Rumpfteil zu erkennen ist. Wie bei konventionellen Flugzeugen kann darin die Nutzlast untergebracht werden. Im Gegensatz zu den normalen Flugzeugen, wo eine klare Abgrenzung von Rumpf und Tragflügel erkennbar ist, wurde der Tragflügel bei den BWB Konfigurationen um den Rumpf herum gebaut, wie aus dem Namen Blended Wing erkennbar. Des Weiteren sind die Triebwerke eines BWB über oder unter dem Flügel in Gondeln untergebracht, was ein weiterer Unterschied zum Nurflügel ist, bei dem alle Einrichtungen im Flügel unterbracht werden. Die beschriebenen konfigurativen Merkmale werden in Abbildung 1.7 besonders deutlich: Abb. 1.7: Dreiseitenansicht eines BWB Der Konstrukteur Hugo Junkers hatte die Vorstellung, dass bei einem großen Flugzeug auf Rumpf und Leitwerk zur Verminderung des Luftwiderstandes verzichtet werden könnte und die Fluggäste, Motoren, Tanks und Fracht in einem dicken Flügel eines Verkehrsflugzeuges unterzubringen seien. Er hatte also die Vorstellung, einen Nurflügel zu konstruieren. Diese Idee meldete er als Patent an, war aber seiner Zeit weit voraus und schien zunächst nicht verwirklichbar zu sein. Das Junkers-Patent von 1910 ist nur ein Ansatz, da für die technische Verwirklichung keine Angaben über Steuerung, Flugstabilität und Flügelprofile gemacht wurden. Sein Hauptgedanke war die Schaffung eines verdrehsteifen Tragflügels, in dem die Passagiere nebeneinander in Flugrichtung sitzen sollten. Der Auftrieb erzeugende Hohlkörper sollte zur Aufnahme jeglicher Ausrüstung und Nutzlasten dienen. Dieser Entwurf war allerdings eine Entenkonfiguration also mit einem vorn angebrachten Höhenleitwerk, weshalb es nicht als Nurflügel galt. Der Flügel mit einer Spannweite von 80 Metern sollte neben vier Motoren 26 Kabinen für 100 Passagiere sowie eine Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 9 10-köpfige Besatzung haben. Die Reichweite sollte 2000 Kilometer mit 10-stündiger Flugzeit betragen. Erst mit einem Entwurf von 1930 für einen 10-motorigen Riesentransporter als Nurflügel mit geradem Mittelstück und gepfeilten Außenflügeln glaubte Junkers seinem Ziel, dem fliegenden Flügel, näher zu kommen. Als Vorstufe entstand 1927 das viermotorige Verkehrsflugzeug G 38 mit begehbaren Flügelwurzeln für die Motorenwartung und zweistöckiger Passagierkabine, die 34 Passagieren und fünf Mann Besatzung Platz boten. In den beiden Abbildungen 1.8 und 1.9 ist die Dimension der G 38 deutlich zu erkennen: Abb. 1.8: Die Junkers G38 Abb. 1.9: Innenansicht der G 38 Die G 38 mit ihren 800-PS-Junkers Rohölmotoren bewährte sich im Linienverkehr der Lufthansa ebenso wie als Truppentransporter im Zweiten Weltkrieg. Durch das große Kastenleitwerk der G 38 kann dieser Typ nicht als Nurflügelflugzeug bezeichnet werden. Doch die Idee des dicken Tragflügels zur Unterbringung der Nutzlasten ist der damaligen Zeit weit voraus. Die modernen Entwürfe von so genannten Blended Wings, wie sie von Boeing, Aerospatiale, Airbus und russischen Konstrukteuren erforscht werden, bauen auf jene frühen Entwicklungen von Hugo Junkers auf. Bis jedoch das erste Mal von einem BWB gesprochen wurde vergingen einige Jahrzehnte. Durch die Forderungen der Fluggesellschaften nach Flugzeugen mit immer größeren Transportkapazitäten legte 1995 Boeing das Blended Wing Body Projekt BWB-1-1 vor (Abbildung 1.7). Die Konstrukteure sollten ein Flugzeug konstruieren, dass Passagierzahlen von ungefähr 800-1000 realisieren kann und Vorteile gegenüber den konventionellen Entwürfen aufweist, wie zum Beispiel im Vergleich zum A 380. Die Struktur der Konfiguration mit 85 Metern Spannweite soll in zweistöckiger (siehe Abbildung 1.10) Mischbauweise aus Leichtmetall und Verbundwerkstoffen hergestellt werden. Dieses Flugzeug wird auch als Ultra High Capacity Aircraft (UHCA) bezeichnet und soll mit 3 bis 4 Turbofantriebwerken mit Mach 0,85 eine Strecke von 13000 Kilometern in 12000 Metern Höhe überwinden. Für die Sicherstellung der Stabilität sollen die Erkenntnisse vom B-2 Bomber herangezogen werden. Für die Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 10 Auslegung des Projektes hat die NASA einen über drei Jahre andauernden Versuch angesetzt. Ein Modell im Maßstab 1:6 zur normalen Spannweite wurde bereits erfolgreich im Windkanal getestet. Auch ein ferngesteuertes Testfluggerät wurde gebaut und absolvierte bereits als Low Speed Vehicle (LSV) mit drei Triebwerken und 11 Metern Spannweite erste Versuchsflüge. Abb. 1.10: Möglicher Flügelquer- und Längsschnitt des BWB Im Zuge der Ausarbeitung von Studien für ein großes Verkehrsflugzeug für 600 bis 800 Fluggäste, wie es Boeing in den USA vorgelegt haben, trat Aèrospatiale 1995 bei der Paris Airshow mit einer neuen Projektstudie an die Öffentlichkeit. Das Very Large Aircraft (VLA) soll bis zu 1000 Passagiere aufnehmen können und sie mit Hilfe von vier Turbofantriebwerken mit Mach 0,85 in einer Höhe von 12000 Meter über eine Strecke von 12000 Kilometer transportieren. Dieser Blended Wing soll eine Spannweite von 96 Metern und Triebwerke haben, die im hinteren Bereich versetzt angeordnet werden, um stets gleiche Lastigkeit zu gewährleisten. Neben der besonderen aerodynamischen Ausbildung des großen, stark gepfeilten, sichelförmigen Flügels sind auch alle Untersysteme neu zu entwickeln. Neuartige elektronische Steuerungssysteme mit äußeren Spreizklappen und doppelt ausgeführten Winglet-Rudern sollen auch hier unter der Auswertung der Northrop B-2 Systeme die Flugstabilität und Sicherheit gewährleisten. 1996 wurde daraufhin ein russisches BWB Projekt veröffentlicht, das in Zusammenarbeit mit den Franzosen entworfen wurde. Die Größenmaßstäbe dieses Projektes überragen sogar die Studien von Boeing und Aèrospatiale. Das Konzept des Luftfahrtforschungsinstituts Moskau (TsAGI) soll eine Spannweite von 106 Metern mit einer Pfeilung von 60 Grad haben, dessen Außenflügel nach oben faltbar vorgesehen werden. Das mit drei oder vier großen in Reihe angeordneten Turbofantriebwerken (Abbildung 1.11) ausgerüstete Projekt soll zwei in verschiedene Klassen unterteilte Fluggastdecks für etwa 936 Passagiere erhalten, die ihre Plätze über sechs Zugangstreppen erreichen können. Als Option ist nach der Idee des Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 11 Spanloaders (vgl. Abbildung 1.10) die Möglichkeit als Frachtflugzeug angedacht, das heißt ein Transporter, der über die Tragfläche nutzbare Frachträume besitzt. Mit einem Abfluggewicht von etwa 560 Tonnen soll der Transporter mit Mach 0,85 eine Entfernung von 12000 Kilometern überwinden können. Während das Mittelstück aus Titan gefertigt werden soll, ist bei den Außenflügeln die Herstellung in CompositeLamellenbauweise vorgesehen. Da dieses Projekt aber zunächst noch zu groß für die Anforderungen der Fluggesellschaften erscheint, wird auch über eine kleinere Variante nachgedacht. Abb. 1.11: Flugbildskizze des russischen BWB-Projektes Nach den Entwürfen von Aèrospatiale, Boeing und dem russischen TsAGI Projekt befasst sich Airbus seit 2001 nun ebenfalls mit BWB-Entwicklungen und den dazugehörigen Systemen. Das angestrebte Konzept soll mit einer Spannweite von ungefähr 90 Metern und vier Triebwerken im Reiseflug Mach 0,8 erreichen. Im Rahmen eines vom Lehrstuhl für Luftfahrttechnik der Technischen Universität (TU) München durchgeführten Szenarioprozesses, wurden zusammen mit Studenten der TU München und der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg mit dem Fachbereich Flugzeugbau bereits eine detaillierte Kabinenkonfigurationen entwickelt, die sich an dem vorgegebenen Airbus-Entwurf eines BWBVerkehrsflugzeuges orientieren. Auf der Internationalen Luftfahrtausstellung (ILA) 2002 in Berlin wurde ein Modell dieser Konfiguration erstmals zur Schau gestellt. Im Gegensatz zu den Entwürfen anderer Herstellerfirmen, deren Triebwerke auf der Oberseite angeordnet sind, sieht dieses Konzept die konventionelle Aufhängung unter den Tragflügeln vor. Im unten gelegenen Frachtdeck sind Bereiche für die Besatzung, Küchensysteme, Hygieneeinrichtungen oder Freizeiträume konzipiert, wie sie bereits heute in konventionellen Flugzeugen Anwendung finden. Im darüber liegenden Fluggastdeck wird der Platz für etwa 750 Passagiere vorgesehen. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 12 1.2. Cryoplane – Flugzeuge mit Flüssiggastreibstoffen Als Cryoplanes werden im Allgemeinen die unkonventionellen Luftfahrzeuge bezeichnet, die im Gegensatz zum herkömmlichen Kerosin flüssige Gase wie Methan oder Wasserstoff als Treibstoff verwenden. Besonders Wasserstoff ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Die meisten Projekte mit kryogener Technologie sehen bisher noch im Wesentlichen so aus wie konventionelle Flugzeuge, doch sind auch hier Unterschiede zu erkennen. Ein auffallendes Merkmal sind die Treibstofftanks. Ein Kilogramm Wasserstoff enthält 2,8-mal mehr Energie wie ein Kilogramm Kerosin. Aber selbst auf minus 253 Grad Celsius abgekühlt und verflüssigt, braucht Wasserstoff für die gleiche Energiemenge viermal soviel Volumen wie Kerosin. Darüber hinaus sind wegen der Temperatur und der notwendigen Isolierung die herkömmlichen Integraltanks in den Tragflächen nicht zu nutzen. Durch das Oberflächen-Volumenverhältnis zur Vermeidung großer Oberflächen, um die Wärmedämmung zu gewährleisten, werden zylindrische Tanks bevorzugt. Eine Kugel wäre zwar physikalisch die optimale Form, aber dies wäre nicht sinnvoll, da zwischen den Kugeltanks zuviel Volumen verloren gehen würde. Zylindrische Wasserstoffspeicher haben eine doppelte Außenwand. In die rund 3 Zentimeter dicke Hochvakuum-Isolation zwischen diesen Wänden sind bis zu 70 Lagen Aluminiumfolie im Wechsel mit Glasfibermatten eingelegt. Von der Wärmedämmung betrachtet, entspricht dies einem 4 Meter dicken StyroporIsolationsmantel. Es treten Verdampfungsverluste auf, so dass die Temperatur im Tank um etwa 1 Grad Celsius pro Tag steigt. Aus diesem Grunde sind wasserstoffbetriebene Flugzeuge an den großen Tanks zu erkennen, die entweder als Außenlasten unter dem Tragflügel (siehe Abbildung 1.13) oder, wie in Abbildung 1.12 zu sehen, im Rumpf über dem Passagierraum untergebracht sind. Doch auch verlängerte Rumpfteile hinter der eigentlichen Passagierkabine oder ein als Treibstofftank ausgelegter „Twin Boom“ wurden in Vorstudien schon angedacht. Abb. 1.12: Airbus A 310 Cryoplane Abb. 1.13: Dornier DO 328 Die Bezeichnung Wasserstoff existiert bereits seit dem Jahr 1787. In diesem Jahr taufte der Franzose Lavoisier den Wasserstoff als hydrogène (griechisch: hydor = Wasser und genes = erzeugend). Das Wort bedeutet demnach WasserBildner. Wasserstoff ist das häufigste Element auf der Erde. Er verfügt über einen relativ hohen Heizwert und erzeugt bei der Verbrennung mit Sauerstoff als Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 13 Hauptverbrennungsprodukt lediglich Wasser. Es kommen nur geringe Mengen von Stickoxiden hinzu. Gegenüber dem konventionellen Kerosin aber entfallen völlig das Treibhausgas Kohlendioxid sowie Kohlenmonoxid, unverbrannte Kohlenwasserstoffe, Ruß und Schwefeldioxid. Die Verbrennung des Wasserstoffs setzt sich aus folgender Reaktionsgleichung zusammen: 2H 2 + O2 → 2H 2O (1.1) Auszüge aus der Wasserstoff-Geschichte Wasserstoff-Entdeckung vom englischen Privatgelehrten H. Cavendish. gelingt dem deutschen Chemiker Johann Wilhelm Ritter als einem der ersten Wissenschaftler die Elektrolyse von Wasser in einem U-Rohr. 1807: Rivaz baut das erste Wasserstoff-Fahrzeug. Die Verbrennung von Wasserstoff befördert einen Kolben aufwärts. Das Eigengewicht zieht eine Zahnstange abwärts, die wiederum über eine Verzahnung das Fahrzeug antreibt. 