4 4.4 Elementare Mengentheorie Funktionen [ Gamut 41-44, Partee 30-36, Chierchia 536-539 ] Funktionen sind spezielle binäre Relationen bzw. spezielle Abbildungen und damit nichts anderes als spezielle Mengen. Funktionen werden gewöhnlich mit f , g , ... oder F , G , ... notiert. D4.30 Eine binäre Relation (oder eine Abbildung) f ist eine Funktion von A nach B gdw es für jedes x ∈ A genau ein y ∈ B gibt derart, dass x , y ∈ f , d.h. wenn f linkstotal und rechtseindeutig ist. Falls f ⊆ A2 , wird von einer Funktion in A gesprochen. Beispiel: Sei A = {Lisa,Bart,Maggie} und B = {Karlo,Pluto} , wobei jetzt gelte, dass Lisa Karlo füttert und sowohl Bart als auch Maggie Pluto füttern. Die Relation des Fütterns F ∗ ist dann eine Funktion von A nach B und lässt sich wie folgt darstellen: Lisa Karlo Bart Maggie Pluto A B Der Vorbereich einer Funktion f von A nach B wird als Definitionsbereich (engl. ‚domain’) DOM ( f ) , der Nachbereich als Wertebereich (engl. ‚range’) RNG ( f ) bezeichnet. Es gilt: DOM ( f ) = A und RNG ( f )⊆ B . Die Elemente des Definitionsbereichs DOM ( f ) nennt man Argumente von f , die Elemente des Wertebereichs RNG ( f ) Funktionswerte von f . Der spezifische Charakter von Funktionen gegenüber gewöhnlichen binären Relationen bzw. gewöhnlichen Abbildungen wird durch eine eigene Notationsweise ausgedrückt. Notation: y = f (x ) „y ist f von x “ (statt: x , y ∈ f ) Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig. 1 4.4 Funktionen Beispiel: Sei A = {Lisa,Bart,Maggie} und B = {Homer,Marge} , wobei Homer der Vater von Lisa, Bart und Maggie ist. Die Vater-von-Funktion v von A nach B lässt sich wie folgt darstellen: Lisa Homer Bart Maggie Marge A B Spezifikation von Funktionen (A) Aufzählung: ⎡a1 →b1 ⎤ ⎢ ⎥ ⎢a →b ⎥ 2⎥ ⎢ 2 f =⎢ ⎥ ⎢a 3 →b3 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢⎢ ... ⎥⎥ ⎣ ⎦ „ f ist eine Funktion derart, dass a1 auf b1 , a2 auf b2 etc. abgebildet wird.“ Alternative Notation: f = { a1,b1 , a2 ,b2 , a 3 ,b3 ,...} Beispiel: die Vater-von-Funktion v ⎡ Bart → Homer⎤ ⎢ ⎥ ⎢ Lisa → Homer⎥ ⎢ ⎥ v=⎢ ⎥ ⎢Maggie → Homer⎥ ⎢ ⎥ ... ⎢⎢ ⎥⎥ ⎣ ⎦ = { Bart,Homer , Lisa,Homer , Maggie,Homer ,...} (B) Beschreibung: f :A→B, x f (x ) (statt: f ⊆ A × B ) „ f ist eine Funktion von A nach B derart, dass x auf f von x abgebildet wird.“ Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig. 2 4 Elementare Mengentheorie Alternative Notation: f = { x ,y |x ∈ A ∧ y ∈ B ∧ y = f (x )} Beispiel: die Vater-von-Funktion v v : {x | MENSCH (x )} → {x | MENSCH (x )} , x v (x ) alternativ: v = { x ,y | x ∈ {x |MENSCH (x )} ∧ y ∈ {x |MENSCH (x )} ∧ y = v(x )} Differenzierung von Funktionen D4.31 Eine Funktion f ist eine Funktion von A in B gdw RNG ( f )⊂ B , d.h. wenn der Wertebereich von f eine echte Teilmenge von B ist. Beispiel: Sei A = {Lisa,Bart,Maggie} und B = {Homer,Marge} , wobei Marge die Mutter von Lisa, Bart und Maggie ist. Die Mutter-von-Funktion ist eine Funktion von A in B und lässt sich wie folgt darstellen: Lisa Bart Maggie A Homer Marge B D4.32 Eine Funktion f ist eine Funktion von A auf B gdw RNG ( f ) = B , d.h. wenn f rechtstotal (oder surjektiv) ist. Beispiel: Die Sohn-von-Funktion s ist eine Funktion von A = {Homer,Ned,Marge,Kirk} auf B = {Todd,Bart,Milhouse} und lässt sich wie folgt darstellen: Homer Ned Kirk Marge A Todd Bart Milhouse B Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig. 3 4.4 Funktionen D4.33 Eine Funktion f ist ein-eindeutig (bijektiv oder eine Bijektion) gdw RNG ( f ) = B und es für jedes y ∈ B höchstens ein x ∈ A gibt derart, dass y = f (x ) , d.h. wenn f rechtstotal (surjektiv) und linkseindeutig (injektiv) ist. Beispiel: Sei A= {Homer,Ned} und B = {Marge,Maude} , wobei Homer mit Marge und Ned mit Maude verheiratet ist. Dann ist die Ehefrau-von-Funktion e eine eineindeutige Funktion von A auf B und lässt sich wie folgt darstellen: Homer Marge Ned Maude A B Wenn f : A → B eine ein-eindeutige Funktion ist, dann gibt es eine dazu inverse