Kieferabszess bei Kaninchen Facharbeit zur Erlangung der Bezeichnung Tierheilpraktiker nach der Prüfungsordnung der Kooperation der Tierheilpraktikerverbände Andrea Adler-Melchers Hellersberg 1 45257 Essen 2 Meinen Eltern 3 Inhaltsverzeichnis I. Einleitung ……………………………………………………………... 5 II. Zielsetzung und Aufgabenstellung …………………….........…... 6 1. Anatomie und Physiologie des Kaninchens …………………....…… 7 1.1 Kopfdarm………………………………………………………………… 7 1.2 Vorderdarm ……………………………………………………………..10 1.3 Mittel- und Enddarm ……………………………………………………11 1.3.1 Coecotrophie ……………………………………………………………11 1.3.2 Ernährung ……………………………………………………………….12 1.3.3 Calcium-Haushalt ……………………………………………………… 13 III. Material und Methoden ………………………………………………15 2. Malokkusionen …………………………………………………………15 2.1 Zangengebiss …………………………………………………………. 15 2.2 Camphylognathie ……………………………………………………...15 2.3 Brückenbildung ……………………………………………………….. 16 2.4 Knochenveränderungen ……………………………………………... 16 2.5 Ektopische Zahnanlage ……………………………………………… 17 2.6 Entzündliche Prozesse ……………………………………………… 17 2.7 Hypoplasien ………………………………………………………….. 17 2.8 Fütterungsbedingte Zahnanomalien ………………………………. 18 3. Ätiologie der Kieferabszesse ……………………………………….. 18 3.1 Symptome ……………………………………………………………. 20 4. Untersuchungsmethoden ……………………………………………. 20 5. Therapieansätze der Schulmedizin ………………………………… 21 5.1 Zahnmedizinische Behandlung …………………………………….. 21 5.2 Chirurgische Behandlung ………………………………………..….. 22 5.3 Antibiose …………………………………………………………….... 22 5.4 Schmerztherapie …………………………………………………….. 22 6. Therapieansätze aus naturheilkundlicher Sicht ………………….. 22 6.1 Homöopathie …………………………………………………………. 22 6.2. Homotoxikologie …………………………………………………….. .23 6.3 Bach-Blüten-Therapie ………………………………………………. 23 6.4 Phytotherapie ………………………………………………………... 23 4 6.5 Sonstige Begleitmaßnahmen…………………………….…………. 24 6.5.1 Zwangsernährung …………………………………………………… 24 7. Prophylaxe ……………………………………………………………. 24 IV. Ergebnisse……………………………………………………………. 25 8. Schulmedizinische Behandlung, Medikamentengabe ………….... 25 9. Naturheilkundliche Behandlung, Medikamentengabe ………….. 26 9.1 Schleimhautverletzungen ………………………………………….. 26 9.2 Abszesse ……………………………………………………………. 26 9.3 Chronische Zahnfleischentzündung ……………………………… 27 9.4 Eitrige Entzündung des Tränennasenkanals/Auge ……………. VI. Diskussion ………………………………………………………….. 28 10. Fallstudie ……………………………………………………………… 28 VII. Zusammenfassung …………………………………………………. 31 VIII. Verzeichnis …………………………………………………………. 32 IX. Bildnachweis ……………………………………………………….. 33 X. Versicherung ……………………………………………………….. 34 27 Foto Murkel ……………………………………………………… 35 ZERTIFIKAT ……………………………………………………… 36 5 I. Einleitung Da Kaninchen als kleines Heimtier sehr in der Beliebtheitsskala gestiegen sind, werden sie auch immer häufiger in Tierarztpraxen vorstellig. Der häufigste Grund dafür sind angeborene oder erworbene Zahn-/Kiefererkrankungen (Malokkusionen) und damit einhergehend mangelnder Appetit, Verdauungsprobleme und zum großen Teil auch Kieferabszesse. Zähne der Nagetiere zeichnen sich durch lebenslanges Wachstum aus. Bereits kleine Auslöser können sich zu schweren Krankheitszuständen ausweiten. Fehlstellungen und Falschernährung rufen durch die fehlende Abreibung kleine Spitzen/Kanten auf den Zähnen hervor. Diese werden durch das ständige Nachwachsen kontinuierlich größer und können Verletzungen in der Mundhöhle verursachen. Ebenso können sich durch Zahnanomalien die Zahnfächer weiten. In diese Verletzungen/Öffnungen dringen nun Bakterien ein, die als Sekundärerkrankung zu den genannten Kieferabszessen führen. 6 II. Zielsetzung und Aufgabenstellung Ziel der Facharbeit soll sein, 1. Ursachen der Kieferabszesse zusammenzutragen und 2. durch persönliche Erfahrungen und unter zu Hilfenahme diverser Literatur die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten aufzuführen. 7 1. Anatomie und Physiologie des Kaninchens Um die Ätiologie dieser Erkrankung zu verstehen, sind einige Kenntnisse der Anatomie und Physiologie erforderlich. Hierbei möchte ich hauptsächlich auf den Verdauungsapparat des Kaninchens eingehen. Der Verdauungsapparat wird gegliedert in Kopfdarm (Mundhöhle und Schlundkopf), Vorderdarm (Speiseröhre und Magen), Mitteldarm (Dünndarm mit Leber und Pankreas als Anhangsdrüsen) sowie den Enddarm (Dickdarm). 1.1 Kopfdarm Die Mundhöhle des Kaninchens ist durch die Kieferformung lang gestreckt, vorne schmaler als hinten. Die Lippen umschließen zusammen mit dem Gaumen, der Zunge sowie dem Mundhöhlenboden die Mundhöhle. Sie ist mit subkutaner Schleimhaut ausgekleidet. Die Lippen dienen als Saug-, Greif- und Tastorgan. Die Zunge ist als kräftiges, muskulöses Organ zur Aufnahme von Geschmacks-, Tast,Schmerz und Temperaturreizaufnahme zuständig, wie auch zur Bewegung der Nahrung beim Kauen und Schlucken. Das Kiefergelenk ist als Schlittengelenk ausgebildet, welches die typische sagittale Kaubewegung und damit die Abnutzung der Zähne ermöglicht. (Isenbügel, 1985) Nach dem Zahnwechsel in der 4. Lebenswoche besitzt das Kaninchen 28 Zähne. Canini sind nicht ausgebildet, dafür befindet sich zwischen den vorderen Nagezähnen und dem ersten prämolaren Backenzahn ein zahnloser, nur von der Schleimhaut bedeckter Kieferteil, das sog. Diastema. Das Gebiss des Kaninchens ist somit nicht vollständig. Kaninchen gehören zwar eindeutig zu den Säugetieren, aber nicht zur Gattung der Nagetiere. Es ist vielmehr eine eigene Gruppe der Lagomorpha (Hasenartige). Diese unterscheiden sich von den Nagetieren durch 2 hintereinander gestellte Incivisi im Oberkiefer, 3 prämolare und 3 molare Backenzähne sowie fehlende Canini in Ober- und Unterkiefer. 