Was ist Geld? - macroeconomics.tu

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1. Geld und Inflation - Eine Einführung
1. Entstehung und Erscheinungsformen des
Geldes
2. Geldfunktionen
3. Analytische Geldmengenkonzepte
4. Geldangebot
5. Geldnachfrage
1
1.1. Entstehung und Erscheinungsformen des Geldes
• Was ist Geld?
• Wie ist es dazu gekommen, dass wir Banknoten
und Münzen als Geld benutzen?
• Können andere Finanzinstrumente wie Geld
benutzt?
Vgl. Jarchow, I.1.c
2
Was ist Geld?
3
Was ist Geld?
4
Eigenschaften des Geldes
•
Homogenität
–
•
Teilbarkeit
–
•
Aus 100 €, 10.000 Cent.
Haltbarkeit
–
•
Jeder 5 € Schein ist gleich. Jede Kauri-Muschel?
Eine Münze wird uns überleben. Eine Zigarette?
Knappheit
–
•
Bedruckte Geldscheine ggü. unbedrucktem Papier
(Nicht-reproduzierbarkeit? )
–
Eine 1 € Münze kann nicht jeder prägen. Tabak selber anbauen,
Gold suchen?
5
Warengeld
•
Beispiele: Weizen, Salz, Muscheln, Fische, Häute, Metalle,
Zigaretten usw.
• Münzen als standardisiertes Metallgeld (Homogenität)
• Welche Güter setzen sich als Tauschmittel durch?
• Antworten bieten Kiyotaki/Wright[1] und nachfolgende
Literatur:
1. Güter, die von Vielen als nützlich erachtet werden (intrinsischer
Wert für denjenigen, der das Gut annimmt)
2. Güter, die relativ geringe Lagerhaltungs- und Transportkosten
aufweisen.
[1] Kiyotaki, Nobuhiro, & Wright, Randall, 1989, Journal of Political
Economy, vol. 97(4), pages 927-54.
6
Kreditgeld I/II
Beispiele: Scheidemünzen, Wechsel, Banknoten,
Buchgeld
• Scheidemünzen = nicht vollwertige Münzen
-Handelswert höher als Metallwert
• Wechsel = verbrieftes Zahlungsversprechen
-Beispiel nächste Folie
• private Banknoten:
-Bank stellt Noten aus, die von Dritten akzeptiert werden.
-Verpflichtung der Bank, die Noten jederzeit gegen Gold
(heute gegen staatliche Banknoten) einzulösen.
7
Wechsel
Beispiel:
• A kauft Waren bei B,
• hat aber kein Gold dabei
• besorgt sich vorher bei seiner Bank einen Wechsel, mit
dem der Bankier verspricht, dem Inhaber eine bestimmte
Menge Goldes zu geben.
•B kann den Wechsel seinerseits weiterreichen an C, C
an D, bis evtl. D den Wechsel einlöst.
Besonderheit: Jeder Zeichner haftet für den Wechsel!
8
Kreditgeld II/II
• Im 19. Jahrhundert: Übergang zu staatlichen Banken,
Banknotenmonopol.
• Allmähliche Aufgabe der Verpflichtung, Noten
gegen Metall umzutauschen.
• Buchgeld: nicht verbriefte Forderungen an
Zentralbank oder Geschäftsbanken, die jederzeit in
verbriefte Forderungen / Banknoten umgetauscht
werden können.
9
Geldnahe Forderungen
• Beispiele: Termineinlagen, Spareinlagen mit
Kündigungsfrist.
• Erfüllen einige, aber nicht alle der Funktionen
des Geldes:
• Wertaufbewahrung, aber nicht Tauschmittel.
• Gleichwohl: leichte Umwandelbarkeit in
Buchgeld, werden daher zur Geldmenge im
weiteren Sinne gezählt.
10
1.2. Geldfunktionen
• Tauschmittel
• Recheneinheit
• Wertaufbewahrung
Vgl. Jarchow, I.1.a-b
11
Tauschmittel
• Stellen wir uns vor, Person
A besitzt Gut 1 und will Gut 2,
B besitzt Gut 2 und will Gut 3,
C besitzt Gut 3 und will Gut 1.
• Wie kann es zu einer Re-Allokation der Güter
kommen?
– „double-coincidence of wants“ liegt nicht vor.
• Koordinierter Ringtausch, Intermediär,
Tauschmittel?
12
Tauschmittel
1. Alle drei treffen sich an einem Ort und handeln einen Ringtausch
aus. (Bei mehr Personen schwieriger.)
2. Eine Person (z.B. A) fungiert als Zwischenhändler (Intermediär):
Jeder liefert seine Güter bei A ab, A liefert anschließend die
gewünschten Güter aus.
