Leberkrankungen Schattauer GmbH Lebererkrankungen © 2008 217 Vaskuläre Lebererkrankungen M. Caselitz, S. Wagner Medizinische Klinik II (Chefarzt: Prof. Dr. S. Wagner) Klinikum Deggendorf Schlüsselwörter Keywords Budd Chiari Syndrom, Hereditäre Hämorrhagische Teleangiektasie, Sinusoidales Obstruktionssyndrom, Pfortaderthrombose Budd Chiari syndrome, hereditary hemorrhagic telangiectasia, sinusoidal obstruction syndrome, portal vein thrombosis Zusammenfassung Summary Vaskuläre Lebererkrankungen sind eine heterogene Gruppe von seltenen Erkrankungen. Die Vielfalt der klinischen Symptome wird durch die besondere Gefäßanatomie der Leber und ihre zentrale Rolle im Portalkreislauf erklärt. In dieser Übersicht werden vier Krankheitsbilder vorgestellt, die die betroffenen hepatischen Gefäße exemplarisch repräsentieren. Die Pfortaderthrombose ist eine wichtige Komplikation bei Leberzirrhosen, Tumoren des Pankreas und der Leber sowie der Thrombophilie. Myeloproliferative Erkrankungen stellen einen Risikofaktor für das primäre (d. h. endoluminale) Budd Chiari Syndrom dar. Tumoren unterschiedlicher Ätiologie, die die Lebervenen von außen komprimieren, können das sekundäre Budd Chiari Syndrom verursachen. Das sinusoidale Obstruktionssyndrom – früher Lebervenenverschlusserkrankung genannt – ist eine Komplikation der Knochenmarkstransplantation. Ansonsten wird die Erkrankung nur selten – z. B. nach Aufnahme von Pyrrolizidinalkaloiden – beobachtet. Die hepatische Manifestation der Hereditären Hämorrhagischen Teleangiektasie kann alle Gefäße der Leber betreffen und durch Shuntbildungen zu unterschiedlichen klinischen Symptomen wie Herzinsuffizienz, abdominale Angina oder portaler Hypertension führen. Vascular diseases of the liver are a heterogeneous group of rare disorders. The variety of clinical symptoms is explained by the unique vascular anatomy of the liver and the decisive role of the liver in the portal system. A selection of four vascular diseases of the liver, representing affected hepatic vessels, is described in this review. Portal vein thrombosis is a common complication of cirrhosis or hepatic or pancreatic tumours and may occur in patients suffering from thrombophilia. Myeloproliferative disorders are a risk factor for primary (endoluminal) Budd Chiari syndrome in contrast to tumours of various etiologies causing secondary Budd Chiari syndrome by compression of hepatic veins. Sinusoidal obstruction syndrome – formerly known as hepatic occlusive disease – is a complication of bone marrow transplantation. Otherwise this disease is rarely reported e. g. after ingestion of pyrrolizidine alkaloids. Hepatic manifestation of hereditary hemorrhagic telangiectasia can affect any hepatic vessels. In affected patients it may lead – by developing of shunts – to clinical symptoms such as cardiac insufficiency, portal hypertension or abdominal angina. Vascular diseases of the liver Med Welt 2008; 59: 217–222 V askuläre Lebererkrankungen bilden eine Gruppe von seltenen Erkrankungen. Auf Grund der einzigartigen Gefäßversorgung der Leber sind diese Erkrankungen jedoch sehr vielgestaltig und können durch ihre unterschiedliche Symptomatik eine diagnostische und häufig auch eine therapeutische Herausforderung darstellen. Anatomisch betrachtet können diese Erkrankungen die Leberarterie, die Pfortader, die Lebervenen