Walter Ötsch: Was ist Finanzkapitalismus? 1

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Walter Ötsch: Was ist Finanzkapitalismus? Finanzkapitalismus, anhand von 17 Merkmalen Jene Form des Kapitalismus, die sich aus der Dominanz des marktradikalen Denkens entwickelt hat. Diskursiv getragen von Ideologien „des Marktes“, „der Globalisierung“, „des globalen Wettbewerbs“, der Notwendigkeit der „Standortsicherung“ (Lit.: Ötsch 2009) Merkmale 1.
Dominanz der Finanzsektoren, ein explosives Anwachsen von Finanzgeschäften und von Finanzmärkten 80
Insgesamt
45
Devisen (Spot)
40
Derivatmärkte
60
Börsenderivate (Futures und Options)
OTC-Derivate
35
50
30
Welt.-BiP = 1
Welt-BIP = 1
Aktien und Anleihen (Spot)
Kassamärkte
70
40
30
25
20
15
20
10
10
5
0
0
1991
1993
1995
1997
1999
2001
2003
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2007
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Abb. 1: Transaktionsvolumen auf den globalen Finanzmärkte (in Prozent des Welt-­‐BIPs (nach Schulmeister 2010, basierend auf Zahlen der BIZ, World Economic Forum und Wifo) Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) lag der „Turnover“ von Finanzderivaten im Jahr 2005 weltweit bei 1.408.379 Mrd. $ (5.634 Mrd. $ pro Handelstag). Berücksichtigt man noch die Tagesumsätze im Handel mit Devisen (1.900 Mrd. $), Rohstoffderivaten (50 Mrd. $), mit Anleihen (47 Mrd. $) sowie Aktien (168 Mrd. $), so ergibt sich: Pro Tag wurden 2005 auf den Weltfinanzmärkten (Basis-­‐)Werte in Höhe von etwa 7,8 Billionen $ umgesetzt. Dieser Wert ist 56 Mal so hoch wie das BIP aller Industrieländer. 2.
Es entsteht eine „Verschuldungs-­‐Ökonomie“, z.B. die Kreditschulden in den USA: Abb. 2: Die Entwicklung der Kreditschulden in den USA (in Milliarden US-­‐Dollar) (aus Palley 2008, 6 Dadurch explodiert die weltweite Geldbasis, z.B. steigen in den USA ab 1995 die Geldmenge (M 2) und das Kreditvolumen exponentiell an: 1 Walter Ötsch: Was ist Finanzkapitalismus? Abb. 3: Der US-­‐Kreditboom (in Milliarden US-­‐Dollar) (aus Kamp 2009, 10) 3.
„Finanzialisierung“ der Wirtschaft: Finanzinvestoren kontrollieren die „reale“ Wirtschaft. a.
Orientierung auf Shareholder Value à Planungshorizont der Manager ist gesunken, Fokus auf mehr kurzfristige Rentabilität. Allgemeine Beschleunigung wirtschaftlicher Abläufe, erhöhtes Kostenbewusstsein, „Outsourcing“, „Fixierung auf Quartalszahlen“, „Just-­‐in-­‐time production“. b.
Meist nur kurzfristige Veranlagungen. Das tatsächliche Eigentum wird von der Sorge um die langfristige Existenz der Firma, um Arbeitsbedingungen, um Qualität der Produkte, um Umweltstandards, etc. getrennt. (Die historische Begründungen für den Vorteil von Privateigentum, nämlich die Sorge um den eigenen Besitz, werden für die großen börsennotierten Firmen, hinfällig: im Durchschnitt wird „Eigentum“ an den Börsen nur wenige Sekunden gehalten.) c.
Die Dynamik des Systems geht vom Finanzkapital aus. d.
Die großen Gewinne werden durch Finanzaktivitäten gemacht à Umorganisation von früher „Real-­‐Multis“ zu Institutionen, die einen Großteil ihrer Profite aus Finanzaktivitäten beziehen. Abb. 4: Die Entwicklung der inländischen Gewinne in den USA (in Milliarden US-­‐Dollar) (ohne Abschreibungen, aus Palley 2008, 14) 4.
Die Profite steigen stärker als Investitionen in Realkapital, das Verhältnis der Investitionen zu den Profiten sinkt. Die alte „Trickle-­‐Down Theorie“ (Profite à Investitionen à Wachstum à Beschäftigung) gilt nicht mehr: steigende Gewinne führen per se nicht zu steigenden Investitionen. 2 Walter Ötsch: Was ist Finanzkapitalismus? Abb. 5: Verhältnis von Investitionen zu Profiten (nach Stockhammer 2009) 5.
Die Fokussierung auf Finanz-­‐ und weniger auf Realinvestitionen und -­‐tätigkeiten führt insgesamt zu stetig abnehmenden Wachstumsraten. Das Wachstum der Weltwirtschaft pro Kopf lag in den 60er Jahren bei 3,6%, in den 70er Jahren bei 2,1%, in den 80er Jahren bei 1,3% und in den 90er Jahren bei 1,1%. 6.
Steigende Konzentration in den Finanzaktivitäten: fast alle Geschäfte und Märkte werden von wenigen großen Institutionen beherrscht. a.