3. Ein Gut wird als Tauschmittel akzeptiert (z.B. Gut 1):
– Schritt 1: A tauscht mit B,
A verbessert sich: erhält sein gewünschtes Gut
B verbessert sich, erhält das Tauschmittel anstelle eines illiquiden
und für sie nutzlosen Gutes.
– Schritt 2: B tauscht mit C, beide verbessern sich, weil sie ihre
gewünschten Güter erhalten.
Intermediär und Tauschmittel setzen Vertrauen voraus!
13
Recheneinheit
• Wenn alle Güter gegen Geld getauscht werden
können,
– bilden sich Preise, die in Geldeinheiten ausgedrückt
werden
• Wertmaßstab, direkte Vergleichbarkeit des
Wertes verschiedener Güter
– auch solcher, die nicht gegeneinander getauscht
werden
• Erleichtert
– Allokationsprozess und
– Produktionsentscheidungen
14
Wertaufbewahrung
• Tauschmittelfunktion bedingt zumindest
kurzfristige Lagerfähigkeit des Geldes
• Somit dient es zumindest einer kurzfristigen
Wertaufbewahrung
• Je nach physischer Beschaffenheit bzw.
Wertverlust pro Zeiteinheit kann Geld auch der
mittel- und langfristigen Wertaufbe-wahrung
dienen.
15
Zusammenhänge zwischen Funktionen
• Recheneinheit und Wertaufbewahrung ergeben sich
unmittelbar aus der Tauschmittelfunktion.
• Umgekehrt ist es leichter einen Handelspartner zu
überzeugen, ein Gut in Zahlung zu nehmen, das
wertbeständig ist.
• Die Wertbeständigkeit spielt eine große Rolle bei der
Durchsetzung einzelner Güter als Warengeld.
• Aber auch bei der Entscheidung, in welcher von
verschiedenen Währungen Transaktionen
abgeschlossen werden.
– Beispiele: Dollar oder Euro fungieren in vielen Ländern als
inoffizielle Währung, weil die eigene Währung zu
instabil ist.
16
1.3 Analytische Geldmengenkonzepte
Unterscheide:
•
Geldschöpfungssektor
–
•
monetäre Finanzinstitute, die Einlagen
entgegennehmen
(Zentral- und Geschäftsbanken, sowie andere
Finanzinstitute)
Geldhaltungssektor
–
alle übrigen privaten und öffentlichen Haushalte
unterhalb der Zentralregierung und Unternehmen
(kurz „Nichtbanken“).
17
Geldmenge
Bargeldumlauf: Banknoten und Münzen im Besitz von Nichtbanken.
M1 = Bargeldumlauf + täglich fällige Einlagen (Girokonten) von
Nichtbanken.
- höchste Liquidität
M2 = M1 + Einlagen mit Laufzeit bis zu 2 Jahren oder
Kündigungsfrist von bis zu 3 Monaten.
- dient z.T. stärker der Wertaufbewahrung als der Verfügung als
Zahlungsmittel (insb. Termingelder)
M3 = M2 + Verbindlichkeiten aus Wertpapierpensionsgeschäften +
Schuldverschreibungen mit Laufzeit bis zu 2 Jahren +
Geldmarktfondanteile und Geldmarktpapiere
Monetäre Basis: Banknoten, Münzen und Einlagen der
Geschäftsbanken bei der Zentralbank
18
Geldmengen EWU
% von M3
Juli 10
Mrd. €
% von M3
4323,8
45,81%
4686,3
49,75%
745,5
7,90%
782,4
8,31%
täglich fällige Einlagen
3578,3
37,91%
3903,9
41,44%
M2-M1
3862,9
40,92%
3631,9
38,55%
Einlagen mit Laufzeit bis 2
Jahren
2139,7
22,67%
1779,1
18,89%
Einlagen mit Kündigungsfrist
bis 3 Monaten
1723,2
18,26%
1852,8
19,67%
M3-M2
1252,4
13,27%
1102,3
11,70%
Repogeschäfte
(Wertpapierpensionsgesch.)
320
3,39%
390,3
4,14%
Geldmarktfondgeschäfte
758
8,03%
585,9
6,21%
Schuldverschreibungen bis zu
2 Jahren
174,4
1,85%
126,1
1,34%
M1
Bargeld
M3
Juli 09
Mrd. €
9439,1
9420,4
19
1.4 Geldangebot
• Monetäre Basis
• Mindestreserve
• Geldschöpfung durch Privatbanken
• Offenmarktgeschäfte
– Mengen- und Zinstender
• Ständige Fazilitäten
20
Monetäre Basis
Monetäre Basis
• Banknoten, Münzen und Einlagen der
Geschäftsbanken bei der Zentralbank
• wird als Indikator (Zwischenziel) benutzt. (Jarchow,
III.3.a)
• Sie ergibt sich im Wesentlichen aus der Bilanz der
Zentralbanken.
