Die Zukunft des internationalen Währungssystems Endbericht

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Die Zukunft des internationalen
Währungssystems
Endbericht
Berlin, 31. März 2011
Bearbeiter:
Prof. Dr. Ansgar Belke, Tel: +49 30 89789 315, e-mail: [email protected]
Dr. Kerstin Bernoth, Tel: +49 30 89789 333, e-mail: [email protected]
Dr. Ferdinand Fichtner (Ansprechpartner), Tel: +49 30 89789 248, e-mail: [email protected]
DIW Berlin
Abteilung Konjunktur
Mohrenstraße 58
10117 Berlin
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Gliederung
1.
Das Weltwährungssystem: historischer Überblick und Bewertungskriterien ................................. 4
a.
Das Weltwährungssystem in der Vorkrisenzeit ......................................................................... 6
b.
Kriterien zur Beurteilung von Währungssystemen .................................................................. 14
i.
Wirkungen in der langen Frist: Aufbau und Reduktion globaler Ungleichgewichte und
Wachstumsstimulierung ................................................................................................................ 15
ii.
Wirkungen in der langen Frist: Wechselkursunsicherheit und Arbeitsmärkte .................... 30
iii.
Wirkungen
in
der
kurzen
Frist:
Übertragung
konjunktureller
Impulse
und
Preisentwicklungen ....................................................................................................................... 42
iv.
c.
2.
Krisenfestigkeit: Wechselkursregimes und Übertragung monetärer Liquidität ................... 60
Zusammenfassung .................................................................................................................... 78
Eine Bewertung aus globaler Perspektive ..................................................................................... 81
a.
Zukunftsszenarien: Das globale Wechselkurssystem ............................................................... 81
i.
Global flexible Wechselkurse .............................................................................................. 82
ii.
Global fixe Wechselkurse .................................................................................................... 85
iii.
Regionale Integrationsräume bei globaler Flexibilität ......................................................... 88
b.
Die spezielle Frage der Leitwährung........................................................................................ 91
i.
Der Dollar als globale Reservewährung – ‚Exorbitant Privilege’ und Triffin-Dilemma ..... 92
ii.
Währungswettbewerb: Ein Weltwährungssystem mit mehreren Leitwährungen ................ 98
iii.
Chinesischer Vorschlag I: eine supranationale Währung .................................................. 103
iv.
Chinesischer Vorschlag II: Sonderziehungsrechte des IWF als globale Reservewährung 104
v.
Leitwährung - Renminbi als Alternative? .......................................................................... 112
vi.
Andere Vorschläge: Aufwertung des Goldes und anderer Rohstoffe als Reserve-Assets . 119
c.
3.
Durchsetzbarkeit und Eintrittswahrscheinlichkeiten .............................................................. 120
Politik im Übergang und im neuen System: Vermeidung von Fehlentwicklungen und
Entschärfung von Krisen ..................................................................................................................... 123
a.
Der Übergang von einem monopolaren zu einem multipolaren Weltwährungssystem ......... 123
b.
Die Mängel des derzeitigen Währungssystems beheben........................................................ 125
i.
Koordinierung der Geld- und Währungspolitik bei globaler Überschussliquidität ........... 126
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Belke Bernoth Fichtner
4.
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
ii.
Management der Kapitalflüsse........................................................................................... 130
iii.
Verbesserung der Finanzmarktaufsicht .............................................................................. 136
iv.
Effektives Krisenmanagement ........................................................................................... 138
Zusammenfassende Betrachtung aus deutscher und europäischer Perspektive........................... 141
Literatur ............................................................................................................................................... 149
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
1. Das Weltwährungssystem: historischer Überblick und Bewertungskriterien
Die Finanzkrise 2007/08 und die derzeitige „Euro-Krise“ stellen das bisherige Weltwährungssystem von John Maynard Keynes auch als die ‚rules of the game’ bezeichnet - in Frage. Aus deutscher und
europäischer Sicht birgt diese Situation die Chance zur Reflexion, aber auch die Möglichkeit, gestaltend in eine eventuelle Neuordnung einzugreifen. Während vor der Einführung des Euro der USDollar als Handelswährung auf den globalen Güter- und Kapitalmärkten klar dominierte, war im vergangenen Jahrzehnt eine Tendenz zu einem bipolaren Währungssystem mit dem Euro als zusätzlicher
Währung zu beobachten. Insbesondere angesichts der derzeitigen Spannungen im Euroraum ist die
zukünftige Rolle des Euro als Leit- und Reservewährung jedoch erneut in Frage gestellt. Gleichzeitig
dokumentiert die „Euro-Krise“, dass das Wechselkursregime nach wie vor eine zentrale Bedeutung für
die Stabilität von Märkten und ganzen Volkswirtschaften hat. So zeigt das Beispiel Griechenland, dass
das Fehlen eines flexiblen Wechselkurses zur Gewährleistung eines außenwirtschaftlichen Gleichgewichtes die Gefahr erheblicher Destabilisierung birgt; umgekehrt demonstriert die aktuelle Schwäche
des Euro, dass auch eine nach außen flexible Währung Instabilität mit sich bringen kann. Dies gilt
auch und gerade wegen der starken Zunahme kurzfristiger (spekulativer) Kapitalströme, die destabilisierende Tendenzen verstärken und die Bedeutung fundamentaler Faktoren bei der Wechselkursbildung überlagern kann.
Der vorliegende Bericht untersucht im Kapitel 1 die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Währungssysteme theoretisch und auch angewandt auf die jüngsten Entwicklungen. Auf dieser Grundlage werden in Kapitel 2 Szenarien für mögliche zukünftige Währungskonfigurationen entworfen. In Kapitel 3
werden allgemeine politische Handlungsoptionen ausgelotet und Kapitel 4 widmet sich einer Zusammenfassenden Betrachtung aus deutscher und europäischer Perspektive.
Wechselseitige Abhängigkeiten innerhalb des internationalen Währungssystems
Aus ökonomischer Sicht1 verfolgen alle internationalen Währungsregimes das gleiche Ziel: Durch die
Verringerung von Wechselkursvolatilität soll es den Mitgliedstaaten dieser Regime gleichzeitig ermöglicht werden, ein stabiles gesamtwirtschaftliches Wachstum zu erreichen und die klassischen makroökonomischen Ziele (Vollbeschäftigung, Preisstabilität und außenwirtschaftliches Gleichgewicht) zu
verwirklichen. Da es makroökonomisch jedoch nicht möglich ist, dass offene Volkswirtschaften
gleichzeitig über feste Wechselkurse, geldpolitische Souveränität und freien Kapitalverkehr verfügen
1
Die politischen Implikationen monetärer Integration werden in der vorliegenden Analyse weitgehend ausgeklammert, auch wenn diese – wie etwa im Euroraum – oft eine wichtige Motivation für vertiefte wirtschaftliche
Zusammenarbeit darstellen.
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Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
(währungspolitisches Trilemma), waren die Mitgliedstaaten eines jeden internationalen Währungssystems gezwungen, auf Teilaspekte ihrer wirtschaftspolitischen Souveränität zu verzichten.
In den frühen 1960er Jahren lieferte der kanadische Ökonom Robert Mundell eine theoretische Erklärung dafür, wie sich Einschränkungen im Bereich der Wechselkursflexibilität, der geldpolitischen
Souveränität und des freien Kapitalverkehrs auf den wirtschaftspolitischen Handlungsspielraum innerhalb von Wechselkursregimen auswirken.2 Wenn etwa innerhalb eines festen Wechselkursregimes
keinerlei Beschränkungen für internationale Kapitalströme gelten, ist die nationale Geldpolitik gezwungen, ihre binnenorientierte Stabilisierungspolitik der Fixierung des Wechselkurses zu unterwerfen. So kann eine expansive Geldpolitik durch Zinssenkungen keine dauerhafte Wirksamkeit entfalten,
da die aus der Zinssenkung resultierenden Kapitalabflüsse Abwertungsdruck auf die heimische Währung entfalten. Die Zentralbank wäre zur Stabilisierung des Wechselkurses daher gezwungen, heimische Währung zum festgelegten Kurs gegen Devisen aufzukaufen und damit die inländische Geldmenge zu reduzieren. Die ursprünglich expansive Geldpolitik wird demnach zunichte gemacht, bis
durch den erneuten Ausgleich der Zinsen zwischen In- und Ausland die Kapitalabflüsse nachlassen. In
festen Wechselkursregimen mit strengen Kapitalverkehrskontrollen hingegen könnte es nur in sehr
begrenztem Maße zu destabilisierenden Kapitalflüssen kommen. Derartige Regime würden eine größere Divergenz nationaler Inflations- und Zinsraten zulassen und würden somit den nationalen Geldpolitiken einen größeren Spielraum ermöglichen. In flexiblen Wechselkursregimen schließlich werden
Wechselkurse von Angebot und Nachfrage nach nationalen Währungen auf den internationalen Finanzmärkten bestimmt. Innerhalb flexibler Wechselkursregime sollten nationale Autoritäten auch im
Falle internationaler Kapitalmobilität in der Lage sein, unabhängig zu handeln, da Wechselkursschwankungen eine schnelle und automatische Anpassung an Veränderungen in heimischen und internationalen Angebots- und Nachfragebedingungen ermöglichen.
Obwohl sich Mundells Theorie auf idealtypische Währungsregime bezieht, die in der Realität so nie
existiert haben, liefert sie nützliche Ansatzpunkte um die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen
internationalen Währungsregimen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Deutschland und anderen
Staaten zu verstehen. In Abhängigkeit von unterschiedlichen tradeoffs zwischen Wechselkursflexibilität und Kapitalverkehrsfreiheit aber auch in Abhängigkeit von individuellen Regeln hinsichtlich der
Finanzierung von Defiziten und der Koordinierung mitgliedsstaatlicher Geld- und Fiskalpolitik, haben
verschiedene internationale Währungsregime ihren Mitgliedstaaten einerseits Beschränkungen auferlegt, andererseits aber auch wirtschaftliche Freiräume eröffnet. Die Vor- und Nachteile, die verschiedene Wechselkursregime für ihre Mitglieder mit sich bringen, hängen allerdings nicht nur von der
2
Vgl. hierzu etwa Mundell (1962) und Fleming (1962). Vgl. einführend auch Krugman und Obstfeld (2006),
Kapitel 17.
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Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
institutionellen Architektur dieser Regime ab, sondern auch von den jeweiligen nationalen wirtschaftlichen Strukturen und Handelsbeziehungen.
a. Das Weltwährungssystem in der Vorkrisenzeit
In der Realität haben verschiedene internationale Währungsregime immer unterschiedliche Kompromisse zwischen verschiedenen Abstufungen von Wechselkursflexibilität, geldpolitischer Souveränität
und Kapitalverkehrsfreiheit gefunden. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion ist in dieser
Hinsicht insofern historisch einzigartig, als dass sie das erste internationale Währungsregime ist, das
auf der Basis unveränderbar festgelegter Wechselkurse funktioniert und keinerlei nationale geldpolitische Souveränität mehr zulässt. Auch für das Funktionieren dieses Wechselkursregimes spielen formelle und informelle Regeln und die Machtverteilung innerhalb und zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten jedoch weiterhin eine wichtige Rolle. Der folgende Abschnitt skizziert die Entwicklung
des Weltwährungssystems in der Vorkrisenzeit und arbeitet Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus (vgl. etwa Eichengreen, 2011, und die dort zitierte Literatur).
Zwei Mal, während des klassischen Goldstandards zwischen 1873 und 1914 und während des GoldDollar-Standards des Bretton Woods Systems zwischen 1958 und 1971, war die Deutsche Mark Teil
eines globalen internationalen Währungssystems mit festen Wechselkursen. Seit 1971 war der Wechselkurs der D-Mark international flexibel und regional im Rahmen verschiedener Wechselkursregime
stabilisiert. Wenn die D-Mark Teil eines festen Wechselkursregimes war, sah sich die Bundesbank
häufig gezwungen, stabilisierend einzugreifen. Innerhalb verschiedener fester Wechselkursregime
wurde diese Aufgabe entweder durch die Koordinierung mitgliedsstaatlicher Geld- und Fiskalpolitik
oder durch Einschränkungen des Kapitalverkehrs erleichtert. Zusätzliche Flexibilität wurde in manchen Systemen zudem dadurch gewährleistet, dass Wechselkursanpassungen vorgenommen werden
konnten und Defizite durch institutionalisierte Kreditmechanismen finanziert werden konnten.
Manchmal erwuchsen jedoch auch ganz konkrete Probleme aus der Parallelität von international flexiblen und regional stabilisierten Wechselkursen. So ergaben sich innerhalb des Europäischen Währungssystems (1979-1993) beispielsweise häufig Spannungen aus den regionalen Verpflichtungen der
Bundesbank und der Flexibilität des D-Mark-Wechselkurses außerhalb von Europa. Seit 1999 ist
Deutschland Teil eines regionalen Währungsregimes, das auf monetärer Integration beruht. Im Gegensatz zu ihren Vorgängerregimen verzichtet die EWU auf Kapitalverkehrsbeschränkungen und verfügt
über eine supranationale Zentralbank, eine gemeinsame Währung und eine gemeinsame Geld- und
Wechselkurspolitik.
Der Goldstandard (1873-1914)
Der klassische Goldstandard, der zwischen 1821 und dem Ersten Weltkrieg von Großbritannien organisiert wurde, war aus historischer Perspektive das global wohl umfassendste internationale Währungssystem (für aktuell wieder zunehmende Bedeutung des Goldes in der Debatte um das ideale internationale Währungssystem vgl. Abschnitt 2.b.v). Herzstück des ursprünglichen Goldstandards war
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
die Garantie stabiler Wechselkursraten für die Konvertibilität nationaler Währungen in Gold. Um diese feste Konvertibilität zu gewährleisten, verpflichteten sich die Mitgliedstaaten des Goldstandards,
Devisenreserven anzulegen. Trotz des Fehlens verbindlicher fiskal- oder geldpolitischer Regeln sahen
sich die Mitgliedstaaten des Goldstandards strukturell durch die Gefahr potenzieller Kapitalabflüsse,
Zinserhöhungen oder Imageverluste dazu gezwungen, stabilitätsorientiert zu wirtschaften. Um im
Falle „außergewöhnlicher Umstände“ wie Kriegen oder Krisen, die „eindeutig nicht der jeweiligen
Regierung anzulasten“ waren, flexibel reagieren zu können, gab es im Goldstandard eine Ausnahmeregelung, die das festgelegte Mindestreservevolumen aufheben konnte und es erlaubte, dass Wechselkurse zeitweilig von ihrem festgesetzten Ziel abwichen.
Theoretisch sollte der Ausgleich zwischen Defizit- und Überschussländern im Goldstandard „automatisch“ durch den sogenannten Goldautomatismus (‚price-specie-flow mechanism’) gewährleistet sein.
Dieser bestand darin, dass Länder, die aufgrund von Leistungsbilanzüberschüssen Goldzuflüsse erfuhren (weil, vereinfachend angenommen, die Exporte von den ausländischen Nachfragern in Gold bezahlt wurden), ihre Geldmenge an das Volumen dieser Goldzuflüsse anpassten, indem Papiergeld gemäß dem festgeschriebenen Wechselkurs zwischen Gold und jeweiliger Währung ausgegeben wurde
und das zufließende Gold den Reserven der Zentralbank zugeführt wurde. Defizitländer sollten hingegen ihr Geldwachstum im Verhältnis zu ihren Goldabflüssen reduzieren. Durch Einhaltung dieser
„Spielregeln“ (‚rules of the game’) wurde prinzipiell gewährleistet, dass die Entwicklung des nationalen Preis- und Lohnniveaus in Überschuss- und Defizitländern Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit ausgleicht und so auch einen Ausgleich der Leistungsbilanzpositionen nach sich zieht.
In der Realität waren Preise und Löhne in den Mitgliedstaaten des Goldstandards natürlich nicht perfekt flexibel und die Zentralbanken waren nicht immer kompetent oder gewillt, die nationale Geldmenge gemäß den Regeln des Systems zu kontrollieren. Auch durch expansive Fiskalpolitik kam es,
vor allem in Lateinamerika, zu gelegentlichen Abwertungen. Trotz des Fehlens strenger fiskal- und
geldpolitischer Vorgaben gewährleistete die überwiegend stabilitätsorientierte Politik der wichtigen
europäischen Mitgliedstaaten Frankreich, Deutschland und Großbritannien ein im Großen und Ganzen
reibungsloses Funktionieren des Goldstandards bis zum Ersten Weltkrieg. Gesetzt den Fall, dass es zu
erheblichen Ungleichgewichten kam, erlaubten zwei nicht formalisierte Verfahrensweisen ein gewisses Maß an Flexibilität und ermöglichten es den Regierungen, das Ausmaß spekulativer Kapitalflüsse
einzuschränken: Mitgliedstaaten konnten einerseits auf kurzfristige Maßnahmen wie die Erweiterung
von Wechselkursmargen zurückgreifen, oder sie konnten den Umtausch von Banknoten kurzfristig
regulativ einschränken. Andererseits, und dies war die bei Weitem wichtigere Methode, konnten sich
Mitgliedstaaten dazu entschließen, Wechselkursrisiken gemeinsam zu begegnen, indem sie beispielsweise Spekulanten dadurch entmutigten, dass sie sich gegenseitig Schulden stundeten oder Gold liehen.
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Die Zwischenkriegszeit (1918-1939)
In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg bestimmten zunächst flexible Wechselkurse den Charakter des
internationalen Währungssystems. Die weitgehende Abhängigkeit nationaler Zentralbanken von ihren
jeweiligen Regierungen und das Fehlen stabilitätsorientierter Maßnahmen führten in vielen Fällen zu
inflationären Exzessen. Nirgends waren die inflationären Folgen ungezügelten Geldmengenwachstums
deutlicher zu beobachten als in Deutschland. Nachdem es einen Großteil seiner Goldreserven in Reparationszahlungen verloren hatte, war Deutschland nicht mehr länger in der Lage, Goldmark in ausreichendem Maße zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund veranlasste die Regierung die Reichsbank dazu, große Mengen ungedeckten Papiergeldes zu drucken und so den Grundstein für die Hyperinflation zwischen 1920 und 1924 zu legen. Zwischen 1925 und 1931 versuchten die meisten europäischen Staaten zu einer veränderten Form des Goldstandards zurückzukehren. Anders als der klassische
Goldstandard war der Goldstandard der Zwischenkriegszeit jedoch von permanenter Instabilität begleitet, da viele Regierungen versuchten, wirtschaftliche Krisen durch großzügige fiskal- und geldpolitische Maßnahmen zu überwinden. Internationale Zusammenarbeit bei der Krisenbewältigung wurde
zudem durch weitgreifenden Protektionismus und Auseinandersetzungen über Kriegsschulden und
Reparationszahlungen erschwert. Als der neu aufgelegte Goldstandard letztlich im September 1931
wieder zerfiel, begannen die meisten ehemaligen Mitgliedstaaten erneut, Kapitalverkehrskontrollen
einzuführen und, wenn auch ohne Erfolg, die Wechselkurse ihrer Währungen im scheinbaren nationalen Interesse zu manipulieren.
Die Europäische Zahlungsunion (1950-1958)
Das internationale Währungssystem stabilisierte sich letztlich erst wieder in den 1950er Jahren. Schon
vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren die Alliierten im Juli 1944 auf Initiative Großbritanniens
und der USA zusammengekommen, um Regeln, Institutionen und Verfahren für ein funktionierendes
internationales Währungssystem nach dem Krieg zu entwickeln. Bevor dieses sogenannte Bretton
Woods System jedoch eingeführt werden konnte, mussten die Währungen Westeuropas zunächst ihre
internationale Konvertibilität wiedererlangen. Nach dem Ende des Krieges hatten die Schwäche der
westeuropäischen Währungen und die in Westeuropa geringe Verfügbarkeit international konvertibler
Reserven in Form von Gold oder US-Dollars zunächst zu Handelsbilateralismus, Devisenkontrollen
und anderen Einschränkungen geführt. Mit Hilfe von Einfuhr- und Ausfuhrkontrollen versuchten die
einzelnen westeuropäischen Staaten zunächst individuell, Devisenüberschüsse in Form von Gold oder
Dollars zu erwirtschaften. Die logische Folge dieses Vorgehens war eine Art merkantilistischer
Tauschhandel, der den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach dem Ende des Krieges stark beeinträchtigte.
Nach zwei vergeblichen Versuchen gelang es den Mitgliedern der OECD-Vorläuferorganisation Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) und den USA schließlich im September 1950, zu einem multilateralen Zahlungssystem zurückzukehren. Gemeinsam mit der allmähli8
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chen Rückführung quantitativer Handelshemmnisse im Rahmen der OEEC schuf die Einführung der
Europäischen Zahlungsunion (EZU) das nötige währungspolitische Umfeld, um die erneute internationale Konvertibilität der westeuropäischen Währungen im Rahmen des Bretton Woods Systems zu
gewährleisten, als dessen regionales Äquivalent die EZU über ein festes Wechselkursregime verfügte.
Anders als der Gold-Dollar-Standard des Bretton Woods Systems gab es in der EZU jedoch keine
Leitwährung und die EZU operierte unabhängig von den Bretton Woods Institutionen und der USRegierung. Um Spekulation vorzugreifen, institutionelle Stabilität zu sichern und die Bildung von
Devisenreserven zu fördern, verpflichteten die Statuten der EZU ihre Mitgliedstaaten eine Politik zu
verfolgen, die darauf abzielte, extreme Ungleichgewichte zu vermeiden. Falls es dennoch zu Ungleichgewichten kommen sollte, erklärten sich die Mitgliedstaaten der EZU dazu bereit, gleichgewichtsorientierte Strukturreformen durchzuführen, um so die Rückkehr ihrer Währungen zu internationaler Konvertibilität zu beschleunigen.
Herzstück der Europäischen Zahlungsunion war ihr Zahlungssystem. Technisch funktionierte dieses
Zahlungssystem auf der Basis eines multilateralen Ausgleichssystems, in dem die Überschuss- und
Defizitpositionen aller Mitgliedstaaten zentral abgerechnet werden konnten. Zu diesem Zweck meldeten die Zentralbanken der Mitgliedstaaten ihre bilateralen Positionen monatlich der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel. Die BIZ verrechnete diese bilateralen Positionen dann als
einheitliche Position gegenüber der EZU als ganzer. Defizitländer bereinigten dann ihre Positionen
teilweise durch automatisch von Überschussländern vergebene Kredite oder durch Devisenzahlungen
in Form von Gold oder US-Dollars. Der relative Anteil dieser Zahlungen, der durch Kredite und durch
Devisenzahlungen beglichen wurde, war durch ein System nationaler Quoten und Zahlungsraten festgelegt. Wenn Defizitländer ihre Quote erschöpft hatten und keine neuen Kredite bereitgestellt wurden,
mussten verbleibende Defizite vollständig in Form von Gold oder Dollars beglichen werden.
Mithilfe des EZU-Zahlungsmechanismus sollten gleichzeitig zwei wichtige politische Probleme gelöst
werden. Durch die Zahlung von Gold und Dollars im Falle von Überschüssen sollte ein finanzieller
Anreiz für exportorientiertes Wachstum geschaffen werden, und durch die Kreditfinanzierung von
Defiziten sollten Mitgliedstaaten ermutigt werden, heimische Märkte für Importe zu öffnen. Gleichzeitig sollten exzessive Defizite eingeschränkt und Strukturreformen attraktiver gemacht werden, indem
Defizite, die über die jeweiligen nationalen Quoten hinausgingen, komplett durch die Zahlung von
Gold oder Dollars beglichen werden mussten. Erst vor kurzem wurde über die Aufwertung des Goldes
als Reserve-Asset neu diskutiert (vgl Abschnitt 2.b.vi).
Das Bretton Woods System (1944-1971)
Die EZU löste sich am 27. Dezember 1958 auf, nachdem sich die meisten Mitgliedstaaten bereit erklärt hatten, Artikel VIII der Satzung des Internationalen Währungsfonds zu akzeptieren und ihre
Währungen für internationale Handelstransaktionen konvertibel zu machen. Die Rückkehr der westeuropäischen Währungen zu internationaler Handelskonvertibilität war die Voraussetzung für den Über9
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Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
gang zum Bretton Woods System. Kern des Bretton Woods Systems war ein festes Wechselkursregime, das dazu dienen sollte, eine höhere Wechselkursstabilität zu garantieren und eine Wiederholung
der Abwertungsspirale der Zwischenkriegszeit zu verhindern. Mit dem Beitritt zum Bretton Woods
System erklärten sich die Mitgliedstaaten bereit, ihre Wechselkurse im Verhältnis zum Dollar zu stabilisieren und, wenn nötig, auf den Devisenmärkten zu intervenieren, um Wechselkursfluktuationen
innerhalb einer Bandbreite von einem Prozent gegenüber dem festgelegten Wechselkurs zu halten. Als
Leitwährung des Bretton Woods Systems war der Wert des Dollar wiederum auf einen Goldpreis von
$35 pro Feinunze festgelegt. Während andere Mitgliedstaaten sich bereit erklärten, Gold nicht oberhalb dieses Preises zu kaufen oder zu verkaufen und wenn nötig den Wechselkurs des Dollar durch
Dollarkäufe zu stärken, garantierten die USA die freie Konvertibilität ihrer Währung in Gold.
Für den Fall temporärer und zyklischer Zahlungsbilanzungleichgewichte sah das Bretton Woods System vor, dass Mitgliedstaaten deflationäre bzw. inflationäre Politiken verfolgten und zur Defizitfinanzierung entweder ihre Devisenreserven nutzten oder sich beim IWF verschuldeten. Die Mittelausstattung des IWF und die Verfügbarkeit dieser Mittel (‚drawing rights’) für einzelne Mitgliedstaaten waren abhängig von nationalen Quoten. Mitgliedstaaten waren verpflichtet, dem IWF entsprechend ihrer
Quoten Finanzmittel in Form von Gold und nationalen Währungen zur Verfügung zu stellen. Der
Goldanteil entsprach dabei entweder 25% der nationalen Quote oder 10% der Netto-Gold- und Dollarbestände eines jeweiligen Landes. Im Gegenzug konnten Mitgliedstaaten entsprechend ihrer Quoten
und unter Auflagen fremde Währungen aus den Beständen des IWF verwenden, um sich gegen Devisenspekulationen zu schützen. Solange die Devisenreserven eines Mitgliedstaates nicht unterhalb einer
bestimmten Schwelle lagen, waren Mitgliedstaaten, die von den Einlagen des IWF Gebrauch machten,
darüber hinaus dazu verpflichtet, einen gleichen Anteil eigener Devisenreserven zu verwenden.
Um die Stabilität des Bretton Woods Systems auch im Falle von Zahlungsbilanzkrisen sicherzustellen,
waren Kapitalverkehrskontrollen für Finanztransaktionen nicht nur erlaubt, sondern teilweise sogar
erwünscht. Einschränkungen für Handelstransaktionen hingegen waren theoretisch nur während einer
„Übergangsphase“ nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und gegenüber Mitgliedstaaten mit dauerhaften „exzessiven“ Überschüssen erlaubt. Darüber hinaus erlaubten die Statuten des Internationalen
Währungsfonds Wechselkursanpassungen, wenn eine einfache Stimmenmehrheit zustimmte, dass ein
„fundamentales Ungleichgewicht“ eine derartige Anpassung notwendig mache.
Obwohl Artikel IV, Abschnitt 6 des IWF-Statuts festlegte, dass Wechselkursanpassungen nur im Falle
„fundamentaler Ungleichgewichte“ erlaubt waren, wurde dieser Terminus nie genau spezifiziert.
Wechselkursanpassungen wurden darüber hinaus dadurch erleichtert, dass sie lediglich einer einfachen
Stimmenmehrheit im IWF bedurften und es dem IWF freigestellt war, wie er mit Mitgliedstaaten verfuhr, die eigenmächtige Wechselkursanpassungen vornahmen. Wenngleich der IWF einem Mitgliedstaat Finanzhilfen verwehren und unter bestimmten Bedingungen sogar ein Ausschlussverfahren eröffnen konnte, war aufgrund der absichtlich vage formulierten Ungleichgewichtsklausel und aufgrund
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Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
des großen Entscheidungsspielraums des IWF eine ausreichend große Flexibilität für Wechselkursanpassungen gewährleistet. Paradoxerweise scheinen es jedoch gerade die bewusst vage formulierte
Ungleichgewichtsklausel in Artikel IV und der große Entscheidungsspielraum des IWF gewesen zu
sein, die Mitgliedstaaten davon abhielten, Wechselkursanpassungen vorzunehmen. Aufgrund der
scheinbaren Leichtigkeit von Wechselkursanpassungen kam es zu heftigen spekulativen Kapitalbewegungen, wenn eine Regierung auch nur darüber nachdachte, eine Wechselkursanpassung vorzunehmen. Während Überschussländer spekulativen Kapitalflüssen einfach begegnen konnten, indem sie
diese sterilisierten, sahen sich Defizitländer gezwungen, auf IWF-Kredite oder eigene Devisenreserven
zurückzugreifen. Vor allem die Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit dem Ende der Europäischen
Zahlungsunion schwächte die Position der Defizitländer.
Schon seit Mitte der 1960er Jahre war aufgrund wachsender US-Defizite (Präsident Johnsons „Great
Society“-Programm, Vietnam-Krieg) die Golddeckung des US-Dollar nicht mehr gewährleistet und
aus dem Gold-Dollar-Standard de facto bereits ein Dollarstandard geworden. Da Mitgliedstaaten darüber hinaus zögerten, Wechselkursanpassungen vorzunehmen, spiegelten sich unterschiedliche Produktivitätsentwicklungen mit der Zeit in einer realen Verzerrung der Wechselkurse wider. Diese Entwicklungen wirkten sich negativ auf die Stabilität des Bretton Woods Systems aus und waren gleichzeitig Ausdruck einer ungleichen Lastenverteilung zwischen Defizit- und Überschussländern und Folge der herausgehobenen Rolle der USA und des Dollar innerhalb des Bretton Woods Systems.
Der Europäische Wechselkursverbund – ‚Währungsschlange’ (1972-1979)
Als sich die Krisen innerhalb des Bretton Woods Systems in den späten 1960ern häuften, fürchteten
die Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), dass zunehmende Wechselkursschwankungen zu einer Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels führen könnten
und die Gemeinsame Agrar- (GAP) und Zollpolitik gefährden würden. Die sechs Mitgliedstaaten der
EWG beschlossen daher auf ihrem Den Haager Gipfeltreffen im Jahr 1969 den langfristigen Übergang
zu einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWU), die die wirtschaftspolitische Koordinierung ihrer Mitgliedstaaten erleichtern und Wechselkursschwankungen verringern sollte. Dieses
Vorhaben wurde 1970 im sogenannten Werner-Plan präzisiert und führte nach dem Ende des Bretton
Woods Systems zum Beschluss von Basel, in dem die EWG Staaten im April 1972 die Einführung
eines festen Wechselkursregimes und ein gemeinsames ‚floaten’ gegenüber dem Dollar vereinbarten.
Die Mitgliedstaaten der EWG (und drei Beitrittskandidaten) erklärten sich im Europäischen Wechselkursverbund bereit, die Wechselkurse ihrer Währungen innerhalb eines festgelegten Korridors zu stabilisieren. Dieser Korridor hatte eine Bandbreite von 2,25 % gegenüber einem als ECU (European
Currency Unit) bezeichneten gewichteten Durchschnittswert der Mitgliedswährungen. Die wirtschaftspolitische Koordinierung innerhalb dieses Wechselkursregimes blieb schwach und die Mitgliedstaaten nutzten auch weiterhin die Finanzmittel des IWF, um Verpflichtungen gegenüber anderen
Mitgliedstaaten nachzukommen. Nach der Ölkrise von 1973 führten unkoordinierte nationale fiskal11
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
und geldpolitische Maßnahmen schnell zu divergierenden Inflationsraten und somit letztlich auch zu
einem Zerfall des Wechselkursverbundes.
Das Europäische Währungssystem (1979-1993)
Im Laufe des Jahres 1978 wurden Pläne für ein Nachfolgeregime des Wechselkursverbundes konkreter und im Dezember 1978 präzisierte eine Resolution des Europäischen Rates die Ausgestaltung des
Wechselkurs- und Interventionsmechanismus im zukünftigen Europäischen Währungssystem (EWS).
Mit der Vertragsunterzeichnung durch die Zentralbanken der teilnehmenden Staaten wurde das EWS
schließlich im März 1979 ins Leben gerufen. Wie die Europäische Zahlungsunion 30 Jahre früher war
das EWS von Anfang an als Übergangsregime konzipiert. Der wesentliche Zweck dieses Regimes war
es, die Wechselkursvolatilität innerhalb des Gemeinsamen Marktes der EWG einzuschränken und so
den Weg für eine tiefer gehende Integration nationaler Geld- und Fiskalpolitiken in einer zukünftigen
Wirtschafts- und Währungsunion zu ebnen.
Herzstück des Europäischen Währungssystems war der Wechselkursmechanismus (WKM) (engl. European Exchange Rate Mechanism, ERM). Innerhalb des WKM waren Wechselkursschwankungen
genau wie im Wechselkursverbund auf 2,25 % (6 % im Fall von Italien, Spanien und Großbritannien)
begrenzt. Um Währungsspekulationen vorzugreifen, beinhaltete der WKM einen sogenannten Divergenzindikator. Dieser Indikator sollte es den Mitgliedstaaten erleichtern, den richtigen Zeitpunkt für
Interventionen auf dem Devisenmarkt zu erkennen und so spekulative Schwankungen minimieren.
Statt sich auf Interventionen zu verlassen, bevorzugten es die Mitgliedstaaten des EWS allerdings
zunächst, Kapitalverkehrskontrollen beizubehalten und mit Wechselkursanpassungen auf Ungleichgewichte zu reagieren. Derartige Wechselkursanpassungen mussten im Rahmen des EWS verhandelt
werden und erforderten die einstimmige Zustimmung aller Mitgliedstaaten. Im Laufe der Jahre kam
der D-Mark innerhalb des EWS eine immer wichtigere Rolle zu. Insbesondere die Aufwertungsneigung der D-Mark gegenüber dem Dollar führte zu Problemen innerhalb des EWS. Immer wenn die DMark unter Aufwertungsdruck gegenüber dem Dollar geriet, floss ausländisches Kapital nach
Deutschland und die D-Mark geriet auch gegenüber den EWS-Währungen unter Aufwertungsdruck.
Innerhalb des EWS erhöhten derartige Kapitalbewegungen vor allem den Anpassungsdruck auf Länder mit schwachen Währungen.
Nachdem die EWG-Staaten 1986 in der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) beschlossen hatten,
den Kapitalverkehr innerhalb des EWS vollständig zu liberalisieren, wurden Wechselkursanpassungen
als Mittel zur Korrektur von Ungleichgewichten zunehmend durch Zinsanpassungen und Deviseninterventionen ersetzt. Diese Veränderungen führten zu einer verstärkten Inanspruchnahme der Finanzierungsinstrumente des EWS (‚very short term financing facilities’, VSTF). Um die Verwendung der
VSTF zu erleichtern, wurden die Nutzungsbedingungen dieser Finanzinstrumente 1987 im BaselNyborg-Agreement reformiert. Sowohl vor als auch nach dieser Reform bedurfte die Verwendung von
Devisenreserven oder Krediten zur Finanzierung von Interventionen innerhalb des Wechselkurskorri12
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
dors allerdings der Zustimmung der Hartwährungsländer. Auch die Bestimmungen hinsichtlich der
verpflichtenden, automatischen bilateralen Interventionen an den Grenzen des Wechselkurskorridors
wurden beibehalten.
Ursprünglich war die Verwendung von VSTF-Krediten an relativ strenge Auflagen geknüpft. Obwohl
Hartwährungsländer hinsichtlich der Verwendungen ihrer Währungen zu Interventionszwecken skeptisch blieben, stimmten sie einer Reform der VSTF zu, da die Liberalisierung des Kapitalverkehrs zu
einer größeren Wechselkursvolatilität führte und somit auch die Wahrscheinlichkeit und die potenzielle Größenordnung von verpflichtenden bilateralen Interventionen erhöhte. Obwohl sich die Attraktivität der VSTF-Kredite dennoch nur geringfügig vergrößerte, stieg die Abhängigkeit der Weichwährungsländer von diesen Krediten angesichts der Kapitalmarktliberalisierung rapide an. Aufgrund der
Kapitalmarktliberalisierung büßte die nationale Geldpolitik ihre makroökonomische Steuerungswirkung ein. Statt die heimische Nachfrage zu dämpfen, machten Zinssteigerungen ein Land nun lediglich attraktiver für ausländisches Kapital und jegliche Diskussion über Wechselkursanpassungen konnte nun innerhalb des EWS zu massiven spekulativen Kapitalbewegungen führen.
Als die Bundesbank als Reaktion auf den Wiedervereinigungsboom begann, ihre Zinsen auf Rekordniveau anzuheben, war der Zusammenbruch des EWS nur noch eine Frage der Zeit. Im Gegensatz zu
Deutschland befanden sich die anderen EWS-Staaten in einer Phase schwachen Wachstums und verzeichneten keine steigenden Inflationsraten. Als die übrigen EWS-Staaten begannen, ihre Zinsen anzuheben, um ihre Währungen gegenüber der D-Mark zu stabilisieren, trieben sie ihre Volkswirtschaften unfreiwillig in die Rezession. Die daraus resultierenden Ungleichgewichte führten schließlich zu
massiven spekulativen Kapitalflüssen, die letztlich 1993 das Ende des EWS bedeuteten.
Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (seit 1999)
Trotz oder vielleicht gerade wegen der Probleme im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung mündete eine deutsch-französische Initiative schließlich im Maastrichter Vertrag vom Februar 1992 mit
dem Beschluss zur Gründung einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. In Maastricht
vereinbarten die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) die Einführung einer Gemeinschaftswährung und verabschiedeten einen Katalog mit Konvergenzkriterien, deren Erfüllung zur Teilnahme
an dieser Gemeinschaftswährung verpflichtete. Diese Kriterien legten fest, dass (i) die Inflationsrate
eines potenziellen Mitgliedstaates die durchschnittliche Inflationsrate der drei Länder mit der geringsten Inflation nicht um mehr als 1,5 Prozentpunkte übersteigen dürfen, dass (ii, iii) die jährliche Nettoneuverschuldung eines potenziellen Mitgliedstaates sich auf höchstens 3 % des BIP und die Staatsschulden sich auf höchstens 60 % des BIP belaufen dürfen, dass (iv) der Zinssatz langfristiger Staatsanleihen nicht mehr als 2 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der drei preisstabilsten Mitgliedstaaten liegen darf und dass (v) ein potenzieller Mitgliedstaat innerhalb der letzten zwei Jahre den Wechselkurs seiner Währung innerhalb einer Bandbreite von 15 % gegenüber den anderen Mitgliedstaaten
stabilisiert hat. Um zu gewährleisten, dass auch innerhalb der EWU die fiskalpolitische Disziplin (ii,
13
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
iii) gewahrt bleibt, wurde der Maastrichter Vertrag im Jahr 1997 durch einen Stabilitäts- und Wachstumspakt ergänzt, in dem sich die Mitgliedstaaten dazu bereit erklärten, über ihre Ausgabenpolitik
Rechenschaft gegenüber dem ECOFIN-Rat abzulegen. Nach lauter Kritik an der mangelnden Flexibilität des Stabilitätspaktes und aufgrund der offensichtlichen Unfähigkeit der Europäischen Kommission, die Einhaltung der fiskalpolitischen Regeln zu gewährleisten, verständigten sich die EWU-Staaten
schließlich im März 2005 auf einen reformierten Stabilitätspakt, der in Zukunft auch (i) zyklische
Schwankungen, (ii) das Niveau der Gesamtverschuldung, (iii) die Dauer von wirtschaftlichen Schwächeperioden und (iv) die Möglichkeit, dass Defizite für produktivitätssteigernde Investitionen verwendet wurden, in Betracht zieht.
Mit der vollständigen Einführung einer Gemeinschaftswährung gibt es in der EWU anders als im Bretton Woods System oder im Europäischen Währungssystem keine Leitwährung, die einem Mitgliedstaat besondere Privilegien einräumen könnte. Die Einführung einer gemeinsamen Zentralbank bedeutete darüber hinaus auch, dass EWU-Staaten mit Zahlungsbilanzschwierigkeiten nicht mehr wie früher
die Möglichkeit haben, das Ausmaß ihrer Defizite oder die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Firmen durch
Wechselkurs- oder Zinsmanipulationen zu verändern. Der Verlust dieser Instrumente wurde jedoch
innerhalb der EWU zum Teil durch die günstigeren Möglichkeiten zur Defizitfinanzierung aufgefangen. Während die meisten EWU-Staaten ihre Defizite mit Einführung des Euro zu wesentlich verbesserten Konditionen finanzieren konnten, mussten Überschussländer wie die Bundesrepublik nicht
mehr länger die Aufwertung ihrer Währungen und den damit einhergehenden Verlust von Wettbewerbsfähigkeit fürchten. Aufgrund der äußerst engen wirtschaftlichen Verflechtung der EWU-Staaten
resultierten der Verlust der Wechselkursflexibilität und die leichtere Finanzierbarkeit von Defiziten
innerhalb der EWU zu einem starken Zusammenhang zwischen Defizit- und Überschusspositionen.
Einige negative Begleiterscheinungen dieser gestiegenen Interdependenz werden in der derzeitigen
Zahlungsbilanzkrise der EWU deutlich.
b. Kriterien zur Beurteilung von Währungssystemen
Das Wechselspiel zwischen internationalen Währungsregimen und nationalen Akteuren bestimmt
individuell für jeden Mitgliedstaat eines internationalen Währungsregimes, (i) wie sich internationale
wirtschaftliche Entwicklungen auf das heimische Preisniveau auswirken, (ii) welche Geldpolitik verfolgt werden kann oder muss und (iii) wie stark nationale Akteure dem internationalen Wettbewerb
ausgesetzt sind. Die Bedeutung unterschiedlicher internationaler Währungsregime für nationale
Volkswirtschaften und die Fähigkeit dieser Regime, ihre Mitgliedstaaten für eventuelle Nachteile, die
sich aus dem Verlust ihrer geldpolitischen Souveränität, ihrer Wechselkursflexibilität oder ihrer Offenheit für internationale Kapitalflüsse ergeben, zu kompensieren, bestimmt wiederum die Stabilität
verschiedener Wechselkursregime.
Dabei kann zwischen langfristigen und kurzfristigen Wirkungen des Wechselkursregimes unterschieden werden. Dieser Strukturierung folgend untersucht die vorliegende Arbeit zunächst die Auswirkun14
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
gen des Wechselkursregimes auf eher langfristige Phänomene wie Aufbau und Reduktion globaler
Ungleichgewichte sowie die Wachstumswirkungen unterschiedlicher Systeme. Im zweiten Abschnitt
des vorliegenden Kapitels werden eher kurzfristige konjunkturelle Aspekte wie die Übertragung von
Schwankungen in den Produktionsniveaus oder inflationärer Entwicklungen analysiert. Abschließend
diskutiert das Kapitel die Wirkungen des Wechselkursregimes auf globale Fehlentwicklungen, wie
etwa die Resistenz gegen Währungskrisen und spekulative Attacken sowie globale Überschussliquidität.
i.
Wirkungen in der langen Frist: Aufbau und Reduktion globaler Ungleichgewichte
und Wachstumsstimulierung
Es existiert eine umfangreiche Literatur, welche den Einfluss des Wechselkursregimes auf eine ganze
Reihe verschiedener wirtschaftlicher Indikatoren untersucht. Eine zentrale Rolle bei der Bewertung
verschiedener Wechselkursregime spielt der Zusammenhang zwischen der Wahl des Währungssystems und der Entstehung bzw. dem Abbau globaler Ungleichgewichte und der Förderung wirtschaftlichen Wachstums. Diese beiden Aspekte werden wir im Folgenden genauer untersuchen.
Theorie: Zusammenhang zwischen Wechselkursregimen und Leistungsbilanzen
Die These, dass das Wechselkursregime die Entstehung und die Persistenz von Leistungsbilanzungleichgewichten beeinflusst, ist in der Wirtschaftspolitik weit verbreitet. Der Theorie nach beeinflusst
der reale und nicht der nominale Wechselkurs die Leistungsbilanz eines Landes. In einer Ökonomie
ohne verzögerte Preisanpassung oder auch in langer Frist wird der reale Wechselkurs nicht vom nominalen Wechselkursregime beeinflusst, sondern von realen Faktoren wie Produktivität, und Investitions- und Konsumtätigkeit, etc. beeinflusst. Erst mit Preisrigiditäten und Anpassungsverzögerungen
lässt sich kurzfristig ein Effekt des Wechselkursregimes auf die Leistungsbilanz erklären, da durch
diese eine Korrelation zwischen nominalen und realen Wechselkursen entsteht.
Aufstrebende Volkswirtschaften erleben in der Regel langfristig eine Aufwertung ihres realen Wechselkurses, welche aufgrund der stetig wachsenden Konsumnachfrage das Gleichgewicht zwischen
Export- und Importnachfrage garantiert. Bei einer Wechselkursfixierung ist dieser Anpassungsmechanismus jedoch unterdrückt, wodurch es zu erhöhten wirtschaftlichen Spannungen kommt. Dies führt
zu der Annahme, dass unflexible Wechselkursregime den Aufbau von Leistungsbilanzungleichgewichten begünstigten (Eichengreen, 2008, S. 215). Diese Ansicht wurde bereits vor mehr als 50 Jahren
von Milton Friedman vertreten, weshalb man auch von der ‚Friedman-Hypothese’ spricht (Friedman,
1953: “Changes in the exchange rate occur rapidly, automatically, and continuously and so tend to
produce corrective movements before tensions can accumulate and a crisis develop.”).
15
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass sich die Leistungsbilanz eines Landes tendenziell immer
wieder ihrem langfristigen Mittelwert annähert.3 Dies bedeutet zum Beispiel, dass - wenn ein Land
über einen gewissen Zeitraum überdurchschnittliche Leistungsbilanzüberschüsse aufweist - in den
Folgejahren mit einer Abnahme dieser Überschüsse zu rechnen ist, sodass sich die Leistungsbilanz
wieder ihrem langfristigen Gleichgewichtswert annähert. Untersuchungen haben ergeben, dass die
Geschwindigkeit, mit der sich diese Anpassung vollzieht, für einzelne Länder recht unterschiedlich ist.
Eine immer häufiger vertretene Hypothese ist, dass die Wahl des Wechselkursregimes nicht nur die
Entstehung von Leistungsbilanzungleichgewichten beeinflusst, sondern zugleich auch deren Persistenz. Unter flexiblen Wechselkurssystemen ist diese Persistenz geringer, unter fixen Wechselkursen
dagegen größer.
Man findet verschiedene Beispiele in der Geschichte, die die These unterstützen, dass Systeme mit
Wechselkursfixierung den Aufbau von erheblichen Leistungsbilanzungleichgewichten begünstigen.
Unter den unflexiblen Wechselkursen des Gold-Standards zwischen 1870 und 1914 kam es zu einer
raschen Entwicklung von Leistungsbilanzungleichgewichten. Wie Bordo (2003) zeigt, wiesen Großbritannien, Frankreich, Deutschland und die Niederlande in dieser Periode Leistungsbilanzüberschüsse
von bis zu 9 % auf, Spitzenwerte, die bis heute ungeschlagen sind. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es
Bemühungen, den Goldstandard wieder einzuführen. Die meisten Länder richteten ihre Währungen
wieder an einem fixen Goldpreis aus, allerdings nicht immer zu optimalen Wechselkursen. Großbritanniens Wechselkurs stellte sich als überbewertet und derjenige Deutschlands und Frankreichs als
unterbewertet heraus, wodurch England in den darauf folgenden Jahren ein chronisches Leistungsbilanzdefizit und Frankreich und Deutschland einen chronischen Überschuss aufwiesen. Japans Situation in der Ära des Bretton Woods Systems weist wohl die meisten Parallelen zur derzeitigen Situation
Chinas auf. Japan verfolgte eine stark exportorientierte Strategie mit einem unterbewerteten Wechselkurs. Der daraus resultierende chronische Leistungsbilanzüberschuss war zwar wachstumsfördernd,
sorgte jedoch für anhaltende Spannung mit anderen Ländern und erhöhte den Inflationsdruck durch
Kapitalimporte. Dies machte es für die japanische Regierung sehr schwer, ihren Wechselkurs konstant
zu halten. Erst nach dem Zerfall des Bretton Woods wurde der Yen aufgewertet.
Theorie: Zusammenhang zwischen Wechselkursregimen und Wirtschaftswachstum
Es ist anzunehmen, dass die Wahl des Wechselkursregimes auch direkt und/oder indirekt Einfluss auf
das Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft nimmt. In der Wirtschaftstheorie werden mehrere
Kanäle beschrieben, über welche das Wechselkursregime das Wachstum eines Landes beeinflusst.
Durch diese Komplexität ist es jedoch nicht eindeutig, ob flexiblere Wechselkurse nun stimulierend
oder dämpfend auf das Wachstum eines Landes wirken. Dornbusch (2001) argumentiert, dass Länder
3
Vergleiche etwa Milesi-Ferretti und Razin (1998) und Freund (2000).
16
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
mit Wechselkursfixierung4 niedrigere Inflationsraten aufweisen, da sie mehr Glaubwürdigkeit auf
internationalen Kapitalmärkten genießen. Die daraus resultierenden niedrigen nominalen Zinssätze
und reduzierte Marktunsicherheit wirken sich stimulierend auf Investitionen und Wachstum aus. Frankel und Rose (2002) fügen hinzu, dass sich die Handelsaktivität zwischen den Ländern, deren bilaterale Wechselkurse fixiert sind, aufgrund sinkender Transaktionskosten verstärkt. Eine Wechselkursfixierung wirkt sich demnach durch den daraus resultierenden höheren Öffnungsgrad dieser Volkswirtschaft ebenso stimulierend auf das Wirtschaftswachstum aus.
Viaene und de Vries (1992) und Bailliu et al. (2003) argumentieren dagegen, dass der negative Zusammenhang zwischen Wechselkursunsicherheit und Handelsaktivität nicht per se gilt, sondern entscheidend vom Risikoaversionsgrad der Investoren abhängt. Sind Investoren risikofreudig oder stehen
den Investoren ausreichend Hedging-Möglichkeiten etwa auf Forward-Märkten zur Verfügung, können Wechselkursschwankungen auch stimulierend auf Handelsaktivitäten wirken. Friedman (1953)
und Levy-Yeyati und Sturzenegger (2003) argumentieren ebenso, dass sich Wechselkursfixierung
negativ auf die Wirtschaftsentwicklung auswirken könnte, weil Länder im Falle eines realen Wirtschaftsschocks nicht schnell genug ihre Ressourcen effizient neu verteilen können, um den Schock zu
absorbieren. Calvo (1999) argumentiert ähnlich, dass die Bemühungen zur Wechselkursstabilisierung
nach einem negativen externen Schock letztendlich zu höheren realen Zinssätzen führen könnten, welche sich negativ auf Wirtschaftswachstum auswirken. Fisher (2001) fügt hinzu, dass Wechselkursfixierungen bei gleichzeitig freien, grenzübergreifenden Kapitalströmen nicht leicht aufrechtzuerhalten
sind und diese daher Grund für schwere Rezessionen in Krisenzeiten darstellen können.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass es – ähnlich wie im Falle der Leistungsbilanzanpassung
– von theoretischer Seite nicht eindeutig ist, wie die Wahl des Wechselkursregimes das Wirtschaftswachstum beeinflusst. Auch die Ergebnisse zahlreicher empirischer Untersuchungen liefern kein einheitliches Ergebnis und variieren je nachdem, welche Länder, welche Zeiträume und welche Klassifizierungen man für Wechselkursregime in Betracht zieht.
4
Mit Wechselkursfixierung wird im Folgenden sowohl die feste Wechselkursbindung oder etwa der etwas flexiblere Wechselkurs-Korridor bezeichnet.
17
Belke Bernoth Fichtner
Flexibles Wechselkursregime
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Wirtschaftswachstum
Entstehung
von
ungleichgewichten
• Bessere Absorbierung von realwirtschaftlichen Schocks: effizientere und schneller Ressourcenallokation.
• Effiziente, stetige Wechselkursanpassungen gleichen Produktions- und
Preisschwankungen aus und sorgen
somit für gleichgewichtige reale
Wechselkurse an internationalen Gütermärkten.
• Verstärkte Handelsaktivität bei
niedriger Risikoaversion HedgingMöglichkeiten.
Leistungsbilanz-
• Mehr Flexibilität in Krisenzeiten.
Wechselkursbindung
• Bilateraler Handel steigt, da
Wechselkursrisiken wegfallen.
• Realzinsen sinken aufgrund niedriger Risikoprämien, welches Investitions- und Konsumtätigkeit
stimuliert.
• Niedrigere Inflation aufgrund
höherer Glaubwürdigkeit und
niedrigerer Unsicherheit.
• Anpassungsmechanismus des nominalen Wechselkurses fehlt, wodurch
es zu Fehlentwicklungen des realen
Wechselkurses kommen kann.
• Aufbau wirtschaftlicher Spannungsfelder
• Ruckartigen Marktkorrekturen, die
sich langfristig negativ auf die konjunkturelle Entwicklung ausüben.
Tabelle 1: Erwarteter Effekt von Wechselkursregimes auf Wachstum und Leistungsbilanzungleichgewichte.
Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft und die Wahl des Wechselkursregimes
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass der Zusammenhang zwischen makroökonomischen Fundamentaldaten und der Wahl des Wechselkursregimes entscheidend vom Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft beeinflusst wird (Rogoff et al., 2004). So weisen Entwicklungsländer nicht selten institutionelle Schwächen auf, welche sich etwa in hohen Inflationszahlen, hoher Staatsverschuldung oder einem fragilen Bankensystem widerspiegeln. Diese Länder könnten also entscheidend von einer Wechselkursbindung profitieren, weil sie dadurch international an Glaubwürdigkeit gewinnen und ihre Finanzierungsmöglichkeiten auf internationalen Finanzmärkten verbessern. Höher entwickelte Volkswirtschaften mit stabilen politischen und wirtschaftlichen Institutionen dagegen haben keine Glaubwürdigkeitsprobleme und könnten viel stärker von einem flexiblen Wechselkurssystem profitieren,
weil sie damit wirtschaftliche Schwankungen besser abfedern können. Zudem sehen sich entwickelte
Volkswirtschaften im Gegensatz zu Entwicklungsländern nicht mit dem Problem konfrontiert, sich
Zugang zu Kapitalmärkten zu verschaffen und Geld in Eigenwährung zu leihen, dass die Angst vor
Währungsschwankungen (‚fear of floating’, vgl. auch Abschnitt 2.b.iv.) in diesen Ländern reduziert.
Diese Überlegungen legen nahe, dass wir in der nachfolgenden Fallstudie zwischen Entwicklungsländern, aufstrebenden Volkswirtschaften und Industrienationen differenzieren sollten.
18
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Verwendeter Datensatz
Die folgende Untersuchung basiert auf einem Datensatz, welcher die Daten von 89 Ländern über einen
Zeitraum von 1970 bis 2009 beinhaltet. Im Datensatz sind nur Länder enthalten, für welche mindestens sechs Jahre hintereinander Beobachtungen zur Verfügung stehen. Um die Länder nach verschiedenen Entwicklungsstadien einzugruppieren, verwenden wir die Klassifizierung des Internationalen
Währungsfonds (IWF), welche die Länder entweder als Industrieland oder Nicht-Industrienland definiert. Um die Robustheit unserer Schätzung zu testen, gruppieren wir die Länder alternativ nach der
Weltbank-Klassifizierung in Länder mit hohem, mittlerem und niedrigem Einkommen. Insgesamt
umfasst der Datensatz 60 Nicht-Industriestaaten und 29 Industrieländer. Eine Auflistung der in der
Studie betrachteten Länder findet sich in Tabelle 2.
Nicht-Industrieländer
Algerien
Antigua und Barbuda
Äquatorialguinea
Armenien
Bahamas
Bahrain
Belize
Bolivien
Bulgarien
Burundi
China
Costa Rica
Dominica
Dominikanische Republik
Ecuador
Elfenbeinküste
Fidschi
Gabun
Gambia
Georgien
Ghana
Grenada
Guyana
Iran
Kamerun
Kolumbien
Kroatien
Lesotho
Malawi
Malaysia
Marokko
Mazedonien
Moldawien
Nicaragua
Nigeria
Oman
Pakistan
Papua-Neuguinea
Paraguay
Philippinen
Polen
Rumänien
Russland
Salomoninseln
Sambia
Samoa
Saudi Arabien
St. Kitts und Nevis
St. Lucia
St. Vincent & Grens.
Südafrika
Togo
Trinidad und Tobago
Tunesien
Uganda
Ukraine
Ungarn
Uruguay
Venezuela
Zentralafrikanische Rep.
Industrieländer
Australien
Belgien
Dänemark
Deutschland
Finnland
Frankreich
Griechenland
Großbritannien
Hong Kong
Irland
Island
Israel
Italien
Japan
Kanada
Malta
Neuseeland
Niederlande
Norwegen
Österreich
Portugal
Schweden
Schweiz
Singapur
Slowakei
Spanien
Tschechien
USA
Zypern
Tabelle 2: Übersicht über die in der Studie betrachteten Länder.
Die Ergebnisse der Studie werden entscheidend davon abhängen, wie man die Wechselkursregime der
einzelnen Länder klassifiziert. Wechselkursregime können nach de jure oder de facto Kriterien klassifiziert werden: Die de jure Klassifizierung beschreibt, welcher Kategorie sich Länder offiziell auf dem
Papier zuordnen, die de facto Klassifizierung basiert auf empirischen Beobachtungen von Wechselkursbewegungen, Währungsreserven, Geldangebot, etc. Reinhart und Rogoff (2004) untersuchten die
19
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Wechselkurspolitiken von 153 Ländern zwischen dem Zweiten Weltkrieg bis 2001 und kommen zum
Ergebnis, dass für den Großteil der Länder das de facto Wechselkursregime vom de jure Regime abwich. Da allerdings die tatsächlich geführte Wechselkurspolitik letztendlich entscheidend ist, wie sich
Wirtschaftswachstum und die Leistungsbilanz eines Landes entwickeln, werden wir eine de facto
Klassifizierung von Wechselkursregimen in Betracht ziehen.5 Chinn und Wei (2009) verwenden in
ihrer Analyse eine diskrete Variable, die auf einer de facto Klassifizierung von Levy-Yeyati und Sturzenegger (2003) basiert. Arratibel et al. (2008), Herrmann (2009) und Tippkötter (2010) dagegen verwenden die von Ghosh et al. (2003) vorgeschlagene z-score-Variable, welche auf einer berechneten
Volatilitätsvariable der folgenden Art beruht:6
zit = µit2 + σ it2 .
µit2 misst hierbei den arithmetischen Mittelwert und σ it2 die Standardabweichung der durchschnittlichen monatlichen prozentualen Veränderung des nominalen Wechselkurses von Land i im Jahr t. Je
volatiler der Wechselkurs eines Landes ist, umso höher ist der z-score.
Für die Berechnung des z-score muss man zunächst die Referenzwährung festlegen, gegenüber der die
Wechselkursvolatilität berechnet wird. Die Wahl der Referenzwährung hängt davon ab, in Bezug auf
welchen Wirtschaftsraum das Wechselkursregime eines Landes bestimmt werden soll. Deutschland
beispielsweise befindet sich in einer Währungsunion, in welcher es keinerlei Währungsschwankungen
mehr zwischen den Mitgliedsstaaten gibt. Gegenüber den übrigen Weltwährungen, welche nicht an
den Euro gebunden sind, variiert die Währungseinheit Deutschlands dagegen. Regional betrachtet ist
Deutschland also ein Land mit Wechselkursfixierung, global betrachtet ist es durch flexible Wechselkurse charakterisiert. In dieser Studie möchten wir den Grad der Wechselkursflexibiltät eines Landes
gegenüber all seinen Handelspartnern bestimmen. Daher berechnen wir das z-score auf Basis von nominalen effektiven Wechselkursen.
Wie Herrmann (2009) argumentiert, liefert die durch das z-score ausgedrückte Wechselkursvolatilität
eine präzisere Beschreibung des Wechselkursregimes eines Landes als die teilweise willkürliche Eingruppierung der Länder in Gruppen, wie es etwa Levy-Yeyati und Sturzenegger (2003) machen (LYS
Gruppierung). Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse eines Mediantests auf Konsistenz beider Klassifizie-
5
Diese Entscheidung wird auch durch die Untersuchungsergebnisse von De Grauwe und Schnabl (2004) unterstützt, die zeigen, dass de facto Klassifizierungen für die Erklärung von Wirtschaftswachstum und Inflation besser geeignet sind als de jure Maße.
