IT-Kompaktkurs Spezielle BWL Skript zur Folge 1 Prof. Dr. Hans-Paul Bisani Fachhochschule Deggendorf Prof. Dr. Hans-Paul Bisani, FH-Deggendorf Spez. BWL Teilgebiet 1 - Finanz- und Investitionswirtschaft Folge 1: Investitionsplanung und Investitionsrechnung I 1. Teil: Überblick - Die Begriffe Finanzierung und Investition Die Aufgaben der betrieblichen Finanz- und Investitionswirtschaft sind vielfältig. Hierzu gehören insbesondere 1. die Mittelverwendung und 2. die Finanzmittelbeschaffung, 3. die Gestaltung von Vermögens- und Kapitalstruktur sowie 4. die Durchführung des Zahlungsverkehrs einschließlich Liquiditätsplanung. Wie schaut es in der Realität aus, finden Unternehmen zunächst Investitionsmöglichkeiten und beschaffen sie sich erst dann das notwendige Kapital. Oder ist es umgekehrt? • Grundsätzlich besteht ein enger Zusammenhang zwischen Investitions- und Finanzierungsfragen (siehe PPFolie 1). Auf der einen Seite sind Investitionen ohne Finanzmittel nicht durchführbar. Andererseits ist die Existenz einer rentablen Investitionsalternative oft erst Auslöser für konkrete Kapitalbeschaffungsmaßnahmen. Obwohl die unabhängige Betrachtung von Investition und Finanzierung die realen Gegebenheiten der Wirtschaft nicht berücksichtigt, ist aus didaktischen Gründen ihre getrennte Behandlung notwendig. Wir stellen – nach einer kurzen Erläuterung der beiden Begriffe - die Investitionswirtschaft an den Anfang unserer Lehrveranstaltungsreihe, da investitionsrechnerische Analysen i.d.R. vor dem Vorgang der Kapitalbeschaffung durchzuführen sind. • Um einer dynamischen Betrachtungsweise gerecht zu werden, sind sowohl bei der Finanzierung als auch bei der Investition zeitraumbezogene Zahlungsströme zu betrachten (siehe PPFolie 2). Eine Finanzierung ist demnach durch einen Zahlungsstrom gekennzeichnet, der mit einer Einzahlung beginnt, welcher in den folgenden Perioden (vor allem) Auszahlungen folgen. Die Beschaffung und Bereitstellung von Kapital ist Aufgabe der Finanzierung! Hierzu ein Beispiel: Ein Unternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft beschafft sich Eigenkapital durch Ausgabe junger Aktien. Am Anfang steht dabei eine Einzahlung, der Emissionserlös, den die Erwerber der Aktien zahlen. Später leistet die Gesellschaft (erfolgsabhängige) Auszahlungen in Form von Dividenden an die Aktionäre. Als Investition bezeichnet man die Verwendung von finanziellen Mitteln zur Beschaffung von Sachvermögen, immateriellem Vermögen oder Finanzvermögen (siehe PPFolie 3). Investitionen sind also Ströme von Auszahlungen für die Anschaffung von Gütern, durch deren Nutzung Einzahlungen oder Minderungen der Auszahlungsverpflichtungen erzielt werden. Dazu ein Beispiel: Eine Brauerei kann durch Anschaffung eines oder mehrerer Lastkraftwagen (Anschaffungsauszahlung) die Auszahlungsverpflichtungen gegenüber den Spediteuren (Frachtzahlungen) deutlich verringern. Dieser zahlungsorientierte Investitionsbegriff eignet sich besonders für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit einer Investition mit Hilfe finanzmathematischer Methoden im Seite 2 Prof. Dr. Hans-Paul Bisani, FH-Deggendorf Spez. BWL Rahmen der Investitionsrechnung, da eine vollständige Gegenüberstellung aller Ein- und Auszahlungen des Investitionsobjektes möglich ist. • Die möglichst genaue Ermittlung der Zahlungsströme im Rahmen der Investitionsplanung ist besonders wichtig. Von ihrer Qualität hängt wesentlich die Aussagekraft der anschließend zu behandelnden Investitionsrechnung und damit die Güte der Investitionsentscheidung ab. • Abgrenzung der Investionsarten (siehe PPFolie 4) Gemäß der getroffenen allgemeinen Begriffsabgrenzung lassen sich Investitionen nach zahlreichen Kriterien einteilen. I. Eine Unterscheidung nach der Art des Vermögensgegenstandes ist objektbezogen, d.h. wir unterteilen in a) Sachinvestitionen, z. B. Maschinen, b) Finanzinvestionen, z. B. Beteiligungen, und