• Münzumlauf wird von der EZB festgelegt, aber
Münzen werden von den Finanzbehörden
ausgegeben.
27.8.2010: Münzumlauf
21,9 Mrd. €
Banknotenumlauf 813,4 Mrd. €
Einlagen der GB
356,8 Mrd. €
21
Banknoten im Umlauf (in Mio.)
22
Konsolidierte Bilanz des Eurosystems
Ausweis der EZB am 27.8.2010 (Mrd. €)
Aktiva
Passiva
Gold, Goldforderungen
351,970
Banknotenumlauf
813,429
Forderungen in Euro (ohne öff.
Haushalte)
643,098
Verbindlichkeiten in Euro
gegenüber Kreditinstituten
356,803
Forderungen in Fremdwährungen
274,754
Sonst. Verbindlichkeiten in Euro
147,164
Wertpapiere in Euro
421,613
Verbindlichkeiten in Fremdwg.
17,012
Ausgleichsposten für IWF SZR
Ausgleichsposten aus
Neubewertung
56,711
35,041
328,818
Sonstige Passiva
159,800
Forderungen in Euro an öff.
Haushalte
Sonstige Aktiva
241,451
Kapital und Rücklagen
Aktiva insgesamt
1957,926
Passiva insgesamt
78,191
1957,926
Forderungen an den öffentlichen Sektor: Die Maastrichter Beschlüsse verbieten es den europäischen
Zentralbanken, Staatskredite zu vergeben. Sie dürfen jedoch Staatspapiere im Rahmen von
Offenmarktoperationen kaufen (z.B. Staatsanleihen Griechenlands).
Verbindlichkeiten in Euro gegenüber Kreditinstituten sind überwiegend Einlagen auf Girokonten
(Mindestreserve und Überschussreserve)
23
Geldangebot
• Offenmarktgeschäfte
– Kauf/Verkauf von Wertpapieren durch die Zentralbank auf
Initiative der Zentralbank
• Tenderverfahren
– Zeitlich befristete Bereitstellung von Liquidität für die
Geschäftsbanken im Rahmen einer Auktion
• Spitzenrefinanzierungsfazilität
– Geschäftsbanken leihen aus eigener Initiative Geld von der
Zentralbank
• Einlagefazilität
– Geschäftsbanken legen aus eigener Initiative Geld bei der
Zentralbank an
24
Offenmarktgeschäfte
• Wie kauft die ZB Wertpapiere?
• Was hat dies mit dem Geldangebot zu tun?
Beispiel:
Bilanz der Geschäftsbanken (GB)
Bilanz der Zentralbank (ZB)
Wertpapiere
8
Banknoten
6
Wertpapiere
Mindestreserve
2
Mindestreserve
2
Bargeld
6
32
Einlagen
40
• ZB kauft 4 Mio. € an Wertpapiere von GB
Bilanz der Geschäftsbanken (GB)
Bilanz der Zentralbank (ZB)
Wertpapiere
12 Banknoten
Mindestreserve
10
2
Wertpapiere
Mindestreserve
Bargeld
28
Einlagen
40
2
10
25
Mengentender
•
•
ZB gibt angebotene Geldmenge und Zinssatz an
GB geben gewünschte Mengen an Geld an
1.
Wenn die GB zu dem Zins mehr Geld geboten haben,
als die ZB ausgeben möchte,
–
2.
werden Gebote proportional zur Nachfrage auf das Angebot
rationiert (Repartierung)
Sonst bekommen die GB die von ihnen gewünschte
Menge
•
Problem: in der Regel traf 1. zu
•
Anreiz für die GB höhere Gebote abzugeben, um
einen höheren Anteil zu bekommen
26
Mengentender
• ZB legt Gesamtvolumen (25 Mio. €) und Zinssatz fest (5,5%).
• GB geben Gebote über Mengen ab
Bank A:
Bank B:
15 Mio. €
25 Mio. €
• Angebot / Nachfrage = 25 / 40 = 62,5%
• Alle Banken erhalten 62,5% der jeweils gewünschten
Mengen.
=> Bank A erhält 9,375 Mio. €,
Bank B erhält 15,625 Mio. €
27
Zinstender
• ZB legt Gesamtvolumen und (in der Regel) einen
Mindestbietungszins fest.
• GB geben Gebote über Mengen und Zins
Bank A:
Bank B:
10 Mio. € zu 5,5%
5 Mio. € zu 5,75%
5 Mio. € zu 5 %
10 Mio. € zu 5,5%
5 Mio. € zu 4,75 %
5 Mio. € zu 5%
• Die höchsten Gebote werden voll bedient. Marginale Gebote
werden ggfs. rationiert.