1898: erste Verflüssigung von Wasserstoff vom britischen Chemiker und Physiker James Dewar in London. 1901: Erstmalige Speicherung von Wasserstoff-Gas in Stahlflaschen von Ernst Wiss in Griesheim. 6. Mai 1937: Der Zeppelin 'Hindenburg' verunglückt in Lakehurst/New Jersey (USA). 200000 Kubikmeter Wasserstoff verbrennen. 1959: Amerikanischer Physiker Francis T. Bacon stellt die erste praxistaugliche Brennstoffzelle zur kontrollierten Energiegewinnung vor (Leistung 6 kW). 1959: erster erfolgreicher Test mit einer 'Pratt and Whitney RL 10' (Sauerstoff/ Wasserstoff-Flugzeugmotor). 1963: Wasserstoff wird in alkalischen Brennstoffzellen in der Raumfahrt für die Bordenergieversorgung und Erzeugung des Trinkwassers eingesetzt (Gemini-Mission der NASA). Ab 1968 wird Wasserstoff bei Apollo-Missionen (Mondflügen) und Space ShuttleFlügen eingesetzt. Das in den Brennstoffzellen entstehende Wasser dient zur Versorgung der Besatzung. 1975: Experimentier-Fahrzeug mit Wasserstoff-Antrieb von Mercedes-Benz mit Tieftemperatur-Hydrid. 1979: In Europa wird der dreistufige HM7-Raketenmotor entwickelt und erfolgreich in die Europa-Rakete Ariane eingebaut. Die Ariane 5 benutzt Wasserstoff vom Start bis zur Landung. 1986: Eine Explosion an Bord der Raumfähre Challenger kostet sieben Astronauten das Leben. 1988: Bei dem umgebauten Verkehrsflugzeug (russische Tupolev TU 155) kann ein Triebwerk wahlweise mit flüssigem Erdgas oder flüssigem Wasserstoff betrieben werden. 1989: Deutsch-russisches Entwicklungsprogramm (Cryoplane) mit einem wasserstoffbetriebenen Flugzeug (Airbus A 310). 1995: Versuche an einer DO 328 (wasserstoffbetriebenes Flugzeug). 2000: Ein EU-Projekt mit 35 europäischen Firmen nimmt die Arbeiten am Wasserstoff-Flugzeug (CRYOPLANE) wieder auf. 1766: Um 1800 Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 14 Die Anwendung von Wasserstoff als Treibstoff in einem Luftfahrzeug soll in Abbildung 1.14 in einem Blockschaltbild schematisch dargestellt werden. Abb. 1.14: Blockschaltbild des Wasserstoffkreislaufs Die grundsätzliche Realisierbarkeit des Wasserstoffantriebs wurde bereits am 15. April 1988 von dem russischen Konstrukteur Tupolev nachgewiesen, der bei dem Experimentalflugzeug TU 155 eins von drei Triebwerken alternativ mit flüssigem Wasserstoff oder Erdgas betreiben konnte. Als erstes Flugzeug der Welt startete diese TU 155, welches eine Umrüstung einer dreistrahligen TU 154 (Abbildung 1.15) war, mit dem Wasserstoffantrieb zu einem 21 Minuten dauernden Probeflug. Daran anschließend wurde das Triebwerk in vielen Versuchsflügen über insgesamt etwa 100 Stunden erfolgreich erprobt. Abb. 1.15: Tupolev TU 154 Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 15 Um die Möglichkeiten von Wasserstoff als Kerosin-Ersatz zu erarbeiten, forschten Anfang der Neunziger Jahre insgesamt 35 Europäische Firmen im Rahmen des Cryoplane-Programms am Einsatz von kryogenem Treibstoff in der Luftfahrt. Die kooperativen Arbeiten zwischen deutschen und russischen Firmen fingen schon 1990 mit einer Tupolev T 156 an. Es folgten weitere Projekte wie die Dornier DO 328 (siehe Abbildung 1.13) und der Airbus A 310 (siehe Abbildung 1.12). Leider sind diese Projekte bisher nicht über das Programmstadium hinausgekommen. Ein bedeutsamer Fortschritt auf dem Gebiet der stickoxidarmen Verbrennung von Wasserstoff wurde 1996 an der Fachhochschule Aachen erreicht. Dort wurde ein Hilfstriebwerk vom Typ AlliedSignal GTCP 36-300, wie es beim Airbus A 320 genutzt wird, für den Wasserstoffbetrieb umgerüstet und erfolgreich erprobt. Bei der Auslegung der Triebwerksregelung war die Firma Bodenseewerk Gerätetechnik maßgeblich beteiligt. Dank der an der Fachhochschule Aachen entwickelten MikroMisch-Brennkammer wurde die Stickoxidemission auf ein Drittel des Wertes im Kerosinbetrieb reduziert. Damit wurde zum ersten Mal ein komplettes Flugzeugtriebwerk im stickoxidarmen Betrieb demonstriert. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 16 1.3. Bodeneffektflugzeuge Fliegt ein Flugzeug in Bodennähe, so erhöht sich der Auftrieb bei gleichzeitiger Widerstandsminimierung. Dieses Phänomen wird als Bodeneffekt bezeichnet. Dabei bildet sich zwischen dem Luftfahrzeug und der überflogenen Oberfläche ein Luftkissen, das sich mit dem Flugzeug mitbewegt. Bodeneffektflugzeuge zeichnen sich besonders durch ihre im Vergleich zur Gesamtgröße geringen Spannweite aus. Eine große Spannweite ist allerdings auch nicht notwendig, da nicht nur der Tragflügel sondern auch der Bodeneffekt Auftrieb erzeugen. Im Gegensatz zum Tragflügel besitzen sie aber ein relativ großes Höhenleitwerk. Da Wasseroberflächen glatte Oberflächen bieten, werden Bodeneffektflugzeuge meist hier eingesetzt und dafür ausgelegt vom Wasser aus zu starten und auch wieder zu landen. Aus diesem Grunde ist es ersichtlich, dass die Rumpfform der eines Bootes gleicht. Für die Stabilität um die Längsachse während des Start- und Landevorgangs sind zusätzlich an den Tragflügelenden Schwimmerkonstruktionen angebracht, damit die Tragflächenspitzen immer einen Abstand zur Wasseroberfläche behalten und nicht eintauchen können. Der Bodeneffekt hängt von der Größe des Fluggerätes ab. Je größer ein Luftfahrzeug ist, desto höher kann es vom Boden entfernt im Bodeneffekt fliegen. Dabei sollte der Bodenabstand die halbe Spannweite nicht übersteigen. Abb. 1.16: Der Bodeneffekt Nach dem Gesetz von Bernoulli nimmt der statische Druck mit zunehmender Geschwindigkeit ab und umgekehrt. Bei der Umströmung eines unsymmetrischen Körpers, wie zum Beispiel eines Tragflügels, muss die Luft auf der Oberseite einen längeren Weg zurücklegen als auf der kürzeren Unterseite. Die Luft strömt deshalb auf der Oberseite schneller als auf der Unterseite, wodurch bei einem Tragflügel auf der Oberseite ein Unterdruck und auf der Unterseite ein Überdruck entsteht. Diese Druckunterschiede erzeugen den Auftrieb. An den Tragflügelspitzen kommt es wegen des Ausgleichs der verschiedenen Druckverhältnisse zur Seitenkantenumströmung. Es entstehen Verwirbelungen, die die Ursache für den induzierten Widerstand sind und dadurch den Treibstoffverbrauch der Flugzeuge erhöhen. Die Verhältnisse ändern sich jedoch, wenn ein Flugzeug in Bodennähe fliegt. Im schmaler werdenden Luftspalt zwischen der Flügelhinterkante und dem Boden wird die um den Tragflügel strömende Luft gestaut und dadurch unter dem Flügel abgebremst. Dies verursacht eine Druckerhöhung, wodurch der Auftrieb ansteigt. Zusätzlich wandert der Auftriebsschwerpunkt in Richtung der Hinterkante des Flügels. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 17 Der Widerstand eines Luftfahrzeugs setzt sich aus dem induzierten Widerstand und dem Nullwiderstand, der abhängig von der Profilform und der Oberflächenbeschaffenheit ist, zusammen. Die Luft kann in Bodennähe nicht ungehindert die Seitenkanten umströmen, sondern ist gezwungen horizontal abzufließen. Aufgrund dessen können sich die schon beschriebenen Randwirbel im Bodeneffekt mit dem darunter liegenden Luftpolster nicht ausbilden und der induzierte Widerstand wird erheblich verringert. Die Geschwindigkeiten, die ein Bodeneffektflugzeug braucht, um auf das Luftkissen zu kommen, können nur durch eine große Antriebsleistung erreicht werden. Um nicht größere, leistungsstärkere und damit auch schwerere Triebwerke einbauen zu müssen, die nur für den Start benötigt werden, wird in der Startphase ihr Luftstrom unter die Flügel geblasen. Sobald sich das Flugboot aus dem Wasser erhebt und sich im Bodeneffekt fliegt, wird die Luft nach hinten geblasen und somit zum Vortrieb verwendet. Russische Wissenschaftler konstruierten 1961 die SM-1 als erstes Modell mit eigenem Antrieb, um an Bodeneffektflugzeugen zu forschen. Nach weiteren Verbesserungen der aerodynamischen Eigenschaften entstand 1962 das Modell SM-2. Hier wurden erstmals Hilfstriebwerke verwendet, die Luft unter die Flügel bliesen, was als Vorbild für alle weiteren russischen Ekranoplane diente. 1963 wurde die KM gebaut, das zu der Zeit das größte und schwerste Flugobjekt der Welt war. Durch die mehrere Jahre dauernden Testreihen, gelang es zu zeigen, dass die geplanten technischen Werte in der Praxis erreicht werden konnten. Durch Unfälle gingen jedoch die Prototypen verloren. Aus den Erfahrungen dieser Entwürfe ging 1972 der Transport-Ekranoplan Orlenok hervor, welcher zwei Schützenpanzerwagen oder ein Bataillon Soldaten an Bord nehmen konnte. Das Ziel war es, 120 Stück dieses Typs zu bauen. Das Projekt wurde jedoch 1985 wieder eingestellt. 1987 ging dann als direkter Nachfolger der so genannte Lun aus der KM hervor. Er war ein mit sechs Marschflugkörpern bewaffneter Raketenträger, wovon zwei Exemplare existierten. In den beiden Abbildungen 1.17 und 1.18 sind die beiden größten bisher gebauten Bodeneffektflugzeuge abgebildet: Abb. 1.17: Bodeneffektflugzeug Lun Abb. 1.18: Bodeneffektflugzeug Orlenok Zur Zeit wird eine Passagiervariante auf der Basis des Orlenok für den Transport von 150 Personen entwickelt. Aus dem Lun könnte eine Passagiervariante für 250 Personen entstehen, doch ob dies umgesetzt wird bleibt fraglich. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 18 Auch in Deutschland wurden in den Neunzigern Bodeneffektfahrzeuge konstruiert. Die Versuchsanstalt für Binnenschiffbau (VBD) bearbeitet gemeinsam mit Fischer Flugmechanik das Vorhaben „Technische Entwicklung von Bodeneffektfahrzeugen“ (TEBEF). Dieses Forschungsvorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMB+F) gefördert. Im Rahmen der Entwicklungsarbeiten hat die VBD unter anderem den Bau des zweisitzigen Versuchsträgers Hoverwing (Abbildung 1.19) übernommen. Die Erprobungen im Jahre 1997 verliefen erfolgreich. Nach dem Erstflug am 7.Mai 1997 auf dem Baldeneysee wurden die Flugversuche vor der Insel Rügen und auf dem Ijsselmeer fortgesetzt und das Leistungspotential des Gerätes nachgewiesen. Weitere Versuche wurden 1998 und auch 1999 in Holland durchgeführt. Abb. 1.19: Bodeneffektflugzeug Hoverwing Der vorhandene 2-Sitzer ist ein reines Versuchsfahrzeug. Wirtschaftliche Einsatzgrößen sind Bodeneffektgeräte mit 8, 15, 30 bis hin zu 80 Sitzen, die nach dem Einsatzzweck und Fahrtgebiet variieren. Die große Version des Hoverwing ist mit einer Reisegeschwindigkeit von 180 Kilometern pro Stunde angegeben. Es wurde bereits angedacht, den Fährenbetrieb auf Nord- und Ostsee durch Bodeneffektfahrzeuge zu ersetzen. Die Marktnische des schnellen und preiswerten Personentransports, kann in dieser Art von keinem vorhandenen Transportmittel abgedeckt werden, wodurch für die Hoverwing-Technologie gute Wettbewerbschancen entstehen. In den USA wurde dann 2002 ein anderes Großprojekt in Angriff genommen. Das von Boeings Phantom Works vorgestellte Projekt sieht ein Fluggerät mit einer Spannweite von etwa 152 Metern und einer Länge von ungefähr 120 Metern vor, das von vier großen Triebwerken angetrieben werden soll. Der Pelican (Abbildung 1.20) ist für spezielle Aufgaben konstruiert worden. So ist vorgesehen, dass er transozeanische Transporte schwerer Lasten schnell durchführen kann. Über dem Ozean könnte die Maschine, in nur sechs Metern Höhe über dem Wasser fliegend, bis zu 16.000 Kilometer am Stück zurücklegen. Dies soll sogar mit bis zu 1400 Tonnen Fracht ohne aufzutanken möglich sein. Mit einer Flotte dieser Geräte ausgestattet, wäre es möglich schweres Gerät sehr schnell an jeden Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 19 Krisenherd der Welt zu transportieren, der über das Meer erreicht werden kann. Die 1400 Tonnen Nutzlast entsprechen zum Beispiel 17 Kampfpanzern des Typs M1. Das bedeutet, dass ganze Divisionen eine Landeoperation durchführen könnten, ohne dass ein fester Hafen benötigt würde. Allerdings soll der Pelican auch wie ein konventionelles Flugzeug über Land fliegen können und dabei auf eine Flughöhe von etwa 6000 Metern steigen. Der Bodeneffekt wird im Rahmen dieses Einsatzgebietes zwar nicht genutzt, jedoch erweitert sich das Einsatzspektrum der Maschine erheblich. Abb. 1.20: Boeings Bodeneffektstudie Pelican Die Pelican Studie wurde aber dennoch von den amerikanischen Militärs abgelehnt. Nicht nur die wirtschaftliche Lage sondern auch die Realisierbarkeit eines solchen Großprojektes waren wohl die Ursachen für das Scheitern. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 20 1.4. Luftschiffe Da Luftschiffe sich durch wesentliche Merkmale von konventionellen Flugzeugen unterscheiden, fallen sie nicht in die gleiche Kategorie. Ein besonderes Differenzierungsmerkmal ist, dass der Auftrieb bei Luftschiffen durch Gasfüllungen erreicht wird, die eine erheblich geringere Dichte als Luft aufweisen. Deutlich wird der Unterschied zum konventionellen Flugzeug, das diesen Auftrieb, wie bereits beschrieben, durch die Umströmung der Tragflächen erzeugt und somit den Nachteil überwinden muss, schwerer als Luft zu sein. Im Folgenden sollen nun die konfigurativen Merkmale eines Luftschiffes dargestellt werden. Ein Luftschiff ist ein Luftfahrzeug, das mit einer großen gasgefüllten Ballonhülle für den Auftrieb ausgestattet ist. Als Traggas werden Gase verwendet, die leichter als Luft sind, wie zum Beispiel Helium oder Wasserstoff. Den Vortrieb erhält das Schiff durch Luftschrauben oder Propeller, die von Flugmotoren angetrieben werden. Die Triebwerke sind in Motorgondeln am Schiff eingebaut. Für Besatzung und Passagiere steht eine große Gondel meist unterhalb des Vorderteils zur Verfügung. Für die Steuerung des Luftschiffes befinden sich am Heck des Fahrzeugs Seiten- und Höhenleitwerke. Die Bewegung um die Hochsachse wird dabei durch ein oder mehrere vertikal schwenkbare Seitenruder gesteuert. Für die Regulierung des Auf- und Abstieges, also die Bewegungen um die Querachse, sind horizontal schwenkbare Höhenruder vorgesehen. Um einen möglichst ruhigen Flug durch die Luft zu ermöglichen, ist die Ballonhülle fast immer lang gestreckt und aerodynamisch konstruiert. Diese konfigurativen Merkmale sind bei dem bekannten Luftschiff der Hindenburg D-LZ 129 (Abbildung 1.21) deutlich zu erkennen: Abb. 1.21: Das Luftschiff Hindenburg D-LZ 129 Es gibt drei Bauarten von Luftschiffen. Erstens das unstarre Luftschiff, das auch Prallluftschiff oder Blimp genannt wird und bei dem die Form der Ballonhülle durch den inneren Überdruck des Traggases aufrechterhalten wird. Zweitens gibt es das halbstarre Luftschiff, bei dem der Gasdruck gemeinsam mit einem Längsträger oder Kielträger für die Aufrechterhaltung der Form verantwortlich ist. Zudem gibt es noch das Starrluftschiff, bei dem die Form durch ein starres Gerüst, das meist aus Leichtmetall besteht, bestimmt wird. Bei diesem Typ ist das Füllgas in besonderen Gaszellen enthalten. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 21 Das Luftschiff wurde ein halbes Jahrhundert vor dem ersten Flugzeug aus den Freiballonen entwickelt, die schon seit 1783 Menschen in die Lüfte befördern konnten. Die Gebrüder Montgolfier ließen am 5.Juni 1783 in Annonay ihren ersten mit warmer Luft gefüllten Ballon aufsteigen, der „Montgolfiere“ (Abbildung 1.22) genannt wurde und einen Durchmesser von 11,37 Metern hatte. Kurz darauf am 27.August 1783 versuchten Professor Charles und die Gebrüder Robert den Montgolfier-Versuch mit dem 1766 entdeckten Wasserstoff nachzuahmen. Es gelang ihnen mit einem Ballon von 3,9 Meter Durchmesser, dessen Hülle aus gummibestrichener Seide bestand. Sie wurden dadurch die Erfinder des Gasballons, der auch als „Charliere“ bezeichnet wird. Diese beiden Ballone waren noch unbemannt. Doch schon am 21.November 1783 startete und landete der erste bemannte Heißluftballon der Welt mit M. D’Arlandes und P. de Rozier. Die heiße Luft wurde dabei durch Verbrennen von Stroh erzeugt und ermöglichte eine Fahrtdauer von 25 Minuten. Abb. 1.22: Montgolfiere 1783 Die Ballone hatten den großen Nachteil, dass sie nicht lenkbar der Kraft des Windes ausgeliefert waren. Noch vor der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden halbstarre und starre Langballons mit Steuereinrichtung gebaut und es wurde versucht, sie durch Maschinenkraft anzutreiben. So konstruierte 1851 der französische Maschinenbauingenieur H. Giffard eine nur 45 Kilogramm schwere Dampfmaschine mit 3 PS Leistung und baute sie ein Jahr später in einen spindelförmigen Langballon ein. Der 44 Meter lange und 2500 Kubikmeter Gas fassende Ballon trug an Seilen einen Balken, an dem die Gondel mit dem Antrieb und der Luftschraube hing. Ein dreieckiges Segel diente als Steuermöglichkeit. Am 24.September 1852 stieg die Giffard I auf und legte mit einer Geschwindigkeit von 8 Kilometern pro Stunde eine Strecke von 26 Kilometern zurück. Dabei erreichte das Luftschiff eine Gipfelhöhe von 1800 Metern. Gegen den Wind konnte der schwache Motor allerdings noch nicht ankommen. Bei einem zweiten Versuch im Jahre 1857 wurde der Ballon zerstört. Doch die Dampfmaschine, die zu der Zeit die einzige bekannte Antriebsmaschine war, eignete sich für diesen Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 22 Zweck wegen ihres hohen Gewichtes und großen Brennstoffbedarfs bei geringer Leistung nicht. Es mussten erst verbesserte Antriebe entwickelt werden. 1872 griff der deutsche Ingenieur P. Haenlein die Idee Giffards auf und erreichte mit einem über 50 Meter langen Luftschiff, das von einem Gasmotor angetrieben wurde, eine Geschwindigkeit von 18 Kilometern pro Stunde. Darüber hinaus versahen die Franzosen Renard und Krebs 1884 einen Lenkballon mit einem von Akkumulatoren gespeisten 8,5 PS Elektromotor und unternahmen damit mehrere Luftfahrten. 1891 schied Graf F. von Zeppelin aus dem Militärdienst aus und widmete sich in Zusammenarbeit mit dem Diplomingenieur T. Kober seiner Ideen zur Verwirklichung von Luftschiffen. 1898 wurde der erste Zeppelin gebaut. Er war 128 Meter lang, wurde durch ein Aluminiumfachwerk versteift und hatte ein Traggasvolumen von 11300 Kubikmeter. Zwei 16 PS Benzinmotoren trieben je zwei Luftschrauben an und am Tragkörper war ein Laufsteg mit zwei Gondeln befestigt. Der erste Probeflug des Luftschiffs LZ 1 fand am 2. Juli 1900 über dem Bodensee statt und endete mit einer Notwasserung. In der Folge wurden verschiedene Mängel, besonders am Steuersystem, beseitigt. Anfang 1906 wurde das Luftschiff LZ 2 fertig gestellt und schon wenig später bei einer Notlandung zerstört. Auch von den folgenden sieben Luftschiffen des Grafen gingen sechs bei Unfällen verloren. Doch schon kurz darauf wurde ein regulärer Luftschiffverkehr eingerichtet. Nach dem 1. Weltkrieg brachte H. Eckener 1924 das für die USA als Reparation gebaute Luftschiff LZ126 im ersten Transatlantikflug ohne Zwischenlandung in die Vereinigten Staaten. 1928 baute das Zeppelinwerk in Friedrichshafen das LZ127, das unter dem Namen Graf Zeppelin bekannt wurde. LZ127 hatte eine Länge von 236 Metern und ein Fassungsvermögen von 105 Millionen Litern Gas. Es verfügte über fünf Dieselmotoren mit einer Leistung von je 550 PS. Die Besatzung bestand aus 45 bis 50 Personen und darüber hinaus fanden 20 Passagiere an Bord Platz. In neun Jahren Dienst flog das Starrluftschiff insgesamt mehr als 1.600.000 Kilometer, wobei es 139-mal den Atlantik nach Nord- und nach Südamerika überquerte und eine komplette Weltumrundung mit Haltepunkten in Tokio, Los Angeles und Lakehurst machte. Bis in die dreißiger Jahre wurden noch wesentlich mehr Luftschiffe konstruiert und im Luftverkehr eingesetzt. Einen besonderen Höhepunkt stellte das Luftschiff D-LZ 129 Hindenburg (Abbildung 1.21) dar. Es hatte eine Länge von 245 Metern und ein Fassungsvermögen von 200 Millionen Litern Traggas. Die Hindenburg wurde von vier Dieselmotoren mit je 1320 PS Leistung angetrieben und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 125 Kilometern pro Stunde. Die Hindenburg war das größte jemals im Einsatz befindliche Luftschiff. Nach zehn Atlantiküberquerungen im Linienverkehrsflug im Jahr 1936 wurde es am 6.Mai 1937 bei der Landung in Lakehurst durch einen Brand zerstört, der durch eine elektrostatische Aufladung der Hülle verursacht wurde. In Deutschland wurde daraufhin der Bau von Luftschiffen eingestellt und so setzte sich das Flugzeug als zukünftiges Transportmittel durch. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es keine nennenswerten Anstrengungen in der Luftschifftechnologie. Nur vereinzelt traten sie als Werbeträger auf großen Veranstaltungen auf. Erst 1993 wurde von der Firma Zeppelin Luftschifftechnik GmbH das Projekt Zeppelin Neue Technologie (NT) ins Leben gerufen. Das Luftschiff mit einem Volumen von 8500 Kubikmetern und einer Länge von 75 Metern erhielt im August 2001 seine Zulassung. Bei dem Prototypen LZ NT handelte es sich um ein halbstarres Prallluftschiff mit einem starren Gerippe. Die Hülle wird durch den Überdruck des Traggases und durch Luftsäcke, so genannte Ballonetts, in Form Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 23 gehalten. Der Zeppelin NT besitzt eine über die ganze Länge gehende dreieckige Tragstruktur aus Kohlefaser-Verbundwerkstoffen, an der alle Baugruppen wie Antriebe, Gondel und Leitwerke befestigt sind. Die starre Struktur übernimmt weitgehend alle statischen und dynamischen Kräfte und Momente. Sie entlastet somit die mit Helium gefüllte Hülle, so dass bei einem Abfall des Innendrucks die äußere Gestalt erhalten bleibt. Mit seiner Passagierkapazität von 12 Personen und einem Nutzlastgewicht von 1,8 Tonnen stellt es jedoch neben Rundflügen keine alternative Transportmöglichkeit dar. Ein anderes Projekt erregte mit dem so genannten CargoLifter CL 160 (Abbildung 1.23) als fliegenden Kran das Interesse in der Luftfahrt. Es wurde 1996 von der Firma CargoLifter AG initiiert. Bei diesem Projekt wurde erstmals in Deutschland die Konzeption eines halbstarren Kielluftschiffes ohne Gitterkonstruktion unter der Hülle gewählt. Dies bedeutet, dass zu Gunsten des Gesamtgewichtes auf eine kreisförmige oder dreieckige starre Struktur von der Nase bis zum Heck verzichtet werden sollte. Der aus Kohlefaserelementen bestehende Kiel sollte zur Krafteinleitung und Verteilung aller Massenkräfte und Momente einschließlich der Nutzlast dienen. Die gesamte Gashülle wurde als Wetterhülle ausgelegt und orientierte sich an der klassischen Methode amerikanischer Blimps, die nicht in einzelne Zellen unterteilt sind. Der CL 160 sollte ein Volumen von ungefähr 550.000 Kubikmetern und eine Länge von 265 Metern haben. Die Nutzlast, so wurde geplant, sollte bei 160 Tonnen liegen. Die Schwierigkeiten lagen unter andern darin, die auftretenden statischen und dynamischen Kräfte zum Großteil auf den Kiel abzuleiten. Zum Bau der Luftschiffe wurde die größte freitragende Halle der Welt errichtet. Doch in der Werft wurden keine Luftschiffe mehr gebaut, da das Unternehmen im Sommer 2002 Insolvenz anmeldete, womit dieses Projekt scheiterte. Abb. 1.23: CargoLifter CL 160 Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 24 2. Vor- und Nachteile gegenüber konventionellen LFZ In diesem Kapitel werden nun die Vorteile sowie die Nachteile der unkonventionellen Flugzeuge dargestellt und erklärt. Dies ist besonders wichtig, da es für die Luftfahrtgesellschaften nur Sinn macht neue Konzepte einzusetzen, wenn diese Fluggeräte wirtschaftlicher sind als die konventionellen Flugzeuge. Dabei darf nicht nur das Flugzeug allein betrachtet werden. Auch die Auswirkungen auf das Umfeld des Flugzeugs sind zu berücksichtigen. Zum Beispiel kann durch Widerstandsminimierung aufgrund neuer Konstruktionen viel Treibstoff und damit Geld eingespart werden, doch ist dies hinfällig, wenn aufgrund des neuen Flugzeugs massive Umbauten auf den Flughäfen nötig wären. Die verschiedenen Vor- und Nachteile werden in folgende Kategorien gegliedert: • • • • • • Aerodynamik Struktur und Gewicht Infrastruktur Sicherheit Umwelt Sonstiges Nicht jede unkonventionelle Flugzeugkonfiguration weist in allen Kategorien Voroder Nachteile auf. Aus diesem Grunde werden bei den behandelten Konfigurationen nur die relevanten Kategorien aufgeführt. 2.1. Nurflügel Vorteile • Aerodynamik: Das Nurflügel-Konzept weist besondere konfigurative Vorteile auf. Die Merkmale des Nurflügels sind besonders im Kapitel 1.1.1 deutlich geworden. Ein Nurflügel besitzt demnach weniger angreifbare Fläche, da hier nur der Tragflügel vorhanden ist und die Stirnseiten der Seiten- und Höhenleitwerke und des Rumpfes fehlen. Aus der Aerodynamik ist bekannt, dass sich der Gesamtwiderstand W aus dem Nullwiderstand W0 und dem induzierten Widerstand Wind zusammensetzt: W = W0 + Wind (2.1) Zudem ist der Nullwiderstand von den angreifbaren Flächen abhängig. Daraus folgt, dass bei einem Nurflügelflugzeug, das eine geringe Widerstandsfläche hat, der Nullwiderstand und damit der Gesamtwiderstand wesentlich geringer ist als bei einem konventionellen Flugzeug. Darüber hinaus ergibt sich noch ein entscheidender Vorteil. Wenn nur der Tragflügel für sich allein betrachtet wird, weist er eine bestimmte Auftriebsverteilung auf. An den Seitenrändern ist der Auftrieb durch die Seitenkantenumströmung reduziert und bis zur Mitte des Tragflügels steigt der Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 25 Auftrieb an. Wird nun oberhalb in der Mitte des Tragflügels ein Rumpf angebracht, wie bei den meisten konventionellen Flugzeugen üblich, gibt es hier einen Auftriebsverlust, der sich in Form einer Delle über dem Rumpf in der Auftriebsverteilung zeigt. Das bedeutet, dass bei einem Nurflügel, bei dem kein Rumpf vorhanden ist, kein Auftriebsverlust auftritt. Diese beiden Effekte, die Widerstandsminimierung und der erhöhte Auftrieb, ziehen einen weiteren Vorteil nach sich. Der Treibstoffverbrauch hängt direkt mit dem Widerstand und dem Auftrieb zusammen. Wird der Widerstand eines Luftfahrzeugs reduziert, so wird weniger Triebwerksleistung für den Flug benötigt, was den Treibstoffbedarf senkt. Eine Erhöhung des Auftriebs hat den gleichen Effekt. Aus diesem Grunde kann bei Verwendung eines NurflügelKonzepts der Treibstoffverbrauch im Vergleich zu den traditionellen Flugzeugen erheblich reduziert werden. • Struktur und Gewicht: Auch in dem Bereich der Struktur ergeben sich bei Nurflügeln einige Vorteile. Zu diesen gehören, dass keine Seiten- und Höhenleitwerke vorhanden sind, wodurch das Strukturgewicht zugunsten von Nutzlast oder Treibstoffgewicht verringert werden kann. • Sonstiges: Erfahrungen aus der Nutzung des Northrop B-2 Tarnkappenbombers (Abbildung 1.2) könnten sich bei der Durchführung eines Nurflügelprojektes vorteilhaft auswirken. Erkenntnisse aus dem Betrieb oder zum Beispiel der Flugsteuerung dieses Flugzeugs könnten in zivile Projekte einfließen und die Realisierung vereinfachen. Nachteile • Aerodynamik: Ein Nachteil bei Nurflügelflugzeugen liegt darin, dass der Hebelarm zum Steuern um die Hochachse relativ kurz im Vergleich zu konventionellen Flugzeugen ist. Um dennoch eine hohe Steuerwirkung zu erzielen, müssen große Spreizklappen verwendet werden. Große Steuerflächen haben jedoch den Nachteil, dass sie sehr viel Widerstand erzeugen und dadurch den Treibstoffverbrauch erhöhen. Zudem ist durch den fehlenden Rumpf mit hinten liegendem Seitenleitwerk die Seitenstabilität gering. Bei traditionellen Flugzeugen wird durch das hinten liegende Seitenleitwerk die so genannte Windfahnenstabilität genutzt. Das bedeutet, dass ein Flugzeug immer das Bestreben hat die Seitenflosse und damit gleichzeitig die Rumpfspitze in die Richtung der anströmenden Luft zu drehen. Dies wird durch die am Seitenleitwerk angreifenden Kräfte und dem damit erzeugtem Drehmoment um die Hochachse verursacht. Bei Nurflügeln gibt es diesen stabilisierenden Effekt nicht. Ein weiteres Problem hängt auch mit den fehlenden vertikalen Steuerflächen zusammen. Wenn ein Flugzeug eine Kurve nur allein mit Hilfe der Querruder einleitet, dreht es sich für gewöhnlich erst in die falsche Richtung. Dieses Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 26 Phänomen wird „negatives Wendemoment“ genannt. Dem Moment kann nur durch Betätigung des Seitenruders während des Steuervorgangs entgegengewirkt werden. Der physikalische Grund für dieses Wendemoment besteht darin, dass auf der Flügelseite mit einem Querruderausschlag nach unten nicht nur der lokale Auftrieb vergrößert wird, sondern auch noch ein zusätzlicher induzierter Widerstand angreift. Dieser Widerstand zieht den Flügelteil nach hinten. Gleichzeitig wird auf der anderen Flügelseite nicht nur der lokale Auftrieb, sondern auch der induzierte Widerstand verringert. Dadurch hat dieser Flügelteil das Bestreben nach vorne zu wandern. Beide Widerstandsänderungen erzeugen um die Hochachse das negative Wendemoment. Da ein Nurflügelflugzeug diesem Wendemoment nur mit Hilfe großer Spreizklappen entgegenwirken kann, wird wiederum der Widerstand beim Steuern erhöht. • Struktur und Gewicht: Ein weiterer Nachteil von Nurflügelflugzeugen hängt mit der geringen Tragflügeldicke zusammen. Der Tragflügel muss so hoch sein, dass der Fluggastraum eine Höhe von ungefähr 2 Metern hat, da dies von den Fluggesellschaften gefordert wird, weil kleinere Höhen für die Passagiere heutzutage nicht mehr zumutbar wären. Im Mittelteil wäre dies eventuell noch realisierbar, allerdings würde die Höhe zu den Tragflügelspitzen hin geringer werden. Auch mit einer aerodynamisch ungünstigen hohen Zuspitzung ließe sich dieser Wert nicht überall im Fluggastraum verwirklichen. Zusätzlich zum Fluggastraum müssen die Piloten, die Antriebssysteme, der Brennstoff und die Fracht im Flügel untergebracht werden. Nur durch sehr große Spannweiten würde das realisiert werden können. Dies führt jedoch zu einem weiteren Problem im Bereich der Infrastruktur. • Infrastruktur: Auf den Flughäfen sind die Haltebuchten an den Terminals mit einer Größe von 80 mal 80 Metern vorgesehen. Der Airbus A 380 passt mit seiner Spannweite von 79,6 Metern gerade noch in diese Halteplätze hinein. Ein Nurflügel hätte jedoch mit der geforderten Höhe der Fluggastkabine eine wesentlich größere Spannweite als 80 Meter. Dies würde bedeuten, dass die heutigen Flughafenkapazitäten nicht dafür ausreichen. Umfangreiche Umbauten wären erforderlich, was die Kosten zum Einsatz eines solchen Gerätes bedeutend erhöhen würde. Andererseits hätte es zur Folge, dass sonst weniger Flugzeuge gleichzeitig an den Terminals abgefertigt werden könnten. Nicht nur die Umstrukturierungen der Terminals würden somit Kosten verursachen. Weiterhin würden Kosten in Form von etwaigen Verlusten entstehen, da weniger Flüge zur gleichen Zeit durchgeführt werden könnten. Ein weiteres Problem an den Flughäfen betrifft das Ein- und Aussteigen der Passagiere. Dafür werden an den Terminals Gangways an das Flugzeug herangefahren, damit die Fluggäste bequem über einen Gang vom Terminal in das Flugzeug gelangen können. Auch für gehbehinderte Personen stellt dies kein Problem dar, weil hier zum Beispiel keine Treppen überwunden werden müssen. Bei einem Nurflügel ist allerdings keine Möglichkeit seitlich eine Gangway heranzufahren. Das zeitgünstige Einsteigen wäre durch den Zugang über Treppen nicht möglich. Auch gehbehinderte Menschen hätten hier Schwierigkeiten. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 27 Durch den fehlenden Rumpf ergeben sich außerdem noch Probleme beim Beund Entladen mit Frachten. Ein seitliches Beladen mittels Förderbändern oder Gabelstaplern ist nicht möglich. Es müsste der Frachtraum von oben mit Hilfe von Kränen oder von unten Beladen werden. Dies würde zum einen neue Fahrzeuge für die Bodenabfertigung erfordern und zum anderen wäre der Zeitaufwand des Be- und Entladens bedeutend höher als bei konventionellen Flugzeugen. Doch nicht nur die Bodengeräte für die Be- und Entladung müssten neu beschafft werden. Auch in der Wartung ergeben sich neue Probleme, die vor allem durch die Unterbringung aller Komponenten im Tragflügel hervorgerufen werden. Die Wartung wäre unter diesen Umständen erschwert. Zum Beispiel ist es bei konventionellen Flugzeugen relativ einfach, bei einem Triebwerksproblem ein Triebwerk aus den leicht zugänglichen Gondeln unter dem Tragflügel zu entfernen und auszutauschen. Bei einem Nurflügel wären Komponenten wie die Triebwerke vollständig in der Struktur untergebracht, wodurch der Zeitaufwand zur Instandhaltung eines solchen Luftfahrzeugs wesentlich höher ist als bei den traditionellen Entwürfen. Ein besonders schwerwiegender Nachteil liegt jedoch schon bereits in der Realisierung eines Nurflügels. Die Fertigungskosten liegen hier wesentlich höher als bei normalen Flugzeugen. Das liegt vor allem an der viel größeren Erfahrung in der Konstruktion und dem Bau konventioneller Flugzeuge. Viele Probleme bei der Herstellung der Bauteile oder im Flugbetrieb wurden im Laufe der Jahre beseitigt, so dass bei neuen Entwürfen meist keine schwerwiegenden neuen Probleme auftreten. Beim Nurflügel sind jedoch wichtige Parameter nur sehr ungenau bekannt und müssen durch umfangreiche Berechnungen oder durch Versuche ermittelt werden. Das hat zur Folge, dass ein Nurflügel bereits in der Entwicklungs- und Fertigungsphase höhere Kosten verursachen würde. • Sonstiges: Die Konfiguration des Nurflügels hat noch weitere Nachteile, die mit der Sicht zusammenhängen. Zum einen ist die Sicht für die Piloten, die sich mit ihrem Cockpit oberhalb des Tragflügels befinden (Abbildung 1.2) nach unten behindert, da der Tragflügel die Sicht einschränkt. Zum anderen sind in einem Nurflügelkonzept durch den fehlenden Rumpf keine Fenster vorgesehen. Die Passagiere würden somit nicht aus dem Flugzeug sehen können, was eventuell Beklemmungsgefühle bei den Fluggästen auslösen könnte. Um dieser psychologischen Wirkung entgegenzuwirken, wird angedacht die Umgebungseindrücke über Monitore darzustellen. Dies würde sicherlich die Kosten für ein solches Projekt erheblich vergrößern. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 28 2.2. Blended Wing Body Ein BWB weist wie der Nurflügel viele konfigurative Vor- und Nachteile auf. Aus diesem Grunde werden in diesem Kapitel nur neue Punkte näher erläutert. Wenn Gemeinsamkeiten bestehen, wird auf den jeweiligen Unterpunkt beim Nurflügel verwiesen. Vorteile • Aerodynamik: Ein BWB besitzt weniger angreifbare Fläche, da hier vorwiegend der Tragflügel vorhanden ist und Höhenleitwerke sowie ein klar abgegrenzter Rumpf fehlen. Die Auswirkungen auf den Widerstand und den Auftrieb sind identisch mit denen beim Nurflügel. • Infrastruktur: Der Airbus A-380 soll eine Anzahl von 550 Passagieren befördern können. Trotz dieser hohen Fluggastzahlen sprengen die geplanten BWB diese Dimensionen noch. Die Konfigurationen sehen vor, zwischen 600 bis 1000 Passagiere befördern zu können. Die Wirtschaftlichkeit eines Flugzeugs hängt maßgeblich davon ab, wie viele Personen oder Nutzlast bei einem Flug transportiert werden können. Somit würde bei diesen Passagierzahlen die Wirtschaftlichkeit von BWB besonders hoch sein. Die hohen Fluggastzahlen erfordern jedoch auch ein großes Flugzeug. Da aber die Flughafenkapazitäten, wie bereits am Beispiel des Nurflügels erläutert, für die geplanten Größen nicht ausreichen würden, wird in manchen Projekten über die Möglichkeit nachgedacht, die Tragflügel nach oben falten zu können. Dadurch wären große Spannweiten der Flugzeuge möglich ohne die Haltebuchtenmaße auf den Flughäfen zu überschreiten. • Sonstiges: Erfahrungen aus dem Betrieb des B-2 Tarnkappenbombers können Vorteile bringen (siehe Nurflügel). Nachteile • Struktur und Gewicht: In den Vorteilen wurde auf die Möglichkeit von faltbaren Tragflügeln hingewiesen. Durch das Anbringen von Faltmechanismen würde aber das Strukturgewicht bedeutend erhöht werden, was zur Folge hätte, dass die Nutzlast sich verringert. Demnach ist dieser Vorschlag nicht sehr wirtschaftlich. Es könnte nur durch ohnehin größere Nutzlastkapazitäten ausgeglichen werden. • Infrastruktur: Wie erwähnt, passt ein Airbus A 380 gerade noch in die Halteplätze der Terminals. Derzeitige BWB Konzepte haben jedoch größere Spannweiten. Dies würde die gleichen Probleme wie bei Nurflügeln ergeben. Nur durch Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 29 faltbare Flügelkonstruktionen könnte dieser Nachteil verhindert werden, die aber wie bereits angedeutet eigene Probleme nach sich ziehen würden. Durch den fehlenden Rumpf ergeben sich wie beim Nurflügel Probleme beim Be- und Entladen mit Frachten. Ein weiterer Nachteil von BWB könnte das hohe Abfluggewicht sein. Ein konventionelles Flugzeug wie die Boeing 747-400 hat eine Gesamtmasse von ungefähr 395 to. Dagegen sollen die neuen Blended Wings noch weitaus höhere Gesamtmassen erreichen. Die Startbahnen und Taxiways müssten diesen hohen Belastungen angepasst werden, was erhebliche Kosten verursachen würde. Ein besonderer Nachteil liegt auch bei BWB schon in der Realisierung eines solchen Projektes. Die Fertigungskosten liegen hier wesentlich höher als bei normalen Flugzeugen (siehe Nurflügel). • Sicherheit: Bevor ein neues Flugzeug für den Luftfahrtverkehr freigegeben wird, müssen eine Reihe von Zulassungskriterien erfüllt werden. Diese Kriterien werden von der Federal Aviation Administration (FAA) in den Federal Aviation Regulations (FAR) festgelegt. Unter anderen ist ein wichtiges Sicherheitskriterium die Zeit, die für die vollständige Evakuierung eines Verkehrsflugzeugs im Falle einer Notlandung benötigt wird. Seit 1967 ist in der FAR vorgeschrieben, dass alle Passagiere innerhalb von 90 Sekunden ein Flugzeug verlassen haben müssen. Diese Forderungen konnten bei der Zulassung des Airbus A 380 mit etwa 550 Passagieren gerade noch erreicht werden. Hierbei stellt sich jedoch die Frage, wie diese Forderung bei einem doppelstöckigen Flugzeug mit einer Anzahl von 800-1000 Passagieren eingehalten werden kann. Da kein konventioneller Rumpf mit den Ausstiegsmöglichkeiten Vorne, Mitte und Hinten vorhanden ist, muss erst noch geprüft werden, ob die Evakuierungszeiten bei den BWB Konzepten eingehalten werden können. • Sonstiges: Die Konfiguration des BWB hat Nachteile, die wie beim Nurflügel mit der Sicht der Passagiere zusammenhängen (siehe Nurflügel). Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 30 2.3. Cryoplane Vorteile • Struktur und Gewicht: Die Doppelwandkonstruktionen zur Isolierung der Tanks haben ein erhöhtes Gewicht zur Folge. Dies wäre zwar ein Nachteil, doch ist durch das erheblich geringere Treibstoffgewicht von Wasserstoff gegenüber Kerosin insgesamt der Gewichtsanteil geringer. Bei Cryoplanes ist somit der Nutzlastanteil größer als bei vergleichbaren Flugzeugen, die mit Kerosin betrieben werden. • Sicherheit: Im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen wie Benzin, Diesel, Erdgas oder Kerosin ist Wasserstoff mindestens genauso sicher, wenn nicht sogar sicherer. Im Gegensatz dazu wird vielfach angenommen, Wasserstoff wäre hochexplosiv und schwer zu kontrollieren. Verantwortlich für diese weit verbreitete Meinung sind einige Vorurteile wie die Knallgasreaktion, der Hindenburgunfall und das Challengerunglück, die sich in der Öffentlichkeit eingeprägt haben. Doch tatsächlich erweisen sich diese Vorurteile bei genauer Betrachtung als haltlos. Zu der allgemein bekannten Knallgasreaktion kommt es nur, wenn Wasserstoff und Sauerstoff im richtigen Mischungsverhältnis vorliegen. Für die Ursache des Unfalls des deutschen Zeppelins Hindenburg in Lakehurst (USA) am 6. Mai 1937 wird vielfach der vorhandene Wasserstoff genannt. Es waren tatsächlich 200.000 Kubikmeter Wasserstoff vorhanden, die auch bei dem Unfall verbrannt sind. Die Ursache für dieses Unglück war jedoch eine elektrostatische Aufladung infolge des Gewitters, die zu einer Entzündung der leichtentflammbaren Umhüllung des Zeppelins führte. Die Verbrennungseigenschaften von Wasserstoff ermöglichten vielmehr eine Rettung von 62 der 97 Passagiere. Eine Explosion an Bord der Raumfähre Challenger kostet im Jahr 1986 sieben Astronauten das Leben. Die Ursache für das so genannte Challengerunglück war jedoch nicht der Wasserstoff, sondern eine defekte Dichtung einer Hilfsrakete mit Festtreibstoff. Die austretende Stichflamme beschädigte den wasserstoffgefüllten Haupttank. Erst das führte zu einem Leck im Wasserstofftank und schließlich zur Explosion. Wasserstoff ist ein extrem leichtes Element. Dies gilt sowohl für den gasförmigen als auch für den flüssigen Aggregatzustand. Seine geringe Dichte führt dazu, dass gasförmiger Wasserstoff, wie er bei Umgebungstemperaturen vorliegt, sehr rasch nach oben entweicht, wenn er freigesetzt wird. Im Vergleich zu Luft ist Wasserstoff 14-mal leichter. Diese Eigenschaft führt dazu, dass die untere Zündgrenze schnell unterschritten wird und kein zündfähiges Gemisch mehr vorliegt. Damit es jedoch gar nicht erst zu einer Freisetzung dieses Kraftstoffes kommt, werden entsprechende vorbeugende Maßnahmen unternommen. Falls dennoch Gas entweicht, muss für eine rasche Verdünnung gesorgt werden. Durch intensive Belüftung oder Absaugung kann verhindert werden, dass ein zündfähiges Gemisch entsteht. Außerdem muss das Eindringen von Sauerstoff in ein Wasserstoffsystem verhindert werden, da Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 31 sonst ein zündfähiges Gemisch innerhalb des Systems vorliegen könnte. In diesem Fall ist die obere Zündgrenze von Bedeutung und sollte nicht unterschritten werden. Von Vorteil ist hierbei, dass es sich bei allen Wasserstoffsystemen um Drucksysteme handelt, so dass eher etwas herausströmt als hinein. Sollte es aber dennoch dazu kommen, dass Wasserstoff in die Umgebung entweicht, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein, bevor es zu einer Entzündung kommen kann. Einerseits muss ein zündfähiges Gemisch vorliegen. Dies bedeutet, dass auch Sauerstoff vorhanden sein muss. Der Zündbereich von Wasserstoff in Luft reicht von 4,0 bis 79,0 Volumenprozent. Andererseits muss eine ausreichend hohe Zündenergie zugeführt werden. Dieser Wert liegt etwa zehnmal niedriger als bei anderen Kraftstoffen. Dieser Unterschied allein sagt jedoch noch nichts über die Gefährlichkeit des Kraftstoffes aus, da alle Kraftstoff-Luft-Gemische sehr leicht entzündbar sind. Kommt es trotz diverser Sicherheitsmaßnahmen zu einer Entzündung, sollten die speziellen Eigenschaften von Wasserstoff berücksichtigt werden. Für das menschliche Auge sind die Flammen tagsüber kaum sichtbar, da sie im ultravioletten Bereich strahlen. Die Brenntemperatur von Wasserstoff ist höher als bei Kerosin, allerdings ist die Hitzeabstrahlung geringer, weil keine glühenden Kohlenstoffpartikel vorhanden sind, die Wärme abstrahlen könnten. Die Verbrennungsgeschwindigkeit ist relativ hoch, so dass sich die Flammen zwar schnell ausbreiten, ein Feuer aber auch schnell wieder vorbei ist. Es wird kein Rauch oder Qualm erzeugt, solange nicht andere Substanzen mit brennen. Für den Menschen ist gasförmiger Wasserstoff nicht toxisch, das heißt beim Einatmen besteht keine Gefahr. Nur wenn soviel Wasserstoff in der Luft sein sollte, dass der prozentuale Sauerstoffanteil zu weit reduziert (< 15 %) oder der Wasserstoffanteil zu groß wird (> 30 %), kann es zu Atemnot und sogar Erstickung führen. • Umwelt: Aus den ökologischen Perspektiven ergeben sich durch den Einsatz von Wasserstoff als Treibstoff bedeutende Vorteile. Beim Verbrennen von Kerosin entstehen unter anderem das Treibhausgas Kohlendioxid sowie Kohlenmonoxid, unverbrannte Kohlenwasserstoffe, Ruß und Schwefeloxide. Beim Einsatz von Wasserstoff entfallen diese umweltschädlichen Stoffe und zusätzlich hat es einen 2,8mal höheren Energiegehalt als Kerosin. Aus diesen beiden Gründen ist der Einsatz wesentlich umweltfreundlicher als bei konventionellen Flugzeugen, da erstens keine Schadstoffe ausgestoßen werden und durch den höheren Energiegehalt weniger Treibstoff benötigt wird. Darüber hinaus ist Wasserstoff das häufigste Element auf der Erde und durch die Verbrennung gelangt es wieder als Wasser in die Umwelt. Des Weiteren schont die Verwendung von Wasserstoff die natürlichen Vorkommen fossiler Brennstoffe und die Luftfahrtindustrie wäre darüber hinaus nicht von der Erhöhung der Rohölpreise abhängig. Dies verursachte in den letzten Jahren erhebliche Kosten, da die Preise für fossile Brennstoffe erheblich angestiegen sind. