zurück 82 arznei-telegramm® 2013; Jg. 44, Nr. 9 10 Centers for Disease Control and Prevention (CDC): MMWR 2010; 59: (RR4): 1-88; http://www.cdc.gov/mmwr/pdf/rr/rr5904.pdf 11 CULWELL, K.R. et al.: Contraception 2009; 80: 337-45 R 12 KILIC, S. et al.: Contraception 2009; 80: 152-7 13 PISONI, C.N. et al.: Lupus 2006; 15: 877-80 R 14 GUPTA, J. et al.: N. Engl. J. Med. 2013; 368: 128-37 OPIOID-SUBSTITUTION: LEVOMETHADON SICHERER ALS METHADON? Wir sind eine große Substitutionspraxis in Berlin und haben bezüglich QT-Verlängerung bei Methadon (METHADDICT u.a.)- und Levomethadon (L-POLAMIDON)-Substitution folgende Frage: Die wenigen Untersuchungen, die wir zu diesem Thema gefunden haben, sprechen von der hypothetischen Möglichkeit, dass Levomethadon bei verlängertem QT-Intervall die sicherere Variante sei, da vermutlich Dextromethadon für die Überleitungsverzögerung verantwortlich sei.1 Ist die gängige Praxis, bei verlängertem QTc Methadon durch Levomethadon zu ersetzen, sinnvoll? C. THOMAS (Fachärztin für Allgemein- und Suchtmedizin) D-10969 Berlin Interessenkonflikt: keiner 1 EAP, C.B. et al.: Clin. Pharmacol. Ther. 2007; 81: 719-28 Das langwirkende Opioid Methadon (METHADDICT u.a.) ist wie Morphin (MST MUNDIPHARMA u.a.) ein μOpiatrezeptoragonist, wird aber hierzulande nur noch zur Substitutionstherapie bei Opioidabhängigkeit angeboten. Ursprünglich wurde es in Deutschland 1949 unter dem Namen POLAMIDON als Schmerzmittel in den Handel gebracht. Methadon ist ein Razemat, dessen klinische Wirksamkeit bei der Behandlung von Schmerzen wie auch bei der Unterdrückung von Entzugssymptomen hauptsächlich auf das linksdrehende Isomer Levomethadon* (L-POLAMIDON) zurückgeführt wird, das hierzulande in den 1960er Jahren Methadon ersetzt hat. International spielt Levomethadon jedoch keine Rolle. Methadon wurde in Deutschland erst 1994 wieder verordnungsfähig (a-t 1994; Nr. 9: 88), um die Substitutionstherapie an den internationalen Standard anzugleichen.1 Obwohl Methadon in vielen Ländern seit den 1960er Jahren in der Substitutionstherapie und noch viel länger als Analgetikum verwendet wird, wurden erst 2002 – ein Jahr nachdem die Methadon-Variante Levazetylmethadol (früher: ORLAAM) wegen lebensbedrohlicher ventrikulärer Arrhythmien in Europa vom Markt kam (a-t 2001; 32: 55-6) – erstmals eine Verlängerung des QT-Intervalls und Torsade de pointes unter dem Opioid beschrieben.2 Weitere Berichte folgten, die die Annahme stützen, dass Methadon die kardiale Repolarisation verzögern und arrhythmogen wirken kann. Dies gilt vor allem, aber nicht ausschließlich, bei hoher Dosierung oder bei Vorliegen weiterer Faktoren, die mit einer QT-Verlängerung assoziiert sind wie Hypokaliämie oder die Anwendung weiterer das QT-Intervall verlängernder Arzneimittel.3 Sanofi Aventis, Anbieter von L-POLAMIDON, behauptet seit Jahren, dass Levomethadon besser verträglich und weniger kardiotoxisch sei als das Razemat.4,5 Die Firma verweist unter anderem auf einen 2007 von einer Schweizer Arbeitsgruppe publizierten Zellversuch, nach dem das rechtsdrehende Enantiomer Dextromethadon die für die Repolarisation entscheidenden kardialen Kaliumkanäle signifikant stärker blockieren soll als Levomethadon. Methadon-Razemat nimmt eine Zwischenstellung ein. Zudem errechnen die Autoren anhand von Daten aus einer Gruppe von 179 Methadon-Anwendern, dass Patienten, die aufgrund eines Enzymdefekts** Dextromethadon langsamer verstoffwechseln (n = 11), höhere Methadonund Dextromethadon-Blutspiegel haben und ein im Mittel längeres QT-Intervall aufweisen als Personen ohne diesen Enzymdefekt (439 25 ms versus 421 25 ms, p = 0,017).6 QTZeiten über 500 ms, die als deutlicher Risikofaktor für das Auftreten von Torsade de pointes gelten,7 kommen in der Untersuchung nicht vor. In einer weiteren, als explorativ bezeichneten Studie der gleichen Arbeitsgruppe unter Beteiligung ei* ** Bezeichnung nach der Fischer-Projektion (D, L-Nomenklatur), entspricht in der CIP-Konvention (R-S-Nomenklatur) dem R-Enantiomer von Methadon Verminderte Aktivität von CYP 2B6, so genannte langsame Metabolisierer nes deutschen Zentrums mit 39 Opioidabhängigen wird ein im Mittel tendenziell