Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH)

Werbung
MEDIZIN
AKTUELL
Medizinische Genetik und Tumorzytogenetik
Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH)
Thomas Cremer
Anna Jauch
Thomas Ried
Evelin Schröck
Christoph Lengauer
Marion Cremer
Michael R. Speicher
Was ist Fluoreszenz-insitu-Hybridisierung?
Die Technik der Fluoreszenz-insitu-Hybridisierung (FISH) hat in den
letzten Jahren weltweite Verbreitung
gefunden. Sie hat es erstmals ermöglicht, ausgewählte Chromosomen und
Chromosomenabschnitte bis hin zu
Abschnitten einzelner Gene selektiv
anzufärben und mit einem Fluoreszenzmikroskop sichtbar zu machen.
Das Verfahrensprinzip ist in der Abbildung 1 schematisch dargestellt (für
eine detaillierte Methodenbeschreibung siehe [271). FISH beruht auf der
Fähigkeit einzelsträngiger Nukleinsäuren (DNA oder RNA) mit komplementärer Basensequenz, sich zu
einem doppelsträngigen Abschnitt
zusammenzulagern. In unserem Falle
handelt es sich bei dem einen Strang
um eine markierte DNA-Probe. Zur
Markierung kann ein Hapten wie
Biotin oder Digoxigenin eingebaut
werden, das mit Hilfe indirekter Immunfluoreszenztechniken nachgewiesen wird. Alternativ kann die
DNA-Probe direkt mit geeigneten
Fluoreszenzfarbstoffen markiert wer-
Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) ist ein weltweit verwendetes diagnostisches Verfahren, mit dem individuelle Chromosomen und Chromosomenabschnitte, sogar einzelne Gene im Fluoreszenz-Mikroskop farbig sichtbar gemacht werden können. Der breite diagnostische Einsatz von Vielfarben-FISH wird durch die
Entwicklung der digitalen Fluoreszenzmikroskopie und die damit verbundenen
Möglichkeiten der automatisierten Computerauswertung wesentlich erweitert und
beschleunigt. Als Untersuchungsobjekte können kultivierte und nichtkultivierte
Zellen aus Punktaten ebenso herangezogen werden wie Zellkerne in Gewebeschnitten. Was dargestellt wird, hängt von der Auswahl molekulargenetischer Proben ab. Die Beispiele klinisch relevanter Einsatzmöglichkeiten reichen vom Nachweis numerischer Chromosomenveränderungen in der Pränataldiagnostik über
den Nachweis der Überträgerinnen-Eigenschaften für die X-chromosomal rezessiv
vererbte Muskeldystrophie Duchenne bis hin zur Erfassung spezifischer Chromosomenveränderungen in Krebszellen.
den. Bei dem anderen Strang handelt
es sich um den komplementären
DNA-Abschnitt in einem Chromosom der Zielzelle. Durch die Basenpaarung der komplementären Proben- und Ziel-DNA- Stränge entsteht
eine doppelsträngige Hybrid-DNA.
Bei direkter Fluorochrommarkierung
entfallen weitere Detektionsschritte.
Bei einer Haptenmarkierung der
DNA-Probe werden die Haptene
durch fluoreszenzmarkierte Antikörper nachgewiesen. Dieses im Vergleich zur direkten Fluorochrommarkierung aufwendigere Verfahren hat
den Vorzug einer höheren Sensitivität. Hier lassen sich auch Antikörper verwenden, die mit Enzymen, beispielsweise alkalischer Phosphatase
oder Peroxidase, markiert sind.
Durch diese Enzyme können am Ort
der hybridisierten Probe farbige Präzipitate erzeugt werden, die im
Durchlichtmikroskop sichtbar sind.
Enzymatische Detektionsverfahren
Institut für Humangenetik und Anthropologie
(Geschäftsführende Direktorin: Prof. Dr. med.
Traute Schroeder-Kurth), Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
haben den Vorteil, daß die Präparate
bei Raumtemperatur dauerhaft gelagert werden können, während Fluoreszenzpräparate verblassen, wenn
nicht besondere Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden (Einbettung
mit „anti fading"-Mitteln, Lagerung
lichtgeschützt im Kühlschrank). Im
weiteren werden wir uns auf Fluoreszenztechniken beschränken, weil sie
entscheidende Vorteile für die vielfarbige Darstellung verschiedener Genomabschnitte und die Quantifizierung der Signale bieten.
Bildaufnahme und
Bildanalyse
Zur Aufnahme von Fluoreszenzsignalen werden im zunehmenden Maße CCD-(charge coupled device-)Kameras verwendet. Dies ermöglicht die
Verwendung auch von Fluoreszenzfarbstoffen, die im Infrarot emittieren, und vor allem die hochspezifische, quantitative Messung von Fluoreszenzintensitäten sowie die Datenverarbeitung durch Computer. Neben
CCD-Kameras haben konfokale La-
Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 22, 2. Juni 1995 (51) A-1593
MEDIZIN
AKTUELL
Abbildung 1: Schema der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH). Auf den beiden Chromatiden eines
Metaphasechromosoms ist an homologer Stelle ein
Fluoreszenzsignal sichtbar (weißer Punkt). Zur Verdeutlichung des Vorgangs ist eine DNA-Schleife mit
einem einzelsträngigen DNA-Abschnitt dargestellt.
Eine Fluorochrommarkierte DNA-Probe hybridisiert
an die durch das Strichmuster angedeutete komplementäre Basensequenz der Ziel-DNA. Diese Ziel-DNA
sollte wenigstens 1000 Basenpaare (1 kbp) umfassen. Die Proben-DNA wird bei der Markierung in kleine Fragmente (etwa 200 bis 400 Basenpaare) zerlegt, um die Penetration in das dicht gepackte Chromatin des Chromosoms zu erleichtern.
