- FHS St.Gallen

Werbung
GENERATION ONLINE:
ICH LIKE, ALSO BIN ICH?!
MEDIENSOZIALISATION IN VIREALEN SOZIALRÄUMEN
Seminararbeit von:
Franziska Sutter
Heimatstrasse 8a
9008 St.Gallen
FS 12
an der:
FHS St. Gallen
Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Fachbereich Soziale Arbeit
Studienrichtung Sozialpädagogik
begleitet durch:
Dr. Rudi Maier
Dozent Fachbereich Soziale Arbeit
Für den vorliegenden Inhalt ist ausschliesslich die Autorin verantwortlich.
St. Gallen, 8. Oktober 2014
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis .............................................................................................................. 1
Abstract ............................................................................................................................. 2
Einleitung ........................................................................................................................... 6
1 Sozialisation in der Jugendphase .................................................................................. 9
1.1 Ein Überblick .......................................................................................................... 9
1.2 Die Bedeutung von Peers und Identität im Jugendalter ........................................ 14
1.3 Mediensozialisation .............................................................................................. 16
2 Virealer Sozialraum: Virtueller und realer Raum im Vergleich...................................... 21
2.1 Definition Sozialraum............................................................................................ 21
2.2 Definitionsversuch: Virtueller Raum als virealer Sozialraum ................................. 24
3 Social Network Plattformen ......................................................................................... 27
3.1 Definition und möglicher Zweck von Online Social Network .................................. 28
3.2 Social Network Plattformen am Beispiel von Facebook ........................................ 31
4 Soziologisch relevante Zugänge .................................................................................. 36
4.1 Umgangsweisen Jugendlicher im virealen Raum ................................................. 37
4.1.1
Zwischen virtueller und realer Identität ........................................................ 38
4.1.2
Mögliche Wirkung auf reale Identität ........................................................... 39
4.2 Selfies: Bildhafte Selbstdarstellung im virtuellen Raum ........................................ 40
4.2.1
Definition .................................................................................................... 40
4.2.2
Mögliche Bedeutung von Selfies und genderspezifische Hinweise ............. 42
4.3 Die Bedeutung von Freundschaft im virealen Raum ............................................. 44
5 Mögliche Rückschlüsse für den Bereich der offenen Jugendarbeit .............................. 49
5.1 Offene Jugendarbeit in der Schweiz ..................................................................... 49
5.2 Rückschlüsse und mögliche zukünftige Veränderungen ....................................... 50
5.3 Herausforderungen............................................................................................... 53
6 Fachliches Fazit .......................................................................................................... 55
7 Danksagung ................................................................................................................ 58
8 Literatur- und Quellenverzeichnis ................................................................................ 59
9 Abbildungsverzeichnis ................................................................................................. 61
10 Erklärung zur selbstständigen Abfassung der Bachelorarbeit ...................................... 62
Franziska Sutter
Seite 1 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Abstract
Titel:
Generation Online: Ich like, also bin ich?!
Mediensozialisation in virealen Sozialräumen
Kurzzusammenfassung:
Die Arbeit beschreibt die Sozialisationsrelevanz von Social
Network
Plattformen
in
virealen
Sozialräumen
für
Jugendliche und die entsprechenden Rückschlüsse in der
offenen Jugendarbeit.
Autor:
Franziska Sutter
Referent/-in:
Dr. Rudi Maier
Publikationsformat:
BATH
MATH
Semesterarbeit
Forschungsbericht
Anderes
Veröffentlichung (Jahr):
2014
Sprache:
Deutsch
Zitation:
Sutter, Franziska. (2014). Generation Online: Ich like also
bin ich?! Mediensozialisation in virealen Sozialräumen
Unveröffentlichte
Bachelorarbeit,
FHS
St.Gallen,
Fachbereich Soziale Arbeit.
Schlagwörter (Tags):
Social Network,
Social Media,
Neue
Medien,
vireal,
Sozialraum, Sozialisation Jugendlicher, Mediensozialisation,
offene Jugendarbeit
Ausgangslage: Generation online
Computer, Tablets, Smartphones, Facebook und Co - die Vielfalt an neuen Medien ist
gigantisch. Durch den rasanten Medienwandel entstehen ständig neue, fortschrittlichere
Produkte und das maximale Niveau scheint längst nicht erreicht.
Franziska Sutter
Seite 2 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Vom Web 1.0 zu 2.0 und seit kurzem ist bereits die Rede vom Web 3.0. Gerade das breit
diskutierte Schlagwort „Web 2.0“ bezieht sich auf Social Networking Plattformen, Blogs
oder auch virtuelle Welten. Web 2.0 scheint für interaktiv, vernetzt und international/global
zu stehen, was zahlreichen Beiträgen in Zeitschriften und Veröffentlichungen zu
entnehmen ist.
Die Jugend von heute, die „Digital Natives“ (Palfrey & Gasser, 2008, S.409), wächst in
diesem digitalisierten Umfeld auf. Virtuelle Räume, wie Social Media, scheinen dabei ein
wichtiger Bestandteil zu sein. Die JAMES Studie 2012 (Jugend, Aktivitäten, Medien Erhebung Schweiz) belegt, dass sich Jugendliche immer mehr in virtuellen Räumen
aufhalten. 92% der Jugendlichen in der Schweiz besitzen ein Handy und einen Computer.
Diese nutzen sie täglich. Die Tendenz geht kontinuierlich in die Richtung, Freunde in
virtuellen Sozialräumen zu treffen (vgl. Willemsel, Waller und Süss 2013). Die aktuelle
Jugend scheint permanent online zu sein.
Ziele dieser Arbeit
In dieser Arbeit wird die Sozialisationsrelevanz von Social Network Plattformen am
Beispiel von Facebook erarbeitet. Es wird davon ausgegangen, dass virtuelle Medien eine
Wirkung auf Jugendliche und deren Sozialisation haben und umgekehrt.
Besteht dabei ein Zusammenhang zwischen virtuellem und realem Raum, in dem sich
Jugendliche aufhalten? Wie lässt sich dabei virtuell und real differenzieren oder ist eine
Differenzierung gar überflüssig?
Dabei wird vom Verständnis ausgegangen, dass Social Network als Sozialraum,
beziehungsweise als virealer Sozialraum fungiert.
So versucht diese Arbeit auf die Aneignungsweise, aus der Perspektive Jugendlicher, von
Social Network Plattformen ihrer Präsentation und Interaktion in Online Netzwerken zu
zielen. Dieser Ansatz der Aneignung findet zum Beispiel bei Ulrich Deinet in der
Fachliteratur im Bereich der Jugendarbeit Verwendung.
Die offene Jugendarbeit wird thematisiert, weil diese auf Freiwilligkeit basiert und es daher
einem attraktiven Angebot für Jugendliche bedarf. Dahingehend sollen sich Rückschlüsse
und mögliche Herausforderungen ergeben.
Daraus ergibt sich folgende zentrale Fragestellung:
Welche Sozialisationsrelevanz hat die Nutzung von Social Network Plattformen am
Beispiel von Facebook im virealen Raum, für Jugendliche (in der Schweiz)
zwischen 14 bis 18 Jahren und welche Rückschlüsse ergeben sich daraus für die
offene Jugendarbeit?
Franziska Sutter
Seite 3 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Das Vorgehen im Überblick und der Aufbau dieser Arbeit
Basierend auf der zentralen Fragestellung thematisiert das erste Kapitel die Sozialisation
in der Jugendphase mit anschliessendem Fokus auf Mediensozialisation.
Im zweiten Kapitel wird, aufbauend auf das erste Kapitel, Bezug auf den virealen
Sozialraum genommen. Es wird versucht herauszuarbeiten, wie virtuelle Räume auf reale
Räume wirken, beziehungsweise in welcher Relation virtuelle und reale Räume
zueinander stehen.
Das dritte Kapitel umfasst Definitionen zum Thema Social Network. Facebook wird
hervorgehoben, weil diese Plattform in der Schweiz am meisten von Jugendlichen genutzt
wird. Dabei interessiert, was Jugendliche zur Facebook-Nutzung bewegt.
Selfies und die Bedeutung von Freundschaft werden im 4. Kapitel als gewählte relevante
sozialisatorische Zugänge behandelt.
Über Chancen und Risiken im World Wide Web bestehen bereits einige wissenschaftliche
Arbeiten. Daher sind die Themen Cyberbullying, Sexting, Internetsucht bekannt und
werden in dieser Arbeit nicht weiter thematisiert.
Selfie und die Bedeutung von Freundschaft scheinen ebenfalls relevant und finden
entsprechend ihren Platz in dieser Arbeit.
Abschliessend werden im 5. Kapitel Rückschlüsse und mögliche Herausforderungen für
Professionelle in der Jugendarbeit thematisiert.
Im Bereich der Jugendarbeit treffen unterschiedliche Generationen aufeinander. Was
könnten dabei zukünftige Herausforderungen sein? Wie wirken solche Veränderungen auf
die Jugendarbeit? Welches sind mögliche Ausrichtungen?
Erkenntnisse
Mit Social Media Plattformen oder dem Smartphone als „Alleskönner“ verändern sich
Alltags- beziehungsweise Sozialräume Jugendlicher, was eng mit deren Sozialisation
verbunden ist. Denn Jugendliche nutzen beispielsweise Facebook zur Bewältigung ihrer
eigenen Entwicklung und Identitätsbildung. Zudem sind Neue Medien ein zentrales
Element unserer Gesellschaft und können daher als eigenständige Sozialisationsinstanz
gesehen werden. Social Network hat daher eine zentrale Sozialisationsrelevanz in der
Jugendphase.