kürzeres QT-Intervall nach Wechsel von Methadon auf Levomethadon (in äquipotenter Dosierung) beschrieben.8 Die Datenlage ist jedoch nicht ohne Widersprüche: So errechnet eine norwegische Arbeitsgruppe, die bei 78 mit Methadon Substituierten die Plasmaspiegel des Razemats und der beiden Enantiomere sowie die QT-Intervalle bestimmt, eine signifikante Korrelation zwischen Blutspiegeln und Dauer der Repolarisation nur für Levomethadon und nicht für Dextromethadon.9 Randomisierte Vergleiche zwischen Methadon-Razemat und Levomethadon liegen zu dieser Frage bis heute nicht vor. Aus der Spontanerfassung unerwünschter Arzneimittelwirkungen ergibt sich kein Hinweis auf eine geringere kardiale Toxizität von Levomethadon: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) dokumentiert zu beiden Mitteln etwa gleich viele Verdachtsberichte über QT-Verlängerung und/oder ventrikuläre Arrhythmien (Erfassungszeitraum ab 1993; Levomethadon 7, Methadon 8, in zwei Berichten werden beide Substanzen aufgeführt).10 Allerdings ist Methadon das mit Abstand am häufigsten verwendete Substitutionsmittel, das 2012 einen Anteil von knapp 52% an den Substitutionsmitteln hatte, während der Anteil von Levomethadon (trotz seit Jahren steigender Tendenz) nur 27% betrug.11 In einer aktiven Überwachung Berliner Krankenhäuser, bei der erwachsene Patienten mit verlängertem QT-Intervall sowie begleitenden klinischen Symptomen erfasst und Informationen zu potenziellen Risikofaktoren einschließlich verwendeter Arzneimittel erhoben werden, gehört Levomethadon zu den fünf Mitteln, die bei mehr als zwei Betroffenen als mögliche Auslöser in Betracht kommen (drei Patienten, Methadon zwei).12 Die Fachinformationen von Methadon13 und Levomethadon14 informieren nur unzureichend über die potenziell tödlichen Effekte: Weder QT-Verlängerung noch Torsade de pointes sind unter den Störwirkungen gelistet. Stattdessen wird in der Rubrik „Warnhinweise” verallgemeinernd darauf hingewiesen, dass unter allen μ-Opiatrezeptoragonisten häufig eine Verlängerung des QT-Intervalls auftrete und daher das Risiko polymorpher ventrikulärer Tachykardien bestehe.13,14 Dies trifft jedoch weder für Morphin noch beispielsweise für Fentanyl (ACTIQ u.a.) zu, die beide ebenfalls am μ-Rezeptor wirken. Immerhin raten die Fachinformationen sowohl bei Levomethadon als auch bei Methadon grundsätzlich zu EKG-Kontrollen vor und zwei Wochen nach Behandlungsbeginn sowie bei einer Erhöhung der Dosis.13,14 In Leitlinien aus Großbritannien, Kanada und den USA wird ein EKG-Monitoring hingegen nur für Patienten mit erhöhtem Risiko empfohlen, darunter solche mit kardialen Vorerkrankungen, Elektrolytstörungen, bei Einnahme weiterer QT-verlängernder Arzneimittel oder Dosierungen oberhalb von 100 mg bis 150 mg Methadon täglich.15-17 Bei QT-Intervallen von mehr als 500 ms werden verschiedene Optionen vorgeschlagen wie Beseitigung anderer Risikofaktoren (z.B. Korrektur von Elektrolytstörungen, Ermittlung eines potenziellen Kokainabusus u.a.), Versuch einer Dosisreduktion von Methadon oder Wechsel auf ein anderes Substitutionsmittel, in erster Linie Buprenorphin (SUBUTEX, in SUBOXONE).* Warenzeichen in Österreich und Schweiz (Beispiele) Buprenorphin: SUBUTEX zur Substitution (A) SUBUTEX (CH) Fentanyl: ACTIQ (A, CH) Levomethadon: L-POLAMIDON zur Substitution (A) Methadon: KETALGIN (CH) Morphin: COMPENSAN (A) SEVRELONG (CH) Die in der Opiatsubstitution verwendeten Opioide Methadon (METHADDICT u.a.) und Levomethadon (L-POLAMIDON) können das QT-Intervall verlängern und lebensbedrohliche polymorphe Kammertachykardien (Torsade de pointes) auslösen. * In der Fachinformation von SUBUTEX18 findet sich der gleiche Warnhinweis hinsichtlich QT-Verlängerung und Torsade de pointes wie bei Levomethadon und Methadon, nicht aber bei der Buprenorphin-Naloxon-Kombination SUBOXONE19 oder in den entsprechenden US-amerikanischen Produktinformationen. Da wir auch per Datenbankrecherche (PubMed) keinen Hinweis auf klinisch relevante QT-Verlängerung oder Torsade de pointes unter Buprenorphin finden, gehen wir davon aus, dass dessen arrhytmogenes Potenzial deutlich geringer sein dürfte als das von Methadon, –Red. vor