DNA-Proben machen
ausgewählte Abschnitte
des menschlichen Genoms
sichtbar
ser-Scanning-Mikroskope einen wichtigen Stellenwert in der Evaluation
von FISH-Experimenten. Sie ermöglichen die dreidimensionale Darstellung von Zellkernstrukturen und
die topographische Zuordnung von
FISH-Signalen (9).
von der Zusammensetzung der Pro-
ben-DNA ab. DNA-Proben für einen
bestimmten Genomabschnitt enthalten neben ortsspezifischen DNA-Abschnitten häufig ubiquitär im Genom
vorkommende repetitive Sequenzabschnitte. Daraus resultieren unerwünschte Signale auf allen Chromo-
Abbildung 2: a) Zellkern (links) und Metaphasespreitung (rechts) aus der Lymphozytenkultur einer
Frau mit normalem weiblichem Chromosomensatz
(46,XX). Mittels Zweifarben-CISS-Hybridisierung
wurden die beiden X-Chromosomen rot und ein Abschnitt des Dystrophingens gelb angefärbt (Pfeilspitzen). Dieses Gen ist im kurzen Arm des X-Chromosoms (Xp21) lokalisiert. Im unteren der beiden XChromosomen sind die Signalpunkte auf beiden
Chromatiden deutlich getrennt erkennbar (vergleiche auch mit Abbildung 1). Der Zellkern in der linken
Bildhälfte zeigt die beiden X-Chromosomen-Territorien (rot) mit dem Dystrophingen (gelb) während der
Interphase. b) Ausschnitt aus der Metaphasespreitung eines Lymphozyten bei einer Frau, die Überträgerin für die Duchennesche Muskeldystrophie ist,
nach Zweifarben-CISS-Hybridisierung wie in 3a. Der
von einer Cosmid-DNA-Probe im intakten Dystrophin-Gen erkannte Abschnitt fehlt bei ihrem erkrankten Sohn. Dieser Abschnitt ist auf dem kurzen Arm
des normalen X-Chromosoms (links unten) auf beiden Chromatiden sichtbar (Pfeilspitze), er fehlt je-
doch auf dem anderen X-Chromosom (*). Mit einer
weiteren Cosmid-DNA-Probe wurde zur internen Hybridisierungskontrolle eine etwa gleich große Region
auf dem langen X-Arm zusätzlich dargestellt. Dieses
Kontrollsignal ist auf beiden X-Chromosomen sichtbar (siehe auch die Pfeile). Jeder weitere Sohn, der
das X-Chromosom mit dem deletierten Dystrophingen erhält, wird ebenfalls an Duchennescher Muskeldystrophie erkranken. Die Abbildungen wurden
mit einem Fluoreszenz-Mikroskop auf einem Farbfilm aufgenommen.
Was sichtbar gemacht wird, hängt
A-1594 (52) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 22, 2. Juni 1995
MEDIZIN
AKTUELL
somen. Sie können durch einen Überschuß nichtmarkierter repetitiver Sequenzen (Cot1-DNA) im Hybridisierungsansatz unterdrückt (supprimiert) werden (21). Mit dieser Modifikation der FISH-Technik, die als
chromosomale In-situ-Suppressions(CISS-)Hybridisierung oder chromosome painting bezeichnet wird, ist der
routinemäßige Einsatz komplexer
DNA-Proben zur Darstellung individueller Chromosomen und Chromosomenabschnitte bis zur Ebene einzelner Gene möglich geworden (8, 26,
Abbildung 4: Schema des
Zellzyklus. Individuelle
Chromosomen sind während der Mitose, aber
nicht im Zellkern während der Interphase sichtbar. In der Prometaphase
oder Metaphase gespreitete Chromosomen können mit Bänderungstechniken auf numerische
und strukturelle Veränderungen analysiert werden. Mittels FISH ist die
Darstellung einzelner
Chromosomen und Gene
erstmals auch während
der Interphase möglich
geworden.
30) (Abbildung 2a). Zur selektiven
Anfärbung individueller menschlicher Chromosomen werden chromosomenspezifische DNA-Bibliotheken
eingesetzt (6). Proben zur selektiven
Anfärbung von Chromosomenarmen
oder einzelnen Chromosomenbanden
mit einem DNA-Gehalt größer 10
Mbp (1 Mbp entspricht einer Million
Basenpaare) können mit Hilfe von
Abbildung 5: Zellkern aus Fruchtwasserzellkultur nach Vielfarben-FISH
ausgewählter Abschnitte der Chromosomen 13, 18, 21, X und Y, Aufnahme
mit CCD-Kamera und digitaler Bildverarbeitung (34). In diesem (und vielen
weiteren Zellkernen) wurden je zwei
Signale für die Chromosomen 13 und
18, jedoch drei Signale für das Chromosom 21 gefunden. Die Geschlechts-
chromosomen X und Y-Chromosom
sind je in Kopie vorhanden. Männlicher
Fötus mit Morbus Down.
Abbildung 3: Die Chromosomen 7, 8,
9, 12 und X wurden im Metaphasepräparat eines menschlichen Lymphozyten mittels Vielfarben-CISS Hybridisierung dargestellt. Die Aufnahme erfolgte digital mit CCD-Kamera. Auf jedem der mit einer chromosomenspezifischen DNA-Bibliothek sichtbar gemachten Chromosom wurden ausgewählte Bandenabschnitte mit YAC-Klonen zusätzlich gelb oder rot markiert.
Die primäre Konstriktion (Zentromerbereich) der Chromosomen blieb aus
technischen Gründen ungefärbt (methodische Einzelheiten siehe [25]).
