Verschluss von großen Hautdefekten des Hundes Dieter Müller Die Deckung von großflächigen Wunden, die auf einen massiven Hautverlust beruhen stellt eine große Herausforderung dar. Es gibt verschiedene Methoden und Techniken in der wiederherstellenden und plastischen Chirurgie um Hautdefekte zu verschließen: • Primärnaht mit entlastender Hautfaltendecknaht • Mobilisierung und Unterminierung der Wundränder • Walking-Sutures • einfache Hautlappen • axiale Hautlappen • Hauttransplantate (Volltransplantate, Spalthauttransplantate, Mesh-Grafts) • Hautdehntechnik (Skin-Stretching) Bei großflächigen Wunden können bei geeigneter Lokalisation gestielte axiale Hautlappen, die über eine eigene Gefäßversorgung verfügen mit guten Erfolgschancen angewendet werden. Bei anderen großflächigen Wunden z. B. im Rückenbereich kommen nur Hauttransplantate oder die Hautdehntechnik in Betracht. Die Hauttransplantation ist aufwendig, technisch schwierig und erfordert während der langen Heilphase eine intensive Nachsorge. Es besteht immer die latente Gefahr, dass sich unter einem geschlossenen Transplantat ein Serom bildet, eine Wundinfektion sich entwickelt oder das Transplantat nicht anwächst und abstirbt. In der Tiermedizin kommt hinzu, dass die besonders empfindlichen verpflanzten Hautareale unbedingt vor einer Automutilation seitens des Patienten geschützt werden müssen, weil sonst ein Misserfolg vorprogrammiert ist. Hautdehntechnik (Skin-Stretching) Die Haut besitzt eine speziesunterschiedliche Elastizität, die zum Verschluss von Hautdefekten ausgenutzt werden kann. Sie hängt vom Individuum, der Körperregion, der den Verlust auslösenden Noxe und dem Zustand der verbliebenen Resthaut ab. Durch permanenten Zug über einen definierten Zeitraum kann die Haut über ihre natürliche Elastizitätsgrenze hinaus gedehnt werden. Dieses Phänomen wird auch als mechanisches Kriechen der Haut bezeichnet und führt zu einem Flächengewinn von körpereigener Haut, der zu einem Wundverschluss herangezogen werden kann. Ergänzt wird der Dehneffekt durch eine Verlängerung der intradermalen Kollagenfasern bis zu einer vorgegebenen Länge. Das Konzept der Hautdehntechnik wurde erstmals 1957 von Neumann beschrieben und führte zur Entwicklung der modernen Gewebeexpander durch Radovan und Austad in den 70er Jahren. Hautexpander Die Eigenschaft der Haut auf mechanischen Zug mit einer Längenausdehnung zu reagieren wird bei der Hautdehntechnik ausgenutzt um später in einem zweiten Schritt selbst große Wunddefekte schließen zu können. Bei der Dehnung nimmt die intradermale Mitoserate zu, die Hautdicke verringert sich und das subkutane Fettgewebe bildet sich zurück. Die Kollegenfasern orientieren sich in Richtung des ausgeübten Zuges. Trotz des mechanischen Stresses bleibt die Gefäßversorgung der Haut jedoch intakt. Die Blutzirkulation in der Haut bleibt unbeeinträchtigt, was klinisch an dem vitalen Aussehen erkennbar ist. Die zu dehnende Haut wird nicht unterminiert. Mit elastischen Bändern (X-Banders) können große Hautareale erfolgreich so weit gedehnt werden, dass Deckung selbst von großflächigen offenen Wunden möglich wird. Man benutzt hierfür Klettverschlüsse und elastische Gewebestreifen, die über den Wundbereich verlaufen und auf die Wundränder und benachbarten Hautflächen einen permanenten sanften Zug ausüben. Die Klettverschlüsse werden mit Sekundenkleber auf der Haut befestigt und die elastischen Bänder alle 8 Stunden nachgespannt. Die Dauer des Dehnugsprozesses hängt von der Größe des Defektes ab. Bereits nach 48 Stunden kann genügend Haut gewonnen sein um einen Wundverschluss zu ermöglichen. In einigen Fällen betragen die Dehnungsphasen 96 Stunden und mehr. Durch die Desquamation der Dermis lösen sich die aufgeklebten Klettverschlüsse nach wenigen Tagen von selbst ab. Bei längeren Dehnperioden müssen etwas versetzt neue Klettbänder aufgeklebt werden. Das offene Wundbett wird durch Auflegen von Gelpflastern abgedeckt. Die regelmäßige Inspektion und ggf. das vorsichtige Debridement der Wunde ermöglichen die Ausbildung eines gesunden Granulationsgewebes. Der Wundverschluss muss in besonderen Fällen etappenweise erfolgen, wobei die Hautränder sich immer weiter über dem Wundbett zusammenziehen bis schließlich der Defekt vollständig geschlossen werden kann. Skin-Stretching-Technik zum Verschluss eines großen Hautdefektes am Rücken eines Hundes Abbildung 1: Großflächige sich abzeichnende Hautnekrose am Rücken Abbildung 2: Beginnende Demarkation der zerstörten Hautareale Abbildung 3: Hautnekrose abgeschlossen, an den Wundrändern Epithelisierung Abbildung 4: Hautdefekt nach Debridement Abbildung 5: Cutinova® plus – Wundabdeckung nach Hautverlust Abbildung 6: Cutinova® zur temporären Abdeckung des großen Hautdefektes Abbildung 7: Aufgeklebte Klettstreifen zum Skin-Stretching Abbildung 8: Dehnstreifen mit elastischem Mittelteil Abbildung 9: Demonstration des Dehneffektes Abbildung 10: mehrere Dehnstreifen in situ Abbildung 11: Defektverschluss 1. Bei großen Defekten erfolgt ein schrittweiser Defektverschluss; zusätzliche Entspannungsnähte sind vorteilhaft. Abbildung 12: Defektverschluss 2 Abbildung 13: Defektverschluss 3 Abbildung 14: Defektverschluss 4 Abbildung 15: Granulationsgewebe und Epithelisierung im Restdefekt Abbildung 16: Epithelisierung der Restwunde fast abgeschlossen. Hautdefekt ist geschlossen. Abbildung 17: Ausheilungsergebnis nach vollständiger Epithelisierung Abbildung 18: Ergebnis nach 6 Monaten