Reale und virtuelle Sozialräume verschmelzen zunehmend. Diese stehen in reziproker
Beziehung zueinander. Somit kann von virealen Sozialräumen oder von einer
Hybridisierung gesprochen werden.
Franziska Sutter
Seite 4 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Trotz der aktuellen Relevanz des Themas liegt der literarische Fokus eher im Bereich
Prävention oder Gefahren. Der Mehrwert und das eigentliche subjektive Medienhandeln
von Jugendlichen scheinen noch wenig erforscht, was für den Bereich der Sozialen Arbeit
jedoch als relevant gesehen wird.
Das Angebot der offenen Jugendarbeit ist für Jugendliche auf freiwilliger Basis
zugänglich. In Folge dessen ist ein attraktives Angebot nach den aktuellen Interessen
Jugendlicher zentral - ohne Jugend keine Jugendarbeit. Fachkräfte der Sozialen Arbeit
gehören grösstenteils zu den „Digital Immigrants“ (Palfrey & Gasser, 2008, S.409). Im
Bereich der offenen Jugendarbeit treffen so stets zwei unterschiedliche Generationen
aufeinander.
Durch die Digitalisierung und den schnellen technologischen Wandel ergeben sich
dadurch neue Herausforderungen. Gesellschaftliche Veränderungen müssen beobachtet
und in der Arbeit mitgedacht werden. Denn „Nichts ist so beständig, wie der Wandel“
(Heraklit).
Literaturquellen (Auswahl)
Deinet, Ulrich. (2013). Innovative offene Jugendarbeit. Opladen, Berlin: Budrich
Hurrelmann, Klaus & Quenzel, Gudrun. (2013). Lebensphase Jugend. Eine Einführung in
die sozialwissenschaftliche Jugendforschung (12. Auflage). Weinheim und Basel:
Beltz Juventa
Löw, Martina. (2001). Raumsoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.
Palfrey, John & Gasser, Urs. (2008). Generation Internet. Die Digital Natives: Wie sie
leben, Was sie denken, Wie sie arbeiten. München: Carl Hanser Verlag.
Süss, Daniel. (2004). Mediensozialisation von Heranwachsenden. DimensionenKonstanten-Wandel (1. Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Unger, Alexander. (2010). Virtuelle Räume und die Hybridisierung der Alltagswelt. In Grell
Petra, Marotzki ,Winfried & Schelhowe, Heidi (Hrsg.), Neue digitale Kultur- und
Bildungsräume. Wiesbaden: VS Verlag.
Franziska Sutter
Seite 5 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Einleitung
Das Thema Medien und Jugend ist in den Tagesaktualitäten, im Radio, in Zeitungsartikeln
oder Fachdiskursen mit Lehrkräften, Fachpersonen der Sozialen Arbeit, der Politik etc.
allgegenwärtig. Oftmals scheint es so, als ob das Thema neu wäre. Medium bedeutet
Kommunikationsmittel, was schlussendlich auch ein Buch sein kann.
Generationsunterschiede bestehen seit Jahren, was sich verändert hat sind die von
Jugendlichen genutzten Medien. Aktuell sind es Neue Medien.
Diese Arbeit bezieht sich in Folge dessen auf neue digitale Medien. Bei der aktuellen
Jugend scheint sich nämlich alles ums Internet, Facebook, WhatsApp, Instagram und Co
zu drehen. Die Zeit, als in der Schule noch mühsam in Lexika geblättert wurde, scheint
überholt.
Die Vielfalt an neuen Medien ist gigantisch. Kabelloses Internet bietet beispielsweise die
Möglichkeit, überall und zu jeder Zeit online zu sein. Permanent online und vernetzt?
Durch diese Auswahl ergibt sich ein breites Spektrum an Handlungsmöglichkeiten - eine
Art virtueller Jungle - in dem sich Jugendliche scheinbar grenzenlos austoben können.
Neue Medien und damit auch das riesige bestehende Angebot stehen in kontinuierlichem
Wandel, wodurch man sich schnell im virtuellen Jungle verirren kann, beziehungsweise
den Anschluss verliert. Kabelloses Internet als Beispiel bietet die Möglichkeit, überall und
zu jeder Zeit online zu sein. 1999 bringt Apple ein iBook auf den Markt, was dazu führt,
dass sich die Verwendung von WLAN (kabelloses Internet) schlagartig verbreitet.
Von Jahr zu Jahr werden Prozessoren beschleunigt und aufgerüstet, um sich von überall
und zu jeder Zeit mit Freundinnen und Freunden oder anderen Geräten verbinden zu
können. Die Zeit der Handys mit Tasten in unhandlich grosser Ausführung scheint längst
überholt. Der aktuelle Trend liegt bei Touchscreens im möglichst schmalen Design.
Dahingehend stellt sich die Frage, ob die aktuelle Jugend permanent online und vernetzt
ist?
Hierzu ein Beispiel: Seit Studienbeginn an der Fachhochschule St.Gallen, sitzen
mittwochs zwei Jugendliche im Bus. Beide starren versunken auf ihr Smartphone. Mit den
Kopfhörern in den Ohren scheint sie das Schreien eines Kindes nicht zu stören. Drei
Stationen später steigt ein weiterer Jugendlicher hinzu - es wird kurz abgeklatscht mit
einem: „hey altä, wiä laufts“. Nun sitzen da drei Jugendliche und starren in ein viereckiges
Ding mit abgerundeten Kanten. Ab und an lacht einer vor sich hin oder sagt mal: „he,
bisch nöd ganz putzt…boah do gsesch voll bsoffe us,…“ und dann beginnt wieder ein
monotones Starren. Seit zweieinhalb Jahren wiederholt sich dieses Bild jeden Mittwoch
mit eher kargen Wortfetzen und dafür innig starrem Blick.
Franziska Sutter
Seite 6 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Nun zur Auflösung: Diese Jugendlichen schreiben sich gegenseitig per WhatsApp im
Gruppenchat und schauen sich gleichzeitig aktuelle Bilder auf der Facebook Seite an.
Dies sei eben Trendy/Funny, „isch halt so - jede het es Smartphone - wo lebsch denn du!“
Wenn man sich in der Schweizer Gesellschaft umschaut, scheint dieses Bild einerseits
befremdlich, da eine Beziehung ohne Face to Face Kommunikation schwer vorzustellen
ist, aber dennoch vertraut. Ein Klick und ein Freund oder eine Freundin mehr. Dadurch
wird der Umgang mit neuen Medien zum „Kinderspiel“, denn für Jugendliche ist es Teil
des Alltags.
Jugendliche bewegen sich virtuell auf Social Media. Die Wirkung scheint jedoch auch real
zu sein. Jugendliche interagieren in Social Media Plattformen. Beziehungen werden
gepflegt, es wird kommuniziert. Die Grenzen von virtuell und real scheinen in sich
überzugehen.
Social Media hat sich längst in unserer Gesellschaft verankert. Facebook Profile boomen
zurzeit sogar im Pensionsalter. Daher stellt sich die Frage: Wie wird Facebook genutzt,
wie gehen Jugendliche mit diesem Medium um?
Das Echo in Nachrichten, Reportagen, etc. ist gerade bezüglich Jugend und neue Medien
eher negativ. Öffentliche Facebook Partys? Smartphone, mein bester Freund? Sexting,
unvorteilhafte Selfies, Cyberbullying, Internetsucht oder Online-Freundschaften sammeln
wie Panini Bilder? Zugegeben ist dies zugespitzt und entspricht ganz klar nicht der
persönlichen, wie auch fachlichen Einstellung, weshalb im weiteren Verlauf dieser Arbeit
auch kein Bezug darauf genommen wird.
Das Interesse dieser Arbeit liegt darin, wie Jugendliche Social Media Plattformen nutzen
und was das für die Sozialisation Jugendlicher bedeutet. Im ersten Kapitel wird daher
Bezug auf die Sozialisation Jugendlicher genommen. Das Kapitel 1.3 verweist spezifisch
auf Mediensozialisation, weil sich diese Arbeit mit neuen Medien in Form von Social
Network Plattformen befasst.
Das zweite Kapitel umfasst die Thematik des Sozialraums. Da davon ausgegangen wird,
dass Sozialisation in Sozialräumen stattfindet, wird das Thema Sozialraum ebenfalls als
wichtig erachtet, gerade in Bezug auf die Relation von virtuell und real.
Aufbauend auf die ersten beiden Kapitel werden im dritten Kapitel Social Network
Plattformen vorgestellt. Enthalten sind Definitionen zum Thema Social Network. Als
Beispiel dient dazu Facebook, weil diese Plattformen in der Schweiz oft von Jugendlichen
genutzt wird. Im Weiteren wird versucht zu konkretisieren, was Jugendliche bewegt,
Facebook zu nutzen.
Franziska Sutter
Seite 7 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Selfies und die Bedeutung von Freundschaft werden im 4. Kapitel als gewählte relevante
sozialisatorische Zugänge behandelt.
Über Chancen und Risiken im World Wide Web bestehen bereits einige Arbeiten. Themen
wie Cyberbullying, Sexting, Internetsucht sind bereits bekannt. Selfie und die Bedeutung
von Freundschaft scheinen ebenfalls relevant und finden daher ihren Platz in dieser
Arbeit.