6
Dieses Maß für Wechselkursflexibilität wird in einer Reihe von wissenschaftlichen Studien verwendet, vgl.
hierzu McKinnon und Schnabl (2003), De Grauwe und Schnabl (2004), Arratibel et al. (2008) und Hermann
(2009).
20
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
rungsmethoden.7 Für rund 80 Prozent der Länderbeobachtungen, die nach der LYS Gruppierung durch
ein flexibles Wechselkursregime gekennzeichnet sind, ist der zugeordnete Wert für das z-score größer
als sein Medianwert. Für Länder mit fixierten Wechselkursen gilt das Umgekehrte. In dieser Ländergruppe ist das z-score für etwa 65 Prozent aller Beobachtungen kleiner als sein Medianwert. Für die
Länder mit gemischten Wechselkurssystemen ist das z-score für die eine Hälfte aller Beobachtungen
kleiner und für die andere Hälfte größer als der Medianwert. Dies bedeutet also, dass die stetige zscore Variable konsistent mit dem diskreten Index von Levy-Yeyati und Sturzenegger (2003) verläuft.
Die große Mehrheit der Länder, die de facto ein flexibles Wechselkurssystem verfolgen, weist tatsächlich eine höhere Wechselkursvolatilität auf. Umgekehrt gilt, dass für Länder mit einem rigiden Wechselkurssystem in der Regel eine deutlich geringere Wechselkursvolatilität beobachtet wird.
Abbildung 1: Erwarteter Effekt von Wechselkursregimes auf Wachstum und Leistungsbilanzungleichgewichte.
Empirische Untersuchung: Der Zusammenhang zwischen Wechselkursregimen und Leistungsbilanzen
Um der Frage nachzugehen, ob die Wahl des Wechselkursregimes Einfluss auf die Höhe und Richtung
der Leistungsbilanz eines Landes nimmt, werden in Tabelle 3 die durchschnittlichen Leistungsbilanzpositionen relativ zum Bruttoinlandsprodukt für verschiedene Ländergruppen und Wechselkursregime
aufgelistet. Insbesondere wird zwischen geführtem Wechselkursregime - definiert nach dem (modifizierten) LYS Index - und dem Entwicklungsstand der Länder differenziert. Da sich positive und negative Leistungsbilanzpositionen bei der Durchschnittsberechnung gegenseitig aufheben, wird die Tabel-
7
Der originale Index von Levy- Yeyati und Sturzenegger (2003) besteht aus fünf Kategorien, die hier auf drei –
flexibel, gemischt und fix – reduziert wurden.
21
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
le mit zwei zusätzlichen Spalten ergänzt, in denen die durchschnittlichen Leistungsbilanzüberschüsse
beziehungsweise Leistungsbilanzdefizite aufgelistet werden.
Leistungsbilanz
Mittel Obs.
Alle Länder
alle
fix
gemischt
flexibel
Industrieländer
alle
fix
gemischt
flexibel
Nicht-Industrieländer
alle
fix
gemischt
flexibel
LB-Überschuss
Mittel
Obs.
LB-Defizit
Mittel
Obs.
-3.13
-4.28
-2.83
-1.46
2289
1085
520
658
5.22
5.99
2.78
5.32
696
341
117
230
-6.78
-9.01
-4.46
-5.09
1591
742
403
428
-0.90
-0.54
-2.18
0.04
809
227
283
296
4.15
4.23
1.95
5.32
299
104
69
125
-3.86
-4.57
-3.51
-3.81
510
123
214
171
-4.34
-5.27
-3.62
-2.68
1480
858
237
362
6.02
6.76
3.97
5.32
397
237
48
105
-8.16
-9.89
-5.54
-5.95
1081
619
189
257
Tabelle 3: Durchschnittliche Leistungsbilanz/BIP für einzelne Ländergruppen und Wechselkursregime.
Wie im oberen Panel der Tabelle 3 ersichtlich, weisen Länder mit einem fixen Wechselkursregime im
Durchschnitt ein wesentlich höheres Leistungsbilanzungleichgewicht auf als Länder mit gemischten
oder flexiblen Wechselkurssystemen. Besonders deutlich fällt der Unterschied im Vergleich zu Ländern mit flexiblen Wechselkursregimes aus, die sowohl Leistungsbilanzüberschüsse als auch -defizite
aufweisen, die in etwa nur halb so groß sind wie bei Ländern mit rigiden Währungssystemen. Dieses
Ergebnis passt also zur Hypothese, dass eine Wechselkursfixierung die Entstehung von Leistungsbilanzungleichgewichten begünstigt.
Die Höhe von Leistungsbilanzungleichgewichten wird dem Anschein nach auch maßgeblich vom
Entwicklungsstand eines Landes beeinflusst. Industrieländer haben im Durchschnitt wesentlich kleinere Leistungsbilanzdefizite und –überschüsse als Nicht-Industriestaaten (Panel 2 und 3 in Tabelle 3).
Außerdem zeigt sich, dass der deutliche Zusammenhang zwischen dem Grad an Wechselkursflexibilität und der Höhe der Leistungsbilanzungleichgewichte, den wir bei der Betrachtung alle Länder beobachten, stark von der Gruppe der Nicht-Industrieländer getrieben wird. Konzentriert man sich dagegen nur auf Industrieländer, so lässt sich kein signifikanter Effekt der Wahl des Wechselkursregimes
auf die Höhe von Leistungsbilanzen identifizieren.
Im nächsten Schritt wird untersucht, ob die Wahl des Wechselkursregimes Einfluss darauf nimmt, wie
schnell die Leistungsbilanz eines Landes zu seinem langfristigen Mittelwert zurückkehrt. Bislang haben nur wenige Studien diesen Zusammenhang untersucht und die Ergebnisse sind recht uneinheitlich.
22
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Tippkötter (2010) und Herrmann (2009) finden, dass ein fixes Wechselkurssystem die Persistenz von
Leistungsbilanzungleichgewichten erhöht, während Chinn und Wei (2009) keinen solchen Effekt finden.
Ähnlich wie Chinn und Wei (2009) und Tippkötter (2010) verfolgen wir für die Untersuchung einen
dynamischen Paneldatenansatz, welcher die Variation in den Daten sowohl über den beobachteten
Zeitraum als auch zwischen den einzelnen Ländern berücksichtigt und durch folgende Regressionsgleichung beschrieben werden kann:
LBit = ρ1 + ρ 2 LBit −1 + β1Regimeit + β 2 LBit −1*Regimeit + γ 1Controlit + γ 2 Controlit * Regimeit + d t + ai + ε it
wobei gilt:
•
LBit = Leistungsbilanz von Land i im Jahr t
•
Regimeit = z-score von Land i im Jahr t
•
Controlit = Kontrollvariablen, welche auch Einfluss auf Leistungsbilanzentwicklung nehmen:
o
Handelit = Summe aus Import- und Exporttätigkeit rel. zum BIP von Land
i im Jahr t
o
Fin.Öffnungit = Chinn und Ito Index von Land i im Jahr t, welcher den
Grades der Kapitalmarktliberalisierung misst.
•
dt = Jahres-Dummy, um für nicht kontrollierte Jahreseffekte zu kontrollieren.
•
ai = Länder-Dummy, um für landesspezifische Effekte zu kontrollieren.
Die Leistungsbilanz eines Landes zu einem bestimmten Zeitpunkt wird mit seinem Vorjahreswert,
dem Grad der Wechselkursflexibilität und einer Reihe von Kontrollvariablen erklärt, die laut Chinn
und Wei (2009) von Bedeutung für die Entstehung von Leistungsbilanzen sind. Das Modell nimmt
also einen autoregressiven Verlauf der Leistungsbilanz eines Landes an und geht davon aus, dass sich
die Leistungsbilanz immer wieder seinem langfristigen Gleichgewichtswert annähert.8
Die für unsere Fragestellung relevante Variable ist LBit −1 * Regimeit , also die Variable, welche die
Leistungsbilanz aus dem Vorjahr mit der Variable, die die Wechselkursflexibilität bestimmt, multipliziert. Der Koeffizient dieser interagierten Variable gibt Aufschluss darüber, in wieweit der Grad der
Wechselkursflexibilität Einfluss auf die Persistenz von Leistungsbilanzungleichgewichten hat. Ein
signifikant negativer Wert für β 2 würde die sogenannte Friedman-Hypothese stützen, welche besagt,
8
Dieser Gleichgewichtswert muss nicht gleich Null sein und kann von Land zu Land unterschiedlich sein.
23
Belke Bernoth Fichtner
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dass sich die Leistungsbilanz eines Landes umso schneller seinem langfristigen Mittelwert annähert, je
flexibler das Wechselkurssystem ist.
Für die Schätzung unserer Schätzgleichung verwenden wir den Arellano-Bond Schätzer, der eine Verzerrung der Schätzergebnisse aufgrund der Annahme eines autoregressiven Prozesses der Leistungsbilanz vermeidet. Außerdem kontrollieren wir in unserem Modell für eine mögliche Verzerrung aufgrund eines Endogenitätsproblems. Ein Endogenitätsproblem besteht, wenn nicht nur das Wechselkursregime die Leistungsbilanz beeinflusst, sondern auch die Höhe der Leistungsbilanz die Wahl des
Wechselkursregimes bestimmt, was durchaus anzunehmen ist.9
Die Ergebnisse der Schätzungen sind in Tabelle 5 aufgeführt. In ihrer Interpretation konzentrieren wir
uns der Kürze halber nur auf die Variable, welche für die Fragestellung dieser Untersuchung relevant
ist. Dies ist der Koeffizient β 2 für die Variable „Regime*LB(-1)“, welche in der Tabelle farblich hervorgehoben wurden. Werden für die Schätzungen die Beobachtungen aller 89 Länder verwendet, so
findet man einen signifikant negativen Wert für β 2 . Dies bedeutet, dass generell die FriedmanHypothese bestätigt wird. Je flexibler das Wechselkurssystem eines Landes ist, umso schneller korrigiert sich die Leistungsbilanz im Falle einer Abweichung vom langfristigen Mittelwert.
Unterscheidet man zwischen Industrie- und Nicht-Industrieländern, so lassen sich jedoch abermals
signifikante Unterschiede feststellen. Es zeigt sich, dass der signifikante Zusammenhang zwischen der
Persistenz von Leistungsbilanzungleichgewichten und dem Flexibilitätsgrad des Wechselkursregimes
nur für Nicht-Industrieländer, jedoch nicht für Industrieländer gilt. Dieses Ergebnis wird auch dann
bestätigt, wenn wir die Länder alternativ nach ihrem Einkommensniveau unterteilen. Nur bei Ländern
in der niedrigsten Einkommensgruppe findet man einen Effekt des Wechselkursregimes auf die Anpassungsgeschwindigkeit der Leistungsbilanz an ihr langfristiges Gleichgewicht.10
Empirische Untersuchung: Zusammenhang zwischen Wechselkursregimen und Wirtschaftswachstum
Im Folgenden wird untersucht, ob es einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Wahl des
Wechselkursregimes und dem pro-Kopf Wirtschaftswachstum eines Landes gibt. Um einen ersten
9
Ein gutes Beispiel hierfür ist China, das sich in den letzten Jahren durch hohe Leistungsbilanzüberschüsse
kennzeichnete. Die hierdurch akkumulierten hohen Dollarreserven hindern die chinesische Regierung nun daran, ihre Währungsfixierung gegenüber dem US Dollar aufzuheben. Vgl. Abschnitte 2.b.iii, 2.b.iv und 2.b.v der
vorliegenden Studie.
10
Die empirischen Untersuchungen über den Einfluss des Wechselkursregimes auf das Wirtschaftswachstum
laufen noch und werden im Endbericht enthalten sein.
24
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Eindruck zu bekommen zeigt Tabelle 4 die gemittelte Wachstumsrate des pro-Kopf Bruttoinlandsprodukts (BIP) für verschiedene Ländergruppen auf. Die Beobachtungen werden zum einen nach der
(reduzierten) Wechselkursklassifizierung von Anderson (2009) und zum anderen nach dem Entwicklungsstand der betrachteten Volkswirtschaften unterteilt.
Pro-Kopf BIP Wachstum
Mittel
Obs.
Alle Länder
alle
fix
gemischt
flexibel
Industrieländer
alle
fix
gemischt
flexibel
Nicht-Industrieländer
alle
fix
gemischt
flexibel
1.92
1.76
1.98
2.32
2002
889
492
602
2.29
3.33
2.19
2.03
694
113
283
296
1.73
1.53
1.70
2.61
1308
776
209
306
Tabelle 4: Durchschnittliches Wachstum des pro-Kopf BIP für Ländergruppen und Wechselkursregime.
Die einfache Mittelwertbetrachtung lässt keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Wahl des
Wechselkursregimes und Wirtschaftswachstum erkennen. Betrachtet man alle Länder zusammen, so
zeigt sich, dass die Länder mit de facto flexiblen Wechselkurssystemen gemittelt ein wenig schneller
wachsen als Länder mit gemischten oder fixierten Wechselkursregimen. Unterscheidet man allerdings
zwischen Industrie- und Nicht-Industrieländern, so zeigt sich, dass dieses Ergebnis nicht pauschal gilt.
Industrieländer wachsen gemittelt mit fixierten Wechselkurssystemen schneller, während NichtIndustrieländer mit einem flexiblen Wechselkursregime ein höheres Wirtschaftswachstum aufweisen.
Grund für dieses uneindeutige Ergebnis ist, dass Wirtschaftswachstum von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird, die in dieser vereinfachten Mittelwertanalyse unberücksichtig bleiben. Um der
Frage des Einflusses des Wechselkursregimes auf Wirtschaftswachstum genauer nachzugehen, ist also
eine differenziertere Untersuchung notwendig, die möglichst viele potentieller Wachstumsfaktoren
mitberücksichtigt. Ähnlich wie Levy-Yeyati und Sturzenegger (2003) und de Grauwe und Schnabl
(2004) führen wir dazu eine Panelschätzung durch, welcher die Variation in den Daten sowohl über
den beobachteten Zeitraum als auch zwischen den einzelnen Ländern berücksichtigt und durch folgende Regressionsgleichung beschrieben werden kann:
∆BIPit = ρ1 + β1Regimeit + γ 1Controlit + dt + ai + ε it
25
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
wobei gilt:
•
∆BIPit = Jährliche Wachstumsrate in % des pro-Kopf BIPs von Land i im Jahr t
•
Regimeit = z-score von Land i im Jahr t
•
Controlit = Kontrollvariablen, welche Einfluss auf Wirtschaftswachstum haben:
o
Export/BIP (in %) von Land i im Jahr t
o
Inflation (in %) von Land i im Jahr t
o
Bevölkerungswachstum (in %) von Land i im Jahr t
o
Staatskonsum/BIP (in %) von Land i im Jahr t
o
Staatl. Investition/BIP (in %) von Land i im Jahr t
•
dt = Jahres-Dummy, um für nicht kontrollierte Jahreseffekte zu kontrollieren.
•
ai = Länder-Dummy, um für landesspezifische Effekte zu kontrollieren.
Die Wahl der Kontrollvariablen wurde durch Verfügbarkeit und durch die Ergebnisse früherer Studien
motiviert, die diese als wichtige Treiber für Wirtschaftswachstum identifizieren konnten (Levine und
Renelt (1992), Levy-Yeyati und Sturzenegger (2003) und de Grauwe und Schnabl (2004)).
Da es nicht auszuschließen ist, dass das Wirtschaftswachstum eines Landes Einfluss auf die Höhe des
Staatskonsums, die staatliche Investitionsquote und die Leistungsbilanz eines Landes nimmt, instrumentalisieren wir die möglichen drei endogenen Variablen mit ihrem eigenen Lag und führen damit
einen Panelschätzmethode mit Instrumentenvariablen durch. Die Ergebnisse des Instrumentenschätzers sind in Tabelle 6 aufgeführt.
Da der Untersuchungsgegenstand dieser Studie nicht die Erklärung von Wirtschaftswachstum an sich
ist, sondern der Zusammenhang von Wechselkursstabilität und Wirtschaftswachstum, konzentrieren
wir uns bei der Interpretation der Schätzergebnisse ausschließlich auf den Koeffizienten der Variable
z-score. In der ersten Spalte von Tabelle 6 sind die Ergebnisse aufgeführt, wenn wir für die Schätzung
alle in unserem Datensatz erfassten Länder verwenden. Der negative und hoch-signifikante Koeffizient auf z-score zeigt, dass es einen deutlichen Einfluss des Wechselkursregimes auf das Wachstum
des pro-Kopf BIPs eines Landes gibt. Wechselkursflexibilität wirkt sich demnach wachstumshemmend auf eine Volkswirtschaft aus. Damit bestätigen wir das Ergebnis von de Grauwe und Schnabl
(2004), die ebenfalls finden, dass eine Wechselkursfixierung sich wachstumsfördernd auswirkt.
Eine mögliche Erklärung für unser Ergebnis ist, dass unterentwickelte Länder häufiger ein fixiertes
Wechselkursregime verfolgen und gleichzeitig in der Regel auch schneller wachsen als entwickelte
Volkswirtschaften. Um dieser Erklärung nachzugehen, unterteilen wir die Länder wie zuvor in Industrie- und Nicht-Industrieländer, sowie in Länder mit niedrigem, mittlerem und hohem Einkommen. Die
Schätzergebnisse basierend auf diesen Sub-Gruppen sind ebenfalls in Tabelle 6 aufgeführt und wider26
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
legen diesen Erklärungsansatz. Wir finden, dass der Effekt der Wechselkursflexibilität auf das Wirtschaftswachstum besonders stark für Länder mit mittlerem Einkommen ist. Diese Länder profitieren
demnach besonders von einer Wechselkursfixierung. Aber auch Länder mit hohem Einkommen weisen ein signifikant höheres pro-Kopf Wachstum auf, je unflexibler ihr Wechselkurs ist. Die einzige
Ländergruppe, für welche der Flexibilitätsgrad des Wechselkurses keinen Effekt auf das Wirtschaftswachstum hat, sind Länder mit niedrigem Einkommen. Hier ist der Koeffizient auf z-score zwar auch
negativ aber nicht signifikant.
Zwischenfazit
Auf Basis einer Untersuchung von 89 Ländern über einen Zeitraum von 1975 bis 2009 bestätigt sich
die in der Politik häufig diskutierte Friedman-Hypothese, dass unflexible Wechselkursregime den
Aufbau von Leistungsbilanzungleichgewichten begünstigten. Allerdings scheint dies nur für weniger
entwickelte Volkswirtschaften mit niedrigem Einkommen zu gelten und nicht für Industrienationen
und Länder mit mittlerem und hohem Einkommen. Nicht-Industrieländer mit fixierten Wechselkurssystemen weisen deutlich höhere Leistungsbilanzungleichgewichte (sowohl Defizite als auch Überschüsse) auf als Nicht-Industrieländer mit flexiblen Wechselkurssystemen. Zudem zeigt sich, dass die
Leistungsbilanzungleichgewichte von Nicht-Industrieländern und Ländern mit niedrigen Einkommen
umso persistenter sind, je unflexibler deren Wechselkurse reagieren. Bei entwickelten Volkswirtschaften dagegen ist der Grad der Wechselkursflexibilität kaum von Bedeutung für die Entwicklung der
Leistungsbilanzen.
Wir finden hingegen, dass sich eine Wechselkursfixierung positiv auf das Wirtschaftswachstum eines
Landes auswirkt. Je starrer die Wechselkurse eines Landes sind, umso höher ist das Wachstum des
pro-Kopf BIPs. Unterscheidet man jedoch zwischen dem Entwicklungsgrad der einzelnen betrachteten
Volkswirtschaften, so scheint dieser Zusammenhang nicht für Länder mit niedrigem Einkommen zu
gelten. Für unterentwickelte Volkswirtschaften findet sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen
Wirtschaftswachstum und dem Grad der Wechselkursflexibilität.
Fasst man die Ergebnisse zusammen, so scheint also besonders für unterentwickelte Volkswirtschaften
eine Wechselkursfixierung nicht günstig zu sein, da diese bei ihnen den Aufbau von Leistungsbilanzungleichgewichten fördert und zudem keinen wachstumsfördernden Effekt ausübt. Für entwickelte
Volkswirtschaften dagegen scheint tendenziell ein höherer Grad an Wechselkursfixierung förderlich
zu sein, da sich dies wachstumsfördernd auswirkt, ohne zur Entstehung von Leistungsbilanzungleichgewichten beizutragen.
27
Variable
LB(-1)
Regime
Regime*LB(-1)
Fin.Öffnung
Handel
Fin.Öffnung*LB(-1)
Handel*LB(-1)
Konstante
N
Alle Länder
0.801
0.313
(0.00)
(0.06)
0.053
0.095
(0.67)
(0.42)
-0.061
-0.036
(0.04)
(0.06)
-0.064
(0.88)
-0.035
(0.14)
0.023
(0.36)
0.004
(0.01)
-0.036
0.611
(0.42)
(0.63)
2095
2095
Industrie
0.762
(0.00)
0.308
(0.01)
0.027
(0.28)
0.005
(0.77)
747
0.725
(0.00)
0.127
(0.38)
0.015
(0.37)
0.167
(0.23)
0.002
(0.81)
0.079
(0.00)
0.000
(0.46)
0.366
(0.61)
747
Nicht-Industrie
Hohes Einkommen Mittleres Einkommen Niedriges Einkommen
0.777
0.178
0.759
0.741
0.741
0.026
0.634
0.597
(0.00)
(0.01)
(0.00)
(0.00)
(0.00)
(0.73)
(0.00)
(0.00)
0.015
0.081
-0.131
-0.148
0.223
0.252
-0.046
-0.055
(0.90)
(0.37)
(0.63)
(0.42)
(0.12)
(0.01)
(0.54)
(0.64)
-0.055
-0.025
-0.002
-0.003
-0.006
0.019
-0.030
-0.030
(0.04)
(0.03)
(0.93)
(0.90)
(0.85)
(0.17)
(0.02)
(0.06)
0.264
-0.258
0.282
0.153
(0.40)
(0.15)
(0.38)
(0.76)
-0.010
-0.002
-0.013
-0.012
(0.50)
(0.86)
(0.38)
(0.58)
0.035
0.040
-0.040
0.036
(0.05)
(0.02)
(0.12)
(0.46)
0.005
0.000
0.005
0.001
(0.00)
(0.57)
(0.00)
(0.66)
-0.025
0.869
0.019
0.353
-0.035
3.806
0.083
-3.494
(0.66)
(0.67)
(0.49)
(0.73)
(0.35)
(0.12)
(0.17)
(0.39)
1348
1348
863
863
910
910
322
322
Tabelle 5: Arellano-Bond Schätzung der Determinanten der Leistungsbilanzanpassung (p-Werte in Klammern).
28
Variable
Regime
LB/GDP
Export/BIP
Inflation
Bevölkerungswachstum
Staatskonsum/BIP
Investitionen/BIP
Konstante
N
R2
Alle Länder
-0.414
(0.00)
0.003
(0.90)
0.069
(0.00)
0.001
(0.02)
-0.969
(0.00)
-0.148
(0.00)
-0.008
(0.75)
-3.741
(0.01)
1911
0.23
Industrie
-0.176
(0.07)
0.117
(0.00)
0.126
(0.00)
-0.005
(0.36)
0.003
(0.99)
-0.057
(0.30)
0.076
(0.09)
-8.731
(0.00)
665
0.40
Nicht-Industrie Hohes Einkommen
-0.419
-0.381
(0.00)
(0.00)
-0.013
-0.019
(0.68)
(0.61)
0.060
0.113
(0.00)
(0.00)
0.001
0.007
(0.03)
(0.31)
-1.169
-0.894
(0.00)
(0.00)
-0.155
-0.149
(0.01)
(0.02)
-0.014
-0.063
(0.66)
(0.09)
-3.047
-1.754
(0.07)
(0.46)
1246
780
0.24
0.29
Mittleres Einkom- Niedriges Einkommen
men
-0.505
-0.132
(0.00)
(0.33)
0.005
-0.062
(0.88)
(0.73)
0.050
0.004
(0.00)
(0.97)
0.001
-0.009
(0.01)
(0.57)
-1.477
-0.217
(0.00)
(0.67)
-0.236
0.007
(0.00)
(0.95)
-0.008
0.148
(0.83)
(0.14)
-0.916
-1.369
(0.66)
(0.68)
884
247
0.29
0.24
Tabelle 6: Panelanalyse mit Instrumentenvariablen der Determinanten von Wirtschaftswachstum (p-Werte in Klammern).
29
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
ii. Wirkungen in der langen Frist: Wechselkursunsicherheit und Arbeitsmärkte
In diesem Kapitel wird über die übliche (defensive) Problemstellung - welche Anpassungsverluste
treten bei Aufgabe der Wechselkursflexibilität auf? - hinausgegangen und eher offensiv gefragt, ob die
(glaubwürdige) Fixierung der Wechselkurse innerhalb (von Teilgruppen) der G-20 durch die Eliminierung kurzfristiger Wechselkursvolatilität sogar einen realwirtschaftlichen Nutzen in der Realwirtschaft, so beispielsweise auf Arbeitsmärkten, stiften kann. Dabei wird die bisher implizite Annahme
aufgegeben, die Alternative zur Wechselkursfixierung sei eine ideale Welt, in der Wechselkurse auf
asymmetrische Schocks rechtzeitig und in der gewünschten Weise reagieren. Stattdessen wird die
Realität als Alternative zur glaubwürdigen Fixierung der Wechselkurse berücksichtigt, in welcher der
tatsächliche Grad an kurzfristiger Wechselkursvariabilität nicht auf beobachtbare Schocks zurückgeführt werden kann (Belke und Gros, 1999, 2001b).
Die Erwartung mikroökonomischer Effizienzgewinne durch die Reduktion der Wechselkursvariabilität
gründet sich im Allgemeinen auf die Idee, dass eine geringere Variabilität den Außenhandel weniger
riskant macht. Aus dieser Sicht sollte eine Stabilisierung der Wechselkurse das Niveau des Außenhandels standardmäßig erhöhen. Diese Idee wird seit einiger Zeit in einer umfangreichen theoretischen
und empirischen Literatur verfolgt. Diese analysiert die Effekte der Wechselkursunsicherheit auf den
Außenhandel und (hierzu existieren weitaus weniger empirische Studien!) auf die Investitionen. Die
Hauptströmungen der auf den Außenhandel bezogenen Literatur werden von Belke (2001a) skizziert
und ihre wichtigsten empirischen Resultate zusammengefasst. Dies geschieht ausschließlich zur inhaltlichen Vorbereitung einer bisher in der Literatur bis vor Kurzem nur selten durchgeführte Analyse
der Auswirkungen der Wechselkursvariabilität (also des zweiten statistischen Momentes der Zeitreihe
der Wechselkurse) auf Arbeitsmärkte und ergänzend - wegen des engen Zusammenhangs mit der Arbeitsmarktentwicklung- auch auf das Ausmaß der binnenländischen Investitionstätigkeit. Denn aus
einer Wohlfahrtsperspektive ist das Ausmaß des Handelsvolumens per se irrelevant.
Was für die Wohlfahrtsanalyse auf der Makroebene zählt, ist das Niveau der (unfreiwilligen) Arbeitslosigkeit.11 Diesbezüglich findet sich bisher in der Literatur jedoch häufig nur die undifferenzierte
Annahme, dass eine Fixierung von Wechselkursen im Durchschnitt die Arbeitslosigkeit erhöhe und
die Beschäftigung senke, da die Anpassung an Schocks schwieriger werde. Darüber hinaus wird in der
Literatur aus den uneinheitlichen Ergebnissen der Außenhandelsstudien zum Teil ebenso undifferenziert geschlossen, dass eine 'überschüssige' Volatilität der Wechselkurse zwischen den G-20Volkswirtschaften deren Arbeitsmärkte erst recht unbeeinflusst lasse.
11
Vgl. bereits Gros und Thygesen (1998), S. 281, und Belke (2001), Abschnitt 5.5.
30
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Theoretischer Hintergrund
Da bisher nur in geringerem Umfang theoretische und empirische Literatur zu den Auswirkungen der
Wechselkursunsicherheit auf Arbeitsmärkte existiert, muss man sich zwangsläufig an den verfügbaren
Studien zu den Effekten der Wechselkursunsicherheit auf den Außenhandel, die Investitionen und den
Output orientieren.
Dixit (1989b) führt ein vom Kurssicherungsaspekt unabhängiges Motiv an, warum Unsicherheit die
Höhe von Investitionen beeinträchtigen kann. Falls Investitionen einen 'sunk-cost'-Charakter tragen,
besteht ein starker Anreiz zu warten, bis die Unsicherheit aufgelöst ist. In dem Ausmaß, wie Produktionsstrukturen nicht flexibel genug sind und hohe Entlassungskosten für Arbeitnehmer existieren, lassen sich dieselben Argumente auch auf die Produktionstätigkeit anwenden. In dem Umfang, wie Exporteure aus G-20-Ländern bereits über ausgebaute Distributionsnetze in anderen G-20-Ländern verfügen und kurzfristig tendenziell keine ‘sunk costs‘ bei der Exportentscheidung berücksichtigen,
schlägt sich die höhere Diskontrate kurzfristig vor allem in einer Verringerung der Investitionen und
nicht in einer Rückführung der Exporte nieder. Die längerfristigen Einflüsse der Wechselkursvariabilität auf die Exportentwicklung werden jedoch von anderen Faktoren (technischer Fortschritt u.a.) überlagert. Sie sind, wie die wenig signifikanten Ergebnisse für den Zusammenhang zwischen Wechselkursvariabilität und Außenhandel in Belke (2001a, Abschnitt 6.1.2.2.) deutlich zeigen, entsprechend
schwer empirisch zu identifizieren. Die erzielten Resultate legen nahe, dass vor allem der Investitionskanal und - allerdings nur mit Abstrichen - der Outputkanal für die Transmission der Wechselkursvariabilität potenziell relevant sind. Die identifizierten Effekte der Wechselkursvariabilität auf die Investitionen, aber auch auf die Änderung des Wachstums der industriellen Produktion, entsprechen dem
Vorzeichen nach den Prognosen der vorstehend skizzierten Modelle.
Diese Überlegungen lassen sich prinzipiell auch auf den Zusammenhang zwischen der Wechselkursunsicherheit und Arbeitsmärkten übertragen. In Bezug auf die Arbeitslosenrate und die Beschäftigung
im verarbeitenden Gewerbe liegt die einfache Erklärung nahe, dass im Falle hoher Entlassungskosten
von Arbeitnehmern (und anderer Varianten „institutioneller Sklerose“ auf Arbeitsmärkte) die Entscheidung, eine Erwerbsperson einzustellen, für die Unternehmen einer Investitionsentscheidung mit
irreversiblen 'sunk-costs' gleichkommt. Müssen die Unternehmen zusätzlich das Auftreten von Wechselkursunsicherheit berücksichtigen, so können sie kein deterministisches Barwertkalkül über die Rentabilität einer zusätzlichen Einstellung mehr durchführen (Bernanke, 1983, Kulatilaka und Kogut,
1996, Pindyck, 1991).
Von Belke und Gros (2001b, 2002a) wird entlang der zuvor skizzierten Linien ein einfaches Modell
von Investitionen (u.a. in die Beschäftigung) unter Unsicherheit abgeleitet. Belke und Kaas (2004a, b)
verfeinern es durch eine detaillierte Modellierung des Lohnverhandlungsspiels am Arbeitsmarkt. Dieses beinhaltet einen möglichen Transmissionskanal, welcher einer negativen (positiven) Beziehung
31
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
zwischen der Unsicherheit und der Beschäftigung (Arbeitslosigkeit) Rechnung tragen könnte. Auf die
mikro- und die makroökonomische Gestalt der Effekte von Wechselkursunsicherheit auf die Arbeitsmarktdynamik wird von Belke und Göcke (1999, 2001a, 2001b, 2005) unter Rückgriff auf die Realoptionstheorie („Optionswert des Wartens bei Unsicherheit“) noch ausführlicher eingegangen. Sie zeigen, dass nominale Wechselkursunsicherheit die Beziehung zwischen der Beschäftigung und ihren
Determinanten lockerer macht. Beispielsweise erhöht sie die Schwellenwerte des Wechselkurses, zu
dem es sich lohnt, in den Auslandsmarkt einzutreten, senkt aber gleichzeitig den Schwellenwert für
den Austritt. Eliminiert man die Wechselkursunsicherheit, ist der Effekt in Bezug auf das Niveau der
Beschäftigung nicht eindeutig. Die Unternehmen mit Entlassungsbedarf kündigen (endlich) und die
Firmen mit Einstellungsbedarf stellen nun (endlich) ein. Der Nutzen einer Wechselkursfixierung liegt
somit in der Forcierung des Strukturwandels. Beide Modellvarianten können folglich als Grundlage
für die Beurteilung verschiedener Wechselkurs-Regimes dienen, da die nominale Wechselkursvolatilität im Mittelpunkt steht.
Während es relativ einfach einzusehen sein dürfte, dass ‚Unsicherheit schlecht für Investitionen ist'
gilt, fällt es schon schwerer zu erklären, auf welche Weise die Wechselkursunsicherheit direkt und
sofort auf die gesamte heimische Ökonomie einwirken sollte. Wir argumentieren, dass die fehlende
Identifizierbarkeit eines starken und eindeutigen Einflusses der Wechselkursvariabilität auf das Außenhandelsvolumen keinesfalls die Abwesenheit einer inhaltlichen Verbindung zwischen der Wechselkursvariabilität und der Arbeitslosigkeit bzw. der Beschäftigung sowie der Investitionen impliziert.
Dies wird deutlich, sobald man fragt: Warum sollte ein Anstieg der Wechselkursvolatilität schnell zu
einem geringeren Außenhandelsvolumen (-strom) führen? Die in diesem Kontext verwendeten theoretischen Modelle gehen typischerweise von der Idee aus, dass erst versunkene Kosten getragen werden
müssen, um anschließend exportieren zu können.12 Der Charakter dieser Kosten resultiert dabei zum
einen aus der Notwendigkeit, ein Distributionssystem auf Auslandsmärkten installieren zu müssen,
und zum anderen darauf, dass es sich wie in dem im folgenden zu entwickelnden Basismodell wirklich
um 'versunkene', d.h. nicht revidierbare, Kosten handelt. Innerhalb der G-20 jedoch verfügen die meisten Unternehmen der Industrieländer und eine steigende Zahl von Unternehmen aus aufstrebenden
Volkswirtschaften bereits über ein elaboriertes Vertriebsnetzwerk in allen Mitgliedsstaaten. Ein deutscher Automobilproduzent wird typischerweise kein neues Distributionsnetzwerk errichten müssen,
um Verkäufe in andere EU-Volkswirtschaften zu steigern. Daher stellen Marktzugangskosten im Hinblick auf den Intra-G-20-Handel sicherlich nicht den Hauptgrund dafür dar, dass sich die Volatilität
von Wechselkursen (negativ) auf den Außenhandel auswirkt.
12
Standardq uellen hierzu sind Baldwin und Krugman (1989), Krugman (1986) und Dixit (1989a, 1989b).
32
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Natürlich wird ein Anstieg der Volatilität der Wechselkurse die Unternehmen veranlassen, zukünftige
Gewinne aus Exporten stärker zu diskontieren. Aber dies impliziert lediglich, dass Unternehmen weniger in export- (oder allgemein in außenhandels-) orientierte Aktivitäten investieren werden. Dies
mag zwar zukünftige Export- (bzw. Außenhandels-) Volumina reduzieren. Jedoch werden Unternehmen nicht notwendigerweise in der kurzen Frist weniger exportieren, nur weil die Wechselkursvariabilität angestiegen ist. Eine mögliche Reaktion in der langen Frist (vgl. auch Belke (2001a), Abschnitt
6.1.2.3.) jedoch lässt sich sehr viel schwieriger durch empirische Untersuchungen isolieren, da auf die
relevanten Größen gleichzeitig andere langfristige Trends (wie z.B. eine Verringerung von Transportkosten oder Änderungen von Präferenzen) einwirken und da sich die Variabilität über die Zeit so stark
ändert. Heutige Außenhandelsvolumina mögen zwar in der Tat eine Funktion eines Durchschnitts der
über eine Zahl an Jahren erfahrenen Wechselkursvariabilität sein. Dies dürfte jedoch selbst mit den in
der Literatur häufig benutzten Volatilitätsdaten auf Jahresbasis empirisch sehr schwierig zu zeigen
sein.
Gerade weil Trägheiten der Anpassung existieren (u.a. 'pricing-to-market' und Arbeitsmarktrigiditäten), hat die Wechselkursvariabilität selbst bei nur temporären Schwankungen wegen der Relevanz
von 'turnover costs' möglicherweise permanente negative Beschäftigungseffekte. Dass die unterdrückte Variabilität der Wechselkurse nach Rose (1995) und Flood und Rose (1995) nicht im realwirtschaftlichen Sektor zusätzlich auftritt, ist somit im Gegenteil ein partielles, zusätzliches Argument für die
glaubwürdige Fixierung von Wechselkursen. Darüber hinaus verweist derartige Evidenz darauf, dass
die Exogenitätshypothese in Bezug auf den realwirtschaftlichen Sektor für einen bedeutenden Teil der
Wechselkursvariabilität realistisch ist.
Kritische Würdigung
Empirische Evidenz für den handelsbeschränkenden Effekt eines höheren Wechselkursrisikos - in der
Gestalt von 'überschüssiger' Volatilität' und von längerfristig von ihrem Gleichgewichtsniveau abweichenden Wechselkursen - wird in der Literatur oft als Evidenz gegen die Vorteilhaftigkeit eines Systems flexibler Wechselkurse interpretiert. Die Befürworter flexibler Wechselkurse hingegen argumentieren gemäß Belke (2001a), Kapitel 2, dass Wechselkurse mittel- bis langfristig hauptsächlich durch
Fundamentaldaten determiniert seien und Veränderungen der Fundamentaldaten ähnliche, aber abruptere Änderungen fixierter Paritäten verlangten. Ein System fixierter Wechselkurse, solange es sich
nicht um eine Währungsunion handelt, reduziere somit nicht notwendigerweise die nicht antizipierte
Wechselkursvariabilität (vgl. die in Abschnitt 1.b.i geführte Diskussion um de facto- und de jure
Wechselkursflexibilität). Eine höhere Flexibilität der Wechselkurse erleichtere einen schnellen Zahlungsbilanzausgleich als Reaktion auf asymmetrische Schocks und reduziere die Notwendigkeit von
Maßnahmen zur Außenhandelsprotektion und von Kapitalverkehrskontrollen.
33
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Dabei werden einige Annahmen der einfachen Grundmodelle als kritisch für das Ergebnis eines negativen Einflusses der Wechselkursunsicherheit auf den Außenhandel angesehen und könnte für ein flexibles Wechselkurssystem sprechen. Dies sind a) die Annahme der Unmöglichkeit und/oder Kostenträchtigkeit einer perfekten Strategie zur Absicherung des Wechselkursrisikos, b) die Annahme der
Risikoaversion des betrachteten Unternehmens, c) die Nichtberücksichtigung der sich aus Wechselkursschwankungen ergebenden Gewinnchancen und d) die Annahme, dass die Wechselkursvariabilität
die einzige Quelle der Unsicherheit für das Unternehmen darstellt. Andere möglicherweise kompensierend wirkende Risiken werden nicht berücksichtigt. Hieraus abgeleitete neuere Ansätze verdeutlichen die Existenz von Konstellationen, unter denen die Wechselkursunsicherheit keine oder sogar
positive Einflüsse auf den Außenhandel aufweist.
Der Mangel an empirisch orientierter Literatur zum Einfluss der Wechselkursvariabilität auf die Beschäftigung und andere realwirtschaftliche Variablen außer dem Außenhandel ist angesichts der hohen
Politikrelevanz dieser Frage (siehe bereits Dornbusch, 1987) erstaunlich. Darüber hinaus kann spätestens seit den EWS-Krisen in der ersten Hälfte der neunziger Jahre kein Zweifel mehr daran bestehen,
dass eine ausgeprägte polit-ökonomisch begründete Verbindung zwischen protektionistischem Druck
und der Wechselkursvariabilität besteht. Es wurde aus diesem Grund sogar argumentiert, dass ein einheitlicher europäischer Binnenmarkt aus politischen Gründen einer Fundierung durch eine Währungsunion bedürfe. Gleichzeitig ist in gewissem Umfang Literatur zur Verbindung zwischen Investitionen
und Unsicherheit verfügbar. Unter Berücksichtigung der hohen Einstellungs- und Entlassungskosten,
die viele Arbeitsmärkte seit Langem charakterisieren, würde man annehmen, dass dieselben Argumente, die dem angenommenen negativen Effekt allgemeiner Volatilität auf die Investitionen zugrunde
gelegt werden, auch auf den Zusammenhang von Wechselkursvolatilität und ArbeitsmarktPerformance zumindest in Europa Anwendung finden sollten. Schließlich überschreitet die beobachtbare Volatilität von Wechselkursen bei Weitem die Volatilität der Preise auf Güter- und Arbeitsmärkten, sodass eine hohe Korrelation zwischen der nominalen Wechselkursunsicherheit und der Unsicherheit über wichtige realwirtschaftliche Determinanten des 'net present value' des Faktoreinsatzes und
damit der Faktornachfrage (z.B. reale Güterabsatzpreise, reale Kosten alternativ einsetzbarer Produktionsfaktoren wie der Reallöhne) sehr wahrscheinlich ist.
Implikationen für die Debatte zur Optimalität von Wechselkursregimes
Eine Beurteilung der realwirtschaftlichen Kosten und Nutzen von einheitlichen Währungsräumen wie
der EWU erfolgt häufig - wenn auch teils nur implizit - auf Basis der Theorie optimaler Währungsräume begründet von Kenen (1969), McKinnon (1963) und Mundell (1961). Dies wurde bereits in
Abschnitt 1.b.iii. deutlich herausgestellt. Daher soll einleitend betrachtet werden, wie diese Autoren
etwa drei Jahrzehnte später die Relevanz ihrer Überlegungen für die Diskussion um die EWU beurteilten. In der Lesart Kenens (1997) lässt sich der Zeitraum bis zum Status Quo ante der EWU - eine Periode, an der wohl die Kosten und Nutzen einer EWU zu messen sind - überwiegend als Phase von so34
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
genannten 'currency areas' bezeichnen: "... a group of countries that undertake to contain the bilateral
rates within narrow bands, defined in respect of agreed central rates which they cannot change unilaterally" (Kenen, 1997, S. 211). Unter diese Definition von 'narrowly pegged rates' fallen nach Kenen
sowohl das Bretton Woods-System, das EWS bis zur Bandbreitenerweiterung 1993 und auch die Phase nach 1993, in der die EWS-Mitglieder kaum Gebrauch von der erweiterten Bandbreite machten.
Kenen (1997) betont auch, dass die Theorie optimaler Währungsräume nicht herangezogen werden
kann, um diese bis zum Status Quo ante existierenden 'currency areas' mit einer Währungsunion zu
vergleichen. Denn die Theorie optimaler Währungsräume bezieht sich auf die (in Bezug auf die EWU
und auf die, in dieser Studie zu thematisierenden G-20 wahrscheinlich nicht der Realität entsprechende) Wahl zwischen vollständig frei schwankenden und fixierten Wechselkursen, nicht aber auf die hier
eher relevanten Alternativen 'narrowly pegged rates' und einer Währungsunion. 'Narrowly pegged
rates' sind, wie oben schon erwähnt, historisch relevantere Währungsregimes als vollkommen flexible
Wechselkurse. Flexible Wechselkurse stellen aber in zahlreichen Publikationen den Bezugspunkt für
beschäftigungspolitische Nachteile einer „unwiderruflichen“ Fixierung der Wechselkurse durch z.B.
die EWU dar, da ihnen eine vorteilhafte Wirkung bei der Pufferung von Schocks, die einzelne Länder
in unterschiedlicher Weise (also asymmetrisch bzw. idiosynkratisch) treffen, zugeschrieben wird (Belke und Gros, 1999). Es wird argumentiert, in Ermangelung von Alternativen wie mobiler Arbeitskräfte
und flexibler Löhne und Preise verzichte man z.B. in einer EWU unnötigerweise auf ein 'Ersatzventil'
in Gestalt flexibler Wechselkurse zur Korrektur aufgelaufenen Anpassungsdrucks. Diese Vermutung
kontrastiert aber stark mit empirischen Untersuchungen, nach denen Währungsabwertungen in industrialisierten Volkswirtschaften kurz- und erst recht längerfristig kontraktive statt - wie oft unterstellt expansive realwirtschaftliche Effekte erzeugen. Kenen (1997) kommentiert diese Literatur dann auch
wie folgt: "Rarely have so many good papers been written on the wrong question (Hervorh. d. Verf.) although they do say useful things about the problems facing Europe in the years ahead".
Denn die Alternative zu einer Währungsunion besteht, wie schon von Kenen angedeutet, nach Mundell (1997) aus polit-ökonomischen Gründen in 'pseudo currency areas' -wie auch im Großteil des
Status Quo ante. Diese 'pseudo-currency areas' zeichneten sich in der Vergangenheit aber zum größeren Teil dadurch aus, dass die teilnehmenden Länder den Wechselkursen eben nicht gestatteten, die
Rolle eines automatischen Anpassungsmechanismus wahrzunehmen. Auch konnten Paritäten von Zeit
zu Zeit durch einfache Ministerbeschlüsse geändert werden. Die Wechselkursfestlegung und folglich
auch ein Teil der Varianz von Wechselkursen geriet somit deutlich in den Einflussbereich politökonomischer Zusammenhänge. Das Ausmaß, in dem Wechselkurse ein Politikinstrument darstellten,
ist somit im Vergleich zu dem Ausmaß, in dem sie einen marktbezogenen Korrekturmechanismus
repräsentierten, bedeutend. Im Rahmen von 'pseudo currency areas' divergieren länderspezifische
Zinssätze im Ausmaß erwarteter Wechselkursänderung. Spekulation, die unter diesen Umständen auf
eine Einweg-Option bauen kann, wirkt dann destabilisierend. Die Folge ist neben einer Abwertungs35
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Lohnspirale oft eine im weiteren Verlauf nicht prognostizierbare Variabilität von Wechselkursen. Diese korrespondiert in einem 'fixed-but adjustable rate system' wie dem EWS (und der 'Währungsschlange') mit Realignment- und Spekulationsphasen.
Während dieses zutreffende Argument im Zusammenhang mit unserer Modellierung der Arbeitsmarkteffekte von Wechselkursunsicherheit den Übergang zu einer Währungsunion noch vorteilhafter
erscheinen lässt, impliziert es für unsere Analyse der Vorteilhaftigkeit bestimmter Wechselkursregimes für die G-20 möglicherweise das Gegenteil. Gelingt eine glaubwürdige Wechselkursfixierung
nicht, könnte es besser sein, die Wechselkurse freier als bisher schwanken zu lassen als die G-20 weiter in Richtung einer ‚pseudo currency area‘ mutieren zu lassen, in der die Wechselkursfestlegung und
auch die Änderungen impliziter oder expliziter Paritäten durch die Politik erfolgen. Denn die Wechselkursunsicherheit wäre im letzten Fall höher und die Beschäftigungseffekte für die G-20Volkswirtschaften sogar negativ.
Die Auswirkung der Variabilität auf die Beschäftigung kann im Rahmen international ausgerichteter
Makromodelle durchaus konsistent theoretisch formuliert werden. Selbst wenn Wechselkurse auf der
einen Seite durch die Geldpolitik erfolgreich strategisch genutzt werden, um den Output eines durch
einen asymmetrischen bzw. idiosynkratischen Schock betroffenen Landes zu stabilisieren, ist auf der
anderen Seite die durch eine volatilere Geldpolitik verursachte Variabilität der Wechselkurse eine
wesentliche Quelle für zusätzliche Outputvariabilität. Dieser Kerngedanke einer Austauschbeziehung
hat mittlerweile auch in spieltheoretische Makromodelle optimaler Geldpolitiken in offenen Volkswirtschaften Eingang gefunden. In einer Spielart dieser Modelle nimmt die (optimale) Variabilität der
Wechselkurse mit zunehmender relativer Größe einer Volkswirtschaft ab. Denn der Nachteil einer mit
steigender Wechselkursvarianz höheren Outputvariabilität überwiegt mit zunehmender Größe des
Landes den Vorteil einer Stabilisierung externer Schocks durch Wechselkursbewegungen. Der Vorteil
einer Elimination des Wechselkursrisikos ist demnach umso höher, je weniger die betrachtete Volkswirtschaft (ab einer bestimmten optimalen Größe) 'klein und offen' ist. Der Wechselkurs spielt eine "
... double role ... both as a potential stabilizer ... and a potential destabilizer of output" (Martin, 1997,
S. 6). Man argumentiert demnach zu einseitig, wenn man an der entfallenden Wechselkursvariabilität
ausschließlich negative Beschäftigungswirkungen einer glaubwürdigen Fixierung von Wechselkursen
festmacht. Eine hierauf aufbauende beschäftigungspolitische Kosten-Nutzen-Analyse einer glaubwürdigen Wechselkursfixierung wäre unvollständig. Es ist daher von großem Interesse, der bisher empirisch kaum behandelten Frage nachzugehen, inwieweit die Wechselkursvariabilität Arbeitsmärkte
beeinträchtigt.
Um die Perspektive, die wir einnehmen, nochmals zu verdeutlichen: nominale Rigiditäten mögen zwar
bei flexiblen Wechselkursen eine Flexibilität der Reallöhne herbeiführen, die bei fixen Wechselkursen
nicht erreichbar ist. Dies kann jedoch nur dann als beschäftigungspolitischer Vorteil interpretiert werden, wenn die Wechselkursänderung im Rahmen vollständig flexibler Wechselkurse die Folge einer
36
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Störung am Arbeitsmarkt ist und diese als notwendiges Korrektiv abfedert. Falls nun aber Wechselkursänderungen wie in einem erheblichen Teil der historischen Referenzperiode unabhängig vom Arbeitsmarkt eintreten oder sogar erst auf politischem Wege veranlasst werden, verursachen sie erfahrungsgemäß durch Abwertungs-Lohn-Spiralen und erhöhte Unsicherheit realwirtschaftliche Probleme
erst und tragen selten zu einer Lösung des Beschäftigungsproblems bei.
Die hierin implizite Hypothese einer (partiellen) negativen Beschäftigungswirkung variabler Wechselkurse wurde für Deutschland (Belke, 2001b), für EU-Mitgliedsländer vor Beginn der EWU (Belke und
Gros, 2001b), für Deutschland und die USA (Belke und Gros, 2001a, 2002a, Belke und Kaas, 2004b),
für die mittel- und osteuropäischen Volkswirtschaften (Belke und Setzer, 2003a,b,c, 2005, Belke und
Kaas, 2004a) und schließlich auch für lateinamerikanische Volkswirtschaften (Belke und Gros, 2002b,
2003) empirisch getestet.
Implikationen für die Wahl eines aus beschäftigungspolitischer Sicht geeigneten Wechselkursregimes
Die wichtigste wirtschaftspolitische Schlussfolgerung aus den in diesem Abschnitt erzielten theoretischen und empirischen Ergebnissen besteht darin, dass eine glaubwürdige Fixierung von Wechselkursen (was auch immer sie 'kosten' wird) das Potenzial dazu besitzt, partielle realwirtschaftliche Nutzen
mit sich zu bringen, indem sie die autonome Wechselkursvariabilität zwischen den beteiligten Ländern
unterdrückt. In dem Ausmaß, wie eine glaubwürdige Wechselkursfixierung zwischen den G-20 die
kurzfristige nominale Intra-G-20-Wechselkursvariabilität verringert (und Letztere zu gewissen Teilen
exogen, also nicht durch asymmetrische Schocks verursacht ist), ist ceteris paribus ein Anstieg der
Investitionen, des Outputwachstums und schließlich auch der Beschäftigung zu erwarten. Weitergehende Schlussfolgerungen bleiben aber zunächst spekulativ. Dies soll im Folgenden ausführlich begründet werden.
Erstens ist es eine alte und bisher ungelöste Frage, wie groß der Anteil der Wechselkursvariabilität,
der Ausdruck eines Anpassungsbedarfs an realwirtschaftliche asymmetrische Schocks ist, im Vergleich zu dem Anteil ausfällt, der sich am ehesten durch andere als realwirtschaftliche Faktoren oder
als statistische Zufallsgröße erklären lässt. Zweitens ist die Frage noch nicht endgültig beantwortet, ob
die erstaunlich robusten empirischen Ergebnisse auf der Grundlage des stilisierten Modells von Belke
und Gros (2001b) sowie des im Hinblick auf Arbeitsmarktinstitutionen elaborierteren Modells von
Belke und Kaas (2004a,b) einen endgültigen Verzicht auf das Abwertungsinstrument (also das erste
statistische Moment flexibler Wechselkurse) bei unvollkommener Nominallohn- und Preisflexibilität
rechtfertigen können. Denn in der Vergangenheit gab es sehr unterschiedliche stabilitätspolitische
Erfolge von Währungsabwertungen. Realignments können nämlich nach herrschender Meinung in
vereinzelten Fällen stabilitätspolitisch erfolgreich sein und zu einem kompetitiven realen Wechselkurs
verhelfen.
37
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Entscheidend für den Nettonutzen einer Unterdrückung nominaler Wechselkursvariabilität durch eine
glaubwürdige Fixierung der Wechselkurse wie beispielsweise innerhalb einer Währungsunion sind
mehrere noch nicht prognostizierbare Faktoren.
Erstens ist unsicher und schwer abschätzbar, ob auch die externe Wechselkursvariabilität nach dem
Übergang zur Fixierung reduziert wird. Hierfür spricht, dass der wesentlich geringere Offenheitsgrad
einer großen Zone fixierter Wechselkurse zu geringeren Anreizen führt, mit der Geld- bzw. Wechselkurspolitik zu stabilisieren und damit für variable Wechselkurse zu sorgen. Dagegen spricht, dass die
Zone fixierter Wechselkurse im Vergleich zu den einzelnen Mitgliedsländern eine geschlossenere
Volkswirtschaft darstellt und die Leitzentralbank deshalb der Variabilität des gemeinsamen Außenwertes der Währungen weniger Bedeutung als vorher auf nationaler Ebene beimisst, sodass die Volatilität des der fixierten Währungen gegenüber Drittwährungen möglicherweise ansteigt.
Die Elimination der Wechselkursvariabilität zwischen einer Teilmenge der G-20-Länder kann also zu
mehr Varianz zwischen den drei verbleibenden Währungsräumen (Dollar, Yen und Euro) führen oder
die selektive glaubwürdige Wechselkursfixierung als solche kann ein stabileres internationales Währungsgefüge bewirken. In Bezug auf die unwiderrufliche Fixierung der intra-europäischen Wechselkurse formulieren Gros und Thygesen (1998), S. 117, dies wie folgt: "There is no a priori theoretical
reason why the reduction of intra-European exchange-rate variability should increase global exchangerate volatility". Aktuelle Forschungsergebnisse (vgl. z.B. Rose, 1995) zeigen jedoch deutlich auf, dass
'official action' die Wechselkursvariabilität sogar reduzieren kann, während die Variabilität von Fundamentaldaten wie der Zinssätze und/oder der Geldmenge weiter konstant gehalten wird. Eine geldpolitische Koordination der Fed und der EZB beispielsweise könnte somit die Dollar-Euro Volatilität
unter Kontrolle halten.
Zweitens ist nicht auszuschließen, dass sich die verringerte Variabilität nominaler Wechselkurse in
einer gestiegenen Variabilität realwirtschaftlicher Größen ausdrücken wird.
Drittens ist für eine Zone fixierter Wechselkurse nicht absehbar, wie sich die Wahrscheinlichkeit
asymmetrischer Schocks entwickeln wird. Sinkt diese beispielsweise bei zunehmender Handelsintegration, so steigt der Nettonutzen und umgekehrt. Dieses Argument ist aus der Theorie endogener
optimaler Währungsräume bekannt, nach der Währungsräume gerade wegen der unwiderruflichen
Fixierung der Wechselkurse ex post optimal werden können. Die Hoffnung vieler Politiker ist, dass
auch die G-20 mittel- bis langfristig wichtige Quellen von Schocks -nationale Geldpolitiken oder Störungen auf nationalen Finanzmärkten- durch eine gemeinsame Geldpolitik und einen EU-weiten Finanzmarkt unterdrücken dürfte. Im Rahmen des größeren Finanzmarktes werden regionenspezifische
Schocks nämlich eher dazu tendieren, sich größtenteils gegenseitig zu kompensieren.
Viertens bestimmt der Umfang der Zone fixierter Wechselkurse die Intensität der beschäftigungspolitischen Kosten- und Nutzenkomponenten der Fixierung. Beispielsweise hängt die Höhe der Wechsel38
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
kursvariabilität des Euro im Verhältnis zum U.S.-Dollar von der im Vorfeld der EWU lange Zeit nicht
antizipierbaren Größe des Währungsraumes ab. Auch werden die beschäftigungspolitischen Nutzen
und Kosten aus der Sicht eines individuellen Beitrittskandidaten davon bestimmt, welche der anderen
G-20-Länder ebenfalls teilnehmen.
Einer Einschätzung des realwirtschaftlichen Nutzens einer Wechselkursfixierung könnte man sich
jedoch auch noch aus einer anderen Perspektive nähern. Für den Fall des fiktiven 'counterfactual', das
Nichtzustandekommen einer glaubwürdigen Wechselkursfixierung, ist nämlich zu berücksichtigen,
dass der hohe Grad an Reallohnrigidität, der wachsende Integrationsgrad zwischen vielen G-20Volkswirtschaften und die wachsende Bedeutung von Finanzmarktturbulenzen Wechselkursbewegungen als Anpassungsinstrument in ökonomischer Hinsicht ohnehin immer weniger effektiv und in politischer Hinsicht immer schwerer durchsetzbar erscheinen lassen. Folglich besteht - innerhalb und außerhalb der EWU - der einzige Weg, erfolgreich auf bedeutende realwirtschaftliche symmetrische oder
asymmetrische Schocks zu reagieren und unerwünschte negative Beschäftigungseffekte zu vermeiden,
darin, den Grad relativer Preis- und Lohnflexibilität zu erhöhen. Hierzu ist eine Reform der Institutionen vorzunehmen, die bisher ein adäquates Funktionieren nationaler Güter- und Arbeitsmärkte verhinderten. Die G-20 jedoch ist weder für den Reformstau verantwortlich, noch kann sie diesen allein beseitigen. Sie tangiert zwar mehr Aspekte als die Elimination von Wechselkursrisiken, kann aber bisher
nicht eindeutig als Beschleuniger für fundamentale Strukturreformen auf europäischen und anderen
Arbeitsmärkten herhalten.13 Der letzte Aspekt erscheint so wichtig, dass hieran auch die weiteren
Überlegungen anknüpfen.
Denn das Ergebnis eines negativen Einflusses der Intra-G-20-Wechselkursvariabilität auf die Beschäftigung ist nämlich auch aus anderer - strenger arbeitsmarktbezogener - Sicht keinesfalls gleichbedeutend mit der Aussage, dass eine fiktive glaubwürdige Fixierung der Wechselkurse die Beschäftigung
in den G-20 tatsächlich steigern wird. Erstens ist nicht sicher, ob Hysteresiseffekte, welche als eine
Begründung für den gefundenen Effekt der Wechselkursunsicherheit auf Arbeitsmärkte angeführt
werden, tatsächlich symmetrisch wirken.14 Zweitens wird in diesem Abschnitt implizit angenommen,
dass die glaubwürdige Wechselkursfixierung an sich als neue monetäre Institution keine Auswirkungen auf die Wirkungsmechanismen (Lohnsetzungsverhalten, Regulierungsdichte) auf Arbeitsmärkten
hat. Die ausführlichen Analysen in Belke (2001a), Kapitel 2.5., 4 und 8, belegen detailliert, dass diese
13
Auch in historischer Perspektive zeigt sich, dass Länder nicht immer die Wechselkursregimes wählten, die
bestimmte Indikatoren der Wechselkursvariabilität minimieren. Andere wichtige Aspekte, wie z.B. die mittelfristig erwartete Entwicklung des realen Wechselkurses, spielten ebenfalls eine Rolle.
14
Hysteresis, aus dem Griechischen: Zurückbleiben der Wirkung hinter dem Impuls, impliziert, dass bereits
temporäre Schocks der Wechselkursunsicherheit (anstelle eines permanenten 'misalignment' des Wechselkurses) permanente Beschäftigungseffekte nach sich ziehen. Vgl. Belke, Göcke und Günther (2009).
