Die Leiden des jungen Werthers und Goethes erste Schweizerreise Vortrag Prof. Dr. Jörg-Ulrich Fechner Dienstag, 11. Dezember 2012, 19 Uhr Eine Verknüpfung des Erstlingsromans von Goethe mit seiner ersten Reise in die Schweiz ist in der Forschung nicht bekannt. Zur Herbstmesse des Jahres 1774 war der Erstdruck des Romans erschienen; und im Frühjahr 1775 begaben sich Goethe, die Brüder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg und der Freiherr Curt von Haugwitz auf eine Reise durch Süddeutschland, den Elsaß und in die Schweiz. Bisher in der Goethe-Forschung unberücksichtigte und noch nicht gedruckte Briefe zwischen Haugwitz und den Brüdern Stolberg erlauben eine neue Interpretation. Die Briefe geben genau an, wer die Reise veranlaßte, wann und wo man sich in Frankfurt traf, Goethe besuchte und ihn zur Mitreise überredete. Auch weitere Einzelheiten der Reise und der Eindrücke von der bereisten Landschaft werden durch diese Briefe belegt. Vor allem aber zeigen sie eins: Alle vier Reisenden waren in ihren persönlichen Liebesbeziehungen unglücklich oder sogar abgelehnt worden. In Anlehnung an den Roman Goethes und seine Darstellung der seelischen Hintergründe der Titelgestalt reisten die vier jungen Männer als Werther-Nachahmer und hatten sich für die Reise sogar die von Goethe in seinem Roman geschilderte Kleidung Werthers anfertigen lassen. Die erste Schweizerreise Goethes erweist sich somit als eine Verlagerung des Romans in die Wirklichkeit. Der Referent ist Professor emeritus der Ruhr-Universität Bochum. Nach seinem Studium der Germanistik und Romanistik lehrte er etliche Jahr zunächst an der Universität Catania (Italien), dann an der Universität Cambridge (England) und kehrte 1972 zur Habilitation zurück nach Deutschland. Seit 2004 ist er im Ruhestand.