und die Sinusoide betreffen. In Tabelle 1 ist eine Übersicht zu den wichtigsten Erkrankungen zusammengestellt. Im Rahmen dieser Übersicht wird sich auf eine Auswahl wichtiger Krankheitsbilder exemplarisch beschränkt. Pfortaderthrombose Ätiologie und Pathophysiologie Bei der Ätiologie der Pfortaderthrombose (Abb. 1) (PT) werden einerseits systemische und lokale Ursachen zum anderen angeborene und erworbene Ursachen bzw. Risiko- faktoren unterschieden (Tab. 2). Die Leberzirrhose stellt die häufigste Ursache der PT dar und tritt bei etwa 0,5% der Leberzirrhotiker auf. Bei Patienten mit Leberzirrhose, die auf eine Lebertransplantation warten, sind Inzidenzen bis zu 26% beschrieben worden. Pathophysiologisch ist dieses auf den reduzierten portalen Blutfluss, eine periportale Lymphangitis und ein geändertes Verhältnis (der hepatisch synthetisierten) von Gerinnungsfaktoren und natürlichen Antikoagulantien zurückzuführen. Malignome wie das hepatozelluläre Karzinom und das Pankreaskarzinom können durch eine Gefäßimpression, einen Einbruch in das Gefäß selbst oder durch eine paraneoplastische Hyperkoagulabilität zu einer PT führen (13). Nach einer Lebertransplantation kann eine PT bevorzugt im Bereich der Pfortaderanastomose auftreten. Die Hyperkoagulabilität stellt den wichtigsten Grund für die systemische Ursache einer PT dar. Zu den wichtigsten kongenitalen Ursachen der Hyperkoagulabilität gehört die Faktor-V-Leiden-Mutation. Diese kommt bei 3–5% der Bevölkerung vor und bewirkt eine Resistenz gegenüber aktiviertem Protein C. Mutationen, die zu einem Mangel an Protein C, Protein S und AT III führen, treten seltener auf, führen jedoch häufiger zu PT als Faktor-V-Leiden-Mutationen. Trotz umfangreicher diagnostischer Möglichkeiten bleibt die Ursache der PT bei 8–15% der Patienten ungeklärt (15). Die Pfortader trägt 2/3 zur Leberdurchblutung bei. Durch zwei Mechanismen wird bei einer PT dieser Anteil kompensiert: Akut durch die Dilatation der Art. hepatica und chronisch durch Kollateralbildung. Gewundene Kollateralen um die verschlossene Pfortader werden dabei als „Kavernöse Transformation“ der Pfortader bezeichnet. Kollateralen können aber auch z. B. an der Gallenblase, Gallengang oder Duodenum entstehen. Durch diese Kompensationsmechanismen ist der hepatische Blutfluss nur gering reduziert, jedoch steigt der portale Druck. Downloaded from www.die-medizinische-welt.de on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Med Welt 6/2008 218 Lebererkrankungen Caselitz, Wagner Tab. 1 Gefäßerkrankungen der Leber Leberarterie ● ● ● ● ● ● ● Sinusoide ● ● Portalvene ● ● ● ● Lebervenen ● ● ● Tab. 2 Ursachen der Pfortaderthrombose ischämische Hepatitis ischämische Cholangiopathie Hereditäre Hämorrhagische Teleangiektasie (M. Osler-Rendu-Weber) Panarteriitis nodosa Aneurysmata Thrombose der A. hepatica arterio-venöse Fisteln Peliosis hepatis perisinusoidale Fibrose Portalvenenthrombose portales Kavernom hepatoportale Sklerose (idiopathische portale Hypertension) nodulär regenerative Hyperplasie Budd-Chiari-Syndrom sinusoidales Obstruktionssyndrom (veno-occlusive disease) Stauungsleber Klinische Symptome Unspezifische Symptome einer PT können Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust, Appetitmangel etc. sein, wenngleich die PT auch symptomlos verlaufen kann. Im Rahmen der körperlichen Untersuchung