75% des täglichen Devisenumsatzes in Höhe von 1,359 Billionen Dollar in Großbritannien konzentriert sich auf 12 Banken. In den USA konzentriert sich 75% des täglichen spekulativen Devisenhandels auf 10 Banken, in Deutschland sind es lediglich fünf. b.
Die drei größten Banken führten 1991 30 % aller Börsengänge von Aktien durch (Initial Public Offerings, IPOs), 2001 waren es über 50 % (Peukert 2010, 283) c.
Die weltweit 10 größten Institute führten 1990 63,2% aller Emissionen von Schuldpapieren und Anleihen sowie der Neuemissionen von Aktien durch, 1999 lag dieser Anteil bei 68,2%. d.
Entwicklung der Aktiva der drei größten Banken in den USA in Prozent der Aktiva aller US-­‐Banken, 1935 – 2009 (Financial Times) Abb. 6: Marktanteile der drei größten US-­‐Banken e.
Folgende Konzentrationen der Top 10 wurden für das Jahr 1999 ermittelt (Peukert 2010, 57): •
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7.
Internationale Aktien: 75,8% Internationale Europäische Aktien: 81,2% Internationale US-­‐Aktien: 96,6% Internationale IPOs von Aktien: 76,1% US-­‐IPOs: 87,3% internationale Anleihen: 63,3% öffentliche Euro und globale Anleihen: 67,1%. Der Kern des privaten Sektors bildet ein kleines Netzwerk eng verzahnter Firmen, vor allem von 3 Walter Ötsch: Was ist Finanzkapitalismus? Finanzinstituten Studie ETH Zürich (Vitali u.a. 2011): Analyse der Beteiligungsverhältnisse der multinationalen Firmen, gewichtet nach den operativen Firmen, Zahlen für 2007: •
737 Shareholder üben die Kontrolle über 80 Prozent aller multinationalen Konzerne aus. •
Das innerste Zentrum bilden 147 Konzerne. Die Mitglieder dieser Supereinheit haben eine fast vollständige Kontrolle über sich selbst, weil sie sich in einem komplizierten Geflecht von Beteiligungen in wechselseitigem Besitz befinden und andere davon ausschließen. Sie beherrschen zudem rund 40 Prozent der übrigen Wirtschaft. Drei Viertel dieser Firmen sind Finanzfirmen. •
Die 50 mächtigsten Firmen bilden einen exklusiven Klub von Banken, Fondsgesellschaften und Versicherungen. 48 der 50 Firmen sind Finanzinstitute, nur ein oder zwei können dem „realen“ Sektor zugeordnet werden (Walton Enterprises LLC, Nummer 15, und China Petrochemical Group, Nummer 50). Die zwei großen Ratingagenturen (Moody`s, Standard & Poor’s) befinden sich im Besitz der Hedgefonds und Banken mit der größten Kontrollmacht im System. Beispiel BlackRock (Zahlen aus Rügemer 2013) •
Mit 3,7 Billionen US-­‐Dollar der »größte Vermögensverwalter der Welt«. •
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1988 von Exinvestmentbankern gegründet wurde schnell mit den neuen Finanzprodukten wie den gebündelten und weiterverkauften Immobilienkrediten groß. •
Ist mit seinem Analysesystem Aladdin weltweit führend im Hochfrequenzhandel •
betreibt den größten »dark pool« für außerbörsliche Transaktionen. •
einer der ersten Hedgefonds, der an die Börse ging. •
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Operative Hauptsitz New York, der juristische, auch für zahlreiche Tochterfonds, ist Delaware (eine Steueroase). Das Unternehmen gehört einer ungewöhnlich kleinen Zahl von 679 Aktionären. Die größten unter ihnen sind die Pittsburg National Company, dann die norwegische Zentralbank und die Hedge-­‐ und Investmentfonds Wellington, Vanguard, Capital Group und State Street. Sie sind auch untereinander verknüpft. BlackRock ist heute, zusammengefasst, der größte Aktionär in der »deutschen« Wirtschaft. Ihm gehören Eigentumsanteile an allen 30 DAX-­‐Konzernen (Anteile in Prozent): Adidas (5,04), Allianz (5,03), BASF (5,35), BMW (3,05), Bayer (5,03), Beiersdorf (1,26), Commerzbank (3,07), Continental (3,01), Daimler (5,27), Deutsche Bank (5,14), Deutsche Post (3,18), Deutsche Börse (5,01), Lufthansa (5,43), Telekom (3,34), E.on (5,01), FMC (5,00), Fresenius (5,36), Heidelberg Cement (4,99), Henkel (3,09), Infineon (5,08), K+S (5,08), Lanxess (9,99), Linde (5,02), Merck (5,06), Münchner Rück (6,15), RWE (5,31), SAP (5,13), Siemens (5,01), Thyssen Krupp (4,86), VW (3,54). •
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mit den 5,14 Prozent Anteilen an der Deutschen Bank ihr größter Aktionär. Außerdem sind die neuen Eigentümer durch zahlreiche Tochterfonds mit weiteren Anteilen vertreten, die sie nach deutschem Aktiengesetz nicht offenlegen müssen: Sie bleiben bewusst unterhalb der Drei-­‐Prozent-­‐
