Unrundräder zum Anfassen mit KISSsoft gerechnet

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Unrundräder zum Anfassen mit KISSsoft gerechnet
Heinz Ammann, Swiss Science Center Technorama, Schweiz
Dr.-Ing. Ulrich Kissling, KISSsoft AG, Schweiz
Dipl. Ing. Jürg Langhart, KISSsoft AG, Schweiz
Im Swiss Science Center Technorama können auf einer Ausstellungsfläche von 6'500 Quadratmetern
naturwissenschaftliche Phänomene erlebt und mit eigenen Händen erfahren werden, ganz nach dem
Motto "Anfassen erwünscht". An den über 500 Experimentierstationen darf und soll man individuell und
spielerisch, nach Lust und Laune, nach Interesse und Neigung selber Hand anlegen, um – im doppelten
Wortsinn – die Welt zu begreifen. Beim eigenen Experimentieren werden Vorstellungen zu naturwissenschaftlichen Phänomenen entwickelt, geprüft, weiterentwickelt oder umgestossen und immer wieder neu
geprüft. Demnach geht es nicht darum, einfach erzählt zu bekommen, wie Wissenschaft funktioniert,
sondern darum, Wissenschaft zu erfahren und dabei selbst mitzudenken.
Runde Zahnräder sind heute allgemein bekannt. Doch sind Zahnränder immer rund? Dürfen oder können sie nicht auch oval oder gar eckig sein? Muss das Übersetzungsverhältnis wirklich immer gleich
bleiben? Aus einer alten Sammlung besitzt das Technorama teils handgefertigte mechanische Antriebe,
welche heute fast nur noch in alten Lehrbüchern zu finden sind. Gegenwärtig ersetzt oft die Mechatronik
das alte Handwerk. Und weil gerade die alte Mechanik immer wieder zum Staunen anregen kann, wollte
das Science Center seine Sammlung um viereckige Zahnräder ergänzen. Schnell wurde jedoch klar, wie
zeitaufwändig die Berechnungen werden und deshalb machte sich das Technorama auf die Suche nach
einem Partner für die Konstruktion und Berechnung der Zahnräder. Bald darauf stellte sich die Firma
KISSsoft AG für das "Unrundrad-Projekt" zur Verfügung.
Die vom Technorama gestellte Vorgabe lautete: Der Achsabstand muss fest und beide Zahnräder sollen
genau deckungsgleich sein. Nachdem die Wälzkurven berechnet waren, konnte mit KISSsoft in Kürze
die Zahnformen generiert werden. Anschliessend wurden die Zahnräder als Unikate mittels Drahterosion
hergestellt.
KISSsoft AG │ Uetzikon 4 │ 8634 Hombrechtikon │ Schweiz│ Telefon +41 55 254 20 50 │ Fax +41 55 254 20 51 │ [email protected]
Bild 1
Unrundräder - mit KISSsoft gerechnet und im Swiss Science Center Technorama ausgestellt.
Anspruchsvolle Berechnung von Unrundrädern
Mit KISSsoft lassen sich Berechnungen zu Unrundrädern durchführen, von der Auslegung bis zur Kontrolle des Abwälzverhaltens. Das Abwälzen kann dabei aus einem vorgegebenen Übersetzungsverlauf
oder den Wälzkurven direkt ermittelt werden. Zunächst werden dazu auf der Basis von eingelesenen
Übersetzungsfunktionen oder Wälzkurven die Grundkörper der beiden Zahnräder bestimmt. Anschliessend wird die Verzahnung eingeschnitten, indem mit einem Stossrad abgewälzt wird. Da bei beiden
Zahnrädern das gleiche Stossrad verwendet wird, ergeben sich sehr gut abwälzende Verzahnungen, mit
annähernd symmetrischen Zähnen. Dennoch kann es bei stark gekrümmten Kurven zu Eingriffsstörungen kommen, und zwar ausserhalb des eigentlichen Eingriffsbereichs. Um dies zu überprüfen, hat sich
die visuelle Kontrolle durch das Animieren des Abwälzens am Bildschirm bewährt. Hierdurch kann sehr
schnell und effizient die Korrektheit der Kinematik überprüft werden – und zwar noch im Auslegungsprozess.
Da der Algorithmus zur Erzeugung der Unrund-Kontur sehr regelmässige, nahezu symmetrische Zahnformen erzeugt, können die kritischen Eingriffsstellungen mit guter Näherung durch eine ErsatzStirnradzahnform ebenfalls unter Verwendung von erweiterten konventionellen Methoden berechnet
werden. In KISSsoft wurden hierfür die Rechenansätze nach DIN 3990 für Metalle, beziehungsweise
nach VDI 2545 für Kunststoffe weiterentwickelt. Unter anderem lässt sich nun auch der Verlauf der
Normalkraft während des Zahneingriffs mit Berücksichtigung der Mehrfachüberdeckung und der Steifigkeit der Zähne genau bestimmen. Damit wird der Verlauf der Hertzschen Pressung über dem Zahneingriff inklusive Gleit- und Rollgeschwindigkeiten, lokaler Erwärmung etc. bestimmt. Für die Bestimmung
der Fussspannung ist der konventionelle Ansatz der Normen erweitert worden und berücksichtigt nun
den Spannungsverlauf im gesamten Fussbereich.