8 Im Unterkiefer ist auf jeder Seite 1 meißelartig gebogener Schneide- oder Nagezahn zu finden, welcher nur auf der Vorderseite mit Schmelz bedeckt ist, während er hinten aus abnutzbarem Zahnbein besteht und somit immer eine harte, geeignete Schneide zum Benagen hat. Weiterhin sind im Unterkiefer 2 prämolare und 3 molare Backenzähne vorhanden. Zahnformel: 2 I 0C 3P 3M 1I 0C 2 P 3M Abbildung Nr. 1 zeigt die Ausdehnung der Zahnwurzeln eines physiologischen Scherengebisses Abbildung Nr. 2 zeigt die Stellung der Incisivi in Ruhestellung 9 Nach Fehr, 2007, entspricht die Stellung der Schneidezähne einem Scherengebiss. Die Incisivi des Unterkiefers stehen mit den des Oberkiefers nicht in Kontakt, sondern sind nach kaudal versetzt. Die Backenzähne stehen gerade aufeinander und haben eine tiefe Schmelzfalte und breite Kauflächen. Die Backenzähne sitzen etwa 2/3 in den Alveolen und sind auch dort von einer Schmelzschicht umgeben, daher werden sie als wurzellos bezeichnet. Um die starke Abnutzung durch das Nagen auszugleichen, wachsen die Zähne des Kaninchens lebenslang. Nach Fahrenkrug, Handbuch der Zahnbehandlung i.d. Kleintierpraxis, wird das lebenslange Wachstum der Zähne durch die Form des Zahnhalteapparates verwachsen nicht ermöglicht. mit dem Die Zahn, Bindegewebsfibrillen sondern bilden eine beim eng Kaninchen verflochtene Fasermembran, die zwischen Zahn und Knochenfach futteralartig die Zähne fest hält, aber nicht starr fixiert, was bedeutet, dass bei Auslenkung des Zahns durch Kautätigkeit das Fasernetzwerk nachgibt und eine Luxation verhindert. Über das Wachstum pro Woche gibt es verschiedene Werte so z.B. im Unterkiefer ca. 1,1 – 1,8 mm/Woche, im Oberkiefer 1,3 – 1,7 mm/Woche (Wolf u. Kamphues 1999). Der Tränennasenkanal bildet eine schlauchförmige Verbindung zwischen Augenwinkel und Nase, welcher zum Ableiten der Tränenflüssigkeit dient. Bei Kaninchen ist der Tränennasenkanal durch ihre Anatomie und die Nähe zu den Nasenhöhlen besonders anfällig für Verlegungen und Infektionen, vor allem mit dem Erreger Pasteurella multocida, welcher bei fast allen Tieren in den Nasenhöhlen vorkommt. Der Tränennasenkanal besitzt nur eine Öffnung, die nasal und ventral liegt und etwa einen Zentimeter tief im Nasenloch neben den Wurzeln der Incisivi mündet. 10 Abbildung Nr. 3 Medianschnitt durch einen Kaninchenkopf. Darstellung des Tränenkanals nach Entfernung der Nasenscheidewand 1 = Schneidezahn J1 2 = Schneidezahn J2 3 = Zahnwurzel des J2 4 = Harter Gaumen 5 = 3 Prämolare und 3 Molare 6 = Zahnwurzeln der Prämolaren und Molaren 7 = ventrale 9 = dorsale Nasenmuschel 8 = mittlere und 10= Tränennasengang 11= Oberlippe 12 = Nasenvorhof 1.2 Vorderdarm Das Kaninchen ist ein nichtwiederkäuender Pflanzenfresser, mit einem sehr empfindlichen Organsystem. Es verfügt über einen einhöhligen, im Verhältnis zum Darm (besonders dem Blinddarm) recht kleinen Magen mit schmaler Kardiadrüsenzone, einem flächenmäßig großen, rötlich-grauen Fundusdrüsenteil und einen kleineren gelblichen Pylorusteil. Der PH Wert des Magensaftes ist stark sauer (PH 2,0/2,5). Das Fassungsvermögen beträgt lediglich 100 – 125 ml mit 70 – 120 g. Der Magen ist stets gefüllt und hat keine Nüchternphasen. Durch die Besonderheit des Fehlens einer Muskelschicht in der Magenwand ist der Kaninchenmagen nicht in der Lage, Nahrung durch Kontraktionen weiterzutransportieren. Dies erfolgt mechanisch, was bedeutet, dass der Inhalt durch die ständige Futteraufnahme weitergeschoben wird. Diese verdauungsphysiologische Besonderheit erklärt das vermehrte Erscheinen von Verdauungsstörungen. Was wiederum bedeutet, dass die 11 Funktionalität des Verdauungstraktes nur dadurch aufrechterhalten wird, dass Kaninchen innerhalb von 24 Stunden 50 – 60 kleine Mahlzeiten zu sich nehmen. 1.3 Mittel- und Enddarm An den Pylorus schließt sich das Duodenum mit Einmündung des Gallenganges im oberen und des Pankreas im unteren Duodenumteil an. Der längste Darmteil ist das Jejunum (Leerdarm), das sich im Ileum (Hüftdarm) fortsetzt. Gesamtlänge des Dünndarms: 325 – 370 cm. Der voluminöseste Darmteil ist das Caecum (Blinddarm), welcher bei mittelgroßen Rassen ausgewachsener Kaninchen bis 60 cm lang ist. Das Fassungsvermögen beträgt bis zum Fünffachen des Magens. Am Blinddarmende befindet sich der 12 – 15 cm lange und bis 1 cm starke Processus vermiformis mit zahlreichen Lymphfollikeln in der Darmwand. Der Blinddarm setzt sich vom Blinddarmkopf analwärts im Colon fort, der im oberen, etwa 30 cm langen Teil perlschnurartig angeordnete Ausbuchtungen (Taschen, Poschen) seitlich von längs verlaufenden Tänien (Bandstreifen) durchzogen, aufweist. Die Formung der arttypischen Kotballen erfolgt im anschließenden glattwandigen Colonteil, der in seinem unteren Teil in das Rectum (Mastdarm) übergeht. Der Rectumkot gesunder Kaninchen sollte zu festen runden Kotballen geformt sein. Ungeformter, dünnbreiiger oder schleimiger Kot sowie harte, ausgetrocknete Kotballen sind Hinweise für Störungen der Verdauungstätigkeit. PH Wert des normalen Kotes: 6,0 – 7,5. Die Passage von unverdaulichen Futterteilen durch den Magen- und Darmkanal dauert zwischen 18 und 24 Stunden. Der sehr große Blinddarm produziert die Coecotrophen. 