28
Zinstender
• ZB legt Gesamtvolumen fest (25 Mio. €)
• GB geben Gebote über Mengen und Zins
Bank A:
Bank B:
10 Mio. € zu 5,5%
5 Mio. € zu 5,75%
5 Mio. € zu 5 %
10 Mio. € zu 5,5%
5 Mio. € zu 4,75 %
5 Mio. € zu 5%
• Anfangend beim höchsten Zinsangebot werden die Gebote
absteigend bedient bis das festgelegte Gesamtvolumen
erschöpft ist.
• Der niedrigste Zins, zu welchem ein Gebot bedient wird
= Marginaler Zinssatz (5,5%)
• Gebote zum marginalen Zins werden ggf. rationiert.
29
Zinstender
• ZB legt Gesamtvolumen fest (25 Mio. €)
• GB geben Gebote über Mengen und Zins
Bank A:
Bank B:
10 Mio. € zu 5,5%
5 Mio. € zu 5,75%
15 Mio. € zu 5 %
10 Mio. € zu 5,5%
5 Mio. € zu 4,75 %
10 Mio. € zu 5%
• => Marginaler Zinssatz (5,5%)
• amerikanisches Verfahren
– GB müssen für die bedienten Geboten die jeweils gebotenen Zinsen
zahlen.
• holländisches Verfahren
– GB zahlen bei allen bedienten Geboten den marginalen Zinssatz.
30
EZB Tenderverfahren
•
•
•
Mengentender mit variabler Zuteilung
– Bis zum 26. Juni 2000
– Strategische Gebote (siehe Grafik) Gebote werden übertrieben, weil alle
mit der Rationierung rechnen. Wer ihren Geldbedarf am meisten
übertreibt, erhält im Verhältnis die meiste Liquidität. Reallokation durch
Interbankenmarkt.
Zinstender nach amerikanischem Verfahren
– Vom 27. Juni 2000 bis zum 1. Oktober 2008
– ZB legt Mindestbietungszinssatz und Menge fest. Marktnahe Lösung.
Interbankenmarkt weniger bedeutsam. Interbankenzins durch Einlagenund Spitzenrefinanzierungssatz beschränkt.
Mengentender mit voller Zuteilung
– Seit dem 2. Oktober 2008. Banken erhalten soviel Geld, wie sie wollen.
– Nach Zusammenbruch des Interbankenmarktes (Lehman-Pleite 15.9.08)
übernimmt die EZB die Rolle des Marktes. Banken versorgen sich (1x pro
Woche) mit hinreichender Liquidität zum Hauptrefinanzierungssatz (1%)
und parken überschüssige Liquidität über Nacht bei der EZB zum
Einlagensatz (0,25%).
31
32
Spitzenrefinanzierungs- und Einlagefazilität
• Ständige Fazilitäten
– GB können nach Bedarf benötigtes Geld von ZB bekommen, bzw.
nicht benötigtes Geld bei ZB anlegen.
• Spitzenrefinanzierungsfazilität
– Lombardkredite, GB verpfänden Wertpapiere bei der Zentralbank
– Zinssatz liegt oberhalb der Offenmarktgeschäfte
• Einlagefazilität
– Geschäftsbanken legen aus eigener Initiative Geld bei der
Zentralbank an
– Zinssatz liegt unterhalb der Offenmarktgeschäfte
• Die zwei Fazilitäten bilden einen Zinskorridor
33
Interbankenzinssatz
Banken leihen sich gegenseitig Geld zum Tagesgeldsatz. Dieser
wird von ZB-Zinsen wesentlich beeinflusst.
4,5%
Spitzenrefinanzierungssatz
4,0%
3,5%
3,0%
Mindestbietungssatz
2,5%
2,0%
1,5%
Tagesgeldsatz
Einlagensatz
1,0%
0,5%
07.2002
marginaler Zinssatz
Hauptrefinanzierungssatz
10.2002
01.2003
04.2003
07.2003
34
Zinssätze der EZB (% per annum)
7
6
5
4
3
2
1
02.07.2009
01.01.2009
02.07.2008
01.01.2008
03.07.2007
01.01.2007
02.07.2006
01.01.2006
02.07.2005
31.12.2004
02.07.2004
01.01.2004
02.07.2003
01.01.2003
02.07.2002
31.12.2001
02.07.2001
31.12.2000
01.07.2000
01.01.2000
02.07.1999
01.01.1999
0
Einlagefazilität
Spitzenrefinanzierungsfazilität
Hauptrefinanzierungsgeschäfte - Mengentender
Hauptrefinanzierungsgeschäfte - Zinstender
35
Leitzinsen im Vergleich
Japan
England
USA
EU
8
6
4
2
0
n
Ja
99
n
Ja
00
n
Ja
01
n
Ja
02
n
Ja
03
n
Ja
04
n
Ja
05
n
Ja
06
n
Ja
07
n
Ja
08
n
Ja
09
n
Ja
10
36
Mindestreserve
• Einlagen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank
– Hauptsächlich Einlagen auf Girokonten
(Mindestreserve)
– Einlagefazilität (Überschussreserve)
• Geschäftsbanken legen ein Teil der Depositen bei der
ZB ein
– 2% (Mindestreservesatz) müssen sie hinterlegen,
– dürfen aber mehr - Einlagefazilität
• Der Rest wird als Kredit weiter gegeben
• Geldschöpfung durch private Banken!