Rollenmasse sind erforderlich für die Kontrolle der Zahndicke in der Produktion. Unrundräder lassen sich nicht nach den Formeln der DIN oder anderen, einschlägigen Normen berechnen, da diese stets von kreisrunden Evolventenverzahnungen ausgehen. Durch das Einpassen eines Kreises
in die Zahnlücken kann aber das Einlegen der Messkugel simuliert werden. Es hat sich bewährt,
zur Kontrolle von Unrundrädern die Rollenmasse, Zahnlücke für Zahnlücke, in Tabellenform auf
der Zeichnung anzugeben.
Bild 2
Benutzeroberfläche in KISSsoft mit Berechnungsmöglichkeit von Unrundrädern
Moderne Einsatzmöglichkeiten für Unrundräder
Nach dem Unrundrad als wissenschaftliches Anschauungsbeispiel nun zur Industrie: In Anwendungsfällen, in denen ein ungleichmässiger Bewegungsablauf erwünscht ist, wurden schon früher
Unrundräder eingesetzt. Viele dieser Aufgabenstellungen lassen sich heute eleganter durch die
Mechatronik mit entsprechender Steuerungstechnik lösen. Es gibt völlig neue Einsatzbereiche, wie
z.B. in der Automobiltechnik, in welcher alles immer kostengünstiger, leichter und energieeffizienter
werden muss. Viele Hilfsantriebe in Fahrzeugen benötigen je nach Drehstellung ein unterschiedliches Drehmoment, beispielsweise ein Comfort-Antrieb zum Öffnen des Kofferraums oder die
Steuerung eines Rückführventils im Katalysator. Wird ein Getriebe mit konstanter Untersetzung
verwendet, so muss die Leistung des Motors entsprechend dem maximalen Abtriebsdrehmoment
ausgelegt werden. Mit einem Unrundräderpaar kann hingegen die Untersetzung so variiert werden,
dass das Antriebsdrehmoment konstant bleibt. Damit kann ein deutlich kleinerer Motor verwendet
werden: Kosten, Gewicht und Energie-Verlust werden dadurch verringert.
Eines der ersten Projekte, welche Firma KISSsoft mit der Unrund-Technik bearbeitet hat, war die
Entwicklung eines Antriebs für ein ECV-Ventil. Das ECV (Exhaust Control Valve) ist Teil eines Motormanagements für Verbrennungsmotoren. Elektrisch aktuierte ECVs sorgen dafür, dass das Abgas entweder durch einen Abgaskühler oder den Abgaskühler-Bypass strömen. Dies ermöglicht
eine gut kontrollierbare Abgasrückführung bei gleichzeitig hohen Abgasrückführungsraten.
Bild 3
Beispiel eines Unrundrads in der Praxis: ECV-Ventilantrieb (Antriebsritzel mit 330° Schwenkbewegung, Abtriebs-
rad 110°; Hersteller: GAUDLITZ GmbH in Coburg)
Ein weiteres typisches Einsatzgebiet von Unrundrädern sind Klappensysteme zum Beispiel im Küchenbau, welche ein möglichst geräuscharmes Schliessen der Klappe anstreben und so den steigenden
Komfortansprüchen aus dem Alltag gerecht werden möchten (Bild 4).
Bild 4
Beispiel eines Unrundrads in der Praxis: Unrundrad für Klappensysteme
Zusammenfassung
Unrundzahnräder sind heute in der Technik nach wie vor im Einsatz. Zum Durchbruch verholfen
hat dabei einerseits die Herstellung mittels numerisch gesteuerter Verzahnungsmaschinen, mit
denen nun einerseits praktisch jede beliebige Wälzkurve in hoher Qualität verzahnt werden kann
und andererseits die Berechnung mit moderner software wie Beispielsweise KISSsoft, womit Wälzkurven für beliebige Getriebeaufgaben bezüglich unterschiedlichster Kriterien problemlos gerechnet und optimiert werden können.
Science Center sollen die Naturwissenschaften und insbesondere die Physik erfahrbar machen, mit
Phänomenen faszinieren und den Besucher selbst experimentieren lassen. Das Swiss Science Center
Technorama im schweizerischen Winterthur war eines der ersten Science Center in Europa und ist eines der grössten Science Center der Welt. www.technorama.ch
Die in der Schweiz ansässige Firma KISSsoft AG entwickelt seit 1998 ein modular aufgebautes Berechnungsprogramm zur Nachrechnung, Optimierung und Auslegung von Maschinenelementen. Die Anwendung erstreckt sich vom einfachen Maschinenelement bis zur automatischen Auslegung kompletter
Getriebe. www.KISSsoft.AG
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