Individuelle
Chromosomen
sind sichtbar
Zellteilung
Zellkern
Individuelle
Chromosomen
sind nicht
sichtbar
Verdoppelung der
Genombibliothek
Mikrodissektions- und Mikroklonierungsverfahren hergestellt werden
(14, 22). Zur selektiven Darstellung
von Abschnitten aus einzelnen Chromosomenbanden können menschliche DNA-Proben (von etwa 50 kbp
[1 kbp entspricht 1000 Basenpaare]
bis 1 Mbp) in künstliche Hefechromosomen (yeast artificial chromosomes,
YACs) eingebaut und in Hefezellen
vermehrt werden. Noch kleinere
menschliche DNA-Proben können
als Phagen-, Cosmid- oder Plasmidklone in Bakterien generiert werden.
Als besonders geeignet für FISH-Experimente haben sich Cosmide erwiesen, die einen menschlichen DNAAbschnitt von bis zu 40 kbp enthalten
können (21, 23, 24, 37, 46). Mit solchen Proben können heute sogar ausgewählte Abschnitte einzelner Gene
sichtbar gemacht werden. Die Anzahl
chromosomal kartierter DNA-Klone
des menschlichen Genoms hat in
jüngster Zeit sehr stark zugenommen
Mit der YAC-Bibliothek des Centre
d'Etude du Polymorphisme Humain
(CEPH) (2) konnten bereits überlappende YAC-Probensätze (Contigs)
für einzelne menschliche Chromosomen, zum Beispiel das Chromosom 21
(5), hergestellt werden. Für diagnostische Fragestellungen wichtige Proben
werden zunehmend auf kommerzieller Basis angeboten.
Vielfarben-Fluoreszenz-insitu-Hybridisierung
Zu den herausragenden Entwicklungen der letzten Jahre gehört
die Entwicklung der Vielfarben-FISH
(25, 28, 32, 33). Damit können zur
Zeit bis zu einem Dutzend verschiedener Genomabschnitte simultan in
einer Zelle unterschieden werden
(10). Dabei ist zu bedenken, daß die
Zahl der Fluorochrome mit getrennten Emissionsspektren bis heute gering ist.
Grundlage für die Vielfarbendarstellung ist daher die „kombinatorische Fluoreszenzmarkierung" (29, 31,
Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 22, 2. Juni 1995 (55) A-1595
MEDIZIN
AKTUELL
Abbildung 6: a) Metaphasespreitung aus dem peripheren Blut eines Patienten mit chronisch myeloischer Leukämie mit der reziproken Translokation
t(9;22) (q34;q11). Der für das FISH-Experiment verwendete YAC-Klon enthält einen DNA-Abschnitt, der
sich über die kritische Bruchpunktregion (breakpoint
cluster region) auf Chromosom 22 erstreckt (24).
Durch reziproken Austausch mit Chromosom 9 ist ein
abnormes Chromosom 22 (das Philadelphia-Chromosom; großer Pfeil) entstanden. Kleine Pfeile weisen
auf das abnorme Chromosom 9 (rechts) und das normale Chromosom 22 (links). b) Die drei Signale in
einem Zellkern des Patienten markieren das normale Chromosom 22, das Philadelphia-Chromosom und
das derivative Chromosom 9. Normale Zellkerne, die
hier nicht abgebildet sind, zeigen dagegen nur zwei
Signale. Diese beiden Abbildungen wurden mit einem
Fluoreszenz-Mikroskop auf einem Farbfilm aufgenommen. Abbildung c) zeigt die schematische Darstellung der normalen Situation und die Situation bei
der Translokation.
32). Bei dieser Technik werden DNAProben mit verschiedenen Kombinationen von Haptenen oder Fluorochromen markiert. Mit zwei Fluorochromen (zum Beispiel grün, rot) lassen sich so drei Genomabschnitte
markieren (zwei Markierungen mit
den einzelnen Fluorochromen, eine
Markierung mit der Kombination der
beiden Fluorochrome).
Mit drei Fluorochromen sind bereits sieben Genomabschnitte verschiedenfarbig darstellbar
Nach Aufnahme mit einer CCDKamera und digitaler Bildverarbeitung können den einzelnen Fluorochromkombinationen auf dem Bildschirm geeignete Falschfarben zugeordnet werden (Abbildung 3).
Für die nahe Zukunft darf man
erwarten, daß die Zahl der kommerziell verfügbaren Fluorochrome mit distinkten Emissionsspektren zunehmen wird.
Hinzu kommt die Möglichkeit,
verschiedene Mischungsverhältnisse
der Fluorochrome zur Probenmarkierung zu verwenden. Auf diese Weise
konnten wir bereits mit zwei Fluorochromen fünf Chromosomenpaare
verschiedenfarbig sichtbar machen
(11). Nach gepulster Laseranregung
können Fluorochrome mit unterschiedlicher Fluoreszenzlebensdauer
auch dann unterschieden werden,
wenn sie im gleichen Spektralbereich
emittieren.
Bei einer Beurteilung des diagnostischen Potentials der Vielfarben-FISH darf man daher die Möglichkeit in Rechnung stellen, daß in
nicht allzuweit entfernter Zukunft bei
Bedarf alle Chromosomen einer
menschlichen Zelle verschiedenfarbig dargestellt werden können. Für
die meisten diagnostischen Anwendungen werden allerdings sehr viel
weniger Farben ausreichend sein.
wird, können durch die FISH-Technik
individuelle Chromosomen und Gene
auch in Zellkernen während der Interphase sichtbar gemacht werden
(Abbildung 2a).
Zu Beginn der FISH-Ära anfangs der achtziger Jahre standen
zunächst DNA-Sequenzen zur Verfügung, mit denen das zentromerische
Heterochromatin einzelner Chromosomen angefärbt werden konnte.