kann eine Hepato- oder Splenomegalie auffallen. Akuter abdominaler Schmerz weist auf eine Thrombose der Art. mesenterica superior hin. Eine mesenteriale Ischämie kann zusätzlich auftreten, wenn sich die PT in die Mesenterialgefäße fortsetzt. Die akute Verschlechterung der Leberfunktion weist bei Zirrhotikern auf eine PT hin. Im Verlauf der ● Leberzirrhose ● Tumoren (u. a. Hepatozelluläres Karzinom, Pankreaskarzion) ● Infektionen (u. a. Cholezystitis, Appendizitis, Divertikulitis) ● Pankreatitis ● Myeloproliferative Erkrankungen (Polyzythämia vera rubra, Thrombozythämie, PNH) ● angeborene Thrombophilie (u. a. Mangel an AT III, Potein C, Protein S, Faktor V Leiden, Prothrombin Mutationen, Antiphospholipidsyndrom, Hyperhomocysteinämie) ● erworbene Thrombophilie (u. a. Östrogeneinnahme, Schwangerschaft, entzündliche Darmerkrankungen) ● Lebertransplantation ● Splenektomie ● abdominale Operationen PT treten dann Komplikationen der portalen Hypertension in den Vordergrund. Ösophagusvarizenblutungen treten hierbei häufiger auf, als ein ausgeprägter Aszites (7, 12). Diagnostik Während Anamnese, körperliche Untersuchung und Laboruntersuchungen nur Hinweise auf eine PT liefern können, stellt die farbkodiert Duplexsonographie die diagnostische Methode der ersten Wahl dar. Hierbei kann auch zwischen einer akuten PT (Verschluss des Gefäßes) und der kaver- nösen Transformation (chronischer Verlauf) unterschieden werden. Die Sensitivtät der Sonographie beträgt 70–90% bei einer Spezifität von 99%. Arterielle Signale im Thrombus weisen auf eine maligne Infiltration der Pfortader hin. Die Computertomographie und die Kernspintomographie stellen Alternativen dar, wenn der sonographische Befund Fragen offen lässt. Invasive Diagnostik (direkte oder indirekte Portographie) ist nur in Ausnahmefällen erforderlich (15). Therapie Vor einer Therapie müssen die mutmaßliche Ursache (lokale oder systemische Risikofaktoren), die anatomische Ausdehnung der Portalvenenthrombose und deren zeitlicher Verlauf (akut / chronisch) geklärt werden. Die Rate der spontanen Revaskularisation kann nicht abgeschätzt werden. Hinsichtlich der Antikoagulation, deren Revaskularisationsrate bei bis zu 80% liegt, müssen die Risiken der Thrombophilie gegen die Risiken der (gastrointestinalen) Blutung abgewogen werden. Derzeit wird eine Antikoaglulation bei Patienten empfohlen, die eine Thrombophilie aufweisen, keine oder nur gering ausgeprägte Varizen haben, welche noch nicht geblutet haben und keine Risikofaktoren für Blutungen außerhalb des Gastrointestinaltrakts aufweisen. Die Dauer der Antikoagulation ist individuell festzulegen und richtet sich nach den vorliegenden Risikofaktoren. Bei einer akuten PT kann eine Thrombolyse erwogen werden. Die Varizenblutung am oberen Gastrointestinaltrakt sollte endoskopisch behandelt werden. Die Applikation von Vasokonstriktiva erscheint problematisch, da diese zu einer Ausdehnung der Thrombose führen können. Kontrollierte Studien liegen zu dieser Problematik jedoch nicht vor. Die Rolle der verschiedenen operativen portocavalen Shuntverfahren und des TIPS wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Abb. 1 Pfortaderteilthrombose Med Welt 6/2008 Downloaded from www.die-medizinische-welt.de on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 219 wickeln. Die Ausprägung der Symptomatik hängt