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 32 Nachteile • Aerodynamik: Ein wesentlicher Nachteil von Wasserstoff als Treibstoff in Luftfahrzeugen ist sein Volumen. Selbst auf minus 253 Grad Celsius abgekühlt und verflüssigt benötigt Wasserstoff für die gleiche Energiemenge wie das konventionelle Kerosin viermal soviel Volumen. Dadurch muss bei Cryoplanes ein größeres Tankvolumen vorgesehen werden. Doch das größere Volumen ist nicht der einzige Nachteil. In der Regel werden bei Flüssiggasen Tankkonstruktionen verwendet, die bei einer geringen Oberfläche ein maximales Volumen beinhalten. Der perfekte Körper dafür wäre eine Kugel. Durch die geringe Oberfläche ist die Isolation des flüssigen Gases gewährleistet, das dadurch nicht so schnell Wärme aufnehmen kann und verdampft. Da aber bei Flugzeugen kugelförmige Tanks keinen Sinn machen, weil zwischen den Tanks zuviel ungenutztes Volumen verloren gehen würde, wird der Kompromiss der zylindrischen Tanks eingegangen. In den Tragflächen wäre aber nicht genug Platz, da hier die Rippenkonstruktion der Flügel die Unterbringung der Tanks behindern würde. Dadurch werden entweder wie beim Airbus Konzept (Abbildung 1.12) die Wasserstofftanks über dem Fluggastraum im Rumpf untergebracht oder als Außenlasten wie beim damaligen Dornier Konzept (Abbildung 1.13) mitgeführt. Dies hat aber zur Folge, dass der Nullwiderstand erhöht wird, wenn Außenlasten mitgeführt werden oder der Rumpf erhöht wird. Dies verursacht mehr Gesamtwiderstand, wodurch im Flug mehr Treibstoff benötigt wird. • Struktur und Gewicht: Die Wasserstofftankkonstruktion beinhaltet noch einen weiteren Nachteil. Konventionelle Verkehrsflugzeuge nutzen das Flügelvolumen für die Aufbewahrung des Treibstoffs. Diese Konstruktion wird auch als nasser Flügel bezeichnet. Der Vorteil in dieser Konstruktion liegt darin, dass die Struktur leichter gebaut werden kann. Durch die im Flug angreifende Auftriebskraft wird ein Biegemoment auf die Tragflügel ausgeübt, das durch die Struktur aufgenommen werden muss, damit der Flügel nicht versagt. Bei einem mit Treibstoff gefüllten Flügel wirkt der Auftriebskraft die Gewichtskraft des Flügels mit dem Treibstoffgewicht entgegen. Dadurch ist das resultierende Biegemoment geringer als bei einem trockenen Flügel und so kann die Struktur schwächer ausgelegt werden, was Gewicht spart. Bei Cryoplanes können die konventionellen Integraltanks in den Tragflügeln jedoch, wie bereits erwähnt, nicht genutzt werden. Das hat zur Folge, dass bei Wasserstoffflugzeugen trockene Flügel vorhanden sind, wodurch die Struktur zur Aufnahme des Biegemomentes stärker ausgelegt werden muss, was sich negativ auf den Nutzlastanteil auswirkt. Ein weiterer Nachteil bei der Verwendung von Wasserstoff resultiert aus seinen chemischen Eigenschaften. Besonders bei der Verwendung von flüssigem Wasserstoff als Kraftstoff ist wegen der damit verbundenen niedrigen Temperatur auf besondere Sorgfalt bei der Materialwahl zu achten. Ein besonderes Problem dabei ist die so genannte Kalt-Versprödung. Durch die niedrigen Temperaturen des flüssigen Wasserstoffs werden viele Materialien hart und spröde. Je niedriger die Temperatur ist, desto Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 33 empfindlicher werden die Substanzen gegen äußere Einflüsse wie Stoß oder Verformung. Unabhängig von der Kalt-Versprödung gibt es noch ein ganz spezielles Materialproblem im Zusammenhang mit Wasserstoff. Dieses Problem wird als Wasserstoff-Versprödung bezeichnet. Für die Wasserstoff-Versprödung von Metallen gibt es zwei verschiedene Ursachen. Zum einen die H2-Versprödung bei normaler Umgebungstemperatur, die durch atomaren Wasserstoff hervorgerufen wird, der in Metallgitter eindringen kann. Diese Art der Versprödung tritt speziell an der Oberfläche infolge von äußeren Krafteinwirkungen auf, weil der Zusammenhalt des Metallgitters bei plastischer Verformung geschwächt ist. Zum anderen tritt die Versprödung bei Temperaturen oberhalb von 200 Grad Celsius auf, wo es zu einer chemischen Reaktion von Wasserstoff mit Kohlenstoff oder anderen Bestandteilen von legiertem Stahl kommen kann. Dabei handelt es sich um eine irreversible Umstrukturierung des Metallgitters mit Bildung von Blasen oder Rissen, die das Metallgefüge erheblich schwächen, so dass es zum Versagen von Strukturen kommen kann. Ein weiteres Problem ist eine mögliche Undichtigkeit, die an Verbindungsstellen und Dichtungen auftreten kann, obwohl diese Stellen eigentlich wasser- und luftdicht sind. Wasserstoff-Moleküle sind jedoch sehr klein und können deswegen durch engste Ritzen und Spalten entweichen. • Infrastruktur: Die Wasserstofftechnologie ist kein vollkommen neues Gebiet in der Luftfahrtgeschichte. Seit den Anfängen der Raumfahrt werden Brennstoffzellen verwendet, die durch die Verbrennung von Wasserstoff mit Sauerstoff die benötigte Energie zum Betrieb der elektrischen Geräte erzeugen. Dafür mussten Speichertanks sowie Zuleitungssysteme entwickelt werden, die die Handhabung des Wasserstoffs ermöglichten. Die Flughäfen sind jedoch heutzutage auf den Betrieb von Flugzeugen mit Kerosin als Treibstoff eingestellt. So sind die Treibstoffdepots und die Tanklastfahrzeuge zum Betanken der Flugzeuge auf die Verwendung von Kerosin ausgelegt. Die Umrüstung der Flugzeuge auf Wasserstoffantriebe würde hier erhebliche Änderungen zur Folge haben. Es müssten zum Beispiel Wasserstoffspeicher gebaut oder neue Tankfahrzeuge beschafft werden, die die Flugzeuge mit flüssigem Wasserstoff betanken können. Zudem benötigt die Umstellung auf den Betrieb von Wasserstoff durch sein großes Volumen erheblich höhere Lagerkapazitäten, die ohnehin nur sehr begrenzt auf Flughäfen verfügbar sind. Außerdem sind derzeit die Herstellungskosten von Wasserstoff im Vergleich zum Kerosin noch bedeutend höher. Im Vergleich ist ein Kilogramm Wasserstoff 24mal teurer als Kerosin. Dies erhöht erheblich die Kosten beim Einsatz von Wasserstoff. • Umwelt: Konventionelle Verkehrsflugzeuge fliegen meist in rund zehn Kilometern Höhe, um den geringeren Widerstand der dünneren Luft auszunutzen. An der Grenze zwischen Troposphäre und Stratosphäre stoßen sie große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid aus und hinterlassen weitere Schadstoffe. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 34 Zudem können ihre warmen, wasserhaltigen Abgase in der eisigen Umgebungsluft ausgedehnte Kondensstreifen bilden. Diese verhindern, dass vom Erdboden abgestrahlte Wärme ins All gelangt. Durch die Verbrennung von Wasserstoff würde sich der Anteil an ausgestoßenem Wasser erheblich erhöhen. Damit würde der Treibhauseffekt verstärkt werden. Dies kann nur geändert werden, wenn Flugzeuge niedriger fliegen würden. Eine Senkung der Flughöhe um ein bis zwei Kilometer würde zwar den Luftwiderstand für die Flugzeuge und damit den Treibstoffverbrauch und Wasserausstoß erhöhen. Aber gleichzeitig würde die Bildung von Kondensstreifen fast vollständig unterbunden werden und der Einfluss des Flugverkehrs auf das Klima könnte letztlich gesenkt werden. Zur Herstellung von Wasserstoff aus Wasser ist relativ viel Energie notwendig, da dieses Element eine hohe Bindungsenergie besitzt und der Sauerstoff nur sehr schwer abtrennbar ist. Würde dafür Energie herangezogen werden, die aus Primärenergieträgern erzeugt worden wäre, hätte dieses Konzept keinerlei ökologischen Vorteil. Es wäre ökologisch betrachtet unsinnig, Kohle oder Erdgas zur Energiegewinnung unter Schadstoffausstoß zu verbrennen, um mit der daraus gewonnenen Energie Wasser aufspalten zu können, damit dann Wasserstoff als schadstofffreier Energieträger genutzt werden kann. Es müsste bereits bei der Erzeugung von Wasserstoff ein alternatives Konzept verfolgt werden. Eine Möglichkeit wäre die solare Wasserstoffwirtschaft. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 35 2.4. Bodeneffektflugzeuge Vorteile • Aerodynamik: Wie bereits in Kapitel 1.3 erwähnt, hat der Bodeneffekt Einfluss auf den induzierten Widerstand. Die Luft kann in Bodennähe nicht ungehindert die Seitenkanten umströmen, sondern ist gezwungen horizontal abzufließen. Dadurch können sich im Bodeneffekt mit dem unter dem Flugzeug liegenden Luftpolster keine Randwirbel ausbilden und der induzierte Widerstand wird erheblich verringert. Daraus folgt, dass bei einem Bodeneffektflugzeug der Gesamtwiderstand wesentlich kleiner ist als bei einem konventionellen Flugzeug. Zusätzlich ändert sich bei Bodeneffektflugzeugen der Auftrieb. Im schmaler werdenden Luftspalt zwischen der Flügelhinterkante und dem Boden wird die um den Tragflügel strömende Luft gestaut und dadurch unter dem Flügel abgebremst. Dies verursacht eine Druckerhöhung, wodurch der Auftrieb ansteigt. Aus diesen Gründen wird beim Flug bedeutend weniger Triebwerksleistung benötigt, wodurch der Treibstoffbedarf verringert wird. Ein besonderer Vorteil im Betrieb von Bodeneffektflugzeugen liegt in der Größe. Bedingt durch den erhöhten Auftrieb kann ein Bodeneffektflugzeug sehr groß gebaut werden und der Nutzlastanteil erheblich größer sein als bei einem konventionellen Flugzeug. Das heißt, dass erheblich mehr Passagiere befördert werden können. • Infrastruktur: Ein weiterer ganz entscheidender Vorteil von Flugzeugen, die den Bodeneffekt nutzen, liegt in der Infrastruktur. Trotz der Größe solcher Konfigurationen müssten keine neuen Flughäfen oder Startbahnen gebaut werden. Bodeneffektflugzeuge können jede vom Wasser aus erreichbare Küstenstadt anlaufen, bei der vom Wasser aus gestartet und gelandet werden kann. Nachteile • Aerodynamik: Besonders nachteilig wirkt sich bei einem großen Bodeneffektflugzeug die benötigte Startleistung aus. Der Vorteil der treibstoffarmen Fortbewegung geht dabei zum Teil wieder verloren. Die Fahrzeuge benötigen auf Grund ihrer Größe und ihrem Gewicht sehr viel Triebwerksleistung, um sich beim Start von der Wasseroberfläche zu lösen und auf das Luftpolster zu gelangen. Dafür sind leistungsstarke Triebwerke vorgesehen. Wenn sich dann das Flugzeug im Bodeneffekt befindet, benötigt es nur noch etwa 40 Prozent der Startleistung, muss jedoch den schweren Antrieb während des gesamten Fluges mitführen. Dieser Umstand führt zu dem Nachteil, dass der Treibstoffbedarf erhöht wird und der Vorteil des geringen Treibstoffverbrauchs im Flug weniger ins Gewicht fällt. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 36 • Struktur und Gewicht: Flugzeuge sind im Allgemeinen, wenn sie nicht im Hangar stehen, ständig den Witterungsverhältnissen ausgesetzt. Dies verursacht Korrosionsschäden an der Flugzeugstruktur. Salzwasser wirkt dabei wie ein Katalysator, sodass eine Korrosion beschleunigt abläuft. Bodeneffektflugzeuge befinden sich aber viel im Kontakt mit dem Seewasser. Das hat zur Folge, dass das aggressive Salzwasser starke Oxidationen an der Struktur und vor allem in den Triebwerken verursacht. Daraus resultieren ein hoher Wartungsaufwand und damit erhöhte Kosten. • Infrastruktur: Wie bereits in Kapitel 1.3 erwähnt, ist die Wasseroberfläche eine besonders glatte Oberfläche, wodurch Bodeneffektflugzeuge meist hier eingesetzt werden, um vom Wasser aus zu starten und auch wieder zu landen. Dies schränkt jedoch den Einsatzbereich bedeutend ein. Da es nur sinnvoll ist, über dem Wasser den Bodeneffekt zu nutzen, bleibt der Einsatz dieser Fahrzeuge nur auf Verbindungen zwischen Küstenstädten begrenzt. Der Einsatz auf dem Festland ist damit kaum möglich. Ein weiterer Nachteil betrifft die Wartung und Instandhaltung. Für die großen Bodeneffektflugzeuge müssten neue Liegeplätze und Wartungsdocks gebaut werden. Zudem müssten alle benötigten Bodengeräte neu beschafft werden, da man nicht auf bestehende Infrastruktur zurückgreifen kann. Dies alles würde die Kosten eines solchen Projektes erheblich vergrößern. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 37 2.5. Luftschiffe Vorteile • Aerodynamik: Ein wesentlicher Vorteil von Luftschiffen liegt darin, dass sie leichter als Luft sind, wodurch der Auftrieb erzeugt wird. Somit benötigen sie ihren Treibstoff nur für den Antrieb. Flugzeuge hingegen müssen durch die Umströmung der Tragflächen ihren Auftrieb erzeugen und zusätzlich für den Vortrieb Energie verwenden. Dadurch ist der Treibstoffverbrauch bei Flugzeugen wesentlich größer als bei Luftschiffen. • Struktur und Gewicht: Als Traggas wird bei allen modernen Luftschiffen das unbrennbare Helium verwendet. Im Bereich des Hüllenmaterials profitiert die neue Generation der Luftschiffe von den technischen Errungenschaften, die sich seit Entwicklung der ersten Luftschiffe vollzogen haben. Hochdichte Mehrschichtfolien haben heute den Heliumverlust während des Betriebs erheblich reduziert und sind um ein Vielfaches strapazierfähiger und haltbarer als die eingesetzten Gewebe der ersten und zweiten Luftschiffgeneration. Darüber hinaus sind sie schwer entflammbar und leichter. • Infrastruktur: Der Flächenverbrauch zum Betrieb von Luftschiffen ist im Vergleich zu konventionellen Flugzeugen geringer, da Luftschiffe keine Landebahnen benötigen. Der für den Bau der Landebahnen notwendige Material- und Energiebedarf reduziert sich auf einige Betonfundamente zum Befestigen der Ankerseile. Ansonsten genügt eine Grasfläche als Landeplatz. Anders als bei Eisenbahn und Auto müssen für Luftschiffe auch keine Verkehrswege gebaut werden. Diese beiden Vorteile bieten gute Vorraussetzungen in Gebieten, die eine geringe Dichte an Schienen und Straßen besitzen. Somit sind Luftschiffe auch in Gebieten einsetzbar, die nur über eine schlechte Infrastruktur oder unwegbares Gelände verfügen. • Sicherheit: Ein High-Tech-Zeppelin kann nahezu das ganze Jahr über starten und landen. Die Leistung der Triebwerke ist so konzipiert, dass sie auch bei einer Windgeschwindigkeit bis zu 50 Kilometern pro Stunde, was einer Windstärke von 5 bis 6 entspricht, noch manövrieren können. Im Gegensatz zu Flugzeugen kann ein Zeppelin auch bei einer sehr schlechten Sicht sicher landen, weil er nicht über eine flache Gleitbahn einschweben muss, sondern notfalls aus großer Höhe langsam senkrecht auf dem Flugplatz einschwebt. Da kein brennbarer Wasserstoff sondern das unbrennbare Helium als Traggas verwendet wird und moderne Luftschiffe zudem über schwer entflammbare oder unbrennbare Werkstoffe verfügen, ist das Risiko des Abbrennens des Luftschiffkörpers sehr gering. Unfälle wie in Lakehurst sind dadurch heute nicht mehr möglich. Außerdem verfügen sie über viel geringere Treibstoffzuladungen als Flugzeuge, wodurch zusätzlich das Risiko einer Brandkatastrophe kleiner ist. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 38 Ein Luftschiff kann auch bei völligem Ausfall des Antriebs nicht abstürzen. Selbst bei einem kleinen Leck würde das Luftschiff sanft zu Boden gehen. • Umwelt: Luftschiffe bieten sich als umweltfreundliche und kostengünstige Alternative an. Der Treibstoffbedarf ist auch bei konventioneller Technik wesentlich geringer, da die für den Auftrieb notwendige Energie nicht erzeugt werden muss. So würde zum Beispiel der Zeppelin NT mit 12 Passagieren nur 1,4 Liter Treibstoff pro hundert Passagierkilometer verbrauchen, wenn er voll besetzt ist. Luftschiffe bieten darüber hinaus die Möglichkeit allein mit der Energie der Sonne zu fahren. Die große Oberfläche ist für die Aufbringung von Solarzellen zur Erzeugung elektrischer Energie geeignet. Mit effizienten Elektromotoren für den Antrieb ausgestattet, ergäbe sich möglicherweise sogar ein Gewichtsvorteil gegenüber Turbinen. Für den Notfall muss allerdings ein Dieselgenerator an Bord sein, um auch bei Dunkelheit Strom für den Antrieb zur Verfügung zu stellen. Wenn Brennstoffzellen für den Nachtbetrieb verwendet werden, kann sogar völlig Abgasfrei gefahren werden. Bei dieser Technologie wird tagsüber Wasserstoff erzeugt und nachts wandelt die Brennstoffzelle den Wasserstoff dann in elektrischen Strom um. Gegenüber Flugzeugen sind Luftschiffe sehr viel leiser. Von den Werbeluftschiffen wird nur ein leichtes Brummen wahrgenommen. Flugzeuge verursachen demgegenüber bei Starts und Landungen eine erheblich höhere Lärmbelastung. Nachteile • Aerodynamik: Das Traggas ist aufgrund seiner geringen Dichte leichter als Luft und erzeugt dadurch Auftrieb. Ein Kubikmeter Helium hat etwa die Tragkraft von einem Kilogramm. Es wird also ein sehr großes Volumen benötigt, um ein hohes Gewicht tragen zu können. Aus diesem Grunde sind Luftschiffe voluminöse Körper. Da eine möglichst hohe Geschwindigkeit mit geringer Antriebsleistung angestrebt wird, hat ein Luftschiff dabei eine längliche Fisch- oder Zigarrenform, die einen möglichst geringen Nullwiderstand haben soll. Diese Form hat wenig Eigenstabilität und benötigt dadurch große Leitwerke zur Stabilisierung. Luftschiffe benötigen zwar weniger Energie zum Fliegen als Flugzeuge, doch sind sie auch wesentlich langsamer. Sie sind nur bis zu geringen Geschwindigkeiten um 120 Kilometern pro Stunde wirtschaftlich, was ein wesentlicher Nachteil im Vergleich zu konventionellen Flugzeugen ist. Zusätzlich hängt die Reisedauer von Luftschiffen wegen des hohen Luftwiderstandes vom Wetter ab. Luftschiffe können auf Grund ihrer Abhängigkeit vom Wind nicht so pünktlich sein wie Flugzeuge. Durch die erheblich längeren Reisezeiten eignen sie sich nicht für die üblichen Geschäftsreisen sondern nur für Tourismus oder Kreuzfahrten, die nicht von der Flugzeit abhängig sind. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 39 Ein weiterer Nachteil hängt auch mit dem Wetter zusammen. Die derzeitigen normalen Flughöhen für Luftschiffe liegen bei 2500 Metern. Dies beeinträchtigt jedoch den Komfort der Passagiere, weil das Luftschiff dadurch im Wetter fliegt. Konventionelle Flugzeuge fliegen in etwa 10000 Metern Höhe und sind somit nur beim Start und der Landung vom Wetter abhängig. Flughöhen über 2500 Metern wurden schon erwogen. Für den Personentransport müsste dann eine Druckkabine für Fahrgäste und Personal mit in das Luftschiff integriert werden. • Sicherheit: Auch bodennahe Operationen oder Starts und Landungen sind nicht ohne Gefahr. Da der leichte und große Körper vom Wind erfasst werden könnte, wären Beschädigungen oder sogar ein Absturz eher möglich als bei konventionellen Flugzeugen. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 40 3. Auswertung der Ergebnisse in Bezug auf Ökologie und Ökonomie In diesem Kapitel werden nun die erläuterten Vor- und Nachteile der vorgestellten unkonventionellen Konfigurationen gegeneinander abgewogen. Dabei soll immer der Vergleich zum traditionellen Entwurfstyp im Vordergrund stehen. Aufgrund der Ähnlichkeit der Konfigurationen werden in diesem Kapitel die Nurflügel und Blended Wing Bodys zusammengefasst. 3.1. Nurflügel und Blended Wing Body Die Nurflügel und BWB weisen im Vergleich zu den konventionellen Flugzeugen entscheidende Vorteile auf. So bringen vor allem der geringere Widerstand oder der höhere Auftrieb in Verbindung mit neuen leichten Werkstoffen eine erhebliche Treibstoffreduzierung. Dies ist vor allem heutzutage nicht nur in Bezug auf die Umwelt sondern auch in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit ein entscheidender Vorteil, weil dadurch die Treibstoffkosten stark reduziert werden können. Ein wichtiger Vorteil eines BWB wird in den hohen Passagierzahlen liegen. Mit einem Flug können bis zu 1000 Passagiere befördert werden. Mit konventionellen Flugzeugen würden zwei oder drei Flugzeuge für die gleichen Passagierzahlen benötigt werden. Dies erhöht maßgeblich die Wirtschaftlichkeit eines solchen Konzeptes. Doch dies allein ist noch nicht genug für die Anforderungen an ein neues Verkehrsflugzeug. Die Nachteile haben gezeigt, dass Nurflügel im Bereich der Stabilität Probleme haben. So wie BWB weisen Nurflügel auch in der Wartung und mit ihrer großen Spannweite im Vergleich zu den normalen Flugzeugen Mängel auf. Doch die entscheidenden Nachteile eines Nurflügels liegen in dem beschränkten Fracht- oder Fahrgastraum, der durch das niedrige Flügelprofil hervorgerufen wird. Es ist nicht viel Platz vorhanden, um Nutzlasten unterzubringen. Ein weiterer Nachteil der BWB und Nurflügel ist aber auch das Be- und Entladen. Neue Bodenfahrzeuge wären erforderlich und würden so die Kosten für solche Projekte erhöhen. Darüber hinaus sind bei diesen Konzepten die Fertigungskosten erhöht, da es sich bei einem BWB oder einem Nurflügel um ein neues Flugzeug handelt und nicht auf Erfahrungen aus der Entwicklung zurückgegriffen werden kann. Ein Nachteil wie die Sicherheitsfrage bei einer Notsituation eines BWB ließe sich mit hoher Wahrscheinlichkeit lösen und sollte kein unüberwindbares Problem darstellen. Die Gesamtbetrachtung der Vor- und Nachteile zeigt, dass Nurflügel keine ernstzunehmende Konkurrenz gegenüber den konventionellen Flugzeugen darstellen. Durch den eingeschränkten Frachtraum werden sie wohl nicht als Alternative in Betracht gezogen werden. Nurflügel haben jedoch noch andere Eigenschaften, die sie für das Militär interessant machen. Die Konfiguration eines Nurflügels ist zum Beispiel nur schwer vom Radar zu erfassen. Doch diese Eigenschaften sind im zivilen Luftverkehr irrelevant. Bei BWB ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ein solches Konzept realisiert wird. Durch die Nachteile beim Be-und Entladen werden BWB wohl nicht als reine Frachtraumflugzeuge konzipiert. Ihr Einsatzgebiet wird wohl im Passagierverkehr liegen. Letztendlich wird sich jedoch durch genaue Berechnungen der Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 41 Luftfahrtgesellschaften zeigen, ob sich bei steigenden Passagierzahlen ein BWB gegenüber den konventionellen Flugzeugen rechnet. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch für den Airbus A 380 Umbaumaßnahmen sowie teilweise neue Bodengeräte beschafft werden müssen, dieser aber trotzdem gebaut wird. Somit wäre ein BWB eine Alternative zu den traditionellen Flugzeugentwürfen und könnte zukünftig im Luftverkehr eingesetzt werden. 3.2. Cryoplane Cryoplanes haben den entscheidenden Vorteil, dass sie größtenteils ein konventionelles Entwurfsmuster sind. Der nach oben erweiterte Rumpf oder Außenlasten lassen zwar einen Unterschied erkennen, doch können hier die Erfahrungen aus dem traditionellen Flugzeugbau einfließen. Darüber hinaus weist die Wasserstofftechnik noch weitere Vorteile auf. Ein wichtiger Punkt ist dabei die Sicherheit, die durch den Umstieg zu Wasserstoff erhöht werden kann. Gegenüber den kerosinbetriebenen konventionellen Flugzeugen ist dies ein entscheidender Vorteil. Ökologische Aspekte sind im Rahmen dieser Betrachtung aber auch nicht zu vernachlässigen. Ein Wasserstoffflugzeug wäre wesentlich umweltfreundlicher als Flugzeuge mit traditionellem Antrieb, was in Zukunft auch ein entscheidender Vorteil im Luftverkehr sein wird. Aber auch die Wasserstofftechnik hat Nachteile. Doch sind diese nicht so schwerwiegend wie die Vorteile, die damit zusammenhängen. So würden zwar der Widerstand durch einen erhöhten Rumpf oder Außenlasten und damit der Treibstoffverbrauch ansteigen, doch ist dies in Bezug auf die Umwelt nicht relevant. Auch die Wasserstofftanks werden noch weiterentwickelt, so dass der Gewichtsnachteil schon bald nicht mehr bestehen könnte. Die Probleme mit der Wasserstoffversprödung könnten auch durch neue Werkstoffe gelöst werden. Bevor jedoch Wasserstoff umweltfreundlich eingesetzt werden kann, muss das Verfahrung zur Herstellung umweltfreundlicher werden. Dies könnte zum Beispiel durch Sonnenenergie erfolgen. Zudem müssten neue Flughöhen festgesetzt werden, um den Wasserausstoß in den großen Höhen zu vermeiden. Wenn die Probleme in der Herstellung und Lagerung gelöst werden, könnte Wasserstoff im gesamten Flugverkehr eingesetzt werden. Es könnte jedoch sein, dass Wasserstoff nur auf großen und verkehrsreichen Flughäfen seinen Einsatz findet. Abgelegene kleine Flughäfen in Einsatzgebieten, die über eine schlechtere Infrastruktur verfügen, könnten sich die teure Lagerung des Wasserstoffs nicht leisten, so dass hier das Kerosin wohl nicht verdrängt wird. Somit zeigt sich bei der Wasserstofftechnik, dass sie in den meisten Einsatzgebieten eine gute Alternative zum traditionellen Kerosin wäre und dadurch die Wirtschaftlichkeit sowie die Umweltfreundlichkeit von Flugzeugen erhöhen könnte. 3.3. Bodeneffektflugzeuge Bodeneffektflugzeuge können nach den Vor- und Nachteilen nicht mit konventionellen Flugzeugen in Konkurrenz treten. Sie haben hervorragende Vorteile im Bereich des geringen Widerstandes und hohen Auftriebes, was im Flug einen geringen Treibstoffverbrauch zur Folge hat. Außerdem können sie sehr groß gebaut Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 42 werden und dadurch sehr viel Nutzlast transportieren. Jedoch gibt es auch bedeutende Nachteile bei diesem Konzept. So ist der Wartungsaufwand durch die Korrosionsschäden an der Struktur und den Triebwerken durch den Einfluss des Seewassers sehr groß. Zudem ist der Treibstoffverbrauch durch die hohe Startleistung, die benötigt wird um das Flugzeug auf das Luftpolster zu heben, erhöht, so dass der Vorteil des reduzierten Widerstandes in einem erheblichen Maß verringert wird. Der entscheidende Nachteil bei einem Bodeneffektflugzeug liegt jedoch darin, dass dieses Konzept einen sehr beschränkten Einsatzbereich hat. Nur in Küstenstädten könnten sie eingesetzt werden und zum Beispiel als Fährenersatz eingesetzt werden. Das heißt aber, dass Bodeneffektflugzeuge nicht die konventionellen Flugzeuge ersetzen können. Sie könnten darüber hinaus aber als gute Alternative zu den langsamen Fährschiffen gesehen werden. 3.4. Luftschiffe Im Gegensatz zu Flugzeugen müssen Luftschiffe nicht so viel Energie aufwenden um zu fliegen wie Flugzeuge. Dies liegt daran, dass sie leichter als Luft sind und so ihren Auftrieb nicht erzeugen müssen. Luftschiffe verbrauchen daher weniger Treibstoff als konventionelle Flugzeuge. Aus diesem Grunde sparen sie nicht nur Treibstoffkosten sondern sind auch noch umweltfreundlicher als Flugzeuge. Des Weiteren benötigen Luftschiffe auch nicht so viel Platz zum Starten und Landen und sind wesentlich leiser. Der wichtigste Vorteil ist jedoch, dass Luftschiffe eine hohe Sicherheit bieten, da sie zum Beispiel bei Ausfall ihres Antriebes nicht abstürzen. Nachteilig wirkt sich ihre Größe aus. Durch den Widerstand den sie erzeugen, sind sie erheblich langsamer als traditionelle Entwürfe. Darüber hinaus sind sie stärker vom Wetter abhängig. Gerade diese negativen Eigenschaften haben zur Folge, dass Luftschiffe auch keine nennenswerte Konkurrenz zu konventionellen Flugzeugen darstellen können. Die Schnelligkeit und Zuverlässigkeit in Bezug auf das Wetter sind den Luftfahrtgesellschaften wichtiger, als ein umweltfreundlicheres und leiseres Luftfahrzeug. Luftschiffe könnten zwar für den Tourismus oder Kreuzfahrten genutzt werden, doch stellen sie keine Alternative zu den konventionellen Verkehrsflugzeugen dar. Es gibt aber auch Einsatzgebiete, wo die Luftschiffe den normalen Flugzeugen überlegen sind. In schwer zugänglichen Gebieten, die keine großen Start- und Landebahnen besitzen, könnten Luftschiffe als Transportmittel für schwere Lasten genutzt werden. Es gab schon Bemühungen zur Realisierung eines solchen Projektes, doch ist dies gescheitert. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 43 Zusammenfassung Die Aufgabe dieser Studienarbeit bestand darin, verschiedene alternative Flugzeugkonfigurationen zu ermitteln und vorzustellen. Dazu wurden fünf unkonventionelle Konfigurationen ausgewählt, deren charakteristische Merkmale im ersten Kapitel der Arbeit beschrieben wurden. Anschließend wurde die geschichtliche Entwicklung bis zum aktuellen Stand aufgezeigt. Im darauf folgenden Kapitel wurden die jeweiligen konfigurativen Vor- und Nachteile vorgestellt, die sich in die Punkte Aerodynamik, Struktur und Gewicht, Infrastruktur, Sicherheit, Umwelt und Sonstiges gliederten. Anschließend erfolgte die Auswertung dieser Vor- und Nachteile in Bezug auf Ökologie und Ökonomie. Das Ziel der Arbeit sollte sein, alternative Flugzeugkonzepte zu finden, die zu den heutigen konventionellen Flugzeugen in Konkurrenz treten könnten. Doch jedes neue Konzept birgt Vorteile aber auch Nachteile in sich im Vergleich zu konventionellen Flugzeugen. Aber nicht nur die Vor- und Nachteile eines neues Entwurfes sind entscheidend, sondern auch die Akzeptanz der Luftfahrtgesellschaften und der Passagiere, die über Erfolg oder Scheitern neuer Projekte entscheiden. Somit ist es für neue Flugzeugkonzepte nicht einfach sich durchzusetzen. In den inzwischen hundert Jahren der Geschichte des Flugzeugs hat sich ein traditionelles Entwurfskonzept durchgesetzt und ist nicht so einfach zu ändern. Diese Studienarbeit kann aber nur als Ausblick einer möglichen Tendenz für die Konkurrenzfähigkeit der vorgestellten Konfigurationen gewertet werden. Es sind genaue Berechnungen nötig, um die wahren Stärken und Schwächen einer unkonventionellen Konfiguration zu ermitteln. So kann es sicherlich sein, dass ein neues Projekt zum Beispiel Kosten durch infrastrukturelle Änderungen zur Folge hätte, die sich aber durch einen wesentlich geringeren Treibstoffverbrauch über einen gewissen Nutzungszeitraum dennoch rentieren. Abschließend ist zu sagen, dass die vorgestellten unkonventionellen Flugzeuge in bestimmten Einsatzgebieten besondere Vorteile aufweisen. Bodeneffektflugzeuge könnten als Fährenersatz auf den Meeren dienen. Luftschiffe könnten zum Transport großer Lasten in Gebiete ohne Flughäfen genutzt werden. Zum Passagiertransport eignen sich diese Konfigurationen sowie die Nurflügler jedoch nicht und gelten somit nicht als mögliche Konkurrenz für die traditionellen Verkehrsflugzeuge. Aber unter den vorgestellten Flugzeugen zeigt sich die Wasserstofftechnik als auch die Blended Wing Body Konfiguration als beste Alternative. In Zukunft wäre auch eine Mischung dieser beiden Projekte denkbar, so dass die Vorteile zusammen genutzt werden könnten. Wie lange es jedoch noch dauert die konventionellen Flugzeuge mit guten Alternativen zu verdrängen, bleibt fraglich. Holger Reimann – Vergleich unkonventioneller Flugzeugkonfigurationen 44 Literatur – und Quellenverzeichnis Bücher: - Dabrowski, Hans-Peter: Deutsche Nurflügel bis 1945, Wölfersheim-Berstadt 1995 - Hallmann, Willi: Ballone und Luftschiffe im Wandel der Zeit. Von der Montgolfiere zum Cargolifter, Königswinter 2002 - Horten, Reimar; Sellinger, Peter: Nurflügel. Die Geschichte der HortenFlugzeuge 1933-1960, Graz 1987 - Nickel, Karl; Wohlfahrt, Michael: Schwanzlose Flugzeuge. Ihre Auslegung und ihre Eigenschaften, Berlin 1990 - Storck, Rudolf: Flying Wings. Die historische Entwicklung der Schwanzlosenund Nurflügelflugzeuge der Welt, Bonn 2003 - Torenbeek, E.; Sterk, F.J.: Unconventional Aircraft Concepts, Delft 1987 Zeitschriften: - Dabrowski, Hans-Peter: Waffen-Arsenal, Nurflügel. Ein Streifzug durch die Geschichte deutscher und internationaler Entwicklungen, Band 18, Wölfersheim-Berstadt 1996 Internetseiten: - Energieportal: Wasserstoff, Einsatzgebiete in der Luftfahrt http://www.energieportal24.de/wasserstoff_einsatzgebiete_luftfahrt.php (Stand 12.06.2004 – 21:55 MEZ) - Fachhochschule Aachen, Fachbereich Flugzeugbau: Wasserstoff in Flugtriebwerken http://de.geocities.com/infotaxi/h-jet.html (Stand 24.05.2004 - 12:17 MEZ) - Federal Aviation Administration – Federal Aviation Regulations: http://www.wws.princeton.edu/cgi-bin/byteserv.prl/~ota/disk1/ 1993/9306/930605.PDF (Stand 08.07.2004 - 15:54 MEZ) - Giganten am Himmel: Bodeneffektflugzeuge http://home.t-online.de/home/Nightowl-FXS/index.htm (Stand 21.05.04 – 14:30 MEZ) - Hydrogeit der Wasserstoff Guide: http://www.hydrogeit.de/wasserstoff-kraftstoff.htm (Stand 24.05.2004 - 14:11 MEZ) - Luftschiffe für das 21.Jahrhundert: http://aerosolar.de/luftschi.htm (Stand 13.07.04 - 13:30)