Mit Hilfe einer Probe für das zentromerische Heterochromatin von
Chromosom 18 gelang es 1986 in unserem Labor erstmalig, eine Trisomie
18 in Zellkernen kultivierter Fruchtwasserzellen nachzuweisen.
Die Zellkerne zeigten durchgehend drei Hybridisierungssignale anstelle der üblicherweise erwarteten
zwei Signale (7). Für diesen Ansatz
wurde der Begriff Interphasezytogenetik geprägt.
Durch Darstellung ausgewählter
Chromosomen und Gene mit Hilfe
der FISH-Technik ist es möglich geworden, die Kopienzahl spezifisch gefärbter Genomabschnitte in allen Zellen einer Zellkultur oder eines Gewebeschnittes zu ermitteln (15, 38).
Interphasezytogenetik
Individuelle Chromosomen sind
im Verlauf des Zellzyklus nur
während der Mitose sichtbar, im Zellkern während der Interphase bleiben
sie unsichtbar (Abbildung 4). Im Gegensatz zur klassischen Zytogenetik,
die an gebänderten Chromosomen
während der Zellteilung durchgeführt
A-1596 (56) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 22.2. Juni 1995
MEDIZIN
AKTUELL
Beispiele für diagnostische
Anwendungen in klinischer
Zytogenetik und
Tumorzytogenetik
FISH ist zu einem Verfahren herangereift, mit dem spezifische diagnostische Aufgaben in der klinischen
Zytogenetik und Tumorzytogenetik
rasch und sicher gelöst werden können, sofern die benötigten DNA-Proben in einem Labor verfügbar sind
(3). Die folgenden Beispiele demonstrieren einige dieser Einsatzmöglichkeiten.
Beispiel 1: Ein Junge leidet an
der X-chromosomal rezessiv vererbten Muskeldystrophie Duchenne. Mit
molekulargenetischen Methoden
wurde eine Deletion innerhalb des
Dystrophingens nachgewiesen, das im
kurzen Arm des X-Chromosoms
(Bande Xp21) lokalisiert ist. Die
Krankheit ist in der Familie bislang
nicht vorgekommen. Es besteht der
Wunsch nach einem weiteren Kind,
und die Eltern wollen wissen, ob die
Krankheit ihres Sohnes durch eine
Neumutation verursacht wurde (sehr
geringes Wiederholungsrisiko) oder
ob die Mutter bereits Überträgerin ist
(das Wiederholungsrisiko liegt dann
für jeden weiteren Sohn bei 50 Prozent). Um diese Entscheidung zu ermöglichen, haben wir in Chromosomenpräparaten aus mütterlichen
Lymphozyten die beiden X-Chromosomen selektiv dargestellt (Abbildung 2b). Ein Cosmid-Klon, der innerhalb des beim Sohn deletierten
Abschnitts des Dystrophingens liegt,
zeigt in allen untersuchten Zellen nur
auf einem der beiden X-Chromosomen ein Signal. Die Mutter ist demnach Überträgerin für die Muskeldystrophie Duchenne.
Beispiel 2: Viele Schwangere lassen heute eine Chorionbiopsie oder
eine Fruchtwasserpunktion durchführen, um eine Trisomie 21 (Morbus
Down) und andere klinisch relevante,
numerische Chromosomenaberrationen (Trisomie 13, Trisomie 18) bei
ihrem Kind auszuschließen. Mittels
Interphasezytogenetik ist es möglich,
Fruchtwasserzellkerne gezielt auf numerische Chromosomenaberrationen
zu untersuchen (Abbildung 5). Dieser
interphasezytogenetische Ansatz
könnte große Bedeutung bei neuen
Entwicklungen erlangen mit dem
Ziel, im mütterlichen Blut zirkulierende fetale Zellen auf numerische
Chromosomenaberrationen zu analysieren (13, 47).
Beispiel 3: Bei einem Patienten
mit chronisch myeloischer Leukämie
soll die für diese Erkrankung typische
Translokation t(9;22) (q34;q11) nachgewiesen werden (Abbildung 6). Der
dazu verwendete YAC-Klon enthält
einen etwa 200 kbp großen DNA-Abschnitt von Chromosom 22, der die
kritische Bruchpunktregion (breakpoint cluster region) einschließt (24).
Mittels Vielfarben-FISH ist es möglich, spezifische Aberrationen in ein-
Tumor DNA
Referenz DNA
Abbildung 7: Prinzip der vergleichenden genomischen Hybridisierung mit einer 1:1-Mischung aus Tumor-DNA und diploider Referenz-DNA auf normale
Referenzchromosomen (vergleiche auch die Abbildungen 8 und 9). Ein großer Überschuß an unmarkierter, menschlicher Cotl -DNA (diese DNA-Fraktion
enthält den Großteil repetitiver Sequenzen des
menschlichen Genoms) verhindert die unspezifische
Hybridisierung markierter, repetitiver Proben-Sequenzen. Der dunkelgrau schattierte kurze Arm und
das zentromernahe Drittel des langen Arms des beispielhaft dargestellten Referenzchromosoms repräsentieren Chromosomenabschnitte, die gleich stark
Referenz
Chromosom
Fluoreszenz
Intensitätsprofile
mit Tumor-DNA-Sequenzen und Referenz-DNA-Sequenzen hybridisieren. Die stark markierte Bande
(schwarz) zeigt die Lokalisation von DNA-Sequenzen, die im Tumorgenom amplifiziert sind. Der hellgrau schattierte Bereich des langen Arms repräsentiert einen Abschnitt, in dem etwa halb so viele Tumor-DNA-Sequenzen wie Referenz-DNA-Sequenzen
hybridisieren. Die Fluoreszenz-Intensitätswerte werden mit einer CCD-Kamera aufgenommen und mittels
digitaler Bildverarbeitung entlang der medialen Achse des Referenzchromosoms berechnet. Das Ergebnis
läßt sich am Fluoreszenz-Quotientenprofil (Division
der Fluoreszenzintensität hybridisierter Tumor-DNA
Fluoreszenz
Quotientenprofil
dividiert durch die Fluoreszenzintensität der Refe
renz-DNA) ablesen. Bei CGH mit der DNA eines pseu
dodiploiden Tumors sind Chromosomen oder Chromo
somenabschnitte mit einem Fluoreszenzquotienten
um 1 in zwei Kopien vorhanden. Fluoreszenzquotienten,die größer gleich 1,5 sind, identifizieren Chromosomenmaterial mit erhöhter Kopienzahl (größer
gleich 3). Chromosomenbanden mit stark erhöhten
Werten verweisen auf den Herkunftsort von Sequenzen, die in der Tumor-DNA amplifiziert vorliegen
(Hinweis auf die Position eines oder mehrerer Onkogene). Ein Abfall der Werte auf 0,5 spricht für eine
Deletion.
Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 22, 2. Juni 1995 (57) A 1597
-
MEDIZIN
AKTUELL
Abbildung 8: Der Ausschnitt einer Metaphasespreitung (46,XX) zeigt die Lokalisierung von amplifizierten DNA-Sequenzen eines kleinzelligen Bronchialkarzinoms mittels CGH in der Bande 8q24.1 beider
Chromosomen 8. Der Befund weist auf eine mögliche
Beteiligung des in 8q24.1 lokalisierten c-myc-Onkogens bei dieser Amplifikation hin. Aus Ried et al.
(36).
zelnen Tumorzellkernen unter Hunderten von normalen Zellkernen zu
erfassen (35). In Verbindung mit automatisierten Verfahren der Auswertung eröffnet diese Entwicklung neue
Möglichkeiten der Verlaufskontrolle
bei Leukämien.
Vielfarben-StrichKodierung von
Chromosomen
Für die Zukunft eröffnet die Entwicklung der Vielfarben-FISH völlig
neue Möglichkeiten einer automatisierten und auf spezifische Fragestellungen zugeschnittenen molekularzytogenetischen Diagnostik. Dazu wurde in unserer Arbeitsgruppe in Analogie zur international verbreiteten
Warenkennzeichnung mit einem
Strich-Muster („bar code") das Konzept einer Vielfarben-Kodierung von
Chromosomen („chromosomal bar
code") entwickelt (25) (Abbildung 3).
Der Untersucher kann sich zu
diesem Zweck DNA-Proben von denjenigen Genomabschnitten zusammenstellen, die für die anstehende klinische Fragestellung unmittelbar relevant sind und eine geeignete farbige
Markierung auswählen. Bei der molekularzytogenetischen Analyse bestimmter Tumoren können Proben
beispielsweise so zusammengestellt
werden, daß sie tumorspezifische
Translokationsbruchpunkte überspannen oder flankieren und tumorspezifische Deletionen und Amplifikationen erfassen. Durch eine derar-
tige chromosomale Kodierung kann
eine hochauflösende, molekularzytogenetische Analyse auf diejenigen
Chromosomenabschnitte konzentriert werden, die im gegebenen Fall
für die Differentialdiagnose, für die
Prognose und — in Zukunft vermutlich
in zunehmendem Maße — für die Therapieplanung relevant sind. Die Anpassungsfähigkeit an die vorgegebene
Fragestellung und die Möglichkeiten
der automatisierten Auswertung machen dieses neue Konzept für die molekularzytogenetische Diagnostik besonders geeignet. Eine von der Europäischen Gemeinschaft unterstützte Konzertierte Aktion von molekularen Zytogenetikern und Experten für
Mikroskopentwicklung und Bildverarbeitung (European Concerted Action of Automated Molecular Cytogenetics) hat sich die Erarbeitung der
methodischen Grundlagen für den
breitgefächerten diagnostischen Einsatz der FISH-Technik zum Ziel gesetzt.
Vergleichende genomische
Hybridisierung (CGH)
Das Konzept einer VielfarbenStrich-Kodierung von Chromosomen
setzt voraus, daß die jeweils relevanten Genomabschnitte bekannt sind
und geeignete DNA-Proben zur Verfügung stehen. Obwohl in den vergangenen Jahren das Wissen über genetische Veränderungen bei malignen Erkrankungen rasch zugenommen hat,
ist dieses Wissen vor allem bei vielen
A-1598 (58) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 22, 2. Juni 1995
soliden Tumoren noch immer sehr
lückenhaft. Für diese Tumoren sind
die für die Tumorentstehung, Progression und Metastasierung relevanten Genloci bislang nur unvollständig
oder gar nicht bekannt. Voraussetzung einer „positionellen" Klonierung der tumorrelevanten Gene ist
die präzise Kartierung der Genorte
auf den Chromosomen. Der Nachweis von überzähligem oder deletiertem Chromosomenmaterial dient dabei als wichtiges Kriterium für die Lokalisation möglicher Onkogene oder
Tumorsuppressor-Gene. Solche Analysen sind sehr arbeits- und zeitaufwendig. Ein neues molekularzytogenetisches Verfahren, die „vergleichende genomische Hybridisierung"
(comparative genomic hybridization;
CGH) (11, 16, 17, 18, 19, 20) erlaubt
die rasche und umfassende Analyse
eines Genoms auf über- oder unterrepräsentierte DNA-Abschnitte.