Abschliessend werden im 5. Kapitel Rückschlüsse und mögliche Herausforderungen für
Professionelle in der Jugendarbeit thematisiert. Das Feld der offenen Jugendarbeit
interessiert, weil in diesem Bereich bereits eine zweijährige Praxiserfahrung vorhanden ist
und diese daher als Eigenleistung aus fachlicher Perspektive miteingebracht werden
kann. Zudem treffen stets zwei unterschiedliche Generationen aufeinander, was bereits
eine Herausforderung darstellt. Was könnten dabei zukünftige Herausforderungen sein?
Wie wirken solche Veränderungen auf die Jugendarbeit? Welches sind mögliche
Ausrichtungen?
Basierend auf den vorhergehenden Ausführungen ergibt sich folgende zentrale
Fragestellung:
Welche Sozialisationsrelevanz hat die Nutzung von Social Network Plattformen am
Beispiel von Facebook im virealen Raum, für Jugendliche (in der Schweiz)
zwischen 14 bis 18 Jahren und welche Rückschlüsse ergeben sich daraus für die
offene Jugendarbeit?
Franziska Sutter
Seite 8 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
1 Sozialisation in der Jugendphase
In dieser Arbeit steht die pubertäre Phase, welche je nach Theorie im Alter zwischen 14
bis 17 Jahren stattfindet, im Vordergrund. Die Jugendphase jedoch hat sich stark
ausgeweitet. Einerseits beginnt diese früher und andererseits verlängert sie sich.
Heutzutage findet nach der obligatorischen Schulbildung eine weitere Bildungsphase
statt. Durch ein Studium oder andere weiterführende Schulen ist daher die finanzielle
Abhängigkeit verlängert. Im Weiteren bleibt es oft nicht bei einer Ausbildung fürs Leben.
Meist finden sich in Lebensläufen mehrere Ausbildungshintergründe wieder, auch
entstrukturierter Lebenslauf oder Bastelbiographie genannt.
Die
Jugendphase
wird
im
folgenden
Kapitel,
basierend
auf
unterschiedlichen
sozialisatorischen Zugängen, erläutert.
Ob psychologisch, sozialökologisch, soziologisch orientiert, radikalkonstruktivistisch,
Konzepte zur Selbstsozialisation - die Vielfalt an Sozialisationstheorien und deren
Zugänge ist enorm. Unterschiedliche Zugänge sind wie Brillen. Sie zeigen, schärfen eine
mögliche Perspektive. Im Folgenden wird zuerst ein kleiner Überblick gegeben und
anschliessend auf die Theorie von Hurrelmann verwiesen, da diese auf unterschiedlichen
Zugängen basiert, was für diese Arbeit passend scheint. Zudem war Klaus Hurrelmann im
Leitungsteam der Shell Studie 2010, welche unter anderem relevante Studien zum Thema
Jugend und neue Medien beinhaltet.
Bei den anschliessenden klassischen Theorien handelt es sich dabei um die bis heute
einflussreichen
Basistheorien
aus
Psychologie
und
Soziologie,
die
für
die
Sozialisationstheorie eine zentrale und wichtige Rolle spielen. (vgl. Hurrelmann, 2006, S.
13)
1.1 Ein Überblick
Émile Durkheim, (1858 - 1917) ein französischer Soziologe und Ethnologe, hat den Begriff
der Sozialisation bis in die 1970er-Jahre stark geprägt.
Er verstand Sozialisation als „Vergesellschaftung der menschlichen Natur, sozusagen als
sozialen Vereinnahmungsprozess der Persönlichkeit“ (Hurrelmann, 2006, S.12).
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stand Durkheims soziologisches Konzept für einen
Aufbruch in die Richtung der Persönlichkeits- und Erziehungstheorien. Damit gab er
wichtige Impulse für die interdisziplinäre Forschung (vgl. Hurrelmann, 2006).
Die folgenden neueren soziologischen Theorien bauen auf denen von Durkheim auf und
haben sich in der Vergangenheit stets weiterentwickelt.
Franziska Sutter
Seite 9 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Aus heutiger Sicht scheint diese Definition jedoch überholt. In einer modernisierten
Gesellschaft geht es nicht ausschliesslich darum, wie die Welt (Rahmenbedingungen,
Werte, Normen, etc. einer Gesellschaft) zum Individuum kommt. Vielmehr scheint sich die
Frage zu stellen, wie Jugendliche auf eine Gesellschaft wirken und umgekehrt. Denn
durch die Individualisierung haben beispielsweise Bastelbiographien und entstrukturierte
Lebensläufe einen direkten Einfluss auf eine Gesellschaft.
Heutzutage scheint daher ein interaktives, beziehungsweise dynamisches Verständnis
von
Sozialisation
passender.
Das
integrierende
Konzept
der
Sozialisation
beziehungsweise die interdisziplinär ausgerichtete Sozialisationstheorie von Hurrelmann
beinhaltet daher psychologische Theorien und soziologische Ansätze.
Im Folgenden werden die unterschiedlichen Ansätze, welche Hurrelmann (2013)
verwendet, kurz vorgestellt. Alle Erläuterungen zu den Ansätzen basieren auf
sinngemässen Zitaten, Hurrelmann (2013) oder sind mit entsprechendem Verweis
gekennzeichnet. Hier ist hinzuzufügen, dass diese nur als Überblick dienen und nicht
vollumfassend beschrieben werden.
Soziologische Ansätze
Soziologische Theorien verweisen auf gesellschaftliche und ökonomische Einflüsse auf
die Persönlichkeitsentwicklung. Die Umwelt wird Ausgangspunkt für das Verhalten
Jugendlicher. Annahme: Entwicklungsimpulse kommen auch von ausserhalb des
Organismus. Die Entwicklung der Persönlichkeit wird gefördert durch die Anpassung an
gesellschaftliche Normen und Strukturen.
Symbolischer Interaktionismus (Mead): Menschen verarbeiten und gestalten ihre
Umwelt kreativ und produktiv. Der Mensch als Individuum wird zum Konstrukteur seiner
eigenen Entwicklung. Bewusstseins- und Handlungsstrukturen bilden sich aus den
wechselseitigen Beziehungen der Menschen untereinander. Soziale, kulturelle und
natürliche Bedingungen beeinflussen die menschliche Entwicklung, sind aber nicht
bestimmend. Durch soziale Interaktion werden das Selbstbild, das Bild von anderen und
die rollenbezogenen Verhaltensweisen dynamisch angepasst. Dadurch ermöglicht sich
eine Beeinflussung der Umwelt.
Jugendliche wirken beispielsweise gegenseitig in Peers (Gleichaltrigengruppen) oder im
Social Network, in dem sie beispielsweise Bilder ins Netz stellen.
Konzept der Handlungskompetenz (Habermas): Jugendliche haben die Fähigkeit zur
Kommunikation. Über einen Diskurs ermöglicht sich die Subjektwerdung und dadurch die
Beherrschung der Regeln für vernünftiges Handeln, zur Verständigung oder um
Argumentieren zu können.
Franziska Sutter
Seite 10 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Konzept der Individualisierung (Beck): In dieser Theorie wird der Abbau von
traditionellen Rollenvorschriften fokussiert. Die persönliche Biographie wird herausgelöst
aus Herkunft, Geschlecht, Region, Nationalität oder Ethnie. Jugendliche sollen sich als
„Konstrukteur“ in Bezug auf seinen Lebenslauf begreifen.
Psychologische Ansätze
Psychologische Theorien sehen „Jugend“ als eine biologisch und psychisch reifebedingte
Entwicklung. Es wird davon ausgegangen, dass Impulse für die Entwicklung vom
Organismus kommen. Persönlichkeit entfaltet sich nach einem Entwicklungsplan von
innen heraus.
Konzept
der
Entwicklungsaufgaben
(Havighurst):
Hiermit
werden
die
zu
bearbeitenden Lernanforderungen bezeichnet. Bewältigung ist der Prozess, in dem sich
Jugendliche den für sie wichtigen Anforderungen und Belastungen stellen. Der
Jugendliche schätzt das Ausmass der Herausforderung ein und vergleicht dieses mit
seinen
angenommenen
Handlungsmöglichkeiten.
Die
Entwicklungsaufgaben
sind
dynamisch miteinander verbunden.
Das Konzept der Identität (Erikson): Die „Theorie der psychosozialen Entwicklung“ von
Erikson beschreibt die spezifischen Entwicklungsstufen des Sozialisationsprozesses.
Hiermit wird die Kontinuität und Konsistenz des Selbsterlebens im Verlauf wechselnder
lebensgeschichtlicher und biographischer Umstände („persönliche Identität“) bezeichnet.
Gleiches ist zentral in der Auseinandersetzung mit den Anforderungen verschiedener
gesellschaftlicher Einrichtungen und Handlungsfelder („soziale Identität“).
Erikson hat die Theorie der Identität als lebenslange Entwicklung entworfen. Diese
Theorie wird in acht Phasen differenziert, wobei im Folgenden ausschliesslich auf die
Jugendzeit eingegangen wird. Die Identität durchläuft demnach mehrere Krisenphasen,
die einen gegensätzlichen Ausgang haben können („Identitätsdiffusion“ oder gefestigte
Identität). Die jeweils positive Bewältigung der Krise ermöglicht die Auseinandersetzung
mit der nächsten Aufgabe. Damit ist die Bewältigung der einzelnen Entwicklungsaufgaben
die Voraussetzung für die Stabilisierung und Sicherung der Identität.
Gerade Jugendliche erfahren im Gegensatz zu anderen Altersgruppen prägnante
physische wie auch psychische Veränderungen, was eine besondere Herausforderung
darstellt.