Jarchow, III.2.
37
Geldschöpfung durch Privatbanken
Betrachte Bankensektor mit
– einer Zentralbank (ZB)
– 2 Geschäftsbanken (GB), A und B,
– Nichtbanken (NB)
• NB halten Sichteinlagen bei GB
– Annahme: sämtliche Kredite werden wieder im Bankensektor
angelegt (bargeldloser Zahlungsverkehr)
• GB halten Zentralbankguthaben in Höhe der
Mindestreserve, k
– Annahme im Beispiel: k= 20%
Ausgangssituation:
• NB verfügen über 40 Mio €. Sichteinlage bei GB A
• Davon muss GB A 20% als Mindestreserve bei der ZB
anlegen.
38
Geldschöpfung durch Privatbanken
Situation in Periode 0:
Bilanz der GB A
Mindestreserve
8
Sichteinlagen 40
Überschussreserve
32
Situation in Periode 1: GB A gewährt Kredite an NB in Höhe der
Überschussreserve (32), die bei GB B angelegt werden.
Bilanz der GB A
Mindest…
8
Sicht…
Kredite
32
Bilanz der GB B
40
Mindest…
6,4
Sicht…
Überschuss…
25,6
32
Situation in Periode 2: GB B gewährt Kredite an NB in Höhe der
Überschussreserve (25,6), die bei GB A angelegt werden.
Bilanz der GB B
Bilanz der GB A
Mindest…
13,12
Kredite
32
Überschuss
20,48
Sicht…
65,6
Mindest…
6,4
Kredite
25,6
Sicht…
32
39
Geldschöpfung durch Privatbanken
Periode Δ Kredite
0
--1
32
2
25,6
3
20,48
…
oo
Summe
Δ Sichteinlagen
40
32
25,6
20,48
Δ Mindestreserve
8
6,4
5,12
4,096
0
0
0
160
200
40
M1 = Summe der Sichteinlagen = 200 Mio. €
Monetäre Basis = Summe der Mindestreserve = 40 Mio. €
Geldschöpfungsmultiplikator = M1/Mon. Basis = 5
40
Geldschöpfung durch Privatbanken
Periode
Δ Kredite
Δ Sichteinlagen
Δ Mindestreserve
0
---
A
k·A
1
(1-k) · A
(1-k) · A
k · (1-k) · A
2
(1-k)2 · A
(1-k)2 · A
k · (1-k)2 · A
3
(1-k)3 · A
(1-k)3 · A
k · (1-k)3 · A
(1-k)n · A
(1-k)n · A
k · (1-k)n · A
…
n
…
∞
1
qn =
Geometrische Reihe:
, |q|<1
∑
1− q
n =0
A = 40 Mio €, k = 0,2
M1 = Summe der Sichteinlagen = A / k = 200 Mio. €
Monetäre Basis = Summe der Mindestreserve = A = 40 Mio. €
Geldschöpfungsmultiplikator = M1/Mon. Basis = 1/k = 5
41
Geldschöpfung durch Privatbanken
• Wenn ein Anteil b jedes Kredits als Bergeld gehalten wird um
Transaktionen abzuwickeln, wird nur ein Anteil (1-b) wieder im GB-Sektor
angelegt. Der Geldschöpfungs-multiplikator wird entsprechend kleiner.
Das gleiche gilt, wenn GB mehr als die Mindestreserve bei ZB
hinterlegen.