von dem Ausmaß der Obstruktion (Anzahl der Lebervenen; s.o.) und der Geschwindigkeit, mit der sich die Thrombose entwickelt, ab (2). Tab. 3 Häufige Ursachen des primären Budd-ChiariSyndroms Budd-Chiari-Syndrom Definition, Ätiologie und Pathophysiologie Eine Expertenkommission definierte das Budd-Chiari-Syndrom (BCS) kürzlich als Obstruktion des venösen Abflusses, welche im Bereich von den kleinen Lebervenen bis zur V. cava inferior bzw. dem rechten Herzen lokalisiert sein kann. Das sinusoidale Obstruktionssyndrom (SOS, Veno occlusve disease, VOD) und kardiale Ursachen wurden von dieser Definition ausgeschlossen (9). Bei einem primären BCS liegt eine endoluminale venöse Läsion vor, während bei einem sekundären BCS die verursachende Läsion außerhalb der Lebervenen liegt. Beim primären BCS stellen die myloproliferativen Erkrankungen den häufigsten Risikofaktor dar. Zumeist handelt es sich dann um die Erstmanifestation der myeloproliferativen Erkrankung (Tab. 3). Es ist bemerkenswert, dass bei etwa 25% der Patienten mit BCS mehrere thrombophile Faktoren vorliegen (9, 14). Zu den wichtigsten Ursachen des sekundären BCS zählen Abszesse und Zysten in der Leber, Traumata und seltener Metastasen. Weiterhin können maligne Tumoren in die Lebervenen infiltrieren. Dazu zählen der Wilms Tumor, das Nierenzellkarzinom, das hepatozelluäre Karzinom und das Vorhofmyxom (1). Der Verschluss einer einzelnen Lebervene ist klinisch meist asymptomatisch. Beim Verschluss von zwei oder drei Lebervenen kommt es dann über eine Druckerhöhung in den Sinusoiden zur portalen Hypertension und andererseits über die abnehmende Leberperfusion zu einer zentrilobulären Nekrose bzw. Fibrose mit konsekutiver Atrophie bzw. abnehmender Leberfunktion. Nach einigen Monaten kann es dann zu einer nodulären Regeneration kommen. Da der Verschluss der Lebervenen asynchron verläuft, finden sich neben atrophischen Arealen auch hyperplastische Regionen in der Leber. Der Lobus caudatus ist in 80% der Fälle hypertrophiert, da seine Venen direkt in die Vena cava inf. drainieren. Die Hypertrophie des Lobus caudatus kann einen Lebertumor vortäuschen. Ursache Häufigkeit Myeloproliferative Erkrankungen 25–48% Faktor-V-Leiden 23–31% Prothrombin-Mutation 5–6% Protein-C-Mangel 13–20% Protein-S-Mangel 5–20% Antithrombin-Mangel 5–20% Parsoxymale nächtl. Hämoglobinurie 12% M. Behçet häufiger in Mittelmeerländern Diagnostik An ein BCS sollte gedacht werden, wenn Aszites, Hepatomegalie und Oberbauchbeschwerden gleichzeitig vorliegen. Zum anderen sollte bei Patienten mit bekannter Thrombophilie und neu aufgetretenen Hinweisen auf eine Lebererkrankung eine entsprechende Diagnostik eingeleitet werden. Sofern die Verdachtsdiagnose besteht, sollte zunächst eine Farbdopplersonographie durchgeführt werden, mit deren Hilfe die Diagnose in der Regel gestellt werden kann. Die wichtigsten Befunde sind in der Tabelle 5 wiedergegeben. Alternative Schnittbildverfahren (MRT und CT) sind hilfreich bei weiterhin unklarer Diagnose. Die Leberbiopsie, bei Aszites ggf. transjugulär durchgeführt, kann in Einzelfällen hilfreich sein, um die Ätiologie einer Leberzirrhose weiter abzuklären (BCS, SOS). Wenngleich die Lebervenenangiographie noch die diagnostische Referenzmethode darstellt, wird sie klinisch zumeist nicht benötigt. Tab. 4 Symptome des Budd-Chiari-Syndroms Symptom