Die kontinuierliche Entwicklung lässt sich auf verschiedenen Stufen nachvollziehen, wobei
es sich um Aufbauprozesse handelt. Die eine Entwicklungsstufe ist die Voraussetzung für
die Nächste. Ist eine Entwicklungsstufe erreicht, so ist die Veränderung dauerhaft und
irreversibel.
Franziska Sutter
Seite 11 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Diese Grundannahme spiegelt sich in zahlreichen wissenschaftlichen Büchern zur
Entwicklungspsychologie, die in Lebensaltersetappen gegliedert sind, wieder. Die
Entwicklungsstufe fünf wird folgend etwas differenzierter umschrieben, da diese die
Jugendzeit betrifft.
Phase 5: Identität gegen Identitätsdiffusion (Jugendzeit)
Jugendliche stellen sich in dieser Phase selbst in Frage und suchen nach der eigenen
individuellen Identität. Das Individuum befindet sich jetzt in einer tiefgreifenden
biologischen, psychosozialen und sozialen Veränderung. Jugendlichen wird bewusst,
dass sie keine Kinder mehr sind, ohne dass bereits klar ist, wer sie sind oder wer sie sein
werden. Aus diesem Prozess heraus stellen sie sich die Frage, „Wer bin ich eigentlich?“
Mit den neuen sozialen Rollen, die sie sich in den verschiedenen Lebensbereichen
aneignen müssen (z.B. in der Schule, im Berufsalltag, als Tochter, Sohn oder als junge
Frau, junger Mann in sozialen Gruppen), setzen sie sich täglich mehr oder weniger
erfolgreich auseinander. Falls ihnen die positive Ausbildung der Identität nicht gelingt,
spricht Erikson von einer Identitätsdiffusion. Diesen Jugendlichen misslingt die
Einordnung in die reale Welt. Dadurch können sie in Gewalt, Sucht, Suizid oder in andere
Formen abweichenden Verhaltens abgleiten. Diese Jugendlichen sind dann auf der
Suche nach Halt, Sicherheit und Geborgenheit (vgl. Niederbacher & Zimmermann, 2011,
S.29).
Das Konzept der Ressourcen (Hendry & Kloep): Die Fähigkeit zur Aufgabenlösung im
gesamten nachfolgenden Lebenslauf hängt bei diesem Konzept von den entsprechenden
Erfahrungen im Jugendalter ab. In welchem Masse Jugendliche Lebensaufgaben lösen,
richtet sich nach den Ressourcen, die ein Individuum besitzt. Es gibt personale
Ressourcen (genetische Veranlagung) und soziale Ressourcen (Beziehungsnetz und
Qualität der sozialen Beziehungen). Jugendliche haben eine hohe Selbstwirksamkeit,
wenn sie aus subjektiver Sicht über genügend Ressourcen verfügen.
Interdisziplinäre Ansätze
Die interdisziplinären Ansätze bemühen sich um eine Verbindung beider Sichtweisen:
Impulse für die Entwicklung werden in der wechselseitigen Anpassung von Person und
Umwelt gesehen. Individuum und Umwelt stehen in einer aktiven Beziehung zueinander
und beeinflussen sich gegenseitig. Entsprechend stehen interaktive, systemische und
reflexive Denkmodelle für die Persönlichkeitsentwicklung im Vordergrund.
Franziska Sutter
Seite 12 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Folgende
Beschreibung
von
Hurrelmann
entspricht
daher
dem
modernen
geisteswissenschaftlichen Zeitgeist:
„Sozialisation bezeichnet nach dieser Definition den Prozess, in dessen Verlauf sich der
mit einer biologischen Ausstattung versehene menschliche Organismus zu einer sozial
handlungsfähigen Persönlichkeit bildet, die sich über den Lebenslauf hinweg in
Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen weiterentwickelt. Sozialisation ist die
lebenslange
Aneignung
und
Auseinandersetzung
mit
den
natürlichen
Anlagen,
insbesondere den körperlichen und psychischen Grundmerkmalen, die für den Menschen
die „innere Realität“ bilden, und der sozialen und physikalischen Umwelt, die für den
Menschen die „äussere Realität“ bilden“ (Hurrelmann, 2006, S. 15-16).
Hurrelmann beschreibt hier die Persönlichkeitsentwicklung als einen aktiven und
durchaus produktiven Prozess, in welchem Jugendliche mit den Anforderungen des
eigenen Körpers und der eigenen Psyche aktiv auseinandersetzen und versuchen, diese
erfolgreich mit den Anforderungen der sozialen Umwelt in Einklang zu bringen.
Im Gegensatz zu Erikson bezieht sich Hurrelmann jedoch im Hinblick auf die oben
genannte Identitätsbildung nicht auf die Verarbeitung kindlicher Identifikationsmuster und
deren neue Verortung in der Gegenwart, sondern auf Ergebnisse von Verarbeitung
innerer Realität und deren Abstimmung mit Ergebnissen äusserer Realität.
Dieses Verständnis von Sozialisation beschreibt deutlich den aktiven, produktiven
Prozess, was durchaus aktuell ist. In diesem Zitat fehlt jedoch die Thematik der
Interaktivität. Einerseits ist ein zentraler Aspekt in der Kindheits- und Jugendphase, sich
gesellschaftlich gegebene Werte und Normen anzueignen - anderseits bieten gerade das
World Wide Web die Möglichkeit, als aktiver Akteur direkt oder indirekt auf die Umwelt zu
wirken. Denn wenn Jugendliche eine Party öffentlich auf Facebook posten, entsteht
zwangsläufig eine Kettenreaktion.
Ein
weiteres Beispiel:
Durch
eine
mögliche
Polizeiaktion im „realen“ Leben auf Grund der Menschenmassen reagieren Medien, was
zu negativen Schlagzeilen führt. Fachkräfte schalten sich ein, es wird diskutiert.
Schlussendlich kann ein Jugendlicher oder eine Jugendliche durch eine solche Aktion
erreichen, dass er/sie im Kollektiv stigmatisiert oder sanktioniert wird.
Mark Zuckerberg, der Gründer von Facebook ist ein weiteres Bespiel, was das interaktive
Verständnis verdeutlicht. Dem Internet ist zu entnehmen, dass Mark Zuckerberg sein
Studium an der Elite-Universität Harvard mit 19 Jahren, entgegen der Norm der
vorherrschenden Leistungsgesellschaft, abbricht. Er gründet mit Kommilitonen eine
kleine, uniinterne Plattform, wo sich Mitstudierende im Web austauschen und Kontakte
knüpfen können. Diese Plattform erhält den Namen Facebook, was zurzeit das grösste
soziale Netzwerk der Welt darstellt.
Franziska Sutter
Seite 13 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Dahingehend wird in der neusten Auflage, Lebensphase Jugend von Hurrelmann und
Quenzel (12.Auflage, 2013) das Sozialisationsverständnis weiter ausdifferenziert. Im
Kapitel 5.3 wird direkt Bezug zur Sozialisationsfunktion von Medien genommen und auf
ein interaktives Verständnis verwiesen: „Ein solches Verständnis von Sozialisation mit
Medien insistiert also darauf, dass der Mensch von Anfang an in eine interaktive
Beziehung zu seiner Umwelt tritt und im Wechselspiel zwischen Einflussnahme von
aussen und subjektiver Interpretation und Eigentätigkeit seine Handlungsfähigkeit
entwickelt“ (vgl. Hurrelmann & Quenzel, 2013, S.201).
Dieses Verständnis stimmt mit gängiger Literatur zur Mediensozialisation überein, wie
sich im späteren Verlauf dieser Arbeit zeigen wird (siehe Kapitel 1.3).
1.2 Die Bedeutung von Peers und Identität im Jugendalter
Während der Jugendphase scheint eine bewusste Auseinandersetzung mit der
persönlichen Identität zentral. Eine eigene Position zu finden, unter individueller
Rücksichtnahme anderer Positionen, ist ein wichtiger Prozess. Es geht nun nicht mehr
darum, was gut und was schlecht ist, sondern wie die persönliche Einstellung zu
gewissen Dingen ist. Da die Selbstfindung der Identität kein Leichtes ist, ermöglicht
hierbei eine Peergroup den Austausch mit Gleichgesinnten.
Während der Jugendphase steht die Bildung und Verfestigung der Ich-Identität im
Vordergrund. Dabei erfolgt eine psychische und auch soziale Ablösung von der Familie.
Es wird versucht „auf eigenen Füssen zu stehen“. So verlagert sich der Schwerpunkt für
Jugendliche auf freundschaftliche Beziehungen mit Peers (Gleichaltrigen). Während in der
Kindheit eher die Sozialisation durch die elterliche Erziehung im Vordergrund steht, ist
nun die Peergroup sozialisatorisch bedeutender. Jugendliche erhalten die Gelegenheit,
sich zusätzlich zu den gegebenen familiären Strukturen eigene persönliche Kompetenzen
oder Anforderungen anzueignen. Durch das Einnehmen anderer, neuer und meist
abstrakter Rollen lernen Jugendliche in der Freizeit oder auch in einer Ausbildung neue
Verhaltensweisen. Durch die Peers entstehen so neue Kompetenzen und Ressourcen,
wie beispielsweise Teamfähigkeit, Anerkennung, Fürsorge, etc. Die selbstbestimmte
Aneignung der Umwelt ohne Vorschriften von Autoritätspersonen ist ein wichtiger Schritt
in Richtung des Erwachsenwerdens (vgl. Hurrelmann, 2005, S.126-136).
