MENSCH EN Patientenbegleitservice: ❭❭ STETS EIN OFFENES OHR Das JaVita Service-Team (von oben nach unten): Katrin Kunka, Dr. Heike Pede, Janet Geneschen, Maike Lange, Helga Krause, Nadine Becker 4/10 14 Fotos: J. Schulzki Eine Krebsdiagnose trifft die Betroffenen meist unvorbereitet. Unzählige Fragen rund um Erkrankung, Diagnose, Therapie und Nachsorge stellen sich. Versicherte der AOK Rheinland/Hamburg werden mit ihren Ängsten und Sorgen nicht allein gelassen: Der JaVitaPatienten-Begleitservice bietet ihnen KOMPETENTE HILFE und Unterstützung. D as Gebäude der AOK Rheinland/Hamburg in Neuss beherbergt den JaVitaPatienten-Begleitservices. Ab acht Uhr morgens ist das sechsköpfige Team erreichbar und an manchen Tagen geht es gleich von Beginn an hoch her: Kaum hat Janet Geneschen das Büro betreten, klingelt schon ihr Apparat. Die Anruferin ist bei ihr gleich an der richtigen Adresse. Sie möchte wissen, ob sie nach der Brustoperation Anspruch auf einen Zuschuss zu einem speziellen Prothesen-BH hat. Die Sozialversicherungsfachangestellte kann sie beruhigen: „Für die Erstversorgung werden Ihnen sogar zwei Modelle bezuschusst.“ Im weiteren Gesprächsverlauf erfährt sie, dass die Patientin sportlich aktiv ist und teilt ihr mit, dass sie auch einen Zuschuss zu einem Badeanzug erhalten kann. Bei Kollegin Maike Lange, die seit Ende Juli das Team verstärkt, wird derweil ein Antrag auf Befreiung der Zuzahlung angefragt. Sie notiert die Daten und stellt die Unterlagen zusammen. „Und bei weiteren Fragen können Sie sich jederzeit wieder melden“, schließt sie. Eine weitere Versicherte interessiert sich für die Übernahme der Taxikosten. Die JaVita-Mitarbeiterin erklärt, in welchen Fällen und wie viel die Krankenkasse übernimmt. Eine Zuzahlung steht hier außer Frage, und Maike Lange verschickt die erforderlichen Unterlagen inklusive einer Liste der Taxiunternehmen, die AOK-Vertragspartner sind. PERSÖNLICH UND KOMPETENT Ein Zimmer weiter hat sich Besuch angekündigt. Dr. Heike Pede erwartet Jörg Grapatin aus Frechen. Vor zweieinhalb Jahren wurde bei ihm ein Harnblasenkarzinom diagnostiziert; seitdem wendet er sich regelmäßig an den JaVita-PatientenBegleitservice. Dieses Mal möchte er über die Nebenwirkungen seines Medikamentes sprechen. Die Fachärztin für Hämatologie und Onkologie kann die Fragen schnell klären: „Es handelt sich um ganz normale Begleiterscheinungen, die unangenehm, aber ungefährlich sind.“ Im weiteren Gespräch gehen die beiden die aktuellen Die beiden Ärztinnen Katrin Kunka und Heike Pede tauschen sich über medizinische Fragen aus. Untersuchungsergebnisse durch. Bei der letzten Kontrolle war eine Auffälligkeit bemerkt worden, der Verdacht auf ein Rezidiv hatte sich jedoch nicht bestätigt. Jörg Grapatin hat noch ein Anliegen. „Ich tue mich schwer mit der Rauchentwöhnung und werde immer wieder mal schwach.“ Heike Pede schlägt ihm verschiedene Methoden vor und die beiden diskutieren über die Vor- und Nachteile und Machbarkeit. Der 35-Jährige wirkt zuversichtlich: „Sie und ihre Kollegin Frau Geneschen haben mir schon so oft geholfen, da bin ich sehr dankbar. Das Informationsmaterial und die Broschüren waren ein guter Einstieg und die Telefonate, in denen ich meine Fragen zu Diagnose und Rehabilitation ausführlich beantwortet bekam, sowie die persönlichen Beratungen hier im Hause haben mich sehr aufgebaut.