Schwelle. Die Höhe der Anteile wechselt schnell, weil die Eigentümer mit ihnen und den darauf aufgebauten Derivaten – genauso wie mit Staatsanleihen – spekulieren. Diese Finanzakteure haben ja einen einzigartigen globalen Einblick in die Unternehmen und Staaten der Welt und betreiben die leistungsfähigsten Spekulationsinstrumente In den USA hält BlackRock folgende Anteile an den 30 US-­‐Unternehmen mit dem höchsten Börsenwert: Coca Cola (4,77), JP Morgan Chase (5,97), Oracle (4,26), Philipp Morris (5,24), Merck (6,26), Verizon (5,96), Citigroup (5,67), Pepsico (5,02), Qualcomm (5,78), Intel (5,63), Amazon (4,06), Abbott (5,33), Bank of America (4,28), Visa (5,43), Comcast (7,19), Home Depot (5,89), Apple (5,27), Exxon (5,39), Wal Mart (2,68), Microsoft (5,08), General Electric (5,21), Google (5,29), IBM (5,18), Berkshire Hathaway (Warren Buffett) (6,64), Chevron (6,04), Johnson&Johnson (5,67), AT&T (5,62), Procter & Gamble (5,11), Pfizer (6,19), Wells Fargo (5,21). BlackRock, Capital Group, Vanguard, State Street, T. Rowe Price sind zugleich die Eigentümer der beiden größten Ratingagenturen Standard & Poor’s und Moody’s. BlackRock ist der wichtigste Krisenmanager der US-­‐Regierung, etwa bei der Abwicklung der größten Bankrottfälle in der Finanzkrise, des staatlich geretteten Versicherungskonzerns AIG, bei Bear Stearns, Citigroup, Fannie Mae und Freddie Mac. Die »Troika« aus IWF, EU-­‐Kommission und EZB beauftragt BlackRock mit der Risikoanalyse der bei westlichen Investoren verschuldeten Banken etwa in Griechenland und Irland. Die Rettungsgelder landen bei den Banken, in denen BlackRock & Konsorten Miteigentümer sind. BlackRock legt im Regierungsauftrag den Wert von Schrottpapieren fest, mit denen BlackRock für seine Kunden spekuliert. 4 Walter Ötsch: Was ist Finanzkapitalismus? BlackRock setzt sich deshalb in der EU auch für Fiskal-­‐ und Bankenunion und für »jahrelange Strukturreformen« ein. •
Zur Zeit (2013) ist BlackRock auch im Immobiliensektor aktiv. Der Hedgefonds hat in großem Ausmaß Häuser aufgekauft, bei denen die Besitzer die Hypotheken nicht mehr zahlen konnten, diese vermietet (oft an die früheren Besitzer. Der Strom der Mieteinnahmen wird (wie früher die Hypothekarforderungen) in verbriefte Wertpapiere umgewandelt und diese verkauft à eine neue Runde von Spekulationen mit verbrieften Wertpapieren ist gestartet. 8. Globale Hauptakteure (neben der Politik) sind 9.
a.
Banken, Hedgefonds und Private Equity Fonds, die das Vermögen einer neuen Schicht globaler Reicher vermehren, angelegt und verborgen in Steueroasen, b.
Pensionsfonds, die hohe Erträge erwirtschaften müssen, c.
Konzerne, die rentable Anlagemöglichkeiten für ihr überschüssiges Kapital und d.
Zentralbanken und Staatsfonds, die Anlagemöglichkeiten für ihre Devisen-­‐(Dollar)-­‐Reserven suchen. Entstehung eines weitgehend unregulierten Schattenbankensystems, das mit den traditionellen Banken eng verbunden ist. Dazu zählen •
Finanzinstitutionen, wie Hedgefonds, Private-­‐Equity-­‐Fonds, Zweckgesellschaften für Verbriefungen oder Geldmarktfonds und •
Finanzinstrumente, wie verbriefte Kredite, Derivate und die Geldleihe auf Repomärkten. (Details in Ötsch u.a. 2013) Abb. 7: Illustration von Verbriefungen Die innere Struktur des Schattenbankensystems kann nach einem Idealbild eines Kreditintermeditationsprozesses über 7 Stufen erklärt werden. Auf jeder Stufe gibt es eigene Institutionen, eigene Finanzprodukte und eine eigene Art der Finanzierung (Stufe 7 bezieht sich auf die Stufen 1-­‐ 6, Details in Ötsch u.a. 2013) 5 Walter Ötsch: Was ist Finanzkapitalismus? Abb. 8: Kreditintermediation im Schattenbankensystem (aus Cetorelli u.a. 2012, basierend auf Pozsar u.a. 2012) 10. Diese Geschäfte laufen weitgehend ohne Eigenkapital ab. Damit steigt der Hebel (leverage): mit wenig Eigenkapital kann ein Vielfaches an Kapital bewegt werden à enorm hohe Eigenkapitalrenditen à große Gewinne für Finanzinstitute und hohe Boni. Die folgende Abbildung zeigt das, allerdings nur für die Zeitspanne zwischen 2002 und 2007: mit geringerem Eigenkapital kann eine höhere Bilanzsumme erreicht werden. Ein ähnliches Bild sehen wir bei den drei größten US-­‐Investmentbanken