Häufigkeit Aszites 31–95% Hepatomegalie 55–89% Bauchschmerz 23–62% Hautkollateralen 27–49% Beinödeme 32–47% Ikterus 6–18% Klinische Symptome Vom BCS sind typischerweise weibliche Patienten im 4. Lebensjahrzehnt betroffen. Der Verlauf des BCS kann fulminant, akut, subakut oder chronisch verlaufen und daher mit unterschiedlichen klinischen Symptomen einhergehen. Die wichtigsten Symptome sind in Tabelle 4 zusammengefasst. Während beim fulminanten Verlauf das Leberversagen im Vordergrund steht, kann sich beim häufigeren chronischen Verlauf eine Zirrhose mit Pfortaderhochdruck ent- Tab. 5 Ultraschallbefunde bei Budd-Chiari-Syndrom Obligate Befunde Therapie Bei der Therapie des BCS muss zwischen der zu Grunde liegenden Erkrankung und den Komplikationen des BCS unterschieden werden. Um ein Fortschreiten der Thrombose zu verhindern, ist es erforderlich, dass eine Antikoagulation durchgeführt wird. Insbeson- ● ● Fakultative Befunde ● ● ● ● ● ● Thrombose der LV oder hepat. Segm. d. V. cava Strangförmige Formation der thrombosierten LV Leberparenchymveränderungen ggf. fokalen Läsionen Atrophie von Segm. bei chron. Verläufen Hepatomegalie (akut) Hypertrophie des L. caudatus Kompression der V. cava Pfortaderhochdruck, Aszites Downloaded from www.die-medizinische-welt.de on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Med Welt 6/2008 Lebererkrankungen Vaskuläre Lebererkrankungen 220 Lebererkrankungen Caselitz, Wagner dere soll eine Pfortaderthrombose verhindert werden, da diese die therapeutischen Optionen beim BCS (z. B. Lebertransplantation) weiter einschränkt. Die Antikoagulation kann mit Vitamin-K-Antagonisten oder niedermolekularem Heparin durchgeführt werden. Den Risiken der Antikoagulation muss bei der Therapie der portalen Hypertension (Parazentese, Ösophagusvarizenligatur) Rechnung getragen werden. Lokale oder systemische Thrombolyse und Angioplastie (mit oder ohne Stent) können bei frischen und kurzstreckigen Thrombosen durchgeführt werden. Ein weiteres Therapiekonzept ist das Anlegen eines portocavalen Shunts. Dieses kann operativ oder interventionell (Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt, TIPS) erfolgen. Durch den Shunt wird der Pfortaderhochdruck reduziert und der reduzierte portale Zufluss in die Leber arteriell kompensiert. Die TIPSAnlage ist beim BCS technisch anspruchsvoll und weist eine hohe – wenn auch gut therapierbare – Stenoserate auf. Demgegenüber weist die operative Shuntanlage beim BCS eine hohe perioperative Mortalität auf. Ob die verschiedenen Shuntverfahren zu einem Überlebensvorteil führen, ist in der Literatur umstritten. Die Lebertransplantation ist eine alternative Therapieoption, die auch nach einer interventionellen oder operativen Shuntanlage durchgeführt werden kann. Die Überlebensrate nach 10 Jahren liegt bei 75%. Interessanterweise wird eine maligne Transformation einer zu Grunde liegenden myeloproliferativen Erkrankung – trotz der Immunsuppression – nur selten beobachtet. Sinusoidales Obstruktionssyndrom und Lebervenenverschlusskrankheit (hepatic veno occlusive disease) können der Anstieg der Bilirubinkonzentration und Anstieg des Körpergewichts innerhalb der ersten zwei Wochen gelten. Definition Ätiologie und Pathophysiologie Die Verdachtsdiagnose wird anhand der oben genannten klinischen Symptome gestellt. In der Labordiagnostik finden sich