Eine Clique oder auch Freundschaften bieten Jugendlichen die Möglichkeit, ihre
Gesprächsthemen frei zu wählen. In der Schule oder auch in der Familie herrscht ein
gewisser Rahmen. In der Schule darf beispielsweise während des Unterrichts nicht
gesprochen werden und für persönliche Themen ist meist kein Platz. In informellen Peers
haben Jugendliche also ein hohes Mass an Selbstbestimmung, was wiederum zur
Sozialisation beiträgt.
Franziska Sutter
Seite 14 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Gerade Social Network Plattformen wie Facebook oder WhatsApp bieten dabei die
Möglichkeit, ungezwungen, wenn erwünscht auch anonym über Themen zu diskutieren
und sich zu präsentieren. Um eine Gruppenidentität zu bilden, grenzt sich eine Gruppe
durch gemeinsame Interessen und „Antisympathie“ oder bei Facebook beispielsweise
durch geschlossene Gruppen gegenüber Nichtmitgliedern ab. Auf Grund dieses
spezifischen Gruppencharakters entstehen meist Hierarchien. Gerade Mitglieder, die über
einen längeren Zeitrum dabei sind, bilden eine Art Kerngruppe mit einer Rollenaufteilung.
So lernen Jugendliche sich in einer Gruppe zu behaupten, beziehungsweise ihren „Platz“
zu finden, was für die Sozialisation in Bezug auf die spätere Arbeitswelt sehr bedeutsam
ist.
Informelle Peers sind wichtige, zentrale Sozialisationsinstanzen, weil diese einen sozialen
Kontext beispielsweise zur Schule bieten. Hier lernen Jugendliche als Individuen ihr
persönliches Selbstverständnis und das Verständnis über Werte und Normen durch
Interaktion mit anderen gleichaltrigen Jugendlichen zu entwickeln, umzustrukturieren oder
auch zu stabilisieren. Es bedingt daher einem „Aushandlungsprozess“ in einer
Peergruppe, wodurch man neue Wertevorstellungen kennen lernt und sich selbst darin
positionieren kann (vgl. Harrin, Böhm-Kaspar, Rohlf & Palentien, 2010, S.75-78).
Sozialisation findet gewissermassen in Eigenregie statt, da kein direkter pädagogischer
Einfluss vorhanden ist. Durch diese Eigendynamik entsteht in einer Peer meist ein
spezifisches Normen-/Wertesystem, welches teilweise auch gesellschaftlich abweichen
kann. Kleidung, wie weite Hosen, ein Basecap oder auch Geheimsprachen können sich
ergeben.
So könnte man eine Peergruppe als Lehrplattform für Autonomie, Selbstkontrolle,
Identifikation mit seiner eigenen Geschlechterrolle, Werte und Normen, gesellschaftliche
Integration und Persönlichkeitsentwicklung sehen.
Durch ähnliche Interessen bildet sich eine gewisse Homogenität – Sinnsysteme werden
vereinheitlicht. Diese „Referenz“ gibt Jugendlichen Halt, Selbstbestätigung und verhilft der
persönlichen Orientierung. Jugendliche können sich frei ausprobieren und repräsentieren.
So kann sich ihr Platz in der Gesellschaft weiter verankern.
Hierbei stellt sich die Frage, ob eine vertiefte Beziehungsgestaltung virtuell per Facebook,
Whats App, Twitter, etc. überhaupt möglich ist. Kann dabei noch von Freundschaft die
Rede sein, wenn bei Jugendlichen der Durchschnitt bei ca. 400 Facebook Freunden liegt?
Dieses wichtige Thema wird im Kapitel 4.3 weiter vertieft.
Franziska Sutter
Seite 15 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Peergroups sind eine wichtige Sozialisationsinstanz, sie bieten dabei aber auch mögliche
kritische Einflüsse:
• Problematische Umfelder/ Wohnviertel können zu Gewalt, Drogenkonsum etc. führen
• Cybermobbing, Sexting
• Eskapismus (Flucht aus dem Alltag in virtuelle Räume)
• grosser Einfluss auf Jugendliche (Identität/Persönlichkeit ist noch nicht gefestigt)
• Gruppenzwang - nicht mithalten können
• Peergroups erschweren den Einstieg in die Erwachsenenrolle
(vgl. Hurrelmann, 2005, S.157-161)
Obwohl diese Einflüsse eher negativ erscheinen, kann sich eine negative Perspektive für
die Sozialisation eines Jugendlichen auch positiv auswirken. Diese Jugendlichen sind
gefordert, sich zu integrieren, zu reflektieren, um zu erkennen wie man seinen Platz in
einer Gruppe findet. Daher hängt es davon ab, wie Jugendliche mit komplizierten
Erfahrungen umgehen. Gerade virtuelle Räume, wie online Games oder auch Facebook
bieten die Möglichkeit zur Flucht aus dem Alltag, auch Eskapismus genannt. Online Sucht
ist daher ein aktuelles Thema und immer wieder in den Schlagzeilen.
Doch welches sind die sozialisatorischen Besonderheiten der Peergroup
oder
Jugendfreundschaften? Was hat diese Sozialisationsinstanz, was eine Familie oder die
Schule nicht bieten können?
• Unterstützt bei psychischer und sozialer Ablösung von den Eltern
• Hilft beim Aufbau gleichberechtigter Beziehungen
• Ist nicht von Erziehungsberechtigten initiiert, kontrolliert, beeinflusst
• Einüben sozialer Regeln/Werte/Normen und dabei Spannungen aushalten/lösen
• Identitätsstabilisierung durch Abgrenzung zu anderen Gruppen
(Wir - Gefühl/Zugehörigkeit)
• Emotionale Unterstützung durch Gleichgesinnte
• Gefahr: Isolation und Demütigung können negative Folgen für die soziale Entwicklung
haben
1.3 Mediensozialisation
Im Zeitalter der Digitalisierung werden für die aktuelle Jugend Schlagworte wie
Generation online, Generation Y oder Generation Internet verwendet. Neue Medien, so
beispielsweise Computer, Smartphones, Internet oder Social Network Plattformen sind bei
Jugendlichen hoch im Kurs. Smartphones bieten Jugendlichen neben den herkömmlichen
Kommunikationsmitteln die Möglichkeit, standortunabhängig im Internet zu surfen,
vernetzt und stets auf dem Laufenden zu sein.
Franziska Sutter
Seite 16 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Durch die hohe Relevanz von Neuen Medien für Jugendliche verweist dieses Kapitel auf
Mediensozialisation.
Die JAMES Studie 2012 (Jugend, Aktivitäten, Medien - Erhebung Schweiz) belegt die in
der Einleitung erwähnte Beobachtung, dass sich Jugendliche immer mehr in virtuellen
Räumen aufhalten. Lediglich 3% der befragten Haushalte verfügen weder über ein Handy,
Computer,
Internetzugang,
Fotokamera
noch über
einen
Fernseher. 92%
der
Jugendlichen in der Schweiz besitzen ein Handy und einen Computer. Diese nutzen sie
täglich. 23% aller Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren besassen 2010 ein eigenes
Smartphone, 2012 sind es bereits 43%. Schliesslich sind Jugendliche unter der Woche
rund zwei Stunden täglich online (vgl. Willemsel, Waller & Süss, 2013).
Die folgende Grafik erweitert den oben erwähnten Gerätebesitz durch die mediale
Freizeitaktivität.
Abbildung 1
Aus dieser Grafik wird ersichtlich, dass Jugendliche am häufigsten das eigene Handy
oder das Internet benutzen. Mädchen verwenden häufiger Handys oder Smartphones, wie
auch das Internet. Genannte Medien werden zur Kommunikation, Austausch mit
Freundinnen und Freunden oder zur Selbstdarstellung der eigenen Person verwendet.
Männliche Jugendliche bevorzugen eher Online Games und oder Videospiele.
Franziska Sutter
Seite 17 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Das Smartphone und Internet wird daher vermehrt für Spiele und weniger zum Austausch
genutzt.
Daher sollte das Medium Internet als eine wichtige Sozialisationsinstanz mitgedacht
werden. Denn aktuell scheint für Jugendliche und wahrscheinlich auch für den grössten
Teil der Schweizer Gesellschaft der Alltag ohne Internet, Smartphone, WLAN und Co
undenkbar.
Mediensozialisation bezieht sich nicht nur auf neue Medien, sondern auf die Medien im
Allgemeinen. Bücher, Radio, Fernseher etc. werden daher ebenfalls berücksichtigt. Daher
gibt es folgend einen kurzen geschichtlichen Überblick.
Die Geschichte der Medien kann in vier Phasen unterteilt werden:
bis 1500
Das vorherrschende Medium ist die Sprache. Kommunikation findet
physisch, verbal und oder auch nonverbal statt. Der eigene Körper dient
sozusagen als Instrument des Ausdrucks.
1500 bis
1900
Print-Medien sind allmählich auf dem Vormarsch. Zu Beginn sind Bücher
nur der oberen Schicht zugänglich. Durch die Druckmöglichkeiten wird
die Zeitung zum Massenmedium und so auch für den „normalen“ Bürger
erschwinglich.
1900 bis
Erst kommt das Radio und später der Fernseher auf den Markt. Durch
2000
die Industrialisierung werden elektronische Medien hergestellt. So sind
zunehmend auch Videorekorder, Computer und Fotoapparate für die
breite Öffentlichkeit auf dem Markt.
ab 2000
Alte Medien werden aufgerüstet, weiterentwickelt oder gar ersetzt. Vom
Röhrenbildschirm zum Cristal-Liquid-Display. Vom kabelgebundenen
Internet zum drahtlosen WLAN. Aus einem unhandlichen Handy sind
längst Smartphones mit Touchdisplays entstanden.