und den 4 größten US-­‐Geschäftsbanken, bei letzteren erst ab 2004. In der großen Stichprobe (die Banken im S&P-­‐500-­‐Bankenindex oder im EURO-­‐STOXX-­‐Banks-­‐Index) kann diese Tendenz nicht nachgewiesen werden: der Hebel steigt bei den großen Banken, nicht aber im Durchschnitt des Bankensektors insgesamt. Die Gewinnmöglichkeiten und Risiken, die mit großen Hebeln verbunden sind, liegen bei den großen Banken, nicht bei den kleinen. Abb. 9: Aggregierte Entwicklung des Verhältnisses von Bilanzvolumen zu Eigenkapital der TOP 4 US Banken, der TOP 3 Investmentbanken, der TOP 5 EU Banken und der Banken im S&P 500 Banks bzw. EURO STOXX Banks 11. Mit all dem steigt die Bedeutung spekulativer Geschäfte. Ein immer größerer Teil des Finanzkapitals ist reines Spekulationsgeld. Damit sinkt die Stabilität des ganzen Systems, -­‐ in Widerspruch zu den Stabilitätsversprechungen der Instrumente auf einzelwirtschaftlicher Ebene. Das Wirtschaftssystem wird zu einem „Kasinokapitalismus“. Ein wichtiges Beispiel sind Derivate 1
Die folgende Abbildung zeigt die Grundstruktur eines Kreditderivats in Form eines "Credit Default Swap" (CDS): 1 Ein CDS ist eine Vereinbarung zwischen zwei Parteien: einem Risikoverkäufer und einen Risikokäufer. Der 6 Walter Ötsch: Was ist Finanzkapitalismus? Abb. 10: Grundstruktur eines CDS (Credit Default Swap) (aus Horat 2003, 972) Derivate scheinen die Sicherheit für die einzelnen Akteure zu erhöhen: man sichert z.B. eine einzelne Transaktion gegen das Risiko ab, dass der Vertragspartner insolvent werden würde. Auf der Systemebene gilt aber das Gegenteil: Die Bedingungen, unter denen Derivate abgeschlossen werden, werden von den Investoren auf realen Märkten als Indikatoren für ihre Börsenentscheidungen genommen. Das Derivatgeschäft wirkt somit auf Börsen und damit auf die Realwirtschaft zurück und erhöht dort die Schwankungen (Volatilität). Dagegen kann man sich wieder mit Derivaten absichern usw. Das kostet wiederum Provisionen, die den Banken zufließen = „eine Art Sondersteuer von der Realwirtschaft, die sich gegen die Finanzturbulenzen schützen müssen, die die Banken selbst erzeugen.“ (Herrmann 2013, 194) Fast 80% aller Derivate gehen nicht über die Börsen = Over the counter. Bis Dezember 2008 gab es nach Statistiken der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) für diese Kategorie mehr als 591 Billionen Dollar in Derivaten, davon über als 418 Billionen US-­‐Dollar als Zinsderivate, rund 50 Billionen US-­‐Dollar als Wechselkurs-­‐Swaps und mehr als 41 Billionen Dollar als CDS. 93% dieses Derivatverkehrs konzentriert sich auf nur vier Banken( Goldmann Sachs, JP Morgan Chase, Bank of America, Morgan Stanley). Hier liegt eine Quelle für eine mögliche globale Finanzkrise in der Zukunft. Derivate besitzen große Hebel, die Einzahlungspflicht beträgt bei Abschluss des Geschäftes oft nur 5% des Handelswertes. Eine geringe Veränderung des Basiswertes führt bei Derivaten in der Regel zu einer viel stärkeren Schwankung des Derivatwertes. Die meisten Derivate sind heute Spekulation auf künftige Preisverläufe. 12. Ein großer Teil des Schattenbankensystems ist in Steuer-­‐ und Regulierungsoasen angesiedelt. (Man spricht von Offshore-­‐Ökonomie.). Damit werden Teile des Finanz-­‐Kapitalismus unsichtbar. Risikoverkäufer ist z.B. eine Bank, die einen Kredit in einer bestimmten Höhe absichern will (das ist die reference unity). Sie verkauft dieses Risiko an eine andere Bank, diese ist der Risikokäufer und zugleich Sicherungsgeber. Die Risikoübernahme wird mit einer Prämie entschädigt wird, sie wird in mehreren Teilzahlungen entrichtet. Der Risikokäufer kassiert die Prämien, muss sich aber im Gegenzug (wie bei einer normalen Versicherung) verpflichten, einen auftretenden Schaden zu bezahlen, wenn ein Kreditereignis (credit event) eintritt. Dazu zählen z.B. der Antrag auf Insolvenz oder ein 90-­‐tägiger Zahlungsverzug des Schuldners. Bei einem Kreditereignis muss der Risikokäufer dem Risikoverkäufer eine vorher vereinbarte Ausfallszahlung (Defaultzahlung) leisten. 7 Walter Ötsch: Was ist Finanzkapitalismus? Abb. 11: Karte einiger Steueroasen (Der Standard) Größenordnungen der Transaktionen, die Offshore-­‐Staaten passieren [Zahlen nach Murphy u.a. 2005 und Palan u.a. 2010) •
