Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Jochen Merker, Katja Ihsberner Universität Rostock 10.10.2014 Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Universität Rostock Programm In der ersten Vormittagskurzvorlesung wollen wir uns mit Ungleichungen beschäftigen. Dazu führen wir zunächst allgemein Ordnungsrelationen ein, und diskutieren dann genauer die übliche Anordnung auf dem Körper Q der rationalen Zahlen. Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Universität Rostock Definition (Ordnungsrelation) Eine Relation auf M 6= ∅ heißt Ordnungsrelation, falls gilt ∀x ∈ M : x x (Reflexivität) ∀x, y , z ∈ M : x y ∧ y z =⇒ x z ∀x, y ∈ M : x y ∧ y x =⇒ x = y (Transitivität) (Antisymmetrie) Eine Ordnungsrelation auf M 6= ∅ heißt total, falls für beliebige x, y ∈ M stets x y oder y x gilt, also je zwei Elemente vergleichbar sind. Beispiel Auf N, Z und Q ist ≤ eine totale Ordnungsrelation. Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Universität Rostock Definition Ein Körper (K, +, ·) heißt angeordnet, wenn auf K eine totale Ordnungsrelation gegeben ist, die sich mit den Körperoperationen + und · in folgendem Sinn verträgt: 1 ∀x, y , z ∈ K : x y =⇒ x + z y + z 2 ∀x, y ∈ K : 0 x ∧ 0 y =⇒ 0 x · y Beispiel Q bildet mit den üblichen Operationen + und · und der üblichen Ordnungsrelation ≤ einen angeordneten Körper. Z2 kann nicht angeordnet werden, denn gäbe es eine totale Ordnung auf Z2 mit obigen beiden Eigenschaften, so folgte aus [0]2 [1]2 nach Addition von [1]2 auch [1]2 [0]2 und mit der Antisymmetrie dann [0]2 = [1]2 , Widerspruch. Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Universität Rostock Weitere Eigenschaften des mittels ≤ angeordneten Körpers Q Wir vereinbaren die Schreibweisen x < y für x ≤ y ∧ x 6= y und y ≥ x für x ≤ y sowie y > x für x < y . ∀x ∈ Q : x ≤ 0 ⇐⇒ −x ≥ 0 ∀x, y , z ∈ Q : x ≤ y ∧ z ≤ 0 =⇒ x · z ≥ y · z ∀x ∈ Q : x 2 ≥ 0 ∀x ∈ Q : x > 0 =⇒ 1 x >0 ∀x, y ∈ Q : y ≥ x ∧ x > 0 =⇒ ∀x, y ∈ Q : x ≤ y =⇒ x ≤ x+y 2 1 x 1 y x+y 2 ≥ ∧ ≤y Es stellt sich die Frage, ob es Lücken “ zwischen zwei rationalen ” Zahlen gibt. Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Universität Rostock √ 2 6∈ Q Die Gleichung x = x2 besitzt keine (positive) Lösung in Q, denn: Angenommen, wir könnten zwei teilerfremde Zahlen p, q ∈ N finden, so dass p 2 = p ⇐⇒ p 2 = 2q 2 q q Demzufolge wäre p 2 gerade. Da das Produkt ungerader Zahlen nicht gerade sein kann, müsste auch p gerade sein. Also gäbe es eine natürliche Zahl k ∈ N mit p = 2 · k und daher 4k 2 = 2q 2 ⇐⇒ 2k 2 = q 2 . Dies bedeutete aber, dass q 2 und somit auch q gerade wäre, Widerspruch zur Teilerfremdheit! Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Universität Rostock Diese bereits Pythagoras bekannte Lückenhaftigkeit“ von Q wird ” dadurch behoben, dass wir die sogenannten irrationalen Zahlen zu Q hinzunehmen und dann den vollständigen archimedisch angeordneten Körper der reellen Zahlen R erhalten. Mit unserem Schulwissen kennen wir R bisher als Menge der (endliche/ unendliche, periodische/nichtperiodische) Dezimalbrüche. In R definieren wir die Intervalle [a, b] ]a, b[ ]a, b] [a, b[ := := := := {x {x {x {x ∈R ∈R ∈R ∈R | | | | a≤x a<x a<x a≤x ∧ ∧ ∧ ∧ x x x x ≤ b} (abgeschlossenes < b} (offenes ≤ b} (links halboffenes < b} (rechts halboffenes Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Intervall) Intervall) Intervall) Intervall) Universität Rostock Intervalle als Lösungsmengen von Ungleichungen Beispielsweise sind Lösungsmengen von Ungleichungen oftmals Intervalle bzw. Vereinigungen von Intervallen. Beispiel (Lösen einer Ungleichung) Die Ungleichung (x − 2)2 < 9 ist äquivalent zu x 2 − 4x − 5 < 0, d.h. zu (x − 5)(x + 1) < 0. Somit ist die Lösungsmenge L = ] − 1, 5[. Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Universität Rostock Übungsaufgaben Nehmen Sie sich die bereitliegenden Übungsaufgaben, und verteilen Sie sich nach einer kurzen Pause auf die Hörsäle. Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Universität Rostock In der letzten Kurzvorlesung des Vorkurses wollen wir uns mit Polynomen und Vektoren beschäftigen. Definition (Polynom) Ein Polynom vom Grad n ∈ N über einem Körper K mit Koeffizienten a0 , . . . , an ∈ K, an 6= 0K , besitzt die Gestalt n X ak x k := an x n + an−1 x n−1 + . . . a2 x 2 + a1 x + a0 , f (x) := k=0 wobei man diesen Ausdruck einerseits symbolisch und andererseits als Definition einer Funktion f : K → K verstehen kann. Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Universität Rostock Die Nullstellen eines (normierten) quadratischen Polynoms x 2 + px + q kann man mittels quadratischer Ergänzung bestimmen: 2 p2 x 2 + px + q = 0 ⇐⇒ x 2 + 2 · p2 x + p4 = −q {z } | |4 {z } p 2 = x+ 2 liefert für D ≥ 0 die bekannte p-q-Formel x = =:D(iskriminante) − p2 Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren ± q p2 4 −q Universität Rostock Polynomdivision Hat man eine Nullstelle a eines Polynoms höheren Grades gefunden, so erhält man bei Division durch (x − a) ein Polynom niedrigeren Grades, ohne dass ein Rest übrig bleibt. (x 3 −(x 3 +2x 2 − x −2) : (x − 1) = x 2 + 3x + 2 2 −x ) 3x 2 −x Polynomdivision ohne Rest, −(3x 2 −3x) falls eine Nullstelle bekannt. 2x −2 −(2x −2) 0 Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Universität Rostock Vektorräume Aus der Schule kennen Sie die Vektorräume R2 und R3 mit komponentenweiser Addition und Multiplikation mit Skalarem y1 x1 + y1 x1 α · x1 x1 x2 + y2 := x2 + y2 , α · x2 := α · x2 y3 x3 + y3 x3 α · x3 x3 Zum Abschluss dieser Kurzvorlesung wollen wir den allgemeinen Begriff eines Vektorraums ansprechen Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Universität Rostock Definition (Vektorraum) Sei (K, +, ·) ein Körper und (V , ⊕) eine abelsche Gruppe. Weiter gäbe es eine äußere Verknüpfung • : K × V → V mit 1 ∀v ∈ V : 1K • v = v 2 ∀α, β ∈ K ∀v ∈ V : (α · β) • v = α • (β • v ) (Assoziativität) 3 ∀α, β ∈ K ∀v , w ∈ V : (α + β) • v = (α • v ) ⊕ (β • v ) und (Distributivität) α • (v ⊕ w ) = (α • v ) ⊕ (α • w ) (Einselement) Dann heißt V ein Vektorraum über K (kurz K-Vektorraum). Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Universität Rostock Beispiel ((R-)Vektorräume) Die Menge Π2 der Polynome höchstens zweiten Grades über R ist mit (a2 x 2 + a1 x + a0 ) + (b2 x 2 + b1 x + b0 ) := (a2 + b2 )x 2 + (a1 + b1 )x + (a0 + b0 ) und α · (a2 x 2 + a1 x + a0 ) := (α · a2 )x 2 + (α · a1 )x + (α · a0 ) ein von R3 verschiedener Vektorraum. Man kann Π2 jedoch durch die bijektive Abbildung Π2 3 a2 x 2 + a1 x + a0 7→ (a0 , a1 , a2 ) ∈ R3 mit R3 identifizieren. Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Universität Rostock Einen sinnvollen Längenbegriff für Vektoren, d.h. die Elemente eines Vektorraumes, kann man mit Hilfe einer Norm definieren. Definition (Norm) Sei V ein (R-)Vektorraum. Eine Norm auf V ist eine Abbildung k.k : V → R mit 1 ∀v ∈ V : kv k = 0 ⇐⇒ v = 0V 2 ∀α ∈ K ∀v ∈ V : kα · v k = |α| · kv k 3 ∀v , w ∈ V : kv + w k ≤ kv k + kw k (Definitheit) (Homogenität) (Dreiecksungleichung) Die Nichtnegativität einer Norm folgt wieder aus den Eigenschaften (1) 0 = k0V k (V ,+) Gruppe = (3) (2) kv + (−v )k ≤ kv k + k − v k = 2kv k =⇒ 0 ≤ kv k Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Universität Rostock Beispiel Einige Normen sind uns aus der Schule wohlbekannt, nämlich einerseits auf R die durch die Betragsfunktion ( x , x ≥0 | · | : R → R, |x| := −x , x < 0 definierte Norm und andererseits auf R2 := R × R bzw. R3 die euklidischen Norm q 3 x12 + x22 + x32 . k · k2 : R → R, kxk2 = k(x1 , x2 , x3 )k2 := Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Universität Rostock Kurze Pause Nach einer kurzen Pause bitten wir Sie, an einem anonymen Test inklusive Evaluation teilzunehmen. Anschließend nehmen Sie sich bitte die bereitliegenden Übungsaufgaben, und verteilen Sie sich nach einer weiteren kurzen Pause auf die Hörsäle. Viel Erfolg beim Mathematik-Studium! Jochen Merker, Katja Ihsberner Vor(schau)kurs für Studienanfänger Mathematik: Ungleichungen, Polynome und Vektoren Universität Rostock