Erscheinungsort: Wien; Verlagspostamt: A-8600 Bruck an der Mur, “02Z033070“, P.b.b. Jahrgang 6 / Ausgabe 4/02 INTENSIV - NEWS Österreichische Gesellschaft für Internistische und Allgemeine Intensivmedizin Neuroprotektion nach kardiopulmonaler Reanimation Der Herzkreislaufstillstand stellt durch sein oft unerwartetes und plötzliches Auftreten eine große Herausforderung für die involvierten Personen, ob Laien oder Fachkräfte, dar. Trotz suffizienter Reanimation, die die Grundlage für das Überleben und das neurologische Ergebnis darstellt, bleibt ein hoher Prozentsatz der Patienten über längere Zeit komatös. Es stellt sich daher die Frage, durch welche Maßnahmen das Überleben dieser Patienten verbessert werden könnte. Hier kommt natürlich der zerebralen Protektion besondere Bedeutung zu, da das Ziel der Therapie auch die vollständige Wiederherstellung der zerebralen Funktion ist. Durch den Stopp der Organperfusion beim Herz-Kreislauf-Stillstand kommt es am Beginn zu reversiblen, nach längerer Dauer zu irreversiblen Schädigungen. Der Verlust von energiereichem Phosphat durch die Hypoxie führt in weiterer Folge zu einer Dysbalance der Ionen-Homöostase mit intrazellulärem Anstieg von Ca++ und Na+ mit konsekutivem Verlust der Therapeutische Hypothermie nach kardiopulmonaler Reanimation Membran-Integrität und Akkumulation von freien Radikalen und inflamatorischen Mediatoren und als Endpunkt zu einer Nekrose oder Apoptose neuronaler Zellen. Diese komplexe Kaskade von destruktiven Prozessen ist jedoch mit der Wiederherstellung des Kreislaufs noch nicht zu Ende. Die von Negovsky als „Post Resuscitation Disease“ bezeichnete Abfolge von weiteren Schädigungsprozessen nach erfolgreicher Wiederbelebung, dürfte einen nicht unerheblichen Beitrag zum gesamten zerebralen Schädigungsausmaß nach einer Reanimation leisten. Hier kommt es zum einem zu einer Perfusionsstörung, die sich staFortsetzung auf Seite 3 re 5 Jah NEWS! SIV- Gastherausgeber: Prof. Dr. Marcus Müllner Homepage der ÖGIAIM: www.intensivmedizin.at Archiv: www.medicom.cc N INTE Neuroprotektion nach kardiopulmonaler Reanimation • Akute Pulmonalemboie • Universitäts-Klinik für Notfallmedizin, AKH Wien • Fallbericht • Intensivmedizinische Kontroversen • Intensivpflege Fuisz-Moodley + Wagner, Graz Trimix isokal/Trimix perikal: Zusammensetzung 2000 ml enthalten (g): L-Isoleucin 3,5/1,75; L-Leucin 6,3/3,15; L-Lysin 6,5/3,25; L-Methionin 1,9/0,95; L-Phenylalanin 4,5/2,250; L-Threonin 4,2/2,1; L-Tryptophan 1,5/0,75; L-Valin 6,2/3,1; L-Arginin 8,0/4,0; L-Histidin 6,0/3,0; LAlanin 15,5/7,75; L-Asparaginsäure 2,1/1,05; N-Acetyll-cystein 1,414/0,707; L-Glutaminsäure 9,3/4,65; Glycin 6,3/3,15; L-Ornithin 2,5/1,25; L-Prolin 8/4, L-Serin 4,7/2,35; L-Tyrosin 0,6/0,3; N-Acetyl-N-tyrosin 1,11/0,555; Glucose 200/125; Sojabohnenöl 100/50; Eilecithin 6/3; Glycerol 12,5/12,5; Cl 4,1/2,05 mmol; Acetat 44,5/22,05 mmol. Gesamtenergiegehalt: ca. 2200/1200 kcal; AS: 100/50 g; Stickstoff: 15,58/7,79 g; Osmolarität: 1065/636 mmol/l. Anwendungsgebiete: Aminosäuren- und Energiequelle zur parenteralen Ernährung bei mittel- bis langfristiger Nahrungskarenz und hohem Energiebedarf, z.B. zur postoperativen parenteralen Ernährung, zur parenteralen Ernährung von Intensivpatienten etc. Nach Zugabe von Elektrolyten, Spurenelementen und ev. Vitaminen ist Trimix isokal zur totalen parenteralen Ernährung geeignet.Die intravenöse Anwendung von Aminosäuren ist angezeigt, wenn eine orale bzw. enterale Zufuhr nicht möglich und eine medikamentöse Aminosäurensubstitution zwingend erforderlich ist./ Aminosäuren- und Energiequelle zur parenteralen Ernährung z.B. posttraumatisch, postoperativ nach mittelgroßen Eingriffen, zur Operationsvorbereitung bei katabolen Patienten, bei malnutritierten Patienten. Die intravenöse Anwendung von Aminosäuren ist angezeigt, wenn eine orale bzw. enterale Zufuhr nicht möglich und eine medikamentöse Aminosäurensubstitution zwingend erforderlich ist. Gegenanzeigen: Angeborene Störungen des Aminosäuren-Stoffwechsels, schwere Acidosen (pH < 7,1), unbehandelter Schock, unmittelbar nach Polytraumen und großen Operationen, fortgeschrittene Leberinsuffizienz, Nebennierenrindeninsuffizienz, Hyperglycämie, Fresenius Kabi Austria GmbH Hafnerstraße 36, A-8055 Graz/Austria, Tel.: +43 (0) 316 / 249-0 e-Mail: [email protected], Internet: www.fresenius-kabi.at Diabetes mellitus (Ausnahme: Insulinabdeckung), hyperosmolares Koma, differentialdiagnostisch ungeklärtes Koma, Hyperlactatämie, Hyperbilirubinämie, analytisch nachgewiesene Hyperlipämie, Fettstoffwechselstörungen, Fettembolie, Früh- und Neugeborene, Säuglinge und Kleinkinder. Allgemeine Gegenanzeigen der Infusionstherapie wie Hyperhydratationszustände, dekompensierte Herzinsuffizienz, Nierenfunktionsstörungen (Oligurie, Anurie), Lungen- und Hirnödem sind zu berücksichtigen. Vorsicht bei Hyponatriämie, Hypokaliämie, Hypoxie, erhöhter Serumosmolarität und Glucoseverwertungsstörungen. Zulassungsnummer: ZV 1-23455/PV 1-23456; Abgabe: Rp, apothekenpflichtig, weitere Angaben zu Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Gewöhnungseffekten und zu den besonderen Warnhinweisen zur sicheren Anwendung sind der Austria Codex Fachinformaiton zu entnehmen. Neuroprotektion nach CPR dienhaft entwickelt. Zum anderen kommt es zu Reoxygenierungsschäden durch die Aktivierung von chemischen Kaskaden an deren Endpunkt die Generierung von freien Radikalen liegt. Die dritte Quelle sind extrazerebrale Ursachen (z. B. durch Hypoxie geschädigte Darmabschnitte) und als letzte Ursache sind Veränderungen der Bluthomöostase infolge der Stase während des Herz-Kreislauf-Stillstandes zu nennen. Zusätzlich zu den oben angeführten Schädigungsprozessen dürfte auch die Akkumulation von exzitatorischen Aminosäuren wie Glutamat und Aspartat zu einer weiteren Schädigung führen. Allgemeine Maßnahmen Die Aufrechterhaltung eines ausreichenden zerebralen Perfusionsdrucks und Oxygenierung stellen die basalen Maßnahmen nach einer erfolgreichen Reanimation dar. Jedoch ist die optimale Höhe der Oxygenierung nach der Reanimation derzeit noch nicht bekannt, weswegen Normalwerte angestrebt werden sollten. Die Anwendung einer hypertensiven Hemodilution zur Überwindung des „No-Reflow“ Phänomens, wurde bisher nur im Tierversuch erfolgreich geprüft und kann deswegen ebenfalls noch nicht allgemein empfohlen werden. Experimentelle Daten legen einen Zusammenhang zwischen hohen Blutglukosewerten und zerebralen Schädigungen während und nach eines Herz-Kreislauf-Stillstand nahe. Ein hoher Blutzuckerspiegel in den ersten 24 Stunden nach einer Reanimation ist mit einem schlechten neurologischen Outcome vergesellschaftet. Ob die Senkung des Glucosespiegels jedoch zu einer Verbes- serung des Ergebnisses führt, wurde noch nicht untersucht. Für die generelle Sedierung nach einer längerdauernden erfolgreichen Wiederbelebung gibt es sowohl positive als auch negative Argumente. Dagegen spricht, dass sedierte Patienten in ihrer neurologischen Funktion nicht beurteilbar und dass in experimentellen Untersuchungen eine tiefe und langandauernde Sedierung zu einer Verlängerung bis irreversiblen Störung der neurologischen Erholung führte. Auf der anderen Seite gibt es indirekte Hinweise, dass eine ausreichende Sedierung zu Beginn des Ereignisses eine Reduktion von psychotraumatischen Symptomen bei den betroffenen Patienten erzielen könnte. Medikamentöse Neuroprotektion Medikamentöse Ansätze zur Zerebroprotektion waren im Tierversuch wechselnd erfolgreich. Thiopental, Ca++-Antagonisten wie Nimodipin oder Lidoflazin, Antioxidantien wie Superoxyd-Dismutase oder Deferroxid, N-methyl-D-aspartate Antagonisten oder Substanzen, die in den GABA oder Adenosin Stoffwechsel eingriffen, wurden untersucht. Es wurden jedoch großteils keine klinischen Studien durchgeführt und in den wenigen klinische Studien, konnten die experimentellen Erfolge nicht wiederholt werden. Dies lag sicher zum Teil an der Inhomogenität der in diese Studien eingeschlossenen Patienten aber andererseits auch an den parallelverlaufenden sehr komplexen biochemischen Kaskaden, bei denen ein einzelnes Medikament möglicherweise nur einen von vielen schädigenden Mechanismen blockieren kann. Ein interessanter neuer aber auch nur experimentell untersuchter Ansatz ist der der Gentherapie. Hier wurde versucht, mittels eines HerpesSimplex-Virus Vektors die genetische Information für Proteine des Glucose Transportes, sowie für Calcium Buffer, Stressproteine, die die Malformation oder Aggregation von Proteinen verhindern und für Proteine, die die Apoptose verhindern, in ischämische Zellen einzuschleusen. Durch diese Therapie gelang es, das Überleben von Neuronen während und nach zerebraler Ischämie zu verlängern. Therapeutische milde Hypothermie Im Gegensatz zu akzidenzieller Hypothermie ist die Hypothermie, die z. B. während eines kardiopulmonalen Bypasses oder während eines neurochirurgischen Eingriffes verwendet wird, therapeutisch und wird kontrolliert angewendet. Das Prinzip der Neuroprotektion mit Hypothermie wird schon längere Zeit bei kardio- und neurochirurgischen Eingriffen eingesetzt. Hier wird die Kühlung aber während des schädigenden Ereignisses verwendet. Dies ist jedoch bei akut auftretenden Zuständen, wie Reanimationen oder Schlaganfällen nicht möglich. Es konnte aber im Tierversuch gezeigt werden, dass auch eine erst nach dem Ereignis beginnende Hypothermie protektiv sein kann. Dabei hat sich auch herausgestellt, dass eine Kühlungsbehandlung multifaktoriell, an mehreren schädigenden Abläufen gleichzeitig eingreift. Sie kann die Biosynthese, Freisetzung und Wiederaufnahme von exzitatorischen Neurotransmittern hemmen, deren Anstieg mit einer irreversiblen Fortsetzung auf Seite 5 INTENSIV - NEWS JUNI 2002 3 Flolan ist ein natürlich vorkommendes Prostaglandin, das in der Intima der Blutgefäße gebildet wird. Es ist der stärkste bisher bekannte Thrombozytenaggregationshemmer. ® Hemmung der Thrombozytenaggregation mit Köpfchen. erhält Plättchenfunktion und Plättchenzahl2. verringert das Risiko zirkulierender Mikroembolien3. reduziert den Heparin-Bedarf und damit die Risiken langdauernden Heparineinsatzes2. verringert das Risiko für das Auftreten einer Hämorrhagie1. antagonisiert die Heparin-induzierte Förderung der Plättchenaggregation4,5,6,7. Literaturhinweis: 1) Zusman R. M. et al, N. Engl. J. Med. 304; 934. 2) Turney J. H. et al, Lancet 219–222; 2; 8188. 3) Woods H. F. et al, Lancet 1075–1077; 2; 8099. 4) M. Kuzniewski et al, Nephron 1990; 56: 174–178. 5) Kapsch D. N. et al, Heparin-induced thrombocytopenia, thromosis and hemorrage. Surgery 1979, 86: 148–155. 6) McIntyre D. E. et al, Heparin opposes prostanoid and non prostanoid platelet inhibitors by direct enhancement of aggregation. Res. 1981; 22: 167–175. 7) Thomson C. et al, The potentation of platelet aggregation and adhesion by heparin in vitro and in vivo. Clin. Sci. Mol. Med. 1973; 45: 485–494. Fachinformation: FLOLAN™ 0,5 mg Trockensubstanz zur Infusionsbereitung mit Lösungsmittel. Zusammensetzung: 1 Stechampulle enthält 0,5 mg Epoprostenol-Natriumsalz als Trockensubstanz. Weitere Bestandteile: Glycin, Natriumchlorid, Mannitol und Natriumhydroxid. 1 Stechampulle des Lösungsmittels enthält 50 ml wässerige Glycin–Pufferlösung mit einem pH–Wert von ca. 10,5. Anwendungsgebiete: Flolan kann als Antikoagulans bei der Hämodialyse eingesetzt werden, als Alternative für Heparin nur bei Patienten, bei denen Heparin nicht angewendet werden kann (z.B. Risiko einer heparinbedingten Blutung). Flolan darf nur von Ärzten mit Erfahrung auf dem Gebiet der Hämodialyse und nur in Abteilungen mit entsprechender Notfallausrüstung angewendet werden. Gegenanzeigen: Flolan ist kontraindiziert bei Patienten mit bekannter Überempfindlichkeit gegenüber Epoprostenol oder einen der verwendeten Hilfsstoffe. Patienten mit folgenden Erkrankungen sollten Flolan nur unter besonders intensiver Überwachung der Kreislauf- und Gerinnungsparameter erhalten (siehe auch „Besondere Warnhinweise zur sicheren Anwendung“): erhöhtes Blutungsrisiko (vor allem floride Magen-, Darmulcera, intrakranielle Blutungen), akute oder chronisch dekompensierte Herzinsuffizenz, schwere koronare Herzkrankheit, instabile Angina pectoris, Leberinsuffizenz, schwere Hyper- und Hypotonie. Schwangerschaft und Stillperiode: Über die Anwendung von Flolan in der Schwangerschaft liegen noch keine ausreichenden Erfahrungen vor. In diesen Fällen sollte Flolan daher nur bei strenger Indikationsstellung unter Berücksichtigung des unbekannten Risikos für das Kind angewendet werden. Über die Anwendung von Flolan während der Stillperiode liegen keine Erfahrungen vor. Z.Nr.: 1–20 059. Zulassungsinhaber: Glaxo Wellcome Pharma GmbH, Wien. Hersteller: GlaxoWellcome Operations, Greenford, England. Weitere Angaben zu Nebenwirkungen, Gegenanzeigen und zu den besonderen Warnhinweisen zur sicheren Anwendung sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen. Neuroprotektion nach CPR Zellschädigung assoziiert ist. Auch andere intrazelluläre Mediatoren, wie Kalzium/Kalmodulin-abhängige Proteinkinase II und Proteinkinase C, die für das zelluläre Überleben essenziell sind, werden durch die Hypothermie geschützt. Zusätzlich kommt es zu einer Verlangsamung von destruktiven enzymatischen Prozessen, einer Protektion von Lipidmembranen, sowie zu einer Verminderung des Sauerstoffbedarfs ohne Beeinträchtigung der Mikrozirkulation in minderdurchbluteten Regionen. Daneben kommt es noch zu einer Verminderung der Lipidperoxidation, einer Abnahme des Hirnödems, einer Reduktion der intrazellulären Azidose, Verminderung von Schäden der Blut-Hirnschranke und zu einer Wiederherstellung der UbiquitinProduktion, eines Proteins, das maßgeblich an zellulären Reparaturmechanismen beteiligt ist. Für die Hypothermie scheint ein therapeutisches Fenster nach Ischämien zu existieren, jedoch könnte auch der verzögerte Beginn der Hypothermie zu einer Protektion führen, da gezeigt werden konnte, dass der postischämische Schädigungsprozess mehrere Tage andauert. In zwei klinischen Studien an Patienten nach Herz-Kreislauf-Stillstand konnte nun gezeigt werden, dass die Anwendung der Hypothermie zu einer signifikanten und auch klinisch bedeutenden Verbesserung des neurologischen Ergebnisses und zu einer Verminderung der Mortalität geführt hat. In der einen Studie wurden die Patienten durch mit Eiswasser gefüllten Päckchen, die im Bereich des Kopfes, des Thorax und der Leisten platziert wurden, über 12 Stunden auf eine Temperatur von 33° C gekühlt (N Engl J Med 2002; 346:557). Die andere Studie verwendete