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Die Hälfte aller Bankverbindlichkeiten gehen durch Offshore-­‐Finanzzentren (offshore financial centres, OFCs), desgleichen ungefähr ein Drittel aller ausländischen Direktinvestitionen der multinationalen Konzerne. Die Offshore-­‐Staaten beherbergen geschätzte zwei Millionen Offshore-­‐Firmen (international business corporations, IBC) mit eigenen Charakteristiken, wie Geheimhaltung der Eigentümer oder keine Aufzeichnungspflichten, die der Steuervermeidung dienen. Ungefähr ein Drittel des Welt-­‐BNPs passiert irgendwann Offshore-­‐Staaten, -­‐ das sind reine Umleitungen aus steuerlichen und finanztechnischen Gründen, -­‐ die Offshore-­‐Staaten verfügen nämlich über keine nennenswerte Industrie. Nach der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ, Zentralbank aller Notenbanken) befanden sich im Juni 2004 etwa 2,7 Billionen US-­‐Dollar, also ungefähr ein Fünftel der insgesamt auf Bankkonten angelegten 14,4 Billionen Dollar, in Offshore-­‐Gebieten (Die Summe bezieht sich nur auf liquide Mittel, nicht auf Aktien, Anteile, Wertpapiere, Gold etc., welche typischer weise durch Offshore-­‐Staaten kontrolliert werden; diese Summen sind unbekannt). Man schätzt, dass über 50 Prozent aller Hedgefonds allein in den vier karibischen Offshore-­‐Staaten Cayman-­‐
Inseln (Cayman Islands), Virgin Islands, Bermudas und Bahamas angesiedelt sind, alleine die Cayman-­‐Inseln reklamiert 35 % der Hedgefonds für sich (Cayland Monetary Authority). Der World Wealth Report von Merrill Lynch/Cap Gemini aus dem Jahr 1998 geht davon aus, dass die Reichen aus aller Welt (darunter zählt der Bericht alle Menschen mit einem Barvermögen von mehr als einer Million Dollar) ein Drittel ihres Vermögens offshore angelegt haben. Laut einem neueren Weltreichtumsbericht beliefen sich 2002/2003 die Vermögenswerte der Reichen auf 27,2 Billionen US-­‐Dollar, von denen 8,5 Billionen Dollar (31 Prozent) in Offshore-­‐Gebieten gehalten wurden; Palan u.a. (2010, 5) schätzen diese Zahl auf 12 Billionen US-­‐Dollar (das entspricht der Höhe des BIP der USA). Die NGO Tax Justice schätzt die weltweiten Steuerverluste (geschätzter Steuersatz von 30%) auf 860 Mrd $ pro Jahr. Schätzung von Henry James: Vermögen im Ausmaß von 16,7 bis 25,7 Billionen Euro ist in Steueroasen gelagert. Beispiel: Deutsche Bank (nach Rügemer 2013) 1.064 Tochter-­‐ und Zweckgesellschaften, assoziierte Unternehmen und Beteiligungen auf 29 Finanzoasen verteilt: Delaware (443), London (171), Cayman Islands (136), Luxemburg (74), Jersey (53), Irland (41), Niederlande (24), Singapur (18), Mauritius (10), Malta (10), Hongkong (14), Gibraltar (8), Zypern (6) und weitere. Dagegen sind die traditionellen Verstecke wie Liechtenstein und Schweiz praktisch leergeräumt. Damit sind mehr als die Hälfte der insgesamt 2.072 Aktivitäten der Bank »offshore«. 8 Walter Ötsch: Was ist Finanzkapitalismus? 13. Das bedeutet, dass sich die sehr reichen Personen und die großen multinationalen Konzerne weitgehend von der Steuerpflicht verabschiedet haben à die Steuerbasis der Staaten aus Vermögen und großen Einkommen sinkt. Beispiel Google Abb. 12: Die Steuervermeidungs-­‐ Drehscheibe von Google (www.businessweek.com/technology/google-­‐tax-­‐
cut/google-­‐terminal.html) 14. Der Finanzkapitalismus ist ein System einer permanenten Umverteilung von unten nach oben à steigende Ungleichheit der Vermögen und Einkommen Börsen z.B. sind Nullsummenspiel, die im Durchschnitt Einkommen von unten nach oben umverteilen. Die Großen haben das Know-­‐How, die Infrastruktur und das Geld zu systematischen Vorteilen: z.B. High Frequency Trading, Flash Trading Beispiel USA: Die Einkommen vor Ausbruch der Großen Krise waren beinahe so ungleich wie in den zwanziger Jahren vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise. Abb. 13: Anteil der reichsten Haushalte an den gesamten privaten Haushaltseinkommen in den USA (in Prozent) (Picketty und Saez 2003) Beispiel: Vermögen in Deutschland 9 Walter Ötsch: Was ist Finanzkapitalismus? Abb. 14: Verteilung des Vermögens in Deutschland laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, hier nach www.nachdenkseiten.de/?p=14069 Beispiel: Nettovermögen (Sach-­‐ und Finanzvermögen minus Schulden) in Österreich Nach dem Household