Dieses von einer amerikanischen
Arbeitsgruppe 1992 erstmals veröffentlichte Verfahren (17) basiert auf
folgendem Prinzip (Abbildung 7).
Test-DNA (beispielsweise genomische DNA) eines Tumors wird mit einem Hapten (zum Beispiel Biotin)
oder auch direkt mit einem Fluorochrom (beispielsweise dem grünfluoreszierenden FITC) markiert. Genomische DNA normaler Zellen (46,XX
oder 46,XY) wird als Referenz-DNA
mit einem anderen Hapten (wie Digoxigenin) oder direkt mit einem zweiten Fluorochrom (zum Beispiel dem
rotfluoreszierenden TRITC) markiert. Test- und Referenz-DNA wer-
EDIZI
AKTUELL
Abbildung 9: CGH-Analyse mit Tumor-DNA aus outoptischem Material einer Patientin mit kleinzelligem
Lungenkarzinom (36). Die Tumor-DNA (Detektion
mit FITC; grüne Fluoreszenz) wurde im Verhältnis 1:1
mit Referenz-DNA (Detektion mit TRITC; rote Fluoreszenz) eines gesunden, männlichen Probanden gemischt und auf Metaphasespreitungen mit normalem, weiblichem Chromosomenkomplement (46, XX)
hybridisiert. a) Die Metaphasespreitung zeigt eine
relativ homogene Färbung mit TRITC (Hybridisierung
der Referenz-DNA). b) Die FITC-Färbung dieser Metaphasespreitung (Hybridisierung der Tumor-DNA)
zeigt eine im Vergleich zur Referenz-DNA stärkere
oder schwächere Färbung einzelner Chromosomen
und Chromosomenabschnitte. c) Überlagerung des
FITC- und TRITC-Bildes: Chromosomenabschnitte mit
signifikant erhöhten FITC/TRITC-Quotienten (Hinweis
auf eine Überrepräsentation des Chromosomenabschnitts im Tumor) sind in dieser Falschfarbendarstellung grün, Chromosomenabschnitte mit signifikant
erniedrigten FITC/TRITC-Quotienten (Hinweis auf eine Unterrepräsentation des Chromosomenabschnitts
im Tumor) sind rot gekennzeichnet. Blau gefärbte
Abschnitte repräsentieren unauffällige FITC/TRITCQuotienten. Die Zahlen geben die ChromosomenNummer an. d) Fluoreszenz-Bänderung mit DAPI.
Zur verbesserten Sichtbarmachung des Bandenmusters wurde eine inverse Darstellung gewählt. Die
Aufnahmen (a), (b) und (d) wurden mit einer CCDKamera mit FITC, TRITC und DAPI-spezifischen Filterkombinationen aufgenommen. e) Paarweise Anordnung der in (9c) dargestellten Chromosomen. Man
beachte, daß homologe Chromosomen ein weitgehend identisches Falschfarbenbild aufweisen. Beispielsweise sind die kurzen Arme auf beiden Chromosomen 3 rot (Verlust von 3p), die proximalen Abschnitte des langen Arms sind blau (Hinweis auf eine
ausgeglichene Kopienzahl), die distalen Abschnitte
grün (Erhöhung der Kopienzahl). Bei Chromosom 5
weist die Falschfarbendarstellung auf eine erhöhte
Kopienzahl des kurzen Arms und eine verminderte
Kopienzahl des langen Arms hin usw. Ungleichmäßige Farbverteilungen auf den beiden Chromatiden eines Chromosoms oder beiden homologen Chromosomen sind Hinweis auf Artefakte. Für statistisch gesicherte Aussagen muß eine Serie von Referenz-Metaphasespreitungen ausgewertet werden.
den im Verhältnis 1:1 gemischt und
dienen als Probe für eine CISS-Hybridisierung auf Metaphasespreitungen,
die von Lymphozyten normaler Spender präpariert werden (Referenzchromosomen). Dabei zeigt das Verhältnis zwischen den Fluoreszenzintensitäten von FITC und TRITC die
relative Kopienanzahl von Chromosomen oder Chromosomenabschnitten im Test-Genom im Vergleich zum
Referenz-Genom an. Die Abbildungen 8 bis 10 illustrieren ein CGH-Ex-
11
1
4 22 :t
M
t
So
•
,
2
9
»i7'
(s
13
1
1 3:1;33
1 e,
0•
jt.'
.
. 9
20
.
•
17
«dit
1I
1°,.,
15
411, 21
. 3
-›.
4
e.
te 6
n .•
periment mit der DNA eines kleinzelligen Lungenkarzinoms (36).
In den Labors von T. Cremer und
P. Lichter (Deutsches Krebsforschungszentrum) wurden CGH-Analyse-Protokolle, einschließlich der
Verfahren zur quantitativen, digitalen
Bildanalyse hybridisierter Referenzchromosomen, entwickelt (11, 12).
CGH-Studien an einer rasch wachsenden Zahl von Leukämien (1, 11)
und soliden Tumorentitäten, darunter
Mammakarzinome (18), maligne
Gliome (43), Melanome (40), chromophobe Nierenzellkarzinome (41),
Prostatakarzinome (4) und Seminome (42) demonstrieren die Möglichkeiten von CGH bei der Kartierung
genetischer Imbalanzen und geben
Hinweise auf tumorspezifische Muster. Klinische Verlaufsstudien werden zeigen, ob bestimmte Gewinne
und Verluste mit einem besonderen
klinischen Verlauf korrelieren. In diesem Zusammenhang ist die Möglichkeit von besonderem Interesse,
CGH-Analysen auch mit DNA aus
langjährig archiviertem Tumormaterial durchzuführen (39 und unveröffentlichte Befunde).