erhöhte Aktivitäten der Leberenzyme und erhöhte Konzentrationen für Bilirubinkonzentrationen. In der Abdomensonographie finden sich Aszites und eine Schwellung der Gallenblasenwand. Die Farbdopplersonographie zeigt pulsatilen bzw. hepatofugalen Fluss in der Portalvene und einen erhöhten Widerstandsindex an der Art. hepatica (>0,8). In der Computertomographie kommt ein heterogenes Leberparenchymmuster und ggf. eine „nicht okklusive Portalvenenthrombose“ durch den reduzierten bzw. retrograden Portalvenenfluss zur Darstellung. Der Goldstandard für die Diagnose des VOD ist die Leberbiopsie. Hier lassen sich eine sinusoidale Stauung, zentrilobuläre Nekrose und eine fibröse Obliteration hepatischer Venolen nachweisen. Die Anzahl der nachgewiesenen histologischen Kriterien korreliert mit dem Schweregrad der Erkrankung. Falls Aszites eine perkutane Leberbiopsie unmöglich macht, kann diese transjugulär durchgeführt werden. Hierbei kann auch der erhöhte Lebervenenverschlussdruck nachgewiesen werden. Ein Druckgradient >10 mmHg hat eine diagnostische Spezifität von >90%. Der Begriff der hepatic veno occlusive disease (VOD) wurde 1950 als Folge einer nicht thrombotischen, obliterativen fibrösen Endophlebitis der hepatischen Zentralvenen beschrieben. In der jüngsten Vergangenheit wurde der Begriff des Sinusoidalen Obstruktionssyndroms (SOS) geprägt, da die Erkrankung von den Sinusoiden ausgeht und die Lebervenen nicht obligatorisch beteiligt sein müssen (2). Das SOS tritt zumeist in Zusammenhang mit einer Chemotherapie oder häufiger als Folge einer Knochenmarktransplantation (KMT) auf (8). Die Inzidenz des SOS nach KMT beträgt zwischen 3–53% und ist abhängig von der Art der KMT. Besondere Risikofaktoren stellen u. a. eine Therapie mit Cyclophosphamid, Busulfan und eine Ganzkörperbestrahlung dar. Das SOS kann auch durch Pyrrolizidin-Alkaloide verursacht werden. Toxische Metaboliten führen beim SOS zu einem endothelialen Schaden. Dieser betrifft die Zentralvenen und Sinusoiden und führt über eine Obstruktion zu einer Leberfibrose sowie einer portalen Hypertension. Klinische Symptome und Verlauf Verlauf und Prognose Die 5-Jahresüberlebensrate beträgt in großen Kohorten 65–69%. Die wichtigsten Todesursachen sind Leberversagen und ein postoperatives Multiorganversagen. Die vorliegenden multivarianten Analysen legen nahe, dass den Komponenten der Child Pugh Klassifikation eine prognostische Bedeutung zukommt. Med Welt 6/2008 Die klinische Trias umfasst Ikterus, schmerzhafte Leberschwellung und Aszites. Die Symptome treten typischerweise innerhalb der ersten drei Wochen nach KMT auf. Die Erkrankung kann mild, moderat oder schwer verlaufen. Patienten mit mildem Verlauf erholen sich ohne Therapie, solche mit moderatem Verlauf erholen sich unter medikamentöser Therapie. Patienten mit schwerem Verlauf können ein Multiorganversagen entwickeln, welches mit einer sehr schlechten Prognose einhergeht. Als prognostische Parameter für den Verlauf Diagnostik Differenzialdiagnostik Eine wichtige Differenzialdiagnose stellt die akute Graft versus Host Disease dar. Eine Leberbiopsie kann helfen zwischen beiden Krankheitsbildern zu unterscheiden. Weitere Differenzialdiagnosen sind die Stauungsleber (Herzinsuffizienz durch kardiotoxische Medikamente), Cholestase im Rahmen einer Sepsis und die Tumorinfiltration. Downloaded from