Funktion (eine Umkehrfunktion) f −1 : B → A . ? Ist die oben angegebene Funktion des Fütterns F ∗ rechtstotal, linkseindeutig und damit ein-eindeutig?. Komposition von Funktionen Zwei Funktionen (und allgemeiner zwei Relationen) lassen sich miteinander verknüpfen. Gegeben seien die Funktionen f : A → B und g : B → C . Das Ergebnis einer Komposition von f mit g ist dann die Funktion g f : A → C , wobei gilt: D4.34 [g f ](x ) =def g( f (x )) „ g nach f von x “ (einfacher: g f (x ) ) Dabei wird zunächst f auf jedes x in DOM ( f ) , danach g auf jedes f (x ) in DOM (g ) angewandt. Im Allgemeinen gilt: g Beispiel: f ≠f g. Sei A = {a,b,c},B = {1,2,3} und C ={A,B,C} . Seien außerdem folgende Funktionen f : A → B und g : B →C gegeben: ⎡1 → B ⎤ ⎡a → 3⎤ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ f = ⎢b →1⎥ , g = ⎢2 → C ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢3 → A⎥ ⎢c → 2 ⎥ ⎢⎣ ⎥⎦ ⎣⎢ ⎦⎥ Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig. 4 4 Elementare Mengentheorie ⎡a → A⎤ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ Dann ist die Komposition beider: g f =⎢b → B⎥ . ⎢ ⎥ ⎢c → C ⎥ ⎢⎣ ⎥⎦ a b c 3 C A B C a b c A Beispiel: A 1 2 B A B C B Seien die Vater-von-Funktion v und die Mutter-von-Funktion m wie folgt gegeben: ⎡Abe → Jackie ⎤ ⎢ ⎥ ⎡Homer → Abe ⎤ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢Homer → Mona ⎥ ⎢Bart → Homer ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ v=⎢ ⎥ , m = ⎢⎢Bart → Marge ⎥⎥ ⎢Lisa → Homer ⎥ ⎢Lisa → Marge ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢Maggie → Homer⎥ ⎢ ⎥ ⎣⎢ ⎦⎥ ⎢⎢Maggie → Marge⎥⎥ ⎣ ⎦ Die Großmutter-väterlicherseits-von-Funktion (d.h. die Vater-Mutter-vonFunktion) vm ergibt sich dann durch Komposition von v mit m wie folgt: ⎡Homer → Jackie⎤ ⎢ ⎥ ⎢Bart → Mona ⎥ ⎢ ⎥ vm = m v = ⎢ ⎥ ⎢Lisa → Mona ⎥ ⎢ ⎥ ⎢Maggie → Mona⎥ ⎣⎢ ⎦⎥ Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig. 5 4.4 Funktionen Charakteristische Funktionen Mengen können mit Hilfe von Funktionen charakterisiert werden. Eine Menge zu kennen, bedeutet, in der Lage zu sein, ihre Elemente zu identifizieren, d.h für beliebige Objekte angeben zu können, ob sie zur Menge gehören oder nicht. Die Voraussetzung dafür kann durch eine Funktion geliefert werden, die den Elementen dieser Menge den Wert 1 (wahr) und allen anderen Objekten den Wert 0 (falsch) zuordnet. Sei G eine Grundmenge und A eine Menge mit A ⊆ G . Die charakteristische Funktion von A (notiert als χA ) ist dann wie folgt definiert: D4.35 χA : G → {0,1} , ⎧ ⎪1, falls x ∈ A x ⎪ ⎨ ⎪ 0, falls x ∉ A ⎪ ⎩ Beispiel: Sei G = {Bierwisch,Euler,Gagarin,Montague,Roddenberry,Ross,Torvalds} und A = {Bierwisch,Montague,Ross} die Menge der Linguisten in G . Dann ist die charakteristische Funktion von A : ⎡ Bierwisch → 1⎤ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ Euler → 0⎥ ⎢ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ Gagarin 0 → ⎢ ⎥ ⎢ χA = ⎢ Montague → 1⎥⎥ ⎢ ⎥ ⎢Roddenberry → 0⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ → Ross 1 ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ Torvalds → 0⎥⎥ ⎢⎢ ⎣ ⎦ Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig. 6 4 Elementare Mengentheorie Übungen Ü4.14 Es seien A = {a,b,c,d } und B = {1,2,3,4} . Sind folgende Relationen auf A×B auch Funktionen? Wenn ja, sind sie ein-eindeutige Funktionen? (4 P.) { a,1 , b,2 , d,3 } (ii) { a,2 , b,3 , c,1 , d,4 } (iii) { a,2 , b,2 , c,2 , d,2 } (iv) { a,3 , b,2 , c,1 , d,1 , b,4 } (i) Ü4.15 Gib die charakteristische Funktion der Menge {i,o,u} an. Der Grundbereich sei {a,e,i,u,o} . (1 P.) Ü4.16 Es seien C = {1,2,a } und D = {d,F ,47} . Es seien außerdem f :C → D und g : D →C folgende Funktionen: ⎡1→ F ⎤ ⎡ d →a ⎤ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ f = ⎢2 → d ⎥ , g = ⎢ F → 1 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢a → 47⎥ ⎢47 → 2⎥ ⎣⎢ ⎦⎥ ⎣⎢ ⎦⎥ Gib f g und g f an. (2 P.) Zusatz: Überprüfe, ob (g f )−1 = f −1 g −1 . Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig. 7