Finance and Consumption Survey (HFCS) der Österreichischen Nationalbank, -­‐ eine freiwillige Haushaltserhebung, bei der die sehr Reichen unterrepräsentiert sind, Stand 2010 liegt der Durchschnitt (Mittelwert) bei ca. 265.000 € und der Median (50%-­‐Grenze) bei ca. 76.000 €. Das erste Zehntel (die 10% Ärmsten) besitzt im Durchschnitt Schulden von 18.000 € (ein negatives Nettovermögen) , das letzte Zehntel (die 10% Reichsten) ein Durchschnitts-­‐Nettovermögen von 1,6 Millionen €. Abb. 15: Verteilung der Bruttovermögens in Österreich 2010 laut Österreichischer Nationalbank Die Reallöhne sinken: z.B. in den USA seit den siebziger Jahren, in Deutschland seit 2000 10 Walter Ötsch: Was ist Finanzkapitalismus? Abb. 16: Reale Bruttomonatslöhne und –gehälter in Deutschland je Arbeitnehmer Die Lohnquoten gehen zurück: Die Abbildung auf der nächsten Seite zeigt die Entwicklung für die G 7-­‐Staaten, sie haben über 50% des Welt-­‐BIP. Abb. 17: Bereinigte Lohnquoten für Lohnquote für die G 7 (aus Horn u.a. 2007) Im Detail zeigen die offiziellen Daten für die USA (Congressional Budget Office, CBO; nach Sherman und Stone 2010): •
2007 bekamen die 1 % Reichsten 17,1 % des Einkommens (nach Steuerabzug). •
Zwischen 1979 und 2007 wuchs das Einkommen der höchsten 1 Prozent real (inflationsbereinigt, nach Steuern) um 281 % (ein Zuwachs von 973.100 US-­‐$ pro Haushalt). Das ärmste Fünftel wuchs um 25 % (11.200 $ pro Haushalt). •
Die Ungleichverteilung hat sich ab 2002 enorm verstärkt: zwei Drittel aller Zuwächse 2002 bis 2007 (vor Ausbruch der Großen Krise) kamen nur den reichsten einem Prozent zugute (Feller und Stone 2009). 15. Diese Entwicklungen werden von einer Politik getragen, die sie aktiv unterstützt. Sie folgt der Doktrin „des Marktes“ (Ötsch 2009), dereguliert Märkte, insbesondere Finanzmärkte, verzichtet auf eine makroökonomische Steuerung (im Sinne eines deficit spendings nach Keynes) und hat die früheren Ziele der Kontrolle und Begrenzung von Monopolen und Oligopolen, der Vollbeschäftigung und der aktiven Umverteilung von Vermögen und Einkommen aufgegeben. Beispiel USA: Die Abbildung auf der nächsten Seite zeigt die durchschnittlichen und die marginalen Steuersätze 11 Walter Ötsch: Was ist Finanzkapitalismus? Abb. 18: Steuersätze in den USA, 1920 – 2010 (nach Citizens for Tax Justice 2011 und Hungerford 2012) Viele früher öffentlichen Dienste werden ausgelagert und privatisiert und Bereiche des Staates nach dem Vorbild von Unternehmen reorganisiert, Behörden sollen wie Unternehmen agieren. Viele dieser Entwicklungen werden in der These der Postdemokratie von Colin Crouch (2008 und 2011) beschrieben. Crouch definiert Postdemokratie so: „ein Gemeinwesen, in dem zwar nach wie vor noch Wahlen abgehalten werden, die sogar dazu führen, dass Regierungen ihren Abschied nehmen müssen, in dem allerdings konkurrierende Teams professioneller PR-­‐Experten die öffentliche Debatte während der Wahlkämpfe so stark kontrollieren, dass sie zu einem reinen Spektakel verkommt, bei dem man nur über eine Reihe von Problemen diskutiert, die die Experten zuvor ausgewählt haben. Die Mehrheit der Bürger spielt dabei eine passive, schweigende, sogar apathische Rolle, sie reagieren nur auf Signale, die man ihnen gibt. Im Schatten dieser politischen Inszenierung wird die reale Politik hinter verschlossenen Türen gemacht: von gewählten Regierungen und Eliten, die die Interessen der Wirtschaft vertreten.“ (2008, 10) In der Postdemokratie nach Crouch hat ein Wandel im Verständnis von Politik stattgefunden. Z.B. wurde die Verantwortung für Teile des früher öffentlichen Dienstes abgegeben. Das Selbstverständnis und Selbstbewusstsein der Politik hat sich verringert, sie schreibt sich weniger Kompetenzen für ihre Aufgaben zu. Regierungen nehmen immer mehr die Dienste von Beratungsfirmen in Anspruch. Die Regierungen verleugnen „eine Eigenschaft, die früher ein wichtiges Argument für einen aktiven Staat war: die Fähigkeit als zentraler Akteur Dinge zu erkennen, die die einzelnen Unternehmen nicht sehen konnten.