c) immaterielle Investitionen, z. B. Patente, Ausbildung der Mitarbeiter, Forschung und Entwicklung. II. Nach dem Investitionszweck läßt sich zudem folgende, auch in der Praxis bevorzugte Dreiteilung vornehmen: (1) Ersatzinvestitionen Abgenutzte oder auf andere Art nicht mehr verwendbare Vermögensgegenstände (z.B. ein überalterter LKW des Fuhrparks) werden durch gleichartige Neuanschaffungen ersetzt. (2) Erweiterungsinvestitionen Sie dienen der Vergrößerung der vorhandenen Kapazität (z.B. durch Zukauf eines weiteren LKW über die Ersatzbeschaffung hinaus). (3) Rationalisierungsinvestitionen Hier werden qualitative Eigenschaften verbessert, z.B. sollen durch die Anschaffung effizienterer Anlagen die Produktionskosten bei konstanter Ausbringungsmenge reduziert werden. Hierunter fällt auch die Auswechslung ganzer Produktionsabläufe, wie etwa die von Menschen- gegen Roboterarbeit in der Automobilindustrie oder die Einführung eines neuen Brauverfahrens. III. Investitionen können darüber hinaus unterschiedliche Größenordnungen annehmen. Ein Beispiel für eine Kleininvestition – ist etwa die Anschaffung eines PC oder PKW, ein Beispiel für eine Großinvestitionen, etwa die Anschaffung eines Fertigungswerks. Seite 3 Prof. Dr. Hans-Paul Bisani, FH-Deggendorf • Spez. BWL Berücksichtigung der Risiken Das ist natürlich ein wichtiger Aspekt! Durch Investitionen wird Kapital im Unternehmen langfristig gebunden und somit seine Liquidität nachhaltig beeinflußt. Investitionsentscheidungen sind nicht oder nur schwer revidierbar und die für Investitionen zur Verfügung stehenden Finanzierungsmittel sind im allgemeinen knapp. Daraus folgt: (1) Investitionen beeinflussen die Kostenstruktur im Unternehmen. Durch Investitionen erhöht sich zumeist der Fixkostenanteil. Und durch diese erhöhten Fixkosten wird die Gewinnschwelle erst bei einer höheren Kapazitätsauslastung erreicht. (2) Schließlich beeinflussen die Investitionen teilweise auch die Ertragsseite, da sie z.B. Art und Kapazität der Produktionsanlagen festlegen. (3) Fehlinvestitionen können schließlich zur Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens führen. Um solche Risiken zu begrenzen, ist also eine sorgfältige Investitionsplanung notwendig, die von den verfolgten Zielen des Investors ausgeht. Wenn auch das Gewinnziel für Unternehmen im Vordergrund steht, so sind doch auch andere Unternehmensziele als sogenannte Nebenbedingungen vorhanden - die Unternehmen verfolgen. Hierzu gehören z. B. Sicherung der Liquidität, Unabhängigkeit oder Mitarbeiterzufriedenheit. 2. Teil: Investitionsplanung Die Investitionsplanung ist sicher sehr komplex und Planungsaktivitäten im Unternehmen. ein wichtiger Teil der Zur Erinnerung: 1. Planung ist ein gedanklicher Prozeß, 2. der vor der Ausführung liegt und 3. auf zukünftiges Handeln ausgerichtet ist. • Ablauf der Investitonsplanung Die Investitionsplanung soll ja Risiken begrenzen. Sie läßt sich grob in fünf Phasen einteilen (siehe PPFolie 5). Anregungsphase Suchphase Entscheidungsphase Durchführungsphase Controllingphase Die einzelnen – nachfolgend dargestellten - fünf Phasen können freilich nicht völlig isoliert betrachtet werden. Sie sind fließend und gehen ineinander über. Die nachfolgend vorgenommene Darstellung wird am Beispiel einer Sachinvestition illustriert. Seite 4 Prof. Dr. Hans-Paul Bisani, FH-Deggendorf Spez. BWL 1) In der Anregungsphase erkennt der Entscheider durch eine Idee eine Investitionsmöglichkeit oder durch Verschleiß eine Investitionsnotwendigkeit. - Die Quellen für die Anregung zur Vornahme einer Investition können innerhalb und außerhalb des Unternehmens liegen. Z. B. empfiehlt der Braumeister aufgrund einer in Auftrag gegebenen Untersuchung ein kostengünstigeres Brauverfahren mit einem neuen Braukessel. - Schließlich sollte die ins Auge gefaßte Investition mit ihren angenommenen Vor- und Nachteilen möglichst exakt begründet und dokumentiert werden. Z. B. hat die Brauerei ihren Bedarf an Know-how, technischer Ausstattung, Produktionskapazitäten, Personal, Höhe der Kosten und Höhe des Kapitalbedarfs für den Braukessel zu klären. Die Untersuchung der Investitionssituation zeigt etwa, dass die Entwicklung des neuen Brauverfahrens und die Errichtung eines neuen Braukessels notwendig bzw. vorteilhaft erscheint. 