ein spezielles Kühlgerät, mit dem kalte Luft über den Patienten geblasen wurde (N Engl J Med 2002; 346:549). Hier wurde eine Temperatur von 3234° C und eine Kühldauer von 24 Stunden verwendet. Nennenswerte Komplikationen traten während dieser Therapie nicht auf und der Anteil an Patienten, die mit einem guten neurologischen Ergebnis überlebten, konnte von 26-39% auf 49-55% gesteigert werden. Etwa 6 Patienten müssten mit Hypothermie behandelt werden, um bei einem Patienten eine Verbesserung des neurologischen Ergebnisses zu bewirken. Es ist zu hoffen, dass diese sehr positiven Ergebnisse auch bei breiter Anwendung dieser Therapie erzielt werden können. Zusammenfassung Bisher führte keine Therapie mit neuroprotektiven Substanzen zu einer klinischen Verbesserung des neurologischen Ergebnisses nach einer zerebraler Schädigung. Mit der Anwendung der Hypothermie dürfte nun jedoch eine Therapie gefunden sein, die sich insbesondere nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand als aussichtsreiche neue neuroprotektive Therapie gezeigt hat. Ob jedoch diese Therapie die Erwartungen, die in sie gestellt werden, auch im klinischen Alltag erfüllen kann, werden weitere, größer angelegte Studien zeigen müssen. Diese Untersuchungen könnten auch die Fragen nach der optimalen Kühldauer, des bestmöglichen Temperaturbereiches und der idealen Kühlmethode beantworten helfen. Dr. Michael Holzer Universitätsklinik für Notfallmedizin AKH Wien I M P R E S S U M Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Internistische und Allgemeine Intensivmedizin (ÖGIAIM) Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. W. Druml, Prof. Dr. C. Madl, DGKS Josefa Imsel Der Inhalt namentlich gekennzeichneter Beiträge spiegelt die Meinung der Verfasser wider und muss nicht mit jener der ÖGIAIM bzw. Redaktion übereinstimmen. Kommentare und Zuschriften erbeten an: Sekretariat der ÖGIAIM, Postfach 53, A-1097 Wien, Fax: 01/40400-4543 E-Mail: [email protected] bzw. [email protected], Internet: www.intensivmedizin.at Heftpreis: € 2,45, Jahresabonnement: € 15,Verleger/Anzeigen/Layout: Verlag Medicom, Koloman-Wallisch-Platz 12, Postfach 1, 8600 Bruck/Mur Tel.: ++43/3862/56 400-0, Fax: ++43/3862/56 400-16, E-Mail: [email protected] Intensiv-News-Archiv unter: www.medicom.cc INTENSIV - NEWS JUNI 2002 5 Akute Pulmonalembolie Akute Pulmonalembolie: Diagnose und Therapie Konsensusstatement der Universitäts-Klinik für Notfallmedizin Die akute Pulmonalembolie wird häufig nicht diagnostiziert und daher nicht behandelt. Die Letalitätsrate der unbehandelten Pulmonalembolie wird mit bis zu 46% angegeben. Viele Patienten versterben bereits wenige Stunden nach Symptombeginn, noch bevor die Diagnose gestellt werden kann. Autopsiestudien haben gezeigt, dass bei lediglich 30% aller, an einer akuten Pulmonalembolie Verstorbenen, die Diagnose klinisch korrekt gestellt wurde. Das klinische Erscheinungsbild einer akuten Pulmonalembolie ist abhängig vom Ausmaß der Gefäßobstruktion sowie präexistenter kardiopulmonaler Erkrankungen. Die Herausforderung des Klinikers besteht nun darin individuell festzulegen, welche Kombination klinischer Befunde eine fortführende bildgebende Diagnostik und unter Umständen aggressive Therapie rechtfertigen. Zu diesem Zweck wurden bereits zahlreiche Algorithmen entwickelt. Nachfolgend soll die diagnostische und therapeutische Vorgangsweise an der Universitätsklinik für Notfallmedizin, AKH Wien, dargestellt werden. Tabelle 1: Basisdiagnostik bei Verdacht auf Pulmonalembolie Risikofaktoren vorausgehende thromboembol. Erkrankungen, Immobilisation, chir. Eingriffe, Karzinome, Hyperkoagulabilität, Adipositas, erhöhtes Lebensalter Symptome Dyspnoe, Thoraxschmerz (pleurit., retrosternal), Synkope, Beinschwellung klinische Befunde Tachypnoe, Tachykardie, Zyanose, 4. HT, betonter 2. HT, Zeichen von TVT Blutgasanalyse PaO2 < 80 mmHg, PaCO2 < 35 mmHg, P(A-a)O2 > 20 mmHg EKG Sinustachykardie, T-Negativierung V1-V3, SIQIIITIII Typ, AV-Block I, Rechtsschenkelblock, P-Pulmonale Lungenröntgen Atelektasen, Pleuraerguss, Zwerchfellhochstand und pleuranahe Oligämie kope sind bei Vorliegen einer Pulmonalembolie zwar typisch, jedoch ebenso unspezifisch, wie „typische“ klinische Befunde (Tab. 1). Anamnese: Da lediglich bei 14% aller Patienten mit Pulmonalembolie keine Risikofaktoren vorliegen, ist eine ausführliche Anamnese betreffend angeborener, sowie erworbener Prädispositionen notwendig. Blutgasanalyse, Elektrokardiogramm, Lungenröntgen: Blutgasanalyse, Elektrokardiogramm, sowie Lungenröntgen werden routinemäßig durchgeführt, dienen aber vorwiegend dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen der akuten Dyspnoe bzw. Thoraxschmerz (z. B. Myokardinfarkt, Pneumonie, Pneumothorax, Aortenaneurysma). Bei Pulmonalembolien häufig gefundene Befunde dieser Untersuchungen (Tab. 1) können zwar den klinischen Verdacht bestärken, sind jedoch zu unspezifisch um eine solche mit Sicherheit zu beweisen oder auszuschließen. Symptome, klinische Befunde: Dyspnoe, Thoraxschmerzen (pleuritisch oder retrosternal) und/oder Syn- Einschätzung der klinischen Wahrscheinlichkeit: Nach dem klinischen Verdacht ist die Basisdiagnostik 6 JUNI 2002 Einschätzung der Wahrscheinlichkeit auf Vorliegen einer Pulmonalembolie unter Einbeziehung der Basisdiagnostik ein wesentlicher Faktor in der Befundbewertung. Leider kann klinisch bei 2/3 aller Patienten nicht eindeutig definiert werden, ob eine hohe (> 80%) oder niedrige (< 20%) Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Pulmonalembolie besteht: • Hohe Wahrscheinlichkeit (> 80%): Risikofaktor, anders nicht erklärbare Atemnot, Tachypnoe oder Thoraxschmerz, nicht erklärbare Veränderungen im Lungenröntgen und der Blutgasanalyse • Mittlere Wahrscheinlichkeit (20-80%): nicht eindeutig zuordenbar • Niedrige Wahrscheinlichkeit (< 20%): kein Risikofaktor, Atemnot, Tachypnoe oder Thoraxschmerz durch andere Erkrankungen erklärbar, Veränderungen im Lungenröntgen und der Blutgasanalyse durch andere Erkrankungen erklärbar. INTENSIV - NEWS IMED 4/02 neu 04.06.2002 16:41 Uhr Seite 7 Akute Pulmonalembolie Labordiagnostik D-Dimer: Als wesentlicher laborchemischer Baustein in der Pulmonalemboliediagnostik hat sich die quantitative Bestimmung von Plasma D-Dimer mittels ELISA Test (cut-off 500µg/L) erwiesen. Ein positiver Test ist für das Vorliegen einer akuten Pulmonalembolie nicht beweisend, ein negativer Test schließt diese jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. Troponin: Kardiale Troponine als Indikatoren einer rechtsventrikulären Ischämie, scheinen von prognostischer Relevanz, ihre Bedeutung betreffend Indikationstellung einer thrombolytischen Therapie muss jedoch noch durch Studien geklärt werden. Bildgebende Diagnostik (direkt/ indirekt) Venen Duplex: Eindeutige klinische Zeichen einer tiefen Beinvenenthrombose bestehen lediglich zu einem geringen Prozentsatz, jedoch kann sonographisch bei 50% aller Patienten mit Pulmonalembolie eine Thrombose nachgewiesen werden. Wenn auch nicht beweisend, so ist das Vorliegen einer Pulmonalembolie bei entsprechender klinischer Symptomatik und positivem Farb-Doppler bzw. Kompressionsultraschall sehr wahrscheinlich und infolge der identen Therapie eine weitere Diagnostik nicht zwingend. Transthorakale Echokardiographie: Selten gelingt der direkte Nachweis intraluminaler oder rechtskardialer Thromben mittels transthorakaler Echokardiographie. Indirekte Zeichen der akuten Rechtsherzbelastung je- Tabelle 2: Therapeutische Maßnahmen in Abhängigkeit vom Schweregrad einer akuten Pulmonalembolie Diagnose Therapie leichte Pulmonalembolie Enoxaparin 1mg/kg KGW 2x/d sc. Dalteparin 120 IE/kg KGW 2x/d sc. O2 Insufflation hämodynamisch stabiler Patient mit echokardiographischer Rechtherzbelastung LMWH sc. w.o. oder Heparinperfusor aPTT adaptiert; Kurzzeitlyse bei fehlenden relativen Kontraindikationen hämodynamisch instabiler Patient mit echokardiographischer Rechtherzbelastung Heparinperfusor aPTT adaptiert Kurzzeitlyse bei Fehlen absoluter Kontraindikationen kardiogener Schock, reanimations-pflichtige kardiorespiratorische Insuffizienz Boluslyse; chirurgische Embolektomie bei Lyseversagen bzw. KI gegen Lyse, ggf. Bridging mittels ECMO Basismaßnahmen unabhängig vom klinischen Schweregrad Ruhigstellung, Lagerung, Sedoanalgesie, Sauerstoffzufuhr, Heparinbolus 5-10.000IE iv, Beine bandagieren supportive Therapie bei massiver Pulmonalembolie Volumen, Dobutamin, Noradrenalin, Prostaglandin E1, NO doch können den Verdacht auf eine massive Pulmonalembolie erhärten und bei entsprechender Klinik und hämodynamischer Instabilität ausreichend Anlass für den Einsatz aggressiverTherapiemaßnahmen geben. Der echokardiographische Nachweis einer akuten Rechtsherzbelastung scheint bei stabilen Patienten zusätzlich ein wesentlicher prognostischer Faktor. Transösophageale Echokardiographie: Wesentlich häufiger gelingt ein Thrombennachweis bei massiver Pulmonalembolie mittels TEE , die Spezifizität wird ähnlich jener des Spiral CT angegeben. Bei Schock bzw. unter Reanimationsmaßnahmen ist diese bettseitige diagnostische Möglichkeit von entscheidendem Wert, nicht zuletzt zum Ausschluss anderer Ursachen von hämodynamischer Instabilität. • dilatierter rechter Ventrikel (RVEDD > 30 mm) • hypokinetische freie Wand des rechten Ventrikels • erhöhte Relation RV/LV Diameter (> 0,5) • abnorme Septumposition,-bulging • TI-Velocity 2,7-3,5m/s (ohne vorbekannte pulmonale Druckerhöhung) • Dilatation proximaler Pulmonalarterien • Dilatation Vena cava inferior Szintigraphie: Infolge geringer Invasivität, guter Verfügbarkeit und Kosteneffektivität stellt die Szintigraphie nach wie vor eine geeignete Screeningmethode im diagnostischen Algorithmus der Pulmonalembolie dar. Bei Kombination von hoher klinischer und szintigraphischer Wahrscheinlichkeit kann das VorlieFortsetzung auf Seite 9 INTENSIV - NEWS JUNI 2002 7 Aventis Behring Vier gewinnt! B ® /N P Konzentrat der x e l p i r 4 Geri e nnungsf Graphic Art Studio - 502 • hoher, standardisierter Gehalt an Protein C • sehr hohe spezifische Aktivität • Zusatz von AT III und Heparin mit ausgewogener AT III / Heparin-Relation • 2-fache Virusinaktivierung gegen behüllte und unbehüllte Viren • NAT/PCR-Testung auf HBV, HCV, HIV, HAV und Parvo B 19 aktoren II, VII, IX, X (PPSB) NEU: higkeit Lagerfä te bei a 24 Mon C +25° Fachkurzinformation Beriplex® P/N 500 I.E.: Prothrombinkomplex vom Menschen (Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X), Zusammensetzung:1 Durchstichflasche mit 220 - 495 mg Lyophilisat (Humanplasmafraktion) enthält: Faktor IX Aktivität: 400 - 620 I.E., Faktor II Aktivität: 400 - 960 I.E., Faktor VII Aktivität: 200 - 500 I.E., Faktor X Aktivität: 440 - 1200 I.E., Protein C 300 - 900 I.E., Gesamtprotein: 120 - 280 mg, Spezifische Aktivitäten: Faktor IX: im Mittel 2,5 I.E. pro mg Gesamtprotein, Faktor II: im Mittel 3,2 I.E. pro mg Gesamtprotein, Faktor VII: im Mittel 1,7 I.E. pro mg Gesamtprotein, Faktor X: im Mittel 3,8 I.E. pro mg Gesamtprotein, Human-Albumin: 40 - 80 mg; Heparin: 8 - 40 I.E.; Antithrombin III: 4 - 30 I.E.; Natriumchlorid, Natriumcitrat; 1 Durchstichflasche mit 20 ml Wasser für Injektionszwecke, Anwendungsgebiete: Prophylaxe und Therapie von Blutungen, die durch einen kongenitalen oder erworbenen Mangel an Gerinnungsfaktor II, VII, IX und X (Prothrombinkomplex) verursacht werden. a) Kongenitale Gerinnungsstörungen: Mangel an Faktor II, VII, IX und X, der isoliert oder kombiniert auftreten kann, soferne keine Einzelfaktorkonzentrate verfügbar sind. b) Erworbene Gerinnungsstörungen: Blutungen bei schweren Leberparenchymschäden (Hepatitis, Leberzirrhose, Vergiftungen, Lebertraumen), Ösophagusvarizenblutungen. Die zusätzliche Gabe von Antithrombin III ist angezeigt. Überdosierung von Cumarin- und Indandion-Präparaten. Notfallsituationen und dringende Operationen während oraler Antikoagulantienbehandlung mit Cumarin- bzw. Indandion-Präparaten. Lebensbedrohliche Blutungen und Notfall-Operationen bei Vitamin-K1-Mangelzuständen (Verschlußikterus, Gallenwegs- und Pankreas-Erkrankungen, anhaltende Diarrhöen, massive Antibiotikatherapie). Blutungen bei Neugeborenen (perinatale Blutungen), durch Prothrombinkomplexmangel bedingt oder mitbedingt. Blutungsneigungen, bei denen anhand gerinnungsanalytischer Untersuchungen als wesentliche Ursache eine starke Verminderung der Faktoren des Prothrombinkomplexes nachgewiesen werden konnte. Bei komplexen Gerinnungsstörungen, z. B. Verbrauchskoagulopathien und Hyperfibrinolyse ist eine Therapie durch geeignete Mittel (z.B. durch Heparin, Antithrombin III, gefrorenes Frischplasma, Antifibrinolytika) zu berücksichtigen. Gegenanzeigen: Bei Patienten mit bekannter Überempfindlichkeit gegenüber Bestandteilen des Präparates ist Vorsicht geboten. Thrombosegefahr, Angina pectoris, frischer Herzinfarkt (Ausnahme: lebensbedrohliche Blutungen infolge Überdosierung von oralen Antikoagulantien sowie vor Einleitung einer fibrinolytischen Therapie). Bei einem hohen Risiko der Verbrauchskoagulopathie dürfen Prothrombinkomplex-Präparate nur nach Unterbrechung des Verbrauchs appliziert werden. Aktuelle oder aus der Anamnese bekannte allergisch bedingte Thrombozytopenie auf Heparin (Heparin assoziierte Thrombozytopenie Typ II, HAT Typ II). Pharmakotherapeutische Gruppe: Hämostyptika/Blutgerinnungsfaktoren, Zulassungsinhaber: Aventis Behring GmbH, A-Wien, Zulassungsnummer: 2-00179, Hersteller: Aventis Behring GmbH, A-Wien; Aventis Behring GmbH, D-Marburg, Rezept- und apothekenpflichtig, wiederholte Abgabe verboten, Weitere Angaben zu Nebenwirkungen, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen. Beriplex Inserat A4+Sticker 1 29.05.2002, 15:59 Uhr Fallbericht gen einer Pulmonalembolie mit nahezu 100% Sicherheit angenommen werden. Bei niedriger klinischer Vortestwahrscheinlichkeit und niedriger szintigraphischer Wahrscheinlichkeit kann eine relevante Pulmonalembolie praktisch ausgeschlossen werden. Leider findet sich eine derartige Befundkonstellation nur bei der Minderheit der Patienten. Spiral CT: Die Zuverlässigkeit des Spiral CT im Nachweis subsegmentaler Embolien ist weiterhin in Diskussion, es scheint hierbei jedoch der Pulmonalisangiographie nur gering unterlegen. Als wesentlicher Vorteil des Spiral CT bei Patienten, die sich in der Notaufnahme präsentieren, ist der mögliche Nachweis von Differenzialdiagnosen, denn nur bei einem Drittel aller Patienten mit Verdacht auf Pulmonalembolie kann auch tatsächlich eine solche nachgewiesen werden. Magnetresonanz: Wenngleich der MRI Diagnostik eine hohe Sensitivität und