“ Im Anschluss an das Gespräch tätigt Dr. Pede Rückrufe. AOK-Mitarbeiter und Kolleginnen des JaVita-Teams notieren bei Anfragen, wenn gewünscht, die Nummern und leiten sie an die zuständige Expertin weiter. Der nächste Rückruf gilt Friedhelm Böwe. Der 53-Jährige leidet an einem metastasierenden Aderhautmelanom und die Fachärztin begleitet ihn seit Juni dieses Jahres. Den Kontakt zum Begleitservice hatte er auf Anraten seiner Geschäftsstelle aufgenommen, um eine Zweitmeinung einzuholen. Heike Pede besorgte im Auftrag des Patienten die Befunde und Untersuchungsergebnisse und vermittelte innerhalb kürzester Zeit einen Termin in einer Fachklinik. „AOK-Versicherte haben die Möglichkeit, den neuen Zweitmeinungsservice zu nutzen, ein Kooperationsangebot mit drei Universitätskliniken und zwei onkologischen Zentren im Rheinland“, sagt die Onkologin. Davon profitierte auch Friedhelm Böwe: „Ich konnte mich nach wenigen Tagen in der Essener Uniklinik vorstellen und habe ausführlich mit den Ärzten das Für und Wider der empfohlenen Therapie besprochen. Im Anschluss stand mir Frau Dr. Pede weiterhin hilfreich zur Seite.“ Sein aktuelles Anliegen: Er möchte sich über ein neues Medikament aus den USA informieren, die AOK-Ärztin bittet er, ihm medizinische Fachausdrücke zu erläutern. UMFANGREICHES ANGEBOT Schräg gegenüber ist Nadine Becker in ihrem Element. Die neue Leiterin des Patienten-Begleitservices stellt die Angebote genau auf die Bedürfnisse der Kunden ab. „Unser Team möchte den Betroffenen helfen, indem wir ihre Fragen beantworten, ihnen Ängste nehmen und sie bestmöglich entlasten“, sagt die Sozialversicherungsfachangestellte. „Wir versuchen, sie so umfassend wie möglich zu informieren und nehmen uns so viel Zeit für jeden Einzelnen wie gewünscht“, sagt sie. Der Service vereint nicht nur die bisherigen Angebote der Krankenkasse, sondern ergänzt sie mit dem Ziel, den an Krebs erkrankten AOK-Versicherten von Beginn an Sicherheit zu geben und ihnen eine optimale Betreuung und Begleitung über die ärztliche Behandlung hinaus zu gewährleisten. Adressen und Ansprechpartner, etwa von Kliniken und Selbsthilfegruppen, werden zusammengestellt, Informationsmaterial und Broschüren versendet und ein regelmäßiger Newsletter angeboten. „Wir bieten unseren Kunden Patientenseminare an, die beispielsweise Themen wie Ernäh4/10 15 MENSCH EN Nadine Becker spricht mit Nicole Lacroix, die nach ihrer Brustkrebsdiagnose Rat und Hilfe beim PatientenBegleitservice gesucht hatte. rung, Entspannung und Bewegung behandeln. Im Rahmen von Veranstaltungen halten wir Vorträge, die sich unter anderem mit medizinischen Fragen und rechtlichen Problemen befassen“, sagt Nadine Becker. GESPRÄCHE SIND WICHTIG Doch in erster Linie zählt das Gespräch: „Unsere Kunden rufen aus den unterschiedlichsten Gründen an. Viele haben rein sachliche Anliegen, die sich auf die Leistungsansprüche beziehen wie Haushaltshilfen oder die Gewährung von Hilfsmitteln“, gibt sie Einblicke in das umfangreiche Serviceangebot. „Andere möchten sich ‚nur‘ mitteilen oder melden sich bei uns, um ihre Familie nicht mit ihren Sorgen und Problemen zu belasten. Sie sind froh, wenn ihnen einfach mal jemand zuhört und sie sich aussprechen können. Vielen fällt dies am Telefon leichter als im persönlichen Gespräch.