39
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Neutralitätshypothese keineswegs zwingend zutreffend ist. Drittens ist ein Hauptargument für die Vorteilhaftigkeit der G-20, dass sie durch den Abbau von Handels- und Investitionsschranken zu mehr
realwirtschaftlicher Integration und zu mehr Wettbewerb führe (Belke, 2001a, Kapitel 4). Ob beide
Effekte jedoch mehr Beschäftigung in den G-20 schaffen werden, ist jedoch - zumindest kurzfristig nicht eindeutig. Ein verstärkter Wettbewerb und weniger Wechselkursunsicherheit könnten darüber
hinaus einige Unternehmen dazu veranlassen, ihre Produktionsstätten innerhalb der G-20-Region zu
verlagern. Dies könnte zu Verschiebungen von Investitionen innerhalb der G-20 führen. Ob diese
Wirkungskette für ein gegebenes Land per saldo zu mehr Beschäftigung führen wird, ist nicht sicher.
Viertens lässt sich auf der Basis des Insider-Outsider-Mechanismus (als ein Erklärungsmechanismus
der Arbeitsmarkt-Hysteresis) für den Fall von trotz Wechselkursfixierung unveränderten Arbeitsmarktinstitutionen argumentieren, dass die beschäftigten Insider Verbesserungen der Arbeitsmarktlage
direkt in höhere Lohnabschlüsse ummünzen. Sie würden auf diese Weise die Beschäftigungslage eher
stabilisieren, statt sie im Fahrwasser des, in diesem Kapitel identifizierten, positiven Beschäftigungseffekts entfallender Wechselkursunsicherheit zu verbessern. Um eine Realisierung dieses positiven Effektes sicherzustellen, ist jedoch eine Abkehr der Blickrichtung von den, in diesem Kapitel thematisierten, Wirkungsmechanismen auf andere oben schon angeführte und auch schon seit Langem von
internationalen Organisationen vorgeschlagene klassische Deregulierungsmaßnahmen erforderlich.
Werden in den betreffenden Ländern der G-20 trotz des hierfür zur Verfügung stehenden Spielraums
(realwirtschaftliche Renten aus dem Entfallen der Intra-G-20 -Wechselkursvolatilität) die längst überfälligen Reformen nicht durchgeführt, wird die fiktive Wechselkursfixierung auch nicht zu entscheidenden Verbesserungen der Arbeitsmarktlage beitragen können (Belke, Herz und Vogel, 2006a,b,c,
Calmfors, 2001). Vor einer Auflösung des Reformstaus ist jedoch noch das in Belke (2001a), Kapitel
4, ausführlich analysierte strategische Problem der Implementierung geeigneter Reformen, dessen
Lösung selbst vom gewählten Wechselkursregime abhängig ist, zu lösen (Belke, Herz und Vogel,
2006a,b,c, Calmfors, 2001).
Trägt man der Vielzahl der gerade genannten Einschränkungen gedanklich Rechnung, erscheint es
jedoch durchaus vertretbar, aus den in diesem Kapitel erzielten Ergebnissen die Schlussfolgerung potenzieller und partieller realwirtschaftlicher Nutzen einer glaubwürdig an Fundamentaldaten orientierten Wechselkurspolitik zwischen G-20-Ländern und der hierdurch entfallenden Intra-G-20Wechselkursunsicherheit zu ziehen.
Entscheidend für diese (theoretisch) positive Einschätzung ist, dass durch den Übergang zu glaubwürdig fixierten Wechselkursen nicht mehr der übliche Vergleich zwischen den Systemen fester und flexibler Wechselkursen einschlägig ist. Auf dieser realistischen Basis (unter Abstraktion vom für die G-
40
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
20 wegen der Heterogenität der beteiligten Volkswirtschaften irrelevanten Fall „unwiderruflich“ fixierter Wechselkurse in einer Währungsunion15) sind Entscheidungen über die relative Vorteilhaftigkeit eines Systems natürlich schwieriger zu treffen. Denn flexible Wechselkurse können eine hohe
Wahrscheinlichkeit kleiner Wechselkursänderungen und ein System fester Wechselkurse eine geringe
Wahrscheinlichkeit großer Wechselkursänderungen (möglicherweise in Verbindung mit Restriktionen
der Handels- und Kapitalströme) implizieren. Falls die Investitions- bzw. Beschäftigungsentscheidungen der Unternehmen (wie in diesem Abschnitt abgeleitet) vom zweiten Moment der Wechselkursbewegungen abhängen, ist auf der Basis einer reinen Varianzbetrachtung die Zuordnung eines relativ
niedrigeren Risikos zu Systemen fester Wechselkurse für die G-20 nicht mehr ohne weiteres möglich.
Vielmehr müssen weitere statistische Maße höherer Ordnung wie die 'Skewness' und die 'Kurtosis' der
Verteilung hinzugezogen werden (Edison und Melvin, 1990, S. 16 ff.).
Die in diesem Kapitel erzielten Ergebnisse deuten an, dass eine glaubwürdige Fixierung der Wechselkurse oder flexiblen, an Fundamentaldaten orientierte, Wechselkurse als andere Randlösung im Vergleich zum Status Quo ante, also zumeist stufenflexiblen Kursen, dem gegenwärtig als Bretton Woods
II bezeichneten Weltwährungssystem (Dooley, Folkerts-Landau und Garber, 2009), aus beschäftigungspolitischer Sicht nicht ausschließlich negativ zu beurteilen wäre. Eine ausgewogene beschäftigungspolitische Bewertung einer Wechselkursfixierung, wenn man sie trotz ihres teils spekulativen
Charakters durchführen möchte, darf nicht einseitig bleiben. Zwar ist theoretisch trotz des erheblichen
Verifizierungsproblems (u.a. das zuvor erörterte Problem der empirischen Operationalisierung des
'misalignment') nicht auszuschließen, dass erhebliche Kosten entstehen, wenn man in einem System
glaubwürdig fixierter Wechselkurse auf selten auftretende, gravierende asymmetrische Schocks nicht
mehr mit Wechselkurs-Realignments reagieren kann. Jedoch ist dies keinesfalls ein Argument, das
eine Vernachlässigung der 'Kehrseite derselben Medaille', des Nutzens der Wechselkursfixierung aus
entfallender Wechselkursvariabilität, rechtfertigen könnte.
Wie die empirischen Untersuchungen zeigten, sind auch die Beschäftigungskosten des Wechselkursregimes im Status Quo ante im Sinne einer hohen statistischen Signifikanz substanziell. Die Existenz
und Nutzung (stufen-) flexibler Wechselkurse als Anpassungsinstrumente birgt oft auch die Nachteile
höherer Wechselkursvariabilität in sich. Ein derartiges abwägendes Urteil ist angezeigt, da stufenflexible Kurse sich in der Vergangenheit zumeist nicht als hinreichend flexibel erwiesen. Sie können
sogar in Gestalt hoher Wechselkursvariabilität selbst realwirtschaftlichen Verwerfungen zugrunde
liegen. Der Fortfall flexibler Wechselkurse durch glaubwürdige Fixierung, die in der Vergangenheit
eben nicht hinreichend zur Anpassung an asymmetrische und/oder idiosynkratische realwirtschaftliche
15
Und selbst für die Eurozone scheinen zwar die Intra-EWU-Wechselkurse, aber nicht mehr die Relationen
zwischen Kursen der Staatsanleihen unwiderruflich fixiert.
41
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Schocks taugten, ist dann auch aus beschäftigungspolitischer Sicht wohl nicht ausschließlich negativ
zu bewerten (Belke und Gros, 1999).
In Bezug auf die G-20 darf aber bezweifelt werden, dass die Internalisierung der identifizierten Beschäftigungsgewinne durch Eliminierung von Wechselkursunsicherheit durch eine glaubwürdige Fixierung der Wechselkurse z.B. durch eine Währungsunion wirklich gelingt. Hierfür sind die Mitgliedsländer viel zu heterogen im Hinblick auf ihre stabilitätspolitischen Vorstellungen sowie auf ihre
realwirtschaftlichen und finanzmarktbezogenen Strukturen. Frankreichs Präsident Sarkozy als G-20Vorsitzender dürfte an einem Wechselkursarrangement interessiert sein, das den Aufwertungsdruck
auf den Euro über die mit Hysterese-Modellen berechenbare Schmerzgrenze für die europäische Beschäftigung beispielsweise des Dollar-Euro-Wechselkurses hinaus lindert (Belke, Göcke und Günther,
2009). Zu befürchten ist, dass Versuche der Umsetzung dieses Ziels durch Devisenmarktinterventionen und/oder expansive Geldpolitik in der Eurozone zu mehr Wechselkursvolatilität und weniger Beschäftigung innerhalb der G-20 führen wird.
iii. Wirkungen in der kurzen Frist: Übertragung konjunktureller Impulse und Preisentwicklungen
Als entscheidender Aspekt bei der Beurteilung von Währungsregimen steht neben den diskutierten
eher langfristigen Aspekten der Einfluss des Regimes auf die Stabilität der wirtschaftlichen Entwicklung regelmäßig im Vordergrund der Betrachtungen. In diesem Sinne sind Wechselkurssysteme und
ihre Implikationen seit langem Gegenstand der internationalen makroökonomischen Theorie. Im Folgenden soll ein knapper Überblick über die zentralen Aspekte bei der Beurteilung von Wechselkursregimen aus konjunktureller Perspektive gegeben werden. Hierzu analysieren wir zunächst die Transmissionseigenschaften von konjunkturellen Schocks und Preisentwicklungen in Abhängigkeit vom
Währungssystem und ergänzen die im Rahmen der Simulationsergebnisse hergeleiteten Aspekte durch
zusätzliche Gesichtspunkte.
Dem Grunde nach ist unbestritten, dass Wechselkurse eine entscheidende Rolle bei der Übertragung
konjunktureller Schwankungen und inflationärer Entwicklungen spielen. Zentraler Aspekt in diesem
Zusammenhang ist der durch fixierte Wechselkurse bedingte Verlust einer autonomen Geld- und
Wechselkurspolitik als Stabilisierungsinstrument. Bei fixierten Wechselkursen muss die Zentralbank
jederzeit bereit sein, im Handel mit privaten Devisenmarktteilnehmern Währungen zum festgesetzten
Kurs zu kaufen. Unter diesen Umständen führt etwa eine durch Zinserhöhungen restriktive Geldpolitik
zu erhöhten Kapitalzuflüssen ins Inland, da die inländischen Zinsen relativ zum Ausland steigen. Bei
flexiblen Wechselkursen würde sich der stärkere Kapitalzufluss aufgrund steigender Nachfrage nach
der Inlandswährung in Aufwertungsdruck auf die lokale Währung äußern. Nicht so bei einem fixierten
Wechselkurs: Die Zentralbank tauscht in diesem Fall große Mengen ausländischer Devisen gegen die
inländische Währung. Die Devisenbestände der Zentralbank steigen also an, während gleichzeitig die
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
im Umlauf befindliche Menge inländischer Währung steigt. Diese Ausweitung der Geldmenge führt
zu sinkenden Zinsen, die schließlich die ursprüngliche restriktive Geldpolitik wirkungslos machen.16
Die Geldpolitik verliert demnach in einem System fester Wechselkurse ihre Wirksamkeit und kann
nicht zur Stabilisierung der konjunkturellen Situation eingesetzt werden.17
Nicht nur die Maßnahmen der Geldpolitik selbst entfalten unterschiedliche Wirkung in Abhängigkeit
vom Wechselkursregime. Generell führt der Verlust der autonomen Geldpolitik zu teilweise unerwünschten Übertragungseffekten von außenwirtschaftlichen Entwicklungen wie Produktions- oder
Preisschwankungen auf die Binnenwirtschaft. Dabei hängen die Übertragungseffekte entscheidend
von der tieferen Ursache der in den Daten zu beobachtenden Phänomene ab. So können Konjunkturebenso wie Preisentwicklungen auf unterschiedliche Ursachen zurückgehen. Grundsätzlich zu unterscheiden sind etwa Angebots- oder Nachfrageschocks ebenso wie Impulse, die auf Veränderungen im
makropolitischen Umfeld zurückgehen (zum Beispiel eine veränderte geld- oder fiskalpolitische Position). Abhängig von der spezifischen Ursache einer etwa im Wirtschaftswachstum oder den Konsumentenpreisen zu beobachtenden Veränderung ist demnach von unterschiedlichen internationalen
Transmissionseffekten auszugehen.
Da in der Realität eine klare Trennung zwischen den die wirtschaftliche Entwicklung beeinflussenden
Schocks kaum möglich ist und zudem die Dynamik durch endogene Politikreaktionen überlagert wird,
wird in der vorliegenden Analyse ein Strukturmodell herangezogen, um die Transmissionseigenschaften makroökonomischer Entwicklungen in einem kontrollierten Umfeld zu simulieren. Die hier vorgelegte Analyse stützt sich auf das vom National Institute of Economic and Social Research (NIESR)
entwickelte NiGEM-Modell. NiGEM ist ein umfangreiches Simulations- und Prognosemodell für die
Weltwirtschaft mit typischen neu-keynesianischen Elementen wie rationaler Erwartungsbildung aufseiten der Wirtschaftssubjekte und Preis- sowie Lohnrigiditäten. Im Gegensatz zu prinzipiell nicht
unähnlichen DSGE-Modellen ist NiGEM nicht mikrofundiert, d.h., die das Modell charakterisierenden
Gleichungen werden ad-hoc formuliert und sind nicht zwingend an ein rationales Entscheidungskalkül
der Wirtschaftssubjekte gebunden. Während diese Eigenschaft im Lichte der Lucas-Kritik (Lucas,
1976) nicht unproblematisch ist, ermöglicht die hierdurch wesentlich vereinfachte Struktur des Modells eine breite und dennoch detaillierte Modellierung der Weltwirtschaft. So sind in NiGEM alle
OECD-Länder sowie zahlreiche Schwellenländer mit bis zu 130 Gleichungen abgebildet, um deren
Reaktion auf nationale und internationale exogene Schocks zu simulieren. Bei der folgenden Analyse
16
Unter der Annahme von Kapitalverkehrsbeschränkungen verzögert sich der Effekt. Zinsunterschiede sind
aber außer bei Vorliegen unterschiedlicher Risikoprämien bei festen Wechselkursen nicht haltbar.
17
Vgl. einführend auch Krugman und Obstfeld (2006), Kapitel 17.
43
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
reagieren alle modellierten Volkswirtschaften auf die betrachteten Schocks, obwohl die Ergebnisse nur
für einzelne (repräsentative) Länder berichtet werden.
Übertragung von konjunkturellen Impulsen
Wie im einleitenden Abschnitt zu diesem Kapitel skizziert hängen die Transmissionseigenschaften
konjunktureller Impulse davon ab, welche Schocks zu den beobachteten Konjunkturschwankungen
führen. Wir unterscheiden zwischen zwei idealtypischen Schocks:
1. Nachfrageschocks: Eine exogene Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage (etwa durch
steigende Staatsausgaben) führt in offenen Volkswirtschaften typischerweise sowohl zu einer
Steigerung der Nachfrage nach inländischen Produkten wie auch zu einer erhöhten Nachfrage
nach Importgütern. Entsprechend steigen durch den positiven Nachfrageschock die Exportmöglichkeiten und damit die Produktion der Handelspartner. Im Ergebnis lässt sich ein positiver Zusammenhang zwischen inländischer und ausländischer Produktion feststellen. Dabei ist das Ausmaß der Transmission vom Wechselkursregime abhängig: Bei flexiblen Wechselkursen sorgt die
steigende Nachfrage nach ausländischen Exportgütern kurzfristig zu einer Abwertung der einheimischen Währung, die im Vergleich zum Festkurssystem den Importanstieg und damit das Ausmaß der konjunkturellen Transmission dämpft.
2. Angebotsschocks: Eine exogene Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Angebots (etwa durch steigenden Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit) führt bei offenen Volkswirtschaften zu einer steigenden Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten und damit zu steigenden Exporten. Die Wirkung des Angebotsschocks auf die Produktion der Handelspartner ist à priori unbestimmt: Einerseits führt die steigende Wettbewerbsfähigkeit des Inlands zu Verdrängungseffekten auf dem
Weltmarkt, die in negativen Effekten des Schocks auf die Produktion der anderen Volkswirtschaften mündet. Andererseits führt das steigende Angebot billigerer Güter sowie steigende Importe des
Inlands (aufgrund steigender Löhne und Investitionen) zu einer positiven Übertragung des
Schocks in den Rest der Welt, sodass der Nettoeffekt eines Angebotsschocks auf die Konjunktur
der Handelspartner nicht ohne eine detaillierte Strukturanalyse zu ermitteln ist. Simulationen in
einem Makromodell, wie im Endbericht durchgeführt, können einen Einblick in die quantitative
Bedeutung der einzelnen Transmissionskanäle geben und so den Nettoeffekt des Schocks abschätzen lassen. Unabhängig hiervon ist jedoch auch im Fall des Angebotsschocks der Transmissionseffekt durch das Wechselkursregime mitbestimmt. Allerdings ist auch hier der Nettoeffekt nicht à
priori bestimmbar. Einerseits sollte bei flexiblen Wechselkursen durch die steigende Nachfrage
nach inländischen Exportgütern der Wechselkurs aufwerten, sodass es zu einer Dämpfung der
Verdrängungseffekte im Vergleich zum Fixkursregime kommt. Andererseits führt die steigende
Nachfrage nach Importgütern (aufgrund steigender Löhne und Investitionen im Inland) zu einer
gegenläufigen Abwertung der inländischen Währung, sodass der Nettoeffekt erneut unklar ist.
44
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Für unsere Simulationen in NiGEM unterscheiden wir fünf internationale Währungssysteme:
1. Global flexible Wechselkurse (weltweit flexible Wechselkurse und vollständig autonome Geldpolitik, einschließlich flexibler Wechselkurse zwischen den Euroraum-Ländern)
2. Global flexible Wechselkurse mit Währungsunion im Euroraum (d.h. autonome Geldpolitik in
Schwellenländern, gemeinsame Geldpolitik im Euroraum)
3. Status Quo-Regime (globales Mischsystem mit Währungsunion im Euroraum, Dollar-Bindung der
Währung wichtiger Schwellenländer (insbes. China und Brasilien), Euro-Bindung der osteuropäischen Volkswirtschaften, flexible Wechselkurse insbesondere zwischen Euro, britischem Pfund
und US-Dollar)
4. Fixer Wechselkurs zwischen Euro und US-Dollar (Status Quo-Regime mit Währungsunion zwischen Euro- und US-Dollar-Raum)
5. Global fixe Wechselkurse (feste Wechselkurse zwischen allen Währungen weltweit)
Für alle Regime wird eine endogene Geldpolitik unterstellt, d.h. die Zentralbanken reagieren gemäß
einer geldpolitischen Regel (Taylor-Regel) auf die durch den simulierten Schock ausgelösten Fluktuationen in Preisniveau, Produktion oder Beschäftigung. Bei den Systemen 4 und 5 wird eine supranationale Zentralbank unterstellt, die ihre Geldpolitik an den konjunkturellen Entwicklungen in der
„Transatlantischen Union“ bzw. der konjunkturellen Entwicklungen der Weltwirtschaft orientiert.18
Abbildung 2 stellt die Entwicklung der Bruttoinlandsprodukte in China, Deutschland, Großbritannien
sowie den USA in Reaktion auf einen Staatsausgabenschock in den USA dar.19 Die Höhe der Schocks
ist dabei so gewählt, dass es im Status Quo-Regime in der Spitze zu einer Abweichung des USBruttoinlandsproduktes von seinem ursprünglichen Expansionspfad in Höhe von einem Prozent käme.
Die Wirkungen des Schocks hängen dabei wie erwartet maßgeblich vom globalen Wechselkursregime
ab:
18
Es wird also in Regime 4 und 5 nicht unterstellt, dass eine nationale Geldpolitik (etwa der USA) sich an nationalen Interessen orientiert, während die übrigen Mitglieder der Währungsunion zur Fixierung des Wechselkurses vollständig auf eine autonome Geldpolitik verzichten. Dies steht im Gegensatz zu Regime 3, wo die USNotenbank einer national orientierten Geldpolitik folgt und die Schwellenländer ihre Geldpolitik zugunsten
fixer Wechselkurse aufgeben.
19
Die Darstellung weiterer Länder würde den Rahmen des vorliegenden Berichts sprengen. Die gewählten
Volkswirtschaften mögen daher stellvertretend betrachtet werden. Ergebnisse für andere Länder können auf
Anfrage bereit gestellt werden.
45
Belke Bernoth Fichtner
Deutschland (Y)
0.15
0.2
0.1
0.15
0.1
0.05
0.05
0
0
-0.05
-0.1
-0.05
-0.15
-0.2
-0.1
Q0
Q4
Q8
Q12
Q16
Q20
Q24
Q28
Großbritannien
0.2
Q0
Q4
Q8
Q12
Q16
Q20
Q24
Q28
USA
1.2
Global flexibel
0.15
1
Schwellenländer flexibel
0.1
Status quo
0.8
0.05
Euro-Dollar fix
Global fix
0
0.6
-0.05
0.4
-0.1
0.2
-0.15
-0.2
0
-0.25
-0.2
-0.3
-0.35
-0.4
Q0
Q4
Q8
Q12
Q16
Q20
Q24
Q28
Q0
Q4
Q8
Q12
Q16
Q20
Q24
Q28
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
46
Abbildung 2: Bruttoinlandsprodukte in Reaktion auf einen Nachfrageschock in den USA in Abhän-
gigkeit vom globalen Währungssystem (Abweichung von Basislinie in Prozent).
China (Y)
0.25
Belke Bernoth Fichtner
-
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Im ‚Status Quo’-Regime kann China dank steigender Exporte einen deutlichen Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes verzeichnen. Allerdings sieht sich die chinesische Zentralbank gezwungen, zur
Stabilisierung des Wechselkurses die infolge des positiven output gap in den USA restriktivere
Geldpolitik nachzuvollziehen, sodass die Binnennachfrage sinkt und einen Teil der Exportzuwächse ausgleicht. Auch in den anderen Volkswirtschaften ergeben sich kurzfristig Produktionsausweitungen durch steigende Exportmöglichkeiten, die aber im Zuge der sich aus der stark steigenden relativen Nachfrage nach den jeweiligen Währungen auf den Devisenmärkten ergebenden
Aufwertung des Euro bzw. des Pfund etwas gedämpft werden.
-
Ein anderes Bild ergibt sich, wenn ein flexibler Wechselkurs zwischen den Währungen der
Schwellenländer und dem US-Dollar angenommen wird. In dieser Situation muss China die restriktive US-Geldpolitik nicht wie im Status Quo-Regime nachvollziehen, sodass kräftig anziehende
Exporte und gleichzeitig steigende Binnennachfrage zu erheblichen Produktionszuwächsen führen. In den übrigen Volkswirtschaften ist im Vergleich zum Status Quo-Regime keine signifikante
Änderung der Ergebnisse zu beobachten.
-
Eine weitere Flexibilisierung der Wechselkurse einschließlich einer Wiedereinführung nationaler
Währungen im europäischen Wirtschaftsraum („Global flexibel“) führt ebenfalls nur zu geringen
Änderungen der Transmission des US-Nachfrageschocks in die übrigen betrachteten Volkswirtschaften. Dies liegt an der recht symmetrischen Wirkung des Schocks auf die europäischen
Volkswirtschaften, die sich darin niederschlägt, dass sich die gesamteuropäische Geldpolitik nur
wenig von der jeweiligen länderspezifischen Geldpolitik unterscheidet.
-
Erhebliche Unterschiede im Vergleich zum währungspolitischen Status Quo ergeben sich aus einer Fixierung der Wechselkurse. So führt eine Fixierung des Euro-Dollar-Kurses nach einer kurzfristig positiven Wirkung zu einer mittelfristig negativen Übertragung des Nachfrageschocks nach
Deutschland. Zwar kann Deutschland dank des fixierten Wechselkurses (und der damit wegfallenden Aufwertung des Euro) kurzfristig erhebliche zusätzliche Exporte realisieren. Gleichzeitig reagiert die euro-amerikanische Zentralbank aber mit erheblichen Zinssteigerungen auf die steigende
Produktion in den USA, die die Investitionstätigkeit und den Output im Euroraum dämpft. Mittelfristig kommt es daher zu einer negativen Übertragung des Nachfrageschocks nach Deutschland.
Mittelfristig dämpfend wirkt sich die schwächere Konjunktur im Euroraum zudem auf Großbritannien aus, das außerdem aufgrund seines in diesem Szenario flexiblen Wechselkurses den gesamten Aufwertungsdruck trägt, der sich aus der Abwertung des Dollar ergibt. Allerdings ist die
Zinssteigerung im USA-Euro-Raum in diesem Szenario nicht so ausgeprägt wie im Status QuoRegime, da sich das nun für die Zentralbank relevante Bruttoinlandsprodukt nicht so weit von seinem Gleichgewichtspfad entfernt (da die europäischen Volkswirtschaften eine weniger starke Reaktion verzeichnen). Entsprechend sind die dämpfenden Wirkungen der über den fixierten Wechselkurs auch nach China importierten restriktiveren Geldpolitik in diesem Szenario etwas geringer.
47
Belke Bernoth Fichtner
-
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Unterstellt man schließlich global fixe Wechselkurse, so reduziert sich die dämpfende Wirkung
der restriktiveren Geldpolitik in Deutschland und China weiter, da sich die Weltzentralbank geringeren Preis- und Outputwirkungen gegenübersieht (da die starken Wirkungen auf das US-BIP
bzw. die US-Inflation bei einer globalen Betrachtung relativ weniger Gewicht haben). Entsprechend sind die Auswirkungen des Schocks auf China und Deutschland in diesem Szenario positiver (bzw. weniger negativ) als im Fall des Regimes mit lediglich fixem Wechselkurs zwischen Euro und Dollar. Erheblich negativere Auswirkungen im Vergleich zum vorigen Regime stellen sich
allerdings in Großbritannien ein, das sich nun im Unterschied zu vorher ebenfalls mir einer restriktiveren Geldpolitik konfrontiert sieht.
Eine Gesamtwürdigung der Ergebnisse zur Übertragung eines Nachfrageschocks in den USA ergibt
ein differenziertes Bild. Für alle betrachteten Volkswirtschaften stellt sich der währungspolitische
Status Quo zwar insgesamt relativ günstig dar. Eine weitere Flexibilisierung im internationalen Währungssystem durch eine Lösung der fixierten Wechselkurse zwischen den USA und den Schwellenländern reduziert die konjunkturelle Volatilität in Großbritannien und Deutschland jedoch leicht, während
die Auflösung der Eurozone durch innereuropäisch flexible Währungen die Volatilität der Bruttoinlandsprodukte im Vergleich hierzu tendenziell leicht erhöht.20 Eine weitere Flexibilisierung der Wechselkurse zwischen den USA und den Schwellenländern wäre daher aus europäischer Perspektive zu
begrüßen. Dieses Ergebnis gilt jedoch nicht für China, dessen Bruttoinlandsprodukt bei flexiblem
Wechselkurs wesentlich stärker auf den Nachfrageschock aus den USA reagiert. Nur geringe zusätzliche Volatilität entstünde in den Schwellenländern durch eine engere Bindung zwischen Dollar und
Euro oder durch global fixe Wechselkurse. Dies stünde allerdings den Interessen der europäischen
Volkswirtschaften deutlich entgegen, die hierdurch erhebliche konjunkturelle Volatilität aus den USA
importieren würden.
In der Gesamtschau ist daher aus globaler Perspektive mit Blick auf Nachfrageschocks in den USA
der Status Quo die zweckmäßigste Lösung. Eine weitere Flexibilisierung der Wechselkurse hätte erheblich verstärkte Volatilität in den Schwellenländern zur Folge, während die Bildung größerer Währungsräume durch fixe Wechselkurse die Volatilität in den Industrieländern im Vergleich zum Status
Quo verstärken würde.
20
Bei der Interpretation der Simulationsergebnisse ist zu beachten, dass der gewählte positive Schock freilich
nur einen Ausschnitt der Realität abbilden kann. Nimmt man an, dass sich negative Schocks analog symmetrisch durch die Weltwirtschaft fortpflanzen, so ist beispielsweise für China die starke Reaktion des Bruttoinlandsproduktes auf den Schock in den USA keinesfalls als positiv zu bewerten. Maßstab zur Beurteilung des
globalen Währungsregimes sollten daher die Auswirkungen auf die Volatilität makroökonomischer Variablen
sein, nicht das Vorzeichen der vorgestellten Ergebnisse.
48
Belke Bernoth Fichtner
Deutschland (Y)
0.07
0.06
0.08
0.05
0.06
0.04
0.04
0.03
0.02
0.02
0
0.01
-0.02
0
Q0
Q4
Q8
Q12
Q16
Q20
Q24
Q28
Großbritannien
0.14
Q0
Q4
Q8
Q12
Q16
Q20
Q24
Q28
USA
1.2
0.12
1
0.1
0.8
0.08
0.06
0.6
0.04
0.02
0.4
Global flexibel
Schwellenländer flexibel
0
Status quo
0.2
Euro-Dollar fix
-0.02
Global fix
-0.04
0
Q0
Q4
Q8
Q12
Q16
Q20
Q24
Q28
Q0
Q4
Q8
Q12
Q16
Q20
Q24
Q28
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
49
Abbildung 3: Bruttoinlandsprodukte in Reaktion auf einen Angebotsschock in den USA in Abhän-
gigkeit vom globalen Währungssystem (Abweichung von Basislinie in Prozent).
China (Y)
0.1
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Abbildung 3 stellt die globale Reaktion auf einen Angebotsschock in den USA dar. Simuliert wird
eine Ausweitung des Angebots des Faktors Arbeit durch eine Erhöhung der Arbeitszeit pro Arbeitnehmer. Erneut wird der Schock so gewählt, dass es im Status Quo-Regime zu einer Abweichung des
US-amerikanischen Bruttoinlandsprodukts von seiner Basislinie von in der Spitze einem Prozent
kommt. Wie im Vergleich zwischen Abbildungen 2 und 3 festzustellen ist, überträgt sich der Angebotsschock weniger stark auf die Handelspartner als der betrachtete Nachfrageschock. Insgesamt
kommt es zudem zu einer positiven Übertragung des Schocks: Die durch die steigende Wettbewerbsfähigkeit der US-Produktion ausgelösten Verdrängungseffekte auf dem Weltmarkt werden offensichtlich durch die positiven Effekte überkompensiert, die die außeramerikanischen Volkswirtschaften aus
den billiger werdenden US-Produkten generieren können. Erneut hängt die Übertragung des Schocks
auf die Weltkonjunktur aber vom Wechselkursregime ab:
-
Im währungspolitischen Status Quo überträgt sich der positive US-Angebotsschock positiv auf die
mit flexiblen Wechselkursen mit dem Dollar verbundenen Industrieländer, hat aber mittelfristig
negative Wirkung auf die mit einem fixierten Wechselkurs angebundenen Schwellenländer wie
China. Der Angebotsschock verbilligt die US-amerikanischen Güter auf dem Weltmarkt und dem
heimischen Markt erheblich, sodass die europäischen Volkswirtschaften verstärkt amerikanische
Produkte importieren. Gleichzeitig dämpft die US-Notenbank den Preisverfall durch Zinssenkungen, die kurzfristig zu einer leichten Abwertung des Dollar führen. Mittelfristig führt der Angebotsschock zu einer Steigerung der Nettoexporte der europäischen Volkswirtschaften, da die erhöhte Produktivität in den USA in einer verstärkten Investitionstätigkeit mündet und daher zu
kräftigen Importen der US-Wirtschaft führt. Mittelfristig stellt die US-Notenbank jedoch angesichts des positiven ‚output-gap’ auf eine restriktivere Geldpolitik um. Die chinesische Zentralbank muss mit Zinssteigerungen einem Abfluss von Kapital in die US-Wirtschaft begegnen, der
zu einer mittelfristig starken Dämpfung der positiven Übertragung führt.
-
Die Situation stellt sich anders dar, wenn die Schwellenländer ihre fixen Wechselkurse aufgeben.
Die Übertragung auf China ist dann, nach einem kurzen aufwertungsbedingten Einbruch, dauerhaft positiv, da die mittelfristig restriktivere Geldpolitik der USA nun nicht mehr nach China übertragen wird. Die positiveren Wirkungen des Schocks auf die chinesische Volkswirtschaft verstärken im Euroraum und Großbritannien die positiven Wirkungen, die sich bereits aus der direkten
Übertragung aus den USA ergeben, sodass es insgesamt zu einer etwas stärkeren Reaktion des
deutschen und des britischen Bruttoinlandsprodukts auf den Schock in den USA kommt.
-
Eine weitere Flexibilisierung im internationalen Währungssystem durch Wiedereinführung flexibler Wechselkurse innerhalb des Euroraums führt zu einer etwas geringeren Reaktion Deutschlands
auf den Schock, da aufgrund des hohen deutschen Exportanteils in die USA die Abwertung der
deutschen Währung kräftiger ist als die Abwertung der europäischen Gemeinschaftswährung im
vorigen Szenario. Die Abwertung der deutschen Währung gegenüber den Währungen der anderen
50
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
europäischen Volkswirtschaften dämpft die Kaufkraft erheblich, sodass es mittelfristig zu einer
schwächeren Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts als im vorigen Szenario kommt.
-
Auch eine Fixierung der Wechselkurse führt zu einer veränderten Transmission des Schocks im
Vergleich zum Status Quo. So führt die Fixierung des Euro-Dollar-Wechselkurses jetzt zu einer
stärkeren positiven Übertragung des Schocks nach China, da die gemeinsame Geldpolitik in Euroraum und USA weniger restriktiv auf den Schock reagiert als die US-Zentralbank im Status QuoRegime. Die positive Übertragung des Schocks in die europäischen Industrieländer ist kurzfristig
stärker als im währungspolitischen Status Quo, da die Abwertung des Dollar, die im Status QuoRegime kurzfristig die US-Nachfrage nach europäischen Produkten dämpfte, nun nicht mehr auftritt. Mittelfristig hingegen mündet die vergleichsweise restriktive Geldpolitik in der transatlantischen Währungsunion in einer Dämpfung der positiven Übertragung. Großbritannien schließlich
kann kurzfristig nicht so stark von dem Schock profitieren, da die Abwertung des US-Dollar nun
vollständig in einer Aufwertung des britischen Pfunds resultiert. Erst mittelfristig steigen die britischen Exporte kräftig an, wenn die US-Notenbank auf eine restriktivere Politik umstellt und so eine Aufwertung des Dollar (und damit eine Abwertung des Pfunds) unterstützt.
-
Eine weitere Fixierung der Wechselkurse hin zu einem globalen System fixer Wechselkurse führt
sowohl im Vergleich zum letzten Szenario wie auch im Vergleich zum währungspolitischen Status
Quo zu einer weiteren Ausweitung der Reaktion des deutschen und des britischen Bruttoinlandsprodukts auf den US-Angebotsschock. Dies liegt erneut an der etwas weniger restriktiven Geldpolitik, die eine Weltzentralbank im Vergleich zu der transatlantischen Zentralbank des vorigen Regimes verfolgt, da das Gewicht des großen US-‚output-gaps’ eine relativ geringere Bedeutung hat.
Zusammenfassend ergibt sich ein weniger klares Bild als im Fall des Nachfrageschocks. Tendenziell
erhöht sich durch die Flexibilisierung der Wechselkurse die Persistenz des US-Angebotsschocks auf
die übrigen betrachteten Volkswirtschaften. Das Ausmaß der Abweichung vom gleichgewichtigen
Wachstumspfad wird aber durch die Wahl des globalen Währungssystems im Allgemeinen nur wenig
beeinflusst. Für Schwellenländer wie China stellt sich das Status Quo-Regime als das insgesamt wohl
günstigste System heraus, während sowohl eine weitere Flexibilisierung wie auch eine weitere Fixierung im Vergleich tendenziell höhere Variabilität des Bruttoinlandsprodukts induziert. Für EuroMitgliedsländer wie Deutschland ist der unmittelbare Effekt des Schocks zwar stärker, wenn fixe
Wechselkurse angenommen werden, dafür bewegt sich die Wirtschaft schneller wieder zurück zu ihrem Ausgangsniveau, sodass insgesamt die Volatilität geringer ist, wenn fixe Wechselkurse unterstellt
werden. Als präferiertes System aus deutscher Perspektive ist daher das Regime mit einer transatlantischen Währungsunion zu identifizieren. Dies steht allerdings den Interessen die Nicht-EWUIndustrieländer wie Großbritannien oder den USA entgegen, die in einem solchen System mit vergleichsweise hoher Volatilität konfrontiert sind und die mit einem flexibleren Weltwährungssystem
wie dem Status Quo-Regime insgesamt besser gestellt sind.
51
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Aus globaler Perspektive ist der währungspolitische Status Quo mit Blick auf exogene Angebotsschocks nicht die schlechteste aller Lösungen. Hervorzuheben ist vor allem, dass eine Flexibilisierung
des Wechselkurses zwischen US-Dollar und Schwellenländern keine stabilisierende Wirkung bei der
Übertragung von US-Angebotsschocks hat. Die Auswirkungen des Währungsregimes auf die Volatilität der Bruttoinlandsprodukte sind zwar nur gering, insgesamt ließe sich möglicherweise aber eine
leichte Stabilisierung der Konjunktur durch die Bildung einer Währungsunion zwischen USA und
Euroraum erreichen.
Übertragung von Preisschwankungen
Das klassische Experiment bei der Analyse der Wirkung von Wechselkursregimen auf das internationale Preisgefüge besteht in der Betrachtung von geldpolitischen Schocks, wie etwa einem Geldmengenschock (vgl. etwa Dornbusch, 1976). Eine expansive Geldpolitik führt bei flexiblen Wechselkursen
zu einer unmittelbaren Abwertung der inländischen Währung, da die steigende Geldmenge zu fallenden Zinsen und damit Kapitalabflüssen führt, die eine Abwertung der Währung verursachen. Die Abwertung ermöglicht den inländischen Produzenten, Preissteigerungen auf den Weltmärkten durchzusetzen, die auch im Inland zu steigenden Preisen führen. Im internationalen Wettbewerb wird die Abwertung allerdings nicht vollständig durch die Preissteigerung kompensiert werden. Während das Inland also wettbewerbsfähiger auf den Weltmärkten wird und daher Exporte und Produktion ansteigen,
können die ausländischen Nachfrager mit sinkenden Preisen dank der billiger notierenden inländischen Währung rechnen. Entsprechend sinkt im Ausland das Preisniveau. Ein positiver Geldmengenschock führt also bei flexiblen Wechselkursen im Inland zu steigenden und im Ausland zu sinkenden
Preisen. Das Bild ändert sich im Falle fixer Wechselkurse: Gemäß der ‚impossible trinity’ sind fixe
Wechselkurse bei unbeschränkter Kapitalmobilität nicht mit der oben angenommenen unabhängigen
Geldpolitik vereinbar. Bei unbeschränkter Kapitalmobilität müsste die inländische Zentralbank zur
Verhinderung der oben beschriebenen Abwertung Devisenverkäufe vornehmen, d.h. die ausländische
Währung gegen inländische Währung tauschen. Damit entzieht diese Politik der Wirtschaft die zusätzliche Geldmenge wieder, eine autonome Geldpolitik ist nicht möglich.
Neben Schocks im makropolitischen Umfeld (wie der eben beschriebene Geldmengenschock) kommen erneut Angebots- und Nachfrageschocks als Treiber der Preisschwankungen in Betracht. Im Sinne der Übersichtlichkeit beschränken wir uns in unseren Simulationen wieder auf die oben beschriebenen Ursachen makroökonomischer Fluktuationen. Die den Schocks folgenden Preisreaktionen werden im Folgenden ausführlich thematisiert.
Wir betrachten zunächst den US-Nachfrageschock. Abbildung 4 stellt die Wirkungen des Schocks in
den USA auf die globalen Inflationsraten dar, wobei der Schock nun so skaliert wird, dass die Abwei-
52
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
chung der Inflationsrate in den USA von ihrer Basislinie in der Spitze einen Prozentpunkt beträgt.21
Grundsätzlich zeigt sich, dass der US-Nachfrageschock wie erwartet zu steigenden Inflationsraten in
den USA führt, da sich die steigende Nachfrage bei nur mit Verzögerung reagierender Produktion in
Preissteigerungen niederschlägt. In Reaktion auf den Preisdruck und den positiven Output gap wird
die US-Zentralbank eine restriktivere Geldpolitik einschlagen. Da diese Politik über eine Aufwertung
des Dollar die Import- und Konsumentenpreise wieder dämpft, kommt es mittelfristig allerdings zu
einer expansiveren Politik der Federal Reserve Bank. Die Übertragung des Schocks auf die Preise in
anderen Volkswirtschaften ist erheblich durch das Wechselkursregime bestimmt:
-
Im Status Quo-Regime führt die restriktive Geldpolitik in den USA zu einer deutlichen Aufwertung des US-Dollar gegenüber den mit flexiblen Wechselkursen verbundenen europäischen
Volkswirtschaften. Entsprechend wird der Euro bzw. das britische Pfund abwerten, was sich in
steigenden Import- und Konsumentenpreisen niederschlägt. So kommt es zu einer kurzfristig steigenden Inflationsrate, erst mittelfristig kommt es aufgrund expansiverer Geldpolitik in den USA
zu einer Aufwertung und Preissenkungen. Für die mit fixem Wechselkurs an die USA angebundenen Schwellenländer wie China gilt tendenziell das Gegenteil. Um einer Abwertung gegenzusteuern, muss die chinesische Zentralbank zur Dämpfung der Kapitalabflüsse die inländischen Zinsen
erhöhen. Diese expansive Politik schlägt sich in Preissteigerungen und damit importierter Deflation in China nieder.22 Erst mittelfristig, wenn die Fed-Politik wieder expansiv wird (und damit
auch die Politik der chinesischen Zentralbank), kommt es zu einer Ausweitung des Bruttoinlandsprodukts.
-
Durch eine Flexibilisierung der Wechselkurse zwischen den Schwellenländern und den USA wird
der Deflationsimport verhindert. In Analogie zur Situation der europäischen Volkswirtschaften im
Status Quo kommt es nun auch in China zu einer Abwertung der Währung, teureren Importen und
damit einem stark steigenden Preisniveau. In den europäischen Volkswirtschaften reagiert das
Preisniveau nun nicht mehr so stark auf den Nachfrageschock in den USA, da die Abwertung der
Währung der Schwellenländer und die damit verbundenen sinkenden Importpreise für Güter aus
diesen Regionen, einen Teil der Importpreissteigerungen für Güter aus den USA kompensieren.
-
Eine weitere Flexibilisierung im internationalen Währungssystem durch Wiedereinführung nationaler Währungen im Euroraum hat nur geringe Implikationen für die Preisentwicklungen in China
und Großbritannien nach einem Nachfrageschock in den USA. Für Deutschland ist eine geringere
21
Die Abbildungen in diesem Abschnitt beruhen damit letztlich auf anderen Schocks als die Abbildungen im
vorigen Abschnitt. Vergleichbarkeit der Ergebnisse ist daher nur begrenzt gegeben.
22
NiGEM gestattet keine Sterilisierung der Wechselkurspolitik.
53
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Volatilität der Inflationsraten in diesem Szenario festzustellen, da die deutsche Zentralbank restriktiver auf die anziehenden Preise reagiert als die Europäische Zentralbank des vorigen Szenarios.
-
Umgekehrt führt eine Fixierung des Wechselkurses zwischen USA und Euroraum nach dem
Schock zu wesentlich geringeren Preissteigerungen im Euroraum, da die Abwertung des Euro und
damit auch der Anstieg der Importpreise weniger stark ausfällt. Zwar kommt es mittelfristig aufgrund der Mehrnachfrage nach Gütern auf dem Weltmarkt zu Preissteigerungen, diese fallen aber
weniger stark aus als im Status Quo-Szenario. Die Wirkungen der restriktiven US-Geldpolitik auf
China wird durch die Euro-Dollar-Bindung allerdings etwas gemildert, da die transatlantische
Zentralbank weniger stark auf den Schock reagiert als bei nationaler Geldpolitik. Lediglich für
Nicht-Euro-Länder wie Großbritannien kommt es nun aufgrund abwertender Währungen zu Import- und damit Konsumentenpreissteigerungen, die sich in einer positiven Abweichung der Inflationsrate vom Status Quo-Regime niederschlagen. Allerdings führen die erheblichen Produktionssteigerungen (vgl. auch Abbildung 2), die mit der Abwertung einhergehen, zu Preissenkungen der
im Inland produzierten Güter, sodass der Effekt der höher werdenden Importgüter zum Teil kompensiert wird und die Abweichung der Inflationsrate von der Basislinie mittelfristig geringer als
im währungspolitischen Status Quo ausfällt.
-
Eine vollständige globale Fixierung der Wechselkurse schließlich führt weltweit etwas stärkeren
Effekten in Reaktion auf den US-Nachfrageschock, da die Welt-Zentralbank eine weniger restriktive Politik als eine autonome US- oder transatlantische Zentralbank verfolgt. Mittelfristig führt
die stark fallende Produktion (aufgrund der im Vergleich zum System flexibler Wechselkurse immer noch recht restriktiven Politik) in Großbritannien allerdings zu fallenden Preisen und einer
negativen Übertragung des Schocks.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der währungspolitische Status Quo nicht das ideale Währungssystem in Bezug auf die Übertragung nachfrageinduzierter Preisschwankungen darzustellen
scheint. Die Schwellenländer würden stabilere Inflationsraten insbesondere in einem Regime mit
transatlantischer Währungsunion erreichen. Für die europäischen Volkswirtschaften wie Deutschland
oder Großbritannien scheint hingegen eine weitere Flexibilisierung der Wechselkurse mit Blick auf die
Wirkung exogener Nachfrageschocks auf die inländischen Preise wünschenswert. Dies führt zwar
kurzfristig zu vergleichsweise starker Übertragung von Preisschwankungen, scheint aber mittelfristig
am ehesten mit geringer Volatilität der Inflationsraten vereinbar zu sein.
54
0.2
0.4
0.15
0.3
0.1
0.2
0.05
0.1
0
0
-0.05
-0.1
-0.2
-0.1
Q0
Q4
Q8
Q12
Q16
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Q24
Q28
Großbritannien
0.3
Q0
Q4
Q8
Q12
Q16
Q20
Q24
Q28
USA
1.4
Global flexibel
1.2
Schwellenländer flexibel
0.2
1
Status quo
Euro-Dollar fix
0.8
Global fix
0.1
0.6
0.4
0
0.2
-0.1
0
-0.2
-0.2
-0.4
-0.3
-0.6
Q0
Q4
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Q0
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Q28
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
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Abbildung 4: Inflationsraten in Reaktion auf einen Nachfrageschock in den USA in Abhängigkeit
Deutschland (Infl)
0.25
0.5
Belke Bernoth Fichtner
vom globalen Währungssystem (Abweichung von Basislinie in Prozentpunkten).
China (Infl)
0.6
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Aus globaler Perspektive dürfte so das Regime mit einer transatlantischen Währungsunion zu präferieren sein, während sowohl global flexible Wechselkurse als auch global fixe Wechselkurse nicht mit
Preisstabilisierung vereinbar sind.
Abbildung 5 stellt die Wirkungen des US-Angebotsschocks auf die globalen inflationären Entwicklungen dar. Wie erwartet führt der Angebotsschock zu sinkenden Preisen in den USA. Darauf reagiert
die US-Zentralbank mit einer expansiven Politik (d.h. Zinssenkungen). Mittelfristig stellt die Zentralbank angesichts des positiven output gaps sowie wieder steigender Preise auf eine restriktivere Politik
um. Die Übertragung des Schocks auf die Handelspartner hängt erneut maßgeblich vom Wechselkursregime ab:
-
Im währungspolitischen Status Quo führen das sinkende Preisniveau in den USA sowie die expansive Geldpolitik zu einer erheblichen Abwertung des US-Dollar. Flexible Währungen wie Euro
oder Pfund werten entsprechend auf, es kommt zu fallenden Import- und damit Konsumentenpreisen. In den mit einem festen Wechselkurs mit dem Dollar verbundenen Schwellenländern kommt
es hingegen kurzfristig zu Preiserhöhungen (importierte Inflation), da die zur Verhinderung von
Kapitalimporten erforderlichen Zinssenkungen der Notenbanken expansiv wirken. Mittelfristig
fallen die Preise aufgrund der expansiv werdenden US-Geldpolitik erheblich, es kommt also zu
importierter Deflation.
-
Starke Preisänderungen in den Schwellenländern können erneut durch eine Flexibilisierung des
Wechselkurses verhindert werden. Analog zu den übrigen Ländern kommt es dann auch in China
zu leichten Preissenkungen aufgrund der Abwertung des US-Dollar. Die Flexibilisierung des
Wechselkurses zwischen den Schwellenländern und den USA hat aber auch erhebliche Auswirkungen auf die Preisreaktion in den europäischen Volkswirtschaften. Der (negative) Preisdruck
fällt im Vergleich zum Status Quo-Regime erheblich geringer aus. Ursächlich hierfür ist in erster
Linie, dass sich ein Teil der Dollar-Abwertung nun gegenüber den Schwellenländern entlädt, sodass die deutschen und britischen Importpreise nicht in dem Maße fallen wie im Status QuoRegime.
-
Eine weitere Flexibilisierung der Wechselkurse einschließlich der Einführung nationaler Währungen innerhalb des Euroraums führt zu einer verstärkten negativen Übertragung der aus dem USAngebotsschock folgenden Preisreaktionen auf Deutschland, da die deutsche Währung aufgrund
der relativ hohen Exportquote in die USA deutlich stärker gegenüber dem Dollar aufwerten würde
als die europäische Gemeinschaftswährung. Im Ergebnis fallen die deutschen Importpreise deutlich stärker als im Umfeld der Europäischen Währungsunion und es kommt zu deutlicheren deflationären Wirkungen des US-Angebotsschocks in Deutschland. In den Schwellenländern sowie in
Großbritannien ist keine wesentliche Änderung im Vergleich zum vorigen Szenario feststellbar.
56
Deutschland (Infl)
0.03
0.02
0.05
0.01
0
0
-0.05
-0.01
-0.02
-0.1
-0.03
-0.15
-0.04
-0.2
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Q0
Q4
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Q16
Q20
Q24
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Großbritannien
0.1
Q0
Q4
Q8
Q12
Q20
Q24
Q28
USA
0.4
0.08
Q16
0.2
0.06
0
0.04
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0.02
-0.4
0
-0.6
-0.02
Global flexibel
Schwellenländer flexibel
-0.8
-0.04
Status quo
Euro-Dollar fix
-1
-0.06
-0.08
Global fix
-1.2
Q0
Q4
Q8
Q12
Q16
Q20
Q24
Q28
Q0
Q4
Q8
Q12
Q16
Q20
Q24
Q28
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
57
Abbildung 5: Inflationsraten in Reaktion auf einen Angebotsschock in den USA in Abhängigkeit
Belke Bernoth Fichtner
vom globalen Währungssystem (Abweichung von Basislinie in Prozentpunkten).
China (Infl)
0.1
Belke Bernoth Fichtner
-
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Auch eine Fixierung des Wechselkurses zwischen Euro und Dollar führt in den Schwellenländern
im Vergleich zum Status Quo-Regime zu einer Stabilisierung der Preise, da der kurzfristige Aufwertungsdruck auf die lokalen Währungen, der aus dem US-Angebotsschock resultiert, nun auch
durch Zinssenkungen im Euroraum aufgefangen wird. Entsprechend ist das Ausmaß der importierten Inflation in den Schwellenländern geringer als im Fall eines flexiblen Euro-Dollar-Kurses. Dagegen steigen nun auch im Euroraum kurzfristig die Preise in Reaktion auf den Angebotsschocks
in den USA, da der fixe Wechselkurs zu importierter Inflation führt. Mittelfristig überwiegt die
expansive Politik in der Währungsunion und treibt die Preise nach oben. In Großbritannien
schließlich fallen die Importpreise kräftig, da die Abwertung der US-Euro-Gemeinschaftswährung
nun vollständig auf der britischen Währung lastet. Daher kommt es in Großbritannien kurzfristig
zu erheblichen Preissenkungen. Erst mittelfristig dämpft der Aufwertungsdruck, der sich aus der
wieder restriktiveren Geldpolitik der transatlantischen Notenbank ergibt, die Preise in Großbritannien.
-
Eine globale Fixierung der Wechselkurse schließlich führt aufgrund der weniger expansiven
Geldpolitik der Weltzentralbank auch in den übrigen Volkswirtschaften zu weniger stark steigenden Preisen oder, im Euroraum, sogar zu einem Preisverfall (aufgrund der steigenden Menge angebotener Güter). Mittelfristig steigen die Preise wieder, wenn die Zentralbank auf den Preisverfall mit einer expansiveren Politik reagiert.
Erneut erweist sich der währungspolitische Status Quo damit nicht als das ideale Währungssystem zur
Dämpfung der Übertragung inflationärer Entwicklungen, die auf Angebotsschocks zurückgehen. Für
die Schwellenländer würde eine erhebliche Stabilisierung aus einer globalen Flexibilisierung der
Wechselkurse erwachsen. Dieses Regime wäre auch aus britischer Perspektive mit der stärksten Stabilisierungswirkung verbunden. Auch für Euroländer wie Deutschland wäre eine weitere Flexibilisierung der Wechselkurse insbesondere zwischen Schwellenländern und den USA wohl das wünschenswerte Regime, wobei eine Auflösung der Währungsunion im Euroraum tendenziell die Volatilität der
Preise erhöht.
Zusammenfassend ergibt sich so aus globaler Perspektive mit Blick auf die Preiswirkungen von USAngebotsschocks relativ klar das Ergebnis, dass eine Flexibilisierung des Wechselkurses zwischen
Schwellenländern und Dollarraum zu geringerer Volatilität der Inflationsraten führt.
Zusammenfassung und Ergänzungen
Tabelle 7 fasst die Ergebnisse der Simulationen noch einmal zusammen. In der Gesamtbewertung der
Simulationsergebnisse scheint der Status Quo des internationalen Währungssystems (Regime 3) tatsächlich die zweckmäßigste Lösung mit Blick auf dessen Stabilisierungseigenschaften darzustellen.
Während aus der Perspektive der Schwellenländer und der Euro-Mitgliedsländer tendenziell eine stärkere Stabilisierung der Wechselkurse anstrebenswert ist (insbesondere eine Fixierung des Wechselkur58
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
China
Deutschland
Großbritannien
USA
3/4/5
3/1/2
2/1/3
3/1/2
3
4
3/2/1
3/1/2
Nachfrage → Infl.
3/4
4
1/2/3
3/1/2
Angebot → Infl.
1/2
2/1/3
1/2/3
3/1/2
Gesamtbewertung
3/4
4/3
2/1
3/1/2
Nachfrage → BIP
Angebot → BIP
Tabelle 7: Ideales Währungssystem zur Stabilisierung gegenüber dem jeweiligen Schock in den
USA (zur Nummerierung vgl. S. 45).
ses zwischen den USA und dem Euroraum, Regime 4), ist aus Sicht der Nicht-Euro-Industrieländer
tendenziell eine weitere Flexibilisierung der Wechselkurse, insbesondere zwischen den USA und den
Schwellenländern (Regime 2) oder sogar zwischen den Mitgliedsländern des Euroraums (Regime 1)
wünschenswert. Insbesondere die vollständige Flexibilisierung der Wechselkurse stünde allerdings
den Interessen der Schwellenländer relativ deutlich entgegen, sodass das Status Quo-Regime auch mit
Blick auf die politische Umsetzbarkeit die zweckmäßigste Lösung darstellen dürfte.
Neben den diskutierten Aspekten hat die Wahl des internationalen Währungssystems konjunkturelle
Implikationen, die sich im Rahmen einer rigiden Modellstruktur wie NiGEM nur begrenzt abbilden
lassen. Neben der offensichtlichen politischen Dimension, die jegliche Form monetärer Integration
und die damit verbundene Aufgabe nationaler Souveränität in geldpolitischer Hinsicht hat, werden in
der Literatur vielfach Aspekte thematisiert, die sich auf den Wegfall von Unsicherheiten durch die
Fixierung von Wechselkursen beziehen.23 Während der Verlust geldpolitischer Autonomie, der mit der
Fixierung von Wechselkursen einhergeht, wie auch aus den Simulationsergebnissen teilweise ersichtlich tendenziell mit höherer Volatilität von Preisen und Produktion einhergeht, führt der Wegfall flexibler Wechselkurse auf den internationalen Güter- und Kapitalmärkten zu steigender internationaler
Integration. Ursächlich hierfür ist in erster Linie die Kostenersparnis durch die Reduktion von Transaktionskosten, die für die Absicherung und Abwicklung von internationalen Geschäften anfallen. Zudem führt die Fixierung von Wechselkursen zu steigender internationaler Preistransparenz, die aufgrund wettbewerbsfördernder Effekte zu Wachstumssteigerungen führen dürfte. Aus konjunktureller
Perspektive von größerer Bedeutung ist allerdings die mit der Fixierung von Wechselkursen einhergehende Reduktion von Unsicherheit in Bezug auf zukünftige Wechselkursentwicklungen. Bei als risi-
23
Vgl. umfassend hierzu etwa Fichtner (2008).
59
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
koavers anzunehmenden Wirtschaftssubjekten schlägt sich diese Reduktion von Unsicherheit in sinkenden Risikoprämien auf international gehandelte Güter und Kapitalströme nieder. Hieraus ergibt
sich eine verbesserte internationale Allokation von Ressourcen sowie eine intensivierte internationale
Risikostreuung von Kapitalanlagen, die eine Stabilisierung von Haushalteinkommen und daher – bei
risikoscheuen Wirtschaftssubjekten – höhere Wohlfahrtsniveaus ergeben. Auch die Stabilisierung von
Haushaltseinkommen durch den Wegfall des Wechselkurseffektes auf internationale Kapitaleinkommen dürfte sich in steigender Wohlfahrt der Wirtschaftssubjekte niederschlagen.
iv. Krisenfestigkeit: Wechselkursregimes und Übertragung monetärer Liquidität
“In a world where capital is increasingly mobile […], it is important to consider the extent to which
changes in monetary conditions in one major country may be associated with changes in monetary
and financial conditions elsewhere.” (Baks und Kramer, 1999, S. 3)
Motivation
Der starke Anstieg der internationalen Finanzmarktintegration zählt zu den bemerkenswertesten weltwirtschaftlichen Aspekten der letzten Jahrzehnte. In den letzten Jahren stiegen die Kapitalflüsse zwischen den Volkswirtschaften besonders dramatisch an. Ein häufig verwendetes Maß der Finanzmarktglobalisierung ist die Summe der Bestände ausländischer Vermögensbestände und -verbindlichkeiten
in Prozent des nominalen BIP. Nach Lane und Milesi-Ferretti (2007, S. 234) belief sich dieses Verhältnis für Industrieländer Anfang der 70er Jahre auf 45%. 1987 entsprachen die ‚cross-border holdings’ etwa 100% des nominalen BIP. Seit Mitte der 90er Jahre beschleunigte sich der Prozess der
Finanzmarktglobalisierung deutlich und erreichte 1998 200% und im Jahr 2004 300%. Als Folge können selbst moderate Änderungen der grenzüberschreitenden Portfolio-Allokation zu riesigen internationalen Kapitalflüssen führen.24 Angesichts der von der ganzen Welt verfügbaren Kapital-Pools sind
die Volkswirtschaften längst nicht mehr alleine von nationalem Kapital abhängig wie vom ‚FeldsteinHorioka’ Puzzle suggeriert (Feldstein und Horioka, 1980).
Paradoxerweise wurden trotz der dramatischen Vertiefung der internationalen Finanzmarktintegration
die Auswirkungen globaler monetärer Liquidität bei der Beurteilung der Krisenfestigkeit spezifischer
Wechselkursregime bis vor Kurzem vergleichsweise wenig von der Forschung behandelt.25 Einige
Studien betrachten die Auswirkungen der Wahl des Wechselkursregimes auf die Wahrscheinlichkeit
24
Die zentralen Treiber der Finanzmarktglobalisierung sind wohlbekannt. Siehe Rajan (2005), S. 5f.
Man könnte anführen, dass schon die Debatte um Währungssubstitution der 1970er und 1980er Jahre ein
frühes Beispiel für die Analyse globalen Geldes und dessen Auswirkungen auf nationale Größen darstellt. Allerdings wurde damals die allgemeine Frage der Abschirmung der eigenen Wirtschaft gegen externe monetäre
Effekte durch flexible Wechselkurse erörtert. Als klassisches Beispiel sei auf McKinnon (1982) verwiesen. Finanzmarktglobalisierung, stetiges Wachstum grenzüberschreitenden Kapitalströme und die Auswirkungen für
Zentralbanken spielten zu der Zeit jedoch noch keine Rolle und wurden nicht weiter behandelt..