Dieses Zeitalter ist nun geprägt durch Interaktivität, weg vom passivem
Nutzer. Durch das sogenannte Mitmachweb (Web 2.0) eröffnet sich ein
breites Spektrum an Partizipationsmöglichkeiten im Netz (vgl. Süss,
2004, S.58)
Franziska Sutter
Seite 18 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Bezüglich dem rasanten Medienwandel in der Schweiz hat das PMZ (Institut für
Publizistikwissenschaft und Medienforschung) zwei eindrückliche Filmsequenzen erstellt:
• Medienwandel in der Schweiz
http://www.youtube.com/channel/UCJR0FC23VkgK2MZ9x3JApBQ
• Medienwandel in der Schweiz 2014 (aktueller)
http://www.mediachange.ch/news/90/
Diese sind auf YouTube frei zugänglich und selbtserklärend, wodurch auf eine weitere
Vertiefung zum Thema Wandel verzichtet wird.
In Literatur zur Mediensozialisation sind ebenfalls unterschiedliche sozialisatorische
Zugänge dargelegt. Einige davon sind im Kapitel 1 enthalten. Nachvollziehbarer Weise
liegt der Fokus auf den interaktiven Modellen.
Grundlegend geht man in der Mediensozialisation nicht von einer einseitigen
Wirkungsweise aus sondern von einer reziproken und daher wechselseitigen Dynamik. Im
Alltag von Jugendlichen haben Medien eine wichtige Bedeutung, einerseits im aktiven
Umgang mit Medien, andererseits auch bezüglich der Sozialisation und einhergehender
Identitätsbildung.
In jeglicher Fachliteratur, beispielsweise bei Vollbrecht, Süss etc. wird zwischen Fremdund Selbstsozialisation differenziert.
Fremd-
und
Selbstsozialisation
wird
wie
folgt
definiert:
„Mediennutzung
als
Selbstsozialisation bedeutet, dass die Sozialisanden die Wahl von Medien und
Medieninhalten selbst steuern, über Medienzeiten und Medienorte in relativer Autonomie
entscheiden und die Bedeutung der Medieninhalte im Rezeptionsprozess eigenständig
konstruieren. Fremdsozialisation bedeutet hier, dass andere Personen oder Institutionen
versuchen, den Medienumgang der Heranwachsenden zu lenken im Hinblick auf
fremdbestimmte Sozialisationsziele“ (Süss, 2004, S.67).
Diese Terminierung scheint im Vergleich zu herkömmlichen Sozialisationstheorien eher
befremdlich. Gerade hinsichtlich der Interaktivität wird die Trennung von Fremd- und
Selbstsozialisation als kritisch betrachtet, da normalerweise beides zugleich gegeben ist.
Wer
sich
im
Bereich
der
Physik
etwas
auskennt,
ist
sicherlich
dem
Wechselwirkungsprinzip von Isaac Newton begegnet. Dieses dritte Newtonsche Axiom
folgt dem Prinzip „actio est reactio“. Etwas näher liegender am sozialen Bereich bedeutet
dies: „Man kann sich nicht nicht verhalten“ (Watzlawick, Beavin & Jackson, 2007, S.51).
Beide Beispiele zeigen, dass jede Handlung, Nutzung oder Aktion eine Gegenreaktion
erzeugt.
Franziska Sutter
Seite 19 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Fremdsozialisation und Selbstsozialisation werden daher als reziprok verstanden. Von
einem in Wechselbeziehung stehenden Konglomerat oder Gesamtsystem auszugehen,
scheint hier passender. Daher wird im weiteren Verlauf keinen Bezug mehr auf diese
Begrifflichkeiten genommen.
Jugendliche können sich im Internet ziemlich frei bewegen, ohne dass Eltern oder
Sozialarbeitende einen direkten Zugang zu Profilen oder Smartphones haben.
Selbstverständlich werden die traditionellen Sozialisationsinstanzen nicht gänzlich von der
Digitalisierung abgelöst. Es besteht eine Ergänzung und teilweise auch Überlappung. So
können beispielsweise Familienmitglieder auf der Freundschaftsliste bei Facebook
aufgenommen sein. Zudem sind Smartphones im realen Leben in der Familie als
Sozialisationsinstanz ein aktuelles Erziehungsthema. Durch virtuelle Räume entsteht ein
für Eltern, Lehrkräfte oder Sozialarbeitende oftmals schwer einsehbarer und auch
schwierig kontrollierbarer Raum.
Gleichzeitig können beispielsweise in einer Schule Seiten wie YouTube oder Facebook
gesperrt werden. Der ganze kommerzielle Bereich mit Werbungen, Wettbewerben
versucht ebenfalls Jugendliche zu „lenken“, um den Verkauf von Waren anzukurbeln.
Gerade Smartphones können zu einem Komformitätsdruck führen. Denn Jugendliche
orientieren sich an Gleichaltrigen. Um „in“ und „hip“ zu sein, ist heutzutage ein
Smartphone nicht wegzudenken.
Laut der JAMES-Studie ist das Handy bei Jugendlichen sehr weit verbreitet. 95%
verfügen über ein eigenes Gerät. 97% der Mädchen haben ein Handy, wobei es bei den
Jungen nur 93% sind. In den letzten zwei Jahren ist die Nutzung von Smartphones rasant
angestiegen. Im Jahr 2010 waren es knappe 50% und im Jahr 2012 bereits 79% (vgl.
Willemsel, Waller & Süss, 2013). Daraus ist ersichtlich, dass das multifunktionale Gerät
bei Jugendlichen sehr beliebt ist.
Wer hält denn heutzutage noch ein Smartphone über mehrere Jahre in Stand? Viele
Geräte haben aus technischen Gründen an Langlebigkeit verloren. Abgesehen davon
greift man schnell zum „Neusten vom Neusten“. In Zeitungsartikeln sind Schlagworte wie
„Handy wird zur Schuldenfalle“, „Jugend lebt auf grossem Fuss“, verschwenderische oder
verwöhnte Jugend etc. allgegenwärtig.
In Folge dessen sollten tiefere, soziale Schichten nicht ausser Acht gelassen werden.
Armut in der Schweiz ist zwar nicht vergleichbar mit der Armut in Drittweltländern, kann
sich jedoch auf Partizipationsmöglichkeiten von Jugendlichen auswirken. Leider sprengt
dieser Bezugspunkt den Rahmen dieser Arbeit.
Trotzdem ist der Aspekt der Teilhabe und der Einfluss von finanziellen Mitteln relevant
und im Bereich der Sozialen Arbeit nicht zu vernachlässigen.
Franziska Sutter
Seite 20 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Mediensozialisation zielt auf Medienkompetenz. Es geht darum, den Umgang mit Medien
zu erlernen, zu beherrschen. Jugendliche nutzen Medien, um subjektiven oder auch
kollektiven Bedürfnissen nachzugehen.
„Je mehr Medienkompetenz sie erworben haben, desto effektiver können sie die Medien
so nutzen, dass sie aus ihrer Sicht erwünschte Effekte erzielen und unerwünschte Effekte
vermeiden“ (Süss, 2004, S.73). Zur Förderung der Medienkompetenz braucht es daher
den Zugang zu entsprechenden Medien. In diesem Falle lernen Jugendliche durch die
Nutzung von Social Network sich im Internet zu bewegen.
Ob eine Person adäquate Medienkompetenz besitzt, liegt wohl im Auge des Betrachters.
Denn bei Gesprächen mit Jugendlichen hat sich herausgestellt, dass diese sich durchaus
medienkompetent fühlen. Meist wird jedoch das „Kleingedruckte“ nicht und eine Anleitung
nur minimal gelesen, was aus der Perspektive der Erwachsenen wohl kritisch betrachtet
würde.
2 Virealer Sozialraum: Virtueller und realer Raum im Vergleich
Die Jugend von heute, die „Digital Natives“ (Palfrey & Gasser, 2008, S.409), wächst in
einem digitalisierten Umfeld auf. Virtuelle Räume scheinen dabei ein wichtiger Bestandteil
zu sein. Dadurch wird der Umgang mit neuen Medien zum „Kinderspiel“, denn für
Jugendliche ist er Teil des Alltags.
Virtueller Raum, ein Raum, der „nur“ irreal ist? Wenn beispielsweise zwei verliebte
Jugendliche auf Facebook im virtuellen Raum chatten, kann sich diese Liebe nur auf den
virtuellen Raum beziehen oder eben auch im realen Leben widerspiegeln. Jugendliche
interagieren in diesem Raum. Beziehungen werden gepflegt, es wird kommuniziert.
Menschen und Raum - ist virtueller Raum gar ein Sozialraum?
Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, wird im Folgenden zuerst „Sozialraum“ im
Kontext der offenen Jugendarbeit definiert. Dieser Definitionsversuch soll dann als Basis
und zum Vergleich mit „virtuellem Raum“ dienen.
2.1 Definition Sozialraum
Für Sozialraum besteht im Bereich der Sozialen Arbeit eine Vielzahl an Definitionen. Es
wird versucht, Sozialraum passend auf Jugend und die offene Jugendarbeit zu definieren.
Physiker wie Isaac Newton oder Albert Einstein gingen von einem absolutistischen
Raumverständnis aus. Raum fungiert als unabhängige, feste, materielle und eingrenzbare
Grösse, wie zum Beispiel ein Jugendtreff. Mit diesem Raumverständnis wären
Jugendliche, welche sich in einem Jugendtreff befinden, irrelevant, da der materielle
Raum vordergründig ist (vgl. Kessl & Reutlinger, 2010).