1.3.1 Coecotrophie Die Coecotrophie ist eine weitere verdauungsphysiologische Besonderheit bei Kaninchen. Diese gegenüber dem normalen Kot helleren und weicheren, mit einer Schleimschicht überzogenen Kotpellets werden in der Nacht von den Tieren verzehrt und direkt über den Anus wiederaufgenommen. Sie sorgen für eine bessere Ausnutzung der schwer verdaulichen Pflanzennahrung und sind für die Vitamin B 12 und Vitamin K Versorgung wichtig. Als negativ ist die Coecotrophie anzusehen, da sie das Fortbestehen bei Parasitenbefall fördert (Selbstinfektionen). Kaninchen, welche unter Übergewicht oder Rückenproblemen leiden, können unter Aufnahmeproblemen leiden. Dies führt schnell zur Unterversorgung von Vitamin B, welches seinerseits eine wichtige Rolle bei der Nervenphysiologie und als Coenzym des Aminosäurenstoffwechsels spielt. Ebenso verursacht das Fehlen von Vitamin B Schleimhautschädigungen. Caecotrophe werden zunächst im vorderen Fundusteil des Magens für 6 – 8 Stunden gespeichert, wo sie weiter bakteriell vergoren werden. Dabei entsteht Milchsäure. Die Caecotrophie wird als biologische Variante des Wiederkäuens angesehen und dient somit der vollständigen Magenentleerung, so dass eine Nüchternphase verhindert wird. Durch reduzierte Darmaktivität können Gärungsvorgänge ausgelöst werden, welche sich in einer Tympanie manifestieren. Die Darmflora der Kaninchen mit normaler Verdauungsfunktion setzt sich in der Hauptsache aus Gram-positiven Bazillen, anaeroben Lactobazillen und zum geringen Teil aus anaeroben Bacteroides Arten zusammen. Sollte die empfindliche Darmflora des Kaninchens z.B. durch Antibiotikagaben gestört werden, ist dementsprechend auch die Verdaulichkeit der Nährstoffe und die Vitaminversorgung nicht mehr gewährleistet. Zudem besteht die Gefahr der Überdosierung, da Medikamente durch die Aufnahme von Caecotrophen mehrmals den Verdauungstrakt durchlaufen. (Löliger, Kaninchenkrankheiten 1986/Isenbügel, Heimtierkrankheiten 1985) 1.3.2 Ernährung Kaninchen sind Herbivore, d.h. reine Pflanzenfresser. Die Futteraufnahme erfolgt bei Hauskaninchen auch bei Tageslicht, während Wildkaninchen vorwiegend in der Morgen- und Abenddämmerung ihr Futter aufnehmen. Kaninchen vermögen Rohfaser im Magen und Darm nur sehr begrenzt aufzuschließen und die in den Fasern vorhandenen Nährstoffe zu nutzen. Bevorzugt werden: Frische Blätter, Frucht- und Blütenknospen, Früchte einschl. Samen und Körner, Wurzeln, Gemüse, Frischgräser und Trockengräser. 13 Der Nährstoffbedarf- Eiweiß, Energie, Mineralstoffe – kann bei geringer Verdaulichkeit des Futters durch entsprechende Mehraufnahme weitgehend kompensiert werden. Das Kaninchen benötigt für die Verdauungstätigkeit einen ausreichenden Ballastanteil im Futter. Zu geringer Rohfaseranteil in der täglichen Futterration begünstigt die Entstehung von Dysenterien und Enteroxtoxämien. Der Rohfaseranteil sollte daher nicht weniger als 15% betragen. Tägliches, ständiges Angebot an Heu und Stroh ist angebracht. Das Futter wird in kleinen Portionen mit den Nagezähnen des Ober- und Unterkiefers aufgenommen, mit den Backenzähnen durch mahlende Kaubewegungen zerkleinert, dabei eingespeichelt und anschließend abgeschluckt. Die Dauer der Futteraufnahme beträgt bei Pellets 1-2 Min./1g, bei Heu 5-13 Min/1 g. Der Bedarf an Trinkwasser ist abhängig vom Wassergehalt des Futters, von der Menge des aufgenommenen Futters, von der Laktation und den klimatischen Verhältnissen. Es wird ein Richtwert von 0,25 L/Tag für ein ausgewachsenes Kaninchen von 3 Kg angegeben. Kaninchen sollten möglichst lange mit ihrem Futter beschäftigt sein. Dies kommt dem physiologischem Abrieb und auch der Kaumuskulatur zugute, so dass Zahnverschiebungen infolge eines instabilen Zahnhalteapparates verhindert werden. (Löliger, Kaninchenkrankheiten 1986) 1.3.3 Calcium-Haushalt An den physiologischen Vorgängen im Körper z.B. Nerven- Muskeltätigkeit, Membranpermeabiliät und der Blutgerinnung ist Calcium wesentlich beteiligt. Es ist ein Baustein von Knochen und Zähnen, ein Mangel an Calcium fördert demnach die Entkalkung des Knochens, was bei Zahnanomalien nicht unerheblich ist. Die Zähne können nicht mehr fest in den Alveolen gehalten werden und verschieben sich. So können auch Zahnwurzeln das Periost durchbrechen und Kieferabszesse auslösen. Bei den meisten Säugetieren wird Calcium aus dem Dünndarm resorbiert, um den Blutcalciumspiegel in Verbindung mit Calcitonin aus der Schilddrüse auszugleichen. Ein solcher Regulierungsmechanismus ist bei Kaninchen unbekannt. Die Aufnahme des Calciums ist nahrungsabhängig. Sie resorbieren das im Futter enthaltene Calcium, daher sind die Blutcalciumwerte bei Kaninchen höher als bei anderen Tierarten. Das überschüssige Calcium wird über die Nieren als Calciumcarbonat 14 ausgeschieden. Dies führt zu einer Eintrübung des Harns. Bei einer ausschließlichen Fütterung mit kommerziellem Fertigfutter leiden Kaninchen unter einer permanenten Calciumüberversorgung. Dies wiederum führt häufig zu Harngries und Harnsteinen. Bei der Ernährung sollte dem Calciumhaushalt besondere Beachtung geschenkt werden. Calciumreiche Futtermittel wie Petersilie, Löwenzahn, Kohlrabiblätter sind in Maßen zu füttern, auf Nagesteine sollte gänzlich verzichtet werden. (Med. Kleintierklinik München, Dr. J. Hein) 15 III. Material und Methoden 2. Malokkusionen (Zahn- und Kiefererkrankungen) 2.1 Zangengebiss Das Zangengebiss, wie auch der Über- oder Unterbiss, zählt als Brachygnathie zu den Erbkrankheiten, meist bei kurzköpfigen Kaninchen. Hier liegen die Zähne des Ober- und Unterkiefers direkt aufeinander. Die Backenzähne können sich nicht physiologisch abreiben. Ein kleiner Teil wächst bukkal oder lingual zu nadelfeinen Spitzen. Aufgrund entstehenden des Drucks durch entwickelt Kontakt sich mit ein dem Antagonistenbackenzahn retrogrades Zahnwachstum. Die Zahnspitzen der Unterkieferbackenzähne sind zungenwärts gerichtet, die der Oberkiefer zur Wange hin. Sie verursachen dadurch Ulzera, Anorexie und im schlimmsten Fall den Tod durch Verhungern. 