2) In der Suchphase sind die für das Fällen der notwendigen Investitionsentscheidung relevanten Bewertungskriterien und Begrenzungsfaktoren zusammenzustellen und zu präzisieren. Daran schließt sich die Ermittlung der möglichen Investitionsalternativen und die Beschreibung ihrer Konsequenzen an. Notwendig ist innerhalb der Suchphase zunächst das Festlegen der quantitativen und qualitativen Bewertungskriterien, nach denen die Investitionsalternativen ausgewählt werden. Quantitative Bewertungskriterien sind z.B. interner Zinsfuß – das ist die Rendite der Investition – oder die Kosten. Quantitative Bewertungskriterien messen die Vorteilhaftigkeit anhand von Zahlengrößen, die wir bei den Investitionsrechenverfahren noch genauer behandeln. Qualitative Bewertungskriterien sind z.B. Lieferzeit, Werbewirksamkeit etc.. Ein Beispiel für diesen Bewertungsvorgang innerhalb der Suchphase: Der neue Braukessel soll mittels der Rentabilität beurteilt werden; weitere Bewertungsfaktoren sind die Brauzeit, der energieverbrauch und die Personalintensität. Weiterhin ist in der Suchphase wichtig, die Begrenzungsfaktoren in bezug auf die Bewertungskriterien festzulegen. Investitionsalternativen, die bestimmte Vorgabewerte der Bewertungskriterien nicht erreichen, werden dann nicht weiter verfolgt und scheiden bei der Vorauswahl aus. Ein Beispiel hierfür: Eine Investition, welche die etwa vorher bestimmte Mindestverzinsung von 10 % nicht erbringt, kommt nicht in die engere Auswahl. Die Ermittlung der relevanten Investitionsalternativen bildet den Abschluß der Suchphase. Geeignet sind Investitionsobjekte dann, wenn sie die vorgegebenen Begrenzungsfaktoren der quantitativen und qualitativen Bewertungskriterien erfüllen. Dazu sind entweder vorhandene Investitionsalternativen zu sammeln, z. B. Kataloge, Preislisten, Herstellerverzeichnisse, Ausstellungen, oder neue Investitionsmöglichkeiten zu schaffen (ggf. mithilfe von Brainstorming etc.). Ein Beispiel für die Ermittlung der relevanten Investitionsalternativen: Die Mitarbeiter der Brauerei entwickeln zusammen mit einem Ingenieur neue Brauverfahren sowie einen neuen Braukessel. Außerdem holen sie von Brauausstattern verschiedene Angebote für Seite 5 Prof. Dr. Hans-Paul Bisani, FH-Deggendorf Spez. BWL Vor allem bei langen Planungszeiträumen aber sind die notwendigen Daten vielfach nicht mit Sicherheit vorhersagbar. Von der Sicherheit ist daher die Ungewißheit der Informationen bzw. Daten zu unterscheiden. Die Ungewißheit kann dabei in zwei Formen auftreten, als sog. Risiko und als sog. Unsicherheit. Beim Risiko sind objektive Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten der Zustände bekannt, z. B. die Lebensdauer Ihres PKW. Bei der Unsicherheit dagegen herrscht völlige Ungewißheit. Nehmen Sie hierfür nur die Entwicklung der Benzinpreise! 3. Teil: Grundlagen der Investitionsrechnung • Wie funktioniert diese Investitionsrechnung? I. Die Investitionsrechnung bietet eine Entscheidungshilfe, um (1) vorteilhafte Investitionsvorhaben zu finden und (2) nachteilige Investitionsvorhaben zu erkennen und zu unterlassen. Sie gibt also Auskunft darüber, welche Investition wirtschaftlich am vorteilhaftesten wäre. Die endgültige Entscheidung für ein bestimmtes Projekt kann freilich auch von anderer Seite beeinflußt werden; so kann etwa eine rechtliche Verpflichtung zur vorrangigen Vornahme bestimmter Investitionen vorliegen. Ein Beispiel