Ein integrativer Ansatz der klassischen und molekularen Tumorzytogenetik (Abbildung 11) überwindet
die methodischen Grenzen, die sich
bei der isolierten Anwendung jeder
einzelnen Methode ergeben, und erlaubt die unabhängige Überprüfung
von Befunden. Bänderungsanalysen
der Chromosomen setzen in der Regel die In-vitro-Kultivierung der Tumorzellen voraus. Double minute(DM-) Chromosomen und homogen
gefärbte Chromosomenregionen
Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 22, 2. Juni 1995 (59) A-1599
MEDIZIN
AKTUELL
(HSR, homogeneously stained regions) weisen auf das Vorkommen
von DNA-Amplifikationen hin. Zur
Identifizierung von Markerchromosomen und hochauflösenden Bruchpunktanalysen (bei Bedarf im kbpBereich [45]) kann (Vielfarben-)
FISH an Metaphasespreitungen
durchgeführt werden. Die Häufigkeit
spezifischer numerischer und struktureller Aberrationen in der Zellkultur
und im Gewebeschnitt kann mit Hilfe
der Interphasezytogenetik ermittelt
werden. Die Auswahl der Proben
hängt davon ab, welche Veränderungen im Einzelfall diagnostisch oder
prognostisch wichtige Informationen
liefern. Als „Screening"-Methode zur
umfassenden Analyse von Tumorzellen auf unbekannte Chromosomenveränderungen kann heute zusätzlich
zu Bänderungsanalysen die CGHMethode eingesetzt werden. CGH erlaubt im Gegensatz zu Bänderungsanalysen eine rasche chromosomale
Kartierung amplifizierter DNA-Sequenzen und bietet den entscheidenden Vorteil, daß selbst aus kleinsten
Mengen Tumorgewebe (zum Beispiel
Feinnadelbiopsien) genügend DNA
für eine Gewinn/Verlust-Bilanz von
Chromosomenmaterial extrahiert
werden kann. Im Bedarfsfall kann die
DNA zuvor mit einer Polymerasekettenreaktion unter Verwendung degenerierter Oligonukleotidprimer
(DOP-PCR) amplifiziert werden
(44). Bei dieser Modifikation reicht
die DNA von wenigen Zellen (kleiner
100 pg) für eine CGH-Analyse aus
(39). Mit Mikrodissektionsverfahren
können interessierende Zellareale
auch aus paraffineingebetteten Gewebeschnitten isoliert und einer
CGH-Analyse zugeführt werden (42).
Durch Vielfarben-FISH mit entsprechend ausgewählten DNA-Proben
können die Ergebnisse derartiger
Analysen an Metaphasespreitungen
und Zellkernen verifiziert werden. Im
Vergleich mit Bänderungsanalysen
sind Grenzen der CGH-Technik dadurch gegeben, daß tumorspezifische,
balanzierte Translokationen oder Inversionen, die ebenfalls wichtige Hinweise für die Lokalisation tumorrelevanter Gene geben, mit dieser Methode nicht erfaßt werden können. Im
Unterschied zu Bänderungsanalysen
und Vielfarben-FISH kann eine
Abbildung 10: CGH-Analyse eines kleinzelligen
Bronchialkarzinoms. Mittelwerte der FITUTRITCFluoreszenzquotientenprofile wurden für jeweils
10 Referenzchromosomen ermittelt (36). Die
1
2
3
drei Linien neben den
schematisch dargestellten
Chromosomen (ISCN
1985) stellen von links
nach rechts einen unteren
Schwellenwert, normale
12
6
7
Fluoreszenzquotienten
und einen oberen Schwellenwert dar. Eine Unterschreitung des unteren
Schwellenwerts oder eine
18
14
15
13
Überschreitung des oberen Schwellenwertes weist
darauf hin, daß ein Ver20
19
lust oder ein Gewinn des
entsprechenden Chromox
soms oder Chromosomenabschnitts in mindestens 50 Prozent der Tumorzellen eingetreten ist. Die schraffierten Areale kennzeichnen he
terochromatische Abschnitte, die von der Bewertung ausgeschlossen wurden. Die Profile für die Chromosomen
3, 4, 5, 8, 9, 10, 13, 16, 17, 19 und 21 weisen auf pathologische Veränderungen hin, während die Profile für
die übrigen Chromosomen unauffällig sind. Das nach rechts verschobene Profil für das X-Chromosom ist Ausdruck der höheren X-Kopienzahl in der weiblichen Tumor-DNA im Vergleich zur männlichen Referenz-DNA.
1
1
Integrierter Ansatz zur Tumor-Genom-Analyse 1
Normales TumorGewebe gewebe
Mitosechromosomen
DM
Bänderungs- I
analyse
Gewebeschnitte
Histologie
Markerchromosomen
1'
Kontroll
DNA
Test
DNA
4,
2
Vergleichende
genomische In-situHybridisierung (CGH)
Abbildung 11: Integrierter Ansatz zur Tumor-Genom-Analyse mit zytogenetischen und molekularzytogenetischen Verfahren (für Einzelheiten siehe den Text).
A-1600 (60) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 22, 2. Juni
1995
Kartierung von
• DNA-Amplifikationen
• Gewinn und Verlust von
Chromosomenmaterial
Vielfarben-Fluoreszenz
In-situ-Hybridisierung I
Molekulargenetische
Analyse
A
Selektion von
DNA-Proben
MEDIZIN
AKTUELL/FÜR SIE REFERIERT
CGH-Analyse nicht auf dem Niveau
einzelner Tumorzellen durchgeführt
werden. Ein zu großer Prozentsatz
normaler Zellen im Tumorgewebe
kann zu falsch negativen Resultaten
führen (12). Die Auflösung einer
CGH-Analyse liegt derzeit im Bereich einer Chromosomenbande (etwa 10 Mbp). Sie genügt also nicht, um
Gewinne und Verluste einzelner tumorrelevanter Gene unmittelbar zu
erfassen. Eine weitere, wesentliche
Steigerung des Auflösungsvermögens
ist zu erwarten, wenn es gelingt, CGH
auf einer Filter-Matrix mit ZielDNA-Proben durchzuführen, die tu-
morrelevante Gene anstelle ganzer
Chromosomen repräsentieren.