“ Wieder andere melden sich, wenn sie nach dem Arzttermin noch Fragen haben, die Therapieplanung in Ruhe durchgehen möchten oder sie etwas nicht verstanden haben. So wie Nicole Lacroix, die nach ihrer Brustkrebs-Diagnose im April 2009 völlig „plan- und ratlos“ den Begleitservice angerufen hatte. „Alle Mitarbeiterinnen waren sehr hilfreich: Sie haben mir geduldig immer wieder alle medizinischen Fragen erläutert. Ich wurde auch darüber informiert, dass mir während der Krankenhaus- und Reha-Aufenthalte eine Haushaltshilfe zusteht. Es war 4/10 16 Wie man einem Ratsuchenden am besten helfen kann besprechen die JaVita-Expertinnen bei Bedarf im Team: (v. l.) Katrin Kunka, Nadine Becker, Maike Lange. ein gutes Gefühl, sich nicht um rechtliche Sachen sorgen zu müssen, so konnte ich mich voll auf mich, meine Erkrankung und Genesung konzentrieren“, erinnert sich die junge Mutter. „Mein Mann und ich konnten wirklich wegen jeder Kleinigkeit anrufen und sind immer gut betreut worden. Uns wurde stets signalisiert, dass wir uns jederzeit melden können.“ Dieses Mal hat sie Nadine Becker um ein Gespräch gebeten. Es geht um die Zuzahlung bei der Lymphdrainage. Die Sozialversicherungsfachangestellte kann die Patientin beruhigen, da sie weiterhin von der Zuzahlung befreit ist. Mit ihren Problemen mit den Nebenwirkungen ihrer Antihormontherapie ist sie allerdings besser bei Katrin Kunka aufgehoben. Die Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe beantwortet die Fragen und erkundigt sich nach dem neuesten Stand der Nachsorge. Nicole Lacroix berichtet, dass sie bereits mit 36 Jahren erkrankt ist und auch ihre Mutter und eine Tante von Brustkrebs betroffen sind. In solchen Fällen weist die Medizinerin auf die Möglichkeit einer genetischen Beratung in speziellen Zentren hin. Im Rheinland gibt es diese Zentren an den Universitätskliniken in Köln und in Düsseldorf. „Es ist mir ein großes Anliegen, die Frauen auf diese Möglichkeit hinzuweisen“, sagt sie. SORGEN ERNST NEHMEN Katrin Kunka ist ihre Arbeit sehr wichtig und sie freut sich, Zeit und Ruhe für aus- führliche Gespräche zu haben. „Nach der Diagnose werden die Patienten in aller Regel ausführlich von den behandelnden Ärzten der Kliniken und dem niedergelassenen Bereich informiert. In dieser Ausnahmesituation können jedoch viele Frauen die Fülle an Informationen schwer verarbeiten. Daher rufen sie bei uns an und möchten erneut über die Erkrankung und die Therapie sprechen. Wir bemühen uns, ihnen ihre Sorgen und Bedenken zu nehmen. In den meisten Fällen verlaufen Operation, Chemo- und Strahlentherapie schließlich relativ unproblematisch. Das versuchen wir zu vermitteln.“ Aber die Begleitung geht weit über die Betreuung während der Akuttherapie hinaus. Häufig leiden die Betroffenen während und nach der Therapie an anhaltender Antriebslosigkeit und ständiger Erschöpfung. Dies können Symptome von Fatigue sein. Katrin Kunka rät in solchen Fällen aktiv zu werden und sich zu bewegen. „Auch wenn es anfangs sehr schwer fällt, vermittelt es ein gutes Gefühl, etwas für sich zu tun und verbessert damit auch die Lebensqualität.“ DIE RICHTIGE ERNÄHRUNG Ein weiteres Serviceangebot von JaVita befasst sich mit der Ernährung, für die Helga Krause zuständig ist. Viele Anruferinnen sind Brustkrebspatientinnen, die aufgrund ihrer Antihormontherapie mit dem Gewicht zu kämpfen haben. „Wer abnehmen I N FOS KONTAKT JaVita-Patienten-Begleitservice AOK-Haus, Oberstraße 33, 41460 Neuss Tel. 0800 0512512 (kostenfrei) Persönlich erreichbar: montags bis mittwochs 8 bis 16 Uhr donnerstags 8 bis 18 Uhr freitags 8 bis 16 Uhr 24-Stunden-Service: www.javita.de Auch Jörg Grapatin sucht regelmäßig Rat beim JaVita-Patienten-Begleitservice. Hier im Gespräch mit Dr. Heike Pede. möchte, sollte nicht zu wenig essen, denn der Körper lässt sich nicht austricksen und passt sich der geringeren Zufuhr an. Der Bedarf ist individuell verschieden und jeder verarbeitet die Nahrung anders. Am sinnvollsten ist es, die Ernährung dem individuellen Bedarf anzupassen und dann nur ein wenig unter dem zu bleiben, was der Körper braucht“, rät die DiplomOecotrophologin. „Bewegung tut ein Übriges. Es ist einiges gewonnen, im Alltag aktiver zu sein, denn Muskelmasse verbraucht mehr Kalorien als Fettmasse. Also lieber Treppen steigen statt den Fahrstuhl nehmen, so oft wie möglich Fahrrad fahren, spazieren oder schwimmen gehen.“ Die Ernährungsberaterin weiß wie schwierig es ist, sich gerade beim Essen von lieb gewonnenen Gewohnheiten zu trennen. Daher begleitet sie viele Anrufer über einen längeren Zeitraum. Zunächst versendet sie hilfreiche Broschüren, lässt „Essprotokolle“ schreiben, klärt Vorlieben und Abneigungen, überlegt, was geändert werden sollte und vermittelt, dass Abnehmen und leckeres Essen sich nicht ausschließen müssen. Ein Anrufer hat mit dem Gegenteil zu kämpfen, er ist Darmkrebspatient und beklagt einen übermäßigen Gewichtsverlust. „Nach der Operation wird die Nahrung anders verwertet, und in Ihrem Fall werden die Inhaltsstoffe nicht mehr ausreichend über die Darmwand an den Körper übermittelt“, erklärt Helga Krause. „Sie sollten auf qualitativ hochwertige und ausgewogene Ernährung achten und ihre Nahrung eventuell anreichern, beispielsweise Saucen mit Sahne und hochwertigem Öl. Sinnvoll sind sieben bis neun kleine Mahlzeiten und beispielsweise der Ersatz von Mager- durch Sahnequark. Dies ist wichtig, um einen Abbau der Muskelmasse aufgrund eines zu schnellen Gesichtsverlustes zu verhindern.“ UNTERSTÜTZUNG IM TEAM Janet Geneschen führt derweil ein schwieriges Telefonat. Die Anruferin lässt sich kaum beruhigen, sie befindet sich in einer akuten seelischen Krise. „Aus meiner langjährigen Erfahrung weiß ich, dass es oft hilft, einfach nur zuzuhören, aber es gibt Fälle, da sind auch mir Grenzen gesetzt“, sagt sie. Wenn sie das Gefühl hat, nicht ausreichend helfen zu können und die psychische Belastung hoch ist, bietet sie das Gespräch mit Dr. Julia Petmecky an, psychologische Psychotherapeutin bei Clarimedis. Die Anruferin nimmt das Angebot an und die Psychologin setzt sich mit ihr in Verbindung. Janet Geneschen ist froh, solche Unterstützungsmöglichkeiten vermitteln zu können. „Wenn ich als Sozialversicherungsfachangestellte nicht weiterhelfen kann, gibt es Experten, die sich um unsere Versicherten kümmern können.“ Der ständige Austausch untereinander und die hervorragende Teamarbeit ermöglichen einen guten Umgang auch mit schwierigen Situationen. Sie fasst das treffend zusammen: „In solchen Fällen bin ich froh, dass wir ein so gutes Team sind und uns auch gegenseitig unterstützen.“ Und gleich geht es weiter, der nächste Anrufer ist schon in der Leitung. mf 4/10 17 Leiterin Nadine Becker, Sozialversicherungsfachangestellte und Betriebswirtin Katrin Kunka, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe Dr. Heike Pede, Fachärztin für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie Janet Geneschen, Sozialversicherungsfachangestellte Helga Krause, Diplom-Oecotrophologin und Sozialversicherungsfachangestellte Maike Lange, Sozialversicherungsfachangestellte Dr. Julia Petmecky, psychologische Psychotherapeutin bei Clarimedis AUFGABEN Informationen zur Ernährung bei Krebs durch die Ernährungsberaterin Medizinische Informationen zu Fragen der Diagnostik, Therapie und Nachsorge Sammeln aller wichtigen Informationen und Recherche in medizinischen Fachzeitschriften Ansprechpartner für Mitarbeiter in den Regionaldirektionen bei allen Nachfragen rund um das Thema Krebs Vermittlung von Selbsthilfegruppen Newsletter des JaVita-PatientenBegleitservice AOK-Magazin JaVita für Krebspatienten und Angehörige