25
60
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
spekulativer Attacken in Abhängigkeit von dem Grad der Liberalisierung des Kapitalverkehrs (Cukierman, 2004, und Esaka, 2010). Im Querschnittsbereich Globalisierung und Geldpolitik lag der
Schwerpunkt aber vor allem auf realwirtschaftlichen Zusammenhängen und Themen wie der Phillipskurve. Dabei zeigt die Mehrzahl der Untersuchungen, dass der positive Zusammenhang zwischen
Output und Inflation mit der Ausweitung des internationalen Handels und der damit einhergehenden
Spezialisierung der Länder schwächer geworden ist. Als Beispiele seien hier die Arbeiten von Galí
und Monacelli (2005), Batini, Jackson und Nickell (2005) und Benati (2007) genannt. Demgegenüber
stellt Rogoff (2006) heraus, dass der erhöhte Wettbewerb auf den Güter- und Faktormärkten die Position nationaler Unternehmen und Gewerkschaften schwächt. Daraus ergeben sich eine höhere Flexibilität von Preisen und Löhnen, eine geringere natürliche Arbeitslosenquote und eine steilere Phillipskurve. Borio und Filardo (2007) ergänzen die Spezifikation der Phillipskurve um verschiedene Indikatoren für weltwirtschaftliche Wachstumshemmnisse (‚global slack’) und zeigen, dass nationale Inflationsraten vom globalen Wirtschaftszyklus beeinflusst werden. Demzufolge sollten Zentralbanken verstärkt die Entwicklung der weltwirtschaftlichen statt lediglich die der einheimischen Produktionslücke
beachten. Dies macht das „Gleiten“ auf der inländischen Phillipskurve natürlich schwieriger und wirft
aus der Sicht nationaler Regierungen die Frage auf, welches Wechselkursregime ihnen einen größeren
Spielraum hierfür erhält.
Ein Hauptgrund für die geringe Berücksichtigung globaler monetärer Liquidität bei der Beurteilung
verschiedener Wechselkursregimes könnte in der Sichtweise des klassischen Trilemmas liegen, nach
dem eine Volkswirtschaft nur zwei der folgenden drei Politikvariablen eigenständig setzen kann
(Bernanke, 2005b, S. 1f.): 1. freien internationalen Kapitalverkehr, 2. feste Wechselkurse und 3. autonome Geldpolitik. Demzufolge haben die großen Industrienationen schon seit Längerem feste Wechselkurse zugunsten der anderen Ziele aufgegeben. Ein System flexibler Wechselkurse sollte dann eigentlich ausreichend Abschirmung gegenüber nominalen Schocks in Form von monetären Übertragungseffekten und unerwartetem Verhalten ausländischer Zentralbanken bieten und so zu weniger
externer Krisenanfälligkeit führen. Denn nicht zuletzt die vergangene Finanzkrise hat verdeutlicht,
dass global vagabundierende Liquidität ein bedeutender Krisenauslöser war und eine erfolgreiche Abschottung dagegen somit ein wichtiges Kriterium zur Wahl eines geeigneten Wechselkursregimes
darstellt (Belke 2008, Belke und Schnabl 2010a).
In letzter Zeit wurde diese Lehrbuchsicht des Trilemmas jedoch durch empirische Studien infrage
gestellt. So zeigen Rüffer und Stracca (2006) beispielsweise, dass länderübergreifende gemeinsame
monetäre Störungen (in stochastischen Modellen ‚disturbances’ genannt) die Entwicklung makroökonomischer Variablen in der EWU merklich beeinflussen. Belke, Orth und Setzer (2010) stellen die
Bedeutung globaler Liquiditätsschocks für die Weltwirtschaft heraus. Sowohl Konsumenten- als auch
Hauspreise in den Ländern der OECD werden von der Entwicklung des internationalen Geldes beeinflusst. Globale monetäre Übertragungseffekte lassen sich empirisch ebenfalls für Rohstoffpreise bestä61
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
tigen (Belke, Bordon und Hendricks 2010a,b). Dabei deuten lang anhaltende Abweichungen von fundamental gerechtfertigten Bewertungen darauf hin, dass Wechselkurse keinen vollständigen Schutz
vor der monetären Entwicklung im Ausland bieten. Überhaupt gelten die Ergebnisse keinesfalls nur
für feste Wechselkurse. Im Gegenteil: Sie wurden unter anderem für G7-Länder erzielt, die eher ein
System zumindest de jure flexibler Wechselkurse verfolgen. Ein weiterer Bereich der Literatur stellt
auf die Frage ab, ob sich globales Geld als Vorlaufindikator für Preiszyklen in den Märkten für Vermögensgegenstände eignet. Nach Alessi and Detken (2009) sind sowohl die globale M1-Lücke, als
auch die globale Lücke bei Privatkrediten diesbezüglich aussagekräftig.
Im Folgenden sollen die Existenz eines globalen Geldmarktes und dessen Bedeutung für makroökonomische und finanzielle Variablen auf nationaler sowie internationaler Ebene empirisch untersucht
werden. Dieser Ansatz impliziert nicht, dass eine nationale Betrachtungsweise von Transmissionsmechanismen irrelevant sei. Vielmehr soll der gewählte globale Ansatz zusätzliche Aspekte aufzeigen,
die einer auf die nationale Ebene beschränkten Analyse nicht zugänglich sind (Belke und Orth 2007,
S. 9). Wenn die Änderungen in den monetären Aggregaten länderübergreifend von einem gemeinsamen Faktor – z.B. der Finanzmarktglobalisierung – beeinflusst werden, dann verringert dies die Bedeutung nationaler Besonderheiten für das Handeln der Zentralbanken. Unterschiede in den länderspezifischen wirtschaftlichen Strukturen, Institutionen und Politikansätzen werden weniger relevant.
Die folgenden Abschnitte beschäftigen sich mit der Bedeutung monetärer Übertragungseffekte in verschiedenen makroökonomischen Modellen offener Volkswirtschaften in Abhängigkeit vom Wechselkurs(regime). Die Darstellung knüpft an die Darstellung der Transmissionseigenschaften von konjunkturellen Schocks und Preisentwicklungen in Abhängigkeit vom Währungssystem in Abschnitt 1.b.iii
an. Sie konzentriert sich auf die in der währungspolitischen Debatte prominent verwendeten Konzepte
und dabei besonders auf den Zusammenhang mit internationalen Kapitalflüssen. Die Analyse erlaubt
eine Beurteilung verschiedener Wechselkursregime im Hinblick auf ihre Festigkeit gegenüber Krisen,
die durch globale Liquiditätsübertragungen getrieben werden. Um mit Frankel, Schmukler und Servén
(2004), S. 706, zu sprechen: “Exchange rate flexibility produces a decentralized world monetary system where each country faces the consequences of its own monetary responsibility or irresponsibility
rather than having to live with each others’ mistakes.”
Monetaristischer Ansatz
Der Monetarismus trifft eine klare Unterscheidung zwischen monetären Übertragungseffekten unter
festen und flexiblen Wechselkursen.
In einem System fester Wechselkurse muss die Zentralbank den Außenwert der Währung stabil halten.
Eine unabhängige Geldpolitik auf nationaler Ebene ist somit unmöglich (Belke und Rees 2009). Zur
Verdeutlichung soll das Beispiel einer dauerhaften Erhöhung des Geldangebots durch die Zentralbank
in Land A dienen. Da das Geldangebot in A dann die einheimische Geldnachfrage überschreitet, ergibt
62
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
sich ein Abfluss von Geld über die Zahlungsbilanz mit Land B. Dem entsprechenden Zahlungsbilanzdefizit muss dort ein Überschuss gegenüberstehen, der Wert der Währung von A relativ zu der von B
sinkt. Ein Eingreifen der Zentralbank von B bedeutet nun, dass sie Währung von A gegen eigene Währung tauschen muss und folglich deren Angebot ebenfalls erhöht. Durch die Übertragung des ursprünglichen Schocks ergibt sich eine einheitliche Inflationsrate in den beiden Volkswirtschaften.
Die Fixierung der Wechselkurse durch die Zentralbanken bedeutet also, dass in- und ausländische
Währung als vollständige Substitute gesehen werden können. Das Gleichgewicht auf den Geldmärkten
ist länderübergreifend durch eine einzige Gleichung gekennzeichnet, nach der das globale Geldangebot gleich der globalen Geldnachfrage sein muss. Die internationale Verteilung des Geldangebots
ergibt sich endogen entsprechend der jeweiligen Geldnachfrage (Belke und Rees 2009).
Ein System flexibler Wechselkurse beseitigt diese Ursache monetärer Verflechtungen und schirmt das
nationale Geldangebot von der monetären Entwicklung im Ausland ab. Zentralbanken müssen nicht
mehr an den Devisenmärkten einschreiten, um den Wechselkurs ihrer Währung stabil zu halten. Folglich sind Währungen angebotsseitig nicht als Substitute zu betrachten, was den Nettoabfluss von Geld
in andere Länder verhindert und für eine immer ausgeglichene Zahlungsbilanz sorgt. Nationales Geld
ist ein „nicht-handelbares“ Gut, dessen relativer Preis, also der Wechselkurs, sich frei auf den Devisenmärkten ergibt (Frenkel und Razin 1987, S. 34). Im Gegensatz zu einem System fester Wechselkurse kann das Geldangebot in jedem Land exogen durch die jeweiligen Zentralbanken kontrolliert
werden. Unter der Annahme einer stabilen, von externen Faktoren unbeeinflussten Geldnachfrage
ergibt sich die Inflationsrate eines Landes allein aus der dort verfolgten Geldpolitik. Die Wechselkurse
bewegen sich frei entsprechend der Schwankungen des relativen Geldangebots der Länder, was wiederum die Ausgeglichenheit der Zahlungsbilanzen gewährleistet.
Diesen „Mechanismus“ illustrieren folgende drei Gleichungen, die Grundbaustein des monetaristischen Modells einer offenen Volkswirtschaft sind (Rees 2011a):
(1)
PA = R × PB
mit PA als inländischem Preisniveau (Land A), PB als ausländischem Preisniveau (Land B) und R als
Kassawechselkurs in Einheiten inländischer Währung pro Einheit ausländischer Währung,
(2)
MA
M
= LA (iA , YA ) und B = LB (iB , YB )
PA
PB
mit M A ( M B ) als inländischem (ausländischem) Geldangebot, L A ( LB ) als inländischer (ausländischer) Geldnachfrage, i A ( iB ) als inländischem (ausländischem) Zinssatz und YA ( YB ) als inländischem (ausländischem) BIP und
63
Belke Bernoth Fichtner
(3)
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
 dR 
iA − iB = E  t  und E [ Rt +1 ] = Rt f ,
 dt 
mit Rt als Devisenkassakurs und Rt f als Devisenterminkurs, jeweils zum Zeitpunkt t .
Gleichung (1) steht für das Gleichgewicht am Gütermarkt. Gemäß der Kaufkraftparitätstheorie (kurz
KKP) entspricht der Wechselkurs R den relativen Preisniveaus der Länder A und B. Der Wert der
Währung von A fällt relativ zum Wert der Währung von B, wenn das Preisniveau in A steigt. Gleichung (2) steht für das Gleichgewicht im in- und ausländischen Geldmarkt. Im Gegensatz zum System
fester Wechselkurse gibt es nun zwei nationale Gleichgewichte statt eines einzigen globalen Gleichgewichts.
kurs R =
Gleichungen
(1)
und
(2)
ergeben
zusammen
den
Gleichgewichtswechsel-
M A ⋅ LB (iB , YB )
. Dieser bestimmt sich also aus relativem Angebot und relativer Nachfrage der
M B ⋅ LA (iA , YA )
beiden Währungen. Unter der Annahme einer stabilen Geldnachfrage in den betrachteten Volkswirtschaften sind Verwerfungen an den Devisenmärkten typischerweise das Ergebnis sprunghafter Änderungen im Geldangebot der Länder und somit des geldpolitischen Regimes. Gleichung (3) ist als internationaler Fisher-Effekt (Fisher Open) bekannt und zeigt das Kapitalmarktgleichgewicht unter der
Annahme ungedeckter Zinsparität. Die Zinsdifferenz i A − iB entspricht der erwarteten Änderungsrate
des Wechselkurses. Überdies soll der aktuelle Terminkurs als unverzerrter Schätzer des zukünftigen
Kassakurses dienen (Rees 2011a).
Damit ergibt sich aus dem internationalen Fisher-Effekt eine direkte Verbindung zwischen erwarteten
Änderungen im geldpolitischen Regime und Fluktuationen der aktuellen Wechselkurse (McKinnon
1981, S. 548). Beispielsweise führt die Erhöhung des Geldangebots in A dort zu erhöhten Inflationserwartungen und steigenden Zinsen. Daraus folgt eine erwartete Abwertung der Währung A, die Ausweitung des Geldangebots in A wirkt sich also nicht auf die Inflation in B aus. Der reale Wechselkurs
bleibt wegen der geforderten Kaufkraftparität bei komplett flexiblen Preisen unverändert. Aus unterschiedlicher Geldpolitik resultierende monetäre Übertragungseffekte sind demzufolge nicht möglich.
Wichtiges Ergebnis dieser Betrachtung ist die Feststellung, dass nach monetaristischer Theorie die
Übertragung monetärer Ungleichgewichte zwischen Ländern nur „indirekt“ geschehen kann. Schocks
im Geldangebot lösen eine Anpassung der Zinsdifferenzen und der nominalen Wechselkurse aus. „Direkte“ Übertragungseffekte zwischen den aus- und inländischen monetären Aggregaten sind ausgeschlossen. Der sich frei bewegende nominale Wechselkurs dient als Puffer und schirmt ein Land vollständig von nominalen Schocks im Ausland ab. Ein System flexibler Wechselkurse ist im Hinblick auf
die Krisenfestigkeit des Regimes die geeignete Wahl. Trotz internationalen Kapitalverkehrs ist die
nationale Geldpolitik unabhängig (wie im klassischen Trilemma). Zentralbanken müssen sich international also nicht abstimmen, ihre Geldpolitik orientiert sich an nationalen Gegebenheiten. Die inländi-
64
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
sche Geldmenge sollte im Sinne einer geringen Volatilität der Wechselkurse stabil gehalten werden
(Rees 2011a).
Hinsichtlich dieser Bewertung internationaler monetärer Übertragungseffekte und der uneingeschränkt
positiven Beurteilung flexibler Wechselkursregimes erscheinen jedoch insbesondere die folgenden
fünf Aspekte des monetaristischen Ansatzes aus theoretischen sowie empirischen Erwägungen heraus
als kritikwürdig.26 Erstens scheint das Geldangebot nicht vollständig exogen und durch die Zentralbank kontrollierbar zu sein. Zweitens könnte die Geldnachfrage nicht nur von inländischen, sondern
auch von ausländischen Faktoren beeinflusst werden (Währungssubstitution). Drittens deutet z.B. das
sogenannte ‚forward premium puzzle’ auf eine empirisch eingeschränkte Gültigkeit des internationalen
Fisher-Effekts hin. Viertens sind die Güterpreise nicht vollständig flexibel, da Firmen mit Anpassungskosten konfrontiert sind und sich Löhne nur schwer senken lassen. Wenn sich die Preise jedoch
nur langsam ändern, führen monetäre Verwerfungen in Land A aber möglicherweise zu Änderungen
der realen Größen in Land B – selbst bei vollständig flexiblen Wechselkursen. Fünftens könnte die
genaue Art des Schocks eine wichtige Rolle für den internationalen Transmissionsprozess spielen,
wenn die Marktteilnehmer wegen unvollständiger Informationen nicht zwischen autonomen Änderungen (‚Disturbances’) der Geldangebotsmengen und einer Anpassung des Geldmengenziels der Zentralbank unterscheiden können (Rees, 2011a). Diese fünf Punkte bzw. Relativierungen werden in den
folgenden Abschnitten theoretisch ausführlicher diskutiert.
Währungssubstitution
Aus dem Ausbleiben von Zentralbankinterventionen an den Devisenmärkten und der daher nicht gegebenen Substituierbarkeit des Angebots verschiedener Währungen leitet die monetaristische Theorie
eine vollständige monetäre Autonomie der Länder ab. Dabei wird jedoch implizit angenommen, dass
auch die Nachfrageseite die Währungen als nichtsubstituierbare Güter behandelt (Miles 1978, S. 428;
McKinnon 1982, S. 320). Wenn Inländer Fremdwährungen jedoch aus Transaktions- oder Spekulationsmotiven halten,27 führen geldpolitische Änderungen auch zu einer Änderung der damit verbundenen Kosten und zu Portfolioanpassungen. Monetäre Schocks übertragen sich somit auch unter flexiblen Wechselkursen auf andere Volkswirtschaften (Belke und Gros, 2009b, de Santis, Favero und
Roffia, 2008). Auch ein System flexibler Wechselkurse erweist sich somit als nicht uneingeschränkt
krisenfest.
26
Allgemein können weitere Argumente gegen den monetaristischen Ansatz angeführt werden. So muss die
inländische Geldnachfrage auch ohne Berücksichtigung ausländischer Einflüsse nicht stabil sein. Die Kaufkraftparität gilt wegen nicht handelbarer Güter nur eingeschränkt usw.
27
Die aktuelle Literatur stellt die hohen inländischen Inflationsraten und Unsicherheit hinsichtlich der Inflation
als in Schwellenländern wichtige Gründe für das Halten von Auslandswährung dar. Siehe zum Beispiel Belke
und Rees (2009), Neanidis und Savva (2006) und Seater (2008).
65
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Zur Verdeutlichung sei beispielhaft eine einfache Erweiterung des im vorangegangenen Abschnitt
dargestellten monetaristischen Modells einer offenen Volkswirtschaft um die folgenden beiden stilisierten Gleichungen angeführt (Rees, 2011):
(4)
rA / B = ( LA / LB )
(5)
LA (iA , YA , R) =
MA
M
und LB (iB , YB , R) = B
PA
PB
Es ergeben sich zwei Unterschiede zum monetaristischen Ansatz. Zum einen halten Investoren die
Währungen von A und B gleichzeitig im Verhältnis rA / B . Zum anderen hängt die Geldnachfrage nicht
nur von den Zinssätzen ( i A und iB ) und vom BIP ( YA und YB ) sondern auch vom Wechselkurs ( R )
ab. Wenn sich dann das Geldangebot in A ( M A ) dauerhaft erhöht, bleibt das Geldangebot in B ( M B )
zwar zunächst unverändert. Nach der Erhöhung des Preisniveaus in A ( PA ) und der Abwertung der
Währung gemäß Kaufkraftparitäten erhöhen sich für die Investoren aber die relativen Opportunitätskosten von Währung A. Da sowohl in- als auch ausländische Investoren ihre Anlagen von A in B umschichten, verringert sich rA / B . Die steigende Nachfrage nach Währung B führt dort zu einem sinkenden Preisniveau. Um diesem Effekt zu begegnen, müsste die Zentralbank in B ebenfalls das Geldangebot ausweiten (Rees 2011a und Batten und Haffer 1984, S. 7).
Selbst wenn die Zentralbank in B nicht reagiert, könnte es trotzdem zu synchronen Bewegungen der
monetären Aggregate in beiden Ländern kommen, sobald die Annahme der vollständigen Kontrollierbarkeit durch die Zentralbank fallen gelassen wird. Vielmehr ergibt sich die Höhe der Aggregate zumindest kurzfristig endogen aus der Geldnachfrage. In obigem Beispiel gewichten Investoren Währung B in ihrem Geldbestand höher, wobei die erforderliche zusätzliche Geldmenge dann nicht durch
die Zentralbank, sondern durch die Geldschöpfung des Bankensektors entsteht (endogener Geld- und
Kreditschöpfungsprozess). Im Ergebnis führt die steigende Nachfrage nach Währung B durch Investoren zu einer Erhöhung der Geldaggregate des Landes.28 Inflation kann also zwischen Ländern übertragen werden, ohne dass Zentralbanken am Devisenmarkt aktiv werden. Der Übertragungsgrad monetärer und inflationärer Effekte ist proportional zum Ausmaß der Substitution zwischen den Währungen. Im Extremfall vollständiger Substituierbarkeit ist die inländische Geldnachfrage äußerst instabil.
Investoren reagieren unverzüglich auf (erwartete) Änderungen der Wechselkurse mit einer entspre-
28
Im Gegensatz dazu kö nnen bei komplett exogen bestimmter Geldmenge definitionsgemäß keine Ä nderungen
der Geldaggregate eintreten. Belke und P olleit (2009), S. 79f., illustrieren das am Beispiel einer Zahlung zwischen den USA und der EWU. Es kommt einzig zu einem Tausch der Währungen bei gegebener Geldmenge.
Somit kö nnten nur Ä nderungen des Wechselkurses – ohne eine entsprechende statistische Korrektur – die
Geldaggregate in den USA und der EWU berühren.
66
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
chenden Umschichtung ihrer Geldbestände. Effektiv besteht also eine Weltwährung, die die Unabhängigkeit nationaler Geldpolitik zu Nichte macht (Rees 2011a).
Es kann kritisch eingewandt werden, dass Währungssubstitution keine notwendige Bedingung für
internationale monetäre Übertragungseffekte ist. Als Beispiel können die offenen Volkswirtschaften A
und B dienen, in denen erstens keine Währungssubstitution stattfindet und zweitens die Geldmenge
nicht vollständig exogen ist. Wenn es nun zu einer unerwarteten und dauerhaften Erhöhung des Geldangebots in A kommt und die überschüssige Liquidität dort nicht vollständig für den Kauf von Gütern
verwendet wird, fließt ein Teil des zusätzlichen Geldes nach B. Die gestiegene Nachfrage nach Währung B resultiert dort in einem endogenen Geld- und Kreditschöpfungsprozess, die monetären Aggregate erhöhen sich (Rees 2011a).
Ein weiterer kritischer Punkt der Währungssubstitution ist die Ambiguität des nach einem monetären
Schock einsetzenden Transmissionsprozesses. Arango und Nadiri (1981) zeigen, dass der Effekt einer
Abwertung auf die Geldnachfrage a priori unbestimmt bleibt. Grund ist die Gegenläufigkeit zweier
Anpassungsprozesse. Als erstes sei der Kapitalsubstitutionseffekt angeführt. Zieht ein Investor nach
Ausweitung des Geldangebots in A und der folgenden Abwertung der Währung Bilanz, so hat sich in
Währung A gerechnet der Wert seiner Investitionen in B erhöht. Um wertmäßig dieselbe Portfoliogewichtung wie zuvor zu erreichen, müsste er Investitionen von B nach A umschichten. Diese Portfolioanpassungen erhöhen nun die Nachfrage nach Währung A, die nach dem Geldangebotsschock noch zu
gering war. Der gegenläufige Anpassungsprozess ist der Erwartungs- oder Währungssubstitutionseffekt. In Folge der Abwertung von Währung A erwarten Investoren zukünftig weitere Schwächungen,
woraufhin sie ihren Geldbestand L A reduzieren und LB erhöhen. Das Eintreten dieses Effekts hängt
von der genauen Art der Erwartungsbildung ab. Investoren mit sich anpassenden Erwartungen werden
bspw. M A durch M B ersetzen, da sich aus einer Abwertung die Erwartung weiterer Abwertungen
ergibt. Demgegenüber sollten Marktteilnehmer mit rationalen Erwartungen keinen solchen Automatismus unterstellen - Wechselkursbewegungen können als Random-Walk oder weißes Rauschen aufgefasst werden (Rees 2011a).
Der Währungssubstitutions-Ansatz impliziert die Notwendigkeit internationaler Abstimmung der
Zentralbankpolitik. Diese sollten ihre Analyse nicht auf nationale Gegebenheiten beschränken, sondern auch globale Entwicklungen im Auge behalten.
Mundell-Fleming-Dornbusch Modell
Das Mundell-Fleming (MF) Modell stellt eine Übertragung des IS-LM Ansatzes auf offene Volkswirtschaften dar, wobei internationale Kapitalströme eine wichtige Rolle spielen. Der MF Ansatz dient der
wirtschaftspolitischen Analyse offener Volkswirtschaften und stellt schwerpunktmäßig auf kurzfristige
Effekte ab. Seit seiner Einführung in den 1960er Jahren fand er in Wissenschaft und Praxis weitreichende Verwendung.
67
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Nehmen wir einen unerwarteten Anstieg des Geldangebots in A, der zu einer Verringerung des Zinssatzes führt. Währung A wertet wegen der daraus resultierenden Kapitalabflüsse ab, wodurch die Produzenten in A ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Es werden also verstärkt deren Produkte nachgefragt, global ergibt sich eine Verschiebung der Ausgaben zugunsten von A. Dort erhöht sich folglich
der Output einhergehend mit einer Verbesserung der Handelsbilanz, die Effekte in B sind jedoch entgegengesetzt (Politik des sog. ‚beggar-thy-neighbor’).
Da im MF Modell die nominalen Größen nicht flexibel reagieren, kommt es bei Löhnen und Preisen
nicht zu einem Anpassungsprozess im Sinne des im monetaristischen Modell postulierten Gleichgewichts. Stattdessen ergeben sich die Anpassungen aus der Änderung des realen Wechselkurses und
seiner Auswirkungen auf Output und Exporte der Volkswirtschaften. Die internationale Übertragung
monetärer Schocks geschieht also ausschließlich indirekt über die Handelsbilanzen und nicht über
monetäre Aggregate (Borondo 2000, S. 2). Das MF Modell kann allerdings um eine endogene Reaktion der ausländischen Geldpolitik in Land B ergänzt werden. Aus dem asymmetrischen Schock wird
dann ein symmetrischer, da die Zentralbank von B das Geldangebot ebenfalls erhöht, um der Verschiebung von Ausgaben in Richtung des abwertenden Landes zu begegnen.29 Diese Gegenreaktion
erzeugt zwar eine gleichlaufende Entwicklung der monetären Aggregate in den einzelnen Ländern.
Aber auch in diesem Fall kommt es nicht zu direkten monetären Übertragungseffekten (Rees 2011a).
Das MF Modell ist auch Grundlage für den Ansatz von Dornbusch. Im MF Modell kommt es zu einer
äquivalenten Anpassung von Geldmenge und nominalem Wechselkurs, wohingegen Dornbusch eine
anfängliche Überreaktion der Wechselkurse analysiert, die erst nachträglich kompensiert wird (Dornbusch, 1976, S. 240f.). Grund für die zunächst zu starke Abwertung sind unterschiedliche Anpassungsgeschwindigkeiten hin zum neuen Gleichgewicht. Auf den Finanzmärkten erfolgt die Anpassung
an den exogenen Schock unverzüglich, die Abwertung durch Kapitalabflüsse dominiert also temporär.
Die Anpassung der Preise an die gestiegene Geldmenge erfolgt demgegenüber nur langsam und die
Erreichung der Kaufkraftparität geschieht nur auf lange Sicht.
Kehren wir zur Verdeutlichung nochmals zurück zum unerwarteten Anstieg des Geldangebots in A.
Die Preise nicht handelbarer Güter bewegen sich nur langsam hin zum neuen Gleichgewicht, während
die Preise gehandelter Güter aufgrund der Währungsabwertung schnell der Erhöhung des Geldangebots folgen. Das allgemeine Preisniveau steigt somit aber trotzdem langsamer als das Geldangebot und
die inländische Nachfrage nach Geld bleibt hinter dem Angebot zurück. Der Überschuss an Geld führt
dann zu sinkenden Zinsen und zu der Überreaktion des nominalen Wechselkurses. Der temporäre
29
Genauer gesagt reagiert die Geldpolitik direkt auf die Aufwertung der Währung. Im vorangegangenen Abschnitt begegnete die Zentralbank dem gefallenen P reisniveau, da Währungssubstitution zu einer erhö hten
Nachfrage nach Währung B und einem Sinken der P reise geführt hatte.
68
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
‚beggar-thy-neighbor’-Effekt entwickelt sich durch die Handelsbilanz, monetäre Aggregate im Ausland sind jedoch nicht direkt betroffen. Schließlich führt das überschüssige Geld zu erhöhten Ausgaben in Land A, in dem sich dann auch die Preise nicht gehandelter Güter erhöhen. Das tatsächlich
verfügbare Geld nimmt ab und die Zinsen steigen wieder, wodurch sich die Wechselkurse zurück in
Richtung der langfristigen Kaufkraftparität bewegen (Rees 2011a).
Das Mundell-Fleming-Dornbusch (MFD) Modell stützt sich auf zwei kritische Annahmen. Erstens
wird ein komplett deterministisches System analysiert, wodurch monetäre Schocks nur in stark vereinfachter Form und teils widersprüchlich abgebildet werden können. So wird die Ausweitung des Geldangebots ex ante nie antizipiert (statische Erwartungen), ex post aber immer als dauerhaft gesehen.
Investoren sind also vollständig informiert hinsichtlich der zukünftigen Absichten der Zentralbank. In
einer realistischeren Analyse unter Einbeziehung stochastischer Elemente wären die Marktteilnehmer
aber nicht ohne Weiteres in der Lage, vorübergehende von dauerhaften Änderungen zu unterscheiden
(Andersen und Beier, 2005, S. 493f.). Schwankungen des Geldangebots in einem Land ( M t − M * )
könnten aber durchaus beide Elemente beinhalten:
(6)
M t − M * = ht + u tM
mit M t als tatsächlichem Geldangebot, M * als Gleichgewichtsgeldmenge, ht als dauerhafter Änderung und utM als vorübergehender Schwankung, die das Geldangebot nur in der aktuellen Periode
beeinflusst
(7)
ht = θ ht −1 + ε tM mit 0 < θ < 1
Die Störterme utM und ε tM sind unabhängige normalverteilte Schocks mit einem Erwartungswert von
Null und der Varianz σ t2 u M bzw. σ t2ε M . Somit beinhaltet utM zwar keine Informationen hinsichtlich
der zukünftigen Zentralbankpolitik, Investoren können die Art des Schocks aber erst im Nachhinein
erkennen. Dieser Lernprozess impliziert systematische Verzerrungen der Erwartungsbildung. Eine
unverzerrte Vorhersage zukünftiger Änderungen im Geldangebot würde auf dessen persistenter Komponente basieren: E ( M t +1 − M * ) = E (ht +1 ) . Wenn Investoren jedoch keine Unterscheidung zwischen
vorübergehenden Schocks und fundamentalen Änderungen der Zentralbankpolitik treffen können,
reagieren sie auf Erstere zu stark und auf Letztere zu wenig. Beispielsweise könnte eine nur vorübergehende Erhöhung des Geldangebots zu einer noch stärkeren Überreaktion als in Dornbuschs Analyse
führen (Rees 2011).
Ein zweiter Kritikpunkt sind die Annahmen hinsichtlich der Umlenkung von Ausgaben. Im MFD Modell sind implizit nur gut substituierbare Konsumgüter in den internationalen Handel einbezogen.
Wenn aber zusätzlich komplementäre Zwischenprodukte oder Kapitalgüter gehandelt werden, führt
eine Abwertung der Währung zu erhöhten Produktionskosten im eigenen Land (Dellas 2006, S. 1472).
69
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Eine dem Prinzip des ‚beggar-thy-neighbor’ folgende Politik wäre damit in einer globalisierten, stark
vernetzten Wirtschaft deutlich weniger effektiv für die Anregung des inländischen Wachstums.
Auch unter Aufrechterhaltung der Annahme, dass nur Konsumgüter international gehandelt werden,
muss nach einem positiven monetären Schock die erwartete Umlenkung von Ausgaben in Richtung
der einheimischen Volkswirtschaft nicht einsetzen. Im Falle nur eingeschränkter Substituierbarkeit inund ausländischer Konsumgüter kommt es nicht zu einer wesentlichen Ausweitung der Produktion im
eigenen Land. Im Ergebnis senkt eine Schwächung der heimischen Währung dann lediglich die Kaufkraft in Auslandsmärkten.
Vollständige Substituierbarkeit wird nicht nur für Konsumgüter, sondern auch zwischen Geld und
Wertpapieren angenommen. Nur wenn es sich bei Geld und Anleihen tatsächlich um annähernd vollständige Substitute handelt, sinken durch eine unerwartete Ausweitung der Geldmenge die (langfristigen) Zinsen, was den für das MFD Modell beschriebenen Mechanismus in Gang setzt. Demgegenüber
unterstreichen Kapitalmarktmodelle wie der Portfolioansatz (‚portfolio balance approach’) die wegen
der Risikoeinschätzung der Investoren komplementäre Beziehung zwischen Geld und Wertpapieren.
Risikoaufschläge könnten die internationale Übertragung geldpolitischer Schocks zumindest teilweise
behindern (Rees 2011a).
Die Wirksamkeit des ‚beggar-thy-neighbor’ könnte auch durch die folgenden beiden Effekte abgeschwächt werden. Zunächst sei der sogenannte Lokomotiveneffekt genannt: Die Nachfrage nach ausländischen Gütern steigt im Einklang mit der inländischen Gesamtnachfrage in Land A (Corden und
Turnovsky 1983, S. 289). Diese Zweitrundeneffekte treten allerdings nur nach einer monetären Expansion in großen, nicht jedoch in kleinen Volkswirtschaften ein. Ein zweiter Kanal ist die Aufwertung der ausländischen Währung B. Das sinkende Preisniveau führt zu einer realen Aufwertung ausländischer Guthaben, was die Nachfrage nach in B hergestellten Gütern stimuliert.
Schließlich sei noch auf die implizite Annahme des MFD verwiesen, dass Exporte (Importe) in inländischer (ausländischer) Währung abgerechnet werden. Die Festsetzung der Preise erfolgt also vornehmlich in der Währung des Produzenten (‚producer currency pricing’, kurz PCP). Nach der Ausweitung der inländischen Geldmenge schlägt sich die damit einhergehende Abwertung der Währung
vollständig in den Importpreisen nieder. Die Wettbewerbsfähigkeit einheimischer Produkte steigt, was
zu einer Umlenkung der Gesamtausgaben führt. Denkbar wäre aber auch, dass die Festsetzung der
Preise in lokaler Währung erfolgt (‚local currency pricing’, kurz LCP). Eine ausführlichere Erläuterung von PCP und LCP und deren Implikationen folgt in den nächsten Abschnitten, die auch eine kurze Beschreibung der „New Open Economy Macroeconomics“ liefern (Rees 2011a).
Insgesamt gesehen scheint der Vorteil „flexibler“ Wechselkursregimes, den Versuch einer Erzeugung
temporärer ‚beggar-thy-neighbour’-Effekte zuzulassen, äußerst begrenzt (Belke und Polleit, 2005,
Belke und Rees, 2009).
70
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
New Open Economy Macroeconomics
The New Open Economy Macroeconomics (NOEM) entstand in den 90er Jahren mit dem Anspruch,
einen neuen theoretischen Rahmen für die Analyse offener Volkswirtschaften anzubieten. Diese Modelle lassen sich durch einen höheren Standard analytischer Durchschlagskraft als der MFD-Ansatz
charakterisieren, mit dem sich einige Schwächen der zuvor dargestellten Ansätze ausräumen lassen.
Eine Schlüsseleigenschaft der NOEM ist die explizite Mikrofundierung der Entscheidungen der Haushalte und Unternehmen durch die Spezifikation der zugrunde liegenden Präferenzen und der Einführung von Budgetbeschränkungen. Deshalb gelten die Gleichungen nicht als ad hoc spezifiziert wie im
Fall der MFD-Modellumgebung, sondern sind das Ergebnis eines explizit modellierten Optimierungsverhaltens. Die NOEM bezieht auch stochastische Schocks und unvollständigen Wettbewerb auf Güter- und Arbeitsmärkten in die Analyse mit ein. Beispielsweise setzen monopolistische Unternehmen
die Preise für unvollständig substituierbare Güter. Als Ergebnis fällt die gleichgewichtige Produktion
unter das gesellschaftliche Optimum. Geringe Änderungen der Nachfrage lösen angesichts von Menükosten oder anderer Friktionen im Preisanpassungsprozess keine Preisänderungen aus (Rees 2011a).
Ein weiterer wichtiger Unterschied zum traditionellen keynesianischen Ansatz wie dem MFD wird
offensichtlich, wenn die Transmission internationaler monetärer Übertragungseffekte analysiert wird.
Das MFD-Modell fußt auf intratemporalen Entscheidungen der Unternehmen und Haushalte. Die Abwertung der inländischen Währung nach einer monetären Expansion im Inland führt zu einer Verlagerung der Nachfrage weg von ausländischen Gütern. Es handelt sich dabei um einen ausschließlich
statischen Effekt, denn die Substitution der Güter findet innerhalb einer Periode statt. Im Gegensatz
dazu beinhaltet die NOEM eine dynamische Analyse, die einen zweiten Transmissionskanal basierend
auf intertemporalem Optimierungsverhalten hinzufügt. Man betrachte wiederum eine plötzliche Änderung des heimischen Geldangebots (Land A). Die Preise bleiben anfänglich noch konstant und steigen
erwartungsgemäß erst in der nächsten Periode. Gegenwartsgüter werden deshalb im Vergleich zu Zukunftsgütern billiger, d.h. der Realzins als intertemporaler Relativpreis sinkt (Svensson und van Wijnbergen, 1989, S. 795). Da ein globaler Kapitalmarkt existiert, wird der ausländische Realzinssatz ebenfalls sinken. Als Konsequenz hieraus wird die Nachfrage im In- und Ausland in die Gegenwart verlagert. Im MF-Rahmen fehlen derartige intertemporale Betrachtungen, da Konsumausgaben und Sparentscheidungen annahmegemäß unabhängig vom Realzins sind (Rees 2011a).
Ob der intertemporale oder der intratemporale Effekt dominiert, hängt von der Relation der intertemporalen Elastizität der Substitution des Konsums ( er ) zur intratemporalen Elastizität der Substitution
( ra ) ab. er entspricht der Bereitschaft, Konsum über die Perioden hinweg zu subsituieren, wobei ra
den Grad der Substitution zwischen inländischen und ausländischen Gütern zu einem gegebenen Zeitpunkt darstellt. Falls er > ra gilt, wie es typischerweise in der NOEM unterstellt wird, wird das ‚beggar-thy-neighbor’ Ergebnis in ein ‚prosper-thy-neighbor’ Resultat überführt. Eine inländische monetä-
re Expansion im Land A erhöht den Output im Inland und im Ausland und trägt hierdurch zu einer
71
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Synchronisierung der Konjunkturzyklen in den Ländern A und B bei. Unterstellt man, dass die Geldmenge zumindest zum Teil endogen ist, dürfte der Aufschwung einen Anstieg des Geldmengenaggregats ebenfalls in Land B bewirken. Folglich weisen die Geldmengenaggregate in beiden Ländern eine
positive gleichgerichtete Bewegung (‚co-movement’) auf. Wiederum wird die Synchronisierung nicht
durch direkte monetäre Übertragungseffekte über Kapitalflüsse verursacht, sondern nur indirekt durch
Verbindungen der Konjunkturzyklen. Anders als das MFD-Modell, das auf die Handelsbilanz abstellt,
beleuchtet die NOEM einen anderen Transmissionskanal internationaler monetärer Schocks: die Realzinsen und einen globalen Kapitalmarkt. Dieser wird nicht von Wechselkursen getrieben (Rees
2011a).
Die Ursache dafür, dass die Handelsbilanz in der NOEM keine entscheidende Rolle spielt, liegt auch
in der Annahme unvollständiger Gütermärkte. Unternehmen haben Marktmacht und sind in der Lage,
Märkte international durch die Forderung unterschiedlicher Preise im In- und Ausland für dasselbe
Gut zu segmentieren. Beispiele hierfür sind Automobile und einige Elektrogüter, für die international
Arbitrage schwierig oder sogar unmöglich ist. Als Ergebnis werden Preise in heimischer Währung zu
Niveaus fixiert, die nicht mit einem wettbewerblichen Weltpreis übereinstimmen (VanHoose, 2004, S.
199). Ein derartiges Verhalten der Preisdiskriminierung wird ‚local currency pricing’ (LCP) oder
gleichbedeutend ‚pricing to market’ (PTM) genannt.
In Verbindung mit ‚sticky prices’ bricht LCP die Verbindung zwischen inländischen und ausländischen Preisen – wie sie von der KKP-Theorie unterstellt wird – und erlaubt endogene Anpassungen
des realen Wechselkurses. Nehmen wir beispielsweise zu Illustrationszwecken ein vollständiges LCP
und einen positiven Geldangebotsschock in Land A an. In diesem Fall kommt es nicht zu einem ‚passthrough’ der Abwertung der Währung des Landes A (relative zu B) auf die Importpreise. Das Preisni-
veau in A bleibt von den Wechselkursbewegungen vollständig unberührt. Ein ‚expenditure switching’
Effekt findet nicht statt. In einer derartigen Modellumgebung kann der Wechselkurs keine stabilisierende Rolle bei der Anpassung relativer Preise und der Angleichung der Nachfrage an das Gleichgewicht in Reaktion auf monetäre Störungen spielen (Bowman und Doyle 2003, S. 8). Die Wahl des
Wechselkursregimes hat wiederum keine entscheidenden Auswirkungen auf das Ausmaß der internationalen Transmission monetärer Impulse. Stattdessen wird eine erhebliche Volatilität des realen
Wechselkurses generiert, ohne dass dies irgendeinen allokativen Effekt auf die internationale Nachfrage wie vom MFD-Modell postuliert hätte. Die Eliminierung von Ausgabeumlenkungseffekten erhöht
die Wahrscheinlichkeit von gleichgerichteten Outputbewegungen über Länder hinweg weiter (Rees,
2011a).
Allerdings bleibt fraglich, ob LCP wirklich persistente makroökonomische Fluktuationen und dauerhafte Schwankungen auf Finanzmärkten erklären kann. Üblicherweise findet die Fakturierung von
Kontrakten im Außenhandel von maximal 90 Tagen und oft weniger statt. Preis- und Lohnrigiditäten
sollten deshalb für das Entstehen anhaltender Variationen bedeutsamer sein (Sarno 2001, S. 31). Bei72
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
spielsweise erhöhen rigide Reallöhne die Wahrscheinlichkeit einer Transmission negativer Schocks
von einem Land zum anderen. Die Analyse der Gegner der NOEM verweist zudem auf weitere
Schwächen dieses Ansatzes. Beispielsweise führen Änderungen des inländischen realen Zinssatzes nur
dann zu Änderungen dieser Variable im Ausland, wenn die heimische Volkswirtschaft hinreichend
groß ist. Anderenfalls ist es nur schwer vorstellbar, dass signifikante Übertragungseffekte auf globalen
Kapitalmärkten stattfinden.
Darüber hinaus wird das Zentralbankverhalten nur rudimentär analysiert. Auf der einen Seite wird im
Rahmen der NOEM ein hohes Gewicht auf die Mikrofundierung der Entscheidungen der privaten
Haushalte und Unternehmen gelegt. Auf der anderen Seite werden Zentralbanken häufig als „selbstlose Institutionen“ modelliert, die sich ausschließlich um die Wohlfahrt des privaten Sektors kümmern.
Ein derartiger Ansatz vernachlässigt ‚principal agent’-Aspekte bei der diskretionären Durchführung
der Geldpolitik fast vollständig und das hiermit eng verbundene Problem der zeitlichen Inkonsistenz
optimaler Geldpolitik (Rees 2011a).
Schließlich können die abgeleiteten internationalen Transmissionseffekte nach monetären Schocks
sensitiv gegenüber den präzisen Spezifikationen sein (Lane 2001, S. 261f.). Selbst leichte Änderungen
zusätzlicher struktureller Parameter wie der Elastizität der Substitution zwischen Gütern in jedem
Land oder des Grades des ‚home bias’ des Konsums können die Ergebnisse stark verändern.
Alternative Ansätze
Neben den zuvor dargestellten – und wohl etablierten – Theorien gibt es andere, manchmal fragmentarischen Erklärungen, die ebenfalls zur Erhellung der Hintergründe internationaler monetärer Übertragungseffekte beitragen (Belke und Rees 2009, und Rees 2011a). Im Folgenden werden diese Ansätze
unter die Schlagwörter ‚common shocks’, ‚fears of floating’ und ‚Common beliefs’ subsummiert.
Im ‚common shock’-Ansatz beeinträchtigen nicht-monetäre Störungen viele Volkswirtschaften gleichzeitig. Dies führt zu einer positiven gleichgerichteten Bewegung nationaler monetärer Aggregate über
Länder hinweg. Die Bedeutung von Technologieschocks als Treiber von Konjunktur- und Geldmengenschwankungen wird von der Real Business Cycle (RBC) Theorie betont. Technologische Innovationen treten nicht nur in bestimmten Ländern auf, sondern auch auf globaler Ebene. Gründe hierfür
sind internationale Wissensübertragungseffekte wie der Import von Gütern, Import von in FDI enthaltenen Technologien, Joint Ventures und die Migration von Schlüsselpersonal (Klenow und RodriguezClare, 2004, S. 11). Besonders so genannte ‚trade-related new-goods externalities’ dürften für eine
schnelle Übertragung neuer Technologien von einem Land auf das andere zentral sein. Neue Güter
höherer Qualität werden eingeführt und später durch andere Unternehmen weltweit imitiert. Entsprechend lässt sich in der Tradition des RBC-Modells argumentieren, dass nationale Geldmengen nach
einem positiven globalen Technologieschock stark synchronisiert sind. Der nationale Output und in
der Folge auch die inländische Geldnachfrage steigen über alle Länder hinweg. Internationale Kapi73
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
talflüsse sind daher nicht die Triebfeder der simultanen Änderung der monetären Aggregate. Vielmehr
wird Geld als endogen und als ausschließlich inländische Variable angesehen, die durch gemeinsame
technologische Innovationen getrieben wird (Rees, 2011a).
Weitere Beispiele derartiger globaler Störungen sind ‚cost-push’-Schocks und plötzliche nichtmonetäre Änderungen auf internationalen Kapitalmärkten. Das klassische Beispiel einer ‚cost-push’Störung ist ein überraschender und schneller Anstieg des Ölpreises. Im Folgenden betonen wir die
Quelle, aber nicht die Übertragung des Schocks, da Übertragungseffekte aggregierter Nachfragekonstellationen gar nicht notwendig sind. Stattdessen beeinflusst der Ölpreis jede Volkswirtschaft direkt
durch eine Steigerung der marginalen Kosten der Unternehmen. Falls ein derartiger inländischer
Preisdruck durch die nationalen Zentralbanken akkommodiert wird, lässt sich eine gleichgerichtete
Entwicklung inländischer Geldangebote beobachten. Finanzkrisen stellen einen weiteren Typ einer
‚common disturbance’ dar. Ein starker Verfall der Vermögenspreise weltweit kann zu Zinssenkungen
und einer Bereitstellung zusätzlicher Liquidität durch Zentralbanken führen. Wiederum kommt es zu
einem stark synchronisierten Verhaltensmuster monetärer Aggregate – sogar in Abwesenheit direkter
Übertragungseffekte.30 Die Wahl des Wechselkursregimes per se ist hierbei wiederum weniger relevant.
Der zweite Ansatz firmiert unter dem Begriff ‚fears of floating’ (Calvo und Reinhart, 2002). Diesem
Ansatz folgend, erlauben Länder mit eigentlich de jure flexiblen Wechselkursregimes ihrem Wechselkurs nicht jederzeit, frei zu schwanken. Beispielsweise beabsichtigt die geldpolitische Instanz manchmal, den Wechselkurs zügiger als von Investoren erwartet an ein bestimmtes Zielniveau heranzubringen. Die Zentralbank könnte ebenfalls versuchen, Wechselkursschwankungen zu dämpfen. Beide Ziele können durch Interventionen auf Devisenmärkten erreicht werden. Da die Währungen wieder Substitute auf der Angebotsseite werden (siehe auch die zuvor diskutierte monetaristische Sicht), treten
direkte internationale geldpolitische Übertragungseffekte über Kapitalflüsse auf. Die Zentralbank opfert ihre geldpolitische Unabhängigkeit für die Einhaltung eines Wechselkursziels. In monetaristischer
Sicht ist die internationale Transmission monetärer Impulse untrennbar mit einer quasi-Fixierung der
Wechselkurse verbunden (Belke, Orth und Setzer, 2010, sowie Belke und Rees, 2009).
Die Gründe für dieses Verhalten sind vielfältig. Unerwünschte Wechselkurs-‚pass-throughs’ und
Fremdwährungs-Verbindlichkeiten können in aufstrebenden Volkswirtschaften eine Rolle spielen
(Frankel, Schmukler und Servén 2004, S. 703). Darüber hinaus könnte die mangelnde Glaubwürdigkeit der geldpolitischen Instanz ‚fears of floating’ auslösen, da ungerechtfertigte Wechselkursschwan-
30
Natürlich können Finanzmarktturbulenzen auch substanzielle internationale Kapitalflüsse auslösen und
dadurch das positive „ Co-movement“ verstärken. Deshalb stellt eine Unterscheidung zwischen den beiden
Ü bertragungsmechanismen in Zeiten der Unruhe auf Finanzmärkten eine Herausforderung dar.
74
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
kungen steigende Inflationserwartungen auslösen könnten. In derartigen Fällen tritt ein Dilemma offener Volkswirtschaften zutage – aber eben kein Trilemma, wie durch den Monetarismus eigentlich
nahegelegt (siehe auch Einführung zu unserem Kapitel 1): Die Wahlmöglichkeiten, denen sich Politiker gegenüber sehen, bestehen in geldpolitischer Unabhängigkeit oder in offenen Kapitalmärkten
(Shambaugh 2004, S. 302).
Ein weiterer Grund für ‚fears of floating’ könnte die hohe Geschwindigkeit der Globalisierung sein.
Wegen geringerer Transportkosten und des Abbaus von Zöllen und anderen Handelsbeschränkungen
ist der Außenhandel immer bedeutsamer für nationale Konjunkturzyklen geworden. Transaktionen
von Gütern und Dienstleistungen dienen als ein wichtiger Kanal für die Übertragung konjunktureller
Schwankungen von einem Land zum anderen. Nationale Politiker zeigen sich deshalb zunehmend
besorgt über den Wechselkurs und seinen Einfluss auf die nationale Wettbewerbsfähigkeit (Borio und
Filardo 2007, S. 7). Als ein Hauptergebnis bleibt eine signifikante monetäre Interdependenz sogar
unter einem de jure flexiblen Wechselkursregime bestehen.
‚Common beliefs’ beziehen sich auf die Idee, dass verschiedene geldpolitische Instanzen dieselben
oder zumindest ähnliche Politikziele verfolgen. Nicht nur strukturelle Beziehungen wie der Außenhandel oder Kapitalflüsse binden deshalb die Volkswirtschaften, sondern auch eine ähnliche Auslegung ökonomischer Ereignisse. Politiker in verschiedenen Zentralbanken beispielsweise folgen einer
konsensualen Sicht darüber, welche Entscheidungen in welcher Situation angemessen sind. Das Ergebnis ist eine ähnliche Reaktion auf Schocks über verschiedene Länder hinweg, was implizit einer
internationalen Politikkoordinierung gleichkommt (Kuszczak und Murray 1986, S. 117).
‚Common beliefs’ können durch den kontinuierlichen Informationsaustausch unter Zentralbanken bei
offiziellen Meetings, Konferenzen und Publikationen verstärkt werden. Selbst ein gewisser Gruppendruck mag hier wirksam sein. Die Verbreitung der Inflation Targeting-Strategie in den frühen 90er
Jahren könnte ein Beispiel hierfür darstellen. Ein zusätzlicher Kanal könnte relevant werden, falls
geldpolitische Instanzen in Richtung relativer statt absoluter Schwellenwerte des „Erfolgs‘“ konvergieren (Cicarelli und Mojon 2005, S. 10, sowie Cicarelli und Mojon 2010). Beispielsweise erscheint
eine schlechte Inflationsbilanz tolerabel, wenn auch andere Volkswirtschaften diesbezüglich eine
schlechte Performance aufweisen. Dies führt zu uniformeren ‚monetary conditions’ über Länder hinweg.
Obwohl das Phänomen der ‚common beliefs’ relevant erscheinen mag, erscheint eine vorsichtige Anmerkung angebracht. Eine ähnliche geldpolitische Reaktion ist nur im Fall symmetrischer Schocks
und vergleichsweise ähnlichen Übertragungsmechanismen optimal. Dann macht es aber nur einen
geringen Unterschied, ob ein System fester oder flexibler Wechselkurse vorliegt. Wenn hingegen einzelne Volkswirtschaften grundsätzlich unterschiedlich betroffen sind, ist es schwer vorstellbar, dass
75
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Politiker in einer ähnlichen Weise reagieren (Papanyan, 2010, S. 67). Feste Wechselkurse dürften in
diesem Fall ohnehin keine Alternative darstellen.
Zwischenfazit
Die Wahl des Wechselkursregimes ist weniger entscheidend für die Übertragung und die Abwehr des
Zuflusses globaler monetärer Liquidität als gemeinhin von den volkswirtschaftlichen Standardansätzen für offene Volkswirtschaften unterstellt. Ein System flexibler Wechselkurse erweist sich aus dieser Sicht nicht als wesentlich krisenfester als ein System fester Wechselkurse. Unsere Argumentation
verallgemeinert die von Ahmed et al. (1993) erzielte empirische Evidenz. Die Verfasser entwickeln
ein multivariates strukturelles 2-Länder-Modell der Weltwirtschaft – primär motiviert durch Bestandteile theoretischer RBC-Modelle. Es ergibt sich keinerlei Evidenz für unterschiedliche Transmissionseigenschaften von Störungen in Abhängigkeit verschiedener Wechselkursregimes. Die Interaktion von
Variablen zwischen den USA und dem “Rest der Welt” ist in der prä-1973 Bretton Woods Periode und
der post-1973 Phase flexibler Wechselkurse dieselbe. Diese Evidenz steht in starkem Widerspruch zur
monetaristischen Sicht.
Belke und Orth (2007) und Belke, Orth und Setzer (2008a, 2008b, 2010) untersuchen den Einfluss
globaler Liquiditätsschocks auf eine Reihe makroökonomischer und finanzmarktbezogener Variablen
auf weltwirtschaftlichem Aggregationsniveau. Sie verwenden dabei sowohl KKP-adjustierte Wechselkurse als auch Kassawechselkurse, um nationale Zeitreihen größerer OECD-Länder zu aggregieren.
Die Autoren schätzen rekursive VAR-Modelle und analysieren die Reaktionen auf einen unerwarteten
Anstieg globaler Liquidität – gemessen an weiten Geldmengenaggregaten. Ihre Ergebnisse variieren
kaum in Abhängigkeit von der exakten verwendeten Wechselkursdefinition – (fixe) Kaufkraftparitätswerte oder (flexible) nominale Marktkurse.
Außer der vom jeweils vorliegenden Wechselkursregime unabhängig vorliegenden empirischen Evidenz für die Bedeutung globaler monetärer Liquidität gibt es weitere Gründe dafür, über die etablierten Modelle wie den Monetarismus, den MFD-Ansatz und die NOEM hinauszugehen. Eine Kritik
setzt an der ungedeckten Zinsparität an, die ein Kernstück des monetaristischen Modells offener
Volkswirtschaften darstellt. Gemäß dieser Theorie sollte eine Währung, der Zinssatz hoch ist, zu einer
Abwertung neigen. Der gegenwärtige Terminwechselkurs ist dabei ein unverzerrter Prediktor des zukünftigen Kassakurses (Gleichung 3). Der frei schwankende nominale Wechselkurs wirkt wie ein Puffer und schottet eine Volkswirtschaft vollständig von grenzüberschreitenden ausländischen Geldangebotsschocks ab. Währenddessen führen offizielle Devisenmarktinterventionen bei festen Wechselkursen zu einer Übertragung geldpolitischer Schocks von einem Land zum anderen (Belke und Gros,
2009b).
Jedoch wird die Hypothese der ungedeckten Zinsparität empirisch häufig verworfen, insofern als dass
Währungen mit höheren Zinssätzen kontinuierlich weiter aufwerten. Dieses häufig anzutreffende em76
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
pirische Phänomen wird das ‚forward discount puzzle’ genannt (Bacchetta und van Wincoop 2006, S.
1) und wurde sowohl von Praktikern auf Finanzmärkten als auch von akademischen empirischen Studien bestätigt (Cavallo, 2006, S. 2f., Darvas, 2009). Es impliziert, dass Überschussrenditen von Investitionen in ausländische Währung wie zum Beispiel Carry Trades vorhersehbar sind.
In den letzten Jahren hat besonders der sogenannte Yen-Carry Trade eine bedeutende Rolle auf den
internationalen Finanzmärkten gespielt. Da die japanische Zentralbank außergewöhnlich niedrige Zinsen gesetzt hatte, wurde der Yen zu einer wichtigen ‚funding currency’. Als Ergebnis wurden Geldmengenaggregate in Japan wie auch anderswo beeinflusst – und das unabhängig vom Wechselkursregime (Belke, Orth und Setzer, 2010, S. 1934).
Selbst wenn die ungedeckte Zinsparität gilt, bleibt zweifelhaft, ob ein flexibler Wechselkurs wirklich
automatisch eine Schlüsselrolle beim Abwenden monetärer Übertragungseffekte von außerhalb spielt.
Der Grund für diese Einschätzung ist, dass in Standardmodellen offener Volkswirtschaften typischerweise die globale Perspektive fehlt. Da zumeist nur eine Interaktion von zwei Volkswirtschaften unterstellt wird, ist der Wechselkurs als ein relativer Preis ein “natürlicher” Kandidat zur Verhinderung
internationaler geldpolitischer Störungen. Wechselt man jedoch von der 2-Länder-Perspektive auf die
globale Ebene, sind zusätzliche Komplexitäten zu berücksichtigen.
Nehmen wir beispielsweise wie gegenwärtig im Rahmen der unkonventionellen Geldpolitik ein ähnlich expansives Verhalten wichtiger Zentralbanken an.31 Aus einer globalen Perspektive ist es nicht
möglich, dass jede Währung gegenüber den jeweils anderen abwertet. Die expansiven Geldpolitiken
neutralisieren sich gegenseitig, wobei keine der Währungen im Gleichgewicht abwertet. Keine
Volkswirtschaft erlangt die kurzfristigen Vorteile einer nach außen schwächeren Währung wie im
MFD-Modell angenommen. Vielmehr leiden alle Volkswirtschaften in der mittleren Frist gemeinsam
unter den übermäßig hohen Geldangeboten, die zu Vermögenspreis- und letztlich auch zu Güterpreisinflation führen. Dieses Ergebnis stellt sich unabhängig davon ein, ob ein Regime fester oder
flexibler Wechselkurse vorliegt.
Geht man von diesen theoretischen Mängeln aus, lassen sich einige Hypothesen für die zukünftige
theoretische Forschung ableiten:
Trotz flexibler Wechselkurse existieren direkte grenzüberschreitende Übertragungseffekte zwischen
inländischen (überschüssigen) Geldmengen. Internationale Kapitalflüsse führen zu einem globalen
31
Warum reagieren Zentralbanken derart gleichgerichtet. Eine Erklärung könnte die inflationäre Verzerrung
wegen der Unsicherheit über ausländische Geldangebotsschocks darstellen. Vgl. Belke und Rees (2009). Eine
andere Erklärung wird durch den weiter oben beschriebenen ‚Common-beliefs’-Ansatz geliefert. Nach Borio
(2006), S. 6, versuchen Notenbanken gleichzeitig negative Inflationsraten zu vermeiden, die durch preisdämpfende Effekte der Globalisierung auf Gütermärkten hervorgerufen werden.
77
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
‚(excess) money’ Faktor und zu einem positiven ‚co-movement’ nationaler monetärer Aggregate über
Länder hinweg. Die Ursache für dieses Muster ist die Globalisierung der Finanzmärkte. Es existiert
ein globaler Liquiditätsfaktor, obwohl es unterschiedliche Strategien von Zentralbanken und verschiedene institutionelle Setups in Ländern oder Regionen gibt.
Globale monetäre Liquidität ist nicht nur die entscheidende Triebfeder der heimischen Geldmenge,
sondern beeinflusst verschiedene makroökonomische und finanzmarktbezogene Variablen auf nationaler und globaler Ebene. Als Hauptergebnis ist der Spielraum von Zentralbanken zur Durchführung
einer unabhängigen Geldpolitik begrenzt. Die Trilemma-Sichtweise lässt sich nicht aufrecht erhalten.