www.die-medizinische-welt.de on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 221 Lebererkrankungen Vaskuläre Lebererkrankungen Prophylaxe und Therapie Die Prophylaxe des SOS wird gegenwärtig diskutiert. Zu den Substanzen, die in Studien zur Prophylaxe des SOS untersucht wurden, zählen niedrig dosiertes (niedermolekulares) Heparin, Ursodesoxycholsäure, Pentoxifyllin und Defibrotide (8). Milde Verläufe erfordern keine spezifische Therapie. Bei moderaten Krankheitsverläufen umfasst die Therapie eine Regulation des Flüssigkeitshaushalts (kochsalzarme Kost), ggf. Parazentese und eine Verbesserung der Nierenfunktion. Eine Fibrinolyse mittels rtPA oder Defibrotide konnte in der frühen Phase der Erkrankung in kleinen Patientenkollektiven die Mortalität senken. Hierbei besteht jedoch eine deutlich erhöhte Gefahr von Blutungen. Ein weiteres Therapiekonzept stellt die Senkung der portalen Hypertension mittels Shunt dar. Es fehlen jedoch Hinweise, dass dadurch die Prognose der Patienten mit schweren SOS verbessert werden kann. Die Lebertransplantation ist nur bei einer Minderheit der Patienten möglich. Sie stellt eine Option vor einem Multiorganversagen oder nach überstandenem Multiorganversagen dar, sofern dauerhafte Komplikationen der portalen Hypertension vorliegen. Hepatische Manifestation der Hereditären Hämorrhagischen Teleangiektasie (HHT) Ätiologie Die HHT (M. Osler-Weber-Rendu) ist eine autosomal dominant vererbbare Erkrankung, die zu arteriovenösen Gefäßfehlbildungen führt. In der Leber kann es dabei zu Shunts kommen. Bislang wurden zwei Mutationen identifiziert, die den Transforming-growth-factor-beta-Komplex betreffen. Dabei handelt es sich um Mutationen des Endoglin-Gens auf Chromosom 9 und des Activin-rezptor-like-Kinase(ACRVL)Gens auf Chromosom 12. ACRVL-Mutationen sind mit einer Leberbeteiligung der HHT assoziiert (10). Abb. 2 Hypervaskularisation bei hepatischer Manfestation der Hereditären Hämorrhagischen Teleangiektasie Die klassische diagnostische Trias umfasst Teleangiektasien der Haut, Nasenbluten und eine positive Familienanamnese. Die klassische Trias wurde 1999 um die viszerale Beteiligung (Gastrointestinaltrakt, Lunge, ZNS, Leber) erweitert. Klinische Symptome Die Leberbeteiligung entwickelt sich meist im 4. bis 5. Lebensjahrzehnt und betrifft 8–31% der HHT-Patienten. Frauen sind von der hepatischen Beteiligung häufiger betroffen. Bei der Mehrzahl der Patienten sind keine klinischen Symptome nachweisbar. Die Art der klinischen Symptome ist von der dominierenden Shuntform abhängig. Bei arterio-venösen Shunts finden sich Zeichen der Herzinsuffizienz durch eine massiv erhöhtes Herzzeitvolumen oder eine Angina abdominales als Ausdruck eines StealPhänomens durch die hepatischen Shunts. Intrahepatische Shunts können durch eine biliäre Ischämie auch zu einer Gallengangsbeteiligung führen. Bei arterio-portalen Shunts finden sich Zeichen der portalen Hypertension (Ösopagusvarizen, Aszites). In einzelnen Fällen ist auch eine hepatische Enzephalopathie beschrieben worden, die auf porto-venöse Shunts zurückzuführen ist (5, 6). Diagnostik Bei bekannter HHT können die Anamnese und der körperliche Untersuchungsbefund bereits Hinweise auf eine Leberbeteiligung liefern (Strömungsgeräusch etc.). Da die Laboruntersuchungen (anikterische Cholestase) nicht wegweisend sind, wird die hepatische