2.2 Camphylognathie Ebenfalls als Erbkrankheit wird die Camphylognathie gewertet. Die Incisivi haben hier einen fehlerhaften Krümmungsradius durch eine Verbiegung des Nasenbeins, so können z.B. Elefantenzähne durch erkrankungsbedingte, veränderte Kaubewegungen entstehen. Wie beim Elefanten wachsen die Zähne aus der Maulöffnung heraus. Abbildung Nr. 4 zeigt einen Kaninchenschädel mit sog. Elefantenzähnen 16 2.3 Brückenbildung Im Bereich der unphysiologische Backenzähne Neigungswinkel können erblich- entstehen. oder Die fütterungsbedingte, Veränderungen im Prämolarenbereich sind meist ausgeprägter. Hier finden wir neben Zahnspitzen mit sekundären Zungen- bzw. Backenschleimhautläsionen häufig auch sogenannte Brückenbildungen. Zähne mit weicherer Zahnsubstanz stärker abgerieben. Die Abreibung erfasst nicht mehr die gesamte Kaufläche. Aus dieser Fehlbelastung resultiert wiederum eine Aufweitung der Zahnfächer, die sich aufgrund der Hebelwirkung zunächst im distalen Bereich bemerkbar macht. Kleine Knochenauftreibungen entstehen, welche am Unterkiefer gut palpierbar sind. Durch die Lockerung der Backenzähne drehen sich diese häufig aus ihrer physiologisch senkrechten Lage in eine flachere Position. Die Zähne wachsen im oberen Bereich meist nach außen in die Wangenschleimhaut ein, während die unteren Backenzähne über der Zunge zusammenwachsen und den Nahrungstransport sowie das Abschlucken behindern. 2.4 Knochenveränderungen Krankheits-, alters- sowie ernährungsbedingt kann es zu Knochenveränderungen und dadurch bedingt zu Fehlstellungen bzw. lockeren Zähnen kommen. Ernährungsbedingter Knochenschwund aufgrund Störungen des Calciumhaushaltes in Verbindung mit Vitamin D Mangel ist nicht selten. Der Mangel führt zu einer verminderten Zahnqualität. Die Zähne verfärben sich grau-braun, verlieren ihre Festigkeit und fangen an zu splittern. An den Schneidezähnen sehen wir eine Querrille. Häufig wird diese Erkrankung bei Kaninchen gefunden, die hauptsächlich kommerzielles Mischfutter erhalten und die mineralstoffreichen Pellets verschmähen. Zusätzliches Frischfutter wie Möhren, Äpfel und Gurken sind calciumarm bzw. haben ein ungünstiges Calcium-Phosphor-Verhältnis z.B. Tomaten und Bananen. 17 2.5 Ektopische Zahnanlagen Das ektopische Wachstum der wurzellosen Backenzähne ist bei Kaninchen eine Besonderheit. Der Kieferknochen kann ohne pathologische Prozesse aufgetrieben werden. Dies geschieht durch eine physiologische Resorption und gleichzeitige Apposition von Knochensubstanz unterhalb der Backenzähne. Diese Ausbuchtungen sind verlängerte Backenzahnalveolen, welche mit Zahnsubstanz gefüllt sind. Der Knochen löst sich porös auf, so dass die Zähne über die äußere Alveolarwand freiliegen können. Diese Veränderungen können sowohl im Unter- als auch im Oberkiefer vorkommen. 2.6 Entzündliche Prozesse Auch eine entzündungsbedingte Schädigung der Zahnanlage oder Zahnsubstanz können zur Wachstums- und Stellungsanomalien führen. Infrage kommen hier Traumata, Verletzungen durch Fremdkörper oder sogar Verletzungen der Ulzera durch inkorrekte Zahnbehandlungen. Sollten die Zähne sich dadurch aus ihrem Zahnfach lockern, so wird das Eindringen von Keimen begünstigt, was wiederum als Sekundärerkrankung zu schweren Entzündungen führt und auf den Kieferknochen übergreift. 2.7 Hypoplasien Seltener können Schmelz- (und Dentin)-hypoplasien, die erblich sein können, beobachtet werden. Dies sind unvollkommene Anlagen oder Unterentwicklung des Zahnschmelzes, welches sich in seiner geringeren Festigkeit, dadurch bedingter Kariesanfälligkeit und einer Verfärbung äußert. Schmelzhypoplasien entstehen durch Verkalkungsstörungen während der Mineralisationsphase bei der Zahnbildung Sie treten auch als Folge einer Rachitis oder genetisch bedingt auf. 18 2.8 Fütterungsbedingte Zahnanomalien Wolf und Kamphues (1996) untersuchten die Einflüsse der Fütterung auf die Entwicklung der Incisivi bei Kaninchen. Die Schneidezähne des Oberkiefers wachsen langsamer als die des Unterkiefers. Der Abschliff der Nagezähne des Oberkiefers wird maßgeblich durch das Wachstum der Antagonisten im Unterkiefer bestimmt. Hohe Werte des Abriebs werden bei Kaninchen bei ausschließlicher Fütterung von weichem Futter beobachtet, so dass der Härte des Futters in Bezug auf die Abnutzung der Zähne nicht die Bedeutung zukommt, die man ihr oft beimisst. Eine minimale Längenzunahme an den oberen Schneidezähnen konnte bei ausschließlicher Gabe von Grünfutter beobachtet werden. An den unteren Nagezähnen konnte man die minimale Längezunahme bei der Fütterung von Kraftfutter sehen. (J. Zinke, 2004) Fazit wäre also, Kaninchen möglichst lange mit der Futteraufnahme zu beschäftigen, was auch einen positiven Effekt auf die Kaumuskulatur hat, so dass Zahnverschiebungen infolge eines instabilen Zahnhalteapparates verhindert werden. 3. Ätiologie der Kieferabszesse Bei Kaninchen treten durch verschiedene Faktoren Malokkusionen auf. Diese können genetisch- oder fütterungsbedingt sein, aber auch durch exogene Faktoren wie Frakturen, Einspießen von Fremdkörpern oder auch Untugenden (Benagen der Käfiggitter) herbeigeführt werden. Bei Stellungsanomalien der Kiefer kommt es zu fehlerhaftem Zahnwachstum. Sowohl Incisivi wie Prämolaren und Molaren können in fehlerhafte Richtung wachsen, wenn sie nicht durch die entgegengesetzt stehenden Zähne physiologisch abgenutzt werden. Es können massive Verletzungen der Zunge, der Schleimhaut und des Gaumendaches auftreten. Durch die entstehenden Verletzungen der Ulzera, entstehen vielfach schwerwiegende Entzündungen der Alveolen. Die entzündlichen Vorgänge schmelzen bisweilen Teile des Kieferknochens ein. Die betroffenen Zähne fallen aus und hinterlassen tiefe Knochenhöhlen, welche sich mit Futterresten füllen. Durch die entstehenden Fäulnisprozesse in Verbindung mit bakteriellen Infektionen hat dieses Krankheitsbild eine sehr schlechte Heilungstendenz. 