• Beispiele siehe Jarchow III.2.b) und in der Übung
• zusätzliche Möglichkeiten der Geldschöpfung:
– Private Zahlungssysteme: Kreditkarten, elektronisches Geld,
ungedecktes Privatgeld
• Durch die Geldschöpfung mit Privatbanken führt
– 1€ zusätzliches Bargeld zu mehr als 1€ M1
– Ein Multiplikatorprozess
42
Glossar
Refinanzierung:
(Bundesbank: Glossar, http://www.bundesbank.de/bildung/bildung_glossar.php)
Auf dem Kreditwege von den Banken bei der Notenbank beschafftes
Zentralbankgeld. Während sich ein einzelnes Geld- und Kreditinstitut auch am
(Interbanken-) Geldmarkt refinanzieren kann, besteht für das Bankensystem als
Ganzes die Notwendigkeit, sich bei der Zentralbank zu refinanzieren. Dies
geschieht i.d.R. über Offenmarktgeschäfte i.w.S., bei denen die Initiative bei der
Zentralbank liegt, und über ständige Fazilitäten, welche die Kreditinstitute aus
eigener Initiative in Anspruch nehmen können.
Refinanzierungszinssatz
(http:wwwmoneyfruits.com/wissen/dokumente/2245.html)
Der Zinssatz, zu dem sich Banken untereinander oder von der Nationalbank Geld
ausleihen, heißt allgemein „Refinanzierungszinssatz“. Wenn sich eine
österreichische Bank im Euro-Land Geld ausleiht, so kommt als
Refinanzierungszinssatz der EURIBOR (EURO Interbank Offered Rate) zum
Tragen, wenn sie sich das Geld von einer Nationalbank außerhalb der EuroZone leiht, kommt der LIBOR (London Inter Bank Offered Rate traditionell
werden die in London veröffentlichten Zinssätze herangezogen) dieser Währung
zum Tragen. Der Verdienst der Banken ist im Zinsaufschlag (Marge) zu finden,
die der Kreditkunde zu zahlen hat.
43
Glossar
Offenmarktgeschäft:
(http://www.bundesbank.de/bildung/bildung_glossar.php)
Geldpolitische Operation, die auf Initiative der Zentralbank erfolgt und bei der die
Zentralbank Wertpapiere hereinnimmt oder abgibt. Solche Geschäfte können
„endgültig“ (definitiv) oder „auf Zeit“ als befristete Transaktionen erfolgen.
Letztere können gemäß einer Rückkaufsvereinbarung als
Wertpapierpensionsgeschäft oder auf Verpfändungsbasis abgewickelt werden.
Tenderverfahren:
(http://www.bundesbank.de/bildung/bildung_glossar.php)
Verfahren, bei dem die Zentralbank auf der Basis konkurrierender Gebote der
Geschäftspartner dem Markt Liquidität zuführt oder vom Markt absorbiert. Die für
die Zentralbank günstigsten Gebote kommen vorrangig zum Zuge, bis der
Gesamtbetrag an Liquidität, der von der Zentralbank zugeführt oder absorbiert
werden soll, erreicht ist.
Wir unterscheiden Mengentender und Zinstender
44
Glossar
Mengentender
Bei dem Mengentender gibt die Zentralbank den Zinssatz für angebotenes
Zentralbankgeld vor. Darüber hinaus gibt sie i.d.R. eine Geldmenge vor.
Die Geschäftsbanken machen Gebote in Höhe der gewünschten Geldbeträge,
die sie erwerben wollen. Die Zuteilungsquote errechnet sich, indem das
insgesamt beabsichtigte Zuteilungsvolumen (Geldmenge) auf die gesamte
Angebotssumme bezogen wird. Die Geschäftsbanken werden also rationiert,
wenn sie insgesamt mehr Geld nachfragen als zugeteilt werden soll.
Problem: Die Geschäftsbanken neigen dazu, höhere Mengengebote abzugeben,
als sie eigentlich benötigen, wenn sie davon ausgehen rationiert zu werden.
Zinstender
Bei dem Zinstender gibt die Zentralbank eine Geldmenge vor. Die
Geschäftsbanken geben nicht nur ein Gebot über den gewünschten Geldbetrag
ab, sondern auch über den Zins, den sie zahlen wollen. Allerdings hat die
Zentralbank auch beim Zinstender die Möglichkeit, einen Mindestzinssatz
vorzugeben, den die Banken bieten müssen.
Die Zuteilung der Wertpapiere erfolgt nach Angebotsschluss entweder nach dem
amerikanischen oder nach dem holländischen Verfahren.
Vorteil des Zinstenders: Das Geld fließt zu den Banken, die es am nötigsten
brauchen (Einführung einer Marktkomponente).
45
Glossar
Beim amerikanischen Verfahren werden alle Bieter zu dem Zinssatz bedient, zu
dem sie jeweils geboten haben. Die Banken mit den höchsten Zinsangeboten
erhalten die gewünschte Menge an Geld in vollem Umfang. Der niedrigste Zins,
zu welchem noch eine (teilweise) Zuteilung erfolgt, ist der marginale Zinssatz.