Flexible Wechselkursregimes können die Unabhängigkeit national Geldpolitiken nicht vollständig
gewährleisten. Dies trifft unabhängig davon zu, ob kleine offene oder große geschlossene Volkswirtschaften analysiert werden. Beispielsweise liegt für die US-Volkswirtschaft keine deutliche Evidenz
für eine höhere monetäre Unabhängigkeit vor als für Großbritannien oder Kanada. Die Ursache hierfür
ist, dass die US-Finanzmärkte tief und liquide sind und hierdurch internationales Kapital anzieht. Dies
erhöht die Wahrscheinlichkeit monetärer Übertragungseffekte aus anderen Ländern.
Gemeinsame monetäre Liquiditätsschocks dominieren nach Belke und Rees (2009) andere globale
Schocks (‚disturbances’) wie plötzliche Änderungen der globalen Nachfrage, der Technologie, der
Langfristzinsen (‚global savings glut’, Belke und Gros, 2009b) und der Rohstoffpreise. Letztere spielen offensichtlich nur eine relativ geringe Rolle, während die globale Liquidität eine zentrale Triebfeder der Weltwirtschaft und der internationalen Finanzmärkte darstellt. Deshalb sollte ein WechselkursRegime zu allererst gegenüber der globalen Liquidität krisenfest sein. Robustheit gegenüber anderen
Schocks ergibt sich dann nahezu automatisch.
Die Bedeutung des gemeinsamen Liquiditätsfaktors für globale und inländische Variable ist seit den
90er Jahren rapide gewachsen. Belke und Rees (2009) weisen empirisch Strukturbrüche sowohl in der
Schockkomponente der globalen Liquidität als auch in deren Übertragungsmechanismus nach. Die
Gründe für den Strukturwandel der 90er Jahre sind die wachsende Finanzmarktglobalisierung und die
stark zunehmenden grenzüberschreitenden Kapitalflüsse. Hieraus folgt, dass die sich in der Vergangenheit herauskristallisierten Kriterien für die Wechselkursregimewahl nicht automatisch auch auf die
Entscheidungen der Zukunft – wie die Wahl eines oder mehrerer Wechselkurssysteme für die G-20
anwendbar sind.
c. Zusammenfassung
Dieses Kapitel hat ausführlich zentrale Ergebnisse des Projektes diskutiert. Neben einem umfassenden
historischen Überblick über das Weltwährungssystem bis zur aktuellen Situation wurden die ökonomischen Implikationen unterschiedlicher Weltwährungsregime dargestellt.
In der langen Frist skizziert das Kapitel die Bedeutung des Wechselkursregimes für die Entwicklung
von Leistungsbilanzsalden und hat aus der Theorie abgeleitete Mechanismen für den Zusammenhang
78
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
zwischen globalen Ungleichgewichten und Währungssystemen hergeleitet. Die theoretischen Ergebnisse werden zudem empirisch untermauert und quantitativ abgeschätzt. Umfangreiche Analysen präsentieren wir zudem mit Blick auf die Wirkungen des Wechselkursregimes auf die gesamtwirtschaftliche Produktion und Arbeitsmarktsituation der untersuchten Volkswirtschaften. Ebenfalls eher langfristiger Natur sind die Auswirkungen globaler Liquiditätsentwicklungen, deren Auswirkungen wir unter
Berücksichtigung des internationalen Währungssystems diskutieren.
In der kurzen Frist, d.h. aus konjunktureller Perspektive, stellt der vorliegende Bericht schwerpunktmäßig auf internationale Konjunktur- und Preiszusammenhänge ab und stellt die Auswirkungen des
Wechselkursregimes auf die internationale Schocktransmission aus theoretischer Perspektive dar. Die
Ausführungen werden durch umfangreiche Simulationen im Rahmen des NiGEM-Modells ergänzt
und die quantitativen Implikationen eingeschätzt.
Auf Basis der erarbeiteten Ergebnisse können bereits konkrete Kriterien für die Beurteilung internationaler Währungssysteme aus Sicht unterschiedlicher Länder abgeleitet werden. Mit Blick auf die
Entwicklung globaler Ungleichgewichte bestätigen unsere empirischen Ergebnisse die FriedmanHypothese, dass unflexible Wechselkurse den Aufbau von Leistungsbilanzungleichgewichten begünstigen. Dies gilt insbesondere für Schwellenländer, während für die Industrieländer ein derartiger Zusammenhang nicht signifikant gezeigt werden kann. Für Schwellenländer wäre unter diesem Gesichtspunkt eine weitere Flexibilisierung im globalen Währungssystem anzustreben. Dies stünde allerdings
im Gegensatz zu den Interessen der Industrieländer, für die wir mit Bezug auf die Wachstumswirkungen des Wechselkursregimes zu dem Ergebnis kommen, dass eine stärkere Wechselkursbindung positive Auswirkungen auf das gesamtwirtschaftliche Produktionsniveau haben dürfte. Unsere Diskussion
der Beschäftigungswirkungen unterschiedlicher Wechselkursregime ergänzt diese Ergebnisse insofern,
als dass eine stärkere monetäre Integration durch glaubwürdige Fixierung von Wechselkursen insbesondere für Industrieländer mit starken institutionellen Verkrustungen eine erhebliche Verbesserung
der Arbeitsmarktsituation mit sich bringen kann. Insbesondere durch Wechselkursfixierung innerhalb
der Gruppe der Industrieländer ist daher tendenziell mit positiven Wachstums- und Beschäftigungseffekten zu rechnen, während mit Blick auf die Dämpfung globaler Ungleichgewichte tendenziell flexible Wechselkurse zwischen Schwellen- und Industrieländern anzustreben sind.
In der kurzen Frist sprechen unsere Ergebnisse tendenziell dafür, dass der Status Quo tatsächlich eine
recht zweckmäßige Lösung mit Blick auf die Stabilisierungseigenschaften des Weltwährungssystems
darstellt. Zwar wäre aus Sicht der Schwellenländer sowie der Euro-Mitgliedsländer tendenziell eine
stärkere weltweite Stabilisierung der Wechselkurse anstrebenswert. Dies stünde aber den anderen Interessen der übrigen Industrieländer entgegen, aus deren Sicht tendenziell eine weitere Flexibilisierung
im Weltwährungssystem anzustreben ist. Dies wiederum stünde allerdings (aus der KonjunkturPerspektive) den Interessen der Schwellenländer relativ deutlich entgegen, sodass das Status Quo-
79
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Regime auch mit Blick auf politische Realisierungsmöglichkeiten tatsächlich eine recht zweckmäßige
Lösung darstellen dürfte.
Die Ergebnisse unserer Analysen zu den Auswirkungen des Währungssystems auf die Übertragung
und die Abwehr des Zuflusses globaler monetärer Liquidität relativieren diese Ergebnisse zum Teil,
sprechen tendenziell aber ebenfalls für eine weitere Flexibilisierung im internationalen Währungssystem. Allerdings erweist sich ein System flexibler Wechselkurse unter dieser Betrachtung nicht als
wesentlich krisenfester als ein System fixer Wechselkurse, da auch trotz flexibler Wechselkurse direkte grenzüberschreitende Übertragungswege zwischen den Geldmengen unterschiedlicher Länder existieren. Zudem kann dargestellt werden, dass auch flexible Wechselkurse die Unabhängigkeit nationaler Geldpolitik nicht vollständig gewährleisten.
Auf Basis der hier erarbeiteten Ergebnisse werden im folgenden Kapitel 2 Alternativszenarien für die
zukünftige Gestaltung des Weltwährungssystems einer detaillierten Beurteilung unterworfen. Als spezieller Aspekt des Weltwährungssystems wird zudem eine detaillierte Analyse des globalen Leitwährungssystems vorgenommen. Neben der normativen Bewertung wird strategisch eingeschätzt, welche
Szenarien sich im politischen Entscheidungsprozess durchsetzen könnten und damit als „realistisch“
betrachtet werden sollten.
Im Anschluss daran werden in Kapitel 3, die politischen Herausforderungen diskutiert, die sich aus der
veränderten währungspolitischen Situation und dem Übergang in das neue Regime ergeben. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht neben einer geeigneten Politik zur Erleichterung des Übergangs vom
alten ins neue System vor allem die Beseitigung von Mängeln des derzeitigen Systems, die in einer
zukünftigen Weltwährungsordnung vermieden werden sollten. Zentrale Aspekte in diesem Zusammenhang sind etwa ein treffsicheres Management von Kapitalflüssen oder eine verbesserte Finanzmarktaufsicht. Vorschläge für ein effektiveres Krisenmanagement im Falle von Finanzkrisen schließen
das Kapitel ab. Kapitel 4 fasst die Hauptergebnisse des Projekts noch einmal ausführlich zusammen.
Die Ausführungen sind dabei auf die europäische und deutsche Perspektive fokussiert; die Studie leitet
so konkrete Politikempfehlungen für die deutsche und europäische Wirtschaftspolitik ab.
80
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
2. Eine Bewertung aus globaler Perspektive
Die jahrzehntelange Rolle des US-Dollars als globale Reservewährung wird in der derzeitigen Finanzkrise in Frage gestellt. Die Probleme und Risiken, die mit der Verschuldung in Fremdwährung, dem
Halten hoher Devisenreserven einhergehen, wurden in der Krise offen gelegt und sind der Auslöser
einer Diskussion über das Weltwährungssystem und dessen zukünftige Gestaltung. Auch der zunehmende Umfang (kurzfristiger) Kapitalströme im Vergleich zum Güter- und Dienstleistungsaustausch
wirft im Hinblick auf mögliche Wechselkurseinflüsse Fragen auf.
Als spezieller Aspekt des Weltwährungssystems wird in der Folge eine detaillierte Analyse des globalen Leitwährungssystems vorgenommen. Auch in Abhängigkeit von der Wechselkurskonfiguration
sind hierbei unterschiedliche mehr oder weniger zweckmäßige Lösungen denkbar, die erneut unter
Hinzuziehung obiger Kriterien beurteilt werden. Mögliche zu diskutierende Szenarien in diesem Zusammenhang sind a) eine Rückkehr zum Dollar-dominierten Währungssystem der Vor-Euro-Zeit, b)
ausgehend von einer dezidiert bipolaren Struktur auf Basis des US-Dollar und des Euro über Währungswettbewerb ein Übergang zu einem ‚multi-currency international monetary system’, c) der chinesische Vorschlag einer supranationalen Währung, d) Sonderziehungsrechte des IWF als globale
Reservewährung, e) der Renminbi (RMB) als mittelfristig neue internationale Währung und f) radikalere Vorschläge wie etwa die stärkere Betonung des Goldes und anderer Rohstoffe als Reserve-Assets.
Einen Schwerpunkt der Analyse stellt die Auslotung der zunehmenden chinesischen strategischen
Optionen im Spannungsfeld zwischen trendmäßig etwas schwächer werdendem Dollar und bis zum
Ausbrechen der EU-Schuldenkrise gegenüber dem Dollar an Attraktivität für internationale Anleger
und Händler aufholendem Euro dar. Neben der normativen Bewertung der Systeme in Bezug auf die
Erfüllung der skizzierten Kriterien wird zudem strategisch eingeschätzt, welche Szenarien sich im
politischen Entscheidungsprozess durchsetzen könnten und damit als „realistisch“ betrachtet werden
sollten. Dabei spielt neben den langfristigen Implikationen für die Weltwirtschaft auch der Übergang
von einem währungspolitischen Regime zum anderen eine entscheidende Rolle.
a. Zukunftsszenarien: Das globale Wechselkurssystem
Wie ausführlich in Abschnitt 1.a. dargestellt, hat das Weltwährungssystem eine Vielzahl von Phasen
unterschiedlicher Bindungsintensität zwischen den unterschiedlichen Währungen durchlaufen. Neben
Phasen sehr enger Bindung zwischen den Hauptwährungen der Weltwirtschaft (etwa während des
Goldstandards oder des Bretton Woods Systems) gab es zumindest übergangsweise auch Regime relativ hoher Flexibilität der Wechselkurse (zumeist nach dem Zerfall relativ enger Regime), wie etwa
nach dem Ende des Goldstandards in den frühen 1920er-Jahren oder mit der Ausweitung der Bandbreiten der innereuropäischen Wechselkurse nach dem Zusammenbruch des EWS Anfang der 1990erJahre. In den vergangenen Jahren ist eine Tendenz zu insgesamt relativ flexiblen Wechselkursen festzustellen, wobei die Bildung der Europäischen Währungsunion diesem Trend offensichtlich entgegen
81
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
läuft. Auch die relativ enge Bindung einiger Schwellenländer an den US-Dollar (insbesondere China,
Brasilien und einige Öl exportierende Länder) oder an den Euro (insbesondere im osteuropäischen
Raum) steht im Gegensatz zu einer fortschreitenden Flexibilisierung der Wechselkurse.
Angesichts der Folgen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, die zumindest von einigen Beobachtern und zum Teil auf durch das Weltwährungssystem induzierte Fehlentwicklungen zurückgeführt
wird, wird das globale Wechselkurssystem zunehmend in Frage gestellt. So hat die französische G-20Präsidentschaft als zentralen Punkt eine Neuordnung des internationalen Währungssystems auf die
weltpolitische Agenda gesetzt. Dabei strebt Frankreich (in Union mit einigen Schwellenländern) eine
Dämpfung der Schwankung von Wechselkursen im Weltwährungssystem an. Dem entgegen stehen
Vorschläge insbesondere von akademischer Seite, das Weltwährungssystem weiter zu flexibilisieren,
um den Aufbau globaler Ungleichgewichte und die Übertragung konjunktureller Schwankungen zu
dämpfen. Die jeweiligen Argumente wurden in Teil 1 des vorliegenden Berichts gewürdigt. Im Folgenden sollen die unterschiedlichen Positionen in Anwendung auf die mögliche Entwicklung des globalen Währungssystems dargestellt werden. Die Ergebnisse aus Teil 1 fließen dabei in die Bewertung
ein. Wir unterscheiden zunächst zwischen den zwei möglichen Extremlösungen global flexibler und
global fixer Wechselkurse. Aus den Vor- und Nachteilen dieser Extremlösungen lassen sich Mischsysteme ableiten, die einen zweckmäßigen und politisch realistischen Kompromiss darstellen könnten.
i.
Global flexible Wechselkurse
Eine konsequente globale Flexibilisierung der Wechselkurse hätte potenziell erhebliche positive Wirkungen auf internationale Ungleichgewichte. Wie in Teil 1.b.i des vorliegenden Berichts empirisch
gezeigt und unter Bezugnahme auf die Literatur eingeordnet, kann eine Flexibilisierung der Wechselkurse insbesondere bei weniger entwickelten Volkswirtschaften zu geringeren Leistungsbilanzungleichgewichten beitragen. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass Leistungsbilanzungleichgewichte von
Nicht-Industrieländern weniger persistent sind, d.h. bestehende Ungleichgewichte schneller abgetragen werden, wenn flexible Wechselkurse vorliegen.
Die Ursache für einen entsprechenden Zusammenhang dürfte in der sogenannten Friedman (1953)Hypothese liegen, die darauf hinweist, dass der Wechselkurs als relativ schnell anpassungsfähiger
Preis Änderungen in weniger flexiblen ökonomischen Größen wie Güterströmen induzieren kann und
auf diese Weise größere Ungleichgewichte verhindert. Konkret: Anhaltende Leistungsbilanzüberschüsse eines Landes führen aufgrund der Mehrnachfrage nach inländischen Devisen zu einer Aufwertung der lokalen Währung. Hierdurch verteuern sich die Exporte auf dem Weltmarkt, während der
Preis für Importgüter aus inländischer Perspektive sinkt. Als Konsequenz aus den veränderten Terms
of Trade reduziert sich der Außenhandelsüberschuss, der Leistungsbilanzsaldo geht also zurück. Gleiches gilt umgekehrt analog für Länder mit hohen Leistungsbilanzdefiziten.
82
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Der geschilderte Zusammenhang gilt insbesondere für im ökonomischen Aufholprozess befindliche
Schwellenländer. Hier führen hohes Wachstum der Binnennachfrage und kräftige Importe aufgrund
starker Ausweitung des Konsums typischerweise zu hohen Leistungsbilanzdefiziten.32 Diese könnten
durch eine Abwertung wie beschrieben gedämpft werden.
Neben dem Einfluss auf globale Ungleichgewichte hätte eine globale Flexibilisierung wie in Kapitel 1
festgestellt noch weitere eher längerfristige Implikationen. So könnte man grundsätzlich positive Effekte auf das Wirtschaftswachstum erwarten, die ebenfalls mit der in der Friedman-Hypothese formulierten Absorption externer Schocks (etwa steigender Flexibilität in Krisenzeiten) in Verbindung zu
bringen sind. Insgesamt dürften flexible Wechselkurse aufgrund ihrer schnellen Anpassungsfähigkeit
zu einer effizienteren Ressourcenallokation beitragen, da sie als automatische Stabilisatoren die internationale Übertragung von Preis- und Konjunkturschwankungen dämpfen und damit zu sinkender
Unsicherheit und insbesondere erhöhter Investitionstätigkeit beitragen könnten.33 Dank höheren
Wachstums dürften flexible Wechselkurse zudem positive Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt entfalten
und insbesondere zu sinkender Arbeitslosigkeit beitragen.
Dabei ist freilich nicht unumstritten, ob die Flexibilisierung von Wechselkursen tatsächlich die gesamtwirtschaftliche Volatilität senken kann. Aus der Theorie ableitbar ist, dass Wechselkurse insbesondere bei nur begrenzt flexiblen Löhnen und Preisen entstehende Ungleichgewichte auch kurzfristig
ausgleichen können. So können etwa flexible Wechselkurse als Anpassungsmechanismus temporäre
Verschiebungen im internationalen Lohngefüge zum Ausgleich bringen und so realwirtschaftliche
Umlenkungseffekte (etwa durch veränderte Wettbewerbsfähigkeit bedingte Verschiebungen der internationalen Handelsströme) dämpfen. Diese Sichtweise setzt allerdings voraus, dass die Wechselkurse
in diesem Sinne endogen auf derartige Verschiebungen reagieren. Werden Wechselkurse hingegen als
etwa durch die Kapitalmärkte getriebene Variable begriffen (die in der kurzen Frist wohl eher realistische Perspektive), so können umgekehrt sich ändernde Wechselkurse zu erheblichen Verschiebungen
der Wettbewerbsfähigkeit und damit auch zu eher destabilisierenden Einflüssen auf die Realwirtschaft
führen.34 Möglicherweise kompensierend könnte unter solchen Umständen allerdings eine stabilisie-
32
Beispiele für entsprechende Schwellenländer mit hohen Leistungsbilanzdefiziten sind etwa Indien oder Brasilien. China ist mit seinem exportgetriebenen Wachstum und damit Leistungsbilanzüberschüssen in diesem
Sinne eher atypisch. Freilich dokumentiert der Fall China ebenfalls, dass durch eine Fixierung von Wechselkursen exzessive Leistungsbilanzungleichgewichte befördert werden.
33
Empirisch ließ sich ein positiver Zusammenhang zwischen flexiblen Wechselkursen und Wirtschaftswachstum
in Kapitel 1.b.i. allerdings nicht belegen. Die empirischen Ergebnisse deuten im Gegenteil eher darauf hin, dass
eine Fixierung von Wechselkursen insbesondere bei entwickelten Volkswirtschaften positive Wachstumseffekte
mit sich bringt. Hierauf wird in Kapitel 2.a.ii. einzugehen sein.
34
So machen Meese und Rogoff (1983) darauf aufmerksam, dass Wechselkurse häufig stärker schwanken als
durch Fundamentaldaten (d.h. etwa Handelsströme) gerechtfertigt.
83
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
rende autonome Geldpolitik wirken, die allzu heftige Konjunkturschwankungen durch eine an den
jeweiligen nationalen Interessen orientierte Politik dämpfen könnte.
Angesichts der schon in der Theorie widersprüchlichen Ergebnisse ist es nicht überraschend, dass auch
unsere Ergebnisse mit Blick auf die Wirkungen des Wechselkursregimes in der kurzen Frist in Kapitel
1.b.iii. nicht eindeutig waren. Mit Blick auf die Übertragung konjunktureller Schwankungen haben
unsere Simulationsergebnisse zwar gezeigt, dass eine weitere Flexibilisierung im internationalen Währungssystem insbesondere in den Industrieländern zu einer geringeren Volatilität führen dürfte. Hier
macht sich offensichtlich bemerkbar, dass flexible Wechselkurse zwischen den Industrie- und Schwellenländern eine Übertragung der typischerweise starken Konjunkturschwankungen in den Schwellenländern in die Industrieländer dämpfen. Positive Wirkungen dürften sich insbesondere auch deshalb
ergeben, da die Wirtschaftsstrukturen zwischen Industrie- und Schwellenländern sich stark unterscheiden, sodass es häufiger zu asymmetrischen Einflüssen auf die Konjunktur kommt, die eine asymmetrische Reaktion der Geldpolitik oder, alternativ, eine Anpassung der relativen Preise und Löhne zwischen den Wirtschaftsräumen erforderlich machen, die wie beschrieben kurzfristig am schnellsten über
eine Anpassung des nominalen Wechselkurses erreichbar ist. Im Falle der Schwellenländer allerdings
werden die grundsätzlich positiven Effekte einer Wechselkursflexibilisierung tendenziell überkompensiert durch die steigende Volatilität, die mit kapitalmarktbedingten Einflüssen auf die Wechselkurse
verbunden sind.35
Ähnlich wurde in Kapitel 1.b.iii. auch für die Übertragung von Preisschwankungen gezeigt, dass eine
stärkere internationale Flexibilisierung der Wechselkurse tendenziell zu geringerer Volatilität der
Preisniveaus insbesondere in den Industrieländern führt. Auch in diesem Zusammenhang zeigt sich
allerdings für Schwellenländer das gegenteilige Ergebnis. Erneut dürfte dies zumindest zum Teil mit
der kapitalmarktinduzierten Instabilität von Wechselkursen zusammen hängen, die eine Anpassung
der inländischen Preise erforderlich machen. Insbesondere für Schwellenländer gilt zudem, dass durch
fixe Wechselkurse die typischerweise stabilitätsorientiertere Geldpolitik der Industrieländer importiert
werden kann, sodass auf diese Weise eine verbesserte Preisniveaustabilität erreicht wird.
Angesichts dieser eher durchwachsenen Ergebnisse lässt sich keine Politikempfehlung für eine globale
Flexibilisierung der Wechselkurse ableiten. Zwar könnten sowohl Industrieländer von flexibleren
Wechselkursen profitieren, da insbesondere die Übertragung von konjunkturellen Schwankungen und
Preisentwicklungen hierdurch gedämpft würde. Auch Schwellenländer dürften insbesondere mit Blick
auf ihr außenwirtschaftliches Gleichgewicht tendenziell von einer stärkeren Flexibilisierung profitie-
35
Im Falle insbesondere von Schwellen- und Entwicklungsländern kommt als Nachteil hinzu, dass internationale
Schulden typischer Weise in US-Dollar oder Euro akkumuliert werden, sodass Änderungen des Wechselkurses
erhebliche Änderungen im Schuldenstand relativ zum nationalen Produktionsniveau mit sich bringen können.
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
ren. Eindeutige und allseitige Effekte gehen von einer weiteren Flexibilisierung der Wechselkurse
indes nicht aus, sodass insbesondere die Extremlösung global flexibler Wechselkurse (möglicherweise
sogar mit flexiblen Wechselkursen zwischen den Mitgliedsländern derzeit bestehender Währungsunionen) als weder realistisch noch zweckmäßig verworfen werden sollte. Dies gilt umso mehr, als ein
System flexibler Wechselkurse nicht unbedingt krisenfester etwa in Bezug auf die Abwehr des Zuflusses globaler monetärer Liquidität sein muss, wie unsere Ergebnisse in Kapitel 1.iv. gezeigt haben.
ii. Global fixe Wechselkurse
Auch eine intensivierte globale monetäre Integration hat potenziell erhebliche positive Wohlfahrtseffekte. Insbesondere die Einführung einer Weltwährung hat, auch unter Ökonomen, zahlreiche Anhänger. So spricht sich der Wirtschaftsnobelpreisträger und Begründer der Theorie optimaler Währungsräume regelmäßig für die Einführung einer Weltwährung aus (vgl. etwa Mundells Website
http://robertmundell.net/economic-policies/world-currency/ für eine Vielzahl von Verweisen auf akademische Publikationen). Auch im politischen Bereich findet die Idee Zustimmung. So wird dem
ehemaligen Vorsitzenden der amerikanischen Notenbank Paul Volcker vielfach das Zitat „A global
economy needs a global currency“ zugeschrieben (etwa Starr, 2004). Bereits im Keynes-Plan zur
Währungsordnung der Nachkriegszeit war eine Weltwährung angedacht, wurde aber aufgrund gegenläufiger politischer Interessen nicht umgesetzt.
Wesentliches Argument für die Einführung einer Weltwährung ist der Effizienzgedanke. So ist im
Zuge der Einführung einer gemeinsamen Währung mit einer möglicherweise erheblichen Steigerung
der Transparenz auf internationalen Güter- und Kapitalmärkten zu rechnen. In der Konsequenz dürften
die Handelsströme zunehmen und damit eine intensivere Nutzung der Vorteile der internationalen
Arbeitsteilung einsetzen. Zudem dürfte die realwirtschaftliche Investitionstätigkeit gesteigert werden,
da nationale und internationale Investitionen durch sinkende Risikoprämien (aufgrund des wegfallenden Wechselkursrisikos) attraktiver werden. Beide Zusammenhänge wirken tendenziell wachstumsfördernd und dürften damit indirekt auch für eine Verbesserung der Arbeitsmarktsituation förderlich
sein.
Auch empirisch ließ sich ein entsprechender Zusammenhang zwischen einer stärkeren Fixierung der
Wechselkurse und höherem Wirtschaftswachstum in Kapitel 1.b.i. zeigen. Im Gegensatz zu unseren
Ergebnissen in Bezug auf die Wirkung des Wechselkursregimes auf das außenwirtschaftliche Gleichgewicht ließ sich ein entsprechender Zusammenhang allerdings nur für Industrieländer signifikant
darstellen, während bei weniger entwickelten Volkswirtschaften kein signifikanter Zusammenhang
zwischen Wirtschaftswachstum und dem Grad der Wechselkursflexibilität festzustellen war. Dieses
Ergebnis überrascht zunächst, zumal bei Schwellenländern ein weiteres Argument für die Fixierung
von Wechselkursen typischerweise relevanter ist als bei höher entwickelten Volkswirtschaften: Durch
die Fixierung des Wechselkurses wird die möglicherweise stärker stabilitätsorientierte Geldpolitik des
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Leitwährungslandes importiert, sodass mit niedrigeren Inflationsraten und höherer Glaubwürdigkeit
einer an Preisstabilität orientierten Geldpolitik zu rechnen ist. Dies dürfte ebenfalls positive Wachstumseffekte freisetzen.
Freilich ist der Verlust einer autonomen Geldpolitik, wie er mit der Fixierung von Wechselkursen
verbunden ist, auch mit potenziell negativen Effekten verbunden. Zunächst sind in diesem Zusammenhang offensichtlich die im vorigen Abschnitt 2.a.i. diskutierten Konsequenzen für außenwirtschaftliche Ungleichgewichte zu thematisieren. Wie gezeigt können flexible Wechselkurse insbesondere in Schwellenländern den Abbau großer Leistungsbilanzüberschüsse oder –defizite unterstützen.
Der Verlust flexibler Wechselkurse hat im Umkehrschluss potenziell erhebliche negative Konsequenzen für globale Ungleichgewichte. Zusätzlich ist zumindest grundsätzlich eine den nationalen Bedingungen verpflichtete Geldpolitik geeignet, konjunkturelle Schwankungen und inflationäre Entwicklungen zu dämpfen. Der mit der Fixierung der Wechselkurse einhergehende Verlust einer autonomen
Geldpolitik kann daher durchaus auch mit einer höheren Volatilität der gesamtwirtschaftlichen Aktivität einhergehen und daher möglicherweise reduzierter Investitionstätigkeit einhergehen.
Unsere Simulationen in Kapitel 1.b.iii. des vorliegenden Berichts stützen diese These. Insbesondere
für die Industrieländer kommen wir zu dem Ergebnis, dass eine weitere Fixierung von Wechselkursen
(etwa zwischen dem Euroraum und den USA) tendenziell zu einer höheren Volatilität der gesamtwirtschaftlichen Produktion führt als im währungspolitischen Status Quo. Eindeutig ist das Ergebnis allerdings nicht. Tatsächlich finden wir für Schwellenländer wie China tendenziell eine geringere Volatilität des Bruttoinlandsprodukts unter der Annahme einer intensivierten globalen monetären Integration
durch weitere Fixierung von Wechselkursen.36 Selbst für Euro-Mitgliedsländer wie Deutschland führte
eine weitere Stabilisierung des Wechselkurses (insbesondere gegenüber den USA) zu geringerer Volatilität des Preisniveaus und der gesamtwirtschaftlichen Produktion. Offenbar überwiegen für diese
Länder die negativen Auswirkungen von durch Wechselkursfluktuationen bedingten Umlenkungseffekten, die zu einer verstärkten Schwankung der gesamtwirtschaftlichen Produktion führen und den
Verlust der autonomen Geldpolitik als konjunkturellem Stabilisierungsinstrument überwiegen.37
Trotz der unbestreitbaren positiven Wirkungen einer stärkeren Wechselkursbindung lassen sich angesichts der vorgelegten Ergebnisse keine eindeutigen Politikempfehlungen zugunsten einer Weltwährung oder gar einer globalen Währungsunion ableiten. Deutlich wurde in den vorangehenden Ausführungen, dass schon die unmittelbaren ökonomischen Implikationen eines solchen Regimes nicht zwin-
36
Dies ist auch bedingt durch Kapitalverkehrskontrollen, die China weiterhin eine gewisse Eigenständigkeit der
Geldpolitik gestatten.
37
Insbesondere im Fall der Euro-Mitgliedsländer mag dies auch damit zusammenhängen dass die Europäische
Zentralbank kein Mandat zur Stabilisierung der Konjunktur hat und daher der Verlust einer autonomen Geldpolitik aus dieser Perspektive nicht allzu schwer wiegt.
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gend positiv aus Sicht der beteiligten Volkswirtschaften wären. Hinzu kommen erhebliche politische
Bedenken gegen ein so weitreichendes währungspolitisches Regime. So erscheint es sowohl unrealistisch als auch demokratietheoretisch zumindest problematisch, so weitreichenden ökonomischen Gestaltungsspielraum einer nur sehr indirekt legitimierten Institution wie einer Weltzentralbank zu überlassen.
Auch die von der französischen G-20-Präsidentschaft in die Diskussion eingebrachte Neuordnung des
Weltwährungssystems versucht unter dem Etikett ‚Bretton Woods II’ in Anlehnung an das 1944 vereinbarte Abkommen zur Nachkriegswährungsordnung eine stärkere Bindung der Wechselkurse zwischen den großen Industrie- und Schwellenländern.38 Zumindest die G-20-Mitglieder sollten sich danach auf durch staatliche Intervention stabilisierte Wechselkurse einigen. (Veröffentlichter) Stand der
Diskussion ist derzeit die Einrichtung von Wechselkurszielzonen, allerdings im Gegensatz zur Konzeption des ursprünglichen Bretton Woods Systems wohl nicht in Verbindung mit einer Golddeckung
der Leitwährung.
Nach unseren obigen Ausführungen ist dieser Plan kritisch zu beurteilen. Wechselkurszielzonen (im
Gegensatz zu echten fixen Wechselkursen oder gar der Bildung einer Währungsunion) erfüllen nicht
den erwünschten Zweck, kurzfristige Schwankungen der Wechselkurse und damit plötzliche Umlenkungseffekte aufgrund veränderter relativer Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zum Ausland zu verhindern. Die mit flexiblen Wechselkursen verbundene Unsicherheit wird damit nur wenig gedämpft.
Gleichzeitig verhindert der Zwang zur Einhaltung eines Wechselkursbandes, dass entstehende Leistungsbilanzungleichgewichte durch notwendige kräftige Wechselkursanpassungen abgebaut werden
können. Zudem wird die nationale Geldpolitik in ihrem Gestaltungsspielraum erheblich eingeschränkt,
da (sofern der internationale Kapitalverkehr nicht eingeschränkt werden soll) freie Zinssetzung angesichts sich hieraus ergebender Kapitalflüsse nicht mehr möglich ist.
Im Ergebnis dürfte ein derartiges Regime also sowohl die Nachteile flexibler Wechselkurse als auch
die Nachteile fixer Wechselkurse aufweisen und wäre daher abzulehnen. Gerade in einer Welt mit
mehreren und sich sehr unterschiedlich entwickelnden ökonomischen Kraftzentren (USA, Euroraum,
China, Südamerika, etc.) dürfte ein derart rigides System zum Scheitern verurteilt sein.
38
Der Begriff ‚Bretton Woods II’ ist nicht eindeutig besetzt. In der ökonomischen Literatur kursiert diese Bezeichnung auch für das Vorkrisenwährungssystem, das mit dem US-Dollar als Leitwährung und fixen Wechselkursen zu großen Schwellenländern einzelne Charakteristika des Nachkriegswährungssystems aufwies (vgl.
etwa Dooley et al., 2004). Wir verwenden den Begriff im Folgenden zur Bezeichnung des aktuellen französischen Vorschlags für das Weltwährungssystem.
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
iii. Regionale Integrationsräume bei globaler Flexibilität
Angesichts der aufgezeigten widersprüchlichen Effekte bei einer weiteren Flexibilisierung oder Fixierung von Wechselkursen lassen sich eindeutige Politikempfehlungen zugunsten eines der beiden extremen Systeme (global flexible oder global fixe Wechselkurse) nicht aussprechen. Das Status QuoRegime als Mischsystem mit dem US-Dollar als zentraler Ankerwährung im internationalen Handel
und Kapitalverkehr dürfte damit bei allen Fehlern im Detail und den ohne Zweifel auch damit zusammenhängenden Fehlentwicklungen der Vergangenheit nicht die schlechteste aller Lösungen darstellen.
Dabei bieten sich allerdings aus den Ergebnissen der vorigen Kapitel Ansatzpunkte für Verbesserungsmöglichkeiten an, die im Folgenden diskutiert werden sollen.
Mit Blick auf globale Ungleichgewichte ist aus den Entwicklungen insbesondere des letzten Jahrzehnts der Schluss zu ziehen, dass zwischen Volkswirtschaften, die sich in einem unterschiedlichen
Entwicklungsstadium befinden, nach Möglichkeit flexible Wechselkurse zur Verhinderung exzessiver
globaler Ungleichgewichte beitragen sollten. So wäre aus einer globalen Perspektive eine (möglicherweise gebremste) Flexibilisierung des chinesischen Renminbi gegenüber dem US-Dollar anzustreben,
um den exzessiven chinesischen Leistungsbilanzüberschuss (sowie das spiegelbildliche exzessive USDefizit) durch Aufwertung der chinesischen Währung zu dämpfen.
Gleichzeitig sind aber die Vorteile fixer Wechselkurse im globalen Handel so weit als möglich zu
nutzen. In Kapitel 1.b.i. wurde empirisch gezeigt dass fixe Wechselkurse insbesondere für Industrieländer einen signifikanten positiven Wachstumseffekt haben können. Ursächlich hierfür dürfte deren
relativ starke Einbindung in internationale Kapital- und Handelsströme sein, die durch einen Wegfall
des mit flexiblen Wechselkursen verbundenen Investitions- und Transaktionsrisikos intensiviert werden und eine effizientere (internationale) Allokation von Ressourcen durch bestärkte internationale
Arbeitsteilung und Investitionstätigkeit mit sich bringen.
Auch für Schwellenländer dürfte die Einbindung in fixe Wechselkursregime oder regionale Währungsunionen erhebliche Vorteile mit sich bringen. Hauptargument in diesem Zusammenhang dürfte
die steigende Attraktivität für internationale Investitionen sein, deren Zufluss durch die mit einer Gemeinschaftswährung einhergehende größere Stabilität verstärkt werden dürfte.39 Zudem dürfte es für
eine gemeinsame supranationale Geldpolitik einfacher sein, sich Reputation aufzubauen und insbesondere die Unabhängigkeit gegenüber den nationalen Regierungen zu gewährleisten, als dies den
jeweiligen nationalen Geldpolitiken insbesondere in Schwellenländern möglich sein dürfte.
39
Da das im Umlauf befindliche Transaktionsvolumen der Gemeinschaftswährung größer als das Transaktionsvolumen der Einzelwährungen ist, dürfte die Volatilität des Wechselkurses der Gemeinschaftswährung gegenüber anderen Währungen im internationalen System geringer sein als vor der Integration.
88
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Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Aus der Theorie Optimaler Währungsräume (Mundell, 1961, sowie ausführlich Fichtner, 2008, Kapitel 2) und unseren Ergebnissen insbesondere in Kapitel 1 der vorliegenden Arbeit ergeben sich relativ
klare Kriterien für die Erfolgsbedingungen der regionalen Gemeinschaftswährungen. Aus einer eher
kurzfristigen (konjunkturorientierten) Perspektive fallen darunter insbesondere starke wirtschaftliche
Verflechtungen sowie die Mobilität der Produktionsfaktoren (Arbeit oder Kapital) zwischen den potenziellen Mitgliedsländern der Union ins Gewicht.40 Eher langfristig orientierte Kriterien für die Beurteilung der Zweckmäßigkeit und Funktionsfähigkeit von Währungsunionen sollten gemäß den vorigen Ausführungen den Entwicklungsstand der Mitgliedsländer berücksichtigen, um auf diese Weise
die Herausbildung exzessiver Leistungsbilanzungleichgewichte zu verhindern. Die Europäische Währungsunion liefert zudem derzeit ein mahnendes Beispiel, dass die Einhaltung fiskalischer Regeln und
insbesondere die Verhinderung von übermäßiger öffentlicher Verschuldung existenziell für den Fortbestand der Währungsunion sein können.
Neben den ökonomischen Aspekten, die für die Zweckmäßigkeit einer Währungsunion relevant sind,
dürften die politischen Aspekte einer so weitreichenden ökonomischen Integration in der Realität im
Vordergrund stehen. Während sich diese Aspekte einer streng ökonomischen Beurteilung wie im vorliegenden Bericht angestrebt entziehen, ist der politische Wille zur Integration für die Funktionsfähigkeit einer Währungsunion von entscheidender Bedeutung (Ingram, 1969; empirisch Cohen, 1994).
Theurl (1992) stellt sogar fest, dass monetäre Integration ohne eine vollständige politische Integration
historisch gesehen regelmäßig zum Scheitern verurteilt war.41
Vor dem Hintergrund der diskutierten Aspekte lässt sich regionale monetäre Integration mit zwischen
den Blöcken flexiblen Wechselkursen als ein langfristiges Ziel rationaler Weltwährungspolitik vertreten. Zu beachten ist dabei aber, dass für die langfristige Tragfähigkeit dieses Regimes wie argumentiert die Wechselkurse zwischen Ländern auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen flexibel bleiben
sollten, sich im Umkehrschluss die zu bildenden Währungsunionen also auf Volkswirtschaften mit
einem ähnlichen Entwicklungsstand sowie, zusätzlich, einem politischen Willen zur Integration beziehen sollten, wie er am ehesten bei regional und kulturell verbundenen Volkswirtschaften zu finden
sein dürfte. Balassa (1962) skizziert Entwicklungsstufen regionaler Integration, die mit Blick gerade
40
Dabei ist allerdings nicht zwingend, dass ein entsprechendes Kriterium (etwa die Intensität der wirtschaftlichen Verflechtungen) bereits vor Bildung der Währungsunion besonders stark ausgeprägt ist. Denkbar und
empirisch belegt ist, dass die Optimalitätskriterien erst nach (und in Folge) der Bildung der Währungsunion
erfüllt werden. Vgl. zu dieser sog. Endogenitätshypothese Frankel und Rose (1998) sowie für einen ausführlichen Ü berblick Mongelli und Vega (2006).
41
Die Frage ob politische Integration Voraussetzung oder im Sinne der „ Krö nungstheorie“ ein Ziel monetärer
Integration sein sollte, ist im Vorfeld der Bildung der Europäischen Währungsunion kontrovers zwischen Ö konomen und P olitik diskutiert worden. Vgl. etwa Issing (1996) und Theurl (1995) für widerstreitende P ositionen.
Vgl. in diesem Zusammenhang auch Salin (1965), der zu einem frühen Zeitpunkt Argumente für eine Europäische Währungsunion präsentierte.
89
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auch auf die politischen Voraussetzungen einer funktionsfähigen Währungsunion durchaus auch als
Entwicklungspfad verstanden werden können. Danach ist als erste Stufe ökonomischer Integration
eine Freihandelszone (ohne Handelsbeschränkungen innerhalb des Integrationsraums) sowie, darauf
aufbauend, eine Zollunion mit gemeinsamen Außenzöllen zu schaffen. Als zweite Stufe ist dann ein
gemeinsamer Markt (mit Freizügigkeit der Produktionsfaktoren) zu bilden. Werden in einer dritten
Stufe geld- und fiskalpolitische Entscheidungen bis zu einem gewissen Grade harmonisiert, kann von
einer Wirtschaftsgemeinschaft gesprochen werden, die schließlich in einer vollständigen ökonomischen Integration unter Übertragung nationaler wirtschaftspolitischer Kompetenz an eine supranationale Instanz münden kann.
Nimmt man diese Überlegungen als Ausgangspunkt, so ergeben sich als Integrationsräume einige
Regionen, die freilich einen sehr unterschiedlichen Grad der Integration erreicht haben. Den nach der
Europäischen Währungsunion (und ihren osteuropäischen Beitrittskandidaten) wohl fortgeschrittensten Stand ökonomischer Integration findet man in den regionalen Währungsunionen Afrikas (Westafrikanische und Zentralafrikanische Währungsunion mit acht bzw. sechs autonomen Mitgliedsländern),
der Karibischen Gemeinschaft (gemeinsamer Markt mit 15 autonomen Mitgliedsstaaten), dem GolfKooperationsrat (Wirtschaftsunion mit 6 Mitgliedsstaaten), sowie im Bereich der Südafrikanischen
Zollunion (Botsuana, Lesotho, Namibia, Südafrika, Swasiland), wo zudem fixe Wechselkurse gegenüber dem südafrikanischen Rand (mit Ausnahme Botsuanas) bestehen. Im Bereich des Mercosur sind
neben dem rein-ökonomischen Aspekt einer Freihandelszone auch Ansätze politischer Integration
sowie das formulierte Ziel der Bildung eines gemeinsamen Markts kennzeichnend für ein ebenfalls
recht fortgeschrittenes Stadium ökonomischer Integration, das allerdings ebenso wie bei der ASEANFreihandelszone noch weit entfernt ist von einem gemeinsamen Markt oder gar einer Wirtschaftsgemeinschaft. Insbesondere in den ASEAN-Ländern, aber auch im Bereich des Mercosur, dürfte zudem
der wirtschaftliche Entwicklungsstand zu heterogen sein, um mittelfristig eine tragfähige Währungsunion bilden zu können.42 Offizielle Pläne für die Bildung von Währungsunionen existieren zwar in
mehreren Regionen (darunter in der ASEAN-Zone sowie in der Union Südamerikanischer Nationen,
UNASUR), diese sind aber regelmäßig sehr langfristig angelegt und wären nach derzeitigem Sachstand auch nicht mit den ökonomischen Fundamentaldaten der potenziellen Mitgliedsländer vereinbar.
Konkretere Pläne mit Umsetzungsdaten in der mittleren Frist existieren allerdings für die Ostafrikanische Gemeinschaft (5 Mitglieder), die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (15 Mitglieder), die
Karibische Gemeinschaft (15 Mitglieder) sowie insbesondere im Golf-Kooperationsrat (6 Mitglieder).
42
Vgl. ausführlich zu den Aussichten für monetäre Integration in den ASEAN-, Mercosur- und NAFTA-Staaten
Kenen und Meade (2008) und spezifisch für den Mercosur Belke und Gros (2002b,c) und Belke, Gros und Geisslreither (2003).
90
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Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Als langfristiges Entwicklungsziel für das Weltwährungssystem sollte dennoch die Entwicklung regionaler Integrationsräume angestrebt werden. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass
sich einzelne wichtige Volkswirtschaften bisher nicht auf eine ökonomische Integrationsstrategie eingelassen haben. So gehören weder die Volksrepublik China noch Indien einem regionalen Integrationsraum an.43 Für eine zielgerichtete Entwicklung des Weltwährungssystems wären hier erste Schritte
anzustreben. Vor allem aber ist darauf hinzuwirken, dass Fehlentwicklungen, wie sie unter anderem
aus trotz fundamentalwirtschaftlichen Differenzen bestehenden Wechselkursbindungen zwischen
Schwellen- und Industrieländern entstehen, abgebaut werden. Mittel hierzu kann auch, perspektivisch,
eine Aufwertung der betroffenen Währungen in einem neuen Leitwährungsgefüge sein. Hierauf ist im
nächsten Abschnitt speziell einzugehen.
b. Die spezielle Frage der Leitwährung
In letzter Zeit wird die Debatte um den US-Dollar als Leitwährung immer öfter und immer heftiger
geführt (vgl. beispielsweise Cohen, 2009). Grundsätzlich lässt sich das aktuelle Weltwährungssystem
durch drei Beobachtungen kennzeichnen. Erstens wird es durch die exorbitanten Ersparnisse der Entwicklungs- und Schwellenländer, insbesondere Chinas bestimmt. Insofern kommt es zu einer Verlagerung des Risikos. Zweitens ist der europäische Finanzmarkt weitaus weniger integriert als der USamerikanische, was nach wie vor zu einer Dominanz des US-Dollars im Weltfinanzsystem führt. Der
Euro spielt lediglich die „zweite Geige“. Und drittens deutet sich im bilateralen Verhältnis des Dollars
zum Euro auch weniger Änderung an als im Verhältnis beider zum RMB (Belke und Verheyen 2011,
Gros 2009).
Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob dieses momentan vorherrschende monopolare Weltwährungsmodell auch in Zukunft bestehen bleiben wird. Schätzungen der Leistungsbilanz, IWF-Projektionen sowie die in Belke und Gros (2010) sowie Belke und Verheyen (2011) skizzierten Überlegungen lassen
einen weiteren Anstieg der chinesischen Währungsreserven vermuten. Allerdings bieten die USA
momentan mehr als genug sichere und liquide Vermögenstitel in Form von Staatsanleihen („Treasury
Bills“) an, sodass die Finanzierung des hohen amerikanischen Leistungsbilanzdefizits weiterhin möglich erscheint (Belke und Verheyen, 2011, Gros, 2009).
Im Zuge der Forderung nach einem stabileren Währungssystem sind verschiedene Vorschläge unterbreitet worden. Dabei spielt die Einsicht eine zentrale Rolle, dass die externe Stabilität des internationalen Währungssystems die Eigenschaften eines öffentlichen Gutes erfüllt: Nicht-Rivalität im Konsum
und Nicht-Exkludierbarkeit (Eichengreen, 1987, und Camdessus, 1999).
43
Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, der die Volksrepublik China angehö rt, hat noch nicht den
Charakter einer Wirtschaftsorganisation.
91
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
i. Der Dollar als globale Reservewährung – ‚Exorbitant Privilege’ und Triffin-Dilemma
Die laufende Debatte wird aus unterschiedlichen Perspektiven bezüglich der Rolle des US-Dollars in
der aktuellen Finanzkrise und seiner Rolle im gegenwärtigen Weltwährungssystem geführt.44 Einer
ersten Interpretation folgend wurde die jüngste Finanzkrise allein durch mikroökonomische Störungen
und Friktionen im Finanzsystem getrieben; die internationale Rolle und der Status des US-Dollar war
unangefochten und wird unbestritten bleiben. Dieser Sicht folgend stellen globale Ungleichgewicht
nichts anderes als eine natürliche und unausweichliche Begleiterscheinung der zurück gebliebenen
Finanzmarktentwicklung in Emerging Markets dar (Obstfeld und Rogoff, 2009). Andere Analysten
argumentieren, der Ausbruch der Finanzkrise und ihre Ausbreitung auf die gesamte Weltwirtschaft
reflektiere die inhärente Anfälligkeit und die systemischen Risiken des existierenden Dollar-basierten
internationalen Währungssystems. Die Welt habe deshalb ein substanzielles Interesse daran, den seit
dem zweiten Weltkrieg als Weltreservewährung fungierenden Dollar in dieser Funktion zu ersetzen
(Zhou, 2009).
Eine dritte vermittelnde Sichtweise, wie sie beispielsweise von Dorrucci und McKay (2011) formuliert
wird, betont den Mangel an Politik disziplinierenden und auf externe Stabilität45 abzielenden Einrichtungen wie beispielsweise effizienter Anpassungsmechanismen für globale Ungleichgewichte. Die
Bereitstellung der internationalen Leitwährung durch die USA als solche sei nicht das Problem gewesen (für eine postkeynesianische Perspektive siehe Kregel 2010). Vertreter dieser Denkrichtung setzen
sich dementsprechend im G20-Rahmen für eine symmetrische Überwachung und Sanktionierung von
globalen Leistungsbilanzungleichgewichten nach einem Scoreboard-Modell ein. Diese drei unterschiedlichen Sichtweisen werden im Folgenden detaillierter analysiert – vor allem im Hinblick auf die
Krisenfestigkeit eines vom US-Dollar dominierten internationalen Währungssystems.
Mikroökonomische Krisenursachen: unangefochtener Dollar in unangefochtenem internationalem
Währungssystem
Für die Vertreter einer ersten Sichtweise ist es schwer, empirische Evidenz für die Sichtweise zu finden, dass die Finanzkrise auf makroökonomische Determinanten zurückzuführen ist. Dies gelte insbesondere für den Aufbau der Anfälligkeiten im Vorfeld der Krise. Ihr Einfluss sei komplex und mehrdeutig. Die Ausgestaltung des gegenwärtigen Währungssystems habe bestenfalls einen indirekten Beitrag zum Aufbau systemischer Risiken geleistet. Der Hauptgrund liege vielmehr in einer unzureichen-
44
Vgl. beispielsweise Dorrucci und McKay, 2011, S. 18, Raschen (2011) und vor allem Obstfeld und Rogoff,
2009. Einen guten und zeitnahen Überblick über die Debatte bieten die Papiere auf
http://www.imsreform.org/reserve/docs.html.
45
Wir definieren externe Stabilität als eine globale Konstellation internationaler realwirtschaftlicher und Finanzmarkt-Verflechtungen, die keine gravierenden und schmerzhaften Anpassungen von Wechselkursen, anderen Vermögenspreisen, Output und Beschäftigung erwarten lässt. Vgl. Dorrucci und McKay (2011), S. 5.
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
den Finanzmarktregulierung (IMF 2009a,b). Vertreter dieser Sicht argumentieren, dass die Nettokapitalflüsse in die USA selbst auf dem Höhepunkt der Krise ein stabilisierender und kein destabilisierender Faktor waren (Belke und Gros 2009). Sie führen als empirischen Beleg hierfür an, dass die Vereinigten Staaten vor und nach der Krise bisher keine externen Finanzierungsprobleme hatten. Zudem
diene der Aufbau erheblicher Währungsreserven in Emerging Markets als wichtiger Puffer gegen Finanzmarktschocks, wobei sie als Teil einer exportbasierten Wachstumsstrategie erhebliche Terms-ofTrade-Gewinne beziehen. Die US-Bürger zahlen einen relativen geringen Zinssatz auf ihre Auslandsverbindlichkeiten, während sie relativ hohe Erträge auf ihre ausländischen Vermögensbestände verzeichnen. Dieser positive ‚Überschussertrag’ auf ausländisches Nettovermögen – auch bekannt als das
‚Exorbitant Privilege’ der Emission einer internationalen Währung – erleichtert die Nachhaltigkeit
eines großen negativen Leistungsbilanzsaldos. Im Allgemeinen kann man dieses Privileg als eine
Kompensation für die Rolle der USA als das wichtigste Finanzzentrum der Welt interpretieren, sichere
niedrigverzinsliche Verbindlichkeiten zu emittieren, um risikoreiche Investitionen im Ausland zu finanzieren. Die USA sind dabei mit einem komparativen Vorteil für die Bereitstellung von Versicherung, Liquidität und Innovation ausgestattet (Gourinchas und Rey 2005).
Ist das Privileg der USA aber wirklich exorbitant, wenn man es mit anderen – vor allem international
Währung emittierenden - Ländern vergleicht? Ökonomen verwiesen kürzlich auf Ungenauigkeiten der
internationalen Statistik, um überschüssige Renditen auf US-Nettovermögen zu rechtfertigen. Einige
argumentieren, dass diese Statistiken den wahren Wert der US-Auslandsinvestitionen tatsächlich unterschätzen (die vielfach beschworene ‚dark matter’-Theorie)46; andere führen jedoch an, dass die
Inkonsistenz zwischen der Messung von Bestands- und Stromgrößen die gemessenen Überschussrenditen der USA künstlich erhöht (Hausmann, Sturzenegger 2006, Curcuru et al. 2008, Lane und MilesiFerretti, 2008).
Die Vertreter der in diesem Abschnitt beschriebenen Sichtweise eines „unangefochtenen Dollars im
unangefochtenen internationalen Währungssystem“ betonen in ihrer Argumentation die Phase der
Aufwertung des US-Dollars nach der Lehman-Pleite. Sie stellen als Stärke des Dollars heraus, dass der
US-Dollar gegenüber einer außergewöhnlich starken und zudem auf den heimischen Finanzmärkten
entstandenen Finanzkrise immun blieb und nach wie vor einmal mehr seine traditionelle Bedeutung
als ‚safe haven’ ausspielte – ein Phänomen, das auch die ECB (2009), S. 12, und Raschen (2011), S. 8)
herausstreichen. Als die Riskoaversion im Zuge der Lehman-Pleite stark anstieg und ein breit angelegter Prozess des Deleveraging begann, ließ die Flucht in Sicherheiten und in die Liquidität den Dollar
46
Dass die US-Exporte von ‚dark matter’ groß genug scheinen, um die Nettovermögensposition der der USA
stabil zu halte, zieht den Bedarf an einer größeren Anpassung des Dollars oder eines umfangreichen „Rebalancing“ der Weltwirtschaft in Zweifel.
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
kräftig aufwerten. Das US-amerikanische Leistungsbilanzdefizit begann zu schrumpfen. Es handelte
sich dabei nicht um das Ergebnis sinkender Kapitalflüsse, sondern um eine Kontraktion der aggregierten Nachfrage infolge binnenwirtschaftlicher Finanzmarktprobleme in Kombination mit einem Zusammenbruch des Welthandels und einem Verfall der Ölpreise (Belke und Gros, 2010). Diese Sichtweise knüpft eng an die teils schon vor Ausbruch der Finanzkrise geäußerten Ansichten und publizierten Modelle von Cooper (2007), Dooley, Folkerts-Landau und Garber (2005), Caballero, Farhi und
Gourinchas (2008) und Mendoza, Quadrini und Rios-Rull (2007) an. Im Rahmen elaborierter Modelle
interpretieren sie alle globale Ungleichgewichte als eine „Win-Win“-Konstellation, in der die Bewohner und Regierungen von Emerging Markets und Entwicklungsländern von der Sicherheit und Liquidität ihrer Ersparnisse profitieren, während die reichen Länder, einschließlich der USA, aus günstigeren
Kreditkonditionen Nutzen ziehen.
Der Befund lautet demnach, dass die internationale Dominanz des Dollars mittelfristig noch unangefochten bleiben wird. Denn der US-Dollar wird in den Wechselkursregimes anderer Länder die wichtigste Ankerwährung oder zumindest eine zentrale Währung bleiben. Auf einer breiten Grundlage
basierende und konsistente empirische Belege für diese These liefern Ilzetzki, Reinhart and Rogoff
(2008) in ihrer umfassenden Studie. Der Dollar macht zudem immer noch den größten Anteil der ausländischen an den IWF berichteten Währungsreserven aus, obwohl dieser von fast 73% Mitte 2001 auf
61,5% im ersten Quartal 2010 gefallen ist,47 Es kommt hinzu, dass der US-Dollar zwar seinen geringen, aber stetigen Rückgang seit seinem 2001 nach Einführung des Euro (!) erreichten 90%Spitzenanteil an sämtlichen Devisenmarkt-Transaktionen fortsetzt. Der US-Dollar ist aber immer noch
bei Weitem die wichtigste Währung bei den Devisenmarktumsätzen (BIS, 2007 und 2010, Raschen
2011). Vor allem hat er auf den internationalen Finanzmärkten als die Denominierungswährung von
internationalen Schuldpapieren außerhalb der Landesgrenzen nur wenig an Bedeutung verloren. Er
bleibt die primäre Finanzierungswährung für Schuldner in der asiatisch-pazifischen Region, Lateinamerika und dem Mittleren Osten (ECB 2009, Table 2: „Currencies’ shares in the stock of outstanding
international debt securities in selected regions“). Darüber hinaus findet der US-Dollar im internationalen Handel, besonders in der ostasiatisch-pazifischen Region und im Rohstoffhandel, in einem höheren Ausmaß Verwendung, als es der Struktur und dem Niveau des Außenhandels mit den Vereinigten
Staaten entsprechen würde. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass eine Abkehr der Emerging Markets
von ihrer Dollarbindung in Richtung flexibler Wechselkurse die Verwendung des Dollars als einer
47
Diese Verringerung ist jedoch größtenteils auf eine Dollarabwertung zurückzuführen, die den Wert anderer
Währungen in Reserveportfolios erhöhte. Vgl. Goldberg (2009). Nach einer Korrektur um Wechselkursänderungen lässt sich der Rückgang erst nach 2007 feststellen und stellt sich als weniger prononciert heraus. Vgl. Dorrucci und McKay (2011), Tabelle 2, und Raschen (2011).
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
allgemeinen Verrechnungswährung als auch bei Umsätzen spezifischer Rohstoffe auf globalen Märkten verringern dürfte (Goldberg und Tille 2009).
Um die anhaltende internationale Dominanz des US-Dollars zu erklären, werden vor allem Trägheitseffekte, Netzwerkexternalitäten, sowie die mittelfristig noch konkurrenzlose Größe und Liquidität der
US-Finanzmärkte angeführt (siehe beispielsweise aus pointiert statistischer Sicht Lim, 2006).
Es existiert eine starke Status-Quo-Verzerrung (“Trägheit”), eine bereits am Markt etablierte Währung
als Vehikelwährung zu verwenden, selbst wenn eine andere Währung bereit steht, die diese Funktion
ebenso gut erfüllen könnte. “Geschichte” spielt eine Rolle. Die Währung, die zuerst da ist, wird auch
künftig den Markt dominieren. Greenspan (2001) betont demnach die fortwährende Tendenz einer
internationalen Währung, zu einem natürlichen Monopol zu werden. Während McKinnon (1998) sie
grundsätzlich bereits als ein natürliches Monopol ansieht. Netzwerkexternalitäten werden üblicherweise Vehikelwährungen auf Devisenmärkten zugeschrieben. Sie sind jedoch auch auf Wertpapiermärkten geläufig, wo ein stark gehandeltes kurzfristiges Wertpapier als ein temporäres Wertaufbewahrungsmittel durchaus von Netzwerkexternalitäten profitieren kann (Cooper 1997).
Neuerdings immer stärker beachtet wird als mögliche Ursache, dass die meisten aufholenden Volkswirtschaften, die zu Schlüsselspielern in Welthandel und zu den wichtigsten Beitragenden zum globalen Outputwachstum aufgestiegen sind, immer noch viel weniger entwickelte Finanzsektoren aufweisen (vgl. Belke 2008, und Dorrucci und McKay 2011, Abschnitt 1.2.5, sowie Bénassy-Quéré und
Pisani-Ferry 2011a, S. 2). Als die Zentralbanken und Staatsfonds aufholender Volkswirtschaften vor
zehn Jahren ihre Investitionen in ausländische Anlagen beschleunigten, verfügten sie unter anderem
wegen der starken Fragmentierung der Anleihemärkte über wenig Alternativen zu Investitionen in
sichere Vermögenswerte reifer Volkswirtschaften wie vorwiegend den USA (Belke und Verheyen,
2011).
Verwundbarkeiten im Status quo: das Triffin-Dilemma
Alternativ wird von einigen argumentiert, dass die jüngste Finanzkrise als Ausfluss der immanenten
Anfälligkeit des gegenwärtig existierenden internationalen Währungssystems interpretiert werden
müsse 48 Der bedeutendste Emittent internationaler Währung, die Vereinigten Staaten, könne nur dann
die globale Nachfrage nach Liquidität befriedigen, wenn er seine inländische Nachfrage überstimuliere. Dies erhöhe tendenziell die inländische Verschuldung und stelle die Glaubwürdigkeit der internationalen Währung und in der Folge auch deren Status als Reservewährung in Frage (Dorruci und
McKay 2011, S. 20). Schließlich schaffe der Emittent der Welt-Reservewährung überschüssige Liqui-
48
Siehe beispielsweise Zhou (2009). Für die internationalen Reaktionen auf die Äußerungen von Zhou vgl. Dyer
(2009).