Spezifizität bescheinigt wird, beschränkt sich ihr derzeitiger Einsatz auch aus Kostengründen auf Patienten mit Kontrastmittelallergie oder Schwangerschaft mit nicht-diagnostischen Untersuchungsergebnissen. Pulmonalsangiographie: Die Pulmonalisangiographie gilt weiterhin als diagnostischer Goldstandard. Ihr Einsatz beschränkt sich derzeit auf den sehr geringen Anteil an stabilen Patienten mit inkonklusiver, nicht invasiver Diagnostik und hochgradigem klinischen Verdacht. Zusammenfassend, ist die diagnostische Vorgangsweise vom Zustandsbild des Patienten abhängig. Je inINTENSIV - NEWS stabiler der Patient, umso dringlicher und bettseitiger die Diagnostik. fizienz der Therapie. Eine Thrombolysetherapie ist bei Patienten ohne Rechtsherzbelastung nicht indiziert. Therapie Das therapeutische Ziel bei der Behandlung der akuten Pulmonalembolie ist: 1. Verbesserung des pulmonalen Gasaustausches, 2. hämodynamische Stabilisierung, 3. Verhinderung der Thombusexpansion, 4. Beseitigung derGefäßobstuktion und 5. Prävention von Rezidiven. Die therapeutischen Erfordernisse gestalten sich in Abhängigkeit vom klinischen Zustandsbild des Patienten (Tab. 2). Prinzipiell gilt: Je instabiler der Patient, umso aggressiver die Therapie. Thrombolyse: Über den Einsatz der Thrombolyse bei hämodynamisch stabilen Patienten mit Rechtherzbelastung besteht bis dato kein einheitlicher Konsens. Eine Senkung von Spitalsmortalität und Rezidivrate, allerdings unter dem Aspekt eines erhöhten Blutungsrisikos, scheint möglich. Im Wesentlichen unterscheidet man zwischen: • Kurzzeitlyse: Streptokinase 1,5 Mio IU/120 min oder Urokinase 3,0 Mio IU/120 min oder Alteplase 100 mg/90-120 min. • Boluslyse: Urokinase 15-20.0000 IU/kg/10 min oder Alteplase 0,6 mg/kg/2 min Eine intrapulmonale Lyse erbrachte keinen gesteigerten Benefit im Vergleich zur intravenösen, systemischen Applikation. Das Zeitfenster zwischen Erstmanifestation und Lysetherapie kann bis zu 14 Tage betragen, mit kürzerem Delay steigt jedoch die Ef- Katheterembolektomie: Einige Zentren berichten ausgezeichnete Ergebnisse von Katheterembolektomien mittels speziell entwickelter Devices. Infolge der hohen Rate von einhergehenden Blutungskomplikationen (bis zu 20%) sollten diese Techniken jedoch erfahrenen Zentren vorbehalten bleiben. Chirurgische Embolektomie: Eine chirurgische Embolektomie wird mittlerweile lediglich bei Patienten mit Versagen der Lysetherapie bzw. absoluter Kontraindikationen zur Thrombolyse eingesetzt. Die Entscheidung, welcher therapeutische Weg eingeschlagen wird, erfolgt individuell und wird durch das klinische Zustandsbild des Patienten, die Erfahrung des behandelnden Arztes und die lokalen Ressourcen bestimmt. Die wesentliche Therapiemaßnahme bleibt jedoch die Prävention. Abkürzungen: PE TTE TEE RV LV TI APTT LMWH CT ECMO NO Pulmonalembolie transthorakale Echokardiographie transösophageale Echokardiographie rechter Ventrikel linker Ventrikel Trikuspidalinsuffizienz partielle Tromboplastinzeit niedermolekulares Heparin Spiral-Computertomographie extrakorporeale Membranoxygenation Nitrit Oxid Literatur beim Verfasser OA Dr. Karin Janata (für die Mitarbeiter) Universitäts-Klinik für Notfallmedizin AKH Wien JUNI 2002 9 Univ.-Klinik für Notfallmedizin Die Universitätsklinik für Notfallmedizin Die Universitätsklinik für Notfallmedizin am Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien stellt in Mitteleuropa sowohl hinsichtlich Patientenversorgung, als auch im Hinblick auf Lehre und Forschung eine echte Novität dar. Aufgabe bezüglich der Patientenbetreuung ist die Primärversorgung lebensbedrohlicher und nicht-lebensbedrohlicher Notfälle aller Fachbereiche mit Ausnahme der Unfallchirurgie. Diese Aufgaben sollen die Mitarbeiter der Universitätsklinik für Notfallmedizin gemeinsam mit den Konsiliarärzten der diversen Fachbereiche erfüllen. Damit entspricht die Universitätsklinik für Notfallmedizin - zumindest teilweise - den Emergency Departments, die sich in größeren Krankenhäusern im angloamerikanischen Raum seit Jahrzehnten bewährt haben. Ziel der Behandlung in der Universitätsklinik für Notfallmedizin ist es, dass bei jedem Patienten in der kürzest möglichen Zeit die richtige Diagnose gestellt und eine adäquate Behandlung eingeleitet wird. Die Realisierung dieser Forderungen soll rascheres subjektives Wohlbefinden, eine Verkürzung der individuellen Krankheitsdauer und des Krankenstandes zur Folge haben. In Tabelle 1 sind die Zahlen der Patienten, aufgelistet nach den primär betreuenden klinischen Sonderfächern, angeführt, die im Jahr 2000 an der Universitätsklinik für Notfallmedizin ambulant bzw. stationär betreut worden sind. Rund 10% der Patienten, die die Universitätsklinik für Notfallmedizin besuchen, müssen stationär im AKH aufgenommen werden. Mehr als die Hälfte dieser Aufnahmen erfolgt primär an unserer Klinik. Der Anteil der Intensivpatienten an dem der Gesamtpatienten bleibt über die Jahre hin konstant bei 1%. Die Zahl der Beatmungspatienten beträgt rund 400, die Zahl der Reanimierten 166-194 und die Zahl der Patienten mit intraaortaler Ballonpumpe um 10-20 pro Jahr (Tabelle 2). Jährlich werden ca. 300 Patienten mit Herzinfarkt, 80 Patienten mit Lungenembolie und 150 Patienten mit Schlaganfall bei uns behandelt. Diese statistischen Aussagen erlauben aber noch keine Antwort auf die Frage, was die Behandlung an unser Klinik den Patienten und dem Haus bringt. Wir sind dieser Frage in einer wissenschaftlichen Arbeit nachgegangen, die von Bur et al. im European Journal of Emergency Medicine (1997: 4: 19-23) publiziert wurde. Von den 1498 Intensivpatienten benötigten 37% nach der Behandlung an unserer Klinik ein Intensivbett, während der Großteil der anderen (38%) auf eine Nor- Tabelle 1 Jahr NFA KIEF ORT CHIR URO HNO DER GYN AUG NEU Gesamt 2000 22894 62,9 3880 10,7 1555 4,3 4107 11,3 3496 9,6 8147 22,4 7375 20,3 4469 12,3 12472 34,3 2953 8,1 71348 196,0 NFA...Notfallaufnahme (vorw. internist. Patienten), KIEF...Kieferchirurgie, ORT...Orthopädie, CHIR...Chirurgie URO...Urologie, HNO...Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten, DER...Dermatologie, GYN...Gynäkologie, AUG....Augenheilkunde, NEU...Neurologie Tabelle 2 Patienten mit maschineller Beatmung Patienten mit Herzstillstand und Wiederbelebung Patienten mit intraaortaler Ballonpumpe Patienten mit Herzstillstand an der Herz-Lungenmaschine Patienten mit Herzinfarkt Patienten mit Lungenembolie Patienten mit Hirninfarkt 10 JUNI 2002 1998 1999 2000 2001 373 166 18 7 319 83 159 377 186 14 5 307 63 154 402 194 11 3 302 73 148 401 145 17 1 338 80 168 INTENSIV - NEWS Univ.-Klinik für Notfallmedizin malstation verlegt werden konnte (Tabelle 3). Von den 3652 Beobachtungspatienten mussten 48% nach der Behandlung an unserer Klinik auf eine Normalstation verlegt werden, 44% konnten allerdings schon von uns entlassen werden. Tabelle 3 Entlassen Beobachtungspatienten n = 3652 29 (2%) 1611 (44%) Transferierung auf Normalstation 573 (38%) 1755 (48%) Transferierung auf Intensivstation 551 (37%) Transferierung zur Akutoperation 67 (4%) Verstorben Der Betrieb einer Notfallambulanz statt vieler kleiner Spezialambulanzen für die einzelnen klinischen Sonderfächer spart Personal. Die Errichtung einer Akutbehandlungsstation im Rahmen der Notfallaufnahme zur Behandlung von Intensivpatienten reduziert den Intensivbettenbedarf, weil nur 37% davon nach einer Kurzzeitbehandlung an der Notfallaufnahme auch weiterhin ein Intensivbett benöti- Intensivpatienten n = 1498 gen. Damit stehen mehr Intensivbetten für jene Patienten zur Verfügung, die von einem Langzeit-Intensivaufenthalt profitieren. Die Betreibung einer Notfallstation, im Rahmen der Notfallaufnahme zur Beobachtung von Patienten mit fraglich bedrohlicher Erkrankung, ermöglicht reduzierten Normalbettenbedarf, weil nur 48% da- 286 (8%) 278 (19%) von nach einer Kurzzeitbehandlung an der Notfallaufnahme weiterhin ein Spitalsbett benötigen. Damit stehen mehr Normalbetten für jene Patienten zur Verfügung, die von einem längeren stationären Aufenthalt profitieren. Prof. Dr. Anton Laggner Univ.-Klinik für Notfallmedizin AKH Wien Aktivitäten im Bereich Pflege Anders als bei Aufnahmestationen in Mitteleuropa üblich, stellt die Universitätsklinik für Notfallmedizin im Wiener AKH eine interdisziplinäre Akutversorgungseinheit dar, die in Zusammenarbeit von Notfallmedizinern und Fachärzten aus den verschiedensten Bereichen betreut wird. Die personelle Ressource umfasst 35 Notfallmediziner, 55 diplomierte Gesunheits- und Krankenpflegepersonen, 6 Abteilungshelfer sowie 2 Zivildiener. An technischen Mitteln verfügt die Notaufnahme im Unterschied zu Aufnahmestationen anderer Krankenhäuser über eigens eingerichtete Fachambulanzen und zwei voll ausgestattete Stationen mit Überwachungs- und Beatmungs- einheiten. Damit ist die Notaufnahme für fast alle „Eventualitäten“, vom „kleinen Leiden“ bis hin zum intensivpflichtigen Notfall gewappnet. Traumatologische Notfälle werden nicht auf der Notaufnahme, sondern an der direkt angrenzenden Abteilung für Unfallchirurgie versorgt. Diese Trennung von Notaufnahme und Unfallaufnahme bildet den wesentlichen Unterschied zu den amerikanischen Emergency Departments. Die Konzentration an medizinischen Ressourcen innerhalb einer Abteilung erspart lange Wartezeiten durch Zuweisungen und Patiententransporte an andere Abteilungen und ermöglicht Diagnosestellung und Behandlung der Pati- enten innerhalb kurzer Zeit. Die Notaufnahme besteht aus drei Bereichen, die jeweils in enger Kooperation miteinander arbeiten. Im Akutbehandlungsbereich werden zu Spitzenzeiten bis zu 40 Intensivpatienten täglich behandelt. Vom Krankheitsbild ist mit allem zu rechnen, nur die Unfallchirurgie ist ausgenommen. So kann es durchaus vorkommen, dass gleichzeitig Reanimationen, Hubschraubertransporte sowie Behandlungen von akuten Krankeitsbildern stattfinden und diese im Rahmen ihrer Behandlung interdisziplinär behandelt werden. Darüber hinaus sind wir mittels Pager für den gesamten Kernbau des allgemeinen Krankenhauses, inklusive der in der Fortsetzung auf Seite 13 INTENSIV - NEWS JUNI 2002 11 NEU JETZT im 3-Kammer-Beutel ® mit ClinOleic® aus 80% Olivenöl GANZ EINFACH 3-FACH OLICLINOMEL ® In 3 Konzentrationen erhältlich: • OliClinomel 2,2% GF-E• OliClinomel 3,4% GF-E• OliClinomel 4% GF-Eelektrolytfrei: 4% GF- Infusionsbeutel Infusionsbeutel Infusionsbeutel Infusionsbeutel ng u hr ä rn Pa E renterale b Rettet Leben Weltweit Baxter Vertriebs Ges.m.b.H., Landstraßer Hauptstraße 99, A-1030 Wien Telefon: +43-1-711 20-0 Univ.-Klinik für Notfallmedizin • die kurzfristige Planung der Pflege (z. B. bei Vergiftungen Lavagebett) • die Aufklärung des Patienten • die Angehörigenbetreuung • die Erhebung der wichtigsten Anamnesekriterien • optimales Zeitmanagement zwischen ärztlichen und pflegerischen Behandlungen • den interdisziplinären Tätigkeitsbereich (Durchführungsverantwortung) • die Notfallkompetenz © Jobst Christian/ECHO Nähe befindlichen U- Bahn Station, für Herzalarmeinsätze zuständig (durchschnittlicher Einsatz jeden 2. Tag, Bericht in Help TV 2000). Das Aufgabengebiet stellt eine rasche medizinisch/pflegerische Aufklärung des Krankheitsbildes dar. Vom pflegerischen Aspekt her legen wir Hauptaugenmerk auf: Darüber hinaus konnten wir Projekte ins Leben rufen, Pflegestandards entwickeln, sowie den Status einer Ausbildungsstation für Intensivkursteilnehmer erreichen. Derzeit laufende Projekte: Im ambulanten Bereich der Klinik für Notfallmedizin werden täglich bis zu 350 Patienten aller Fachrichtungen behandelt. Beginnend mit der Erstbegutachtung des Patienten bis zur jeweiligen speziellen Therapieanwendung in der jeweiligen Fachambulanz wird das Spektrum an medizinisch/pflegerischen Leistungen abgedeckt. • Patientenbefragung Notfallüberwachungsstation • Depositengebarung Notfallmedizin • Pflegediagnosen in der Ambulanz • Patienten Daten Management System • Berufsinformation für Oberstufengymnasien Die Akutüberwachungsstation stellt mit bis zu 20 Aufnahmen und Entlassungen pro Tag ebenfalls einen äußerst arbeitsintensiven Bereich dar. Die Patienten werden nach ihrer Akutbehandlung nachbetreut, warten auf ihre weitere Behandlung auf einer fachspezifischen Station, oder werden auf ihre Entlassung hin vorbereitet. Seit dem Jahr 2000 nutzten 26 Mitarbeiter die Möglichkeiten der Jobrotation und investierten über 8500 Stunden in ihre persönliche Fortund Weiterbildung. Von insgesamt 60 diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen verfügen 30 Mitarbeiter über die Sonderausbildung zur Betreuung von Patienten an Intensivstationen. INTENSIV - NEWS Für Mitarbeiter des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege, welche Interesse an der Station haben, bieten wir Schnuppertage mit einer Betreuungsperson an. Über das genaue Betätigungsfeld im Bereich der Pflege als auch vom medizinischen Bereich liegt jeweils ein aktuelles Skriptum in Taschenformat auf. Die Leistungsdaten unserer Klinik sind eindrucksvoll. Dabei ist es uns ein großes Anliegen, den Patienten als Menschen zu sehen und ihn in seiner Gesamtheit und Einzigartigkeit respekt- und würdevoll zu behandeln. Wir werden uns anstrengen, auch in der Zukunft zur Patientenversorgung in Wien einen derart wichtigen Beitrag - wie bisher zu leisten. DGKP Roland Nöckler Univ.