Gebote zum marginalen Zinssatz werden im Verhältnis zum kumulierten Gebot
gekürzt - man spricht von Repartierung.
Beim holländischen Verfahren werden alle zum Zuge kommenden Bieter zum
marginalen Zinssatz bedient.
Nachteil: Wie beim Mengentender werden von den Banken oft Mondgebote
abgegeben, weil sie ja nur den Marginalen Zinssatz zahlen müssen.
Die EZB verwendet seit dem 27. Juni 2000 das amerikanische ZinstenderVerfahren.
Die Abwicklung erfolgt im Automatischen Bietungssystem per E-Mail + PIN.
46
Glossar
Mindestreserve
(http://www.bundesbank.de/bildung/bildung_glossar.php)
Zentralbankguthaben der Banken, die sie zur Erfüllung der
Mindestreservepflicht bei der Zentralbank halten müssen. Die Höhe des
Mindestreserve-Solls einer Bank wird durch Anwendung der
Mindestreservesätze auf die reservepflichtigen Bilanzpositionen ermittelt.
Die Mindestreserve gehört zum geldpolitischen Instrumentarium des
Eurosystems. Der Mindestreservesatz des Eurosystems beträgt 2%.
Dieser Satz gilt für täglich fällige Einlagen, Einlagen mit einer vereinbarten
Laufzeit von bis zu zwei Jahren, Geldmarktpapiere und
Schuldverschreibungen mit vereinbarter Laufzeit von bis zu zwei Jahren.
(Daneben sind noch weitere Verbindlichkeiten mindestreservepflichtig, aber
mit einem Mindestreservesatz von null Prozent). Das Mindestreserve-Soll ist
nicht täglich, sondern im kalendertäglichen Durchschnitt als Guthaben bei
der Zentralbank zu halten. Die Banken können die Mindestreserveguthaben
somit auch als Arbeitsguthaben für ihren laufenden Zahlungsverkehr nutzen.
Die Mindestreserve wirkt deshalb am Geldmarkt als Puffer, der starke
Liquiditätsausschläge ausgleicht und die Zinsentwicklung verstetigt.
47
1.5 Geldnachfrage
• Motive der Kassenhaltung
• Keynessche Liquiditätspräferenztheorie
• Opportunitätskosten der Kassenhaltung
• Umlaufgeschwindigkeit,
Kassenhaltungskoeffizient
Jarchow II.1-3.b.
48
Motive der Kassenhaltung
•
•
Transaktionskasse:
– erwarteter Umsatz (+)
– Opportunitätskosten der Geldhaltung = Zins (-)
– Transaktionskosten der Liquidierung von Wertpapieren (+)
Vorsichtskasse: Kassenhaltung zur Minderung des Illiquiditätsrisikos
bei unsicheren Zahlungsströmen.
– Risikoaversion (+)
•
– erwartete Volatilität des künftigen Liquiditätsbedarfs (bei positiver
Risikoaversion +)
– Opportunitätskosten der Geldhaltung = Zins (-)
– Transaktionskosten der Liquidierung von Wertpapieren (+).
Spekulationskasse: Haltung liquider Mittel in Erwartung einer günstigen
Kursänderung alternativer Anlagen.
Portfolio-Theorie: Ein gewisser Anteil des Portfolios wird in liquiden
Mitteln gehalten, da alle anderen Anlagen Risiken unterliegen
(Diversifikation).
– Vermögen (+)
– Opportunitätskosten der Geldhaltung = Zins (-)
49
Keynessche Liquiditätspräferenztheorie
• unterscheidet die drei Motive der Kassenhaltung
• Spekulationsmotiv: Keynes‘ Annahmen:
– Haushalte haben langfristige Zinserwartungen
– Wenn die aktuellen Zinsen höher [niedriger] als der langfristig
erwartete Zins
– wird allg. mit Zinssenkungen [-steigerungen] gerechnet
Der Preis festverzinslicher Wertpapiere negativ vom
aktuellen Zins abhängt
kann es sich lohnen weniger [mehr] Liquidität
vorzuhalten als im Durchschnitt.
Damit kann auf sinkende [steigende] Zinsen und damit
steigende [sinkende] WP-preise spekuliert werden.
50
Quantitätstheorie
Quantitätstheorie: M V = P Y
• M = Geld, P = Preisniveau, Y = reales BIP
• ist eine Identität, da Umlaufgeschwindigkeit V
durch diese Gleichung definiert wird
Interpretation als Geldnachfragefunktion:
Md = P Y / V = P Y k
• k = 1/V = Kassenhaltungskoeffizient
51
Opportunitätskosten der Kassenhaltung
Md = P Y k
Wovon hängt Kassenhaltung ab?