hierfür wären Umweltschutzauflagen, die z. B. den Bau einer Rauchgasentschwefelungsanlage verlangen. Die Vorteilhaftigkeit einer Investition ist abhängig von drei Größen. Dies sind: (1) die Höhe der mit ihr verbundenen Zahlungen, d.h. die Anschaffungsauszahlung sowie die laufenden Ein- und Auszahlungen, (2) die zeitliche Verteilung der Zahlungen während der Nutzungsdauer, und (3) der verlangte Kalkulationszinssatz des Investors. Dieser ist die vom Investor geforderte Mindestverzinsung des in der Investition gebundenen Kapitals. Hierzu ein Beispiel, wie man die Anschaffungsauszahlung für ein Investitionsvorhaben, z.B. eine Maschine, ermittelt (siehe PPFolie 6). Angebotspreis - Rabatt (5 %) = Zielpreis - Skonto (2 %) = Barpreis + Verpackung + Fracht + Versicherung = Nettopreis Seite 7 Prof. Dr. Hans-Paul Bisani, FH-Deggendorf Spez. BWL Sind mit der Investition Umbaumaßnahmen und dergleichen am Standort verbunden, sind auch die dabei anfallenden Kosten/Auszahlungen zu berücksichtigen! Die künftigen Ein- und Auszahlungsströme lassen sich wegen der Ungewißheit wesentlich scherer ermitteln. II. Auch gibt es im Zusammenhang mit Investitionsentscheidungen grundsätzlich drei Entscheidungsarten (siehe PPFolie 7): (1) die sog. Einzelentscheidung nach dem Muster „Soll eine Investition durchgeführt werden oder nicht“? Hierzu ein Beispiel: Der Investor verlangt eine Mindestverzinsung von 10 % p.a.. Die Investition wird er nur durchführen, wenn die zu erwartetende Verzinsung 10 % p.a. - oder mehr - betragen wird. (2) die Auswahlentscheidung nach dem Muster „Welche Investitionsalternative soll durchgeführt werden“? Hierzu ein Beispiel: Der Investor hat die Möglichkeit, Maschine A oder Maschine B anzuschaffen. Nach der Kostenvergleichsrechnung fallen bei Mascine A Kosten von jährlich 180.000 Euro an; bei Maschine B sind es nur 170.000 Euro. Da die Kosten der Alternative B kleiner sind als die Kosten der Alternative A, entscheidet sich der Investor für Alternative B. (3) Und schließlich gibt es noch das Bestimmen der optimalen Nutzungsdauer nach dem Muster „Wann ist der optimale Ersatzzeitpunkt erreicht“? Hier geht es z.B. um die Frage, ob eine alte Maschine bereits in diesem oder erst im nächsten Jahr ersetzt werden soll. III. Ermittlung des Kalkulationszinssatzes Der Kalkulationszinsatz ist die vom Unternehmen geforderte Mindestverzinsung, die eine Investion erbringen muß. Wie sollte der Investor die Höhe des Kalkulationszinssatzes für seine Investitionsrechnung festlegen? Kalkulationszinssatz ist stets subjektiv! Die individuellen Finanzierungsverhältnisse des Investors spielen bei seiner Festlegung eine wichtige Rolle. Ansonsten gibt es keine einheitliche Richtschnur. Wenn die Investition ausschließlich mit Eigenkapital finanziert wird, dann ist die bisher vom Investor erzielte Eigenkapitalrendite eine Orientierungshilfe. Hat er bislang eine Rendite von 15 % pro Jahr erzielt, wird er sich bei einer neuen Investition kaum mit einer niedrigeren Verzinsung zufrieden geben. Wenn die Investition ausschließlich mit Fremdkapital finanziert wird, sind die Refinanzierungskosten bei der Bank der Vergleichsmaßstab, d.h. mindestens die Kreditzinsen müssen erwirtschaftet werden. Wenn die Investition sowohl mit Eigen- als auch mit Fremdkapital finanziert wird, ist als Vergleichsgröße eine Mischung aus Fremdkapitalzinssatz und Eigenkapitalzinssatz angebracht. IV. Die in der Investitionsrechnung anzusetzende Nutzungsdauer sollte den Zeitraum umfassen, in dem das Investitionsobjekt voraussichtlich zweckentsprechend verwendet werden kann. Seite 8 Prof. Dr. Hans-Paul Bisani, FH-Deggendorf Spez. BWL Bezüglich der Nutzungsdauer unterscheiden wir: Technische Nutzungsdauer Wirtschaftliche Nutzungsdauer, die regelmäßig kürzer als die technische ND - Risikoabschlag = angesetzte Nutzungsdauer Seite 9 8 Jahren liegen 6 Jahre 1 Jahr 5 Jahre