-Klinik für Notfallmedizin AKH Wien JUNI 2002 13 Neue Erkenntnisse in der Sepsis-Therapie Die Unterbrechung der tödlichen Gerinnungskaskade erhöht die Überlebenschancen für Sepsis-Patienten. www.sepsis.at Fallbericht Schweres toxisches Lungenödem nach Inhalationstrauma mit Nitrosegasen Ein 56-jähriger Mann hatte mit 60% Salpetersäure einen kupfernen Kronleuchter geputzt. Nach Ende der Reinigungsarbeiten klagte der Mann über Atemnot. Da er selbst Arzt war, verabreichte er sich 60 mg Methylprednisolon i.m. und suchte unsere Abteilung auf. Bei Aufnahme war der Patient dyspnoisch, hatte einen expiratorischen Stridor, eine periphere Zyanose und feuchte Rasselgeräusche über der Lunge. Das Lungenröntgen zeigte bereits ein ausgedehntes Lungenödem. Das Labor war bis auf eine Leukozytose unauffällig. Die Therapie wurde mit Aminophyllin, Terbutalin, Piritramid, Prednisolon und Budesonid begonnen. Sauerstoffgabe über Maske von 15 l/min. Zwei Stunden später: zusehend Verschlechterung der respiratorischen Situation (PaCO2 27 cm H2O PaO2 56 cm H2O), Intubation und mechanische Beatmung (druckkontrolliert; PEEP 10 cm H2O; AF 17/min). Später wurde ein inverses Beatmungsmuster (2:1) notwendig. Es wurde mit der Gabe von Katecholaminen begonnen (Dopamin 2.1 µg/kg/min, Dobutamin 5.2 µg/kg/min, Adrenalin 1.1 µg/kg/min). Die anhaltend schlechte respiratorischen Situation (pH 7.03, PaCO2 79 cm H2O, PaO2 50 cm H2O) machte eine extrakorporale Membran Oxygenierung (ECMO) notwendig (Medtronic(TM) Portable Bypass System, Austria). Damit gelang eine zeitlich begrenzte Verbesserung der Oxygenierung und eine anhaltende CO2-Elimination. Im Rahmen einer Bronchoskopie erfolgte die Gabe von Surfactant in einer Dosis von 50 mg/kg Körpergewicht. Bei der Bronchoskopie am folgenden Tag neuerliche Gabe von Surfactant und damit Verbesserung des Lungenröntgens und der respiratorischen Sitaution (pH 7.36, PaCO2 27 cm H2O, PaO2 114 cm H2O). Am dritten Tag als Folge der ECMO wurde das rechte Bein distal der PunkINTENSIV - NEWS tiostelle ischämisch und ein artrieller Bypass antegrad in die distale Femoralarterie platziert. Die klinische Situation des Beines und auch die laborchemischen Zeichen der Muskelischämie verbesserten sich deutlich. Erneuter respiratorischer Verfall und Beginn einer NOBeatmung (Pulmonox[TM], MesserGriesheim, Austria). Der Gasaustausch verbesserte sich lediglich zeitlich begrenzt (pH 7.20, PaCO2 55cm H2O, PaO2 79 cm H2O) und der Patient verstirbt trotz des intensiven Therapieansatzes am vierten Tag in Folge des respiratorischen Versagens. Diskussion: In unserem Fall wurde durch die Verwendung der Salpetersäure zur Reinigung eines kupfernen Kronleuchters Nitrosegase freigesetzt. Die Nitrosegase sind in Wasser unlöslich und verursachen daher nur geringe Irritationen an Konjunktiven und Oropharynx. Das hat zur Folge, dass Patienten eine Exposition nicht erkennen. Die klinische Präsentation eines Inhalationstraumas mit Nitrosegasen ist von Dauer und Intensität der Exposition abhängig, verläuft aber meist in drei Phasen. Initial kommt es zu einer Irritation des oberen Respirationstraktes und dann nach einer La- tenz von 3-24 Stunden entwickelt sich ein toxisches Lungenödem. Schwere Inhalationstraumata entwickeln sich, wie in unserem Fall rasch und werden nicht länger als 24 Stunden überlebt. Die Therapie des massiven Lungenödems auf Grund einer gesteigerten mikrovaskualären Permeabilität (ARDS) umfasst eine mechanische Beatmung mit PEEP, ein inverses Beatmungsmuster, Gabe von Surfactant und ECMO. Für toxische Formen des Lungenödems wird die systemische und topische Gabe von Steroiden empfohlen. In unserem Fall führten all diese Therapieansätze lediglich zu einem temporären Erfolg. Der limitierende Faktor dürfte das große Ausmaß des Inhalationstraumas mit Nitrosegasen gewesen sein. Sowohl in der Literatur als auch in unserem Fall gibt es für ein schweres Lungenödem nach Inhalationstrauma mit Nitrosegasen keine gesicherte Therapie. Unsere Anstrengungen müssen daher in der Vermeidung einer Exposition liegen. Literatur beim Verfasser Dr. A. Bur et al. Univ.-Klinik für Notfallmedizin AKH Wien JUNI 2002 15 Intensivmedizinische Kontroversen Early revascularisation and 1-year survival in 14-day survivors of acute myocardial infarction: A prospective cohort study Lancet 2002; 359:1805-11 Ulf Stenestrand, Lars Wallentin Linköping, Sweden (U Stenestrand MD) and Department of Cardiology, University Hospital of Uppsala, Uppsala (Prof L Wallentin MD) Background: Randomised trials of early revascularisation in acute coronary syndromes have yielded conflicting results with respect to effects on survival. We assessed the association between revascularisation within 14 days after the index event and 1-year mortality in individuals who survived for at least 14 days after an acute myocardial infarction. Methods: We studied a prospective cohort of patients admitted to the coronary care units of 61 Swedish hospitals between 1995 and 1998. We obtained 1-year mortality data from the Swedish National Cause of Death Register. We assessed 21 912 individuals with first registry-recorded acute myocardial infarction, who were younger than age 80 years, and alive at day 14. Relative risk of 1-year mortality in patients who had revascularisation (n=2554) or those who did not (n=19 358) within 14 days was calculated by Cox regression analysis, adjusting for multiple covariates Bei Infarkt mit ST-Streckenhebung ist der Vorteil der Akutintervention gegenüber der Lysetherapie heute unumstritten. Es liegen mittlerweile zahlreiche randomisierte Studien vor, die eine Verringerung des primären Endpunkts, definiert als Tod, Reinfarkt oder Revaskularisation, durch die Akutintervention zeigen konnten. Die Patientenzahl war in diesen Studien aber zu gering, um jeweils auch einen Überlebensvorteil nachweisen zu können und nur in Metaanalysen konnte auch diesbezüglich ein Benefit abgeleitet werden. In breiter angelegten Registries fand sich 16 JUNI 2002 that affect mortality and with a propensity score that adjusted for covariates that affected the likelihood of early revascularisation. Findings: At 1 year, unadjusted mortality was 9.0% (1751 deaths) in the conservative group and 3.3% (84 deaths) in the early revascularisation group. In the Cox regression analysis early revascularisation was associated with a reduction in 1-year mortality (relative risk 0.47; 95% CI 0.37-0.60; p<0·001). This relative reduction of mortality was similar in all subgroups irrespective of age, sex, baseline characteristics, previous disease manifestations, or treatment. Interpretation: Early revascularisation in individuals with acute myocardial infarction is associated with substantial reduction in 1-year mortality. Our findings lend support to the use of an invasive approach early after an acute myocardial infarction. demgegenüber nicht immer ein eindeutiger Vorteil der Akutintervention, was unter anderem durch die Teilnahme von weniger erfahrenen Zentren erklärt wurde. Erst die jüngst vorgestellte DANAMI-II Studie hat gezeigt, dass auch die flächendeckende Strategie eines Patiententransfers zu interventionellen Zentren eindeutige Vorteile mit sich bringt. Bei Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt erscheint die Datenlage bezüglich eines raschen interventionellen Vorgehens nicht so eindeutig. Während ältere Studien ein abwartendes Vorgehen nahelegten, unterstützen neuere Daten auch bei diesen Patienten eine generelle invasive Strategie. Die vorliegende Arbeit analysiert das Überleben von Patienten mit akutem Koronarsyndrom mit und ohne Revaskularisation in den ersten 14 Tagen nach Spitalsaufnahme. Die Autoren kommen zum Schluss, dass ein invasives Vorgehen zu einem signifikant verbesserten Überleben beiträgt. Während sich viele Interventionsstudien auf die Hospitalphase beschränken, zeigt diese Analyse, dass ein INTENSIV - NEWS Intensivmedizinische Kontroversen Überlebensvorteil auch ein Jahr nach Intervention festzustellen war. Bei aller Eindeutigkeit der Ergebnisse ist angesichts des inhomogenen Patientenkollektives mit nicht randomisiertem therapeutischen Vorgehen jedoch Skepsis angebracht. Zum einen wurden äußerst unterschiedliche Patientenkollektive inkludiert, zum anderen unterschieden sich die beiden Therapiegruppen in fast allen Ausgangsvariablen. Die konservative Gruppe umfasste Patienten mit und ohne Lyse, die sogenannte invasive Gruppe inkludierte Patienten mit primärer PTCA, Lyseversagen, erfolgreicher und erfolgloser Intervention. Selbst die ausgefeilteste statistische Analyse mit dem Ver- such die zahlreichen Unausgewogenheiten zu berücksichtigen, kann diese Limitationen nicht wettmachen und ähnliche Studien haben gezeigt, dass bevorzugt jüngere Patienten mit wesentlich günstigeren Ausgangsbedingungen einer Akutintervention zugeführt werden. bewerten ist. Auch beim Nicht-STHebungsinfarkt wurde ein derartig langes Zeitfenster nur in älteren Studien in Betracht gezogen, während neuere Daten ein interventionelles Vorgehen innerhalb der ersten 24 oder 48 Stunden nahelegen. Der variable Zeitpunkt der Intervention innerhalb 14 Tagen nach dem Ereignis macht einen Vergleich mit bisherigen Studien ebenfalls schwierig. Beim transmuralen Infarkt erscheint das Limit von 14 Tagen wenig sinnvoll, da eine möglichst rasche Gefäßwiedereröffnung innerhalb der ersten Stunden entscheidend ist und eine spätere Intervention völlig unterschiedlich zu Bei allen Einschränkungen sollte die Studie aber neuerlich auf die Notwendigkeit einer raschen invasiven Abklärung beim akutem Koronarsyndrom hinweisen. Prof. Dr. P. Siostrzonek Univ.-Klinik für Innere Med II Klinische Abt. für Kardiologie AKH Wien Muster anfordern unter SSL Healthcare Österreich GmbH Hütteldorfer Straße 46 A-1152 Wien Telefon: 01/985 55 87 Website: www.regentmedical.com ® Biogel INTENSIV - NEWS e-mail: office.austria@ ssl-international.com SSL Healthcare sterreich GmbH JUNI 2002 17 als Kombinationspartner in der antimykotischen Therapie invasiver Mykosen Ancotil® - Infusionsflaschen Zusammensetzung: Eine Infusionsflasche zu 250 ml enthält: 2,5 g (=1%) Flucytosin (5-FC), 2,0125 g Natriumchlorid und 0,305 g Tromethamin in stabilisierter wässriger Lösung. (1 ml = 10 mg Flucytosin, 8,05 mg Natriumchlorid und 1,22 mg Tromethamin) Anwendungsgebiete: Generalisierte Candidiasis, Kryptokokkose und Chromoblastomykose sowie Aspergillose (letzteres nur in Kombination mit Amphotericin B). Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Flucytosin. Vorsicht ist geboten bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (siehe "Spezielle Dosierungsanweisungen") Schwangerschaft und Stillperiode. Die Unschädlichkeit von Flucytosin in der Schwangerschaft konnte bisher nicht genügend belegt werden. Deshalb sind bei der Anwendung von Flucytosin während der Schwangerschaft die möglichen Risiken gegen den zu erwartenden therapeutischen Effekt abzuwägen. Vor Beginn der Therapie mit Flucytosin ist abzustillen. Abgabe: NR, apothekenpflichtig. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte den veröffentlichten Fachinformationen. Zulassungsinhaber: ICN Pharmaceuticals Austria GmbH, Michael-Pacher-Strasse 25A/7, A-5020 Salzburg, Telefon: 0662/626466 Intensivmedizinische Kontroversen A randomised, controlled trial of the pulmonary artery catheter in critically ill patients. Intensive Care Med 2002; 28:256-64 Rhodes A, Cusack RJ, Newman PJ, et al. Department of Intensive Care, St George's Hospital, London SW17 0QT, UK Objectives: To compare the survival and clinical outcomes of critically ill patients treated with the use of a pulmonary artery catheter (PAC) to those treated without the use of a PAC. Design: Prospective, randomised, controlled, clinical trial from October 1997 to February 1999. Setting: Adult intensive care unit at a large teaching hospital. Patients: Two hundred one critically ill patients were randomised either to a PAC group (n=95) or the control group (n=106). One patient in the control group was withdrawn from the study and five patients in the PAC group did not receive a PAC. All participants were available for followup. Interventions: Participants were assigned to be managed either with the use of a PAC (PAC group) or without the use of a PAC (control group). Main outcome measures: Survival to 28 days, intensive Rhodes et al. ergänzen die Debatte um Risiko und Nutzen des Pulmonaliskatheters bei Intensivpatienten erstmals mit Daten einer prospektiven, randomisierten Studie. Die Fragestellung war spätestens 1996 mit einer methodisch umstrittenen nicht-randomisierten Studie von Connors et al., die eine erhöhte 180-Tage-Mortalität von Patienten mit Pulmonaliskatheter gegenüber einer gematchten Kontrollgruppe gezeigt hatte, brisant geworden. In der vorliegenden Studie wurden 201 Intensivpatienten, welche eines der Kriterien für einen Pulmonaliskatheter (Schock, Oligurie, Vasoaktive Infusion, ARDS mit Respiratortherapie) erfüllten, in eine Gruppe mit oder ohne Pulmonaliskatheter randomisiert. Trotz guter Vergleichbarkeit beider Gruppen hatten die Patienten mit Pulmonaliskatheter eine deutlich höhere prognostizierte Mortalität (APACHE II Mortality Prediction 46 vs. 34%) INTENSIV - NEWS care and hospital length of stay and organ dysfunction were compared on an intention-to-treat basis and also on a subgroup basis for those participants who successfully received a PAC. Results: There was no significant difference in mortality between the PAC group [46/95 (47.9%)] and the control group [50/106 (47.6)] (95% confidence intervals for the difference -13 to 14%, p>0.99). The mortality for participants who had management decisions based on information derived from a PAC was 41/91 (45%, 95% confidence intervals -11 to 16%, p=0.77). The PAC group had significantly more fluids in the first 24 h (4953 (3140, 7000) versus 4292 (2535, 6049) ml) and an increased incidence of renal failure (35 versus 20% of patients at day 3 post randomisation p<0.05) and thrombocytopenia (p<0.03). Conclusions: These results suggest that the PAC is not associated with an increased mortality. Die Therapie folgte nicht einem Studienprotokoll sondern klinischen Entscheidungen. Obwohl sich die 28-Tage-Mortalität beider Gruppen nicht signifikant unterschied, besteht hinsichtlich der von den Autoren vertretenen Hauptaussage der Studie - der Gebrauch eines Pulmonaliskatheters scheint nicht mit einer erhöhten Mortalität assoziiert zu sein - ein zentraler Einwand, die fehlende statistische Power. Die Autoren selbst sprechen von einer Pilotstudie deren Ergebnisse eine bessere Abschätzung der notwendigen Fallzahlen ermöglichen würde (bei einer 48% Kontrollmortalität wäre demnach eine 5% Mortalitätsreduktion erst bei 10.000 Patienten pro Gruppe abzusichern). Festzuhalten ist, dass in den letzten Jahren auch andere Autoren (Ivanov 1997, Afessa 2001) die von Connors et al. publizierte Assoziation zwischen Pulmonaliskatheter und erhöhter Mortalität nicht bestätigen konnten. In Österreich erhalten etwa 8% der Intensivpatienten einen Pulmonaliskatheter (ASDI-Daten). Ist dies gerechtfertigt? Insgesamt ermöglicht die Datenlage nach wie vor keine endgültige Beurteilung. Ein grundsätzliches methodisches Problem wird auf jeden Fall weiter bestehen – wie können die Effekte des Monitorings, eine korrekte Interpretation vorausgesetzt, von jenen der daraus resultierenden Interventionen getrennt werden? Die gewünschte Studie müsste nicht nur eine entsprechende Patientenzahl sondern auch ein klares Protokoll mit vorgegebenen Interventionen für bestimmte Monitoringergebnisse aufweisen. OA Dr. A. Valentin Allg. und Internistische Intensivst. 