Manifestation der HHT durch bildgebende Verfahren gestellt. Dabei bietet sich die Farbdopplersonographie als Methode der Wahl an (Abb. 2). Hierbei fallen u. a. eine dilatierte und oft gewunden verlaufende Art. hepatica und eine intrahepatische Hypervaskularisation auf. Die vergrößerte Leber kann an der Oberfläche höckerig erscheinen (3). Ähnliche Befunde können auch in der Computertomographie und Kernspintomographie nachgewiesen werden. Invasive diagnostische Verfahren sind in der Regel entbehrlich. Sofern Zeichen der Herzinsuffizienz vorliegen, sollte eine kardiale Diagnostik erfolgen, um das Herzzeitvolumen zu bestimmen. Bei Hinweisen auf eine portale Hypertension sollte eine obere Intestinoskopie durchgeführt werden. Therapie Asymptomatische Malformationen bedürfen zunächst keiner weiteren Behandlung. Sofern Symptome (s. o.) auftreten, können diese zunächst konservativ (z. B. medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz) behandelt werden. Sollten diese Therapiemaßnahmen nicht ausreichen, besteht die Möglichkeit einer Lebertransplantation oder einer arteriellen Embolisation der Malformationen. Zur Embolisation sind die Daten in der Literatur widersprüchlich. Mehrere Au- Downloaded from www.die-medizinische-welt.de on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Med Welt 6/2008 222 Lebererkrankungen Caselitz, Wagner Fazit für die Praxis Vaskuläre Lebererkrankungen sind vielgestaltig und zumeist selten. Daher wird die Diagnose dieser Erkrankungen oft verzögert. Für zahlreiche vaskuläre Lebererkrankungen können jedoch Patienten mit einem erhöhten Risiko identifiziert werden. Dazu zählen u. a. Patienten mit hämatologischen Erkrankungen – insbesondere der Thrombophilie (Budd Chiari Syndrom), hereditären Erkrankungen (Hereditäte Hämorrhagische Teleangiektasie), Leberzirrhosen und Pankreatitiden (Pfortaderthrombose) sowie Patienten vor und nach einer Lebertransplantation. Die Kenntnis dieser Erkrankungen ist notwendig, um die betroffenen Patienten zu identifizieren, die zielführende Diagnostik zu veranlassen und die weitere Therapie einzuleiten. toren berichten von einer hohen Komplikationsrate, andererseits gibt es auch gute Langzeitergebnisse (4). Die Lebertransplantation weist mit ca. 80% gute 5-Jahresüberlebensraten auf (5, 11). Vor dem Hinter- Med Welt 6/2008 grund der begrenzten Datenlage sollte die Therapie an Zentren mit entsprechender Erfahrung durchgeführt werden. Literatur 1. Aydinli M, Bayraktar Y. Budd-Chiari syndrome: etiology, pathogenesis and diagnosis. World J Gastroenterol 2007; 13: 2693–2696. 2. Bayraktar UD, Seren S, Bayraktar Y. Hepatic venous outflow obstruction: three similar syndromes. World J Gastroenterol 2007; 13: 1912–1927. 3. Caselitz M et al. Sonographic criteria for the diagnosis of hepatic involvement in hereditary hemorrhagic telangiectasia (HHT). Hepatology 2003; 37: 1139–1146. 4. Chavan A et al. 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Ausschluss Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht. Korrespondenzadresse: Priv. Doz. Dr. med. Martin Caselitz Medizinische Klinik II Klinikum Deggendorf Perlasbergerstraße 41 94469 Deggendorf E-Mail: [email protected] Tel.: 09 91 / 3 80 32 34 Fax: 09 91 / 3 80 32 48 Downloaded from www.die-medizinische-welt.de on 2017-06-03 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved.