Kapitel 1 Grundlegendes Abschnitt 1.3 Funktionen „Arbeitsdefinition“ des Begriffs „Funktion“ Bereits an Ende von Abschnitt 1.1 wurde definiert: Eine Funktion f ordnet Elementen x einer Menge D Elemente f (x) zu, die in der Menge W liegen: D 3 x 7→ f (x) ∈ W . Die Menge D heißt der Definitionsbereich und die Menge W der Wertebereich von f . Man schreibt in dieser Situation f : D → W , x 7→ f (x). Die Menge f (D) := {f (x) : x ∈ D} nennt man das Bild von D unter f . Injektivität, Surjektivität, Bijektivität Definition. Sei f : D → W eine Funktion. Dann heißt f 1. injektiv, wenn es zu jedem y ∈ W höchstens ein x ∈ D mit f (x) = y gibt, d. h., wenn aus f (x1 ) = f (x2 ) mit x1 , x2 ∈ D stets folgt x1 = x2 , d. h., wenn für alle x1 , x2 ∈ D mit x1 6= x2 auch f (x1 ) 6= f (x2 ) gilt; 2. surjektiv, wenn es zu jedem y ∈ W mindestens ein x ∈ D mit f (x) = y gibt, d. h., wenn f (D) = W gilt; 3. bijektiv, wenn sie injektiv und surjektiv ist, d. h., wenn es zu jedem y ∈ W genau ein x ∈ D mit f (x) = y gibt. Komposition von Funktionen, 1 Definition. Seien f : Df → Wf und g : Dg → Wg Funktionen mit f (Df )) ⊂ Dg . Dann lässt sich die Komposition (bzw. Hintereinanderausführung bzw. Verknüpfung) von g und f definieren als Funktion g ◦ f : Df → Wg mit g ◦ f (x) := g f (x) für x ∈ Df . Warnung. I Selbst, wenn g ◦ f im obigen Sinne definiert ist, braucht f ◦ g nicht definiert zu sein, und auch wenn beide definiert sind, brauchen sie nicht übereinzustimmen. I Die Reihenfolge, in der die Funktionen f und g angewendet werden – nämlich von innen nach außen: erst f , dann g – ist genau anders herum als die Leserichtung – von links nach rechts: erst g , dann f –. Komposition von Funktionen, 2 Bemerkung 1. Sind f : A → B, g : B → C und h : C → D Funktionen, so gilt h ◦ (g ◦ f ) = (h ◦ g ) ◦ f . Beweis. Für alle b ∈ B gilt h ◦ g (b) = h g (b) . Also gilt für alle a ∈ A, dass h ◦ (g ◦ f ) (a) = h (g ◦ f )(a) = h g f (a) und (h ◦ g ) ◦ f (a) = (h ◦ g ) f (a) = h g f (a) , also h ◦ (g ◦ f ) (a) = (h ◦ g ) ◦ f (a) ist. Komposition von Funktionen, 3 Definition. Sei M eine Menge. Dann wird die identische Funktion auf M, kurz auch: die Identität auf M, mit dem Symbol idM bezeichnet und definiert durch idM : M → M, idM (x) = x. Bemerkung 2. Ist f : D → W eine Funktion, so gilt f ◦ idD = f Beweis. Klar! und idW ◦f = f . Grundrechenarten mit Funktionen, 1 Definition: Sei f und g Funktionen mit dem gleichen Definitionsbereich D, deren Wertebereich jeweils eine Teilmenge von R ist. Dann wird 1. die Summe f + g von f und g definiert durch f + g : D → R, x 7→ (f + g )(x) := f (x) + g (x), 2. die Differenz f − g von f und g definiert durch f − g : D → R, x 7→ (f − g )(x) := f (x) − g (x), 3. das Produkt f · g von f und g definiert durch f · g : D → R, x 7→ (f · g )(x) := f (x) · g (x) Grundrechenarten mit Funktionen, 2 und 4. der Quotient f g von f und g definiert durch f : D ∗ → R, g x 7→ f g wobei D ∗ := {x ∈ D : g (x) 6= 0} sei. (x) := f (x) , g (x) Beschränktheit, 1 Die Begriffe „nach oben beschränkt“ / „nach unten beschränkt“ / „beschränkt“ überträgt man auf Funktionen bzw. Folgen, indem man deren Wertemenge bzw. die Menge aller Folgenglieder betrachtet: Definition. Sei D irgendeine Menge, W eine Teilmenge von R und f : D → W eine Funktion. Dann heißt f nach oben beschränkt, wenn es eine reelle Zahl s gibt, so dass für alle x ∈ D gilt f (x) 5 s. Entsprechend definiert man nach unten beschränkt und beschränkt für Funktionen. Beschränktheit, 2 Hilfssatz 1. Sei D eine Menge und f : D → R eine Funktion. Dann ist f genau dann beschränkt, wenn es eine reelle Zahl k gibt, so dass für alle x ∈ D gilt |f (x)| 5 k. Der Beweis ergibt sich sofort aus dem entsprechenden Hilfssatz über die Beschränktheit von Teilmengen von R. Hilfssatz 2: Die Summe, die Differenz und das Produkt beschränkter Funktionen sind wieder beschränkt. Warnung. Der Quotient gf zweier beschränkter Funktionen f und g braucht nicht wieder beschränkt zu sein: Man setze etwa M :=]0, 1], f (x) = 1 und g (x) = x für x ∈ M. Beschränktheit, 3 Beweis von Hilfssatz 2. Seien f und g beschränkte Funktionen von D nach R. Nach Hilfssatz 1 gibt es dann reelle Zahlen k und l , so dass für alle x ∈ D gilt |f (x)| 5 k und |g (x)| 5 l . Sei x ∈ D beliebig. Aufgrund der Dreiecksungleichung und der Produktregel für den Betrag gilt dann |(f + g )(x)| = |f (x) + g (x)| 5 |f (x)| + |g (x)| 5 k + l und |(f · g )(x)| = |f (x) · g (x)| = |f (x)| · |g (x)| 5 k · l . Also gilt für alle x ∈ D, dass |(f + g )(x)| 5 k + l und |(f · g )(x)| 5 k · l . Wiederum unter Verwendung von Hilfssatz 1 folgt hieraus die Beschränktheit von f + g bzw. f · g und damit auch die von f − g = f + (−1) · g . Monotonie, 1 Definition. Seien D und W Teilmengen der reellen Zahlen und f : D → W eine Funktion. Dann heißt f 1. streng monoton wachsend, wenn für alle x1 , x2 ∈ D mit x1 < x2 gilt f (x1 ) < f (x2 ); 2. (schwach) monoton wachsend, wenn für alle x1 , x2 ∈ D mit x1 < x2 gilt f (x1 ) 5 f (x2 ); 3. streng monoton fallend, wenn für alle x1 , x2 ∈ D mit x1 < x2 gilt f (x1 ) > f (x2 ); 4. (schwach) monoton fallend, wenn für alle x1 , x2 ∈ D mit x1 < x2 gilt f (x1 ) = f (x2 ). Dabei kann man im Falle der schwachen Monotonie auch den Fall x1 = x2 zulassen. Monotonie, 2 Hilfssatz 3: 1. Die Summe zweier monoton wachsender Funktionen ist monoton wachsend. 2. Die Summe einer streng monoton wachsenden und einer monoton wachsenden Funktion ist streng monoton wachsend. Entsprechende Aussagen gelten für monoton fallende Funktionen. Beweis. Klar! Warnung. Das Produkt zweier streng monoton wachsender Funktionen f und g braucht nicht wieder monoton zu sein: Man setze etwa D := R, f (x) = x und g (x) = x für x ∈ D. Monotonie, 3 Hilfssatz 4. Jede streng monotone Funktion ist injektiv. Beweis. Klar! Vorgriff auf die Zukunft. Jede auf einem Intervall stetige (insbesondere also jede auf einem Intervall differenzierbare) injektive Funktion ist streng monoton. Weitere Begriffe Definition. Sei f : D → R eine Funktion mit der Eigenschaft, dass für jedes x ∈ D auch gilt −x ∈ D. Dann heißt f I gerade, wenn für alle x ∈ D gilt f (−x) = f (x) und I ungerade, wenn für alle x ∈ D gilt f (−x) = −f (x). Definition. Sei f : R → R eine Funktion und p ∈ R mit p 6= 0. Dann heißt f periodisch mit der Periode p, wenn für alle x ∈ R gilt f (x + p) = f (x). Beispiele für Definitions- und Wertebereiche In den nächsten Wochen treten hauptsächlich I Wertebereiche W auf, die Teilmengen der Menge R der reellen Zahlen sind und I zwei Typen von Definitionsbereichen D 1. zum einen Intervalle (von welchem Typ auch immer) und 2. zum anderen Mengen wie N0 und N. Definition des Begriffs „Folge“ Definition. Eine Folge (reeller Zahlen) ist eine Funktion, deren Definitionsbereich gleich N0 ist – oder gleich N× oder gleich einer Menge des Typs {n ∈ N0 : n = N} mit einem vorgegebenem N ∈ N0 – (und deren Wertebereich in R liegt). In dieser Situation schreibt man beispielsweise nicht f : N0 → W , n 7→ f (n) sondern (fn )n∈N0 oder kurz auch (fn )n . Den Wert fn nennt man dann Folgenglied zum Index n. Gerne werden dann auch anstelle von f Buchstaben wie a, b, . . . verwendet, also etwa (an )n∈N0 , (bn )n∈N0 , . . . . Beispiele I Konstante Folgen. Sei c in R beliebig. Dann heißt die Funktion f : N0 → R, n 7→ c bzw. die Folge (c)n∈N0 die konstante Folge mit dem Wert c. I Geometrische Folgen. Sei q ∈ R beliebig. Dann heißt die Funktion f : N0 → R, n 7→ q n bzw. die Folge (q n )n∈N0 die geometrische Folge mit dem Parameter q. I Die harmonische Folge. Die Funktion f : N× → R, n 7→ bzw. die Folge 1 n n∈N0 der Stammbrüche heißt die harmonische Folge. 1 n Eigenschaften von und Operationen mit Folgen Begriffe wie I „nach oben beschränkt“, I „nach unten beschränkt“, I „beschränkt“, I „streng monoton wachsend“, I „streng monoton fallend“, I „monoton wachsend“ I „monoton fallend“ und Operationen wie I Addition, I Subtraktion, I Multiplikation, I Division übertragen sich von Funktionen auf Folgen.