"Nur sechs Länder im Europäischen Währungssystem" in Frankfurter Allgemeine Zeitung (7. Dezember 1978) Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Zeitung für Deutschland. Hrsg. EICK, Jürgen; WELTER, Erich; FACK, Fritz Ullrich; DESCHAMPS, Bruno; FEST, Joachim; REIßMÜLLER, Johann Georg. 07.12.1978, n° 272. Frankfurt/Main: FAZ Verlag GmbH. "Nur sechs Länder im Europäischen Währungssystem", p. 11. Urheberrecht: (c) Frankfurter Allgemeine Zeitung All rights reserved. Provided by Frankfurter Allgemeine archiv. URL: http://www.cvce.eu/obj/nur_sechs_lander_im_europaischen_wahrungssystem_in_frankfurter_allgemeine_zeitung_7_dez ember_1978-de-fb762bd0-40c0-416d-a56f-a85d0a41c9f5.html Publication date: 20/12/2013 1/2 20/12/2013 Nur sechs Länder im Europäischen Währungssystem Warten auf Italien und Irland / Eine neue Definition des Währungskorbs std. BRÜSSEL, 6. Dezember. An den Prinzipien des neuen Europäischen Währungssystems, das die neun Regierungschefs der Gemeinschaft in Brüssel beschlossen haben, wird sich auch dann nichts ändern, wenn außer Großbritannien auch Italien und Irland zunächst nicht teilnehmen. In Brüssel galt es am Mittwoch als zweifelhaft, daß die Regierungen in Rom und Dublin in der nächsten Woche doch noch eine Zusage geben werden. England ist durch besondere Vereinbarungen mit dem Währungssystem verbunden. Welche Regelungen mit Italien und Irland im Falle der Nichtbeteiligung vereinbart werden, ist noch ungewiß. Im Währungskorb, der die Basis der Europäischen Währungseinheit (ECU) bildet, sind alle Währungen der Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft enthalten. Um Kursbewegungen der außerhalb des Systems stehenden Währungen nicht durchschlagen zu lassen, werden sie bei Inkrafttreten des Systems zum Tageswert „eingefroren“. Das neue Europäische Währungssystem bleibt auch bei begrenzter Teilnahme eine Einrichtung der Gemeinschaft. In Kraft gesetzt wird es durch ein Abkommen zwischen den Zentralbanken. An den Grundzügen des Systems ist in den Beratungen der Regierungschefs nicht mehr viel geändert worden. Im wesentlichen bleibt es bei dem Entwurf, den die Wirtschafts- und Finanzminister in ihrer letzten Sitzung fertiggestellt haben. Sie stützten sich dabei auf umfangreiche Vorarbeiten des Währungsausschusses und des Ausschusses der Präsidenten der Zentralbanken. Neu sind die Definition der Rolle des Währungskorbs bei der Intervention und die endgültige Festlegung der Kreditmittel für den kurzfristigen und den mittelfristigen Beistand. Ein Kompromiß ist auch beim ganz kurzfristigen Beistand, der in der Höhe unbegrenzt ist, vereinbart worden. Die Europäische Währungseinheit (ECU), die im Mittelpunkt des Systems steht, ist die gewichtete Korbeinheit aller Währungen der Gemeinschaft; sie entspricht dem Wert der bisherigen Europäischen Rechnungseinheit. Sie ist der Bezugspunkt für die Bildung der Wechselkurse der Währungen untereinander, Grundlage für den sogenannten Abweichungsindikator, Rechengröße bei Interventionen und Krediten; sie wird für den Saldenausgleich zwischen den Zentralbanken verwendet. Die Gewichte der Währungen, die sich nach dem Anteil am Sozialprodukt, am Handel in der Gemeinschaft und an den Kreditzusagen für den gegenseitigen Beistand bestimmen, werden zunächst innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Systems und danach alle fünf Jahre überprüft. Eine vorzeitige Änderung wird auf Antrag vorgenommen, wenn sich das Gewicht einer Währung um 25 Prozent verändert hat. Auf der Grundlage der Leitkurse, die dem Verhältnis der einzelnen Währungen zum ECU entsprechen, wird ein Gitter bilateraler Wechselkurse (Paritäten-Grid) festgelegt. Änderungen der Leitkurse können nun in gegenseitigem Einvernehmen vorgenommen werden. An den Konsultationen darüber im Gemeinschaftsrahmen sind auch die Länder beteiligt, die nicht zum System gehören. Für die Intervention werden die Wechselkurse mit Bandbreiten von 2,25 Prozent nach jeder Seite ausgestattet. Wird die Bandbreite oben oder unten erreicht, besteht die Pflicht zur Intervention in einer der Währungen der Teilnehmerstaaten des Systems. Es ist eindeutig klar, daß nur dann interveniert wird, wenn die Marge der Bandbreite berührt wird. Der lange Zeit umstrittene Währungskorb behält die Rolle eines Indikators, wie es die Bundesrepublik von Anfang an gefordert hat. Allerdings sind dem Indikator nun doch noch Funktionen zugewiesen worden, die über das hinausgehen, was sich die deutschen Unterhändler darunter vorgestellt haben. Während die Paritäten aufgrund der Einstiegskurse der Währungen zunächst eingefroren werden, wird sich der Währungskorb entsprechend den Bewegungen am Markt täglich verändern. Je nach der Entwicklung kann es also Unterschiede zwischen dem Stand im Währungskorb und den angewendeten Paritäten geben. Wenn eine Währung im Korb 75 Prozent der tatsächlichen Bandbreite erreicht hat, spricht man von einer „Abweichungsschwelle“. Ist diese „Abweichungsschwelle“ berührt, wird „erwartet“, daß das betroffene Land „angemessene Maßnahmen“ trifft. Aufgeführt werden: diversifizierte Interventionen, interne währungspolitische Maßnahmen, Änderung der Leitkurse oder andere wirtschaftpolitische Maßnahmen. 2/2 20/12/2013