19 Je nach Zusammensetzung des Exsudats kann zwischen serösen, fibrinösen oder pyogenen Entzündungen unterschieden werden. Bei Abszessen handelt es sich aufgrund der Eiteransammlung, welche sich in einem nicht vorgebildeten Hohlraum im Gewebe (entstanden durch eine eitrige Gewebeeinschmelzung) befindet und sich abgekapselt hat, um eine pyogene Entzündung. Das Exsudat (pyon = Eiter) wird von Eiterkörperchen gebildet und stets sind Eiterbakterien beteiligt. Im Eiter von Kieferabszessen werden häufig Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginose und vor allem Pasteurella multocida gefunden. Diese Stäbchenbakterien sind typische Krankheitserreger für Kaninchen und übertragbar auf Menschen mit schwachem Immunsystem. Der Abszess schmerzt normalerweise nicht und das Kaninchen scheint klinisch nicht angegriffen. Er kann weich oder hart sein, hat aber immer einen weichen Kern. Die Umhüllung des Abszesses ist sehr dick und enthält Bakterien. Der Eiter erscheint ummantelt, dick und cremeweiß. Von allen Abszessen, die bei Kaninchen vorkommen, gelten der hinter dem Augapfel und die Abszesse am Schädel als am schwierigsten zu behandeln. Abbildung Nr. 5 Zeigt einen Kaninchenschädel mit Zahnanomalien und Abszessbildung. Das krankhafte Zahnwachstum erfolgt sowohl in die Augenhöhle als auch durch den Unterkiefer 20 3.1 Symptome Als Symptome einer Zahnerkrankung zeigen Kaninchen oft tränende Augen, Zähneknirschen, Herausstehen eines Auges aus der Augenhöhle, eine Schwellung am Kopf oder an den Kiefern, Feuchtigkeitsspuren an Mundwinkeln oder Kinn begleitet von Ekzemen der Unterkieferhaut, Verstopfung oder Diarrhoen, mangelnden Appetit und Abmagerung. Das Futter kann entweder gar nicht mehr oder nur ungenügend zerkleinert aufgenommen werden. Dies führt zum Absterben der normalen Darmflora und einer Vermehrung von Hefen. 4. Untersuchungsmethoden Trotz langer Domestikation sind Kaninchen stressanfällige Tiere. Die geringste Aufregung kann zum Infarkt führen bzw. können infolge explosionsartiger Abwehrbewegungen leicht Frakturen oder Luxationen der Lendenwirbelsäule entstehen. Daher ist es in den meisten Fällen unumgänglich, Kaninchen zur genaueren Untersuchung der Maulhöhle zu sedieren. Hier hat sich schulmedizinisch die Injektion von Medetomidin 0,25 ml/kg bewährt, dessen Wirkung mit Atipamezol 0,2 ml/kg aufgehoben werden kann. Als Alternative hat sich auch die vorherige Gabe von „Rescue Remedy Notfalltropfen“ in einer Dosierung von 1x4 Tropfen eine halbe Stunde vor dem Eingriff erwiesen, um akute Angst- bzw. Aggressionspsychosen zu reduzieren. Das Einwickeln in ein Handtuch, um es durch eine zweite Person besser zu fixieren, ist in jedem Fall erforderlich. Die Untersuchung der Zähne beginnt bei geschlossenem Kiefer. Die Lippen werden hochgezogen und die Zähne auf Form, Stellung, Vollständigkeit untersucht. Mit einem Othoskop können grobe Veränderungen so meist schon entdeckt werden. Eine genauere Untersuchung ist nur mit Einsatz eines sogenannten Kieferspreizers in Verbindung mit einer guten Lichtquelle möglich. Die Zunge kann vom lingualen Rand der Backenzähne bzw. die Wange von der bukkalen Seite weggedrückt werden. So können scharfe Kanten und punktförmige Ulzera der Mundschleimhaut erkannt werden. Der komplette Kopfbereich sollte anschließend auf Schwellungen oder Schmerzempfindlichkeit untersucht werden. 21 Eine Röntgenaufnahme ist zunächst unerlässlich, um das Vorhandensein und das Ausmaß der Infektion in Verbindung mit Zahnwurzelabszessen und einer eiternden Knochenentzündung abzuschätzen. Weiterhin sollte eine Blutuntersuchung und eine Serumanalyse angefertigt sowie mittels Punktion mit einer großen Hohlnadel Eiter gewonnen werden, um eine zytologische und mikrobiologische Auswertung vorzunehmen. 5. Therapieansätze der Schulmedizin 5.1 Zahnmedizinische Behandlung Bei Zahnfehlstellungen ist eine regelmäßige Korrektur durch den Tierarzt erforderlich. Überlange Schneidezähne können mittels einer Trennscheibe gekürzt werden, dabei ist zu beachten, dass die Pulpahöhe bei fehl gewachsenen Schneidezähnen im Mittel 4-5 mm über den Zahnfleischrand reicht, während Sie bei gesunden Kaninchen 3 mm unterhalb dieser Grenze endet. Auftretende Splitterungen bei Kürzung mit einer Zange müssen geglättet werden. Die Spitzen der Backenzähne werden z.B. mit einer Hohlmeißelzange abgetragen. Eine physiologische Herstellung der Kaufläche erfolgt mit einem Schleifgerät. Die Behandlung sollte alle 4 – 8 Wochen wiederholt werden. Als Alternative stellt sich die Extraktion dar. Hier entstehen allerdings durch die Entfernung tiefe Knochenhöhlen, die sich mit Futterbestandteilen anfüllen und somit Abszesse auslösen. Fehlgestellte Backenzähne, welche sich bereits gelockert oder aus der physiologischen Position herausgedreht haben, müssen so gekürzt werden, dass sie beim Kauvorgang zunächst nicht mit ihrem Antagonisten in Kontakt kommen. Ziel ist, die Rückbildung der durch mechanische Fehlbelastung entstandenen Aufweitung der Zahnfächer. Abbildung Nr. 6 Kaninchen bei der Zahnbehandlung 22 5.2 Chirurgische Behandlung Eine Operation zu Eröffnung der Abszesshöhle in Vollnarkose mit Ausräumung des Eiters, der pyogenen Membran sowie Extraktion der befallenen Zähne ist unumgänglich. Bei retrobulären Abszessen muss auch das betroffene Auge entfernt werden. 