Lösung Fall 8 a

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Übung zur Vorlesung „Einführung in das Zivilrecht I“
Wintersemester 2009/10
Lösung Fall 8 a
B hat gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 50 € aus § 433 II
BGB, wenn zwischen B und K ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist.
A. Angebot
Ein wirksamer Kaufvertrag setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen - Angebot
und Annahme - voraus. B hat K den Kauf des Ipod zum Preis von 50 € vorgeschlagen. Hierin
liegt ein Angebot i.S. von § 145 BGB. Die Erklärung enthält die notwendigen Bestandteile
für den Abschluss eines Kaufvertrags (essentialia negotii), nämlich Kaufgegenstand,
Kaufpreis und Vertragsparteien. Problematisch könnte der Zugang der Willenserklärung bei
K sein. K ist 13-jährig und damit nach §§ 2, 106 BGB beschränkt geschäftsfähig, so dass
gemäß § 131 I, II S. 1 BGB eine ihr gegenüber abgegebene Willenserklärung erst wirksam
wird, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter (Eltern, §§ 1626 I, 1629 I BGB) zugeht. Nach
§ 131 II S. 2 Var. 1 BGB genügt jedoch der Zugang beim Minderjährigen, sofern die
Erklärung lediglich einen rechtlichen Vorteil verschafft. Ein Angebot auf Abschluss eines
Kaufvertrages erweitert den Rechtskreis des Empfängers der Willenserklärung, so dass die
Erklärung für K lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt. Folglich ist das Angebot der K
zugegangen, § 131 II S. 2 Var. 1 BGB. Ein wirksames Angebot der B auf Abschluss eines
Kaufvertrages über den Ipod liegt damit vor.
B. Annahme
Fraglich ist, ob K das Angebot wirksam angenommen hat.
I. Beschränkte Geschäftsfähigkeit, §§ 2, 106 BGB
Der äußere (tatsächliche) Tatbestand einer Annahme durch K liegt vor. Fraglich ist jedoch, ob
die Erklärung, das Gerät kaufen zu wollen, auch rechtliche Wirksamkeit entfaltet. Gemäß
§§ 2, 106 BGB ist die 13-jährige K beschränkt geschäftsfähig. Die von einem beschränkt
Geschäftsfähigen ohne die erforderliche Einwilligung (vorherige Zustimmung, § 183 S. 1
BGB) des gesetzlichen Vertreters abgegebene Willenserklärung ist gem. § 108 I BGB
schwebend unwirksam.
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II. Lediglich rechtlich vorteilhaft, § 107 BGB
Ob die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erforderlich ist, richtet sich grundsätzlich
nach § 107 BGB. Demnach bedarf der Minderjährige zu einer Willenserklärung, durch die er
nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen
Vertreters. Lediglich rechtlich vorteilhaft sind nur solche Zuwendungen oder Rechtsgeschäfte,
welche die Rechtstellung des beschränkt Geschäftsfähigen ausschließlich verbessern. Bei der
Bestimmung des Vorteils ist ausschließlich eine rechtliche Sichtweise entscheidend,
wirtschaftliche Gesichtspunkte bleiben nach dem Gesetzeswortlaut außer Betracht.
K wollte von B den Ipod kaufen und damit eine rechtliche Verpflichtung eingehen. Folglich
liegt kein für sie lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft i.S. des § 107 BGB vor. Die
Wirksamkeit ihrer Annahmeerklärung bedurfte daher grundsätzlich der Einwilligung ihres
gesetzlichen Vertreters.
III.
Bewirken der Leistung mit eigenen Mitteln, § 110 BGB
Nach § 110 BGB ist der von einem beschränkt Geschäftsfähigen geschlossene Vertrag auch
ohne die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters wirksam, wenn der Minderjährige (hier: K)
seine vertragsgemäße Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck zur freien
Verfügung überlassen worden sind (Taschengeld). Eine Bewirkung der Leistung setzt bei der
Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung die vollständige Bezahlung voraus. Der Minderjährige
muss seine Pflicht zur Kaufpreiszahlung daher vollständig erfüllt haben, § 362 I BGB.
K hat noch nicht gezahlt, also nicht i.S. des § 362 I BGB erfüllt. Der Kaufvertrag ist damit
nicht nach § 110 BGB wirksam zustande gekommen.
IV.