Franziska Sutter
Seite 21 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
In Anbetracht dessen, dass in der offenen Jugendarbeit die Zielgruppe Jugendliche sind,
ist
ein
absolutistisches
Raumverständnis
unpassend.
Ein
Jugendarbeiter,
eine
Jugendarbeiterin ist schliesslich kein Zimmermann, der Räume im materiellen Sinne
entstehen lässt. Jugendliche halten sich zwar in materiellen Räumen auf. Zentral für die
Soziale Arbeit sind jedoch Beziehungsarbeit und Kommunikation. Es wird daher Raum für
soziale Aspekte beansprucht.
In
Bezug
auf
die
offene
Jugendarbeit
ist
die
Perspektive
des
Sozialraums
personenbezogen. Offene Jugendarbeit setzt sich mit Jugendlichen, Peers oder Cliquen
auseinander.
Nach Christian Reutlinger: „…weist der Begriff des Sozialraums auf das Phänomen hin,
dass Raum immer das Ergebnis menschlichen Handelns darstellt,…“ (Kessl und
Reutlinger, 2010, S.25).
Sozialraum stellt daher einen durch Menschen konstruierten Raum dar. Dieser entsteht
durch soziale Beziehungen oder Interaktionen. Durch das Präfix sozial wird auf
gesellschaftlichen beziehungsweise humanen Handlungsraum verwiesen. Somit sind
nicht nur territoriale oder materielle Orte gemeint.
Soziale Prozesse können hingegen auf materiellen Raum wirken. Dieser Auffassung liegt
zu Grunde, dass materieller Raum ebenfalls als Ergebnis von nichtmateriellen Prozessen
gesehen wird (vgl. Kessl & Reutlinger, 2010, S.25-31).
In Bezug auf Jugendliche ist ein Sozialraum daher der Raum, in dem sie leben,
interagieren, sich mit Freunden treffen etc. Jugendliche bestimmen oder konstruieren
ihren Sozialraum, in dem sie beispielsweise einen Parkplatz vor dem Jugendtreff zum
Fussballplatz umfunktionieren oder sich auf eine Wiese setzen und gemeinsam aktuelle
Themen austauschen.
In der sozialraumorientierten Jugendarbeit ist die Orientierung an Jugendlichen (Subjekt)
und an dessen Bedürfnissen zentral. Es geht weniger um klar begrenzte bzw. materielle
Räume. Natürlich können materielle Räume oder auch die politische Ebene relevant
werden. Im Fokus liegt jedoch der Sozialraum als subjektives, individuell gestaltetes
Gefüge einer Lebenswelt. Denn daraus ergeben sich die Anforderungen für die offene
Jugendarbeit.
Nach Deinet zielt offene Jugendarbeit darauf, vorhandene Aneignungsräume zu
identifizieren, zu gestalten und wo zu wenige bestehen, diese einzufordern. (vgl. Deinet &
Krisch, 2002, Kapitel 2).
Sozialräumliche Aneignung scheint daher zentral. Denn für Jugendliche ist es wichtig,
sich Raum anzueignen, um Kompetenzen oder Wissen weiter auszubilden.
Franziska Sutter
Seite 22 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Sozialräume könnten daher als Erfahrungsräume, Handlungsräume oder auch Lernräume
betrachtet werden.
Aneignung ist ein wichtiger Faktor in Bezug auf die Sozialisation Jugendlicher und
bedeutet daher:
• eine eigenständige Auseinandersetzung mit der Umwelt
• die individuelle Gestaltung von Räumen
• die Entfaltung des Handlungsraumes z.B. durch Veränderung bestehender
Situation
• die Erweiterung von Kompetenzen (medial, sozial, kreativ,…)
• neue Fähigkeiten zu erwerben und in neuen Situationen auszutesten
(vgl. Deinet, 2013)
Löw geht dabei von folgendem Raumverständnis aus: „Ich gehe…von einem Raum, der
verschiedene Komponenten aufweist, aus. Das heisst, ich wende mich gegen die in der
Soziologie übliche Trennung in einen sozialen und einen…Analytisch gehe ich daher von
einem sozialen Raum aus, der gekennzeichnet ist durch materielle und symbolische
Komponenten“ (Löw, 2001, S.15).
Dieses Verständnis entspricht nicht dem weiter oben beschriebenen absolutistischen
Raumdenken.
Die Vorstellung von Raum hat sich unter anderem auch durch den rasanten
Medienwandel verändert. Die Digitalisierung führt zwangsläufig zu virtuellen Räumen.
Diese sind direkt oder indirekt mit realen Räumen „verknüpft“, beziehungsweise ergänzen
diese.
Heutzutage
besteht,
wie
Massenmedien
zu
entnehmen
ist,
eine
Multioptionsgesellschaft. Jugendliche können dabei aus einem riesigen Angebot wählen,
wobei ebenso die Möglichkeit besteht, verschiedenste Angebote gleichzeitig zu nutzen.
Man kann zum Beispiel im Kino sitzen, gleichzeitig mit Freundinnen und Freunden bei
WhatsApp chatten, über Bilder auf Facebook lachen mit einer Freundin, einem Freund der
gerade neben einem im Kino sitzt.
Diese Vielfältigkeit wird daher in diesem Raumverständnis integriert. Es bezieht sich auf
allgemeine Vorstellungen des Alltags, aber auch auf das Gefüge von materiellen oder
symbolischen Räumen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass verschiedene Räume an
einem Ort gleichzeitig bestehen (vgl. Löw, 2001, S.103).
Martina Löw präzisiert wie folgt: „Raum ist eine relationale (An)Ordnung sozialer Güter
und Menschen (Lebewesen) an Orten“ (Löw, 2001, S.224).
Franziska Sutter
Seite 23 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Daraus ist ersichtlich, dass es um die Beziehung zwischen einzelnen Jugendlichen oder
Peergroups geht - wo und wie sich diese aufhalten. Sozialraum ist daher nicht
vorgegeben und territorial eingrenzbar, weil dieser durch Handlungen veränderbar ist.
Heute der Steg am See, morgen die Wiese - alleine, mit Freunden oder einer neuen Peer.
Zusätzlich variieren die Gesprächsthemen, die Stimmung (Beziehung untereinander), etc.
wodurch Jugendliche den Sozialraum stets verändern.
Sozialräumliche Aneignung scheint daher zentral. Denn für Jugendliche ist es wichtig,
sich Raum anzueignen und zu verändern, um Kompetenzen oder Wissen weiter
auszubilden.
Deinet beschreibt diesen Aspekt folgendermassen: „Durch gelungene Aneignung wird das
Individuum handlungsfähig … und erweitert damit seine Kompetenzen“ (Deinet & Krisch,
2002, S.35).
Die individuelle Identitätsbildung ist ein wichtiger Teill der Entwicklung Jugendlicher.
Grenzen auszuloten, sich von familiären Strukturen zu lösen, gehören unter anderem zu
diesem Prozess. Der Begriff der Aneignung von Sozialraum ist daher passend, weil dies
ein bedeutender Faktor in Bezug auf die Sozialisation Jugendlicher ist. Daraus lässt sich
schliessen, dass Sozialraum ebenfalls als Sozialisationsinstanz fungiert.
Sozialräume bieten Raum, um individuell Erfahrungen zu sammeln. Jugendliche können
in Peers „testen“, wie ihre Handlungen auf andere wirken und ihren Bedürfnissen
entsprechend anpassen. Jugendliche lernen den Umgang mit anderen, was die
Sozialkompetenz fördert. Das individuelle Austesten, beziehungsweise Aneignen, findet
natürlich auch im Umgang mit Erwachsenen, in der Schule, Familie, etc. statt. (vgl.
Deinet, 2013, S.101)
2.2 Definitionsversuch: Virtueller Raum als virealer Sozialraum
Sozialraum fördert die Aneignung von Kompetenzen. Wie ist dabei virtueller Raum zu
verstehen? Ist Social Network, wie Facebook etwa ein Sozialraum? Aktuell bestehen in
der Literatur im Bereich der Sozialraumorientierung wenig Bezüge zum virtuellen Raum.
Bei Ulrich Deinet, Verena Ketterer oder Martina Löw lassen sich Inhalte zu diesem Thema
finden. Dieses Thema wird als wichtig erachtet und daher in dieser Arbeit integriert.
Zahlreiche Studien verweisen darauf, dass Freunde treffen oder Sport treiben bei
Jugendlichen in den Hintergrund zu treten scheint. Die Tendenz geht immer mehr in die
Richtung Freunde und Freundinnen virtuell zu treffen. Der Körper ist im virtuellen Raum
nicht direkt involviert, was digitale Medien auszeichnet und neu ist.
Franziska Sutter
Seite 24 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Am Beispiel von Facebook wird dabei eine Person virtuell repräsentiert. Jugendliche
erschaffen sich so einen immateriellen Raum. Dieser ist physisch nicht zugänglich, hat
auch keinen klar einzugrenzenden Raum und ist zeitlich nicht gebunden. Raum kann
beispielsweise in Form eines Profils nach Belieben angepasst werden.
Jugendliche können dabei gezielt entscheiden, welche Informationen veröffentlicht
werden. Ob Informationen in Form von Bildern oder Text wirklich wahr sind, weiss nur die
Erstellerin oder der Ersteller des Profils. Der Kreativität sind somit keine Grenzen gesetzt.
Durch Interaktionen wie Freundschaften sammeln oder Chatten agiert man im
Erfahrungsraum und erhält eine Resonanz, wie das Profil auf andere wirkt.