5.3 Antibiose Da Abszesse bei Kaninchen oft rezidivierend sind, wird vielfach wird eine lebenslange niedrig dosierte Antibiotikabehandlung empfohlen, um Rezidive zu verhindern. Hierbei muss beachtet werden, dass einige Antibiotika für Lagomorpha indirekt toxisch sind. So sind Penicillin, Lincomycin, Ampicillin, Amoxicillin, Cephalosporine, Clindamycin, Streptomcin, Bacitracin, Tylosin und Erythromycin für Kaninchen verboten. Während einer Antibiotikagabe sollte Pektin und Laktulose als Darmschutz gegeben werden und nach der Antibiose Laktobakterien, um die Darmflora wieder herzustellen. 5.4 Schmerztherapie Ggf. wird ein Nahrungsaufnahme Schmerzmittel und den nach damit der Operation verbundenen gegeben, um Futterweitertransport die zu gewährleisten. Hier eignen sich Analgetika wie Metamizol 30-50 mg/kg oder Acetylsalicylsäure. 6. Therapieansätze aus naturheilkundlicher Sicht 6.1 Homöopathie Die Grundlage bildet das Ähnlichkeitsprinzip nach Hahnemann : „Ähnliches wird mit Ähnlichem geheilt“. Es kommen Substanzen zum Einsatz, die beim Gesunden Krankheitserscheinungen ähnliche Symptome verursachen, beim Kranken die Genesung bringen sollen. 23 Die Arzneimittel werden durch stufenweises Potenzieren der Urtinkturen aus Pflanzen, tierischen Stoffen, Mineralien und Chemikalien zubereitet. Bei Abszessen hat sich beispielsweise die Therapie mit Hepar Sulfuris und Myristica Sebifera als homöopathisches Messer bewährt. 6.2 Homotoxikologie Unter Homotoxikologie versteht man eine erweiterte Homöopathie, in der vorwiegend Kombinationspräparate genutzt werden. Dr. Reckeweg entwickelte diese Krankheitslehre, die in Homotoxinen – endogen oder exogen entstandene Gifte - die Ursache der Krankheitsentstehung sieht. Zum Einsatz käme z.B. als Begleittherapie einer oralen Antibiose Nux Vomica D6 und D30 0,2 ml/kg 3xtägl. Oral über 4 – 6 Wochen zur Unterstützung des empfindlichen Verdauungssystems. 6.3 Bach-Blüten-Therapie Nach Edward Bach, einem Arzt aus England, welcher die Behandlung mit Extrakten aus Blüten wildwachsender Pflanzen versuchte. Es wird angenommen, dass die in den Bachblütenessenzen gespeicherten energetischen Muster mit den energetischen Mustern des Organismus in Kontakt treten. Für die Behandlung von Angstzuständen bei Tierarztbesuchen seien „Rescue Remedy Notfalltropfen“ angeführt. 6.4 Phytotherapie Phytotherapie ist die Lehre von der therapeutischen Nutzung der Pflanzen, Pflanzenteile und deren Zubereitung. Die in Urtinkturen angebotenen Tinkturen müssen grundsätzlich immer verdünnt werden, da ansonsten Reizungen durch den hohen Anteil ätherischer Öle auf den Schleimhäuten auftreten können. Zur lokalen Behandlung von Verletzungen eignen sich z.B. Chamomillia-Tinktur oder bei infizierten Wunden Thymian-Tinktur. 24 6.5 Sonstige Begleitmaßnahmen Zwangsernährung: Gegebenenfalls muss das Kaninchen aufgrund seiner verdauungsphysiologischen Besonderheit nach einem Eingriff zwangsernährt werden. Hier hat sich eine Zusammensetzung aus 1/3 Baby-Gemüsebrei oder geriebenen Karotten, 1/3 InstantHaferflocken sowie 1/3 aufgeweichter Pellets bewährt. Hinzu kommt zur Normalisierung der physiologischen Darmflora Joghurt oder Laktobazillen. Die Zwangsfütterung wird mehrmals täglich in kleinen Portionen peroral mit einer Spritze durchgeführt. 7. Prophylaxe: • Nahrungsumstellung (Pellets, Heu ad libitum, frisches Grün, Gemüse, Zweige zum Knabbern), lange Beschäftigung mit dem Futter soll sichergestellt sein • regelmäßige Kontrolle des Kopfdarms inkl. evtl. notwendiger zahnmedizinischer Behandlung • Tiere täglich dem natürlichen Tageslicht aussetzen zur Förderung der Vitamin D Synthese • Bei Zahnveränderungen infolge Calciummangels muss dieser Anteil über die Ernährung erhöht werden. Hier eignen sich Kohlrabiblätter und Broccoli. 25 IV. Ergebnisse 8. Schulmedizinische Behandlung: Hier gibt es verschiedene Therapieansätze. Es ist am besten, während der Operation eine Gewebeprobe der Abszesskapsel zu kultivieren, da die Bakterien im Eiter in der Regel abgestorben sind. Die klassische Behandlung von Abszessen, welche lediglich das Aufschneiden und Austrocknen beinhalten, ist bei Kaninchen nicht effektiv. Der Eiter ist zu dick, um ihn ordnungsgemäß auszutrocknen, daher die Rezidive. Eine andere Technik beinhaltet die Öffnung des Abszesses, das Ausschaben und Offenlassen der schadhaften Stelle, um eine Heilung durch Wundspülung zu erreichen. Dazu wird die Wunde mit einer antiseptischen Lösung gespült z.B. Chlorhexidin oder verdünnte Jod-Lösung. Die Spülung wird zwei- bis dreimal täglich durchgeführt, so lange bis gesundes Gewebe zu sehen ist. Danach erfolgt eine lokale Behandlung mit einer antibiotischen Salbe. Proteolytische Enzyme z.B. Wobenzym N, sollte aufgebracht werden, um die Wundentfernung und die Entfernung von infiziertem, abgestorbenem Gewebe zu beschleunigen. Seit kurzem wird empfohlen, nach Entfernung die Abszess-Höhle mit KalziumHydroxid auszustopfen. Dieser Stoff hat einen pH-Wert von 12,0, der Bakterien abtötet, allerdings ernste Gewebeverletzungen und Gewebetod verursacht. In einem Bericht lösten sich in 10 von 14 Fällen die Abszesse, ohne zu rezidivieren. Wenn der Knochen operativ entfernt werden muss, sollte die Wunde mit Bioglas aufgefüllt werden. Dieser Stoff schafft ebenfalls eine Umgebung in der der Bakterien nicht leben können und fördert das Knochenwachstum. Vielversprechende Ergebnisse liegen vor. Eine weitere Möglichkeit, vor allem bei schwierigen Patienten, eröffnet sich mit dem Einlegen von Polymethyl-Methacrylat Perlen in die Wunde. Diese setzen örtlich eine recht hohe Konzentration von Antibiotika frei. Das Kaninchen wird zwei Wochen mit systemischen Antibiotika behandelt. Eine längere Therapie ist dann nicht notwendig, da die Polymethyl-Methacrylat Perlen mehrere Monate Antibiotikum abgeben. Das systemische Antibiotikum wird abhängig von der angelegten Kultur gewählt. Sollten keine Keime kultiviert worden sein, kann auf breites Spektrum von Antibiotika gegen Pasteurella multocida zurückgegriffen werden. 