Elementarmathematik vom höheren Standpunkt: Grundbegriffe der der Analysis WS 0809 Zahlen und Folge – früher und heute FIGURIERTE ZAHLEN UND ANDERE BILDER Geometrie motiviert Arithmetik Jahrhundertelang haben Menschen bereits ohne unsere heutige, uns oft selbstverständlich erscheinende, elegante Notation, die uns ein effizientes Kalkül ermöglicht, allgemeine (arithmetische) Aussagen bewiesen. In der Ebene ... ¾ Dreieckzahlen: 1, 3, 6, 10, 15 ... ¾ Quadratzahlen: 1, 4, 9, 16, 25 ¾ noch mehr Vieleckzahlen ... und im Raum ... Problemlösungen mit Zahlen hat man oft in Bildern gedacht: ¾ Würfelzahlen: 1, 8, 27, 64, 125 ¾ Tetraederzahlen: 1, 4, 10, 20, 35 Mathematik ist die Wissenschaft von Mustern und Strukturen, die von Menschen ge„macht“ wird. 2 Elementarmathematik vom höheren Standpunkt: Grundbegriffe der der Analysis WS 0809 Zahlen und Folge – früher und heute Zusammenhang zwischen Arithmetik und Geometrie Elementarmathematik vom höheren Standpunkt: Grundbegriffe der der Analysis WS 0809 Zahlen und Folge – früher und heute Auch im Raum Wie viele Münzen liegen da? Geben Sie möglichst viele unterschiedliche Zahlenterme an, die die geomerische Situation beschreiben. Dazu können wir geometrische und arithmetische Muster in Beziehung setzen! 3 Wie sieht es aus bei beliebiger Breite, Höhe, Tiefe? 4 (nach: HERGET et al. 2001) Elementarmathematik vom höheren Standpunkt: Grundbegriffe der der Analysis WS 0809 Zahlen und Folge – früher und heute Zwei wichtige Aspekte Elementarmathematik vom höheren Standpunkt: Grundbegriffe der der Analysis WS 0809 Zahlen und Folge – früher und heute Darstellungen und Vorstellungen von Mathematik ¾ Mathematisch: Ein solches Denken in Bildern ist enorm leistungsfähig und macht auch vor Aussagen wie »Die Differenz der Quadrate zweier aufeinanderfolgender Dreieckszahlen ist eine Kubikzahl« nicht halt. ¾ Didaktisch: Unterschiedliche Menschen bevorzugen unterschiedliche Darstellungen von Mathematik. Sie stellen damit unterschiedliche Fragen und geben unterschiedlichen Antworten! Vor diesem Hintergrund ist eine Beschäftigung mit alten Aufgaben nicht nur von mathematikhistorischem Interesse. Wir können an diesen über Denken nachdenken. In der Mathematik verwenden wir Zeichen und Symbole (mit Spielregeln). k : x 2 + y2 = 1 Kreis „Die Menge aller Punkte, die von einem gegebenen Punkt den gleichen Abstand haben.“ 5 6 Elementarmathematik vom höheren Standpunkt: Grundbegriffe der der Analysis WS 0809 Zahlen und Folge – früher und heute Elementarmathematik vom höheren Standpunkt: Grundbegriffe der der Analysis WS 0809 Zahlen und Folge – früher und heute Bilder? – Darstellungen reflektieren! Darstellungen und Vorstellungen Ceci n’est pas un cercle! ¾ ¾ ¾ ¾ Über Darstellungen werden Vorstellungen von idealen, mathematischen Objekten und ihren Eigenschaften kommuniziert: Person A Person B Darstellung Vorstellung A Konkretes Objekt Vorstellung B Zeichen Symbol „Gemeintes“ 7 „Gesagtes“ „Gehörtes“ 8 „Aufgefasstes“ Elementarmathematik vom höheren Standpunkt: Grundbegriffe der der Analysis WS 0809 Zahlen und Folge – früher und heute Elementarmathematik