Das Messie-Syndrom Zwangserkrankung oder Verwahrlosung? Rita Kolling Runder Tisch Teltow am 24.04.2015 Überblick • Beschreibung der Störung • Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern • Entstehungstheorien bzw. Überlegungen • Diagnostik • Auswirkungen • Behandlung Mess = Unordnung; zwanghaftes Horten; bezeichnet schwerwiegende Defizite in der Fähigkeit die eigene Wohnung ordentlich zu halten und die Alltagsaufgaben zu organisieren; daher auch Desorganisationsproblematik genannt indem unterschiedliche Dinge gesammelt und nicht mehr weggeworfen oder entsorgt werden. Es wird nicht mehr unterschieden zwischen brauchbar und unbrauchbar, wichtig und unwichtig (Ende der 90er als Messies bezeichnet) Das innere Chaos, das sich nach außen zeigt Beschreibung der Störung • Nach Schätzung von Selbsthilfegruppen gibt es in Deutschland ca 1,8 Mill. Menschen, die von dieser Störung betroffen sind, davon 80% Frauen • Hauptsymptome neben Unordnung und zwanghaftem Sammeln sind Probleme mit Zeiteinteilung und Pünktlichkeit, Handlungsunfähigkeit auch in wichtigen Situationen, Nichterledigen von sozialen Verpflichtungen, sozialer Rückzug; extremste Form „Vermüllungssyndrom“ • Insgesamt Hilflosigkeit unter dem Druck des Chaos Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern • Das Messie-Syndrom ist nicht notwendigerweise das Symptom einer anderen Erkrankung sondern kann als eigenständiges Störungsbild betrachtet werden. - Ähnlichkeiten zu ADHS - Verwahrlosung im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen, z.B. Sucht, Depression, Schizophrenie - Altersverwahrlosung Abgrenzung zu Zwangshandlungen - sind zweckmäßige und beabsichtigte Verhaltensweisen, die nach bestimmten Regeln ausgeführt werden, um eine imaginäre Gefahr bzw. Unruhe und Angst zu reduzieren - müssen nicht direkt beobachtbar sein, sondern können auch kognitiv ablaufen (z.B. bewusstes, absichtliches Denken von Mustern und Satzformeln) - entscheidend ist, dass es sich um zweckmäßige Maßnahmen handelt um eine antizipierte Katastrophe abzuwenden -grundsätzlich besteht Widerstand gegen die Ausführung der Zwangshandlungen, dieser kann aber mit zunehmender Chronifizierung immer geringer werden und zuletzt mehr oder minder aufgegeben werden - Zwangshandlungen können über Stunden unterdrückt und aufgeschoben werden • • • • • • • • • Die Messie – Symptomatik kann auch Teil einer anderen Erkrankung sein: Demenz Schizophrenie Depression Zwangserkrankung Manie Alkoholismus Drogenabhängigkeit Borderline-Persönlichkeitsstörung ADHS Ursachen • Aus psychoanalytischer Sicht: Ursachen sind in der Kindheit zu suchen • Neuere Sicht: individuell sehr verschiedene, viele mögliche Ursachen Entstehungstheorien/Ursache n/Hypothesen • Ausschlussdiagnosen sind körperliche Erkrankungen • Folge eines Traumas, Verlusterlebnisse, Trennungsangst, keine emotionale Bindung an Menschen • Mangel an Fürsorge in der Kindheit • „Leere“ füllen • zu strenge Reinlichkeitserziehung • übermäßiger Zwang zur Ordnung • Geiz, als Persönlichkeitsvariable • Die Diskrepanz zwischen der inneren Welt der eigenen Wünsche und den äußeren Anforderungen nicht in Einklang bringen können, inneres Chaos • Müll = Entlastung von anderen seelischen Problemen, Entmüllung verursacht Panik • Biologische Befunde: positive Familienanamnese, Chromosomenveränderungen, reduzierter Glukosemetabolismus, gestörte Aufmerksamkeit, Störungen in der Informationsverarbeitung Diagnostik • MHI – Index (Messie-House-Index): Ausmaß der Einschränkungen des Aktionsraums, man setzt dabei die begehbare Fläche zur belegten Fläche in Beziehung und transformiert in eine 10 stufige Skala • Fragebogen der SFU (Sigmund Freud Univ.) • Interviews • Hausbesuche Auswirkungen • Für die Betroffenen: häufig bewältigen sie das Leben nicht mehr, verlieren die Arbeit und Beziehungen, vereinsamen, verwahrlosen • Für die Angehörigen: kein Raum mehr, gebrochene Verbrechen, Hilfsangebote werden zurückgewiesen, sie machen sich Sorgen, Kontakte werden eingeschränkt, Kinder können keine Freunde einladen, sie haben Angst die Wohnung zu verlieren, Schuldgefühle nicht helfen zu können Der erste Schritt zur Überwindung des äußeren Chaos ist die Einsicht, etwas verändern zu wollen. Therapeutische Konsequenzen • Hilfestellung durch konkrete Handlungsanweisungen (oft zu Hause aufsuchend, Räumungsstrategien) • Coaching (konkrete Maßnahmen werden durchdiskutiert, Betroffene motiviert mehr Ordnung in ihr Leben zu bringen) •Selbsthilfegruppen (Betroffene schließen sich zusammen, ev. unterstützt durch Psychotherapeuten) • Psychotherapie (meist Verhaltenstherapie wie Exposition, kognitive Therapie und psychodynamische Verfahren) • Angehörigengruppen • Medikamente • Ratgeber Exposition • Ziel: dazu fähig sein, unangenehme Gefühle auszuhalten: - graduiert - schonender - massiert – belastender - Übungen in sensu - Vorstellungsübungen ...was wäre ich, wenn ich kein Messie wäre? LITERATUR Alfred Pritz (Hrsg.) Das Messie-Syndrom Phänomen-Diagnostik-Therapie-Kulturgeschichte des pathologischen Sammelns Springer-Verlag 2009