Zustimmung, §§ 107, 108, 182 ff. BGB
Die Willenserklärung eines Minderjährigen, die nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist, bedarf
nach §§ 107, 108, 182 ff. BGB der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters.
1. Gesetzliche Vertreter, §§ 1626 I, 1629 I BGB
Gesetzliche Vertreter der K sind gem. §§ 1626 I, 1629 I BGB ihre Eltern.
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2. Einwilligung, § 183 BGB
Eine vorherige Zustimmung (Einwilligung, § 183 S. 1 BGB) muss sich auf ein konkretes
Rechtsgeschäft beziehen. Die Zustimmung der Eltern zum Kauf eines MP3-Players hat sich
nicht auf das Geschäft mit B bezogen, sondern war lediglich ein unbestimmtes Versprechen
ohne Rechtsbindungswille (§§ 133, 157 BGB). Das Versprechen der Eltern, bei günstiger
Gelegenheit einen gebrauchten MP3-Player zu kaufen, ist daher keine Zustimmung zu einem
Vertrag der K mit B und damit auch nicht zur Vertragserklärung der K. Somit war die
Erklärung der K gem. § 108 I BGB schwebend unwirksam.
3. Genehmigung, § 184 BGB
Eine nachträgliche Zustimmung (Genehmigung, § 184 I BGB) kann grundsätzlich dem
Minderjährigen oder dem anderen Teil (B) gegenüber erklärt werden, § 182 I BGB. Die
Eltern haben K gegenüber ihr Einverständnis mit dem Kauf des Ipods erklärt. Fraglich ist, ob
der Kaufvertrag damit gem. § 108 I BGB wirksam geworden ist.
Eine dem Minderjährigen gegenüber erteilte Genehmigung wird gemäß § 108 II 1 BGB
unwirksam, wenn der Geschäftspartner des Minderjährigen den gesetzlichen Vertreter zur
Erklärung über die Genehmigung aufgefordert hat. In diesem Fall kann die Genehmigung nur
noch dem Geschäftspartner (also B) gegenüber abgegeben werden, selbst wenn sie gegenüber
dem Minderjährigen bereits erklärt worden war.
Da B die Eltern der K zur Erklärung über die Genehmigung aufgefordert hat, konnte der
Kaufvertrag nur noch durch Genehmigung ihr gegenüber wirksam werden. B gegenüber
haben die Eltern aber ihre Genehmigung verweigert. Damit ist die Erklärung der K mangels
Zustimmung der gesetzlichen Vertreter nach §§ 107, 108, 182 ff. BGB endgültig unwirksam.
C. Ergebnis
Das von B unterbreitete Angebot wurde nicht wirksam angenommen. Damit ist zwischen B
und K kein Kaufvertrag nach § 433 BGB zustande gekommen. B hat folglich keinen
Anspruch gegen K auf Kaufpreiszahlung aus § 433 II BGB.
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Lösung Fall 8 b
V könnte gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v. 100 € gem. § 433 II
BGB haben. Voraussetzung ist, dass zwischen V und K ein Kaufvertrag über das Fahrrad
zustande gekommen ist. Zudem dürfte der Anspruch auf Kaufpreiszahlung nicht durch
Erfüllung nach § 362 I BGB untergegangen sein.
A. Anspruch entstanden
Zwischen V und K ist ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen. Zwar ist der 16jährige V nach §§ 2, 106 BGB beschränkt geschäftsfähig, allerdings haben die Eltern des V
als gesetzliche Vertreter (§§ 1626 I, 1629 I BGB) in den Verkauf des Fahrrads eingewilligt,
§§ 107, 183 BGB. Ein Anspruch des V gegen K gem. § 433 II BGB auf Zahlung des
Kaufpreises i.H.v. 100 € ist damit entstanden.
Hinweis: Die Lösung ist an dieser Stelle sehr knapp gehalten, da der Vertragsschluss bei
Minderjährigkeit bereits im Ausgangsfall eingehend behandelt wurde. In einer Klausur wäre
hier im Gutachtenstil auf die §§ 107, 183, 131 II S. 2 Var. 1 BGB einzugehen.
B. Anspruch untergegangen
Der Anspruch auf Kaufpreiszahlung könnte indes durch Erfüllung (§ 362 I BGB)
untergegangen sein. Unter Erfüllung ist die Schuldtilgung durch Bewirken der geschuldeten
Leistung zu verstehen. K schuldete dem V die Zahlung des Kaufpreises i.H.v. 100 € (s.o.).