26 Die Perlen bleiben mindestens zwei Monate an ihrem Platz. Bei der Entfernung können Fistelgänge entstehen. Gegen einen Verbleib in der Abszesshöhle sprechen keine medizinischen Probleme, da sie biologisch unwirksam sind. Lediglich in Schleimhauthöhlungen z.B. der Nasenhöhle, verursacht ihre Anwesenheit eine wässrige Absonderung. Dann ist eine Entfernung angebracht. (R. Avery Bennent/Kaninchenforum) Für Lagomorpha weitere empfehlenswerte Antibiotika sind: Chloramphenicol, Sulfonamide, Trimethoprim-Sulfonamide, Oxytetracyclin, Doxycyclin und Enrofloxacin. Schweigert (2003) beschreibt eine weitere Möglichkeit der Abszesstherapie. Nach einer chirurgischen Behandlung der Abszesse verfüllt er die entstandenen Hohlräume mit 1-2 Einheiten Doxyrobe. Bei Kontakt mit Feuchtigkeit härtet die Substanz aus. Im Verlauf von 6 Wochen wird das eingebrachte Medikament vollständig vom Organismus aufgebraucht und gibt während dieser Zeit kontinuierlich Doxicyclin ab. (J. Zinke, 2004) 9. Naturheilkundliche Behandlung 9.1 Schleimhautverletzungen Durch z.B. Zahnspitzen der unteren Backenzähne hervorgerufene Mundschleimhautentzündungen können gut mit Chamomillia-Tinktur 2 x tägl. Über eine Woche, der Applikation von Traumeel ad us vet. 0,5 ml/kg 2 x je Woche und Mucosa comp. ad us. Vet. in gleicher Dosierung behandelt werden. Als Tinkturen eigenen sich weiterhin Arnica oder Myrrhe. 9.2 Abszesse Oberflächliche Abszesse durch infizierte Wunden, welche noch nicht reif sind, können mit der Applikation von Myristica Sebifera D6 1x tägl. 0,5 ml/kg zur 27 Stimulierung gebracht werden. Vorsicht ist geboten bei intestinalen Abszessen, da diese durch die Wirkung von Myristica Sebifera platzen können. Ein eröffneter bzw. chirurgisch entfernter Abszess wird mit Johanniskraut-Tinktur oder Traumeel ad us. Vet gespült, zusätzlich hat sich homöopatisch die Gabe von Hepar Sulfuris D6 und D30 in Kombination mit Pyrogenium D30 je 0,5 ml/kg alle 2 Tage bewährt. Sollte eine Osteolyse feststellbar sein, ergänzt eine Kieferostitisnosode D30 3 x 0,5ml/kg im Abstand von 2 Tagen s.c. die Therapie 9.3 Chronische Zahnfleischentzündungen Bei chronischen Zahnfleischentzündungen hat sich die Applikation von NeyPulpin pro inj. über 21 Tage bewährt, wobei eine langsame Steigerung alle drei Tage von Stufe I 0,5 ml bis Stufe III 0,5 ml s.c. zu beachten ist. 9.4 Eitrige Entzündung des Tränennasenkanals und des Auges Wie bereits erwähnt, ist der Tränennasenkanal bei Kaninchen besonders anfällig für Infektionen. Als Voraussetzung für einen guten Therapieerfolg ist die tägliche Reinigung mit abgekochtem Wasser erforderlich. Hinzu kommen als lokale Therapie Augentropfen wie z.B. Echinacea D2 zur Harmonisierung des Entzündungsgeschehens bei akuten Erkrankungen des Auges oder Conjunctisan B zur Aktivierung der körpereigenen Abwehr bei chronischen Augenerkrankungen, allergischen Erkrankungen und zur Regeneration bei schweren Hornhautverletzungen. Die Tropfen werden 1 – 2 täglich eingegeben. Als gute Ergänzung stellt sich Euphrasia Injeel 0,25 ml/kg alle 2 Tage bis zur Ausheilung dar. Bei Verlegungen des Tränennasenkanals und daraus folgenden langwierigen Eiterungen am Auge hat sich eine Kombination aus Echinacea D30, Lachesis D30 sowie Sulfur D30 á 0,5ml/kg alle 3 Tage bewährt. Da sich bei Silicea D12 die chronischen Eiterungen der Knochen und des Bindegewebes im Arzneimittelbild Therapieabschluss gegeben. wiederfinden, wird dies gerne zum 28 V. Diskussion 9. Fallstudie Das Thema der Facharbeit wurde aufgrund eigener Erfahrungen gewählt. Es liegt folgende Fallstudie vor: Kaninchen: Murkel Alter: 4 Jahre zum Zeitpunkt des Krankheitsausbruches Rasse: Löwenköpfchen Haltung: Robust Impfungen: Keine Im Februar 2006 wurde von mir am Kopf eine starke Schwellung entdeckt. Es wurde ein Hämatom vermutet, da diese Schwellung innerhalb kürzester Zeit „von heute auf morgen“ aufgetreten ist und trotz genauester Untersuchung keine Verletzung gefunden wurde. Nach zwei Tagen platzte dieses „Hämatom“ auf und käsiger, stinkender Eiter kam zum Vorschein. Der Tierarzt wurde aufgesucht, welcher eine angebliche Bissstelle diagnostizierte. Die Wunde wurde gereinigt und antibiotisch versorgt. Ein Hinweis meinerseits, dass keine Bissverletzung vorlag und die Frage, nach evtl. entzündeten Zahntaschen, wurde verneint. In den darauffolgenden zwei Wochen wurde das Kaninchen ca. zweimal wöchentlich mit Antibiotika s.c. versorgt. Trotzdem trat eine Verschlimmerung ein. Das Kaninchen litt nunmehr bereits unter Luftnot. Der Tierarzt wurde gewechselt. Es wurde röntgenologisch ein Kieferabszess mit osteolytischem Prozess am Knochen und einem bereits völlig aufgelöstem Backenzahn diagnostiziert. In einer Notoperation wurde der Kieferabszess mitsamt Abszesskapsel entfernt, die befallenen Prämolaren/Molaren extrahiert und der Kieferknochen so weit wie möglich abgeschabt. Die Wunde wurde offen gelassen und mit 2x wöchentlich mit Leukasekegeln gefüllt. Nach ca. 2 Wochen bin ich dazu übergegangen, die Wunde täglich mit Kochsalzlösung zu spülen, ggf. selbst kleine Stückchen Leukasekegel einzuführen und die Wundhöhle mit Socatyl zu verschließen. Zwischenzeitlich wurde 29 die Wunde immer wieder zur Behandlung geöffnet. Als dies nach sechs Wochen keinen Erfolg zeigte, wurde auf eine tägliche Spülung mit einer antibiotischen Lösung