•
zu erwartendem Transaktionsvolumen (proportional zu
nominalem BIP = PY)
Wovon hängt Kassenhaltungskoeffizient k ab?
1. Trend (Desintegration, Liquiditätsvorliebe)
2. Zinssatz (Opportunitätskosten der Geldhaltung)
k (i) mit k‘ < 0.
3. Zinserwartungen (Spekulationsmotiv)
Erwartung steigender Zinsen = Erwartung sinkende WPPreise => höhere Kassenhaltung
4. Unsicherheit über die künftige Preisentwicklung
(Liquiditätsvorsorge)
52
Umlaufgeschwindigkeit, Kassenhaltungskoeffizient
Liquiditätspräferenz
Aufspaltung der Wertschöpfungskette
Umlaufgeschwindigkeit und Kassenhaltungskoeffizient in
Deutschland (M3)
v
0,65
2,7
0,6
2,5
0,55
2,3
0,5
2,1
0,45
1,9
0,4
1,7
0,35
1,5
19
70
Q
1
19
71
Q
1
19
72
Q
1
19
73
Q
1
19
74
Q
1
19
75
Q
1
19
76
Q
1
19
77
Q
1
19
78
Q
1
19
79
Q
1
19
80
Q
1
19
81
Q
1
19
82
Q
1
19
83
Q
1
19
84
Q
1
19
85
Q
1
19
86
Q
1
19
87
Q
1
19
88
Q
1
19
89
Q
1
19
90
Q
1
19
91
Q
1
19
92
Q
1
19
93
Q
1
19
94
Q
1
19
95
Q
1
19
96
Q
1
19
97
Q
1
19
98
Q
1
k
Kassenhaltungskoef f izient
Umlauf geschw .
53
Linear (Umlauf geschw .)
Inflation und Geldmengenwachstum
Quantitätstheorie: M t Vt = Pt Yt
Totales Differential: Vt dM t + M t dVt = Yt dPt + Pt dYt
=> Wachstumsraten: dM t + dVt = dPt + dYt
Mt
Vt
Pt
Yt
μ +η = π + y
In der langen Frist sind Änderungen der
Umlaufgeschwindigkeit und die reale
Wachstumsrate exogen: π t = μ t + η
−y
=> Höheres Geldmengenwachstum führt zu
höherer Inflation!
Als Differenz
π t − π t −1 = μ t − μ t −1
54
Welche Geldmenge korreliert am besten mit Inflation?
6.0
16.0
5.0
14.0
12.0
4.0
10.0
3.0
8.0
2.0
6.0
1.0
0.0
1991
‐1.0
4.0
M! Wachstum p.a. in %
Inflation p.a. in %
M1 & Inflation (Aug. 2010)
Infl
M1
2.0
1993
1995
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
0.0
55
Welche Geldmenge korreliert am besten mit Inflation?
6.0
14.0
5.0
12.0
10.0
4.0
8.0
3.0
6.0
2.0
4.0
1.0
0.0
1991
‐1.0
2.0
M3 Wachstum p.a. in %
Inflation p.a. in %
M3 & Inflation (Aug. 2010)
Infl
M3
0.0
1993
1995
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
‐2.0
56
Geld und Hyperinflation
Simbabwe-Dollar
1E+22
1E+20
1E+18
1E+16
1E+14
1E+12
1E+10
100000000
1000000
10000
100
1
0
7 .2
2 .0
6
00
1
0 .2
0 .1
6
00
1
1 .2
8 .0
7
00
2
4 .2
8 .0
7
00
0
8 .2
6 .0
Geldmenge in Milliarden
7
00
1
1 .2
4 .1
7
00
2
2 .2
2 .0
8
00
0
6 .2
1 .0
8
00
0
9 .2
9 .0
8
00
Wechselkurs zum US-Dollar
57
1.6 Gleichgewicht auf dem Geldmarkt
• Geldnachfrage
– Md = P Y k(i)
– Allgemeiner:
Md = P L(Y, i, ierw. )
mit LY > 0, Li < 0, Lierw > 0
• Geldangebot
– Mengen- bzw. Zinstender
gibt der EZB begrenzte Kontrolle über die
monetäre Basis und den Interbankenzins
58
Gleichgewicht auf dem Geldmarkt
Warum ist die Geldmenge oft höher als beabsichtigt?
• Geldschöpfung
• Zentralbank hat Zielwert für den Marktzins (aus
gesamtwirtschaftlicher Verantwortung, s. Ziele)
und passt Geldmenge ggfs. an.
• Zusätzlich: längerfristige
Refinanzierungsgeschäfte und
Feinsteuerungsoperationen (bei unerwarteten
Liquiditätsschwankungen)
• Ständige Fazilitäten: Ober- und Untergrenze für
Tagesgeld
59
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