Geldschulden können durch Übereignung der erforderlichen Banknoten erfüllt werden.
Fraglich ist, ob K dem V Eigentum am 100 €-Schein gem. § 929 S. 1 BGB übertrug. Das ist
der Fall, wenn K dem V den 100 €-Schein übergeben hat und sich beide darüber geeinigt
haben, dass V das Eigentum an dem Geldschein erwerben soll.
I. Einigung
Eine dingliche Einigung zwischen K und V setzt zwei inhaltlich übereinstimmende
Willenserklärungen (Angebot und Annahme) voraus, die darauf gerichtet sind, das Eigentum
an einer bestimmten Sache zu übertragen.
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1. Angebot
K könnte ein Angebot zur Eigentumsübertragung abgegeben haben. In der Disko sagt K zu V
„wegen deines Fahrrads“, als er ihm die 100 € gibt. K hat dem V damit ein Angebot zur
Übereignung des Geldes gemacht. Ein Angebot auf Eigentumsübertragung ist stets rechtlich
vorteilhaft, weshalb das Angebot dem V auch zugehen konnte, § 131 II S. 2 Var. 1 BGB.
2. Annahme
Außerdem müsste V das Angebot angenommen haben. Dies setzt voraus, dass er mit
Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters handelt oder durch die Erklärung lediglich einen
rechtlichen Vorteil erlangt, § 107 BGB. V erlangt mit einer Annahme Eigentum am
Geldschein, so dass die Annahmeerklärung lediglich rechtlich vorteilhaft ist. V konnte daher
gem. § 107 BGB die Annahme („alles klar“) wirksam erklären. K und V haben sich über den
Eigentumsübergang am 100 €-Schein geeinigt.
II. Übergabe
Zudem wurde der Geldschein nach § 929 S. 1 BGB von K an V übergeben.
III.
Zwischenergebnis
V hat Eigentum am 100 €-Schein erlangt. Die geschuldete Leistung, die Zahlung des
Kaufpreises, wurde demnach bewirkt. Der Tatbestand des § 362 I BGB ist daher
grundsätzlich erfüllt.
IV.
Empfangszuständigkeit
Nach h.M. erfordert § 362 I BGB jedoch neben dem Bewirken der Leistung, dass der
Empfänger der Leistung empfangszuständig ist. Beschränkt Geschäftsfähige sind nur dann
als empfangszuständig anzusehen, wenn sie die Leistung mit Einwilligung des gesetzlichen
Vertreters erhalten. Der Minderjährige erleidet zwar durch die Übereignung an sich keinen
rechtlichen Nachteil. Auch erfordert eine Erfüllungswirkung nach § 362 I BGB grundsätzlich
keine Willenserklärung, weshalb § 107 BGB nicht unmittelbar zur Anwendung gelangt (sog.
Theorie der realen Leistungsbewirkung). Das Vermögen eines Minderjährigen unterfällt
allerdings nach § 1626 I BGB der Verwaltung der Eltern aufgrund ihres Personen- und
Vermögenssorgerechts. Dieses Verwaltungsrecht würde beeinträchtigt, wenn einer Leistung
gegenüber dem Minderjährigen auch ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters
Erfüllungswirkung zukäme. Durch eine Erfüllung nach § 362 I BGB würde der Minderjährige
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seinen Anspruch auf Kaufpreiszahlung aus § 433 II BGB verlieren, ohne dass die Eltern
hierauf Einfluss nehmen könnten. Dies steht zum Rechtsgedanken der §§ 107, 108 BGB in
Widerspruch.
Die Eltern des V haben einer Erfüllung durch Übereignung des Geldscheins in der Disko
nicht zugestimmt. Der Anspruch auf Kaufpreiszahlung aus § 433 II BGB ist daher nicht durch
Erfüllung nach § 362 I BGB erloschen.
C. Ergebnis
V hat gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v. 100 € gem. § 433 II BGB.
Ergänzender Hinweis: Einem Anspruch des K aus § 812 I S. 2 Var. 2 BGB auf Rückzahlung
der 100 € steht der Einwand der Entreicherung entgegen (§ 818 III BGB; verschärfte
Bereicherungshaftung nach §§ 819 I, 818 IV BGB ist wegen fehlender Kenntnis der Eltern
von der Zahlung ausgeschlossen, str.).
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