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
dität in globalen Märkten, was in der längeren Frist zu einer Abwertung dieser Währung führe. Dieser
Zusammenhang wird gemeinhin als das ‚Triffin-Dilemma’ bezeichnet (vgl. Triffin 1947 und 1961,
sowie für eine zusammenfassende Beschreibung Eichengreen 2011, S. 49ff.). Zhou argumentierte,
dass eine Mitursache des Zusammenbruchs des ursprünglichen Bretton Woods-Systems in der Weigerung bestand, den Keynes'schen Bancor als Ersatz für den US-Dollar zu verwenden (siehe zustimmend
auch Bergsten 2009).
Wir stimmen deshalb Dorruci und McKay (2011), S. 20, zu, dass der Schwerpunkt der Argumentation
hier eher auf der unterstellten längerfristigen Tendenz des US-Dollars abzuwerten als auf einer genaueren Analyse der Spezifika der kürzeren Periode nach Lehman liegt. Während die seit dem Zusammenbruch des Bretton Woods Systems auftretenden Leistungsbilanzdefizite der USA als die Hauptquelle der Schaffung internationaler Liquidität identifiziert werden, wird argumentiert, dass derartige
Defizite das Vertrauen in den US-Dollar als eine Leitwährung zunehmend erodieren (siehe Abschnitt
1.b.iv). Die Schlussfolgerung lautet deshalb, dass das Währungsgefüge der Weltwirtschaft nicht länger
auf einer von einer einzelnen Volkswirtschaft ausgegebenen Währung beruhen kann und deshalb auch
nicht soll. Stattdessen werde als Substitut eine supranationale Währung benötigt (siehe ausführlicher
Abschnitt 2.b.iii).
Eine dritte Perspektive als Kompromiss
Ein in letzter Zeit häufiger formulierter Kompromiss besteht in der Formulierung der Hypothese, dass
das gegenwärtige internationale Währungssystem nicht strukturell fehlerhaft ist und dass es so lange
beibehalten werden kann, wie Reservewährungs-Emittenten und –halter solide und mittelfristig orientierte Politiken für ein ausgeglichenes Wachstum verfolgen (Dorruci und McKay 2011, S. 20).
Erstens wird anders als unter dem traditionellen Triffin-Dilemma argumentiert, dass globale Finanzmärkte es den Reservewährung emittierenden Ländern grundsätzlich gleichzeitig ermöglichen, dem
Rest der Welt sichere und liquide Vermögensbestände zu Verfügung zu stellen und in ähnlichem Umfang in ausländische Vermögenswerte zu investieren. Hierdurch können sie durchaus eine nachhaltige
Leitungsbilanzposition beibehalten. Deshalb sei der Aufbau globaler Ungleichgewichte in den vergangen Jahren nicht notwendig für das Funktionieren des gegenwärtigen internationalen Währungssystems. Er stelle für sich genommen keinen Grund für die Suche nach einem Ersatz für den US-Dollar
als der dominierenden Reservewährung dar (Dorruci und McKay 2011, S. 20).Einige Autoren wie
beispielsweise Hausmann und Sturzenegger (2006) und daran anschließend später auch Habib
(2010) liefern in der Tat Evidenz dafür, dass die internationale Investitionsposition der Vereinigten
Staaten wegen hoher Erträge auf ausländisches Nettovermögen und vorteilhafter Bewertungseffekte
nachhaltiger ist, als man anhand der in der Vergangenheit angehäuften Leistungsbilanzdefizite gemeinhin vermuten würde (vgl. weiter oben die Ausführungen zum ‚exorbitant privilege’ und Dorruci
und McKay 2011, S. 20f., sowie Higgins, Klitgaard, und Tille 2005, und ECB 2006).
96
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Inhaltlich wird dieses Phänomen begründet mit einer “seniority”- bzw. “maturity”-Prämie von USDirektinvestitionen im Ausland gegenüber ausländischen Investitionen in den USA (Mataloni 2000),
einer Kompensation für das relative höhere Risiko von Auslandsinvestitionen der USA (Hung und
Mascaro 2004), einer steuerinduzierten Einkommensverschiebung multinationaler Unternehmen
(Bosworth, Collins und Chodorow-Reich 2007) sowie Asymmetrien verzeichneter reinvestierter Einkommen (Gros, 2006).Im Rahmen unserer Studie wird an anderer Stelle gezeigt, dass die Bedeutung
der USA als Bereitsteller internationaler Liquidität und sicherer finanzieller Wertpapiere einen weiteren Grund für die Existenz des “exorbitant privilege” darstellt. Die erste Funktion – die Liquiditätsversorgung der übrigen Welt – stellt die traditionelle Sicht dar, die auf den Beitrag von Triffin (1960)
zurück geht. Die Bereitstellung sicherer Assets stellt in gewisser Weise die moderne Version des Triffin-Dilemmas dar (Habib 2010, Caballero, Farhi und Gourinchas 2008, sowie Caballero und
Krishnamurthy 2009). Gourinchas and Rey (2005) versuchen die Bedeutung der USA als solch ein
Investor mit großem Hebel, der sichere geringverzinsliche Wertpapiere in risikoreiche hochverzinsliche Anlagen transformiert, zu quantifizieren. Sie finden dass dieser „Kompositions”- oder “Leverage”-Effekt, der aus der asymmetrischen Struktur der US-Forderungen und Verbindlichkeiten herrührt,
im Zeitablauf immer größer wurde. Dies erklärt ungefähr ein Viertel des ”exorbitant privilege”, das sie
auf etwas mehr als 3 Prozent pro Jahr in der Nach-Bretton Woods-Periode ansetzen.
Trotzdem können unter dem vorherrschenden internationalen Währungssystem Probleme aus der unzureichenden Verfügbarkeit internationaler Währung erwachsen. Vor allem größere externe Schocks
wie der Kollaps von Lehman Brothers haben besonders für aufholende Volkswirtschaften das Potenzial, zu einer nicht nachhaltigen Volatilität der Kapitalflüsse zu führen. Diese können das reibungslose
Funktionieren des internationalen Währungssystems gefährden oder ganz zum Erliegen bringen (Dorrucci und McKay 2011, S. 20f.). Um dieses Problem zu beseitigen, müssen die inländischen Finanzsysteme in aufholenden Volkswirtschaften ausgebaut werden und ein globales ‚financial safety net’ –
hier definiert als ein System multilateraler, regionaler und bilateraler Fazilitäten -, errichtet werden.
Dieses ist dazu gedacht, die Ansteckung in der Folge größerer externer Schocks abzumildern soll (vgl.
ausführlich Belke 2008, Landau 2009, und Abschnitt 3 dieser Studie). Diese Maßnahmen verlangen
keine Komplettüberholung des internationalen Währungssystems, sondern könnten ohne Weiteres
auch innerhalb des gegenwärtigen Systems durchgeführt werden (Dorrucci und McKay 2011, S. 36ff.
und Abschnitt 3 der vorliegenden Studie). Die Unzulänglichkeit der politikdisziplinierenden institutionellen Vorrichtungen des internationalen Währungssystems schafft diesem Ansatz zufolge eine kausa-
97
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
le Verbindung zwischen dem Funktionieren des internationalen Währungssystems und der Finanzkrise
49
ii. Währungswettbewerb: Ein Weltwährungssystem mit mehreren Leitwährungen
Befinden wir uns auf dem Weg zu einem wahrhaft multipolaren, internationalen Währungssystem?
Um 2020 herum dürfte das ökonomische Machtgleichgewicht – auch wegen der Finanzkrise und ihrer
asymmetrischen Effekte auf Schwellen- und Industrieländer viel ausbalancierter sein als jemals zuvor
in den letzten beiden Jahrhunderten. Die Tendenz einer Entwicklung in Richtung eines multipolaren
Währungssystems wird hierdurch deutlich verstärkt (Bénassy-Quéré und Pisani-Ferry 2011a, und
Landau 2009). Ein zunehmend populärer Literaturstrang argumentiert jedenfalls, dass der US-Dollar
mittelfristig weniger dominierend sein wird, obwohl er auch zukünftig die wichtigste Währung bleiben
wird. Er könnte sich zu einem „Primus inter pares“ (Eichengreen 2009) entwickeln, beispielsweise, da
der Euro weitere Marktanteile hinzugewinnen und vor allem die relative Bedeutung des chinesischen
Renminbi sehr wahrscheinlich im Zeitablauf weiter zunehmen wird (Belke und Verheyen 2011, Bénassy-Quéré, Landau 2009, Pisany-Ferry 2011 und Raschen 2011).
Ein derartiger Prozess würde das internationale Währungssystem letztlich insoweit stärken, als sich
internationale Investitionen gleichmäßiger verteilen und hierdurch Verzerrungen von Zinssätzen verringert würden. Er könnte den Emittenten von Reservewährungen auch eine größere Politikdisziplin
aufbürden. Denn das ‚exorbitant privilege’ der USA würde auf mehrere Länder und Währungsräume
verteilt. Es würde deshalb für einzelne Emittenten von Reservewährung weniger bedeutsam (International Relations Committee, 2010). Die wahrgenommene ‚Finanzierbarkeit’ globaler Ungleichgewichte
würde hierdurch verringert. Diese Bewegung hin zu einem multipolaren Währungssystem würde
gleichsam schon per Definition zu einem gleichmäßigeren Prozess der Finanzmarkt-Globalisierung
führen und die Folgen einer ‚uneven financial globalisation’ wie zum Beispiel „bergauf“, d.h. von
aufholenden in entwickelte Volkswirtschaften fließende Kapitalströme (Dorrucci und McKay 2011, S.
28ff., Obstfeld und Rogoff 2009 und Warnock und Warnock 2009) vermeiden helfen.
Zu fragen bleibt, ob internationale Liquidität wirklich die Eigenschaft eines natürlichen Monopols
aufweist und es somit effizient ist, über mehr als eine globale Währung zu verfügen. Oder wäre lediglich eine hegemoniale Währung vorzugswürdig (Eichengreen, 1987)? Und lässt sich historisch belegen, dass der laufende Anpassungsprozess wirklich in ein multipolares Währungssystem mündet?
Eichengreen und Flandreau (2009) führen mit Blick auf die Geschichte aus, dass auch Anpassungsträgheiten und Netzwerkexternalitäten den US-Dollar nicht davon abhielten, das Pfund Sterling inner-
49
Zu diesem Governance-Problem vgl. Dorrucci, McKay (2011), S. 16f. und S. 28ff. zu ‚uneven financial globalisation’ sowie Belke und Gros (2009), die detailliert erläutern, wie aus einem ‚saving glut’ ein ‚liquidity glut’
wurde.
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
halb von nur einem Jahrzehnt während der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts an Bedeutung zu
überflügeln (Dorrucci und McKay 2011, S. 33f.).
Zur Zukunft eines bipolaren Euro-Dollar-Systems: Das zukünftige Weltwährungssystem – zum Nachteil der Eurozone?
Grundsätzlich besteht die Chance, dass der Euro den US-Dollar herausfordern könnte, schließlich ist
der europäische Währungsraum wirtschaftlich ähnlich groß wie die Vereinigten Staaten.50 Allerdings
hängt das Eintreten dieser Option von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen von der zukünftigen
Ausgestaltung europäischen Wirtschaftspolitik, und zum anderen vom Verhalten der Geldpolitik im
Euroraum und der USA.
Ein Manko der Eurozone im Vergleich zum US-Dollar ist die Tatsache, dass es an einer gemeinsamen
europäischen Initiative fehlt. Meistens sprechen die Länder mit nationalen Stimmen, statt sich zu einer
europäischen zu vereinigen. Gemessen an den IWF-Quoten, also den Beitragszahlungen der einzelnen
Länder an den Internationalen Währungsfonds, nach denen sich unter anderem das Stimmrecht richtet,
könnte der Einfluss Europas viel höher sein. Das Fehlen einer gemeinsamen Initiative verwässert diese
auf dem Papier vorliegende Macht allerdings (Belke und Verheyen 2011).
Auch die schwach integrierten Finanzmärkte im Euroraum verhindern gegenwärtig, dass der Euro in
nächster Zukunft ein ernsthafter Herausforderer für den US-Dollar als Leitwährung wird. Der europäische Markt ist zu stark fragmentiert und der größte nationale Markt – Deutschland – besitzt lediglich
ein Viertel des Volumens des amerikanischen Marktes. Um eine ernsthafte Konkurrenz für den USDollar zu sein, bedürfte es gemeinsam herausgegebener europäischer Pfandbriefe oder gar EuroAnleihen (Alcidi, Brender, Gros und Pisani 2009, Gros 2009).
Wie viel Sinn macht die Einführung von Euro-Anleihen? Vertreter europäischer Anleihen argumentieren in der Regel, dass diese einen viel größeren und liquideren Markt als den bisher für nationale
Bonds existierenden schaffen. Da Zinsen auf nationale Staatsanleihen von ähnlich hoher Qualität
(deutsche und österreichische) nur um einige Zehntel Basispunkte höher liegen, dürften die Vorteile
abgesehen von ordnungspolitischen Bedenken relativ gering sein (Belke 2011a).
Ein anderer Vorteil von Eurobonds liegt vorgeblich in dem Pooling von Risiken. Eine gemeinsame
Ausgabe von Staatsanleihen sollte im Prinzip das Kreditrisiko für Europäische Anleihen im Vergleich
zum durchschnittlichen Risiko der nationalen Anleihen verringern. Entscheidende Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Risiken der notleidenden Mitgliedsländer der Eurozone einerseits nicht allzu unterschiedlich ausfallen, aber andererseits auch nicht zu stark korreliert sind. Aber dies kann gerade
50
Vgl. anders aber Bénassy-Quéré und Pisani-Ferry (2011a), S. 2, die die Schwächen des Euro und des RMB für
so groß halten ,dass sie auf absehbare Zeit keine Wettbewerber des US-Dollars werden können.
99
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
gegenwärtig nicht unterstellt werden – in einer Phase, in der die Risiken der Eurozone so “schief”
verteilt sind (Null im Kern und beträchtlich in der Peripherie) und unter den Peripherieländern so hoch
korreliert sind (sie sind denselben Schocks ausgesetzt, höheren Zinsen und/oder niedriges Wachstum)
(Gros 2011).
Viel gewichtiger aber: die Vorschläge für Euro-Anleihen gehen davon aus, dass Eurobonds privaten
Gläubigern gegenüber im Insolvenzfall bevorrechtigt sind. Der Wert der privaten Ansprüche würde
fallen. Dabei verändert die Ausgabe von Eurobonds nicht die Höhe, sondern nur die Struktur der
Staatsverschuldung eines Landes – hin zu einem höheren Gewicht der Eurobonds. Dies aber würde
aufgrund der gestiegenen Kosten der Schuldenfinanzierung durch den nunmehr im Insolvenzfall als
nachrangig behandelten privaten Sektor eben nicht zu einer Verringerung der durchschnittlichen Kosten der Verschuldung führen. Im Extremfall verhindert ein hohes Maß an öffentlicher Finanzierung,
die hauptsächlich zur Rückzahlung fällig werdender Schuld genutzt wird, den Zugang des betreffenden Staates zu privaten Kreditmärkten. Das Problem verstärkt sich, da mit zunehmender Ausgabe von
Euroanleihen der Überhang der Schulden beim privaten Sektor immer risikobehafteter wird. Die Suche nach billigerem Geld durch Euro-Anleihen erweist sich somit als vergeblich (Gros 2011).
Europäische Anleihen zu fordern könnte folglich nur dann Sinn machen, wenn die Staatsverschuldung
vorher auf ein nachhaltiges Niveau zurück gefahren worden ist. Genau diese Schrittfolge aber ist bisher kein Bestandteil der offiziellen Verlautbarungen und deshalb bis auf Weiteres nicht in Sicht.
Schließlich wäre es für viele Mitgliedsländer der Eurozone nicht rational, allenfalls geringe Zinsgewinne durch eine Europäisierung der gesamten Wirtschaftspolitik - Steuersystem und Alterssicherung
- zu erkaufen. Dies hat die jüngste Verwässerung von Merkels „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ durch
das jüngste van Rompuy/Barroso-Papier einmal mehr eindrucksvoll belegt. Diese Europäisierung ist
aber langfristig eine wichtige Voraussetzung für das Zusammenlegen der Staatsverschuldung in der
Eurozone.
Außerdem bleibt festzuhalten, dass sich der europäische Wirtschafts- und Währungsraum von seinen
Eigenschaften her zwar zunehmend den USA annähert, er aber immer noch in zahlreichen Eigenschaften nicht die Voraussetzungen erfüllt, die Vormachtstellung der Vereinigten Staaten anzugreifen. Das
Fehlen einer gemeinsamen europäischen Stimme, die bei der Neuordnung des Weltfinanzsystems eingebracht werden könnte, stellt ein Hauptproblem dar. Nationale Vorschläge, selbst wenn sich einige
Länder zusammentun, sind kein adäquater Ersatz für eine wirklich europäische Einrichtung in der
Weltfinanzarchitektur (Belke und Verheyen 2011, Gros 2009).
Eine Situation, in der die chinesischen Währungsreserven (vornehmlich in US-Dollar) weiterhin in
dem geschilderten Ausmaß zunehmen oder das Anwachsen sich sogar noch beschleunigt, und gleichzeitig das Zwillingsdefizit der USA zurückgeht und die Eurozone bereit ist, ein nennenswertes Defizit
aufzuweisen, scheint schwer vorstellbar. Das Fehlen eines gemeinsamen europäischen Marktes, auf
100
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
dem Investitionen getätigt werden können, erschwert die Entwicklung weg vom US-Dollar. Die Lösung dieser Problematik stellt eine Hauptaufgabe für die internationale Wirtschaftspolitik der nächsten
zehn Jahre dar (Belke und Verheyen 2011, Gros 2009).
Die Frage nach der künftigen Leitwährung könnte auch durch ein Kräftemessen zwischen der Federal
Reserve und der EZB entschieden werden. Im Folgenden entwickeln wir hierzu ein Szenario. Die
Zweifel an der Rolle des Dollar als Leitwährung mehren sich. Die Dollar-Peripherie, vor allem China
und Russland, sind unzufrieden mit dem expansiven Kurs der USA. Die amerikanische Staatsverschuldung steigt rasant. Und aufgrund des gewaltigen Ausmaßes und der Vielzahl ihrer Liquiditätsprogramme verzögert sich der Ausstieg der US-Notenbank Fed aus der quantitativen Lockerung (für
die folgenden Abschnitte vgl. Belke und Schnabl 2009, 2010b).
Die Europäische Zentralbank zeigt sich hingegen entschlossen, ihre Geldpolitik zeitig zu straffen.
Sollten sich diese Erwartungen verfestigen, könnten die Halter der immensen globalen DollarReserven trotz Netzwerkeffekten zugunsten des Dollar schrittweise Reserven von Dollar in Euro tauschen. Das Potenzial ist groß, da sich die Hälfte der US-Staatsanleihen in ausländischer Hand befindet.
Die resultierende Aufwertung des Euro wäre aber mit hohen Anpassungslasten für Europas Exporte
verbunden. Bereits jetzt liegt der Euro-Kurs von etwa 1,40$/€ für die deutsche Exportindustrie nur
knapp unter der Schmerzgrenze (Belke und Göcke 2009). Für viele Partnerstaaten in der Europäischen
Währungsunion (EWU) dürfte die Grenze des Verkraftbaren sogar schon lange überschritten sein.
Diese Situation führt zu Konfliktpotenzial in der Währungsunion, das sich in den innereuropäischen
Ungleichgewichten der Leistungsbilanzen widerspiegelt. Deutschlands Industrie, die immer noch hohe
Handelsüberschüsse erwirtschaftet, ist es seit Langem gewohnt, einer starken Währung mit Kosteneinsparungen, zurückhaltenden Lohnabschlüssen und hochwertigen Produkten zu begegnen. Obwohl
auch Deutschland angesichts drastischer Produktionseinbrüche mit einer weiteren Aufwertung zu
kämpfen hätte, könnten viele EWU-Partner ihr noch deutlich weniger entgegensetzen. Als Therapie
gegen Leistungsbilanzdefizite waren in den südeuropäischen Staaten früher Expansionen der Geldmenge und Abwertungen üblich. Da beides in der EWU aufgrund der gemeinsamen Geldpolitik nicht
geht, mit der Krise aber Kapitalzuflüsse ausbleiben, die bisher hohe Lohnabschlüsse und steigende
Leistungsbilanzdefizite finanzierten, drohen im Süden der EWU harte Einschnitte in der Lohnpolitik
und steigende Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Wenn Deutschland, wie oft gefordert, den Konsum
steigert und weniger spart, ebben die Kapitalzuflüsse nach Südeuropa noch stärker ab – und der Anpassungsdruck steigt weiter.
Aus dieser Asymmetrie dürfte eine Zerreißprobe in der Geld- und Finanzpolitik folgen, die durch eine
Flucht in den Euro nochmals verstärkt würde. Zum einen wird der Druck auf den Stabilitäts- und
Wachstumspakt und seine Schuldengrenze steigen, wenn schwachen Exporten mit steigenden Staatsausgaben begegnet wird. Zum anderen könnte die Gruppe der lateinisch-hellenischen Staaten, die seit
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
dem Beitritt Maltas und Zyperns zum EZB-Zentralbankrat deutlich an Gewicht gewonnen hat, für
Zinssenkungen in Reaktion auf Aufwertungen votieren. Hingegen muss aus deutscher Sicht die Lösung des Wettbewerbsproblems durch expansive Geldpolitik ausgeschlossen bleiben, um Inflation zu
vermeiden. Abwertungen können erfahrungsgemäß Probleme mit der Wettbewerbsfähigkeit allenfalls
verzögern, nicht lösen. Die künftige Rolle des Euro könnte sich daher im Stresstest um die Geldpolitik
entscheiden, für den drei Szenarien möglich sind.
Im ersten Szenario führen die Spannungen durch unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit zur geldpolitischen Expansion und zur Abwertung des Euro. Der politische Friede würde durch höhere Inflation
erkauft. China und andere Staaten mit hohen Devisenreserven blieben an den Dollar gebunden, weil
Alternativen fehlen.
Im zweiten Szenario hält die EZB die geldpolitischen Zügel straff; die US-Makropolitik bleibt hingegen expansiv. Kurzfristig würde der europäische Export durch die Aufwertung des Euro leiden.
Schmerzhafte Lohneinschnitte würden insbesondere im Süden der Eurozone erzwungen. Mittelfristig
würden die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der gesamten europäischen Industrie steigen. Die
internationale Rolle des Euro würde gefördert, und die Euro-Staaten würden von beträchtlichen Seigniorage-Gewinnen profitieren, da weltweit mehr Euro im Umlauf sind. In Europa und den an den Euro
gebundenen Staaten würden Stabilität und Wachstum langfristig gestärkt. Je größer der Euro-Raum
und je größer die Anzahl der an den Euro gebundenen Währungen, desto geringer wären die Kosten
für den Euro-Block.
Ob es so weit kommen wird, ist fraglich. Denn im dritten Szenario – an das vor der Finanzkrise kaum
zu denken war – zwingt der Stabilitätskurs der EZB die Fed zum Einlenken, da die USA die Rolle des
Dollar als Leitwährung nicht aufgeben wollen. Die geldpolitische Kehrtwende würde Druck vom europäischen Export und den Löhnen nehmen. Dies entspräche einer Rückkehr der Welt zu mehr geldpolitischer Stabilität und Wachstum. Der Greenback bliebe weiter Leitwährung.
Die wichtigste Schlussfolgerung aus diesen Entwicklungen lautet: Unter der Vorraussetzung, dass der
Euroraum seine wirtschafts- und finanzmarktpolitische Verflechtung weiter vorantreibt, könnte die
Frage nach der künftigen Leitwährung angesichts des angekratzten Image des Dollar durch ein geldpolitisches Kräftemessen zwischen Fed und EZB entschieden werden. Eine stabilitätsorientierte Politik
(Szenarien zwei und drei) ist die dominante Strategie für die EZB – unabhängig davon, ob sich die
USA für eine zu expansive oder eine stabilitätsorientierte Nachkrisenpolitik entscheiden. Mit dieser
Strategie dient die EZB Europa, der Euro- und Dollar-Peripherie sowie der Weltwährungsordnung.
Voraussetzung wäre Einigkeit der Europäer über den stabilitätsorientierten Rahmen der Geld- und
Finanzpolitik, wie er in den Gesetzen zur EU verankert ist.
Ein von der von uns befürworteten Vorstellung einer gemäß den Abschnitten 2.b.i und 2.b.ii organisch
stattfindenden Systementwicklung abweichendes Szenario würde darin bestehen, das internationale
102
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Währungssystem in Richtung eines Systems basierend auf “a currency disconnected from individual
nations and able to remain stable in the long run” (Zhou 2009) zu steuern. Ein derartiges System wäre
die logische Schlussfolgerung aus der in Abschnitt 2.b.i diskutierten Sichtweise („Triffin-Dilemma“)
ist. Man könnte es auf eine supranationale Währung (‚fiat currency’) oder einen Währungskorb gründen. Beide Optionen werfen einige Fragen auf und werden in den folgenden Abschnitten 2.iii. und
2.iv. näher analysiert.
iii. Chinesischer Vorschlag I: eine supranationale Währung
Eine erste und recht radikale Option einer aktiven Steuerung der Systemwahl strebt an, eine neue supranationale Währung einzuführen, die durch eine supranationale Zentralbank ausgegeben wird und
deren Außenwert gegenüber anderen nationalen Währungen frei schwankt (Dorrucci und McKay
2011, S. 35). Sie würde als ‚outside fiat money’ dienen und insofern dem wohlbekannten Bancor ähneln, der von John Maynard Keynes während der Bretton Woods-Verhandlungen vorgeschlagen wurde.51
Von den vielen Fragen, die sich aus diesem Vorschlag ergeben, sticht besonders diejenige seiner Realisierbarkeit heraus (Dorrucci und McKay 2011, S. 35). Wären die Länder wirklich bereit, einen Teil
ihrer währungspolitischen Souveränität an eine supranationale Zentralbank auf globaler Ebene abzugeben? Variiert der Anreiz zur Aufgabe währungspolitischer Autonomie je nach Größe einer Volkswirtschaft? Was wäre ein realistischer Zeithorizont für die Einführung eines derartigen anspruchsvollen Vorschlags? Welche Zwischenschritte müssten unternommen werden und welche weiteren Maßnahmen würden langfristig benötigt werden?
Abgesehen von diesen Realisierungsproblemen verbleibt die Frage, ob eine solche Währung das Triffin-Dilemma ein für alle Mal löst, oder ob sie einfach zu einer neuen Version des Dilemmas führt.
Folgt man Landau (2009), so muss die supranationale Währung so stark gehalten werden, dass sie
nicht gegenüber anderen wichtigen Währungen abwertet – was eine Beschränkung ihres Angebots
implizieren würde. Lässt sich Letzteres nicht verwirklichen, wird sie abwerten. Dies wiederum würde
ihre Attraktivität und somit auch ihre Funktion als Reserve-Asset in Frage stellen. Gleichzeitig aber
wäre es, falls ihr Angebot restringiert würde, unmöglich, mit der supranationalen Währung die Nachfrage nach Reserven zu befriedigen und ihrer Funktion zu entsprechen (Dorruccci und McKay 2011,
S. 35).
Landau (2009) fasst diese Debatte treffend wie folgt zusammen: “A choice would have to be made as
to the true nature of the "super reserve currency”. Would it be a basket of existing monies or a new
51
Vgl. Keynes (1944). Für eine kurze Übersicht vgl. Eichengreen (2011), S. 45-47, und befürwortend DeLong
(2000).
103
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
"fiat" currency? If the "super reserve" is a basket of existing currencies (such as the SDR today) it
would basically serve as an instrument for diversification of foreign exchange reserves (or private
portfolios), and such a diversification can easily be achieved by using existing currencies. On the other
hand, the "super sovereign" could be issued as such as a fiat currency. Then, the international community would have a basic choice. Either the new currency could be made “strong” and never depreciate
against any other major existing currencies, which probably means that its supply would be severely
restricted. Or, the "super sovereign" would be issued according to pre-specified rules, and depreciation
against existing currencies could not be excluded. It would ensure regular supply of international liquidity, but could only provide partial protection against exchange rate volatility and valuation losses.
There is an important trade off, there , which is the essence of a new "Triffin dilemma" and which
cannot be avoided when looking at the public supply of international liquidity, whether by one nation
or within a multilateral framework” (Landau 2009, S. 10).
Der Entwurf einer Weltwährung, die von einer globalen Zentralbank ausgegeben und verwaltet wird,
mag vielleicht auf den ersten Blick überzeugend erscheinen. Eine Reihe ambitionierter Managing Directors des IWF hat vorgeschlagen, diesen Weg zu gehen. Aber solange es keine Weltregierung gibt,
der gegenüber eine globale Zentralbank rechenschaftspflichtig wäre, wird es keine Weltzentralbank
und keine Weltwährung geben.
iv. Chinesischer Vorschlag II: Sonderziehungsrechte des IWF als globale Reservewährung
Eine zweite Option einer gesteuerten Wahl des Währungssystems besteht darin, die Verwendung der
Sonderziehungsrechte (SZR) zwar weiter in Gestalt eines Währungskorbes zu betreiben, das SZR aber
als ein zentrales Reserve-Asset im internationalen Währungssystem zu fördern. SZR repräsentieren
Kreditlinien auf Währungen der Mitgliedsstaaten des IWF.52 Möglicherweise könnten diese sogar den
Dollar als Leitwährung ablösen. Gegenwärtig spielen Sonderziehungsrechte allerdings nur eine geringe Rolle. Ihr Anteil an den globalen Devisenreserven beläuft sich auf weniger als 4% (US-Dollar: rund
61%). Um ihre Bedeutung zu erhöhen, könnte der IWF auf SZR lautende Anleihen begeben. Diese
könnten dann sowohl von staatlichen als auch privaten Investoren gezeichnet werden. Sonderziehungsrechte ließen sich auch bei der Fakturierung von Rohstoffen und Warenströmen einsetzen. Zudem eröffnete sich die Möglichkeit, Währungen von Schwellenländern nicht mehr an den US-Dollar,
52
Volkswirtschaften, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten, können durch die SZR schnell an Devisen gelangen. Das SZR oder auch Sonderziehungsrecht wird vom öffentlichen Sektor als ein Reserve-Asset und vom IWF
und einigen internationalen Organisationen als eine Rechnungseinheit verwendet. Der Wert des SZR basiert auf
einem Korb der vier wichtigsten Währungen (US-Dollar, Euro, Yen und Pfund Sterling). Es ist keine Währung im
Sinne eines Tauschmediums, da es keine privaten Märkte für den An- oder Verkauf von SZR gibt.
104
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
sondern an die SZR zu koppeln (Bénassy-Quéré und Pisani-Ferry 2011a, S. 4f., Rees 2011b und Raschen 2011).
Auch wenn dies von offizieller chinesischer Seite nicht direkt ausgesprochen wird, ist die Absicht des
chinesischen Vorschlags deutlich: die Bedeutung des US-Dollars als Weltreservewährung soll schrittweise beschnitten werden. Das internationale Währungssystem wäre multipolarer und deshalb in geringerem Umfang abhängig von der Entwicklung in den USA. Zudem würde auf diese Weise die Gefahr einer unkontrollierten Dollarabwertung reduziert werden. Im derzeitigen Währungssystem könnten ausländische Investoren angesichts der exorbitanten Verschuldung in den USA in der Zukunft das
Vertrauen in den Dollar verlieren. Zudem erhielten Schwellenländer wie China mehr Anreize, ihr
Wechselkurs- und Finanzsystem zu flexibilisieren. Wir argumentieren, dass eine Aufnahme des RMB
in den SZR-Währungskorb nur dann Sinn stiftet, wenn die chinesische Währung weitgehend freigegeben und konvertibel ist.53 Bei der praktischen Umsetzung des Sonderziehungsrechte-Vorschlags existieren allerdings erhebliche praktische und vor allem strategische Hindernisse. So können die USA die
Ausweitung von SZR jederzeit blockieren (Rees 2011b und Raschen 2011). All dies soll im Folgenden
genauer ausgeführt werden.
Der gerade skizzierte Vorschlag ist nicht neu und hat in den letzten vier Jahrzehnten immer wieder für
eine rege Debatte gesorgt. De facto bezog sich auch Zhou (2009) explizit auf das Triffin-Dilemma, das
die analytische Rechtfertigung für die Einführung der Sonderziehungsrechte war (Eichengreen 2011,
S. 49-50 und 137). Der Vorschlag wurde kurzzeitig populärer, als etwa China, Russland und Brasilien
ihre Bereitschaft erklärten, die IWF-Ressourcen aufzustocken und zu diesem Zweck SZRdenominierte Anleihen im Wert von 70 Mrd. US-Dollar zu kaufen. Auch empfahl eine UNKommission unter dem Vorsitz von Joseph Stiglitz eine erweiterte Rolle für eine internationale Währungseinheit, die dem SZR ähnelt. Deren Ausgabe sollte jedoch nicht durch den IWF, sondern durch
eine „global reserve bank“ erfolgen. Der dabei anzuwendende Mechanismus wurde von der Kommission jedoch nicht weiter konkretisiert (United Nations 2009, S. 98).
Die Idee, die diesem Vorschlag zugrunde liegt, ist unmittelbar nachvollziehbar. Mit der Ausgabe von
SZRs als buchhalterische Ansprüche in der Höhe, wie sie die Expansion des internationalen Handels
und Zahlungsverkehrs erfordert, durch den IWF oder eine ähnliche Institution, soll dem Bedarf nach
einer Zahlungsbilanz-Versicherung entsprochen werden (Landau 2009, S. 8). Statt dem Zwang zur
Akkumulierung von Dollars zu unterliegen, um damit im Notfall Auslandskredite abzulösen und aus-
53
Bénassy-Quéré und Pisani-Ferry (2011a), S. 5, betonen wie wir auch in Abschnitt 2.b.v, dass die Aufnahme
des RMB in das SZR noch nicht einmal notwendig ist, um es China zu ermöglichen, zum ‚financial safety net’
beizutragen. Denn zusätzlich zur Chiang Mai-Initiative hat China ‚swap lines’ in RMB an diverse Notenbanken
gegeben.
105
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
ländische Güter zu kaufen, könnten Regierungen einfach SZRs verwenden, da andere Regierungen
gezwungen wären, diese zu akzeptieren. Dies würde dem ‚exorbitant privilege’ der USA ein Ende
bereiten und das Weltwährungssystem stabiler machen. Indem eine Alternative zu bestehenden nationalen Währungen geschaffen wird, würde die Nutzung der Sonderziehungsrechte als globale Reservewährung das Dilemma großer Reservehalter wie China lösen (Eichengreen 2011, S. 137f., und
Landau 2009, S. 7f.).
Überblicke über die wichtigsten Argumente für und gegen eine erweiterte Rolle der SZR finden sich
zum Beispiel in Eichengreen (2011), S. 137-143, International Relations Committee (2010), Carney
(2010) und IMF (2011). Zusammengefasst argumentieren ihre Befürworter, dass das SZR als ein Korb
wichtiger Währungen (i) ein stabileres Wertaufbewahrungsmittel und Rechnungseinheit sei als seine
konstituierenden Währungen individuell, (ii) dazu beiträgt, dass das internationale Währungssystem
besser mit der Wechselkursvolatilität in einer stärker multipolaren Währungswelt zurechtkommt, (iii)
die Wahrscheinlichkeit von Wechselkursanpassungen für Währungen die anders als Pegs an nationale
Währungen an das SZR gekoppelt sind, reduziert; und (iv) ermöglicht, dass die Bepreisung risikobehafteter Assets auf der Grundlage “globaler” geldpolitischer Bedingungen basiert statt auf der geldpolitischen Ausrichtung in einer individuellen Volkswirtschaft (siehe Corrucci und McKay 2011, S. 34,
und Abschnitt 1.b.iv dieser Studie).
Schon früher, im Jahr 1981, ist man an der Schaffung privater Märkte für SZRs gescheitert. Die Gründe für den mangelnden Fortschritt liegen auf der Hand. Zum einen mussten die ersten privaten Institutionen, die Anleihen oder Einlagen in SZRs ausgeben, wegen der Illiquidität dieses Finanzierungsinstruments zusätzliche Kosten eingehen. Denn die Käufer verlangen eine zusätzliche Kompensation
dafür, dass die SZRs nicht auf breiten und tiefen Märkten gehandelt werden (können). Zum anderen
wurden die SZRs nur mit einem Abschlag gehandelt, da liquide Märkte für in nationaler Währung
denominierte Vermögensposten schon existierten (Federal Reserve Bank of New York, 1981-1982, S.
41).
Gläubiger wie auch Schuldner ziehen zudem einen speziell auf sie zugeschnittenen Währungskorb
vor. Dieses Portefeuille entspricht ihren finanziellen Bedürfnissen besser und seine Komponenten
werden in liquideren Märkten gehandelt. Die Gewichte der damals fünf im SZR-Korb enthaltenen
Währungen entsprachen nicht zwingend genau den Verhältnissen, in denen ein Investor Anleihen, die
in ebendiesen fünf im SZR enthaltenen Währungen denominiert waren, zu halten wünschte. Darüber
hinaus waren Käufe und Verkäufe privater SZRs kostenträchtig. Deshalb lohnte es sich für einen Investor, sein eigenes Portfolio zusammenzustellen (Eichengreen, 2011, S. 139f.).
106
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Damit die SZR wirklich eine globale Rolle übernehmen können, müsste ihre Liquidität aber noch erheblich erhöht werden, und zwar nicht nur durch eine vermehrte Ausgabe durch den IWF54, sondern
auch durch die Entwicklung eines privaten SZR-Marktes. Reserve-Assets sind nämlich nur bei breiter
Verwendbarkeit attraktiv, die bei SZRs gegenwärtig nicht gegeben ist. Denn diese werden momentan
lediglich verwendet, um Schulden gegenüber anderen Staaten oder dem IWF selbst zu begleichen.
Eine Intervention auf privaten Märkten ist mit ihnen unmöglich, da bis jetzt keine privaten Märkte
bestehen, auf denen SZRs gehandelt werden. Da kein Handel in SZR fakturiert und abgewickelt wird,
lassen sie sich im internationalen Handel mit Gütern und Dienstleistungen ebenfalls nicht verwenden.55 Beides wären aber Voraussetzungen für die Attraktivität der SZR-Haltung für Zentralbanken.
Zentralbanken müssen ihre SZRs mit allen hiermit verbundenen Kosten und Unannehmlichkeiten in
Dollars oder Euros umtauschen, solange diese Bedingungen nicht erfüllt sind. Insbesondere dauert der
Tauschvorgang im Rahmen gegenwärtiger Regelungen mindestens fünf Tage und damit in einer Finanzkrise viel zu lange. Um SZRs attraktiv zu machen, müssten tiefe und liquide Märkte für SZRs
geschaffen werden (Eichengreen, 2011, S. 138).
Die Errichtung privater Märkte für Wertpapiere, die SZR-denominiert sind, verlangt nachhaltige Investitionen der Regierungen als „Stakeholder“. Nur wenn China Schritte zur Schaffung eines liquiden
SZR-Marktes ergreift, dürfte es dieses Land wirklich ernst meinen, den SZR Reservewährungsstatus
zu verleihen. Es könnte SZR-denominierte Anleihen in Hongkong ausgeben. Dies wäre viel bedeutsamer und aussagekräftiger, als dem IWF, wie tatsächlich geschehen, SZR-Anleihen abzukaufen, die
nicht gehandelt werden und aus diesem Grund keinen Beitrag zur Erhöhung der Liquidität leisten.
Eine ganz andere Bedeutung käme einer chinesischen in SZR denominierten Staatsanleihe zu, die wie
US Treasury Bonds aktiv gehandelt würde. Wenn China einmal eingestiegen ist, könnten zu fallenden
Kosten auch Brasilien und Russland folgen. Die hohen Einstiegskosten Chinas wären dann ökonomisch als eine Investition in ein stabileres Weltwährungssystem zu interpretieren. Ob Länder wie China diesen Preis zu zahlen bereit sind, wird die weitere Entwicklung zeigen (Eichengreen 2011, S. 140).
Nun lässt sich fragen, wer denn die Käufer der SZR-Anleihen sein würden. Die SZR-Anleihen wären
nicht in derselben Währung denominiert wie die Obligationen der inländischen Pensionsfonds und der
Versicherungen. Falls der Dollar gegenüber dem Euro abwertet, würde sich ein europäisches Versi-
54
Selbst nach der 2009 getroffenen Entscheidung, zusätzlich 250 Mrd. SZRs an die IWF-Mitglieder auszugeben,
repräsentieren die SZRs weniger als 5 Prozent der globalen Währungsreserven. Vgl. Eichengreen, (2011), S.
138.
55
Natürlich steht es Volkswirtschaften frei, ihre Güter und Dienstleistungen in SZR zu bepreisen. Hierdurch
würde aber im Gegensatz zur Bepreisung in Dollar ein zusätzliches Element der Komplexität eingeführt. Dies ist
wohl auch der Grund, warum die OPEC-Länder auch weiterhin ihr Öl in Dollar fakturieren – trotz der absehbaren Vorteile von SZRs im Hinblick auf die Verringerung des Risikos und deren politische Attraktivität. Vgl. Essayyad und Algahtani (2007).
107
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
cherungsunternehmen, das in SZR-denominierte Anlagen investiert ist, aber Verbindlichkeiten in Euro
hält, in einer misslichen Lage befinden. Das Wechselkursrisiko könnte nur unter Eingehen zusätzlicher
Kosten abgesichert werden. Zudem stehen Kurssicherungs-Instrumente nur für kürzere Fristen, als sie
für Obligationen für Pensionsfonds und Versicherungsunternehmen typisch sind, überhaupt zur Verfügung. Weit in der Zukunft könnten auch Versicherungsnehmer und Pensionäre bereit sein, sich in
Währungskörben auszahlen zu lassen. Tiefe und liquide Märkte für SZRs mit adäquat ausgestalteter
Angebots- und Nachfrageseite sind jedoch bis auf Weiteres noch unrealistisch (Eichengreen 2011, S.
140f.).
Hat man sich auf die Ausgabe großer Mengen an SZRs zur Befriedigung der globalen Reservenachfrage festgelegt, muss bestimmt werden, wer diese in welchem Umfang erhält (Landau 2009, S. 8, und
Raschen 2010, S. 10f.). Einigen sich die IWF-Mitglieder auf eine Aufstockung der Zahl der SZRs,
sind diese nach einem vereinbarten Schlüssel zu verteilen. Nach diesem Schlüssel könnten die SZRs
zum einen proportional zur gegenwärtigen Reservehaltung allokiert werden. Zum anderen könnten sie
vorwiegend an die ärmsten Länder, die sie am Dringendsten benötigen, verteilt werden. Eine Selbstverpflichtung auf eine fortwährende Ausgabe von SZRs auf einem Niveau, das für den vollständigen
Ersatz bestehender Reservewährungen nötig ist, ist in Abwesenheit einer Einigung hierüber nicht realisierbar (Eichengreen, 2011, S. 141).
Wären die SZRs die dominierende Weltreservewährung, könnte sich dies für den IWF als in Krisenzeiten als Vorteil erweisen. Er könnte dann schnell reagieren und zusätzliche SZRs ausgeben können,
um die Liquidität sicherzustellen.56 Bevor zusätzliche SZRs ausgegeben werden können, müsste unter
den gegenwärtigen Regelungen zunächst eine Mehrheit von 85 Prozent der IWF-Stimmrechte sichergestellt werden (Eichengreen, 2011, S. 57). Genauso wie die Fed über ein Angebot zusätzlicher Dollar-Swaps entscheiden kann, müsste das Management des IWF zudem ermächtigt werden, über die
SZR-Ausgabe zu befinden. Der IWF müsste dann zu einer Art globaler Zentralbank und einem Bereitsteller von Notfall-Liquidität mutieren, damit die SZRs als Weltwährung fungieren können. Beides
schließt aber eine schnelle Reaktion aus (Eichengreen, 2011, S. 141).
Genau deshalb ist eher eine begrenzte Rolle der SZR als Ergänzung der bestehenden Reservehaltung
vorstellbar. Die Ansammlung von SZR-Ansprüchen stellt einfach ausgedrückt einen anderen Weg für
Zentralbanken dar, ihr Reserveportfolio in Richtung eines geringeren Dollar-Anteils umzuschichten.
Denn das SZR ist als Währungskorb definiert (Eichengreen, 2011, S. 141). Die Ausgabe von SZRs ist
zudem real gesehen recht preiswert, denn sie stellen rein buchhalterische Forderungen dar. Somit wird
von Volkswirtschaften kein Konsumverzicht und das Erzielen eines Exportüberschusses verlangt.
56
Dies wäre eine Parallele zur Fed und der EZB, die 2008 Dollar- und Euro-Swaps bereitstellten, um eine angemessene Liquidität des Dollars sicherzustellen.
108
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Zudem ist sie ein möglicher Weg, das ‚exorbitant privilege’ zukünftiger Reservewährungs-Länder zu
begrenzen, nicht aber ganz zu beseitigen. Zentralbanken werden auch zukünftig nur einen Bruchteil
ihrer Reserven als SZRs halten, da diese nicht liquide genug oder nur in unzureichendem Maße für
Markttransaktionen geeignet sind. Eichengreen (2011, S. 142) drückt dies treffend wie folgt aus: „The
SDR will not replace national currencies in central bank reserves because it will not replace national
currencies in other functions”.
Es wäre naiv zu glauben, dass der international erfahrene und intellektuell versierte Zhou sich der
vorstehend benannten Schwierigkeiten nicht bewusst wäre. Wahrscheinlicher ist es, dass er mit seinem
SZR-Vorschlag zwei strategische Ziele verfolgt. Erstens könnte der Vorschlag nur ein Vorwand gewesen sein, um einen bereits in den späten 70er Jahren diskutierten ‚substitution account’ einzuführen.
Durch diesen könnte die internationale Gemeinschaft China die angehäuften US-Dollars abnehmen
(Eichengreen 2011, S. 142).
Zweitens könnte es sich angesichts der Terminierung seiner auf den Vorabend eines G-20-Gipfels um
pure Symbolpolitik handeln. Indem Zhou den SZR eine größere Rolle zuwies, konnte er China als
Vertreter eines regelbasierten multilateralen Währungssystems positionieren. Schließlich musste Zhou
gleichzeitig auch die zu Hause aufkommenden Zweifel an der Fähigkeit der chinesischen Autoritäten,
die internationalen Reserven Chinas effizient zu managen, im Keim ersticken (Eichengreen 2011, S.
142). Im Folgenden wird vertiefend weiter auf das erste mögliche Motiv eingegangen.
Sollte eine größere Rolle der SZR als Ziel verfolgt werden, könnten Länder gemäß einem der Vorschläge ermutigt werden, Teile ihrer Reserven einem Fonds, der in SZR denominiert und vom IWF
verwaltet wird, anzuvertrauen. Ein solcher Fonds könnte außermarktliche Umwandlungen von in Dollar oder anderen internationalen Währungen denominierten Assets in SZRs erleichtern – ein Arrangement, das den bereits in den 1970er Jahren gemachten Vorschlag eines IWF ‚substitution account’
wieder aufgreift (siehe beispielsweise Bergsten 2009a, Cooper 2009, Eichengreen 2011, S. 65-66,
Kenen 2010, Williamson 2009 und Zhou 2009).57 Ein durch den IWF verwalteter Fonds für SZRReserven der Mitgliedsländer wirft jedoch einige Fragen auf (zu den folgenden Abschnitten vgl. Dorrucci und McKay 2011, S. 34f.):
Zunächst ist zu prüfen, ob das SZR zu einem glaubwürdigen Asset für die Reserven-Diversifikation
werden kann, wenn sich nicht gleichzeitig ein privater SZR-Markt entwickelt, welche konkreten
Schritte zur Förderung eines privaten SZR-Markts unternommen werden könnten. Und ob sich aus den
57
Yongding Yu, ein ehemaliger Berater der People’s Bank of China (PBC) bezieht sich in Yu (2010) zur Rechtfertigung des Zhou-Vorschlags auf die Möglichkeit eines ‚substitution accounts’, durch den die US-Dollars der PBC
in SZRs umgetauscht würden.
109
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Erfahrungen mit dem Markt für private European Currency Units (dem ECU) in den 80ern und frühen
1990ern Lehren ableiten lassen.
Ein zweiter Themenkomplex betrifft die Frage, ob ein SZR-Fonds oder ein ‚substitution account’ zu
einer planmäßigen und geordneten Diversifikation von Devisenreserven weg vom US-Dollar beitragen
würden. oder ob ein Risiko besteht, dass die bloße Ankündigung seiner Schaffung einen signifikanten
Verlust des Vertrauens in den US-Dollar auslösen würde. Zu prüfen wäre hier, ob die Implementierung des Vorschlags den Anreiz für Länder, in nationaler Währung denominierte Reserven aufzubauen, reduzieren oder, im Gegenteil, die Halter von Reserven zu einem weiteren Aufbau nationaler Reserven animieren würde (‚moral hazard’).
Der dritte und wahrscheinlich wichtigste Fragenkomplex betrifft eine Aussage dazu, wer die potenziellen Wechselkursverluste in einem ‚substitution account’ tragen sollte (Dorrucci und McKay 2011, S.
35). An genau dieser Frage scheiterte die Idee eines ‚substitution account’ schon in den späten siebziger Jahren und wird auch die wiederbelebte Initiative scheitern. Denn die USA waren und sind nicht
willens, dieses Risiko zu tragen (Harris, 2009). Hätte man es hingegen dem IWF aufgebürdet, hätte
man genau diejenigen getroffen, die die US-Dollars ohnehin loswerden wollten – die Länder nämlich,
die fast 85 Prozent der IWF-Anteile halten. Zudem wäre es zu einer Verschiebung der Risiken hin zu
den Ländern, die weniger Dollar halten, gekommen. Zwar wären bei der IWF-Lösung Kompensationen der USA theoretisch denkbar. In der Praxis könnte dies aus Sicht der USA jedoch zu übergroßen
finanziellen Verbindlichkeiten führen, sodass die Kompensationsidee nicht realistisch erscheint (Eichengreen 2011, S. 65f. und 142). Verschiedene Vorschläge wurden im Zeitablauf in Bezug auf die
letzte Frage vorgebracht (Kenen 2010). Jeder von ihnen war für mindestens eine der involvierten Parteien inakzeptabel – dies verweist zurück auf die Kernfrage der politischen Realisierbarkeit des ‚accounts’.58
Während die vollständige Beantwortung dieser Fragen nicht von der vorliegenden Studie zu leisten ist,
lassen sich in erster Annäherung dennoch zwei allgemeine Argumente gegen eine Weiterverfolgung
der SZR-Option anführen. Die Lösung ist – wie die vorstehenden Fragen zeigen – hoch komplex (Raschen 2011, S. 10). Darüber hinaus besteht das Risiko unbeabsichtigter und unabsehbarer Folgen eines
Ersatzes internationaler Währungen, die sich als Ergebnis autonomer Entscheidungen privater und
offizieller Akteure etabliert haben, durch eine synthetische, durch die Politik auferlegte internationale
SZR-Währung (Dorrucci und McKay 2011, S. 35). Eine dieser nicht intendierten Konsequenzen könnte, wie zuvor schon angedeutet, darin bestehen, dass Halter von Reserven einen ‚substitution account’
58
Hierfür lassen sich historische Beispiele anführen. Eichengreen (2011), S. 139, verweist auf das erste Quartal
1981, in dem das SZR als Folge der Volcker-Deflationierung um sieben Prozent gegenüber dem Dollar abwertete. Hierdurch erlosch das private Interesse der Sparer und sonstiger Gläubiger an den SZRs.
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Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
als einen Weg betrachten, Devisenreserven aufzustocken und dabei das Wechselkursrisiko abzustoßen.
Dies stellt ein Beispiel dafür da, wie eine solche Initiative ‚moral hazard’ Verhalten in bestimmten
Ländern hervorrufen kann und die Stabilität des internationalen Währungssystems beeinträchtigt, statt
sie zu stärken (Dorrucci und McKay 2011, S. 35). Darüber hinaus wird die Besorgnis geäußert, dass
im Falle einer nur vage formulierten Emissionsregel die Bestände an SZRs stark ansteigen könnten
(Cooper 2011). Dies wiederum könnte ernste Konsequenzen für die ordnungsgemäße Durchführung
der Geldpolitik und die Souveränität von Zentralbanken haben, die die internationalen im SZR-Korb
enthaltenen Währungen emittieren (Dorrucci und McKay 2011, S. 35). Sollten sich die SZR schließlich als ein weithin akzeptiertes Tauschmittel durchsetzen, könnte ein starker Anstieg des Angebots an
SZR direkt globalen inflationären Druck erzeugen.59 Kritisch an der Implementierung von Sonderziehungsrechten als internationale Währung ist also zusammengefasst, dass sie sich kein Marktvertrauen
schrittweise verdient haben. Eine Währung, die nachhaltig stabil sein soll, sollte sich am Markt etabliert haben (Belke und Polleit 2010).
Eine weitere Frage ist auch die Umsetzbarkeit einer stärkeren Bedeutung von SZRs im derzeitigen
Weltwährungssystem. Angesichts der Tatsache, dass es laut den Statuten des IWF einer Zustimmung
von 85 Prozent des stimmberechtigten Kapitals bedarf und die USA über einen Anteil von rund 17
Prozent verfügt, wird diese Entscheidung nicht ohne die Zustimmung der USA getroffen werden können. Die USA wird aber kaum Interesse an einer Stärkung der Bedeutung von SZRs haben, würde dies
ja eine Beschneidung des ‚exorbitant privilege’ der USA bedeuten.
Wir stimmen diesbezüglich Jürgen Stark und Dennis Snower zu, die im Gefolge der im Frühjahr 2009
erfolgten Beschlüsse des Londoner G-20-Gipfels zur Verdreifachung der finanziellen Ressourcen des
Internationalen Währungsfonds (IWF) stark kritisierten (Engelen und Kurm-Engels, 2009). Denn
durch die Zuteilung der SZR erhöht sich letztlich die globale Geldmenge. Dies führt tendenziell zu
höherer Inflation, sobald die Krise zu Ende ist. Zudem könnte risikoreiches Verhalten von Staaten
belohnt werden und dadurch die Grundlage für künftige Krisen geschaffen werden. Die Zuteilung der
neu geschaffenen SZR kann in bestimmten Szenarien durchaus im Sinne Milton Friedmans als „Helikopter-Geld“ für den Globus, also eine Vermehrung der Geldmenge am Bankensystem vorbei, interpretiert werden.60 Zudem gefährdet der Vorschlag in ebendiesen Szenarien die Unabhängigkeit der
Notenbanken, denn diese garantieren letztlich die Ansprüche aus der Haltung von SZRs.
59
Vgl. Dorrucci, McKay (2011), S. 35. Für die Bedingungen und Szenarien, unter denen die Schaffung von SZRs
inflationär wirken könnte, siehe Cooper (2011).
60
Vgl. positiver aber Bénassy-Quéré und Pisani-Ferry (2011a) und Cooper (2011).
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Belke Bernoth Fichtner
v.
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Leitwährung - Renminbi als Alternative?
Da China wohl die Etablierung des RMB als internationale Währung anstrebt und allen Anreiz dazu
hat, dürfte der der SZR-Vorschlag nicht realisiert werden. Würde der RMB in internationalen Transaktionen umfassend genutzt, wäre China nicht mehr gezwungen, Devisen zu halten, um seine Zahlungsbilanz zu glätten oder inländische Unternehmen bei der Begleichung grenzüberschreitender Zahlungsverpflichtungen zu unterstützen. Das Land würde so in den Genuss sämtlicher Vorteile eines Leitwährungslandes kommen (Eichengreen 2011, S. 143, Ito 2010).
Verschiedentlich machten in der Vergangenheit chinesische Offizielle ausdrücklich klar, dass sie diesem Denkmuster folgen. Beispielsweise legte Zhang Guangping, Stellvertretender Vorsitzender der
„Shanghai Branch of the China Banking Regulatory Commission“ Journalisten nahe, dass der RMB
bereits im Jahr 2020 eine internationale Währung werden könne. 2009 folgten zahlreiche Hinweise
chinesischer Offizieller darauf, dass man Shanghais internationales Finanzzentrum ausbauen wolle
(Eichengreen, 2011, S. 143 und 193). "Die Stunde des Yuan kommt", "China greift den Dollar an",
"China attackiert" - unter diesen Überschriften war in den vergangenen Tagen zu lesen, was sich China zum Ziel gesetzt und auf dem Volkskongress Anfang März 2011 auch als Strategie bekräftigt hat:
Peking will den Dollar als internationale Leitwährung entmachten und die eigene Währung als Alternative etablieren. Soweit die Perspektive - wie aber will China diesen Plan konkret in die Tat umsetzen?
Im Groben verfolgt Peking einen Stufenplan. In Stufe Eins soll Chinas Handel mit Schwellenländern
in Yuan - und nicht mehr in Dollar - abgewickelt werden. Peking schließt entsprechende Abkommen
mit den jeweiligen Zentralbanken. Allerdings sind Chinas Currency Swap Agreements mit Argentinien, Weißrussland, Hongkong, Indonesien, Südkorea und Malaysia keine Instrumente von wirklich
praktischem Nutzen. Sie stellen eher Maßnahmen dar, die Chinas Ambitionen signalisieren sollen.
Andere Zentralbanken können den RMB nicht für Interventionen am Devisenmarkt, für die Finanzierung von Importen aus Drittländern und zur Auszahlung ausländischer Geschäftsbanken und Anleihebesitzern nutzen. Bislang erfüllten nur Dollar-Swaps wie zum Beispiel der 30 Mrd. Swap der Fed an
Südkorea Ende 2008 diese Funktion. China wäre konsequenter und überzeugender als Anbieter von
Notfallkrediten, wenn es anderen Ländern Währungsswaps in US-Dollar anbieten würde. Dann aber
wären die Swaps kein Mittel mehr zur Forcierung der internationalen Rolle des RMB (Eichengreen
2011, S. 144f. Ito 2010, S. 274, und Murphy und Yuan 2009, S. 11ff.).
Dann folgen weitere Schritte, mit Ziel vor Augen, den Yuan zu einer Dollar-Alternative aufzubauen nicht nur als Handelswährung, sondern auch als Weltreservewährung: Wenn es zu internationalen
Krisen kommt, sollen Anleger ihre Werte in einen vermeintlich sicheren Yuan umschichten können,
und nicht mehr wie bisher in Dollar.
112
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Wie lässt sich dieser Plan umsetzen?
Bis 2009 zirkulierte der RMB (legal) ausschließlich innerhalb Chinas. Seit zwei Jahren jedoch betreibt
die Volksrepublik China in der Währungspolitik eine Politik der schrittweisen Ausweitung der RMBZone. Auf diese Weise schafft sie die Voraussetzungen für eine spätere vollständige Freigabe der
Währung.
Zunächst wurde das „Pilot Program of Renminbi Settlement of Cross-Border Trade Transactions“61
gestartet, das es Unternehmen aus fünf Städten (Shanghai, Guangzhou, Shenzhen, Zhuhai und Dongguan) erlaubte, den RMB erstmals als Zahlungsmittel im internationalen Warenhandel mit den besonderen Verwaltungszonen Hongkong, Macao sowie unmittelbaren Nachbarstaaten wie zum Beispiel der
Mongolei, Vietnam, Kambodscha, Nepal und Nordkorea (‚cross-border’-Handel) zu verwenden –
allerdings nur für besonders „vertrauenswürdige“ Unternehmen aus zwei Provinzen, um eine Umgehung der Kapitalverkehrskontrollen durch verdeckte Finanztransfers und eine damit einhergehende
Volatilität der Kapitalflüsse zu vermeiden (Eichengreen 2011, S. 143f.).