Wir danken Frau Heidi Holtgreve-Grez und Frau Brigitte Schöll für
die ausgezeichnete Mitarbeit sowie
der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Deutschen Krebshilfe, der
Sander Stiftung, dem Land BadenWürttemberg und der Europäischen
Gemeinschaft für die finanzielle Unterstützung.
Die Verfasser widmen diese Arbeit Frau Prof. Dr. med. SchroederKurth zum 65. Geburtstag
Helicobacter-pylori-Eradikationstherapie
beim blutenden Ulkus
Das Ulkusrezidiv wird durch
Helicobacter pylori gesteuert. Beim
blutenden Ulkus ist deshalb eine
Helicobacter-pylori-Eradikationstherapie Standard. In zwei Studien konnte gezeigt werden, daß dadurch die
Blutungsrate praktisch auf Null gesenkt werden kann.
In der Studie aus Fulda wurden
Patienten mit einer Ulkusblutung
zwei Wochen lang entweder mit 40
Milligramm Omeprazol oder 40 Milligramm Omeprazol plus zweimal ein
Gramm Amoxicillin therapiert.
Während der einjährigen Nachbeobachtung lag die Rezidivrate in der
kombiniert behandelten Gruppe
(Eradikationsrate 83 Prozent) bei 10
Prozent, in der Gruppe mit Omeprazol-Monotherapie bei 41 Prozent.
Die Blutungsrezidivrate lag bei 0
beziehungsweise 27 Prozent. In einer
zweiten Studie aus Athen wurde eine
Behandlung mit dreimal 20 Milligramm Omeprazol und viermal 500
Milligramm Amoxicillin durchgeführt.
Die Eradikationsrate der Kombinationstherapie lag bei 81,3 Prozent.
Auch hier lag die Blutungsrezidivrate bei den keimfrei gewordenen
Patienten bei 0, bei den Helicobacter-
Über den natürlichen Verlauf der verschiedenen
Erkrankungen des Ulkus
Über den natürlichen Verlauf der
Ulkuskrankheit liegen nicht allzu viele Daten vor. Die Autoren führten ein
Telefon-Interview mit 728 Ulkus-Patienten durch, bei denen diese Diagnose in den Jahren 1980 bis 84 gestellt worden war. Während der Beobachtungsperiode waren sieben Patienten (1 Prozent) von acht bis zehn
Jahren an direkten Ulkuskomplikationen verstorben. 15,2 Prozent hatten kein weiteres Geschwür durchgemacht, 10,9 Prozent hatten aus einem
Geschwür geblutet, 0,7 Prozent eine
Perforation erlitten. 17,5 Prozent der
Patienten mußten innerhalb des Beobachtungszeitraums operiert werden. Die operierten Patienten klagten
über weniger Symptome als die nicht
operierten. Durchschnittlich hatte der
nicht operierte Patient pro Jahr zwölf
Wochen Symptome und nahm zehn
Wochen lang H2-Blocker ein. Eine
Langzeitbehandlung mit H 2-Blockern
wurde von 18 Prozent der Patienten
praktiziert. Über ein Drittel der Pati-
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärzteb11995; 92: A-1593-1601
[Heft 22]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf
das Literaturverzeichnis im Sonderdruck,
anzufordern über die Verfasser.
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Thomas Cremer
Institut für Humangenetik
und Anthropologie
Ruprecht-Karls-Universität
Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 328
69120 Heidelberg
pylori-Positiven bei 30 Prozent. Da
die Letalität der Ulkusblutung nach
wie vor um 10 Prozent beträgt, muß
heute praktisch bei allen Patienten,
die aus einem Ulkus bluten, eine Helicobacter-Therapie durchgeführt werden.
Jaspersen D, Körner T, Schon W, Brennstuhl
M, Raschka C, Hammar C-H: Helicobacter
pylori eradication reduce the rate of rebleeding in ulcer hemorrhage. Gastrointest Endosc 1995; 41: 5-7
Medizinische Klinik, Akademisches Lehrkrankenhaus, Pacelli-Allee 4-6,36043 Fulda
Rokkas T, Karameris A, Mavrogeorgis A,
Rallis E, Giannikos N: Eradication of
Helicobacter pylori reduces the possibility of
rebleeding in peptic ulcer disease. Gastrointest Endosc 1995; 41: 1-4
Gastroenterology Unit and Histopathology
Dept. 401, Army General Hospital, Athens,
Greece
enten (36 Prozent) berichtete, daß die
Ulkussymptome die Lebensqualität
negativ beeinflussen würden.
Die Autoren kommen zu dem
Schluß, daß bei über einem Drittel
der Patienten mit peptischem Ulkus
nach wie vor eine erhebliche Symptombelastung besteht und daß das
Ulkusleiden komplikationsträchtig
verläuft.
Petersen H, Kristensen P, Johannessen T,
Kleveland PM, Dybdahl JH, Myrvold H: The
Natural Course of Peptic Ulcer Disease and
its Predictors. Cand J Gastroenterology
1995; 30: 17-24
Section of Gastroenterology, Dept. of Medicine, Trondheim University Hospital, N-7006
Trondheim
Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 22, 2. Juni 1995 (61) A-1601
Zugehörige Unterlagen
Herunterladen