12A II. Med. Abteilung Krankenanstalt Rudolfstitung, Wien JUNI 2002 19 ▲ CEFROM® 0,5 g/ 1,0 g/ 2,0 g-Trockenstechampullen, 1,0 g/ 2,0 g Trockensubstanz zur Infusionsbereitung. Zulassungsinhaber: Aventis Pharma, Wien Hersteller: Patheon UK Limited, Swindon, GB. Vertrieb: Biochemie GmbH, A-6250 Kundl. Zusammensetzung: 1 Trockenstechampulle Cefrom® 0,5 g/ 1,0 g/2,0 g enthält 0,596 g/1,191 g/2,382 g Cefpiromsulfat entsprechend 0,5 g/1,0 g/2,0 g Cefpirom. Anwendungsgebiete: Infektionen, die durch Cefpirom-empfindliche Erreger verursacht werden, wie Infektionen der unteren Atemwege, der oberen Harnwege, der Haut- und Weichteile, sowie Infektionen bei neutropenischen Patienten, Sepsis. Gegenanzeigen: Patienten mit Überempfindlichkeit gegenüber Cephalosporinen. Eine Parallelallergie mit Penicillinen und anderer Betalactam-Antibiotika kann bestehen. Mit Vorsicht sollte Cefrom® bei Patienten angewandt werden, die in ihrer Vorgeschichte an ausgeprägten Allergien oder an Asthma litten. Über die Anwendung bei Kindern liegen noch keine ausreichenden Erfahrungen vor. Schwangerschaft und Stillperiode: Obwohl sich bei tierexperimentellen Untersuchungen keine Hinweise auf Missbildungen oder eine fruchtschädigende Wirkung ergaben, sollte die Anwendung von Cefrom® während der Schwangerschaft unterbleiben, da die Unbedenklichkeit hierbei klinisch nicht nachgewiesen ist. Bis zum Vorliegen weiterer klinischer Erfahrungen sollte Cefrom® in der Stillzeit nicht angewendet werden. Weitere Angaben zu Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Gewöhnungseffekten und zu den besonderen Warnhinweisen zur sicheren Anwendung sind der „Austria-Codex-Fachinformation“ zu entnehmen. Abgabe: NR und apothekenpflichtig Packungsgrößen: 0,5 g/1,0 g/2,0 g-Trockenstechampullen und 1,0 g/2,0 g-Trockensubstanz zur Infusionsbereitung zu je 5 Stück. 1 Aktionsgemeinschaft Medizinischer Mittelbau Intensivmedizinische Kontroversen Computed tomography of the head before lumbar puncture in adults with suspected meningitis. N Engl. J Med 2001; 345:1727 Hasbun R, Abrahams J, Jekel J, et al. Department of Internal Medicine, Yale University School of Medicine, New Haven, CT, USA. Background: In adults with suspected meningitis clinicians routinely order computed tomography (CT) of the head before performing a lumbar puncture. Methods: We prospectively studied 301 adults with suspected meningitis to determine whether clinical characteristics that were present before CT of the head was performed could be used to identify patients who were unlikely to have abnormalities on CT. The Modified National Institutes of Health Stroke Scale was used to identify neurologic abnormalities. Results: Of the 301 patients with suspected meningitis, 235 (78 percent) underwent CT of the head before undergoing lumbar puncture. In 56 of the 235 patients (24 percent), the results of CT were abnormal; 11 patients (5 percent) had evidence of a mass effect. The clinical features at base line that were associated with an abnormal finding on CT of the head were an age of at least 60 years, immunocompromise, a history of central nervous system disease, and a history of seizure within one week before presentation, as well as the following neurologic abnormalities: an abnormal level of consciousness, an inability to answer two consecutive questions correctly or to follow two consecutive commands, gaze palsy, abnormal visual fields, facial palsy, arm drift, leg drift, and abnormal language (e.g., aphasia). None of these features were present at base line in 96 of the 235 patients who underwent CT scanning of the head (41 percent). The CT scan was normal in 93 of these 96 patients, yielding a negative predictive value of 97 percent. Of the three misclassified patients, only one had a mild mass effect on CT, and all three subsequently underwent lumbar puncture, with no evidence of brain herniation one week later. Conclusions: In adults with suspected meningitis, clinical features can be used to identify those who are unlikely to have abnormal findings on CT of the head. Computertomographie bei Verdacht auf Meningitis: Standarddiagnostik oder unnötige Zeitverzögerung? Die Meningitis, vor allem die bakterielle Meningitis, ist eine akut lebensbedrohliche Erkrankung. Die Mortalität der eitrigen Meningitis liegt auch in unserer Ära der hochwirksamen Antibiotika je nach Erreger zwischen 3 und 25%. Die möglichst frühzeitige Einleitung einer Therapie ist für das Überleben des Patienten und zur Vermeidung von Komplikationen entscheidend. Das klassische Bild der Meningitis beim Erwachsenen umfasst Kopfschmerzen, Fieber und Meningismus. Häufig bestehen auch Bewusstseinsstörungen, insbesondere im Rahmen einer enzephalitischen Komponente. Nicht selten kommt es zu Lähmungen der Hirnnerven, besonders des IV, VI und VII, und zu fokalen neurologischen Ausfällen wie Gesichtsfeldausfällen, Aphasie und zentralen Paresen. Zerebrale Krampfanfälle können ebenfalls auftreten. Der Verlauf kann aber auch atypisch sein, insbesondere bei immunkompromittierten Patienten. Die Lumbalpunktion ist der Grundpfeiler der diagnostischen Maßnahmen bei Verdacht auf Meningitis. Sie ermöglicht einerseits den Beweis der Meningitis und ist entscheidend für die Differenzialdiagnostik verschiedener Meningitisformen (bakteriell, viral, Tbc etc.) sowie für den Erregernachweis. Die Lumbalpunktion ist, bedingt durch die Flüssigkeitsentnahme selbst sowie durch weiteren Liquorverlust durch den bei der Punktion entste- henden Duradefekt, mit einer geringen, vorübergehenden Abnahme des Liquordrucks verbunden. Bei Vorliegen einer raumfordernden Läsion (z. B. Hirnabszess oder subdurales Empyem) oder bei Vorliegen eines maßgeblichen Hirnödems kann der Anstieg des Druckgradienten durch die Lumbalpunktion mit einer Kaudalverlagerung des Großhirns und Hirnstammes und einer für den Patienten fatalen Herniation einhergehen. Die Herausforderung in der Akutsituation besteht nun darin, das richtige Maß aus diagnostischer Sicherheit und raschem Therapiebeginn zu finden. Einerseits gilt es, diejenigen Patienten zu identifizieren, bei denen eine Lumbalpunktion auf Grund eines erFortsetzung auf Seite 22 INTENSIV - NEWS JUNI 2002 21 Intensivmedizinische Kontroversen höhten intrakraniellen Drucks und der damit verbundenen Herniationsgefahr nicht durchgeführt werden darf. Dies ist am sichersten mittels CCT oder Schädel-MR möglich, wohingegen die Beurteilung etwaiger Stauungspapillen gerade bei rasch entstandenen intrakraniellen Druckerhöhungen unzuverlässig ist (wobei allerdings auch CCT/MR keine absolute Sicherheit geben können). Weiters kann die Bildgebung manchmal auch andere Ursachen der Symptomatik (z. B. zerebrale Raumforderungen, Sinusthrombose) aufdecken. Andererseits ist aber die Durchführung eines CCT oder MR mit einer signifikanten Zeitverzögerung verbunden und es bestehen Hinweise, dass auch eine geringe Verzögerung des Therapiebeginns bei Patienten mit eitriger Meningitis die Prognose wesentlich verschlechtern kann. Wird andererseits die antibiotische Therapie bereits vor der Bildgebung und der Lumbalpunktion durchgeführt, kann u. U. die Erregerdiagnose aus dem Liquor verunmöglicht werden. Dennoch wird derzeit bei Patienten mit Verdacht auf Meningitis häufig routinemäßig ein CCT vor der Lumbalpunktion durchgeführt. In einer kürzlich im New England Journal of Medicine publizierten Studie (N Engl J Med 2001;345:1727) ging nun eine Arbeitsgruppe aus New Haven der Frage nach, ob das Fehlen bestimmter klinischer Auffälligkeiten dazu genützt werden kann, diejenigen Patienten mit vermuteter Meningitis auszuwählen, bei denen ein CCT höchstwahrscheinlich normal sein wird. Die Studie umfasste 301 Patienten über 16 Jahre mit klinischem Verdacht auf Meningitis, die prospektiv evaluiert wurden. Ein CCT wurde bei 235 (78%) der Patienten vor der Lumbalpunktion durchgeführt und die Resultate von 2 Radiologen ohne Kenntnis der klinischen Symptomatik beurteilt. Folgende Ausgangsfaktoren 22 JUNI 2002 waren in univariaten Regressionsanalysen mit einem erhöhten Risiko eines pathologischen CCT-Befundes assoziiert: • Alter mindestens 60 Jahre; • Störungen der Immunabwehr; • eine Vorgeschichte einer zentralnervösen Läsion (Raumforderung, Schlaganfall, fokale Infektion); • ein oder mehrere epileptische Anfälle innerhalb einer Woche vor der Aufnahme; • eine beeinträchtigte Bewusstseinslage; • die Unfähigkeit, zwei hintereinander gestellte Fragen korrekt zu beantworten; • Blickparesen; • Gesichtsfeldeinschränkungen; • Fazialisparese; • Abweichen eines Armes oder Beines; • Sprachstörungen (Aphasie oder Dysarthrie). Von den 235 Patienten, welche ein CCT erhielten, wiesen 96 (41%) keine dieser Auffälligkeiten auf und das Risiko eines pathologischen CCT wurden bei diesen Patienten als niedrig klassifiziert. Nur 3 dieser 96 Patienten hatten schließlich ein pathologisches CCT. Diese drei Patienten wurden ohne Komplikationen Abb. 1 lumbalpunktiert. Nur 4 der 235 Patienten, die ein CCT erhielten, wiesen einen CCT-Befund auf, auf Grund dessen keine Lumbalpunktion durchgeführt wurde. Bei allen diesen Patienten lagen Prozesse mit raumfordernder Wirkung (eingeengte/verstrichene Sulci, Zisternen oder Ventrikel unterschiedlichen Ausmaßes) vor. Von diesen 4 Patienten verstarben 2 an einer zerebralen Herniation ohne dass eine Lumbalpunktion durchgeführt worden war. Die Lumbalpunktion wurde bei Patienten, die ein CCT erhielten, durchschnittlich 2 Stunden später durchgeführt, als bei Patienten ohne CCT. Es zeigte sich ein Trend zu einem späteren Beginn einer empirischen antibiotischen Therapie bei den Patienten, die ein CCT vor der Lumbalpunktion erhielten. Fast 40% der Ärzte, die ein CCT veranlassten, taten dies im Glauben, dies gehöre zur Standardversorgung oder aus forensischen Gründen. Nur 80 Patienten (27%) hatten eine Pleozytose im Liquor, welche mit der Diagnose einer Meningitis kompatibel war und nur 9 Erreger (3 davon bakteriell) konnten isoliert werden. Die häufige Anwendung einer empirischen antibiotischen Therapie vor der Lumbalpunktion bei Patienten, die ein CCT erhielten, reduzierte wahrscheinlich die Zahl positiver Liquorkulturen. Wenn auch die Ergebnisse dieser Studie in verschiedenen Populationen validiert werden müssen, zeigte sie doch sinnvolle klinische Kriterien anhand derer Patienten identifiziert werden können, die höchstwahrscheinlich ein normales CCT haben werden. Die Tatsache, dass nur ein sehr kleiner Teil INTENSIV - NEWS Intensivmedizinische Kontroversen der Patienten mit Verdacht auf Meningitis Zeichen eines raumfordernden Prozesses oder erhöhten intrakraniellen Drucks aufwies, zeigt weiters, dass das CCT in dieser Situation häufig zu unkritisch eingesetzt wird. Andererseits kann auch ein normales CCT die Möglichkeit einer Herniation durch erhöhten intrakraniellen Druck nicht mit völliger Sicherheit ausschließen. Die Resultate der Studie unterstützen einen fokussierten Ansatz zur Durchführung eines CCT bei Patienten mit Verdacht auf Meningitis. Diese sollte nur dann durchgeführt werden, wenn eines oder mehrere Zeichen bestehen, die mit einem erhöhten Risiko eines raumfordernden Prozesses oder einer intrakraniellen Druckerhöhung einhergehen: ausgeprägte oder sich rasch verschlechternde Bewusstseinsstörung; fokale neurologische Zeichen wie: Pupillenanomalien, Blickparesen, Hemiparese, Fazialisparese oder Sprachstörungen; ein oder mehrere epileptische Anfälle; Bradykardie; Atemstörungen; Dezerebrations- oder Dekortikationshaltung; Störungen der Immunabwehr (erhöhtes Risiko einer ZNS-Toxoplasmose oder eines zerebralen Lymphoms). Auch bei älteren Patienten scheint, den Ergebnissen der vorliegenden Studie zu Folge, das Risiko eines pathologischen CCT erhöht. Auch bei fehlenden Auffälligkeiten im CCT soll bei klinischen Hinweisen, die auf einen rasch zunehmenden intrakraniellen Druck hinweisen (der auch durch die Meningitis selbst hervorgerufen werden kann), die Lumbalpunktion eher hintangehalten werden. Falls diese dennoch durchgeführt wird, sollten jedenfalls dünne oder atraumatische Nadeln verwendet werden, um den Liquorverlust möglichst gering zu halten, und die Lumbalpunktion im Liegen durchgeführt werden. Auch wenn kein CCT erforderlich scheint, ist in jedem Fall vor der Lumbalpunktion das Vorliegen von Stauungspapillen auszuschließen. Bei Vorliegen von Stauungspapillen ist die Lumbalpunktion kontraindiziert und ebenso eine CCT anzuschließen. Eine sorgfältige klinische Observanz unter Monitorbedingungen sollte bei allen Patienten nach der Lumbalpunktion erfolgen, um Zeichen einer beginnenden Herniation rasch zu erkennen. Abschließend ist anzumerken, dass die vorliegende Studie den klinischen Alltag in einer Notaufnahme oder Erstversorgung mit einem breiten klinischen Spektrum an Patienten widerspiegelt. Andererseits war der Anteil schwer erkrankter Patienten, insbesondere solcher mit bakterieller Meningitis gering. Gerade bei der ei- trigen Meningitis ist jedoch der möglichst rasche Behandlungsbeginn entscheidend, wo bereits Zeitverzögerungen von 1-2 Stunden, wie sie auch in dieser Studie auf Grund der Durchführung eines CCT entstanden, für den Patienten fatal sein können. Andererseits wird gerade bei diesen schwer erkrankten Patienten häufig nicht auf ein CCT verzichtet werden können. In dieser Situation muss also bereits bei Verdacht auf eine eitrige Meningitis unverzüglich mit einer empirischen Antibiotikatherapie begonnen werden, und der diagnostische Nachteil der durch die Antibiotikagabe vor der Lumbalpunktion entstehen kann, in Kauf genommen werden. In jedem Fall sind vor der Antibiotikagabe mehrere Blutkulturen und ein Rachenabstrich abzunehmen. Das Vermeiden unnötiger Zeitverzögerungen und rasches aber sorgfältiges Handeln sind gerade für Patienten mit einer schwer verlaufenden Meningitis lebensentscheidend. Prof. Dr. Wolfgang Lalouschek Prof. Dr. Wilfried Lang Klinische Abteilung für Klinische Neurologie Universitätsklinik für Neurologie AKH Wien Ankündigung 4. Intensivmedizinisches Symposium am Wörthersee 6. - 7. September 2002 , Universität Klagenfurt Themenschwerpunkte: Prähospitale Notfälle • Respiratorische Intensivmedizin • Kardiologische Intensivmedizin • Gastrointestinale Intensivmedizin • Ethische Probleme Organisation: II. Med. Abteilung, LKH Klagenfurt, E-Mail: [email protected] INTENSIV - NEWS JUNI 2002 23 Promotion ALIVE Kammerflimmern gilt als eine der Hauptursachen für einen Herzstillstand. Jedes Jahr erleiden mehr als 250.000 Amerikaner einen Herzstillstand außerhalb eines Krankenhauses. Obwohl bereits große Fortschritte in der Behandlung dieses Ereignisses gemacht wurden, ist die Überlebensrate mit etwa 10% doch relativ gering. Dazu kommt, dass die Auswahl an Medikamenten, die bei schockrefraktären Patienten nach Herzstillstand eingesetzt