vom höheren Standpunkt: Grundbegriffe der der Analysis WS 0809 Zahlen und Folge – früher und heute Darstellungsmöglichkeiten beeinflussen die Mathematik Formale, visuelle und konzeptuelle Denkstile z. B. Fragen rund um Kreisfläche und –umfang Unterschiedliche Menschen denken Mathematik unterschiedlich! ¾ Ägyptische Kreisflächenberechnung (in heutiger Notation!): 1 2 F = ⎛⎜d − d ⎞⎟ ⎝ 9 ⎠ Wie präzise ist das Ergebnis? Warum haben die Ägypter diese Vorschrift gewählt? Felix KLEIN unterschied ¾ Analytiker (die mit Formeln operieren) ¾ Geometer (die sehen, was sie denken) ¾ Philosophen (die begrifflich arbeiten) Leone BURTON hat diese Denkstile bei Mathematikerinnen und Mathematikern empirisch erfasst: ¾ 66 % denken visuell (in Bildern, oft dynamisch) ¾ 37 % denken formal, symbolisch ¾ 47 % denken konzeptuell, begrifflich in Ideen, klassifizierend 60% haben zwei Zugänge, 36% einen und 4% alle drei. Unterschiedliche Denkstile können zu unterschiedlichen mathematischen Interessen führen. Das macht den Reichtum der Mathematik aus. ¾ Warum steht das gleiche π (heute?) in den Formeln für Kreisfläche und –umfang? 9 10 Elementarmathematik vom höheren Standpunkt: Grundbegriffe der der Analysis WS 0809 Zahlen und Folge – früher und heute Elementarmathematik vom höheren Standpunkt: Grundbegriffe der der Analysis WS 0809 Zahlen und Folge – früher und heute Das Zusammenspiel der Denkstile – ein Beispiel Lösung(en) Formal-algebraisch Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittelwert 1 x ≥ 2 x2 + 1 ≥ 2x x 2 − 2x + 1 ≥ 0 (x − 1)2 ≥ 0 x+ x +y A(x, y) := 2 G(x, y) := xy Geometrischer Beweis nach PAPPUS (ca. 250 – 350 n. Chr.) Algebraischer Beweis? Begriffliche Argumentationen? (vgl. LAMBERT & HERGET 2005) Aufgabe: Die Summe aus einer positiven Zahl und ihrem Kehrwert ist mindestens 2 . 11 Binomische Formeln! Warum? 12 | ⋅x Elementarmathematik vom höheren Standpunkt: Grundbegriffe der der Analysis WS 0809 Zahlen und Folge – früher und heute Elementarmathematik vom höheren Standpunkt: Grundbegriffe der der Analysis WS 0809 Zahlen und Folge – früher und heute Lösungen ! Lösungen ! Noch eine Möglichkeit Noch eine andere Möglichkeit: Über Geometrie zum Graph Über Algebra zur Analysis > t:=x->x+1/x; t := x → x + 1 x > Ableitung:=diff(t(x),x); ZweiteAbleitung:=diff(Ableitung,x); 1 2 Ableitung := 1 − 2 ZweiteAbleitung := 3 x x > Extremstelle:=solve(Ableitung=0,x); Extremstelle := 1, -1 ¾ t(1); 2 Kann man das auch ohne Analysis sehen? 13 14 Elementarmathematik vom höheren Standpunkt: Grundbegriffe der der Analysis WS 0809 Zahlen und Folge – früher und heute Elementarmathematik vom höheren Standpunkt: Grundbegriffe der der Analysis WS 0809 Zahlen und Folge – früher und heute Eine andere Unterscheidung Und welchen Zugang haben Sie zur Mathematik? Prädikativ oder funktional? Prädikativ Funktional Formal Visuell Begrifflich Weitere wichtige Dimension: externalisierend vs. internalisierend (SCHWANK 1998) Vielfältige und abwechslungsreiche Darstellungsformen ermöglichen nicht nur im Mathematikunterricht Kommunikation zwischen verschiedenen Zugängen. (vgl. Lambert 2003) 15 16