“ (Crouch 2008, 58) Viele Befunde können nach dieser These zu einem Muster verwoben werden. Große und wichtige Entscheidungen z.B. (wie Milliardenhilfen für Banken) werden in kleinen Gremien ohne Öffentlichkeit entschieden, die große Mehrheit der Bevölkerung wird dazu nicht gefragt. Elitäre Kreise aus der Wirtschaft besitzen einen unmittelbaren Zugang zur Politik, Wirtschaft und Politik sind durch den „Drehtür-­‐Effekt“ eng und durch intensives und wirksames Lobbying eng verbunden. 12 Walter Ötsch: Was ist Finanzkapitalismus? Damit geht eine Krise der Repräsentation einher: Große Teile der Bevölkerung fühlen sich von dieser Politik nicht mehr vertreten. Das Ansehen von Politik generell sinkt. Die Wahlbeteiligung geht zurück bzw. neue Bewegungen, die sich in Opposition zu traditionellen staatsragenden Parteien verstehen, bekommen Zulauf. 16. Finanzkapitalismus geht mit einem scheinbaren Machtverlust der Politik einher. Die Politik traut sich nicht zu, die Wirtschaft aktiv zu steuern (was sie de facto mit dem komplexen Regelwerk von Gesetzen, Institutionen und überstattlichen Vereinbarungen macht), sondern glaubt, den Interessen „der Wirtschaft“ folgen zu müssen. Der behauptete Machtverlust dient zur Durchsetzung und Aufrechterhalten von Strukturen des Finanzkapitalismus. Die Staaten unterbieten sich in einem Wettlauf um die Gunst der Konzerne. Zins-­‐, Kapital-­‐ und Währungsverhältnisse werden abhängig vom Urteil der Geldanleger, die Politik glaubt ihren Interessen dienen zu müssen. Das Wohlwollen der Anleger verlangt: niedrige Inflation, stabile Währung, geringere Zinsbesteuerung. Abhängigkeiten von Analysten der Banken und „privaten“ Ranking-­‐Organisationen (wie den Ratingagenturen). Ungünstige Einstufungen haben Folgen für Zinssätze, die für Staatsschulden bezahlt werden müssen. 17. Durch diese Politik und die oben erwähnten realen Entwicklungen (wie die zunehmende Dominanz von Spekulationsgeschäften und die zunehmende Konzentration und Verflechtung der großen Finanzinstitute) wird der Finanzkapitalismus ein immer krisenanfälligeres System. Im Zeitablauf werden die Krisen größer und tiefer. Beispiele für folgenwirksame Finanzkrisen sind: a. die Schuldenkrisen zahlreicher Entwicklungsländer (vor allem 1982), b. die Börsenkrise in New York 19.10. 1987 (Dow Jones: -­‐ 22,6%), mit der Folge der Krise der Sparkassen in den USA (Savings and Loans Associations) c. die Krise des europäischen Währungssystems (EMS) 1992/93, d. die Mexikokrise 1994/1995 (populäre Tequila-­‐Krise genannt), e. die Südostasienkrise 1997/98 und die darauf folgende Krise in Russland (1998), f. Krisen in Brasilien (1998/99 und 2002), Türkei (2000/2001) und Argentinien (2001 und 2002) und g. die so genannte „Dot.com“-­‐Krise (die Krise der neuen Internetfirmen) ab 2000. Die Finanzkrise ab 2008 ist die bislang größte Krise seit der Weltwirtschaftskrise. Sie hatte eine globale Wirtschaftskrise 2009 zur Folge und besteht in Form der Banken-­‐ und Staatschuldenkrise im Euroraum weiter. Das Wachstumsmodell des globalen Kapitalismus vor der Finanzkrise 2008 (nach Mayer 2008) 1. Der privaten Konsum in den USA war die Lokomotive für die Weltwirtschaft. 2. Europa produzierte hochwertige Fertigungsmaschinen und Anlagen, Export nach Asien (23 % der EU-­‐Exporte gehen auch in die USA) 3. In Asien wurden auf den teuren Maschinen aus Europa billige Güter produziert und in die USA exportiert. 4. Dies hatte permanente Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen zur Folge. Abb. 19: Außenhandelströme zwischen China, USA und EU 2009 (in Mrd. $) Die folgende Abbildung zeigt die Leistungsbilanzsalden ausgewählter Länder in Prozent des US-­‐BIP. Die USA wurde 13 Walter Ötsch: Was ist Finanzkapitalismus? zunehmend negativer (rote Linie). Die Gegenposition mit positiven Leistungsbilanzsalden bilden die großen Exportländer Deutschland, Japan, China und die erdölexportierenden Länder (OPEC und Russland). Abb. 20: Salden der Leistungsbilanzen in einzelnen Ländern 1970 bis 2008 (aus Sanfilippo und Zezza 2009) 5. Die Haushalte in den USA haben wenig oder gar nichts gespart, die privaten Schulden sind stark gestiegen. Die globale Sparquote hat sich seit 1998 kaum verändert. Die Sparquote der USA hingegen ist gesunken, während gleichzeitig die Sparquoten der asiatischen Schwellen-­‐ und Entwicklungsländer (emerging markets) stark angestiegen ist, -­‐darunter China und die ölexportierenden Länder des mittleren Ostens. 6.
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8.
9.