werden können, begrenzt ist. Bis dato wurde routinemäßig neben Epinephrin Lidocain gegeben, obwohl zu Lidocain keine randomisierten klinischen Studien vorliegen, die den Einsatz der Substanz in dieser Indikation wissenschaftlich rechtfertigen. Erstmals wurde in der ARREST-Studie (Amiodarone for Resuscitation after Out-of-hospital Cardiac Arrest due to Ventricular Fibrillation - PJ Kudenchuk et al., NEJM 1999; 341:871-77) unter doppelblinden und plazebokontrollierten Bedingungen, die Effektivität von Amiodaron1 gezeigt. Basierend auf den Erkenntnissen der ARREST-Studie wurde die ALIVE-Studie2 initiiert, in der Amiodaron mit Lidocain verglichen wurde. In die ALIVE-Studie wurden 347 Patienten (Amiodaron = 180, Lidocain = 167) mit Kammerflimmern, die durch 3 Elektroschocks, gefolgt von i.v. Epinephrin sowie einem weiteren Elektroschock nicht wieder belebt werden konnten, eingeschlossen. Dabei wurden die Patienten wie folgt randomisiert: Amiodaron: 1. Bolus – 5,0 mg pro kg i.v. wenn nötig 2. Bolus – 2,5 mg pro kg i.v. Lidocain: 1. Bolus – 1,5 mg pro kg i.v. wenn nötig 2. Bolus – 1,5 mg pro kg i.v. Als Endpunkt wurde die Verbesserung der Überlebensrate bis zum Eintreffen ins Krankenhaus definiert. Patienten, die die Studienmedikation im Zeitraum von 25+/8 Minuten nach Eingang des Notrufs erhalten hatten, zeigten in der Amiodaron-Gruppe eine Überlebensrate von 22,8%, in der Lidocain-Gruppe von 12,0% (p = 0,009). Bei Patienten, denen die Studienmedikation innerhalb von 24 Minuten appliziert wurde, zeigte sich ebenfalls ein Benefit zugunsten von Amiodaron (27,7% Überlebensrate versus 15,3% Überlebensrate mit Lido- 24 JUNI 2002 cain). Auch in den Subgruppenanalysen zeigte sich die Überlegenheit von Amiodaron (siehe Abbildung). Nach Aussage des Studienleiters, Dr. Paul Dorian, Kardiologe am St. Michael´s Hospital in Toronto ist Amiodaron - basierend auf den bis dato zur Verfügung stehenden Daten - die einzige Substanz, die bei schockrefraktärem Herzstillstand erfolgreich eingesetzt werden kann. Deswegen werden alle Ambulanzen in Toronto mit Amiodaron ausgestattet. „Auch für die empfohlene Standardtherapie von Patienten mit Herzstillstand durch Sanitäter und Krankenhäuser in Nord-Amerika werden die Ergebnisse erhebliche Auswirkungen haben.“ so Dorian. Die Erkenntnisse aus der ALIVE-Studie zeichnen Amiodaron als Antiarrhythmikum der Wahl in der Indikation „schockrefraktäres Kammerflimmern“ aus und ebnen den Weg für weitere Untersuchungen, um die LangzeitÜberlebenschancen von Patienten mit Herzstillstand zu bestimmen. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an: Actiopharm GmbH, Hrn. Wolfgang Krickl Tel. ++43-1-879 16 76-412, [email protected] Amiodaron = Sedacoron®, ein Produkt der EBEWE Pharma Amiodarone as compared with Lidocaine for Shock-resistant Ventricular Fibrillation NEJM 2002;346:884-90 1 2 Effekt einer Behandlung mit Amiodaron vs. Lidocain auf die Überlebensrate 1 Patienten gesamt 2 initial Kammerflimmern 3 initial Asystolie oder Pulslosigkeit 4 spontane Zirkulation vor Gabe der Studienmedikation 5 keine spontane Zirkulation vor Gabe der Studienmedikation INTENSIV - NEWS Intensivmedizinische Kontroversen Randomised controlled trial of brief psychological intervention after deliberate self poisoning. BMJ 2001; 325:1-5 Guthrie E, Kapur N, Mackway-Jones K, et al. School of Psychiatry and Behavioural Sciences, University of Manchester, Rawnsley Building, Manchester Royal Infirmary, Manchester M13 9WL. Objectives: To determine the effects of a brief psychological intervention (brief psychodynamic interpersonal therapy) for patients after deliberate self poisoning compared with usual treatment. To compare the impact of the active intervention and usual treatment on patients' satisfaction with care. Design: Randomised controlled trial. Participants: 119 adults who had deliberately poisoned themselves and presented to the emergency department of a teaching hospital. Setting: Community based study. Intervention: Four sessions of therapy delivered in the patient's home. Control patients received „treatment as usual“, which in most cases consisted of referral back to their general practitioner. Outcome measures: Severity of suicidal ideation six months after treatment as assessed by the Beck scale for suicidal ideation. Secondary outcome measures at six month follow up included depressive symptoms as measured by the Beck depression inventory, patient satisfaction with treatment, and self reported subsequent attempts at self harm. Results: Participants randomised to the intervention had a significantly greater reduction in suicidal ideation at six month follow up compared with those in the control group (reduction in the mean (SD) Beck scale 8.0 v 1.5). They were more satisfied with their treatment and were less likely to report repeated attempts to harm themselves at follow up (proportion repeating 9% v 28% in control group; difference 19%, 95% confidence interval 9% to 30 %, P=0.009). Conclusion: Brief psychodynamic interpersonal therapy may be a valuable treatment after people have deliberately tried to poison themselves. Zur Problematik der Versorgung von Patienten nach Suizidversuch: Notfallmedizinische und psychiatrische Aspekte 1. Einleitung Suizidversuche sind ein häufiger Aufnahmegrund an notfallmedizinischen Abteilungen und lösen bei Ärzten und Pflegepersonal aller Disziplinen ambivalente Gefühle von Betroffenheit, Angst, Unverständnis, Wut oder Hoffnungslosigkeit aus. Die Behandlung von Patienten mit vorsätzlicher Selbstverletzung steht im Spannungsfeld von somatischer Stabilisierung, Betreuung von Angehörigen und psychiatrischer Begutachtung mit Initiierung einer allenfalls erforderlichen Krisenintervention und spezifischen Behandlungen. Eine enge Kooperation von Innerer Medizin und Psychiatrie ist zur optimalen Behandlung dieser Patienten anzustreben. Angesichts der hohen Rezidivrate müssen alle Anstrengungen der Suizidprävention gelten. Die komplexe Ätiologie suizidalen Verhaltens, limitierte finanzielle und personelle Kapazitäten sowie offene Fragen hinsichtlich der Effektivität spezifischer Strategien erschweren jedoch die Entwicklung einheitlicher Strategien. 2. Suizidalität: Epidemiologie, Verlauf und Prädiktoren Suizidalität wird heute als mehrdimensionales Geschehen verstanden, das auf komplexe Interaktionen psychologischer, sozialer, biologischer, genetischer und Umweltfaktoren zurückzuführen ist. Einschätzungen der WHO zufolge begingen im Jahr 2000 etwa eine Million Menschen weltweit Suizid. Der Selbstmord ist damit eine der zehn häufigsten (innerhalb der Al- tersgruppe der 15- bis 35-Jährigen sogar eine der drei häufigsten) Todesursachen und stellt, abgesehen von der individuellen menschlichen Katastrophe, einen wesentlichen gesundheitsökonomischen Belastungsfaktor dar. Die häufigste Suizidmethode ist die vorsätzliche Vergiftung. Laut WHO lag die Suizidrate in Österreich im Jahr 1999 bei 28,7 (Männer) bzw. 10,3 Fortsetzung auf Seite 26 INTENSIV - NEWS JUNI 2002 25 Intensivmedizinische Kontroversen (Frauen) pro 100 000 Einwohner. Katamnestische Untersuchungen belegen die beträchtliche Rezidivgefahr suizidaler Handlungen. Bis zu 50% aller Suizidpatienten unternehmen in den auf den Suizidversuch folgenden zehn Jahren mindestens einen erneuten Selbstmordversuch, wobei die Suizidgefahr im ersten Jahr nach einem Suizidversuch als am größten angegeben wird. Bei 5-10% dieser Patienten ist der neuerliche Selbstmordversuch tödlichen Ausganges. Als häufigste psychiatrische Diagnose bei Suizidpatienten findet sich in verschiedenen Studien die einer depressiven Störung (je nach untersuchter Stichprobe zwischen 30 und 90%), gefolgt von Suchterkrankungen (bis zu 75%), Psychosen (bis zu 25%) und Persönlichkeitsstörungen (ebenfalls bis zu 25%). Auch körperliche Erkrankungen finden sich gehäuft bei Suizidpatienten und dürften insbesondere bei den über-60Jährigen eine Rolle spielen. Einige demographische und klinische Charakteristika wurden als Risikofaktoren suizidalen Verhaltens identifiziert, wenngleich Prädiktorenanalysen insgesamt zu wenig konsistenten Ergebnissen führten. Epidemiologischen Studien zufolge werden Suizidversuche häufiger von Frauen sowie von jüngeren Altersgruppen (zwischen 15 und 34 Jahren) unternommen, während für Suizide das männliche Geschlecht und höhere Altersgruppen (jenseits des 50. Lebensjahres) überwiegen. Ein gesicherter Zusammenhang besteht zwischen Suizid(versuch) und Arbeitslosigkeit. In bis zu 80% der Fälle geht einem Suizidversuch ein akutes lebensgeschichtliches Ereignis, häufig in Form eines Trennungserlebnisses, voraus. Auf dem Boden einer bestehenden individuellen Vulnerabilität kann solch ein akuter psychosozialer Stressor schließlich das suizidale Verhalten triggern. Als wesentliche Prädiktoren suizidalen Verhaltens wurden außerdem ein vorangegangener Suizidversuch, eine psychiatrische Vorbehandlung, sowie das Bestehen einer Suchterkrankung oder einer Persönlichkeitstörung genannt. 3. Probleme in der Versorgung/ im Umgang mit Suizidpatienten Aus ökonomischen und logistischen Gesichtspunkten besteht auf internistischen bzw. notfallmedizinischen Ein- richtungen die nachvollziehbare Forderung nach einer raschen Verlegung oder Entlassung eines Patienten, sobald keine vitale Gefährdung mehr besteht. Diesem systemimmanenten Druck sieht sich auch der psychiatrische Konsiliararzt gegenüber, der eine Abschätzung der Suizidalität oder eine differenzialdiagnostische Abklärung eines Patienten in häufig noch intoxikiertem oder allgemein reduziertem Zustand vernehmen soll. Ferner ist sowohl die Akutversorgung als auch die psychiatrische Begutachtung fremdsprachiger Patienten häufig durch Sprachbarrieren erschwert, sodass transkulturelle Aspekte oder migrationsbedingte psychiatrische Störungen im akuten Setting kaum ausreichend berücksichtigt werden können. Die Arbeit mit Suizidpatienten stellt für das Ärzte- und Pflegepersonal aller Disziplinen zudem eine große emotionale Belastung dar. Die antizipierte „Sinnlosigkeit“ persönlicher Bemühungen im Wissen um die hohe Rezidivquote, die scheinbare „Inadäquatheit“ der suizidalen Reaktion auf psychische Bagatelltraumata sowie der verhältnismäßig große Anteil sozial de- Tabelle 1: Suizidalität: Risikopatienten, therapeutisches Spektrum und Verbesserungsmöglichkeiten Risikopatienten therapeutisches Spektrum Verbesserungsmöglichkeiten Vorangegangener Suizidversuch Internistische Akutversorgung Liaisonpsychiatrischer Dienst Psychiatrische Vorbehandlung Krisenintervention Intensivierung der interdisziplinären Kooperation Suchterkrankung Psychiatrische Diagnosestellung und Begutachtung Persönlichkeitsstörung Psychiatrische Diagnostik nach Stabilisierung Langzeitbehandlung: Traumatisches lebensgeschichtliches Ereignis Hohe somatische Komorbidität Aufbau einer tragfähigen Beziehung • pharmakotherapeutisch • psychotherapeutisch • soziotherapeutisch Involvierung von Angehörigen Nachbetreuung: ambulant/stationär mit fixer Terminvereinbarung Forschung (Evaluierung der Nachbetreuung) 26 JUNI 2002 INTENSIV - NEWS Intensivmedizinische Kontroversen privierter, suchtkranker oder persönlichkeitsgestörter Patienten innerhalb dieser Population führen zuweilen zu einer ablehnenden Haltung gegenüber Suizidpatienten. Aus psychodynamischer Sicht ist anzumerken, dass die Konfrontation mit Suizidpatienten das Wertesystem all jener Berufsgruppen, deren Berufsethos primär in einer Erhaltung des Lebens besteht, in Frage stellt und somit eine abwehrende Einstellung induziert. 4. Nachbetreuung und suizidprophylaktische Maßnahmen Als zentrale Aspekte im Umgang mit einem Suizidpatienten sind der Aufbau einer tragfähigen Beziehung, die Diagnosestellung und Therapie einer zugrundeliegenden somatischen und/ oder psychiatrischen Erkrankung sowie die Anbahnung einer Nachbetreuung zu nennen. Die therapeutische Beziehung zu Suizidpatienten ist zumeist durch die Ambivalenz des Patienten geprägt, der einerseits an die Hilfsbereitschaft des Therapeuten appelliert, andererseits jegliche Angebote ablehnt. Auf die Notwendigkeit einer Kontaktaufnahme zum frühestmöglichen Zeitpunkt verweist das Ergebnis mehrerer Untersuchungen, wonach angebotene Hilfe umso eher verweigert wird, je größer der zeitliche Abstand zwischen Suizidversuch und therapeutischem Angebot ist. Eine Reihe empirischer Studien versuchte die Effektivität suizidprophylaktischer, spezifischer Therapieansätze zu evaluieren. Interessante Daten entstammen einer jüngsten Studie von Guthrie et al. (BMJ 2001;323:1–5), im Rahmen derer 119 Patienten nach einem Suizidversuch in zwei Gruppen randomisiert wurden. Die Patienten der „Experimentalgruppe“ erhielten eine spezifische ambulante Nachbetreuung in Form von vier Einheiten der „psychodynamischen Interpersonellen Psychotherapie“ (IPT), die Patienten der INTENSIV - NEWS „Kontrollgruppe“ wurden zum praktischen Arzt weiterverwiesen. Die IPT beinhaltet Elemente aus der psychodynamischen, systemischen und kognitiv-verhaltenstherapeutischen Psychotherapie und ist im Zusammenhang mit suizidalen Patienten als „Kurzpsychotherapie“ für akute Lebenskrisen zu verstehen. Basierend auf der Annahme eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen aktuellem psychischen Leiden und einer Störung interpersoneller Beziehungen, werden aktuelle Problembereiche erfasst und Lösungsansätze anhand der therapeutischen Beziehung „erprobt“. Die Effektivität spezifischer Therapieprogramme konnte insofern repliziert werden, als sich in der IPT-Gruppe ein im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant höheres Ausmaß einer Reduktion von depressiven Symptomen und Suizidideen zeigen ließ. sowie die Zunahme von affektiven Störungen und vermutlich auch von Suchterkrankungen werden mit den in den westlichen Industrieländern steigenden Suizidraten in Zusammenhang gebracht. Angesichts der hohen Rezidivrate suizidalen Verhaltens und der zunehmenden psychischen Belastung des medizinischen Personals sind Verbesserungen in der Versorgung von Suizidenten zu fordern. Im Vordergrund stehen hierbei spezifische Schulungsangebote, eine enge Kooperation von internistischen und psychiatrischen Abteilungen sowie ein differenziertes Nachbetreuungsangebot. Liaisonpsychiatrische Dienste, die eine kontinuierliche Betreuung sowie eine interdisziplinäre Kooperation und Supervision ermöglichen, haben sich im Umgang mit Suizidpatienten bewährt, scheitern jedoch häufig an begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen. Festzustellen bleibt jedoch, dass der Wirksamkeitsnachweis suizidprophylaktischer Therapieansätze schwer zu erbringen ist. Methodische Probleme (z. B. kleine Fallzahlen, kurze Katamnesedauern oder Unklarheiten bezüglich der psychiatrischen Kernstörung der untersuchten Patientenpopulationen) sind bei der Interpretation der vorliegenden Daten zu berücksichtigen. In den meisten Studien konnte ein signifikant besserer Outcome hinsichtlich psychiatrischer Symptome und sozialem Anpassungsgrad bei jenen Patienten gezeigt werden, die in ein spezifisches Nachbetreuungsprogramm eingebunden wurden. Der Nachweis einer signifikanten Reduktion der Suizidrate ist bislang jedoch erst von einer einzigen Studie mit ebenfalls kurzer Katamnesedauer erbracht worden. Trotz aller Bestrebungen, optimale (Nach-)Versorgungskonditionen zu gewährleisten, ist davon auszugehen, dass nur einem Teil der suizidgefährdeten Patienten langfristig geholfen werden kann. Die Studie von Guthrie et al. zeigt jedoch, dass durch ein spezifisches therapeutisches Angebot eine signifikante Verbesserungen der depressiven Symptomatik und eine Abnahme von Suizidideen erreicht werden kann, sodass eine Intensivierung der Forschung auf diesem Gebiet wünschenswert wäre. 5. Schlussfolgerungen Die wachsende Urbanisierung, der Verlust kohäsiver sozialer Strukturen, Literatur bei den Verfassern Dr. Martin Kopeinig Dr. Eva Hilge Prof. Dr. Sigfried Kasper Klinische Abteilung für Allgemeine Psychiatrie Univ.