sowie Baytril 2-3 wöchentlich/0,5 ml s.c. umgestellt. Begleitend gab ich ab diesem Zeitpunkt eine Kombination aus Staphisagria D4 (zur Unterstützung der Wundheilung), Sulfur D4 (für Hauterkrankungen) und Nigella Sativa D4 (für das Immunsystem) 3x5 täglich. Die Abszesshöhle verschloss sich von innen heraus ohne neuen Eiter zu bilden. Jedoch flackerte die Entzündung am rechten Auge auf, höchstwahrscheinlich durch Verlegung des Tränennasenganges und Infektion durch Pasteurella multocida. Nachdem bereits ein halbes Jahr Behandlung verstrichen war, der Abszess zwar nicht wieder aufflammte, aber sich der Eiter am Auge nicht richtig zurückbilden wollte, stellte ich die Behandlung durch den Tierarzt ein, da dieser nur noch die Euthanasie empfahl. Die v.g. Homöopathika wurden ersetzt durch Lachesis D6 (gegen die Eiterbildung) 2x1 Tablette. Dies wurde ca. vier Monate durchgeführt. Das eiternde Auge besserte sich bis auf einen minimalen Rest, trat allerdings im Sommer bei Wärme wieder verstärkt auf. Im Zuge der Facharbeit und der damit verbundenen Literatur, stellte ich ab dem 06. Mai 2009 für die Dauer von vorerst 14 Tagen einen neuen Therapieplan für Murkel zusammen: Zur Behandlung der langwierigen Eiterung des rechten Auges wird täglich das Auge mit abgekochtem Wasser gespült und anschließend 1 Tropfen Echinacea Augentropfen D2 eingebracht. Der infektiöse Tränennasengang wird oral mit Euphrasia Injeel 0,3ml alle 2 Tage zur Ergänzung der lokalen Therapie des Auges behandelt. Die Abszessbildung wird ebenfalls oral behandelt und zwar mit einer Kombination aus Lachesis D30 zur Bekämpfung des Eiters und Echinacea D30 zur Steigerung der körpereigenen Abwehr. Beides á 0,5 ml alle 3 Tage. Je nach Krankheitszustand wird anschließend ab dem 19. Mai 2009 für 14 Tage Sulfur D30 0,5 ml ebenfalls alle 3 Tage hinzugenommen. Zum Abschluss und endgültigen Ausheilens der chronischen Eiterung des Knochens und des Bindegewebes werde ich Silicea D12 täglich 1 Tablette eingeben. 30 Aufgrund des Abgabetermins der Facharbeit bleibt das Ergebnis dieser Therapie leider abzuwarten. 31 VI. Zusammenfassung Die vorliegende Facharbeit behandelt die Ätiologie und die verschiedenen Behandlungsmethoden von Kieferabszessen bei Kaninchen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Kieferabszesse größtenteils als Sekundärinfektionen durch verschiedenartige Malokklusionen auftreten. Diese können genetisch- oder ernährungsbedingt sowie auch exogener Natur sein. Als Prophylaxe empfiehlt es sich, den Kopfbereich des Kaninchens regelmäßig zu palpieren um so rechtzeitig Schwellungen/Veränderungen zu erkennen. Zahnanomalien sind grundsätzlich durch den Tierarzt in regelmäßigen Abständen zu behandeln, wobei im Bereich der Incisivi durchschnittlich alle 6 Wochen und bei den Prämolaren/Molaren alle 6 Monate eine Nachuntersuchung bzw. Therapie erforderlich wäre. Auftretende Abszesse mitsamt Abszesskapsel und befallener Zähne sind operativ zu entfernen, ebenso evtl. Knochenwucherungen am Rande des Prozesses. Eine passende Antibiose ist in der ersten Zeit unumgänglich. Aufgrund der empfindlichen Darmflora des Kaninchens und der wiederum daraus folgenden Sekundärerkrankungen, empfiehlt es sich, die Therapie aus naturheilkundlicher Sicht weiterzuführen. Um ungenügendem Zahnabrieb durch falsche Ernährung vorzubeugen, sollten Kaninchen möglichst lange mit ihrem Futter beschäftigt sein. Leider herrscht bei vielen Besitzern die Überzeugung, dass die Abnutzung der Zähne durch Reibung auf hartem Futter genüge getan wird. Dies wird durch die Werbung der Futtermittelindustrie noch verstärkt. Lediglich die Reibung der Zähne aufeinander ist für die physiologische Abreibung relevant, gerade bei den Backenzähnen. Anzubieten wären Heu/Stroh in beliebiger Menge, ungespritzte Obstzweige oder Buchenzweige, sowie frisches Gras und diverse Obst- und Gemüsesorten. Weiterhin steht täglich frisches Wasser auf dem Speiseplan. Es können zusätzlich 1 – 2 EL Alleinfuttermittel in pelletierter Form gereicht werden. Mit einem solch abwechslungsreichen Speiseplan wird auch gleichzeitig Verdauungsproblemen sowie häufig bei Kaninchen vorkommende Verfettung vorgebeugt. 32 VII. Verzeichnis Literatur: Lehrunterlagen der FAT: Verdauung, Allgemeine Pathologie, Homöopathie Klaus Loeffler Anatomie und Physiologie der Haustiere 2002 Pschyrembel Klinisches Wörterbuch 256. Auflage Jörg Zinke Ganzheitliche Behandlung von Kaninchen und Meerschweinchen, 2004 Peter Fahrenkrug Handbuch der Zahnbehandlung in der Kleintierpraxis M. Fehr, L. Sassenburg, P. Zwart Krankheiten der Heimtiere H.C. Löliger Kaninchenkrankheiten Internet www.Kaninchenforum.com/site/content/view/116/29/ Handhabung von Abszessen am Kopf von Kaninchen R. Avery Bennett www. Wikipedia.org/wiki/Caecotrophie www.tierarztpraxis-rogalla-rummel.de/wiss_krank_kieferabszess.html 33 www.vet-dent-lazarz.de/zahn4.htm www.vet-dent-lazarz.de/zahn5.htm Dr. Tina Ferrari Zahnprobleme bei Kaninchen www.animalcare.ch/betreuung/haustierratgeber/Press102.pdf Med. Kleintierklinik München, Dr. J. Hein, Verdauungsphysiologie u. Fütterung Sowie eigene Erfahrungen Bildnachweis Abbildung Nr. 1 www.vet-dent-lazarz.de/zahn4.htm Abbildung Nr. 2 www.vet-dent-lazarz.de/zahn4.htm Abbildung Nr. 3 Isenbügel, Heimtierkrankheiten 1985 Abbildung Nr. 4 www.vet-dent-lazarz.de/zahn4.htm Abbildung Nr. 5 www.fraumeier.org/zahns.htm Abbildung Nr. 6 www.fraumeier.org/zahns.htm 34 Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Facharbeit selbständig und ohne fremde Hilfe, nur unter Hinzunahme der angeführten Quellen angefertigt habe. Essen, 18. Mai 2009 Andrea Adler-Melchers 35 Murkel 36