Im Jahr 2010 wurde das Pilotprojekt erweitert und alle Unternehmen in 20 zusätzlichen chinesischen
Provinzen erhielten die Erlaubnis, solche Importe auf RMB-Basis abzuwickeln.62 Außerdem wurde
der Handel nicht mehr nur auf ASEAN beschränkt, sondern ist jetzt weltweit möglich. Die in RMB
getätigten internationalen Handelsgeschäfte haben sich in Folge dieser Politik im dritten Quartal 2010
verdoppelt. Ihr Gesamtwert betrug Ende 2010 rund 500 Milliarden RMB.63
Als jüngster Schritt wurde im März 2011 allen chinesischen Unternehmen erlaubt, Exporte und Importe in eigener Währung RMB abzurechnen; der RMB ist allerdings immer noch nicht frei konvertierbar.64 Durch Umgehung des Dollars sinken die Transaktionskosten und Wechselkursrisiken. Bisher
wurden chinesische Exporteure in ausländischer Währung bezahlt, Mitarbeiter mussten aber in eigener
Währung entlohnt werden. Die Maßnahme lohnt sich also auch für deutsche Unternehmen: Ein deutsches Unternehmen, das nach China liefert, kann den erhaltenen Yuan-Betrag künftig in China ausgeben, für andere Geschäfte in der Währung nutzen oder auf dem Konto lassen, wo es von der Aufwertung profitieren könnte. Außerdem sind Festpreisangebote durch RMB-Konten möglich (Geinitz und
Welter 2011).
61
Siehe
den
Text
der
Verordnung
unter
http://www.pbc.gov.cn/publish/english/964/2009/
20091229135722061684633/20091229135722061684633_.html.
62
Vgl. „Handel in Renminbi für deutsche Exporteure“, in: http://exportmanager-online.de, 08.12.2010; im März
2011 erklärte die die chinesische Zentralbank, das Projekt im Laufe des Jahres auf ganz China ausweiten zu
wollen. vgl. Shanghai Daily, GDP Growth Target set at 7%, 6.3.2011.
63
Vgl. „Produkt der Vergangenheit“ , in: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-76551122.html, 24.01.2011;
Global Times, 4.3.2011.
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Ein weiteres Pilotprojekt erlaubte Privatpersonen aus der ostchinesischen Stadt Wenzhou, dem Zentrum der chinesischen Konsumgüterproduktion, im Ausland bis zu 200 Millionen Yuan zu investieren
– mit Ausnahme von Immobilien und Aktien.
Jüngst – bezeichnenderweise kurz vor dem Besuch von Ministerpräsident Hu in den USA – hat in
New York die dortige Filiale der Bank of China ihren amerikanischen Kunden Geldgeschäfte in RMB
ermöglicht. Kontoinhaber können RMB im Wert von bis zu 4.000 US-Dollar pro Tag und maximal
20.000 US-Dollar pro Jahr, tauschen. In Russland wurde Ende letzten Jahres der erste Rubel-RMB Handel an der Moskauer Interbanken-Devisenbörse aufgenommen. Das Handelsvolumen betrug bislang insgesamt fünf Millionen Yuan (23 Millionen Rubel).65 Zuvor konnte der Handel zwischen Russland und China ausschließlich in frei konvertierbarer Währung abgewickelt werden; nun ist dies auch
in den jeweiligen Landeswährungen ohne Einschränkung möglich.
Der eigentliche finanzpolitische Experimentierplatz Chinas bleibt jedoch die Sonderverwaltungszone
(SAR) Hongkong. Seit Anfang 2011 ist der Handel mit RMB-Anleihen auch dort möglich. Schätzungen zufolge sollen 2011 Yuan- Anleihen (sog. Dim-Sum-Anleihen) im Wert von über 100 Milliarden
Yuan gezeichnet werden.66 Chinesische Unternehmen können nunmehr grenzüberschreitende Handelsund Finanzierungsgeschäfte in der eigenen Währung abwickeln; sie umgehen damit den Dollar als
bisherige Fakturierungswährung, senken ihre Transaktionskosten und vermeiden Währungsrisiken.
Auch immer mehr große internationale Unternehmen, unter anderem Nokia, MacDonalds und Ikea,
haben Interesse daran, den RMB als Handelswährung und für Anleihen einzusetzen, nicht zuletzt, um
ihre Expansion auf dem chinesischen Festland zu finanzieren. Mit dieser begrenzten Freigabe möchte
die VR China herausfinden, welchen Wert die eigene Währung unter Marktbedingungen einnehmen
würde, und wie internationale Anleger reagieren. Hongkong eignet sich sehr gut dafür, da sich der
RMB neben der eigentlichen Währung, dem Hongkong- Dollar, bereits seit Längerem als Zweitwährung etabliert hat.
Beabsichtigt ist auch, mehr Kanäle für den Rückfluss von RMB nach China zu schaffen. Geprüft wird,
ob es bald gestattet sein soll, im Ausland gehaltene RMB für Direktinvestitionen in China zu nutzen.
Bisher gab es nur eine „Mini-Öffnung“, die von der Chinesischen Zentralbank nicht quantifiziert wird.
Denn sonst würden sich möglicherweise massive Kapitalströme auf China richten – eine Volkswirtschaft, die höhere langfristige Zinsen als Bundesanleihen bietet, unter Aufwertungsverdacht steht und
nachhaltig gute Wachstumsaussichten aufweist.
65
Vgl. „Yuan-Rubel-Handel an Moskauer Börse aufgenommen – Umfang weit über Prognose“, in:
http://de.rian.ru/trade_and_finance/20101215/257896036.html, 15.12.2010.
66
Chinesische Anleihespezialitäten für den Westen, in http://www.handelsblatt.com/finanzen/boersemaerkte/anleihen/chinesische-anleihespezialitaeten-fuer-den-westen/3756262.html, 6.1.2011.
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Weiterhin soll aktiv auf Anfragen anderer Zentralbanken eingegangen werden, den RMB als Reservewährung zu nutzen. Der RMB stellt angesichts der Schuldenkrisen in den USA (und ihrer Bundesstaaten) und in der Eurozone eine attraktive Ergänzung ihrer Portfolios dar. Diese Strategie ist auch für
China selbst sinnvoll, denn Notenbanken legen ihre Gelder generell konservativer an als andere Investoren und Vermögenspreisblasen können künftig vermieden werden.
Ab April 2011 sollen auch Optionsgeschäfte auf den RMB zugelassen werden – als Absicherung chinesischer Banken und Unternehmen gegen Wechselkursschwankungen. Auch dies kann als ein indirektes Signal für eine stärkere Wechselkursflexibilisierung interpretiert werden. Allerdings sind wohl
nur Kaufoptionen gegen steigende Kurse erlaubt. Hiermit sollen Wetten auf eine Abwertung des RMB
verhindert werden.67
Ein weiteres Mittel zur schrittweisen Verwirklichung des Leitwährungs-Plans sind die weiter oben
erwähnten Währungsswaps mit acht anderen Zentralbanken: Unternehmen dieser Länder können mit
RMB versorgt werden.
Wie realistisch ist der Plan? Langsamer, aber stetiger Fortschritt
Über die Zeit wird China die Bedeutung des RMB für Finanz- und Gütertransaktionen durch die
Schaffung liquider Wertpapiermärkte und die Liberalisierung des Zugangs zu diesen stärken können.
Die Frage ist nur: Wie lange dauert das? China scheint schon fast eine Dekade derartige Bestrebungen
zu hegen, ist aber bislang nur einen kleineren Teil des Weges gegangen. Aus gutem Grund: Die Vereinbarung von Finanzmarktstabilität mit vollständiger Kapitalverkehrsfreiheit ist an anspruchsvolle
Voraussetzungen gekoppelt (Dobson und Masson 2009, Eichengreen 2011, S. 145, Raschen 2011, und
Wu, Pan, und Di 2010): 1) Transparenz der Märkte, 2) Rein kaufmännische Ausrichtung/Entstaatlichung der Banken, 3) Stärkung der Finanzmarktaufsicht und Regulierung, 4) solide und
stabilitätsorientierte Geld- und Fiskalpolitiken, 5) Flexibilisierung des Wechselkurses, um ein größeres
Volumen an Kapital zu- und Abflüssen absorbieren zu können (wird die „Bestrafungsfunktion“ des
Wechselkurses toleriert?).68
China muss folglich nach Alternativen zu seinem bisherigen Wachstumsmodell mit staatlicher Steuerung von Bankkrediten und einem Wechselkurs-Anker an den Dollar suchen. Wie die Reaktion der
67
Vgl. Financial Times Deutschland http: / / www.ftd.de/ finanzen/ maerkte/ anleihen-devisen/ : unterwegs-zurweltwaehrung-china-treibt-renminbi-reform-voran/ 60013147.html.
68
Dobson und Masson (2009) diskutieren weitere Faktoren, die zur internationalen Verwendung von Währungen beitragen. Sie befassen sich schwerpunktmäßig mit den Aspekten von Chinas Finanzsystem, die sich ändern
müssen, bevor der Renminbi zur Weltwährung aufsteigen kann. Selbst mit signifikanten Reformen verbleiben
die beiden wichtigen Fragen: wollen die Autoritäten seine internationale Verwendung wirklich forcieren? Und:
kann eine Volkswirtschaft mit substanzieller P arteikontrolle wirklich nachhaltige internationale Akzeptanz für
seine Währung schaffen?
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Chinesen auf die Krise 2008 zeigt, kann dies durchaus noch ein steiniger Weg sein. Denn die Reaktion
der chinesischen Behörden ging 2008 genau in die entgegengesetzte Richtung. Eine höhere Kreditvergabe wurde verordnet und der Dollaranker des RMB wurde gehärtet. Letzteres kann man auch als
eine künstliche Abwertung des RMB zur Aufrechterhaltung der Exporte interpretieren. Dass Chinas
Bewegung in Richtung offener Finanzmärkte graduell, aber stetig bleiben wird deckt sich mit der Empirie. Ein Big Bang ist hingegen unwahrscheinlich (Dobson und Masson 2009, Eichengreen 2011, S.
145, und Raschen 2011).
Die Bindung des RMB wurde im Juni 2010 zwar etwas gelockert, was als ein erster kleiner Schritt in
Richtung einer nachhaltigen Flexibilisierung und als Indikation dafür, dass es den Chinesischen Offiziellen mit der Internationalisierung des RMB ernst ist, interpretiert werden kann (Eichengreen, 2011,
S. 193f.). Die chinesische Zentralbank kontrolliert den Wechselkurs aber nach wie vor streng. Jeden
Tag wird ein Referenzwert festgelegt, von dem der tatsächliche Kurs maximal um 0,5 % abweichen
darf. Dies ist aus chinesischer Perspektive unmittelbar einsichtig, denn freier Yuan bringt Kontrollprobleme für Chinas Autoritäten mit sich. Sie wollen den Wohlstand steuern und haben Angst vor
„nordafrikanischen Verhältnissen“. Eine Flexibilisierung des RMB kann prinzipiell mit einer politischen Liberalisierung einhergehen. Dies ist offensichtlich aber weniger gewollt (Raschen 2011, S. 9).
Außerdem könnten, wenn die Währung zu schnell zu stark wird, Spekulanten auf den Plan gerufen
werden.
Ein entscheidender Punkt wird die Entwicklung der Anleihemärkte in China sein. Bis vor Kurzem
wurden in RMB denominierte Bonds nur von chinesischen Banken und multilateralen Banken wie der
Weltbank und der Asian Development Bank verkauft – und dies ausschließlich in China. Die Chinesischen Offiziellen zögerten damit, ausländischen Unternehmen die Ausgabe von RMB-denominierten
Bonds zu gestatten, da dies die Fähigkeit der Regierung einschränken könnte, Ersparnisse kanalisiert
und direkt in den chinesischen Industriesektor zu lenken.69 Denn falls die ausländischen Unternehmen
chinesischen Investoren ohne ein Wechselkursrisiko attraktivere Bedingungen böten, flössen ihre Ersparnisse nicht mehr notwendigerweise an die chinesischen Banken, nur damit diese die Ersparnisse
an die von der Regierung bestimmten Unternehmen weiterleiten (Eichengreen 2011, S. 145f.).
Ab Sommer 2009 wurde die Entwicklung eines Marktes für RMB-dominierten Bonds in Hong Kong
zugelassen (u.a. HSCB Holdings, Hopewell Highway Infrastructure). Weiter geht man zunächst noch
nicht, denn sonst wäre das chinesische Entwicklungsmodell in seinen Grundfesten bedroht. Ein Markt
für RMB-denominierte Anleihen in Shanghai beispielsweise wäre definitiv etwas Anderes und richtungsweisend. Dementsprechend soll Shanghai auch erst 2020 in ein internationales Finanzzentrum
69
Die Analogie zu Japan in den 1970er Jahren wird offensichtlich.
116
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
transformiert werden – vorausgesetzt die oben genannten fünf Bedingungen sind vorher erfüllt.70 Aber
auch die USA erlangten, ausgehend von einem Status, in dem er keinerlei internationale Rolle spielte,
in weniger als zehn Jahren die Position einer führenden internationalen Währung (Eichengreen 2011,
S. 146). In dieser Hinsicht scheint der Zeitplan der Chinesen noch nicht einmal unrealistisch. Trotzdem scheint das Ziel 2020 aus anderen Gründen doch etwas zu ambitioniert.
Eichengreen (2011), S. 147, verweist aber zum einen zu Recht darauf, dass die für eine Konvertibilität
des RMB notwendige Änderung der chinesischen Volkswirtschaft sogar noch weitreichender ist, als es
für die USA die Schaffung der Fed und eines Marktes für Dollarpapiere war. Zum anderen dürfte das
BIP Chinas 2020 trotz einer unterstellten Jahreswachstumsrate von sieben Prozent immer noch zu
tatsächlichen Wechselkursen (denn diese sind für internationale Transaktionen bedeutsam) nur ungefähr die Hälfte des US-Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Folglich wird die Liquidität der Märkte in
RMB längst nicht so hoch sein wie diejenige der Dollarmärkte (Eichengreen 2011, S. 147).
Eine Leitwährung kann sich aber nur auf freiem Markt durchsetzen. Wäre China eine Demokratie,
wäre das kein Problem. So aber garantiert der liquide und liberale Finanzmarkt in den USA, dass der
Dollar die Leitwährung bleibt (Dobson und Masson 2009, Raschen 2011, S. 9).
Was für eine mittelfristige Verwirklichung des Leitwährungs-Ziels Chinas spricht
Wird die Währung eines Landes außerhalb seiner Grenzen in großem Umfang zu Wertaufbewahrungsund Transaktionszwecken genutzt, so stellt dies insbesondere unter dem Aspekt steigender Seigniorage-Einnahmen, aber auch aufgrund wegfallender Wechselkursunsicherheit und verminderter Transaktionskosten einen enormen Vorteil für das Land dar. Darüber hinaus gewinnt ein Land in den relevanten internationalen Organisationen (G-20, IWF etc.) tendenziell an Einfluss, sofern seine Währung
internationale Bedeutung hat. Internationale Leitwährung bringt somit politischen Einfluss mit sich.
Schließlich ist eine Auslands-Verschuldung in eigener Währung möglich.
Die Kosten eines „festen“ Wechselkurses zum US-Dollar sind für China eigentlich (zu) hoch. Um den
Wechselkurs stabil zu halten, muss Chinas Zentralbank die aus dem hohen Handelsüberschuss zufließenden Devisen umtauschen. Dadurch flutet sie die Inlandsmärkte mit Yuan, was die Geldentwertung
antreibt (siehe Abschnitt 1.b.iv zur Entwicklung der Überschussliquidität in den BRICs). Den gleichen
Effekt weisen die überteuerten Importe auf (Geinitz und Welter 2011). Die Inflationsgefahr steigt wie Anfang März 2011 von Wen Jiabao thematisiert (Raschen 2011). Der Dollar-Peg Chinas ermöglicht gleichzeitig eine immer höhere Verschuldung der USA (bislang schon 1,16 Billionen Dollar).
70
Vgl. http://www.sina.com.cn, 27.10.2010 (Vorschlag des ZK der KP China zum 12. Fünf-Jahres-Programm
vollständig veröffentlicht).
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Diese wiederum erhöht das Risiko eines Dollarabsturzes, der für die Volksrepublik mit ihren hohen
Dollarreserven fatal wäre.
Was haben Schwellenländer davon, wenn sie ihre Geschäfte mit China nicht in Dollar, sondern in
Yuan abwickeln?
Brasilien und China sorgten im Jahr 2009 für viel Aufruhr, als sie bekannt machten, dass sie ihre eigenen Währungen im bilateralen Handel verwendeten. Malaysia kündigte kurze Zeit später an, diesem
Beispiel folgen zu wollen. Solche „Versuchsbojen“ sind aber vor allem dazu geeignet, die Existenz
eines solchen Handels publik zu machen und zu bewerben. Denn was nützt dem typischen brasilianischen Unternehmen der RMB, wenn die chinesische Währung nicht umgewandelt werden kann? Es
wird RMB nur in dem Umfang akzeptieren, wie es beabsichtigt, diese wieder in China zu investieren.
Dies stellt aber nicht den üblichen Fall dar.71
Eine Diversifikation der Transaktionswährungen in Richtung einer breiteren Basis ist aus Risikogesichtspunkten vorzugswürdig. Vor allem dürfte der Wert der Devisenreserven nicht so stark schrumpfen, wie das bei einer einseitigen Dollarbetonung der Fall wäre. Darüber hinaus könnte der RMB mittelfristig für wertstabiler als der US-Dollar gehalten werden. Schließlich können Schwellenländer einen indirekten Nutzen aus der weiter zu erwartenden Aufwertung des RMB ziehen. Neben einer geringeren Abhängigkeit von der „zweifelhaften“ makroökonomischen Politik der USA könnte die Lockerung des RMB-Wechselkurses zu höheren Dollarpreisen ihrer Exporte führen.
Insgesamt gesehen ist die Erfüllung der zentralen Voraussetzungen für die erfolgreiche Entwicklung
Chinas als einem globalen Finanzakteur, eine vollständige Freigabe und die Konvertierbarkeit des
RMB, allenfalls mittelfristig zu erwarten (Dobson und Masson 2009 und Raschen 2011). Aber vorerst
wird der Anteil in RMB gehaltener Währungsreserven begrenzt bleiben. Diese dürften sich vornehmlich für Länder als attraktiv erweisen, die intensiv mit China Außenhandel betreiben und dort auch ihre
finanziellen Geschäfte abwickeln. Die Schwankungen des RMB auf den Devisenmärkten sind deshalb
für diese Ländergruppe auch am bedeutendsten Die RMB-Reservehaltung wird ganz analog zu Europa, wo die Haltung von Euro-Reserven um die Eurozone herum konzentriert ist, überproportional stark
auf Asien beschränkt bleiben (Eichengreen 2011, S. 147, Murphy und Yuan 2009).
Der RMB mag sich auch jetzt schon direkt und erfolgreich in Richtung einer regionalen und subsidiären Reservewährung sein und könnte eines Tages durchaus zum Rivalen des US-Dollars aufsteigen
(Murphy und Yuan 2009). Kurzfristig jedoch wird er nur schwerlich mit der Währung einer bis auf
71
Brasilien und Argentinien trafen im September 2008 ein ähnliches Abkommen, ihren bilateralen Handel in
ihren eigenen Währungen abzuwickeln. Bezeichnenderweise nutzen sie in der P raxis dennoch nach wie vor USDollar. Vgl. Eichengreen (2011), S. 145.
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Weiteres noch deutlich größeren Volkswirtschaft, den USA, konkurrieren und zur dominierenden Reservewährung werden können (Dobson und Masson 2009, Eichengreen 2011, S. 147, und Ito 2010).
vi. Andere Vorschläge: Aufwertung des Goldes und anderer Rohstoffe als ReserveAssets
Schließlich kam vor Kurzem auch wieder die Rolle des Goldes im internationalen Währungssystem
auf die Agenda. Gerade im Falle eines drohenden Vertrauensverlusts des Dollars – oder selbst ohne
diesen – sei Gold für international Investoren, darunter Zentralbanken, ein naheliegendes Wertaufbewahrungsmittel. Zoellick (2010) beispielsweise argumentiert, dass das internationale Währungssystem
“should also consider employing gold as an international reference point of market expectations about
inflation, deflation and future currency values”. Während dieser Vorschlag natürlich keine irgendwie
geartete Rolle des Goldes als ein wiederbelebter Anker des internationalen Währungssystems impliziert, sieht Zoellick Gold als ein alternatives Wertaufbewahrungsmittel, besonders wenn Unsicherheit
über die zukünftige Rolle verschiedener Währungen während des Übergangs zu einem im Kern multipolaren Währungssystem vorliegen.
In der Praxis hingegen haben die Notenbanken weltweit ihren Anteil an Goldreserven seit einem Jahrhundert drastisch verringert. Während das Gold 1913 noch knapp 70 Prozent der internationalen Reserven der Zentralbanken ausmachte, sind es heute nur noch knapp 10 Prozent. Die Gründe hierfür
liegen auf der Hand. Gold eignet sich deutlich weniger für die Abwicklung von NotfallFinanztransaktionen, zum Beispiel Käufe einer unter Abwertungsdruck stehenden Währung gegen
US-Dollar oder die Schnürung von ‚emergency financial packages’ des IWF72, als die üblichen Finanzierungsinstrumente („inconvenience of use“). Analoges gilt für die Bezahlung von Importen oder
Zinsen auf Auslandsverschuldung (Eichengreen 2011, S. 147f.).
Ausnahmen wie die 2009 getätigten Goldkäufe Indiens vom IWF bestätigen die Regel. Indien, eine
Volkswirtschaft mit flexiblen Wechselkursen, Beschränkungen von internationalen Kapitalflüssen und
einem relativ gesunden Bankensystem benötigt gegenwärtig seine internationalen Reserven kaum für
Markttransaktionen. Es machte deshalb aus seiner Sicht durchaus Sinn, angesichts steigender Zweifel
an der Wertstabilität des US-Dollars den Goldanteil an seinen Reserven etwas zu erhöhen. Jedoch
änderten auch diese Goldkäufe nichts am langfristig sinkenden Trend des Goldanteils an den internationalen Reserven der indischen Zentralbank (InWent 2010). Die Goldverkäufe des IWF lassen sich in
seine seit Jahren verfolgte Strategie der schrittweisen Verflüssigung seines Portfolios in Richtung gebräuchlicherer Finanzvermögen einordnen (Eichengreen 2011, S. 148). Im Anschluss waren weitere
72
Siehe die Bereitstellung von ‚ Cash’ in Dollars und Euros durch den IWF für Ungarn, Island, Lettland und die
Ukraine im Jahr 2008.
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Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Goldkäufe in geringerem Umfang auf lokalen Märkten zu beobachten. Andere Zentralbanken folgten
nicht in großem Stil. Der IWF hatte Anfang 2010 sogar erfolglos versucht, die letzten 200 Tonnen
seiner geplanten Goldverkäufe an den Markt zu bringen.
Auch in Bezug auf Gold verdient China wieder das Hauptaugenmerk. Seit 2008 hat die chinesische
Zentralbank den Anteil der Goldreserven langsam erhöht. Setzt sie diese Politik fort, könnte dies für
die Rolle von Gold für die internationale Reservehaltung von Notenbanken bedeutsam werden. Aber
wiederum kommt Chinas Dilemma zum Tragen, dass der Anteil des US-Dollars an seinen Reserven
und die absolute Höhe dieser Reserven so hoch sind, dass weitere Käufe von Gold gegen Dollar den
Wert des US-Dollar weiter drücken würden. Chinesische Exporte würden teurer und es würden Verluste auf die noch gehaltenen Dollarbestände zu verzeichnen sein. Schließlich würde auch der Preis
des Goldes selbst nach oben getrieben, was die Kosten zukünftiger Goldkäufe erhöhen würde (Eichengreen 2011, S. 148f.).
Eine andere häufig diskutierte Option ist eine Umwandlung internationaler Reserven in „real assets“,
d.h. Rohstoffe wie Holz und Öl (Murphy und Yuan 2009, S. 7). Der Hintergrund ist, dass die USA die
Erträge der Auslandsanlagen in US-amerikanische T-Bills hinweg inflationieren könnte (Belke und
Gros 2010). Diese Strategie dürfte aber nur für Volkswirtschaften und deren Notenbanken und Staatsfonds geeignet sein, die über deutlich mehr internationale Reserven verfügen, als sie für Markttransaktionen benötigen. Weniger naheliegend ist sie für Länder, die eine baldige Verwendung ihrer Reserven
absehen können. Der Verkauf in Notsituationen von Nutzwald beispielsweise dürfte sich für sie noch
schwieriger als derjenige von Gold erweisen (Eichengreen 2011, S. 149f.). Wegen der mangelnden
Realisierungschance und der offensichtlichen Nachteile bei einer weiter stetig wachsenden Weltwirtschaft – u.a. deflationäre Effekte - setzt sich diese Studie nicht mit der Sinnhaftigkeit der (Wieder-)
Einführung des Goldstandards in seiner reinen ursprünglichen Form auseinander (vgl. hierfür beispielsweise Eichengreen 2011, S. 51-54).
c. Durchsetzbarkeit und Eintrittswahrscheinlichkeiten
Die vorstehenden Überlegungen zeigen, dass in Zukunft mit einem multipolaren internationalen Währungssystem zu rechnen ist. Um Wohlfahrtsverluste zu vermeiden, macht es viel Sinn, auf dem Weg
dorthin Wechselkursflexibilität zwischen den Währungsblöcken einzuführen. Um eine nicht fundamental gerechtfertigte Wechselkursvolatilität und damit einhergehende Wohlfahrtsverluste (Abschnitt
1.b.iii) zu vermeiden, ist eine kontinuierliche Entwicklung ohne Brüche eine Conditio sine-qua-non.
Die Geschwindigkeit dieser Entwicklung hängt von der Wahrscheinlichkeit der Auflösung der Verzerrung zugunsten des Status Quo ab. Netzwerkeffekte, hohe Wechselkosten und der daraus resultierende
„lock-in“-Effekt wirken tendenziell in Richtung einer weiteren Nutzung des Dollars als Transaktionsund Reservewährung. Im Sinne der Hysterese-Theorie (Belke, Göcke und Gunther 2009) dürfte dies
trotz des Vertrauensverlustes in den Greenback innerhalb eines bestimmten Intervalls auch noch län120
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
ger so bleiben. Der US-Dollar hat den Vorteil der ‚incumbency’, der wie in einem natürlichen Monopol den Status einer internationalen Währung bestimmt.
Dieser Mechanismus wird jedoch zukünftig nicht mehr denselben Stellenwert wie zuvor aufweisen.
Denn Änderungen der Informationstechnologie dürften sich auch auf den Bereich der ‚International
Finance’ niederschlagen. Darüber hinaus lässt die schiere Größe der Weltwirtschaft im 21. Jahrhundert
mittlerweile mehr als einen Markt mit einer Liquidität zu, die zu geringen Transaktionskosten führt.
Wenn die Märkte größer werden und die Kosten des Austausches von Währungen fallen, entsteht
Raum für mehrere Alternativen. Beide Argumente sprechen also dafür, dass das Argument des natürlichen Monopols ähnlich wie im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung, der Elektrizität und des
Fernmeldewesens künftig eine geringere Rolle für den Status einer Weltreservewährung spielen wird
(Eichengreen 2011, S. 150f. und 194). Ohnehin scheint das Argument des natürlichen Monopols selbst
währungsgeschichtlich übertrieben. Im späten 19. Jahrhundert wurden neben dem damals führenden
Pfund Sterling auch der französische Franc und die Deutsche Mark bei internationalen Transaktionen
genutzt (de Cecco 2009).
Die führenden Spieler im neuen multipolaren internationalen Währungssystem lassen sich mit hinreichender Sicherheit benennen. Der US-Dollar, die Währung des größten nationalen Wirtschaftsraumes
mit den liquidesten Märkten wird mittelfristig der Primus inter pares bleiben. Der Euro mit einem
Wirtschaftsraum im Rücken, der ökonomisch ähnlich bedeutsam wie die USA ist, hat gerade an seiner
Peripherie das Potenzial, noch attraktiver zu werden. Dies dürfte spätestens dann eingelöst werden,
wenn die Eurozone seine Schuldenkrise institutionell überzeugend gelöst haben wird. China hat bereits damit begonnen, Ausländer schrittweise, aber stetig zur Nutzung des RMB bei Güter- und Finanztransaktionen zu animieren. Mittelfristig, d.h. in etwa einer Dekade, dürfte der RMB deshalb zu
einer für internationale Investoren und Zentralbanken attraktiven Währung aufgestiegen sein (Eichengreen 2011, S. 151).
Der vorstehende Befund und die dabei verwendeten Argumente lassen vermuten, dass es global sogar
Spielraum für mehr als drei internationale Währungen gibt. Yen und Rubel werden aufgrund ihrer
negativen demografischen Entwicklung nicht dazu zählen. Denn die Bevölkerungszahl dient als Näherungsgröße für (potenzielle) wirtschaftliche Größe, die wiederum für die Liquidität der Märkte bedeutsam ist. Kandidaten sind hingegen die indische Rupie und der brasilianische Real. Beide Volkswirtschaften, die beide eine vorteilhafte demografische Struktur aufweisen, haben noch ähnliche gewichtige Umstrukturierungsaufgaben wie China zu erledigen, bevor ihre Währungen international Verwendung finden können. Sie müssen eine internationale Teilnahme auf inländischen Finanzmärkten zulassen. Zudem sind ihre Finanzsysteme noch stark bankbasiert. Sie müssen in signifikantem Umfang
liquide Märkte für kurz- und langfristige Staatsanleihen, die Zentralbanken und andere internationale
Investoren attraktiv finden, schaffen. Beide Volkswirtschaften sind allerdings weniger intensiv im
Außenhandel und ausländischen Direktinvestitionen engagiert als China und zudem ökonomisch klei121
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
ner. Dies lässt vermuten, dass das Ausmaß der internationalen Verwendung der Rupie und des Real
geringer sein wird als diejenige des RMB (Eichengreen, 2011, S. 151f.).
Zwischenfazit
Unsere Analyse lässt nicht den Schluss zu, dass der US-Dollar seinen Status als Leitwährung notwendigerweise verlieren wird. Da China zu viel in den Greenback investiert hat, hat China gar kein Interesse daran, den US-Dollar zu entthronen. Dass China erst einmal in den Dollar investiert bleibt, ist
nach unseren Ausführungen mit der Schaffung einer konsequenteren internationalen Rolle des RMB
vollständig kompatibel (Eichengreen, 2011, S. 8). Unsere Analyse impliziert lediglich, dass der USDollar in zunehmendem Maße Wettbewerber haben wird, die seinen Marktvorteil bestreiten werden.
Exporteure und internationale Investoren werden über eine wachsende Anzahl an alternativen Währungen verfügen. Der US-Dollar kann den Wettstreit gewinnen, wenn die USA nicht selber eine hausgemachte Krise erster Ordnung verursachen (Belke, 2010a, 2010b). Die Chinesen jedenfalls werden
im ureigenen Interesse keinen Dollar-Crash provozieren (Eichengreen, 2011, S. 8).
122
Belke Bernoth Fichtner
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3. Politik im Übergang und im neuen System: Vermeidung von
Fehlentwicklungen und Entschärfung von Krisen
Wie in den vorangehenden Kapiteln erarbeitet, ist ein multipolares Währungssystem sowohl aus deutscher und europäischer Sicht, aber auch aus globaler Perspektive das wahrscheinlichste und auch zu
bevorzugende Weltwährungssystem. Unsere Ausführungen in Abschnitt 2.b.iii und 2.b.iv berechtigen
zu Skepsis bezüglich der Nutzen der Schaffung einer neuen supranationalen Reservewährung beziehungsweise der Realisierungswahrscheinlichkeit einer stärkeren Nutzung des SZR durch den Markt.
Die Herausforderung der Politik in den kommenden Monaten und Jahren wird zum einen sein, das
wirtschaftspolitische Umfeld so umzugestalten, dass sich das Weltwährungssystem von einem bisher
monopolaren hin zu einem marktbestimmten multipolaren System transformiert, und zum anderen
darin bestehen, die institutionellen Mängel, die das derzeitige System besonders in der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise offenbarte, zu beseitigen, um die langfristige Stabilität dieses Systems zu
garantieren. Die Flexibilität der Wechselkurse zwischen einheitlichen Währungsräumen ist weiter zu
erhöhen, sodass Änderungen der Wechselkurse im Idealfall Änderungen der zugrunde liegenden Fundamentaldaten widerspiegeln können. Von kompetitiven Währungsabwertungen, die ausgelöst von
Wechselkurs-Misalignments in ‚currency wars’ ausarten können, ist schon allein wegen der dabei
entstehenden nicht fundamental gerechtfertigten Wechselkursvolatilität und den damit verbundenen
realwirtschaftlichen Kosten (Abschnitt 1.b.ii) sowie der Provokation protektionistischer Reaktionen
dringend abzuraten.
a. Der Übergang von einem monopolaren zu einem multipolaren Weltwährungssystem
Damit sich ein multipolares Weltwährungssystem entwickeln kann, ist es zunächst entscheidend, dass
mehrere Währungen als internationales Zahlungsmittel an den Devisenmärkten etabliert sind oder sich
zukünftig etablieren können. Eine internationale Währung definiert sich als eine Zahlungseinheit, die
weltweit akzeptiert ist als Kontrahierungswährung im Güterhandel, als frei konvertierbare Recheneinheit und als liquide Anlagewährung eines gut entwickelten Finanzmarktes (vgl. Stier et al., 2010). Wie
in Kapitel 2.c erläutert, bieten sich mehrere Währungen in der mittleren bis längeren Frist an, um neben dem US Dollar als internationales Zahlungsmittel gehandelt zu werden. Dies sind der Euro, der
Chinesische Renminbi, die Indische Rupie und der Brasilianische Real. Jede dieser Währungen jedoch
hat unterschiedliche Herausforderungen und Entwicklungsschritte zu bewältigen, um sich an den Finanzmärkten als vertrauenswürdiges Zahlungsmittel in Zukunft zu etablieren (vgl. Dorrucci und
McKay, 2011, S. 33):
•
Der Euro hat sich seit seiner Einführung 1999 bereits mit großen Schritten in Richtung einer
internationalen Währung entwickelt. Dies zeigt sich zum einen daran, dass der Euro von vielen Ländern – hauptsächlich Mittel- und Osteuropäische Staaten – als Referenzwährung ge123
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
führt wird. Außerdem ist der Anteil der Währungsreserven, welche von Nicht-Euroländern in
Euro gehalten werden, gegenüber dem US Dollar erheblich gestiegen. Während 1999 nur 18
Prozent der internationalen Währungsreserven in Euro gehalten wurden, waren es im dritten
Quartal 2010 schon rund 27 Prozent. Im selben Zeitraum sank der Anteil an Währungsreserven in US Dollar von 71 Prozent auf 61 Prozent. Für die weitere Entwicklung des Euro in
Richtung einer internationalen Zahlungseinheit wird entscheidend sein, wie beständig und
konsequent die Wirtschaftspolitik in der Eurozone im Nachlauf der Eurokrise ist – was sich in
einem gestärkten Rahmen einer EU Governance Rahmen widerspiegeln sollte (Belke, 2010c).
Abzuwarten ist, ob es gelingt, einen glaubwürdigen und wirksamen Krisenmechanismus zu
etablieren, sodass zukünftige fiskalische Krisen in einzelnen Mitgliedsländern nicht mehr die
Stabilität der gesamten Eurozone und des Euros in Frage stellen. Außerdem sollte ein weiterer
Abbau von Kapitalmarktfriktionen angestrebt werden, um die Liquidität europäischer Kapitalmärkte zu verbessern.
•
Bis sich der Renminbi als internationales Zahlungsmittel etabliert hat, wird sicherlich noch einige Zeit vergehen. Die chinesische Regierung hat schon einige Schritte in die richtige Richtung unternommen, um seine Währung am Finanzmarkt zu positionieren (siehe Abschnitt
2.b.v.), dieser Prozess ist jedoch noch lange nicht abgeschlossen (vgl. Stier et al., 2010). Entscheidend für die Etablierung des chinesischen Renminbi am internationalen Devisenmarkt
wird sein, dass dieser frei konvertierbar wird und als grenzübergreifendes Zahlungsmittel
verwendet werden kann. Eine zunehmende Flexibilisierung des Währungssystems könnte dabei entscheidend helfen, welche dann langfristig auch die Kontrolle von Kapitalströmen überflüssig machen würde. Entscheidend wird außerdem der Aufbau der heimischen Finanzmärkte
sein. Wenn dies gelingt, so wird sich der RMB auch für den Binnenhandel als Hauptzahlungsmittel etablieren und seine Attraktivität für ausländische Investoren steigen. Bis sich der
RMB als internationales Zahlungsmittel etabliert hat, könnte darüber nachgedacht werden, die
chinesische Währung in den SZR-Währungskorb aufzunehmen, was dem gewachsenen Gewicht Chinas im Welthandel Rechnung tragen würde (Bénassy-Quéré und Pisani-Ferry,
2011a). Derzeit erfüllt der RMB aber das entscheidende Kriterium der freien Verwendbarkeit
(noch) nicht und eine Aufnahme des RMB in den SZR-Währungskorb in sehr kurzer Zeit ist
daher noch nicht realisierbar.73
73
Er wird weder in bedeutendem Umfang für internationale Transaktionen genutzt, noch wird er in hohem
Volumen an Devisenmärkten gehandelt. Darüber hinaus bildet sich der Zins für den Renminbi nicht am Markt,
sondern wird von der Zentralbank festgelegt. Es gibt aber klare Anzeichen für eine Zunahme der Verwendung
des Renminbi als Währung für internationale Transaktionen (Fakturierung von Warengeschäften; Begebung
von Bonds).
124
Belke Bernoth Fichtner
•
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Für die indische Rupie gelten ähnliche Anforderungen wie für den chinesischen Renminbi, um
als internationale Währung akzeptiert werden zu können. Aufgrund des kräftigen Wirtschaftswachstums Indiens gewinnt die Währung immer mehr an Bedeutung. Schwierigkeiten,
die auf dem Weg zu einer internationalen Währung zu bewältigen sind, ist die Tatsache, dass
Indien im Gegensatz zu China Zahlungsbilanzdefizite aufweist und die Währung stark von
Kapitalzu- und -abflüssen ausländischer Investoren beeinflusst werden könnte. Auch hier gilt,
dass die indische Regierung erst eine freie Konvertibilität der Rupie sicherstellen und diese als
offizielles Zahlungsmittel bei internationalen Transaktionen zulassen muss, bevor diese Währung sich am internationalen Devisenmarkt etablieren kann.
•
Analoge Voraussetzungen führen wir in Abschnitt 2.c für eine internationale Verwendung des
brasilianischen Real an. Brasilien muss vor allem in signifikantem Umfang liquide Märkte für
Vermögensbestände, die Zentralbanken und andere internationale Investoren attraktiv finden,
schaffen.
Für einen erfolgreichen Wechsel von einem monopolaren, US Dollar fokussierten Wechselkurssystems hin zu einem multipolaren System sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. So besteht das
ureigenes Risiko, dass der Übergang zu einem wahrhaft multipolaren Währungssystem länger anhaltende Perioden höherer Wechselkurs- und Vermögenspreisvolatilität hervorrufen könnte, da sich die
Währungszusammensetzung beispielsweise der Devisenreserven, der Portfolios des privaten Sektors
sowie internationaler Zahlungsvorgänge anpasst. Dies könnte zu den bereits in Abschnitt 1.b.ii. beschriebenen Auswirkungen erhöhter Wechselkursvolatilität auf den realwirtschaftlichen Sektor führen.
Von daher ist es sehr wichtig, dass der Übergang von dem derzeitig monopolaren hin zu einem multipolaren Währungssystem graduell und nicht abrupt verläuft, um Verwerfungen und Schwankungen
auf Kapitalmärkten gering zu halten. Anstatt diesen Wechsel in Form von politischen Beschlüssen
aufzuerlegen, ist es daher ratsam, von politischer Seite nur die notwendigen Voraussetzungen zu
schaffen, damit sich die oben genannten Währungen internationalisieren können, um anschließend die
Umstellung den privaten und öffentlichen Marktteilnehmern selber zu überlassen. Die Tatsache, dass
nicht alle oben diskutierten Devisen zum gleichen Zeitpunkt reif sind, um als internationale Zahlungseinheit zu dienen, ist in dieser Hinsicht für eine graduelle Umstellung des Währungssystems somit
förderlich. Aufschlussreiche und nützliche Vorschläge, wie ein Übergang zu einem System multipolarer Währungen geschmeidig bewerkstelligt werden kann, werden beispielsweise von Eichengreen
(2011) entwickelt.
b. Die Mängel des derzeitigen Währungssystems beheben
Neben der Dominanz des US Dollar im derzeitigen Weltwährungssystem haben noch mehrere andere
Faktoren dazu beigetragen, dass sich das derzeitige Weltwährungssystem in der jüngsten Finanzkrise
als nicht besonders robust gegenüber Finanzmarktverwerfungen und der Entstehung von massiven
125
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Ungleichgewichten gezeigt hat. Für die zukünftige Stabilität des Weltwährungssystems ist es wichtig,
diese Mängel zu identifizieren und zu beheben. Im Folgenden soll auf einige – und unserer Einschätzung nach wichtigsten - Mängel genauer eingegangen werden.
i.
Koordinierung der Geld- und Währungspolitik bei globaler Überschussliquidität
Insbesondere der Abschnitt 1.b.iv. dieser Studie zur Transmission globaler Überschussliquidität leitet
zur Analyse der Frage der globalen Leitwährung aus der Perspektive europäischer und deutscher Interessen über. Besondere Aufmerksamkeit wurde im bisherigen Verlauf der Studie einer Analyse darüber hinaus der strategischen Position des Euro im Hinblick auf langsame Machtverschiebungen im
Währungsverhältnis zwischen den USA und China geschenkt (Stier et al., 2010). Unser Ausgangspunkt dabei ist der sich verstärkende Eindruck, dass die gegenwärtige Dollarbindung des RMB bei
gleichzeitig flexiblen Wechselkursen des Euro und des Yen mit einer zunehmenden Dominanz der G2 (USA und China) in währungspolitischen Fragen einhergeht, während es gleichzeitig zu einer zunehmenden Abkoppelung der Eurozone von geld- und währungspolitisch bedeutsamen Entscheidungen kommt. So trägt die Eurozone beispielsweise in Gestalt zunehmend zuströmender globaler Überschussliquidität die Last eines impliziten Agreements der USA und Chinas, den Dollar nicht zu stark
abwerten oder gar abstürzen zu lassen. Diese entsteht durch den ultra-expansiven geldpolitischen Kurs
in den USA i.V.m. mit dem Dollar-Peg (Belke und Gros, 2010, sowie Belke und Rees, 2009). Dass
sich China anders als die Eurozone durch Kapitalverkehrskontrollen erfolgreich gegen den Zustrom
international vagabundierender Liquidität wehrt, bringt die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Kapitalverkehrskontrollen einmal mehr zurück auf die Agenda (Belke und Schnabl, 2010a,b).74 Wir behandeln diese wichtige Frage separat in Abschnitt 3.b.ii.
Unsere Überlegungen zum globalen Liquiditätsmanagement stützen sich unter anderem auf unsere
analytischen Vorarbeiten in Abschnitt 1.b.iv. Globale Liquidität vermittelt zusätzliche Information
über die geldpolitische Ausrichtung, die durch nationale Geldmengen und Zinssätze nicht vermittelt
wird. Der gemeinsame Liquiditätsfaktor verdient die Aufmerksamkeit der Politiker in demselben Maße wie ‚global slack’ in erweiterten Phillipskurvenspezifikationen und weltweit Zinssätzen (‚global
savings glut hypothesis’, Belke und Gros, 2009b). Darüber hinaus sinkt der Einfluss von Zentralban-
ken auf das heimische Geldangebot stetig. In einigen Ländern oder Regionen beschränkt die globale
Liquidität die Geldpolitik in ihrer Fähigkeit, nominale und reale Variable zu beeinflussen. Beispiele
74
Nur kleine Volkswirtschaften wie Kroatien können den Zuflüssen an globaler Liquidität verantwortlich und
effektiv durch Sterilisierung begegnen. Wollten große Volkswirtschaften die hierdurch verursachten Inflationsgefahren durch eine Verknappung der heimischen Währung bekämpfen, brächte erhöhte dies die Gefahr eines
Dollarabsturzes.
126
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
sind die Effekte des gemeinsamen monetären Faktors auf die nationale ökonomische Aktivität, Inflation, Immobilienpreise und den Kurzfristzins.
Selbst frei schwankende Wechselkurse verleihen somit den Notenbanken keine nationale geldpolitische Autonomie mehr. Ein auf der Grundlage monetaristischer Modelle häufig vorgebrachter Vorteil
flexibler Wechselkurse wird also in Zukunft deutlich zu relativieren sein. Die Globalisierung hat also
nicht nur Vorteile für Politiker in Gestalt von inflationsverringernden Effekten. Internationale Kapitalflüsse bergen auch zusätzliche Herausforderungen und Nachteile für Zentralbanken, die bei der
Wahl eines Wechselkursregimes wohl bedacht sein wollen (Belke, Orth und Setzer 2010, S. 1943).
Zum Beispiel kann eine Verzerrung des traditionellen Zinskanals der Geldpolitik zu substanziellen
Problemen führen – nicht nur in operationeller Hinsicht, sondern auch, weil bei der Wahl eines geeigneten Wechselkursregimes das eingeschliffene „wording“ früher regelmäßig angewendeten Modelle
offener Volkwirtschaften (u.a. Mundell-Fleming) wie zum Beispiel „Die nationale Geldpolitik ist bei
flexiblen Wechselkursen besonders wirksam“ oder „Flexible Wechselkurse machen immun gegen
monetäre Schocks von außerhalb“ nicht mehr verwendet werden kann.
Statt sich primär auf inländische Variable und den Wechselkurs bzw. das geeignete Wechselkursregime zu konzentrieren, sollten Zentralbanken und Währungspolitiker zusätzlich die internationale
Transmission monetärer Schocks in ihren Analysen berücksichtigen. Eine optimale Geld- und Wäh-
rungspolitikpolitik sollte ihre ‚outward looking’ Komponente stärken, nicht zuletzt dann, wenn das
Wechselkursregime festgelegt werden soll. Ein ‚benign neglect’ ausländischen Zentralbankverhaltens
und internationaler Portfolioverlagerungen erscheint unangemessen. Unabhängig davon, für welches
Wechselkurssystem man sich entscheidet, müssen die geld- und währungspolitischen Akteure das
Monitoring der Liquiditätsflüsse zwischen den Volkswirtschaften lernen. Hierfür ist ein strukturelles
Verständnis globaler monetärer Liquiditätsschocks und von Friktionen auf Finanzmärkten unabdingbar.
Ein anderes interessantes Thema im Lichte der nachgewiesenen Bedeutung globaler Liquidität ist die
Koordinierung makroökonomischer Politiken. Das optimale Design der Geldpolitiken im Spannungsverhältnis interdependenter offener Volkswirtschaften ist in diesem Kontext die wichtigste Frage. Die
Chicago-Schule sah in flexiblen Wechselkursen einen Weg zur Abschottung heimischer makroökonomischer Entwicklungen von Störungen aus dem Ausland, einschließlich der ausländischen Geldpolitik. Eine Koordinierung der Geldpolitiken zwischen nationalen Zentralbanken wurde daher nicht als
nötig angesehen. Nun suggeriert die wachsende Bedeutung globaler Liquidität, dass eine internationale Koordinierung der Geld- und Währungspolitik doch nötig ist. Dies gilt umso mehr, da nur ein
Bruchteil der Wechselkurse weltweit de facto vollständig flexibel ist (Freitag und Schnabl 2010) und
auch bei flexiblen Wechselkursen Übertragungen von Liquidität über Währungssubstitution stattfinden. Kompetitive Abwertungen werden im Bretton Woods-II-System durch kompetitive Zinssenkungen substituiert (Belke und Schnabl, 2010b, McKinnon 2010).
127
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Diese Einsicht gründet sich auf Übertragungseffekte, die die inländische Geldpolitik auf andere Länder haben kann. Beispielsweise führten die extrem niedrigen Kurzfristzinsen in Japan während der
letzten Jahre zu ‚carry trades’. Finanzinvestoren nahmen Kredite in Japanischem Yen auf, investierten
die Summen in Währungen mit höheren Zinserträgen und exportierten hierdurch monetäre Liquidität
von Japan in andere Länder. Da ausländische Zentralbanken einen Teil der ‚excess money burden’
tragen mussten, lassen sich wohl ein Trittbrettfahrerproblem und negative externe Effekte konstatieren. Zum Beispiel erhöht zusätzliche monetäre Liquidität das Risiko von Vermögenspreisblasen und
inflationärem Druck außerhalb Japans.
Eine derartige Konstellation gleicht einem nicht-kooperativen Spiel, in dem nationale Entscheidungsträger wie die Bank of Japan ausschließlich die Maximierung der Wohlfahrtsfunktion des eigenen
Landes anstrebt (Bordo und Schwartz 1988, S. 460). Im Gegensatz hierzu existiert in einem kooperativen Gleichgewicht kein geldpolitischer Wettbewerb zwischen nationalen Instanzen. Zentralbanken
sind zur Implementierung von Politiken verpflichtet, die die gemeinsame Wohlfahrt der betreffenden
Länder maximieren. Da Strukturbrüche im Verhältnis von globaler und nationaler Liquidität in Form
(ökonometrisch ausgedrückt) steigender Faktorladungen von der Geldpolitik nicht verhindert werden
können, sollte eine internationale Koordinierung globale Liquiditätsschocks so klein wie möglich halten. Wie verallgemeinernd von Canzoneri, Cumby und Diba (2005, S. 365ff.) argumentiert, steigen die
Erträge kooperativen Verhaltens mit der Größe der Politik-Tradeoffs, die durch Schocks generiert
werden. Falls der Export monetärer Liquidität durch ‚carry trades’ eine signifikante Bedrohung für die
Finanzmarktstabilität im Ausland darstellt, ist eine internationale Kooperation unabhängigen Entscheidungen von Zentralbanken überlegen.
Ein Bedarf an Koordinierung mag auch aus anderen Gründen auftreten. Geldpolitische Instanzen haben möglicherweise Schwierigkeiten, die Maßnahmen der Geldpolitiker in anderen Ländern vollständig zu antizipieren.75 Moutot und Vitale (2009, S. 34) propagieren deshalb den systematischen Informationsaustausch zwischen Zentralbankern und den Austausch von Sichtweisen über internationale
Themen.
Schließlich kann ein weiteres Argument für die Sinnhaftigkeit eines international kooperativen Verhaltens aus der jüngsten Finanzkrise abgeleitet werden. Weltweit haben Zentralbanken “nichtstandardmäßige” unorthodoxe Maßnahmen ergriffen, um das Kreditangebot wieder zu erhöhen. Da
sowohl die Finanzmärkte als auch die Volkswirtschaften selber deutliche Zeichen der Stabilisierung
aufweisen, könnte die internationale Koordinierung monetärer Exit-Strategien notwendig sein. Andernfalls sehen sich die Länder der Zentralbanken, die als erste ihre geldpolitischen Zügel straffen,
75
Dies knüpft an die altbekannte ‚ secrecy’ -Debatte in der Geldtheorie an.
128
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
einem steigenden Außenwert ihrer Währung gegenüber, wodurch Kapital aus den Volkswirtschaften
abgezogen wird, deren Volkswirtschaften sich noch nicht so stark von der Finanz- und Wirtschaftskrise erholt haben (Belke 2009, S. 21). Ein gleichzeitiges „Phasing-out” unorthodoxer Maßnahmen beinhaltet auch Risiken. Besonders in Zeiten hoher Unsicherheit über die Aussichten der Weltwirtschaft
könnte Politikkoordination dazu führen, dass eine Gruppe von Ländern gleichzeitig das falsche Maßnahmenpaket wählt. Internationale Politikkoordinierung würde in diesem Fall einfach die Mängel, die
auf nationaler Ebene auftreten, auf die nächsthöhere Ebene heben. Im Gegensatz hierzu würden unabhängige und nicht korrelierte Geldpolitiken zu einer Diversifizierung von Risiken führen. Die Varianz
einer Summe von Schocks fällt, wenn die Kovarianz der individuellen Komponenten sinkt (Belke
2009, S. 23; Belke und Gros 2009a, S. 101).
Ein weiteres praktisches Problem bei der Implementierung effektiver internationaler Koordinierung
stellt die wachsende zukünftige Komplexität dar. Innerhalb der G-20 sind mit den Aufholenden
Volkswirtschaften zusätzliche Akteure auf die globale ökonomische Bühne getreten. Die Kooperation
wie bisher nur innerhalb der G7 voranzutreiben, war wohl auch deshalb nicht mehr hinreichend, da die
Überschussliquidität in den BRIC-Ländern in letzter Zeit immer mehr angestiegen ist (Belke und Gros
2010, S. 12ff.). Obwohl der RMB als eine BRIC-Währung bislang noch nicht vollständig konvertibel
ist, wird diese Entwicklung in den kommenden Jahren wachsende Aufmerksamkeit erfahren (siehe
ausführlich Abschnitt 2.b.v).
Abstimmungsrahmen für Wechselkursfragen
Zur Frage der Wechselkurssysteme und -volatilität finden sich die wesentlichen Aussagen der vorliegenden Studie in der Zusammenfassung zu Teil 1 in Abschnitt 1.c. Die Flexibilität der Wechselkurse
zwischen einheitlichen Währungsräumen ist weiter zu erhöhen, sodass Änderungen der Wechselkurse
im Idealfall Änderungen der zugrunde liegenden Fundamentaldaten widerspiegeln können. Dem ‚fear
of floating’ der Schwellenländer (Abschnitt 1.b.iv.) solle durch einen Abbau unerwünschter Wechsel-
kurs-‚pass-throughs’ und Fremdwährungs-Verbindlichkeiten und Erhöhung der Glaubwürdigkeit inländischer geldpolitischer Instanzen begegnet werden, damit Flexkurse realisiert werden können.
Etwas „Wasser in den Wein“ gießen wir in unsere (fast) uneingeschränkte Empfehlung flexibler
Wechselkurse durch den in Abschnitt 1.b.iv. theoretisch und empirisch abgeleiteten Sachverhalt, dass
trotz flexibler Wechselkurse direkte grenzüberschreitende Übertragungseffekte zwischen inländischen
(überschüssigen) Geldmengen weiter existieren. Insofern verringert sich in Bezug auf die Krisenfestigkeit des Systems der Vorteil flexibler gegenüber festen Wechselkursen. Internationale Kapitalflüsse
führen zu einem globalen ‚(excess) money’ Faktor und zu einem positiven gleichgerichteten Bewegung nationaler monetärer Aggregate über Länder hinweg. Die Ursache für dieses Muster ist die Globalisierung der Finanzmärkte. Es existiert ein globaler Liquiditätsfaktor, obwohl es unterschiedliche
Strategien von Zentralbanken und verschiedene institutionelle Setups in Ländern oder Regionen gibt.
129
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Die Bedeutung des gemeinsamen Liquiditätsfaktors für globale und inländische Variable ist seit den
90er Jahren rapide gewachsen. Belke und Rees (2009) weisen empirisch Strukturbrüche sowohl in der
Schockkomponente der globalen Liquidität als auch in deren Übertragungsmechanismus nach. Die
Gründe für den Strukturwandel der 90er Jahre sind die wachsende Finanzmarktglobalisierung und die
stark zunehmenden grenzüberschreitenden Kapitalflüsse. Hieraus folgt, dass die sich in der Vergangenheit herauskristallisierten Kriterien für die Wechselkursregimewahl nicht automatisch auch auf die
Entscheidungen der Zukunft – wie die Wahl eines oder mehrerer Wechselkurssysteme für die G-20
anwendbar sind.
Folglich ist in der Wechselkursfrage die geld- und währungspolitische Kooperation innerhalb der G-20
entscheidend. Ein Rückfall in nicht-kooperatives oder sogar protektionistisches Verhaltensweisen, mit
dem sich alle Beteiligten kollektiv selbst schädigen, ist zu vermeiden. Falls dies nicht gelingt, sollte
die Eurozone den einseitigen Ausstieg betreiben und auf die Sicherung der Reputation der EZB durch
eine Stabilitätsorientierung der Geldpolitik sowie die Unterlassung von Wechselkursmanipulation
durch geldpolitische Maßnahmen und/oder Devisenmarktinterventionen setzen. Dies wäre dann immer
noch die dominante Strategie, zumal - wie in der vorliegenden Studie gezeigt – der Euro an Attraktivität weiter gewinnen würde und die Chinesen langfristig mit im selben „Strategie-Boot“ sitzen werden
(Belke 2009, Belke, Dreger und Erber 2010). Hierdurch könnte auch vermieden werden, dass die aktuelle Währungsdiskussion zwischen China und den USA negative Auswirkungen auf andere Währungen und Regionen, darunter vor allem die Eurozone, entfaltet.
Schließlich spricht gegen einen aktiven Eingriff in die langfristige Wechselkursbildung am Markt,
dass die notwendigen Realignments des realen Wechselkurses zwischen Schwellen- und Industrieländern ohnehin stattfinden werden – wenn nicht über nominale Wechselkursbewegungen, dann über
Preissteigerungen (Belke und Verheyen 2011, und Belke und Gros 2009b). Der stetig steigende Druck
auf die Verbraucherpreise in den Schwellenländern wird den durch Reserven-Anhäufung und/oder
Kapitalverkehrskontrollen betriebenen Widerstand der Regierungen und Zentralbanken in den Schwellenländern gegen eine Aufwertung ihrer Währungen ohnehin allmählich auflösen (Bénassy-Quéré und
Pisani-Ferry 2011a, S. 3). Die Aufgabe der Politik ist es, diesen Prozess „der Einsicht“ zu ermöglichen
und zu fördern.
ii. Management der Kapitalflüsse
Maßnahmen zum Umgang mit der Volatilität von Kapitalflüssen
Kann man vor dem Hintergrund der vorab erzielten Ergebnisse zu ‚guiding principles’ im Umgang mit
Umgang mit der Volatilität von Kapitalflüssen kommen?
Ein destabilisierender Faktor für das internationale Währungssystem war und ist die hohe zu beobachtende Volatilität internationaler Kapitalflüsse. Problematisch in diesem Kontext sind weniger die tendenziell langfristigen Kapitalflüsse in Form von Auslandsdirektinvestitionen als vielmehr die kurzfris130
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
tigen Kapitalströme, die eine größere Mobilität und daher auch Volatilität aufweisen.76 Wie Eichengreen (2004) argumentiert, belegen die Erfahrungen aus den jüngsten und vergangenen Finanzkrisen
einen signifikanten Zusammenhang zwischen Kapitalmobilität und der Krisenwahrscheinlichkeit. Dies
gilt besonders, wenn die Institutionen in einem Land gemessen an üblichen Indikatoren wie dem Word
Bank-Governance-Indikator schwach und die Harmonisierung von Kapitalmarktliberalisierung und
anderen wirtschaftspolitischen Reformen nicht angemessen sind. Dabei gilt, dass sowohl massive Kapitalzuflüsse als auch -abflüsse destabilisierend auf Volkswirtschaften wirken können. So beobachtet
man häufig, dass im Vorfeld von Finanzkrisen gerade Schwellenländern große Mengen an Kapital
zuströmen. Gründe sind häufig beachtliche Zinsdifferenzen zwischen Industrieländern und Schwellenländern in Kombination reichlich vorhandener globaler Liquidität bei gleichzeitig hohen Sparquoten.
Im Falle wirtschaftlicher Abschwünge kommt es in den Schwellenländern dann häufig zu massiven
Kapitalabflüssen (‚sudden stops‘) im Rahmen spekulativer Attacken, welche die betroffenen Länder in
erhebliche Liquiditäts- und Insolvenzkrisen stürzen können. Des Weiteren können massive Kapitalzuströme die Wechselkurse der Empfängerländer mit entsprechenden Wirkungen auf die heimische
Wirtschaft massiv unter Aufwertungsdruck setzen und zum Aufbau von Vermögenspreisblasen beitragen (Dorrucci und McKay 2011, S. 38).77 Schließlich können kurzfristige und spekulative Kapitalflüsse Länder anfällig gegenüber Änderungen des ‚investor sentiment’ auch in Partnerländern machen –
vor allem durch ‚currency and maturity mismatches’ (Belke, Beckmann und Kühl 2011).
Anzumerken ist es, dass grenzüberschreitender Kapitalverkehr nicht per se zu verurteilen ist. Er ist
Ausdruck finanzieller Liberalisierung und globalem Handel und ermöglicht eine effizientere Risikoallokation und mehr Wettbewerb zwischen Finanzmärkten. Kapitalflüsse in aufholende Volkswirtschaften erlauben die Finanzierung produktiver Investitionsprojekte in Ländern mit beschränkten privaten
Ersparnissen, sie beschleunigen die Vertiefung und die Reform der Finanzmärkte in hinsichtlich der
Finanzmarktstruktur unterentwickelten Ländern und sie befördern die Diversifikation des Investitionsrisikos und des intertemporalen Finanzhandels in den Empfängerländern (Ostry et al. 2010).