-Klinik für Psychiatrie AKH Wien JUNI 2002 27 Fachinformation zu OliClinomel ® Zusammensetzung eines 1000 ml Beutels von OliClinomel® 2,2 % GF-E: Arzneilich wirksame Bestandteile: Kammer mit Fettemulsion 200ml: * Mischung aus gereinigtem Olivenöl (ca. 80 %) und gereinigtem Sojaöl (ca. 20%) 20,00 g; Kammer mit Aminosäurelösung 400ml: Alanin 4,56 g; Arginin 2,53 g; Glycin 2,27 g; Histidin 1,06 g; Isoleucin 1,32 g; Leucin 1,61 g; Lysin 1,28 g (entspr. Lysinhydrochlorid 1,60 g); Methionin 0,88 g; Phenylalanin 1,23 g; Prolin 1,50 g; Serin 1,10 g; Threonin 0,92 g; Tryptophan 0,40 g; Tyrosin; 0,09 g; Valin 1,28 g; Natriumacetat 3H2O 0,98 g; Natriumglycerophosphat 5H2O 2,14 g; Kaliumchlorid 1,19 g; Magnesiumchlorid 6H2O 0,45 g; Kammer mit Glucoselösung 400 ml:Wasserfreie Glucose 80,00 g (entspr. Glucose- Monohydrat 88,00 g); Calciumchlorid 2H2O 0,30 g. Nach dem Mischeneines des Inhalts drei Kammern erhält ®man Zusammensetzung 1000 mlder Beutels von OliClinomel 2,2 % GF-E: folgendewirksame Zusammensetzung Arzneilich Bestandteile: der Mischlösung für folgende Packungsgrößen: Kammer mit Fettemulsion 200ml: * Mischung aus gereinigtem Olivenöl (ca. 80 %) und gereinigtem Sojaöl (ca. 20%) 20,00 g; Kammer mit Aminosäurelösung 400ml: Alanin 4,56 g; Arginin 2,53 g; Pro 2,27 Beutel 1 Liter 1,5g; Liter Liter Lysinhydrochlorid 2,5 Liter Glycin g; Histidin 1,06 g; Isoleucin 1,32 g; Leucin 1,61 Lysin 1,28 g 2 (entspr. 1,60 g); Methionin 0,88 g; Phenylalanin3,6 1,23 g; Prolin 5,4 1,50 g; Serin 1,10 7,3 g; Threonin 9,10,92 g; Stickstoff (g) Tryptophan 0,40(g) g; Tyrosin; 0,09 g; Valin 1,28 Natriumglycerophosphat 22g; Natriumacetat 33 3H2O 0,98 g;44 55 Aminosäuren 5H2O 2,14 g; Kaliumchlorid 1,19 g; Magnesiumchlorid 6H2O 0,45 g; Kammer mit Glucoselösung 400 ml:Wasserfreie Glucose 80,00 g (entspr. GlucoseMonohydrat 88,00 g); Calciumchlorid 610 910 1215 1520 Gesamtkalorien (kcal) 2H 2O 0,30 g. 520 780 1040 1300 Nichteiweiß-Kalorien (kcal) 320 480 640 Glucosekalorien (kcal) Nach dem Mischen des Inhalts der drei Kammern erhält man 800 200 300 400 500 Fettkalorien (kcal) folgende Zusammensetzung der Mischlösung für folgende 144 144 144 144 Nichteiweiß-Kalorien/ Packungsgrößen: Stickstoff-Verhältnis (kcal/g N) 32Liter 53 Liter Natrium (mmol) Pro Beutel 121 Liter 1,5 242Liter 2,5 16 24 32 40 Kalium (mmol) 3,6 5,4 7,3 9,1 Stickstoff (g) 2,2 3,3 4,4 5,5 Magnesium (mmol) 22 33 44 55 Aminosäuren (g) 2 3 4 5 Calcium (mmol) 8,5 13 17 21 Phosphat (mmol)** 610 910 1215 1520 Gesamtkalorien 30 46 61 76 Acetat (mmol) (kcal) 520 780 1040 1300 Nichteiweiß-Kalorien (kcal) 33 50 66 83 Chlorid (mmol) 320 480 640 800 Glucosekalorien (kcal) 200 300 400 500 Fettkalorien (kcal) 6 6 6 6 pH 144 144 144 144 Nichteiweiß-Kalorien/ Stickstoff-Verhältnis 750 750 750 750 Osmolarität (mosm/l)(kcal/g N) 21 32 42 53 Natrium (mmol) 32 40 (mmol) der Phosphate aus der16Fettemulsion 24 **Kalium einschließlich 2,2 3,3 4,4 5,5 Magnesium (mmol) 2 3 4 5 Calcium (mmol) 8,5 13 17 21 Phosphat (mmol)** 30 46 61 76 Acetat (mmol) 33 50 66 83 Chlorid (mmol) pH Osmolarität (mosm/l) 6 6 6 6 750 750 750 750 Nach dem Mischen des Inhalts der drei Kammern erhält man folgende Zusammensetzung der Mischlösung für folgende Packungsgrößen: Pro Beutel Stickstoff (g) Aminosäuren (g) Gesamtkalorien (kcal) Nichteiweiß-Kalorien (kcal) Glucosekalorien (kcal) Fettkalorien (kcal) Nichteiweiß-Kalorien/ Stickstoff-Verhältnis (kcal/g N) Natrium (mmol) Kalium (mmol) Magnesium (mmol) Calcium (mmol) Phosphat (mmol)** Acetat (mmol) Chlorid (mmol) pH Osmolarität (mosm/l) 1 Liter 2 Liter 2,5 Liter 5,6 34 1,5 Liter 8,4 51 11,2 68 14,0 85 1015 880 480 400 157 1525 1320 720 600 157 2030 1760 960 800 157 2540 2200 1200 1000 157 32 24 2,2 2 10 53 46 48 36 3,3 3 15 79 69 64 48 4,4 4 20 106 92 80 60 5,5 5 25 132 115 6 6 6 6 1160 1160 1160 1160 ** einschließlich der Phosphate aus der Fettemulsion ** einschließlich der Phosphate aus der Fettemulsion Zusammensetzung eines 1000 ml Beutels von OliClinomel® 4% GF-E: Zusammensetzung eines 1000 ml Beutels von OliClinomel® 4% GF: Arzneilich wirksame Bestandteile Kammer mit Fettemulsion 200 ml: Gereinigtes Olivenöl + gereinigtes Sojaöl* 40,00 g; Kammer mit Aminosäurenlösung 400 ml: Alanin 8,28 g; Arginin 4,60 g; Glycin 4,12 g; Histidin 1,92 g; Isoleucin 2,40 g; Leucin 2,92 g;Lysin 2,32 g (entspr. Lysinhydrochlorid) (2,90 g); Methionin 1,60 g; Phenylalanin 2,24 g; Prolin 2,72 g; Serin 2,00 g; Threonin 1,68 g; Tryptophan 0,72 g; Tyrosin 0,16 g; Valin 2,32 g; Natriumacetat 3H2O 2,45 g; Natriumglycerophosphat 5H2O 2,14 g; Kaliumchlorid 1,79 g; Magnesiumchlorid 6H2O 0,45 g; Kammer mit Glucoselösung 400 ml: Wasserfreie Glucose 160,00 g (entspr. Glucose-Monohydrat 176,00 g); Calciumchlorid 2H2O 0,30 g * Mischung aus gereinigtem Olivenöl (ca. 80 %) und gereinigtem Sojaöl (ca. 20%) Arzneilich wirksame Bestandteile: Kammer mit Fettemulsion 400 ml: Gereinigtes Olivenöl + gereinigtes Sojaöl* 40,00 g; Kammer mit Aminosäurenlösung 200 ml: Alanin 8,28 g; Arginin 4,60 g; Glycin 4,12 g; Histidin 1,92 g; Isoleucin 2,40 g; Leucin 2,92 g; Lysin 2,32 g (entspr. Lysinhydrochlorid) (2,90 g); Methionin 1,60 g; Phenylalanin 2,24 g; Prolin 2,72 g; Serin 2,00 g; Threonin 1,68 g; Tryptophan 0,72 g; Tyrosin 0,16 g; Valin 2,32 g; Kammer mit Glucoselösung 400 ml: Wasserfreie Glucose 160,00 g (entspr. Glucose-Monohydrat 176,00 g) * Mischung aus gereinigtem Olivenöl (ca. 80 %) und gereinigtem Sojaöl (ca. 20%) Nach dem Mischen des Inhalts der drei Kammern erhält man folgende Zusammensetzung der Mischlösung für folgende Packungsgrößen: Pro Beutel Stickstoff (g) Aminosäuren (g) Gesamtkalorien (kcal) Nichteiweiß-Kalorien (kcal) Glucosekalorien (kcal) Fettkalorien (kcal) Nichteiweiß-Kalorien/ Stickstoff-Verhältnis (kcal/g N) Natrium (mmol) Kalium (mmol) Magnesium (mmol) Calcium (mmol) Phosphat (mmol)** Acetat (mmol) Chlorid (mmol) pH Osmolarität (mosm/l) 1 Liter 1,5 Liter 2 Liter 2,5 Liter Pro Beutel 9,9 60 13,2 80 16,5 100 Stickstoff (g) Aminosäuren (g) 1800 1560 960 600 158 2400 2080 1280 800 158 3000 2600 1600 1000 158 48 36 3,3 3 15 86 72 64 48 4,4 4 20 114 96 80 60 5,5 5 25 143 120 Gesamtkalorien (kcal) Nichteiweiß-Kalorien (kcal) Glucosekalorien (kcal) Fettkalorien (kcal) Nichteiweiß-Kalorien/ Stickstoff-Verhältnis (kcal/g N) Phosphat (mmol)** Acetat (mmol) Chlorid (mmol) 6 6 6 1450 1450 1450 pH Osmolarität (mosm/l) ** Phosphate aus der Fettemulsion 1 Liter 2 Liter 2,5 Liter 6,6 40 1,5 Liter 9,9 60 13,2 80 16,5 100 1200 1040 640 400 158 1800 1560 960 600 158 2400 2080 1280 800 158 3000 2600 1600 1000 158 3 37 16 4,5 56 24 6 74 32 7,5 93 40 6 6 6 6 1400 1400 1400 1400 Arbeitsgemeinschaft für Intensivpflege Transkulturelle Krankenpflege auf der Intensivstation „Zur Krankenpflege gehört die Achtung vor dem Leben, vor der Würde und Grundrechten des Menschen. Sie wird ohne Rücksicht auf die Rasse, die Nationalität, den Glauben, die Hautfarbe, das Alter, das Geschlecht, die politische Einstellung oder den sozialen Rang ausgeübt. Die Krankenschwester/der Krankenpfleger sorgt bei ihrer/seiner Tätigkeit dafür, dass die Wertvorstellungen, die Sitten und Gewohnheiten sowie der Glaube des einzelnen respektiert werden.“ (Ethische Grundregeln für die Krankenpflege – International Council of Nurces 1973) Einleitung Über die Krankenpflege „unter Einbeziehung vieler kultureller Aspekte“ wird viel gesprochen, wenn auch die Meinungen darüber, was damit eigentlich gemeint ist, häufig auseinandergehen. Wenn jedoch Patienten aus anderen Kulturkreisen in unsere Krankhäuser kommen, wird offenbar, wie wichtig eine holistische Betrachtungsweise in der Krankenpflege ist. Werden die andere Kultur und die religiöse Einbindung nicht beachtet was in der Praxis häufig geschieht kann es zu Konflikten kommen, die bis zu einer Ablehnung von Therapie und Pflege gehen kann. Häufige Schwierigkeiten bestehen im Umgang mit Patienten, die aus islamischen Ländern, zum Beispiel aus der Türkei, stammen. Diese Menschen sind sehr fest in ihrer Kultur und Religion verankert. Vor allem Einwanderer der ersten Generation bejahen nur selten eine Integration, was häufig Unverständnis, Aggression und Ablehnung in der einheimischen Bevölkerung auslöst und diese in ihren Vorurteilen noch bestärkt. Islamische Kultur und Lebensweise, die sich vor allem in ihrer konservativen Ausprägung, von der westlichen unterscheiden, machen Konflikte praktisch unvermeidbar – so auch in einer Ausnahmesituation, wenn jemand ins Krankenhaus muss. Vom Pflegepersonal wird in solchen Fällen „sehr viel Einfühlungsvermögen“ verlangt, was dieses aber oft aus den verschiedensten Gründen nicht aufbringen kann und womit es häufig überfordert ist. Meiner Ansicht nach reicht aber „viel Einfühlungsvermögen“ nicht aus um eine professionelle Pflege durchzuführen. Einfühlungsvermögen kann nicht die Unwissenheit über Kultur und Lebensweisen andersgläubiger Menschen abdecken. In der Praxis gibt es Situationen, in denen mit Unverständnis und Intoleranz reagiert wird und die religiösen Bedürfnisse dieser andersgläubigen Menschen in die Pflege nicht miteinbezogen werden. Der Ethnozentrismus, die Ansicht, dass die eigene Kultur über allen anderen erhaben ist, beruht häufig aus folgenden Tatsachen: • sprachliche Verständigungsbarrieren • Unkenntnis über soziokulturelle und religiöse Besonderheiten • Unterschiedliches Krankheitsverständnis Im Pflegeteam wurde zu folgenden Themenbereichen diskutiert: • Belastende Probleme im Umgang mit islamischen Patienten • Kenntnisse zu den Ernährungsgewohnheiten • Kenntnisse zur Rolle der Frau im Islam • Kenntnisse zum Krankheitsverständnis islamischer Patienten • Kenntnisse zu den Hygienevorschriften • Ursachen für mangelhaftes Wissen • Verbesserungsvorschläge Die Ergebnisse dieser Gespräche waren: • Die sprachlichen Barrieren werden als sehr belastend empfunden, da auch Englisch als Alternative meist nicht möglich ist. • Die Besucher von kranken Moslems werden manchmal als sehr störend empfunden weil sie „in Scharen“ auftreten und oft sehr laut sind. Sie wollen sich oft nicht an vorgegebenen Richtlinien zur Besuchsregelung unserer Intensivstation halten, sondern jederzeit zum Kranken gehen dürfen. Bei sterbenden Patienten kommt es bei den weiblichen Angehörigen nicht selten zum lauten Heulen oder sie werfen sich schreiend auf den Boden. Dieses Verhalten verunsichert alle außenstehende Personen. • Das Wissen über die Religion und die damit untrennbar verbundene Lebensweise islamischer Patienten erscheint nicht gut nachvollziehbar und vorurteilsüberschattet. • Die Rolle der Frau im Islam wurFortsetzung auf Seite 31 INTENSIV - NEWS JUNI 2002 29 Aquarius is a trademark of Edwards Lifesciences Corp., registered in the U.S. Patent and Trademark Office. • Innovation • Flexibilität - Hochvolumentherapie - freie Filterwahl • Einfache Bedienung - Kombination von Pre- und - alle Behandlungsarten - automatisches Füllen Postdilution - !Step by Step! - Blutflussraten bis 450 ml/min - Umsatzraten bis zu 10l/h Instruktionen über Bildschirm - ein Schlauchset für alle Therapien Komplettes HF-Produktportfolio Edwards Lifesciences Austria GmbH · Landstrasser Hauptstrasse 99/Top 2A · A-1031 Wien Tel: (01) 242 20 - 0 · Fax: (01) 242 20 - 150 · www.edwards.com Cardiovascular Resources · Carpentier-Edwards · Cosgrove-Edwards · Duraflo · Fogarty · Lifepath AAA · Research Medical · Starr-Edwards · Swan-Ganz Neu im ANV AQUARIUS Arbeitsgemeinschaft für Intensivpflege de als „unterdrückt“ und „müssen ein Kopftuch tragen“ gesehen. • Über die Ernährungsgewohnheiten wurde angegeben, dass islamische Patienten kein Schweinefleisch essen, über dessen Grund gehen die Meinungen auseinander. • Die KollegenInnen gaben an, zu wenig über die islamische Kultur zu wissen. Sie sind alle der Meinung, im Rahmen der Ausbildung zu wenig über die speziellen Bedürfnisse andersgläubiger Patienten im Krankenhaus erfahren zu haben. • Sie stellten auch fest, dass es in der innerbetrieblichen Fortbildung in den Krankenhäusern zu wenig Angebote für Fortbildungen zu diesem Thema gibt. Menschen islamischen Glaubens bilden in Österreich die zweitgrößte Religionsgemeinschaft. In Wien sind weit über 80.000 Menschen aus der Türkei gemeldet, und über 170.000 Menschen besitzen die österreichische Staatsbürgerschaft (Stat. Zentralamt 1996). Auf Grund der zunehmenden Zahl von Leuten aus fremden Ländern und Kulturen in Europa wird es generell aber ganz besonders für die Pflegepersonen immer bedeutungsvoller, über unbekannte religiöse Orientierungen und den davon geprägten Lebensweisen informiert zu sein. Um dem ethischen Anspruch gerecht zu werden, alle Patienten entsprechend ihrer Bedürfnisse zu pflegen, bedarf es Wissen aus der transkulturellen Pflege! Darunter ist zu verstehen, dass Menschen verschiedener ethnischer Zugehörigkeiten und somit unterschiedlicher Kulturen in einer Pflegebeziehung und einem permanenten Interaktionsprozess auf- einandertreffen. Das Ziel dieser Pflege ist darauf ausgerichtet, den zu pflegenden Menschen kulturkongruent, d. h. unter Berücksichtigung seiner Normen und Werte, seiner Einstellung und der davon geprägten Lebensweise, entsprechend zu betreuen. Ein positives Ergebnis der Pflegequalität hängt davon ab, inwieweit diese kulturkongruente