Abb. 21: Globale Sparquoten (nach Schönwald 2009, 11) Die USA finanzieren ihre Importe aus Krediten, die vor allem durch die an sie exportierende Länder vergeben werden. Die mit Kredit in den USA gekauften Konsumgüter sind letztlich Käufe mit fremdem Geld, mit dem die Waren bezahlt werden, die im Ausland produziert werden. Die Folge sind steigende Kapitalimporte: USA brauchen täglich fast zwei Mrd. Dollar, um die Finanzierungslücke zu schließen. Auf diese Weise wurden die USA zum Anziehungspunkt für das globale Kapital, d.h. für die in Punkt 8 oben genannten Hauptakteure: a. Banken und Hedgefonds, die das Vermögen der Reichen vermehren, b. Pensionsfonds, die hohe Renditen zur Deckung der Rentenauszahlungen erwirtschaften müssen, c. Konzernen, die rentable Anlagemöglichkeiten für ihr überschüssiges Kapital suchen, d. Zentralbanken und Staatsfonds, die Anlagemöglichkeiten für ihre Devisen (Dollar)-­‐Reserven suchen. Ende 2007 lagen die Devisenreserven Asiens bei 2913 Milliarden Dollar = fast 50% aller Devisenreserven in der Welt. Der Dollarkurs blieb lange Zeit stabil, weil die Exportländer bei einem sinkenden Dollar veranlasst sind, Stützungskäufe für den Dollar vorzunehmen (vor allem Japan und China sind an niedriger Währung interessiert.) Dieses System wurde auch Bretton-­‐Woods-­‐II genannt. Die folgende Abbildung skizziert die Beziehungen zwischen China und den USA. In China lagen lange Zeit die Investitionen und Exporte (im Volkseinkommen werden nicht die Exporte, sondern der Saldo von Exporten minus Importe gezählt) bei 80 % des BIP, in den USA der Konsum bei 80 % des BIP: 14 Walter Ötsch: Was ist Finanzkapitalismus? Abb. 22: Illustration von Bretton Woods II Gesamtbild: •
Es gibt weltweit zu viel Finanzvermögen. Dieses fließt nicht in Realinvestitionen, sondern in Finanzanlagen. Die Investitionen sinken, die Wirtschaft hat niedrigere Wachstumsraten. •
•
Das System wird dadurch ungemein instabil. Die Folge sind zunehmend stärkere Finanzkrisen. Mangels rentabler Anlagemöglichkeiten transferiert alle Welt ihr überschüssiges Geldkapital in die USA. Dort wird in Finanzanlagen investiert und die überschüssigen Waren der Welt aufgekauft. Literatur Beyer, Karl Michael, Ötsch, Walter Otto und Mader, Laura (2013): Die Finanzkrise 2007-­‐2009 als Krise von Schattenbanken Eine einführende institutionelle Analyse. Working Paper des ICAE. Cetorelli, Nicola, Mandel, Benjamin H., Mollineaux, Lindsay (2012): The Evolution of Banks and Financial Intermediation: Framing the Analysis. FBNY Economic Policy Review. Citizens for Tax Justice (2011). Top Federal Income Tax Rates Since 1913 (www.ctj.org/pdf/regcg.pdf) Crouch, Colin (2008): Postdemokratie, Frankfurt: Suhrkamp Crouch, Colin (2011): Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus. Berlin: Suhrkamp. Feller, Avi und Stone, Chad (2009): Top 1 Percent of Americans reaped two-­‐third of income gains in last economic expansion. Income Concentration in 2007 Was at Highest Level Since 1928, New Analysis Show Center on Budget and policy Priorities, 9. September (www.cbpp.org/cms/index.cfm?fa=view&id=2908) Herrmann, Ulrike (2013): Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen. Frankfurt: Westend. Horat, Robert (2003): Kreditderivate. Variantenreiche Finanzinstrumente mit Potenzial für die Praxis, Der Schweizer Treuhänder 11/03, 969 – 976. Horn, Gustav, Dröge, Katharina, Sturn, Simon, van Treeck, Till und Zwiener, Rudolf: Von der Finanzkrise zur Weltwirtschaftskrise (III). Die Rolle der Ungleichheit, Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Report 41, September 2009, 2.] Hungerford, Thomas L. (2012): Taxes and the Economy: An Economic Analysis of the Top Tax Rates Since 1945, Congressional Research Service, Report no. R42729. September 12, 2012 (www.fas.org/sgp/crs/misc/R42729.pdf) Mayer, Leo (2008): Ursachen und Folgen der Finanzkrise, isw Murphy, Richard, Christensen, Jan und Kimmis, Jenny (2005): Tax us if you can. A Tax Justice Network Briefing Paper, September, London Ötsch, Walter Otto (2. Aufl. 2009): Mythos Markt. Marktradikale Propaganda und ökonomische Theorie. Marburg: Metropolis. Palan, Ronen, Murphy, Richard, Chavagneux, Christian (2010): Tax Havens. How Globalization Really Works, Ithaca & London: Cornell University Press. Palley, Thomas I. (2008): Financialization: What it is and Why it Matters. Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung Working Paper 04. Peukert, Helge (2010): Die große Finanzmarktkrise. Eine staatswissenschaftlich-­‐finanzsoziologische Untersuchung. Marburg: Metropolis.Piketty, Thomas and Emmanuel Saez, “Income Inequality in the United States, 1913-­‐1998,” Quarterly Journal of Economics, vol. 118, no. 1 (2003), 1-­‐39.] updated to 2010 on Saez’s website Pozsar, Zoltan; Adrian, Tobias; Ashcraft Adam; Boesky, Hayley (2012): Shadow Banking, in: Federal Reserve Bank of New York Staff Reports 458, Revised February 2012. Rügemer, Werner (2013): Deutschland-­‐AG aufgekauft, Junge Welt vom 19.03.2013 (www.jungewelt.de/2013/03-­‐
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