Ziel sollte es also sein, zukünftig vornehmlich exzessiven Kapitalverkehr, der das Gleichgewicht ganzer Volkswirtschaften gefährdet, zu identifizieren und gegebenenfalls zu kontrollieren. Dabei besteht
die Herausforderung darin, den Nutzen der Volatilität der Kapitalströme zu bewahren, aber gleichzeitig die mit ihnen assoziierten Risiken zu minimieren (Dorrucci und McKay 2011, S. 38).
76
Vgl. IMF (2010b) für eine ausführliche Ü bersicht über die Ursachen von kräftig wachsendem grenzüberschreitenden Kapitalverkehr.
77
Vor diesem Hintergrund ist erklärbar, dass vor allem die asiatischen Schwellenländer einen neuen Krisenmechanismus anstreben.
131
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Leidet das Gleichgewicht eines Landes entweder unter massiven Zu- und Abflüssen von Kapital, ist
zum einen zu beurteilen, welchen Einfluss die Geld- und Wechselkurspolitik auf diese Entwicklung
hat, und inwiefern in dieser Richtung korrektive Maßnahmen eingeleitet werden können. Eine weitere
wichtige Maßnahme ist es, gerade in Schwellenländern die Entwicklung von heimischen Finanz- und
Kapitalmärkten zu fördern. So ist nämlich gerade in diesen Ländern die Unterentwicklung der Kapi-
talmärkte ein wichtiger Motivator für Kapitalverkehr zu und aus diesen Ländern. Aus Mangel an Investitionsmöglichkeiten im eigenen Land transferieren die Volkswirtschaften mit exzessivem Sparvermögen teilweise große Mengen an Kapital zu Anlagezwecken ins Ausland und tragen damit
gleichzeitig zur globalen Knappheit an Anlagemöglichkeiten bei. Umgekehrt zwingt ein unterentwickelter Kapitalmarkt ärmere Volkswirtschaften, Gelder in Form von Krediten aus dem Ausland zu
leihen, welches diese wiederum anfällig macht für ‚sudden stops‘ in Kapitalzuflüssen. Die Entwicklung von liquiden Bondmärkten, die Bereitstellung eines stabilen Finanzsektors und eines gesunden
Geschäftsklimas ist demnach ein wichtiges Instrument für Schwellenländer, um exzessive Kapitalströme einzudämmen (vgl. Dell’Ariccia et al. 2008, und Kose et al. 2006). Während diese institutionellen Maßnahmen hilfreich sind, um Länder weniger abhängig von internationalen Kapitalströmen zu
machen, sind sie nicht immer ausreichend, um sie vor hoher Kapitalvolatilität zu schützen.
Viele Länder haben in der Vergangenheit zu ‚Symptom bekämpfenden’ Maßnahmen gegen hohe Kapitalvolatilität gegriffen. Diese beinhalten etwa das Anhäufen von großen Währungsreserven aus dem
Vorsichtsmotiv heraus, das Einführen von Kapitalverkehrskontrollen oder Devisenmarktinterventionen. Diese Maßnahmen sind nicht von vornherein als ungeeignet zu beurteilen, um das Problem exzessiver Kapitalströme anzugehen. Wichtig ist jedoch zu betonen, dass sie nicht als alleiniges Instrument zur Eingrenzung von exzessiven Kapitalströmen eingesetzt werden sollten, sondern entweder
begleitend zu den oben beschriebenen institutionellen Maßnahmen oder im Nachhinein, wenn diese
sich als nicht ausreichend erwiesen haben. Bedenkt man, dass großflächige, unnötige und schlecht
umgesetzte Kapitalverkehrskontrollen negative Effekte auf die globale Wirtschaftsentwicklung hat,
indem sie zu Wechselkursverzerrungen, dem Aufbau von globalen Ungleichgewichten und Rückschlägen in der Finanzmarktintegration führt, ist es notwendig, dass Länder, die über die Einführung
von Kapitalverkehrskontrollen nachdenken, gut beraten werden und dass Kapitalverkehrskontrollen
lediglich als temporäres Instrument angesehen werden, um Kapitalzu- und -abflüsse zu reduzieren und
um in dieser Zeit nötige strukturelle Probleme anzupacken.
Angesichts der bedeutenden Rolle, die exzessive Kapitalflüsse bei der Entstehung globaler Ungleichgewichte spielen, die entscheidend mitverantwortlich für die Entstehung der jüngsten Finanzkrise waren, ist dem IWF vom IMFC und den G-20 Staaten die Aufgabe zugetragen worden, internationale
132
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Kapitalströme besser zu überwachen und zu regulieren.78 Im Gegensatz zum Güter- oder Dienstleistungshandel fehlt dem derzeitigen Währungssystem ein allgemein anerkanntes Regelwerk für internationale Kapitalströme. Nach Artikel VIII, Abschnitt 2(a) gilt, dass Mitgliedsstaaten keinerlei Beschränkung auf Zahlungs- und Güterverkehr resultierend aus internationalem Handel auferlegen dürfen, wenn diese nicht vom IWF autorisiert wurden. Im Gegensatz dazu ist nach Artikel VI, Abschnitt 3
der Satzung des IWFs den Mitgliedsstaaten ausdrücklich das Recht gewährt worden, Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, falls diese notwendig sind, um internationalen Kapitalverkehr zu regulieren
(„to exercise such controls as are necessary to regulate international capital movements“). Genauere
Richtlinien für deren Handhabung und Ausgestaltung gibt es jedoch nicht. Dies belegt einmal mehr
die Notwendigkeit der aktiven Entwicklung eines ‚institutional view’ hinsichtlich globaler Kapitalflüsse (IMF 2010).
Bei Entscheidungen zum Umgang mit einem starken Anstieg der Kapitalzuflüsse beispielsweise wären
die Länder gut beraten, eine Checkliste, die sowohl makroökonomische als auch makroprudenzielle
Betrachtungen einschließt, zugrunde zu legen. Geeignet erscheint uns hierzu die von Ostry et al.
(2010) entwickelte Prüfliste zur Klärung der Bedingungen, unter denen Kapitalverkehrskontrollen
angemessen sind. Dies liegt besonders auch aus deutschem Interesse, denn im Rahmen der vorliegenden Studie verweisen wir mehrfach auf den Konflikt, in dem sich die Eurozone befindet. Einerseits
ergeben sich ordnungspolitische Bedenken gegen die Implementierung von Kapitalverkehrskontrollen.
Andererseits nutzt China Kapitalverkehrskontrollen zur Abwehr globaler Liquiditätszuflüsse und der
IWF beurteilt sie seit einigen Monaten deutlich positiver als früher (Bénassy-Quéré und Pisany-Ferry
2011, S. 3, und Ostry 2010). Deren Anwendung könnte als Fortentwicklung des ‚institutional view’
interpretiert werden, denn man würde sich hiermit konkreten Prinzipien für geeignete Politiken im
Umgang mit internationalen Kapitalflüssen nähern. Auch ließe sich hiermit das Risiko von „currency
wars“ verringern (Bénassy-Quéré und Pisani-Ferry 2011a). Aus makroökonomischer Perspektive
empfehlen die Autoren, nacheinander vier inhaltliche Prüfungen vorzunehmen: (1) Wäre eine Aufwertung des Wechselkurses ein geeignetes Mittel? (2) Wäre eine weitere Aufstockung der VorsichtsReservehaltung vertretbar und, gegeben dies ist der Fall, kann das Ausmaß der Sterilisierung des
Geldmengeneinflusses der Zuflüsse erhöht werden? (3) Ist eine Lockerung der Geldpolitik vertretbar?
(4) Gestatten die makroökonomischen Rahmenbedingungen eine Optimierung der Ausrichtung der
Fiskalpolitik? Aus makroprudenzieller Perspektive könnte mit einem fünften komplementären PolitikCheck überprüft werden, ob prudenzielle Regulierungen bereits angemessen ausgestaltet sind oder
78
October 2010 IMFC communiqué erhältlich unter http://www.imf.org/external/np/cm/2010/100910.htm,
October 2010 G-20 communiqué erhältlich unter http://www.g20.org/pub_communiques.aspx .
133
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
angepasst werden müssen, um eine exzessive Kreditnahme im Ausland und/oder einen inländischen
Kreditboom zu vermeiden.
Nur wenn diese fünf Politikmaßnahmen als unangemessen für das betreffende Land betrachtet werden
oder schon versuchsweise implementiert wurden, aber sich als inadäquat herausstellt haben, sollte ein
Land die Implementierung sorgfältig spezifizierter und zeitlich beschränkter Kapitalverkehrskontrollen in Erwägung ziehen. Ihre tatsächliche Implementierung sollte aber erst dann erfolgen, wenn geklärt ist, welches die effektivste Ausgestaltung dieser Maßnahmen ist.
Das Mandat und die bisher vorgelegten Arbeiten des IWF fokussieren sich bisher vor allem auf Leistungsbilanzanalysen, während Kapitalbilanzanalysen noch ausbaufähig sind. IMF (2010b) und Dorrucci und McKay (2011) schlagen vor diesem Hintergrund folgende Aufgabengebiete vor, in denen
der IWF und die G-20 hinsichtlich ihres Regulierungsmandats Fortschritte machen sollten:
•
Assistenz für Schwellenländer bei der Überwachung von Kapitalflüssen.
•
Entwicklung eines Verhaltenscodes für die mögliche Einführung von zeitlich begrenzten Kapitalverkehrskontrollen und deren Ausgestaltung. Bei Bedarf kann auch über eine technische
Assistenz bei der Einführung dieser Kontrollen angeboten werden.
•
Ermutigung der Länder eine mittelfristige Perspektive einzunehmen, indem sie über die negativen Konsequenzen von permanenten oder längerfristigen Kapitalkontrollen aufgeklärt werden.79
•
Aufklärung über Politikalternativen zu Kapitalverkehrskontrollen, wie z.B. eine größere Flexibilisierung von Wechselkursen verbunden mit einer größeren Autonomie in der Geldpolitik
und der Setzung makroprudenzieller Rahmenbedingungen.
•
Kontinuierliche Analyse der Effektivität von Kapitalverkehrskontrollen und eine Veröffentlichung deren Ergebnisse verbunden mit einem Hinweis auf die fehlende empirische Eindeutigkeit der Wirkung dieses Politikinstruments.
•
Stärkere Fokussierung auf die Analyse, welche Wirkungen globale (Überschuss-) Liquidität,
sowie die Makro- und Finanzmarktpolitik auf Kapitalflüsse haben.
•
Verbesserung der Finanzsektoraufsicht von Seiten des IWF; Verstärkte Aufklärung, wie Finanzsektoraufsicht und -regulierung verbessert werden kann.
79
Denn bislang finden sich in der Praxis eher ad hoc implementierte, kurzfristig ausgerichtete Kapitalverkehrskontrollen (Beispiel Brasilien), die zwar tendenziell inhaltlich nachvollziehbar, aber nicht nach allgemein anerkannten Regeln erfolgen.
134
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
•
Erarbeitung einer Richtlinie für die Aufsicht von Kapitalbilanzen.
•
Analyse und Verbreitung von Erfahrungen einzelner Länder im Umgang mit Kapitalflüssen.
•
Förderung von Dialog und politischer Koordinierung im Umgang mit grenzüberschreitendem
Kapitalverkehr.
Alle diese Maßnahmen zielen auf ein tieferes Verständnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge in
Bezug auf Kapitalverkehr, eine bessere Regulierung und eine effektivere Beratung von Mitgliedsländern ab. Aus Abschnitt 3.b.i in Verbindung mit diesem Abschnitt wird deutlich, dass der IWF aus
deutscher Sicht durchaus auf multilateraler Ebene wegen seiner komparativen Vorteile eine größere
Rolle bei der Beurteilung der globalen Liquiditätslage spielen könnte. Ein Ausbau der Untersuchungen
der Auswirkungen makro- und finanzmarktpolitischer Maßnahmen in wichtigen Finanzzentren auf die
Änderung globaler Kapitalbewegungen durch den IWF macht ebenfalls viel Sinn. Darüber hinaus
wäre es angezeigt, im Rahmen von Spillover-Berichten auch die Auswirkungen von Kapitalbilanzund geldpolitischer Aktivitäten (deren Zusammenhänge ebenfalls noch genauer beforscht werden
müssten) auf andere Länder und/oder Regionen zu untersuchen. Der Kompetenzzuwachs für den IWF
sollte sich also auf die Bereiche der Informationsgewinnung und Förderung der geld- und währungspolitischen Koordinierung beschränken.
Unsere Analysen decken jedoch keine etwaige Mandatsänderung des IWF als politischer und manchmal auch politisierter Institution in Richtung einer Ausstattung mit konkreten Eingriffsrechten – wie
etwa der Anordnung einer Streichung oder Einführung von Kapitalverkehrskontrollen. Unsere Ausführungen zeigen beispielsweise, dass es in einigen Fällen und für einige Volkswirtschaften zeitweise
durchaus Sinn macht, sich gegen die Spillovers globaler Liquidität aus den USA, die im IWF mit einem Veto-Recht ausgestattet sind, mit Kapitalverkehrskontrollen zu wehren. Zudem gilt wieder, dass
der stetig steigende Druck auf die Verbraucherpreise in den Schwellenländern den durch Kapitalverkehrskontrollen betriebenen Widerstand der Regierungen und Zentralbanken in den Schwellenländern
gegen eine Aufwertung ihrer Währungen ohnehin allmählich auflösen wird. Somit erledigt sich der
Bedarf an Kapitalverkehrskontrollen tendenziell „von selbst“ über marktliche Prozesse (BénassyQuéré und Pisani-Ferry 2011a).
Entwicklung und Ausbau lokaler Kapitalmärkte
Der 2007 von der G-8 verabschiedete „Action Plan for Developing Local Bond Markets in Emerging
Market Economies and Developing Countries“ enthält Empfehlungen zur lokaler Anleihemärkte in
Schwellen- und Entwicklungsländern (vgl. auch Belke 2008). Hierunter fallen die Stärkung der
Marktinfrastruktur und des öffentlichen Schuldenmanagements, die Verbreiterung der Investorenbasis,
die Entwicklung von Derivate- und Swapmärkten, die Verbreiterung der Datenbasis, die Unterstützung regionaler Initiativen, der Aufbau von Anleihemärkten und technische Assistenz.
135
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Die in dieser Studie gezogenen Schlussfolgerungen aus der Finanzkrise zeigen, dass die im G8 Aktionsplan dargelegten Empfehlungen weiter sehr einschlägig sind. Trotz signifikanter Fortschritte haben
Schwellenländer nach wie vor erhebliches Entwicklungspotential, gerade bei den Märkten für Unternehmensanleihen. Erste Arbeiten des IWF zeigen, dass Länder mit entwickelten lokalen Anleihemärkten auch geringere Volatilität der Kapitalströme aufweisen.
Diese marktorientierten Maßnahmen ändern die Anreize für Politiker und tragen so zu externer Stabilität bei. Ein weiterer Fortschritt bei der inländischen Kapitalmarktentwicklung in aufholenden Volkswirtschaften – als Ergebnissen von Marktkräften und angemessenen Politikmaßnahmen – würde nicht
nur deren Absorptionsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber Änderungen der Kapitalflüsse
erhöhen, sondern auch Anreize für eine höhere Politikdisziplin der Emittenten von Reservewährung:
die Verfügbarkeit von glaubwürdigen Investitionsalternativen beschränkt den Aufbau von Exzessen,
die die Vorkrisenjahre auszeichneten (Dorrucci und McKay, 2011, S. 7).
Ökonometrische Analysen von Chinn und Ito (2005, 2008) sowie Dorrucci et al. (2009) liefern dementsprechend empirische Evidenz für die Hypothese, dass die Unterentwicklung der Kapitalmärkte in
aufholenden Volkswirtschaften eine wichtiger struktureller Faktor für das Entstehen anhaltend hoher
globaler Ungleichgewichte war.80
iii. Verbesserung der Finanzmarktaufsicht
Die jüngste Finanzkrise hat institutionelle aber auch konzeptionelle Mängel in der Finanzaufsicht von
regionalen, nationalen und internationalen Institutionen offengelegt. Warnungen über mögliche Risiken wurden häufig zu vage und ungenau ausgesprochen und es mangelte an Einfluss, dass Politikempfehlungen von nationalen Regierungen auch umgesetzt wurden. Des Weiteren gab es eine erhebliche
Diskrepanz zwischen hauptsächlich national fokussierten Aufsichtsbehörden und immer internationaler ausgerichteten Finanzmärkten. Durch die Zunahme der globalen Finanzmarktinteraktion haben sich
systemische Risiken erheblich vergrößert, ein Risiko, welches oft unterschätzt wurde. Aber nicht nur
die Verflechtung zwischen nationalen Finanz- und Kapitalmärkten hat im letzten Jahrzehnt stark zugenommen, auch die Verflechtung zwischen unterschiedlichen Finanzmarktsektoren, wie etwa zwischen Banken und Versicherungen, ist in den letzten Jahren viel enger geworden (vgl. hierzu Bernoth
und Pick, 2011). Aber nichtsdestotrotz findet in den meisten Ländern wenig Kooperation zwischen
Banken- und Versicherungsaufsichtsbehörden statt. Diese Schwachstellen gilt es in Zukunft auszubessern. Die Finanzaufsicht sollte neu darauf ausgerichtet werden, neben der Überwachung einzelner
80
Ein ausgezeichneter Literaturüberblick zum Phänomen der „uneven financial globalisation“, einschließlich
des Kriteriums Verschuldungsfähigkeit in eigener Währung findet sich bei Dorruci und McKay (2011), S. 28ff.
136
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Volkswirtschaften auch die Implikationen von Ansteckungs-, Synergie- und Rückkopplungseffekten
zu untersuchen.
Mehrere Schritte in diese Richtung wurden schon unternommen. So ist von Seiten der G-20 eine Koordinationsgruppe, die sogenannte ‚Mutual Assessment Group’ (MAP), ins Leben gerufen worden,
welche das Potenzial hat, zu einer entscheidenden Verbesserung der multilateralen Aufsicht beizutragen. Die Aufgabe dieser Gruppe ist es, ein gemeinsames Ziel herauszuarbeiten, die gegenseitige Kompatibilität von nationalen Politikprogrammen zu überprüfen und gegebenenfalls Änderungsvorschläge
auszuarbeiten. Der Erfolg dieses Programms bleibt abzuwarten. Eine Schwachstelle dieses Programms
ist, dass es keine Verpflichtung für nationale Regierungen gibt, sich an Politikempfehlungen zu halten.
Des Weiteren ist es notwendig, dass man in der Finanzmarktaufsicht dazu übergeht, nicht Länder und
einzelne Marktsegmente separat zu betrachten, sondern vielmehr einen allumfassenderen Blickwinkel
einzunehmen. Die G-20 haben auf diese Herausforderung bereits reagiert, indem sie dem ‚Financial
Stability Board’ (FSB) mit der Aufgabe betraut haben, die Koordination von Finanzstabilitätsangele-
genheiten zwischen relevanten Institutionen zu übernehmen und für die Ausarbeitung von global geltenden Regelungen im Bereich Finanzstabilität verantwortlich zu sein. In Zusammenarbeit mit dem
IWF veröffentlicht das FSB in Zukunft halbjährlich eine ‚Systemrisikoanalyse’, um besonders auf
Risiken in Bezug auf grenz- und sektorüberschreitende Risiken hinzuweisen. Das IWF/Weltbank Projekt ‚Financial Sector Assessment Program’ (FSAP) geht in Zukunft der Notwendigkeit nach, dass für
die Förderung der Stabilität des Weltwährungssystems Finanzmarktentwicklungen stärker berücksichtigt werden müssen.
Multilaterale Überwachung hat jedoch nicht nur eine globale, sondern auch eine regionale Dimension.
Betrachtet man beispielsweise die EU, so sind die Länder in diesem Wirtschaftsverbund stark wirtschaftlich miteinander verflechtet, während die Finanzaufsicht noch immer national fragmentiert gestaltet ist. Und auch der IWF und die EU fokussieren sich in ihren Risikoanalysen vielmehr auf die
wirtschaftspolitische Lage in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, anstatt diese Region ganzheitlich zu
betrachten. Die Errichtung der Van-Rompuy Task Force im Mai 2010 als Antwort auf die vielen Versäumnisse in diesem Bereich ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Ziel dieser Arbeitsgruppe ist es, die EU in Zukunft krisenfester zu gestalten, indem man unter anderem an einer früheren Erkennung von wirtschaftlichen Fehlentwicklungen in einzelnen Mitgliedsstaaten arbeitet und dementsprechend rechtzeitig Frühwarnungen und spezifische Korrekturempfehlungen der Europäischen
Kommission ausspricht kann.
Die Finanzkrise hat auch offengelegt, dass es erhebliche Informationslücken gerade in Hinblick auf
Finanz- und Kapitalmarktaktivitäten gibt. Es zeigte sich, dass eine höher frequentierte, detailliertere
und rechtzeitigere Veröffentlichung wichtiger Finanzindikatoren essenziell ist, um frühzeitig vor Fehlentwicklungen warnen zu können. Dies gilt insbesondere für systemisch relevante Länder und Finan-
137
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
zinstitutionen. Um Fehlentwicklungen und Ungleichgewichte zeitig erkennen zu können, ist es etwa
eine robuste und rechtzeitige Information über die Entwicklung von Kapitalströmen wichtig ist. In den
letzten Jahren gab es entscheidend Fortschritte in dieser Hinsicht, jedoch besteht noch immer Verbesserungsbedarf. Die meisten relevanten Statistiken, wie etwa Information über Zahlungsbilanzen, werden beispielsweise gewöhnlich nur in Quartalsfrequenz mit einiger Zeitverzögerung veröffentlicht,
was angesichts der Geschwindigkeit, mit der an Finanzmärkten agiert wird, nicht ausreichend für eine
zeitnahe Überwachung ist. Es gibt erhebliche Lücken in den Statistiken über Derivatehandel‚ Devisenmarktabhängigkeiten sowie grenzüberschreitende Bankaktivitäten, also die Finanzmarktaktivitäten,
welche erheblich zur jüngsten Finanzmarktkrise beigetragen haben. Diese gilt es in Zukunft auszubauen. Der IWF angekündigt, dieser Informationslücke zu schließen. Bemühungen sollten auch in Richtung größerer Transparenz von Reservehaltung gehen, z.B. Information über de facto Währungsregime
oder Zusammensetzung von Währungsreserven. Letzteres ist bisher freiwillig, aber hinsichtlich der
Tatsache, dass berichtete Währungsreserven den Wert der SZR bestimmen, elementar.
Neben einer verbesserten Identifizierung von Risiken im Weltwährungs- und Finanzsystem ist es jedoch auch wichtig, dass Korrekturmaßnahmen auch durchgesetzt werden. Dies stellte sich in der Vergangenheit als eine Schwachstelle heraus und war auch das Problem des IWFs, der zwar Empfehlungen aussprach und Politikkorrekturen anforderte, diese aber von den entsprechenden Regierungen oder
Finanzaufsichten nicht umgesetzt wurden. Dafür können mehrere Gründe verantwortlich für gemacht
werden. Wird politischer Handlungsbedarf identifiziert, so bedarf es einer regionalen, bzw. globalen
Koordination zwischen verschiedenen Regierungen, was sich in der Vergangenheit nicht immer als
leicht herausgestellt hat, da Meinungen divergierten, oder weil man eine aus Trittbrettfahrermotiven
handelte. Weitere Gründe sind, dass nationale Aufsichten noch immer verstärkt in nationalem und
nicht im globalen Interesse handeln, oder die nationalen Behörden die identifizierte Problemschilderung zwar teilen, ihnen es aber an Kapazitäten mangelt, diese Probleme zu beheben. Ein weiterer
Hemmschuh bei der Umsetzung von korrektiven Maßnahmen ist, dass viele diese Korrekturen sich
zwar global rechnen, sei es in Form von verbesserter Finanzmarktstabilität oder auch höherem globalem Wirtschaftswachstum, die Vorteile für einzelne Länder aber die Kosten deren Umsetzung nicht
ausreichend überwiegen. Der IWF und die G-20 müssen also entscheidend an einer besseren Umsetzung ihrer politischen Handlungsempfehlung im Sinne der Staatengemeinschaft arbeiten. Dies kann
entweder in Form einer höheren Unabhängigkeit des IWFs geschehen, durch verbesserte Assistenz der
Länder bei der Umsetzung korrektiver Maßnahmen, oder auch durch erhöhten politischen Druck von
Seiten der G-20.
iv. Effektives Krisenmanagement
Trotz verbesserter Finanzaufsicht, kontrollierterem internationalem Kapitalverkehr oder einer verstärkten geldpolitischen Koordinierung wird man Finanzkrisen auch in der Zukunft nicht gänzlich
vermeiden können. Die Erfahrung der jüngsten Finanzkrise hat einmal mehr unterstrichen, dass es es
138
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
daher trotz aller Vorsichtsmaßnahmen auch ein effektives, geregeltes Krisenmanagements für den
Ausbruch etwaiger Finanzkrisen bedarf.
Financial Safety Net
In Abschnitt 2.b.i wurde herausgearbeitet, dass die Erreichung des Ziels eines stabileren internationalen Währungssystems auch ein „global financial safety net“ (FSN) benötigen könnte, um adäquat mit
Episoden internationaler Ansteckung umgehen zu können (ähnlich wie diejenigen im LehmanFahrwasser).81 Dieses sollte so gestaltet sein, dass es ‚moral hazard” nicht verstärkt (Dorruci und
McKay, 2011, S. 32ff., Obstfeld et al., 2009). Aus unserer Sicht gehören „multilateral schemes“ des
FSN wie die Schaffung neuer IWF-Fazilitäten und eine aktivere Politik der SZR-Allokation durch
häufigere antizyklische Allokation nicht dazu.82
Ein FSN kann aufholenden Volkswirtschaften und insbesondere auch Entwicklungsländern prinzipiell
dabei helfen, externe Schocks zu kompensieren. Diese führen ansonsten zu ‚sudden stops’ der Kapitalzuflüsse und der Austrocknung von Liquidität aus ausländischen Währungsräumen. Ein FSN ist
effizienter als die unilaterale Akkumulierung von Währungsreserven bei der Bereitstellung einer Versicherung gegen ‚contagion’ (Mateos y Lago, Duttagupta und Goyal, 2009, Bénassy-Quéré und Pisani-Ferry, 2011a). Als ein Nebenprodukt könnte ein weiter ausgebautes globales ‚financial safety net’
mit zunehmender Erfahrung im Zeitablauf möglicherweise auch einen Anreiz bieten, die unilaterale
Akkumulierung offizieller Reserven für Versicherungs- und Vorsorgezwecke (‚precautionary motive’)
zu verringern.83 Dies wäre wertvoll, denn auch die im folgenden Abschnitt angesprochene IWFUnterstützung bei der Absorption exzessiver Volatilität von Kapitalflüssen würde in dieselbe Richtung
wirken (Dorruci und McKay, 2011, S. 38ff.). Darüber hinaus könnten Maßnahmen diskutiert werden,
die die ‚non-precautionary’ Nachfrage nach Devisenreserven mildern (Dorrucci und McKay, 2011, S.
48-50).
IMF Toolkit
Eine Koordinierung von Ressourcen auf globaler Ebene für den effizienteren Umgang mit systemischen Ereignissen hat sicherlich ihren Reiz, wobei die praktische Implementierung eine größere Her-
81
Im Jahr 2010 wurden mit der Erweiterung der „Flexible Credit Line“ (FCL) und der Schaffung der „Precautionary Credit Line“ (PCL) bereits signifikante Erweiterungen des FSN-Instrumentariums implementiert. In diesem
Zusammenhang ist auch die steigende Bedeutung, die die Schwellenländer regionalen und bilateralen Währungskooperationen beimessen (vgl. insbesondere das Chiang Mai-Abkommen und Währungsswaps), zu registrieren.
82
Vgl. anders aber Bénassy-Quéré und Pisany-Ferry (2011), S. 4.
83
Währungsreserven, deren Haltung beispielsweise durch die Bewahrung einer unterbewerteten Währung
(‚non-precautionary motive’) motiviert werden, werden hingegen nicht durch ein ‚financial safety net’ addressiert. Vgl. Dorrucci und McKay (2011), S. 38.
139
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
ausforderung darstellt. Insbesondere der vom IWF entwickelte Vorschlag eines IWF-geführten ‚Global Stabilisation Mechanism’ (IMF, 2010) (GSM) für Länder, die angesteckt von außergewöhnlichen
externen Schocks (wie Lehman) unter Störungen der Finanzmärkte wie Liquiditätsknappheit oder
‚sudden stops’ von Kapitalzuflüssen leiden, bietet aus unserer Sicht einige inhaltliche Angriffsflächen.
Aus den bisherigen Ausführungen unserer Studie lässt sich ableiten, dass IWF und G-20 dabei die
folgenden leitenden Prinzipien verfolgen sollten.
1. Erstens sollte jeglicher GSM-ähnlicher Ansatz nur Anwendung finden, um Länder zu unterstützen, die gleichzeitig gesunde Fundamentaldaten aufweisen. Zweitens wird jeglicher Mechanismus zur Kanalisierung grenzüberschreitender Liquidität auf globaler Ebene nicht ohne
eine direkte oder indirekte Kooperation von Zentralbanken funktionieren (vgl. Abschnitt
1.b.iv dieser Studie). Der Grund hierfür ist, dass nur Zentralbanken befähigt sind, unbegrenzte
Liquidität bereitzustellen – eine spezifische Funktion, die von anderen Parteien nicht umgangen oder substituiert werden kann. Drittens können sollten Zentralbanken sich nicht ex ante
auf die Bereitstellung internationaler Liquidität in einer Krise selbstverpflichten (beispielsweise durch die Vorankündigung bilateraler Swap/ rep-Arrangements im Fall systemischer Ereignisse). Der von Xavier Freixas so bezeichnete und von den liquiditätsbereitstellenden Notenbanken bisher verfolgte ‚constructive ambiguity’-Ansatz, d.h. die künstliche Erzeugung von
Unsicherheit durch Randomisierung über die Hilfeleistung, ist in der Tat notwendig, um ihre
geldpolitische Unabhängigkeit zu bewahren, die Solidität ihrer Bilanz sicherzustellen und ihr
Mandat zu respektieren. Ein übermäßig pro-aktiver Ansatz der wichtigen Zentralbanken würde wieder ‚moral hazard’-Verhalten auf globaler Ebene befeuern (siehe Abschnitt 1.b.iv.).
140
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
4. Zusammenfassende Betrachtung aus deutscher und europäischer Perspektive
Die vorliegende Untersuchung hat ausführlich zentrale Aspekte von Weltwährungssystemen analysiert. Nach einem umfassenden historischen Überblick bis zur aktuellen Situation wurden in Kapitel 1
die ökonomischen Implikationen unterschiedlicher Weltwährungsregime ausführlich aus theoretischempirischer Sicht diskutiert. Mit Blick auf die Entwicklung globaler Ungleichgewichte wird die These
bestätigt, dass unflexible Wechselkurse den Aufbau globaler Leistungsbilanzungleichgewichte begünstigen. Dies gilt insbesondere für Schwellenländer, während für die Industrieländer ein derartiger
Zusammenhang nicht signifikant gezeigt werden kann. Für diese Ländergruppe finden wir hingegen
einen signifikanten positiven Einfluss fixer Wechselkurse auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Wir schließen daher, dass aus Sicht der Industrieländer - und damit aus deutscher und europäischer Perspektive - eine weitere Stabilisierung der Wechselkurse zwischen in ihrem Entwicklungsstadium vergleichbaren Volkswirtschaften anstrebenswert erscheint, wobei zur Vermeidung globaler
Ungleichgewichte tendenziell flexible Wechselkurse etwa zwischen Schwellen- und Industrieländern
vorzugswürdig sind.
Als konkretes wirtschaftspolitisches Ziel haben wir daher in Kapitel 2.a. eine weitergehende regionale
monetäre Integration (etwa im europäischen, asiatischen oder lateinamerikanischen Raum) mit zwischen den Blöcken flexiblen Wechselkursen herausgearbeitet. Für die deutsche und europäische Wirtschaftspolitik ist insbesondere eine Erweiterung des Euroraums als Ziel zu formulieren. Dabei sollte
aber das Entwicklungsstadium der Beitrittskandidaten verstärkt in die Beurteilung der Eignung mit
einbezogen werden. Eine entsprechende zumindest implizite Ergänzung der Konvergenzkriterien (etwa mit Blick auf die Pro-Kopf-Wirtschaftskraft, jahresdurchschnittliche Wachstumsraten, Investitionsquoten oder andere realwirtschaftliche Konvergenzindikatoren) dürfte für die künftige Stabilität
der Währungsunion entscheidender sein als eine (zusätzlich dennoch erforderliche) Verschärfung der
fiskalischen Konvergenz- und Stabilitätskriterien.
Gleichzeitig sollte die deutsche Politik auch die makroökonomische Integration in anderen Wirtschaftsräumen unterstützen. Abschnitt 2.a.i. hat Regionen identifiziert, in denen der Weg der ökonomischen Integration (in unterschiedlichem Stadium) eingeschlagen wurde. Die langfristige Förderung
auch der monetären Integration in diesen Regionen ist (gegeben ein vergleichbares ökonomisches
Entwicklungsstadium) mit Blick auf eine effizientere Allokation von Ressourcen auch für die europäische und deutsche Politik erstrebenswert. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sich
einzelne wichtige Volkswirtschaften bisher nicht auf eine ökonomische Integrationsstrategie eingelassen haben. So gehören weder die Volksrepublik China noch Indien einem regionalen Integrationsraum
an. Für eine zielgerichtete Entwicklung des Weltwährungssystems sollte die deutsche und europäische
Politik eine verstärkte regionale Einbindung dieser Länder, die auch zu den wichtigsten so genannten
Ankerländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gehören, unterstützen.
141
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Neben der Förderung weiterer regionaler monetärer Integration sollte die deutsche Politik darüber
hinaus aber auf eine globale Flexibilisierung der Wechselkurse hinwirken, um dem Aufbau von exzessiven Leistungsbilanzungleichgewichten entgegenzuwirken. Kurzfristig ist insbesondere darauf hinzuwirken, dass die trotz fundamentalwirtschaftlicher Differenzen bestehende Wechselkursbindung
zwischen bestimmten Schwellen- und Industrieländern abgebaut wird. Insbesondere eine (möglicherweise gebremste) Flexibilisierung des Renminbi gegenüber dem US-Dollar sollte von der deutschen
Politik im Interesse eines stabileren Weltfinanzsystems gefördert werden.
Wie in Kapitel 2.b. gezeigt wurde, dürfte ein Übergang zu einem multipolaren Währungssystem, das
neben dem US-Dollar als voraussichtlich weiterhin dominanter Leitwährung den Euro und den Renminbi als weitere Reservewährungen in relevantem Ausmaß vorsieht, erhebliche Vorteile für die EuroLänder mit sich bringen. Vor allem kann durch die Herausbildung eines multipolaren Währungssystems die einseitige Abhängigkeit der Weltfinanzmärkte vom US-Dollar etwas zurückgeführt werden.
Die negativen Wirkungen eines Vertrauensverlusts in den Dollar (insbesondere in Folge der massiv
gestiegenen US-Staatsverschuldung und der exzessiven Liquiditätsbereitstellung durch die Federal
Reserve Bank) dürften daher bei einem multipolaren Währungssystem gedämpfter ausfallen. Politstrategisch könnte es in diesem Zusammenhang sinnvoll sein, eine zunehmende Bedeutung des Renminbi im internationalen Leitwährungsgefüge zu unterstützen. Dies stünde zudem im Einklang mit
deutschen und europäischen Interessen: Aus europäischer Sicht ist es zudem erstrebenswert, die über
die letzten Jahre herausgebildete währungspolitische Dominanz der G2 (China und USA) aufzubrechen. Diese hat sich aus dem Fixkursverhältnis zwischen Dollar und Renminbi entwickelt und wirkt
sich in letzter Zeit wegen der viel expansiveren Geldpolitik in den USA tendenziell in Richtung einer
Aufwertung des Euro aus. Diese schwächt die relative Außenhandelsposition der deutschen Europartner und, wegen der geringeren Preiselastizität der Exporte, mit Abstrichen auch der Bundesrepublik Deutschland.
Zwar hat sich der Euro im letzten Jahrzehnt bereits in beeindruckendem Tempo in Richtung einer internationalen Zahlungseinheit entwickelt. Um den Euro jedoch dauerhaft an den Kapitalmärkten als
Leitwährung neben dem US-Dollar zu platzieren, sind von deutscher sowie europäischer Seite noch
Nachbesserungen im Regelwerk und in der Konzeption der Europäischen Währungsunion notwendig.
So hat die jüngste Eurokrise einige Schwachstellen in beiden offengelegt. Wie in Kapitel 2.a.iii erläutert, hängt die langfristige Funktionsfähigkeit und Stabilität einer Währungsunion davon ab, dass sich
möglichst hinsichtlich ihres Entwicklungsstandes homogene Länder zusammenschließen, um den
Aufbau von massiven Leistungsbilanzungleichgewichten zu verhindern. Die derzeitige Eurokrise hat
offengelegt, dass dies im Falle des Euroraums nicht der Fall ist. Zwar war man sich dessen bei der
Einführung des Euros bewusst. Doch nahm man der Theorie endogener optimaler Währungsräume
folgend an, dass die Einheitswährung und der freie Güter- und Handelsverkehr mit der Zeit zu einer
weiteren Konvergenz der Konjunkturzyklen und der wirtschaftlichen Entwicklung die einzelnen Länder führen würde. Diese Hoffnungen wurden jedoch nicht erfüllt und große dauerhafte intraeuropäische Leistungsbilanzungleichgewichte haben sich in den letzten Jahren zum Teil wegen der
142
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Aufholprozesse der Peripherieländer, aber vor allem aufgrund mangelnder Wettbewerbsfähigkeit der
Defizitländer aufgebaut (Belke und Dreger 2011). Auch die Staats- und Haushaltsverschuldung hat in
einigen Ländern bedenkliche Ausmaße angenommen, was letztlich zu der derzeitigen Eurokrise geführt hat. Für die weitere Entwicklung des Euro in Richtung einer internationalen Zahlungseinheit
wird entscheidend sein, wie beständig und konsequent die Wirtschaftspolitik in der Eurozone im
Nachlauf der Eurokrise ist – was sich in einem gestärkten Rahmen einer EU Governance widerspiegeln sollte (Belke 2010c und Belke 2011). Dieser gestärkte EU Governance-Rahmen sollte zum einen
klare Regelungen für den Umgang mit fiskalischen Krisen aufweisen, sowie auch präventive Maßnahmen beinhalten, die die Konvergenz der wirtschaftlichen Entwicklungen der einzelnen Mitgliedsländer fördert und somit die Krisenwahrscheinlichkeit minimiert.
Zum einen ist es wichtig, dass ein glaubwürdiger und wirksamer Krisenmechanismus etabliert wird,
sodass zukünftige fiskalische Krisen in einzelnen Mitgliedsländern nicht mehr die Stabilität der gesamten Eurozone und des Euros in Frage stellen. Des Weiteren ist es wichtig, dass ein Krisenmechanismus auch eine Beteiligung privater Gläubiger vorsieht. Zum einen garantiert dies, dass sich Finanzmärkte wieder kritischer einer Risikoevaluierung widmen84, und zum anderen wird ‚moral hazard‘ Verhalten vermieden, welches sich dadurch kennzeichnet, dass sich private Gläubiger, wie z.B.
Geschäftsbanken, durch riskante Anlagestrategien hohe Renditen garantieren und gleichzeitig das
damit verbundene Kredit- oder Ausfallrisiko auf die Regierungen abwälzen. Die derzeitige diskutierte
Ausgestaltung des zukünftigen Krisenmechanismus ESM (‚European Stability Mechanism‘), welcher
den heutigen EFSF-Vertrag (‚European Financial Stability Fund‘) ab Mitte 2013 ablöst, sieht eine
Haftung privater Gläubiger vor. Alle ab 2013 in der Euro-Zone ausgegebenen Staatsanleihen mit einer
Laufzeit von mehr als einem Jahr werden eine Klausel enthalten, dass private Investoren an einer Krisenlösung beteiligt werden (sogenannte ‚collective action clauses‘ (CAC)). Bis zum Krisen-Gipfel
vom 21.07.2011 konnte jedoch zwischen den Regierungen der Eurozone keine Einigung darüber erzielt werden, ob und in welchem Ausmaß private Gläubiger bis zum Inkrafttreten des ESM an möglichen Kosten eines Staatsbankrotts beteiligt werden. Die deutsche Regierung sollte hier eine klare Position und vermittelnde Rolle bei der innereuropäischen Diskussion einnehmen. Im Folgenden analysieren wir diesbezüglich die jüngsten Gipfelbeschlüsse und versuchen, weiteren Handlungsbedarf bei der
Schaffung eines glaubwürdigen und wirksamen Krisenmechanismus für eine Stärkung des Euro im
internationalen Währungssystem zu identifizieren.
84
Bernoth und Erdogan (2010) zeigen, dass Finanzmärkte zwischen 2002 und 2006 eine zu optimistische Beurteilung des Kreditrisikos auf europäische Staatsanleihen hatten und kaum noch zwischen den einzelnen europäischen Emittenten unterschieden. Belke und Burghof (2010) verweisen als eine Ursache dafür auf das Fehlen
von Stand-Alone-Ratings. Demnach haben die Rating-Agenturen die Krisenstaaten in der Eurozone wegen der
manifesten Bailout-Phantasie viel zu lange zu gut bewertet.
143
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Während des EU-Gipfels am 21.07.2011 wurde wie erwartet das neue Rettungspaket in Höhe von
insgesamt 109 Mrd. Euro für Griechenland abgesegnet. Im Herbst soll es, einem Vorschlag des
Washingtoner Institute of International Finance (IIF) unter Chairman Josef Ackermann folgend, zu
einer Umschuldung privat gehaltener Anleihen im Umfang von ungefähr 135 Mrd. Euro kommen.
Dies befreit Griechenland zwar für zehn Jahre vom Druck der Finanzmärkte, lässt aber zum ersten Mal
ein Land der Eurozone als zahlungsunfähig einstufen. Das Programm wird von den Ratingagenturen
höchstwahrscheinlich als teilweiser Zahlungsausfall gewertet werden.
Der EFSF - und damit der Steuerzahler - muss der EZB die Risiken in Höhe von 20 Mrd. Euro abnehmen; die Euro-Länder müssen Garantien bei der EZB für diesen Zeitraum hinterlegen. Zudem sind
eine Reihe von Erleichterungen für den Schuldendienst Griechenlands beschlossen worden. Danach
werden die Laufzeiten der Kredite bei günstigeren Zinsen verlängert. Für die Kredite aus dem Notfallfonds EFSF steigt die Laufzeit von 7,5 Jahren auf 15 bis 30 Jahre, und der Zinssatz wird von 4,5 auf
3,5 Prozent sinken. Auch die Kredite aus dem ersten Rettungsprogramm von 2010 sollen deutlich
prolongiert werden. Darüber hinaus wird der Privatsektor mit einer Reihe von Optionen beteiligt,
wenn auch wohl nur auf freiwilliger Basis. Banken und Versicherungen können sich je nach Präferenz
eines Anleihen-Tausches, einer Verlängerung auslaufender Engagements in Anleihen und eines Rückkaufs von Altschulden bedienen.85 Wenig überraschend für einen Vorschlag des IIF sollen die Banken
und Versicherungen „Anreize“ zur Teilnahme erhalten. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass
der Anleihetausch öffentlich, möglicherweise auch durch den EFSF, gefördert werden soll.
Generell wird die Rolle des EFSF gestärkt, wobei die Änderungen auch für den ESM Anwendung
finden werden. Der Fonds kann künftig im Rahmen einer flexiblen Kreditlinie unter strikten Auflagen
eines internationalen Spar- und Reformprogramms präventiv tätig werden; dies ist ein wichtiges Element für das künftige makroökonomische Management in der Währungsunion. Der EFSF soll im Notfall auf dem Sekundärmarkt tätig werden, also Anleihen aufkaufen können. Voraussetzung hierfür
sollen die Feststellung besonderer Umstände durch die EZB und ein einstimmiger Beschluss der Finanzminister der Euro-Zone sein. 86 Die gefundene Lösung beinhaltet als Option auch die angemessenen Maßnahmenpakete wie die Möglichkeit eines Rückkaufs von Anleihen kriselnder Staaten durch
den EFSF ganz ohne oder nur mit zeitlich stark begrenztem Zahlungsausfall. Die entscheidenden Bedingungen hierfür, wie zum Beispiel ein vorab festgelegter Abschlag beim Anleiherückkauf müssen
aber noch festgelegt werden. In diesem Falle würden die Maßnahmen in Richtung eines Schuldenschnitts im Rahmen eines Europäischen Währungsfonds, d.h. eines geordneten Insolvenzverfahrens,
85
90 Prozent der privaten Gläubiger sollen für das rein auf Griechenland bezogene Programm gewonnen werden. Unter dem Strich sind das 37 Mrd. Euro. Dies entspricht einem Schuldenschnitt von knapp 21 Prozent,
wenn man den Finanzierungsbedarf für Griechenland bis zum Jahr 2014 zugrunde legt.
86
Im Falle Griechenlands soll der EFSF nunmehr griechische Staatsanleihen unter ihrem Nennwert von privaten
Gläubigern zurückkaufen dürfen. Der Erlös hieraus wird auf 12,6 Milliarden Euro taxiert.
144
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
gehen. Schließlich soll der EFSF den Bankensektor eines betroffenen Landes indirekt durch spezifische Kredite an die jeweilige Regierung stützen können.
Positiv ist anzumerken, dass es zu keiner Bankenabgabe gekommen ist und der Rettungsfonds EFSF
nicht aufgestockt wird. Zudem ist tendenziell zu begrüßen, dass der Einfluss der US-amerikanischen
Rating-Agenturen eingedämmt werden soll. Die EZB orientiert sich ja bereits an einer kleinen kanadischen Rating-Agentur DBRS, die keinerlei Beurteilung Griechenlands erstellt und insofern Griechenland im Fall eines Schuldenschnitts gar nicht auf „Zahlungsausfall“ stellen kann (Wall Street Journal
2011).
Wenngleich also die Beschlüsse in Teilen Schritte in die richtige Richtung weisen, ist das Ausmaß der
konkret beschlossenen Maßnahmen eher enttäuschend. Damit wird die griechische Schuldenkrise
nicht beendet, vielmehr dürfte das Risiko einer Ansteckung anderer Länder noch zunehmen. Das gegenwärtige Rettungspaket belässt Griechenland immer noch bei einem Schuldenstand von ungefähr
125 Prozent des BIP. Die griechische Volkswirtschaft wird hierdurch immer noch nicht auf einen
nachhaltigen Pfad gesetzt, zumal von der Zinsseite her nunmehr weniger Anreize für eine rasche
Wettbewerbsorientierung der Volkswirtschaft kommen. Außerdem scheinen die den Eurozonen- und
IWF-Programmen zugrunde liegenden Annahmen zu Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen zu
optimistisch gewählt. Der viel zu geringe Schuldenschnitt bedeutet damit, dass in der Zukunft eine
zusätzliche noch substanziellere Umschuldung notwendig wird, wenn es nicht noch einen noch gigantischeren Transfer anderer Eurozonenländer an Griechenland geben wird. Vermutlich sollte es eine
noch substanziellere Umschuldung nach 2013 geben, wenn der EFSF durch den ESM ersetzt wird.
Denn diese Terminierung macht die Umstrukturierung privat gehaltener Staatspapiere erheblich einfacher.
Besser wäre es gewesen, wenn man sich auf dem Gipfel für einen drastischeren Schuldenschnitt
durchgerungen und die Beteiligung des privaten Sektors verpflichtend gestalten hätte. Auch Hedge
Funds, die den Großteil der griechischer Anleihen halten, sind voraussichtlich nicht dabei. Ihr Anlagekalkül ist es, schlechte Papiere zu erwerben, und zum Nennwert erstattet zu bekommen. Beide Maßnahmen wären ein Äquivalent zu der überraschend hohen und generösen staatlichen Unterstützung
Griechenlands und noch überzeugendere Maßnahmen gewesen, um die Schuldenkrise zu entschärfen
und die Staatsfinanzen Griechenlands wieder auf eine tragfähige Grundlage zu stellen. Denn die künstliche Angleichung der Zinsunterschiede zwischen den Peripherieländern und Kernländern wie
Deutschland konterkariert geradezu die Unterschiede in den Ausfallrisiken und hebelt die Disziplinierung durch die Märkte aus. Entsprechend wirkten sich die Beschlüsse positiv an den Märkten für Bankenpapiere und PIIGS-Anleihen aus, während die Kurse für Bundesanleihen zunächst fielen. Und dies
trotz der neuen Konjunkturdaten, die auf eine strukturelle Rezession in der Euro-Peripherie deuten.
Die griechische Wirtschaft schrumpft derzeit auch wegen der Konsolidierung um vier bis fünf Prozent
pro Jahr. Konkrete Wachstumsimpulse sind erforderlich, um dem Land gegen Auflagen wieder auf die
Beine zu helfen. Das Bekenntnis zu einem Wachstums- und Investitionsprogramm für Griechenland in
145
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
Zusammenarbeit mit der EU-Kommission und der Verweis auf eine möglichst schnelle Verausgabung
der schon bis 2013 budgetierten, aber noch nicht abgerufenen Mittel aus EU-Fonds in Höhe von etwa
15 Milliarden Euro sind korrekt, aber noch nicht spezifisch genug.
Um den Euro als eine vertrauenswürdige Alternative als Reservewährung neben dem US-Dollar zu
positionieren, sollte sich die deutsche Politik außerdem für eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung einsetzen, um langfristige Stabilisierung des Euroraums zu gewährleisten und die Krisenwahrscheinlichkeit in der Zukunft zu minimieren. Erste Schritte in diese Richtung wurden bereits unternommen, sollten von deutscher Seite aber noch weiter forciert werden. So müssen die EUMitgliedsländer im Rahmen des im September 2010 beschlossenen und 2011 erstmals angewandten
‚Europäischen Semesters‘ ab sofort bereits ein halbes Jahr vor Verabschiedung ihrer Haushaltspläne
diese der Europäischen Kommission vorlegen. Die Kommission erhält dadurch mehr Kontrolle über
mögliche Verletzungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts und kann bei Bedarf früher korrektiv
eingreifen, in dem sie wirtschaftspolitische Empfehlungen ausspricht, die die EU-Staaten in ihren
Haushaltsplänen berücksichtigen müssen. Ein bisheriger Schwachpunkt des derzeitigen Stabilitätsund Wachstumspakts war zudem die mangelnde Sanktionsbereitschaft im Falle eines Verstoßes gegen
den Stabilitäts- und Wachstumspakts. Zwar sind im September 2010 Verschärfungen der Sanktionsmaßnahmen beschlossen worden, jedoch fehlt es derzeit noch immer an Detailarbeit und einem endgültigen Beschluss. Hier wäre ein wichtiger Ansatzpunkt für die deutsche Politik, um den Stabilitätsund Wachstumspakt in Zukunft effektiver zu gestalten.
Die Eurokrise hat außerdem demonstriert, dass die bisherige fiskalpolitische Überwachung der einzelnen Länder von Seiten der EU Kommission nicht ausreichend war, um zukünftige Spannungsfelder
innerhalb der EU zu vermeiden. Auch der Aufbau von erheblichen makroökonomischen Ungleichgewichten innerhalb der EU, wie sie sich in etwa Leistungsbilanzungleichgewichte oder Wettbewerbsdifferenzen auf den Arbeitsmärkten widerspiegeln, hat sich im Laufe des letzten Jahrzehnts als ein
wichtiger destabilisierender Faktor herausgearbeitet. Dementsprechend ist geplant, den EU-Vertrag
um eine ‚Verordnung zur Vermeidung und
Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte‘
(‚excessive imbalance procedure‘ (EIP)) zu ergänzen, um somit nominalen und realen Konvergenz
innerhalb des Euroraums zu erzielen. Damit soll der Überwachung makroökonomischer Ungleichgewichte und der Wettbewerbsfähigkeit in Zukunft mehr Nachdruck verliehen werden. Vorgesehen ist,
dass die EU-Kommission gegebenenfalls Frühwarnungen an einzelne Länder ausspricht und bei Bedarf korrektive Maßnahmen vorschlägt und bei unzureichender Korrektur Sanktionen verhängt. Die
Identifizierung von makroökonomischen Ungleichgewichten ist jedoch keine einfache Aufgabe und
kann sich in einer Reihe von verschiedenen makroökonomischen Kenngrößen widerspiegeln. Entsprechend wird sich auch die Ausgestaltung eines sogenannten ‚Scoreboards‘, welche eine Reihe von Indikatoren und Schwellenwerte bestimmt, um frühzeitig aufkommende makroökonomische Ungleichgewichte zu erkennen, als eine große Herausforderung in den kommenden Monaten herausstellen. Die
Gefahr besteht, dass diese Indikatoren so vage und ungenau definiert werden, dass das EIP nicht sehr
durchsetzungsstark ist. Die deutsche Regierung hat hier die Möglichkeit, noch gestalterisch mitzuwir146
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
ken, um diesem neuen Verfahren zur Effektivität zu verhelfen. Auch eine klare Aufgabenverteilung
und enge Koordination zwischen der EU-Kommission hinsichtlich des EIP und dem neu errichteten
Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (‚European Systemic Risk Board‘ (ESRB)) ist anzustreben, um mögliche Konflikte zu vermeiden und die größtmöglichen Synergieeffekte zu erzielen (Wolff
2011).
Die Bedeutung des Euros im internationalen Währungssystem könnte noch weiter gestärkt werden,
wenn wie in Kapitel 3 argumentiert, der Abbau von Kapitalmarktfriktionen innerhalb des europäischen Währungsraums vorangetrieben wird. Die deutsche Regierung könnte sich in dieser Hinsicht für
eine weitere Harmonisierung rechtlicher und institutioneller Voraussetzungen an den einzelnen europäischen Kapitalmärkten einsetzen. Sehr kritisch ist jedoch der Vorschlag der Einführung gemeinschaftlicher europäischer Staatsanleihen (sogenannte ‚Eurobonds‘) zu beurteilen, um die Kapitalmarktintegration in Europa weiter voranzutreiben. Zwar würde man damit einen sehr liquiden europäischen Markt für Staatsanleihen schaffen, der hinsichtlich des Volumens vergleichbar mit dem USBondmarkt wäre, jedoch dürfte die damit verbundenen Risiken diese positiven Liquiditätseffekte
überwiegen. Denn mit der Einführung von gesamteuropäischer Staatsanleihen wäre Finanzmärkten die
Möglichkeit genommen, zwischen den einzelnen Emittenten von Staatsanleihen zu unterscheiden,
indem sie unterschiedliche Risikoprämien auf die Bonds verschiedener Euro-Mitgliedsländer verlangen. Dies stellte in der Vergangenheit jedoch ein wichtiges Instrument dar, um die einzelnen Mitgliedsstaaten zu fiskalischer Disziplin zu bewegen (vgl. Bernoth et al. 2006; Bernoth und Erdogan
2010).
Positiv ist daher anzumerken, dass es beim jüngsten EU-Gipfel am 21.07.2011 zu keiner unmittelbaren
Einführung von Euro-Anleihen gekommen ist. Die neuen EFSF-Anleihen können zwar als ein Schritt
in Richtung Euro-Anleihen gedeutet werden, allerdings sind sie nur für einen bestimmten Zweck bestimmt, nämlich für den Aufkauf griechischer, irischer oder auch portugiesischer Anleihen, was angemessen ist. Auch ihre Handelbarkeit und Liquidität ist im Vergleich zu den gängigen nationalen
Anleihen aus Frankreich oder Deutschland oder gar einem Euro-Bond geringer. Der Ankauf von Anleihen von Ländern, die gegenwärtig nicht in EFSF-Programmen stecken und wesentlich größer sind,
vor allem Italien und Spanien im Rahmen der jüngst beschlossenen vorausschauenden Komponente
der EFSF-Aufkäufe, käme dagegen einem direktem Auflegen von Eurobonds gleich. Dies würde den
Einstieg in eine Haftungsunion über eine Transferunion hinaus bedeutet, die faktisch spätestens seit
Mai 2010 über die Bilanzen der EZB und möglicherweise schon seit Einführung der Struktur- und
Kohäsionsfonds als etabliert gelten kann. Die fiskalische Kapazität und Toleranz der Geberländer
würde überstrapaziert, was dann über die Reaktionen der Bevölkerung möglicherweise das Ende der
Eurozone bedeuten würde.
Eine weitere polit-ökonomische Schwachstelle in der derzeitigen Ausgestaltung der EU, die die deutsche Regierung im innereuropäischen Dialog zur Diskussion stellen sollte, ist das Fehlen einer gemeinsamen europäischen Initiative. Noch immer sprechen die einzelnen europäischen Länder mit na-
147
Belke Bernoth Fichtner
Die Zukunft des Internationalen Währungssystems
tionalen Stimmen, statt sich zu einer europäischen zu vereinigen. Gemessen an den IWF-Quoten, also
den Beitragszahlungen der einzelnen Länder an den Internationalen Währungsfonds, nach denen sich
unter anderem das Stimmrecht richtet, könnte der Einfluss Europas viel höher sein, was dem Euro im
internationalen Währungsgefüge eine bedeutendere Ausgangsposition verschaffen würde (Belke und
Verheyen 2011).
Gelingt es, den Euro in den nächsten Jahren als Leitwährung in einem multipolaren internationalen
Währungssystem neben dem US-Dollar zu positionieren, dürfte neben den aus einer stärkeren globalen Nachfrage nach Euro erwachsenden zusätzlichen Seigniorage-Gewinnen das Wachstum im Euroraum von einer stabilitätsorientierten Geldpolitik im Euroraum, die für den Erhalt des Leitwährungsstatus erforderlich sein wird, profitieren.87 Um eine nicht fundamental gerechtfertigte Wechselkursvolatilität und damit einhergehende Wohlfahrtsverluste (Abschnitt 1.b.iii) zu vermeiden, macht es für
Deutschland viel Sinn, auf dem Weg dorthin auf Wechselkursflexibilität zwischen den Währungsblöcken und eine kontinuierliche Entwicklung ohne Brüche hinzuwirken (Abschnitt 2.c).
Schon im Übergang zu dem multipolaren Weltwährungssystem sollten weitere Unzulänglichkeiten des
derzeitigen Systems beseitigt werden. Insbesondere im Bereich des Kapitalmarktmanagements sind
wesentliche Korrekturen in diesem Bericht (Abschnitt 3.b.ii.) thematisiert worden. Vorderstes Ziel
entsprechender Maßnahmen ist eine Eindämmung destabilisierender Kapitalflüsse, die beispielsweise
über die Wechselkurse auch auf die realwirtschaftlichen Verhältnisse Einfluss haben können. In erster
Linie dürften von derartigen Schwankungen Schwellenländer betroffen sein. Wir haben gezeigt, dass
hier durch den Aufbau nationaler Finanzmärkte exzessive spekulative Kapitalbewegungen reduziert
werden können.
Für die deutsche und europäische Wirtschaftspolitik ergibt sich in diesem Zusammenhang primär eine
beratende Rolle. Dennoch ist auch die Politik in den entwickelten Volkswirtschaften gefordert, eine
Stabilisierung der Weltkapitalmärkte zu unterstützen. Hierzu sollten insbesondere auch der IWF und
die G-20 in ihrer Rolle als Stabilitätswächter gestärkt und mit klaren Aufgaben versehen werden.
Zentrale von uns genannte Aspekte sind in diesem Zusammenhang die Verbesserung der Finanzsektoraufsicht und –regulierung sowie die Erarbeitung einer Richtlinie für die Aufsicht von Kapitalbilanzen. Hierzu gehören auch eine Verbesserung bei der Veröffentlichung wichtiger Finanzmarktindikatoren sowie, vor allem, eine verbesserte Durchsetzbarkeit von Vorschlägen zur Korrektur von Fehlentwicklungen. Generell sollten Deutschland und der Euroraum den politische Dialog und die politische
Koordinierung im Umgang mit grenzüberschreitendem Kapitalverkehr fördern.
87
Die Spielräume für eine Abwertung des Euro halten sich unter diesen Umständen allerdings in engen Grenzen; für die Mitgliedsländer der Währungsunion, die unter strukturellen Problemen leiden, könnte die Etablierung des Euro als Leitwährung daher eine zusätzliche Belastung darstellen.
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Belke Bernoth Fichtner
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