Pflege gelingt. kündet hatte. Diese ihm zuteil gewordenen Offenbarungen wurden schon zu seinen Lebzeiten im Koran aufgezeichnet. Die Verwandten Mohammeds sahen in ihm einen religiösen Revolutionär, deshalb flüchtete er im Jahr 622 n. Chr. von Mekka nach Medina. Mit dieser Auswanderung (Hidschra) begann die islamische Zeitrechnung. Grundkenntnisse über den Islam und seine Entstehungsgeschichte Der Islam hat immer daran festgehalten, dass Mohammed nur ein Mensch war und deshalb wollen Muslime (einer der sich nur für Gott hingibt) nicht „Mohammedaner“ genannt werden, denn im Mittelpunkt ihrer Verehrungen steht Gott (Allah) und nicht Mohammed. Der Koran ist für Muslime nicht nur eine religiöse Grundlage, sondern vielmehr auch die Norm des sittlichen Handelns und das Fundament gesetzlicher Bestimmungen. Er begleitet die Menschen im täglichen Leben und bei besonderen Anlässen, der gläubige Muslime findet für jede Situation passende Stellen im Koran. Für viele Muslime nimmt die Sunna (Sitte, Brauch, Gepflogenheit), fast gleichwertig mit dem Koran einen fundamentalen Platz ein. Die Sunna ist eine Sammlung der Überlieferung über Lebensführung, Aussprüche und Verhaltensweisen des Propheten, die sich nicht im Koran finden. Islam bedeutet „Ergebung in den Willen Gottes“. Mohammed (arab. „der Gepriesene“) ist der Verkünder des Islams, er wurde 571 n. Christus in Mekka, im heutigen Saudi Arabien geboren. Im Jahre 595 heiratete er seine um viele Jahre ältere Dienstherrin Khadischa, die ihm vier Töchter gebar. Er lebte als Kaufmann und widmete sich wie die meisten seiner Landsleute dem Handel. Auf seinen Handelsreisen kam er immer wieder mit jüdischen und christlichen Kaufleuten zusammen und unterhielt sich ausführlich mit ihnen über ihre Religionen. Die Berührung mit dem Christentum und Judentum ist auch durch die Gesetze des Islams belegbar. Biblische Erzählungen finden sich auch im Koran. Im Alter von 40 Jahren überkamen Mohammed in einer Höhle am Berge Hira, wohin er sich öfters zurückzog, Visionen. Der Erzengel Gabriel verkündete ihm, dass er der Gesandte Gottes sei. Somit kam er zu der Überzeugung, dass ihm hier ein göttlicher Auftrag zuteil wurde und glaubte sich zum Propheten berufen. Er begann im Jahre 613 in Mekka öffentlich zu predigen, was ihm der Engel als Glaubensgut ver- Fünf religiöse Grundpflichten bestimmen das Leben der Gläubigen: • das Glaubensbekenntnis (Schahada) • das Gebet (Salaat) • das Fasten im Monat Ramadam (Saum) • die Armensteuer, das Almosengeben (Sakat) • die Pilgerfahrt nach Mekka (Hadsch) Fortsetzung auf Seite 32 INTENSIV - NEWS JUNI 2002 31 Arbeitsgemeinschaft für Intensivpflege Vorstellungen über Körper und Krankheit In der ländlichen Türkei basieren Erklärungsmodelle über die Umwelt und deren Funktionen zu einem großen Teil auf übernatürliche Ursachen. Ähnlich verhält es sich auch mit den Krankheits- und Körperkonzepten. Krankheit wird im religiösen oder magisch beeinflussten Zusammenhang erklärt. Krankheit bedeutet für den Moslem etwas Negatives. Er erlebt die Krankheit als von Gott gegeben, als Strafe für die Sünden, die er begangen hat. Das Wort „Inschaallah“ (so Gott will) hat besonders im Krankheitsfall eine wichtige Bedeutung. Gleichzeitig glaubt der Moslem aber an die Gnade Gottes, die ihm mit Hilfe der Medizin Gesundheit schenken wird. Der Arzt verrichtet seine Kunst mit der Hilfe Gottes. Ohne Glauben und Gebet gibt es keine Heilung.Weil auf dem Land die medizinischen Einrichtungen oftmals schwer zu erreichen sind, sind die volksmedizinischen Heilmethoden, religiöse Rituale und der Abergaube aus vorislamischer Zeit, über Jahrhunderte lang bewährte Erklärungsmodelle geblieben, die Gesundheit erhalten oder die Krankheit heilen. Krankheitsvorstellungen sind jedoch veränderlich und werden von folgenden Faktoren beeinflusst: • das soziale Umfeld • die Erreichbarkeit der medizinischen Institution • der empfundene Heilerfolg Sehr häufig werden sowohl das westlich orientierte, als auch das volksmedizinische Erklärungsmodell zu Rate gezogen, wobei regional und im Einzelfall mal das eine, mal das andere ein stärkeres Gewicht erhält. Ei32 JUNI 2002 nerseits hat Krankheit eine natürliche und andererseits eine übernatürliche Ursache. Körper und Psyche werden im Islam als nicht zu trennende Einheit gesehen. Krankheit ist nicht nur eine individuelle Angelegenheit, sondern betrifft stets auch die anderen Mitglieder der Gemeinschaft. Die Befindlichkeit wird den anderen mitgeteilt. Das demonstrative Äußern von Gefühlen, um das Befinden auszudrücken, wird sehr ausgeprägt zugelassen. Die Rolle der Frau im Islam Der geringe soziale und gesellschaftliche Status von Frauen lässt sich nicht damit begründen, dass sie traditionell keine Rolle gespielt hätten. Das weibliche Schönheitsideal entspricht im Islam der Vorstellung von Gehorsam, Schweigen und Passivität. Diese Eigenschaften werden nicht nur den Frauen zugeschrieben, sondern die Tugenden weiblicher Schönheit sind zugleich die Maßstäbe der gläubigen Muslimen im Verhältnis zu ihrem Gott. Die Unterwerfung der Frau dem Willen des Mannes bringt ein Prinzip zum Ausdruck, welches in der Welt des Islam eine fundamentale Rolle spielt. Für Gesellschaftsstrukturen, die an kategorische Geschlechterrollen festhalten, bedeutet jede Forderung der Frauen nach Veränderung nicht nur einen Angriff auf die patriarchalische Position der Männer, sondern auch gleichzeitig eine Revolution für das gesamte System. Zum Schutz der Frau hat der Islam strenge Vorschriften für das Bedecken des Körpers erlassen. In der Öffentlichkeit und in männlicher Gesellschaft (Ausnahmen: der eigene Ehemann, Brüder und Söhne) ist die Muslima verpflichtet, ihren Körper zu verdecken. Die Beine sollen immer bedeckt sein, daher werden auch bei großer Hitze Strümpfe oder lange Hosen getragen. Kleider oder Blusen haben immer lange oder zumindest halblange Ärmel. Im Krankenhaus trägt sie zumindest ein Kopftuch und ein langes Kleid. Ohne Kopftuch würde sie sich nackt und ausgeliefert fühlen. Für die Männer gelten nicht so strenge Bekleidungsvorschriften. Die meisten strenggläubigen Moslems trugen früher den Fes, welcher heute von einem gehäkelten Käppchen abgelöst wurde. Die Krawatte gilt als Symbol der westlichen Kultur und ist deshalb in vielen islamischen Ländern verpönt. Häufig wird ein Hemd mit offenem Kragen getragen. Moslems ziehen im Krankenhaus nur ungern ein weißes Nachthemd an, weil im Islam die Toten in weiße Hemden gekleidet werden. Der Koran stellt den Mann im Gesellschaftsleben eine Stufe höher als die Frau, er ist das Oberhaupt der Familie. Männliche Identität bedeutet also im öffentlichen Leben die demütige Unterwerfung unter Gott und seine irdischen Stellvertreter, zugleich aber im privaten Bereich die Rolle des Herrschers, dem sich die Frauen zu unterwerfen haben. Daraus resultiert auch die vergleichsweise strikte Trennung des öffentlichen und privaten Lebensraumes in islamischen Ländern. Das Haus gilt als Bereich der Frau, die Straße als Domäne des Mannes. Die Ergebnisse einer Studie (Richter – Pridi 1981) weisen darauf hin, dass der geringe Status von Frauen in einer patriachalischen Gesellschaft nicht unbedingt mit geringem SelbstINTENSIV - NEWS Arbeitsgemeinschaft für Intensivpflege wertgefühl verbunden ist. Während Frauen in Industrieländern oft in psychischer Abhängigkeit von Männern leben, sind moslemische Frauen weitgehend unabhängig von männlicher Anerkennung und Wertschätzung. Wichtiger ist die soziale Anerkennung, zu der sie durch die Mutterschaft gelangen. Körperkontakt zwischen den Geschlechtern ist in der Öffentlichkeit tabu, für die besonders gläubigen Menschen zählt auch das Händeschütteln dazu. Es ist somit nicht weiter verwunderlich, wenn Muslime als Begrüßungsritual nicht die Hände reichen. Das ist nicht unfreundlich oder diskriminierend gemeint, vielmehr entspricht es einem strengen Prinzip, Männer- und Frauenwelt nicht zu vermischen. In der Praxis beobachten wir häufig mit Unverständnis, dass der Angehörige seinen krankem Ehepartner nicht die Hand hält oder ihm liebevoll zuspricht. Krankenpflege in der Türkei Die Ausbildung dauert vier Jahre, der Schwerpunkt liegt auf ärztlichen Hilfsdiensten, während die Krankenpflege eher eine untergeordnete Rolle einnimmt. Der Grund dafür ist, dass die Pflege des Kranken von jeher Aufgabe der Familienangehörigen war. Noch heute ist es in den meisten türkischen Krankenhäusern so, dass jeweils ein Familienmitglied zumindest tagsüber für Stunden die Grundpflege, wie Waschen des Pati- enten, Essen eingeben, usw. weitgehend übernimmt. Manchmal nehmen Patienten einen Angehörigen ins Krankenhaus mit, der im Krankenzimmer Tag und Nacht anwesend ist. Krankenpflegepersonen genießen, da sie im Rahmen ihrer Tätigkeit mit Ausscheidungen, Blut, etc. zu tun haben und deshalb ständig „unrein“ sind, kein sehr hohes Ansehen. Missverständnisse im Krankenhaus In unseren Krankenhäusern ist das medizinische Personal stark naturwissenschaftlich geprägt. Krankheit wird auf der Basis biologischer und chemischer Abläufe im Organismus erklärt. Schon deshalb sind Verständigungsprobleme mit Patienten, die Fortsetzung auf Seite 34 Nutrisonpack Der neue Standard der enteralen Ernährungstherapie ausgewogene Volumssubstition bedarfsdeckende Nährstoffzufuhr reduzierte Translokationsgefahr Nahrungsmittel GmbH Oberlaaer Straße 251 • A-1107 Wien Telefon 01/688 26 26-0 • Telefax 01/688 26 26-666 INTENSIV - NEWS JUNI 2002 33 Arbeitsgemeinschaft für Intensivpflege über geringe medizinische Kenntnisse verfügen und magische Erklärungsmomente miteinbeziehen, vorhanden. Diese magische Denkweise passt nicht in unsere Vorstellung und wird nicht berücksichtigt. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Patienten oft eine mangelnde Compliance gegenüber der verordneten Therapie entgegenbringen. Darauf reagiert das medizinischer Personal wieder mit Befremden und Unverständnis. Die Patienten verhalten sich oft passiv, um ihren Angehörigen die Möglichkeit zu geben, sie zu pflegen. Diese Vorstellung passt überhaupt nicht in unser Konzept wo der Patient möglichst schnell wieder auf die Beine kommen soll. Daher dauern manchmal die Mobilisationen einfach länger. In seiner traditionellen Norm ist es dem Patienten erlaubt, neben seinen Angehörigen besonders zu leiden und sich von ihnen verwöhnen zu lassen. So ist die ganze Aufmerksamkeit der Familie auf den Kranken gerichtet. Der Krankenbesuch Der Krankenbesuch gehört zu den heiligen Pflichten des Moslems und ist ein ausgesprochener religiöser Akt. Es ist einer der besten und schönsten Wege, Gott nachzuwandern. Auch der Besuch eines fremden Kranken ist daher für den Moslem eine Befriedigung. Er tut damit etwas Gutes und darf dafür etwas Gutes von Gott erwarten. Dies ist eine Erklärung dafür, dass Moslems so zahlreich am Krankenbett erscheinen. Nach islamischem Glauben ist es der größte nichtmedizinische Dienst am Kranken, für ihn zu beten und dabei Gott um Erbarmen und um Genesung zu bitten. 34 JUNI 2002 Zu den Pflichten eines jeden Gesunden gehört es, Kranken Gesellschaft zu leisten. Durch die Gesellschaft wird der Kranke „am Leben“ erhalten und bekommt durch den Besuch einen Teil seiner Leiden abgenommen. Der Kranke wird in die Familienatmosphäre einbezogen und freut sich über jeden Besuch im Krankenhaus. Je zahlreicher Verwandte, Freunde und Bekannte am Krankenbett erscheinen, desto geehrter fühlt sich der Patient. Eine zeitliche oder altersmäßige Begrenzung des Krankenbesuches gibt es nicht – auch alte Menschen besuchen Kinder und umgekehrt. Die hohe Besucherzahl stellt im Krankenhaus fast immer ein Problem dar, besonders dann, wenn der Kranke und die anderen Patienten Ruhe brauchen. In solchen Fällen kommt es häufig auf beiden Seiten - medizinisches Personal und Angehörige - zu Konflikten, die durch die Sprachbarrieren und Dickköpfigkeit verstärkt werden. Bei schwerkranken Menschen ist es sinnlos, die nicht so nahen Angehörigen einfach wegzuschicken. Es ist ihre religiöse Pflicht, zum Kranken hinzugehen. Das Pflegepersonal sollte versuchen, eine vermittelnde Rolle einzunehmen, in der die Dauer und Anzahl der Besucher beim Kranken geregelt wird. So lassen sich meistens unnötige Streitereien und Aufregungen vermeiden. Patienteninformation Die Pflicht zur Aufklärung vor Untersuchungen oder operativen Eingriffen sollte Patienten in die Lage versetzen, im vollen Bewusstsein der medizinischen Gründe und möglichen Komplikationen eine eigenverantwortliche Entscheidung für oder ge- gen den Eingriff zu treffen. Manchmal erfolgt die schriftliche Einverständniserklärung ohne der Kenntnis der tatsächlichen Bedeutung dieses Schrittes. Der Grund ist häufig der hohe Analphabetismus, insbesondere jener Menschen aus den ländlichen Regionen, die oft nicht mehr als ihre Unterschrift schreiben können. Bei nicht verstandenen Informationen wird nur selten nachgefragt, weil das Zugeben des Nichtverstehens schwerfällt. Die Informationsgespräche werden erleichtert, wenn ein „fachkompetenter“ Dolmetscher beigezogen wird. Eine zufällig anwesende Bedienerin ist keine fachkompetente Übersetzerin, besonders wenn es um eine wichtige medizinische Entscheidung geht! Es würde oft Ärger erspart bleiben, wenn sich das Krankenpflegepersonal über die Normen und Traditionen des Islams informiert, um die Bedürfnisse der islamischen Patienten im Krankenhaus nachvollziehen zu können. Gelingt es, sich auf beiden Seiten mit Kooperation zu begegnen, kann die interkulturelle Begegnung im Pflegealltag eine Bereicherung für alle Beteiligten sein. Literatur und Quellenangaben • Khoshrouy-Sefat Houshang, ISLAM Der Glaube, seine Gesetze und seine Auswirkungen auf das Verhalten, das Erleben und die Bedürfnisse des gläubigen Moslems im Krankenhaus • E. Kellnhauser, Ausländische Patienten besser verstehen, Georg Thieme Verlag 1999 • Neuner Olga, Schäfer Karl Friedrich, Krankenpflege und Weltreligionen, Recom Verlag, Basel 1990 DGKS Josefa Imsel Klinik für Innere Medizin IV 13 H1 Intensivstation AKH Wien INTENSIV - NEWS Akut-Therapie Intensivtherapie Blutreinigung Das komplette Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten für die kontinuierliche Nierenersatztherapie: SCUF CVVH CVVHD CVVHDF TPA Dialyselösung und Substitutionsflüssigkeit für die Hämofiltration, Hämodialyse und Hämodiafiltration. Die Basis-Lösung für die kontinuierliche Behandlung. Verschiedene Kaliumkonzentrationen, um unterschiedlichen Bedürfnissen der Patienten gerecht zu werden. Bikarbonat Dialyselösung für akute Nierenersatztherapie. 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