Daraus lässt sich schliessen, dass virtueller Raum real empfunden wird. Ein
unvorteilhaftes Foto von Jugendlichen kann etwas zugespitzt zu Mobbing führen und zwar
nicht nur im Internet, sondern auch auf dem Pausenplatz. Selbst die Entscheidungen über
das was in einem Profil platziert wird ist ein realer Prozess.
Im virtuellen Raum geht es wie im Sozialraum um Aneignung und Interaktion, also um
Handeln. Zusätzlich ist die Nutzung sozialer Netzwerke ein wichtiger Bestandteil der
Freizeitgestaltung von Jugendlichen. Sie agieren im virtuellen Raum, testen Grenzen,
gestalten neu, etc. Daher ist nach Löw virtueller Raum ebenfalls ein Sozialraum (vgl.
Deinet, 2013, S.83).
Anstelle der Begriffe „virtueller Raum“ und „Sozialraum“ wird in wissenschaftlicher
Literatur oftmals der Begriff des hybriden Raums oder Hybridisierung verwendet. Denn
Reales und Virtuelles scheinen gegenseitig in sich überzufliessen, sich zu vermengen.
Neue digitale Medien unterscheiden sich von den ursprünglichen Massenmedien.
Alexander Unger geht davon aus „dass Neue Medien zunehmend Anwendungen
anbieten, die eine neue, virtuelle Handlungssphäre eröffnen, die in vielfältiger und sehr
enger Weise mit realen Handlungen und Sozialität verknüpft sind“ (Unger, 2010, S.99).
Es scheint tatsächlich eine Vermischung von realen und virtuellen Räumen stattzufinden.
Daher wird davon ausgegangen, dass durch das polarisierende virtuelle Medienangebot,
das Verständnis, wie virtueller und realer Raum in Relation zueinander stehen, neuartig
und anders ist. Daher scheint es nicht mehr dem klassischen Verständnis von Raum zu
entsprechen.
In Folge dessen fände eine Entgrenzung vom üblichen Verständnis von Sozialraum statt.
Zudem kommt es zu einer „Hybridisierung“, wodurch mehrere Räume gleichzeitig
bestehen können (vgl. Unger, 2010, S.99-101).
Franziska Sutter
Seite 25 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Zusätzlich wird weiter differenziert, in dem die Hybridisierung nicht als einseitiger Prozess
betrachtet wird. Eine Hybridisierung von Raum kann „technologisch induziert“ sein oder
auch selbstinduziert sein durch „individuelle Integrations- und Sinnstiftungsleistung“
(Unger, 2010, S.101). Obwohl die technologische Seite ebenfalls besteht, liegt der Fokus
auf der Interaktivität. Die Perspektive liegt eher auf der Aneignungsform des Nutzers und
verdeutlicht eine subjektive, aktive Form der Vermischung von Sozialräumen (vgl. Unger
2010, S.108-110).
In aktueller Literatur zu diesem Thema werden stellvertretend für den hybriden Raum
auch Begriffe wie crossmedial, vireal (siehe nächster Abschnitt) oder konvergent
verwendet. Unabhängig der genannten Begrifflichkeiten geht es hierbei um die
Vermischung, Verknüpfung, Relation von realen und virtuellen Räumen. Da es nicht den
einen virtuellen oder realen Raum gibt, können diese Begriffe auch ausschliesslich auf
realen oder virtuellen Raum hindeuten. Jugendliche haben beispielsweise die Möglichkeit,
im Internet zu surfen, ein Online-Game zu spielen und gleichzeitig auf Facebook zu
chatten, wodurch bereits im virtuellen Raum eine Entgrenzung beziehungsweise
Vermischung stattfindet.
Eine Gesellschaft ist in stetigem Wandel, wobei auch neue Medien eine Gesellschaft
mitprägen. Nicht nur Jugendliche als Individuum betrifft eine Hybridisierung von Räumen
sondern auch den alltäglichen Handlungsraum. Schule, Arbeitsstelle, Familie, etc. sind
ebenfalls mitzudenken (vgl. Unger, 2010, S.102 -107).
Die absolutistische Raumvorstellung beispielsweise wäre hierbei unangebracht, da
Räume, ob virtuell oder real nicht mehr klar abzugrenzen sind. Dahingehend stellt sich die
Frage, ob in Bezug auf die Medialisierung gängige Theorien zur Raumthematik noch
aktuell sind.
Verena Ketterer erschliesst daher den neuen Begriff des virealen Sozialraums. Bei
diesem Verständnis wirken Virtuelles und Reales gegenseitig, wodurch eine klare
Trennung kaum möglich ist. Es entsteht eine Verschmelzung von Virtuellem und Realem,
eben „vireal“. Durch neue Medien geht es in Folge dessen nicht mehr nur um lokale
Bedingungen, wie zum Beispiel einen Jugendtreff. Jugendliche halten sich ebenfalls in
virtuellen Räumen auf, oftmals sogar in beiden Räumen gleichzeitig, wodurch der Begriff
vireal überzeugt (vgl. Ketterer, 2013).
Die JAMES Studie 2012 belegt, wie bereits im Kapitel Mediensozialisation erwähnt, dass
sich Jugendliche immer mehr in virtuellen Räumen aufhalten. Denn 92% der Jugendlichen
in der Schweiz besitzen ein Handy und einen Computer. Diese nutzen sie täglich.
Franziska Sutter
Seite 26 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Die Tendenz geht kontinuierlich in die Richtung, Freundinnen und Freunde in virtuellen
Sozialräumen zu treffen. Schliesslich sind Jugendliche unter der Woche rund zwei
Stunden täglich online. Am häufigsten wird dabei ganz klar Facebook genutzt. Drei Viertel
besitzen ein eigenes Facebook Profil. 53% haben mehr als 300 Facebook Freunde (vgl.
Willemsel, Waller & Süss, 2012).
Eine neue Studie soll noch dieses Jahr erfolgen. Diese wird aufzeigen, in welcher Weise
sich diese Ergebnisse von 2012 verändern. Denn zurzeit scheinen sich WhatsApp,
YouTube, Snapchat, Instagram etc. ebenfalls zu etablieren.
Während den Recherchen fiel auf, dass in Deutschland neuere Anwendungen wie
beispielsweise Snapchat schneller von Jugendlichen genutzt werden als in der Schweiz.
Doch die Gemeinsamkeit besteht darin, dass Social Network Plattformen beliebt sind, wo
möglichst schnell Daten/Bilder ausgetauscht werden können und zudem einfach in der
Handhabung sind.
Daraus ist ersichtlich, wie stark virtueller Raum bzw. Sozialraum virtuell genutzt wird.
Freunde treffen oder Sport treiben ist zweitrangig geworden. Dieser Wandel führt
entsprechend zu neuen oder veränderten Sozialräumen, in denen sich Jugendliche
aufhalten.
3 Social Network Plattformen
In der Literatur bestehen unzählige Definitionen und Erklärungen, was aus der
Perspektive von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen (wie zum Beispiel der
Psychologie, Kommunikationswissenschaft, Soziologie etc.) unter dem Begriff „soziale
Netzwerke“ verstanden werden kann (vgl. Häusler, 2007, S.2).
Im Bereich der Sozialen Arbeit gehört der Begriff des sozialen Netzwerkes zum
Fachjargon. Denn ein soziales Netzwerk ist der Überbegriff für das Beziehungsgeflecht
einer Person, einer Gruppe oder einer Organisation. Mit Social Network sind jedoch
Online Netzwerke und deren Plattformen gemeint.
Die meisten Begriffe rund ums Internet stammen aus dem Englischen, was durch
Übersetzungen zu unterschiedlichen Definitionen führt. Diese Fülle an Definitionen
erfordert zur Konkretisierung der hier zu behandelnden Thematik eine spezifische
Definition, was im Internet unter dem Begriff Social Network verstanden wird.
Im Folgenden wird entsprechend versucht, diesen Begriff zu konkretisieren.
Anschliessend wird der mögliche Zweck von Social Network am Beispiel von Facebook
erarbeitet.
Franziska Sutter
Seite 27 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
3.1 Definition und möglicher Zweck von Online Social Network
Die Zeit, in der das Internet passiv genutzt wurde, gehört der Vergangenheit an. Das neue
Schlagwort in diesem Zusammenhang lautet Web 2.0, wobei bereits die Rede vom Web
3.0 ist. Mit dem Web 2.0 entsteht erstmals die Entwicklung vom einfachen User,
Konsument (Nutzer) hin zum Producer, Produzent des World Wide Webs. Da meist eine
Person als Produzent und Konsument agiert, spricht man ebenfalls vom Prosument.
Die gegenwärtig beliebten Netz-Angebote, wie Facebook oder WhatsApp, zeichnen sich
durch ihre interaktiv zusammengetragenen Inhalte aus. Oft wird das Web 2.0 auch mit
dem synonymen Begriff des „Mitmachwebs“ bezeichnet. Es unterscheidet sich vom Web
1.0 dadurch, dass Nutzer selbst aktiv werden und Inhalte von Netzwerk-Diensten
mitgestalten. Beim Web 1.0 war man aktiv entweder als Produzent oder als Nutzer.
Dieses Netzwerk wurde daher einseitig genutzt im Gegensatz zum Web 2.0 (vgl.
Neumann-Braun & Autenrieth, 2011, S.9-11).
Ein wichtiger Teilbereich des Webs 2.0 wird mit dem Begriff „Social Web“ bezeichnet. Es
kennzeichnet sich durch die sozialen Strukturen der User (Nutzer) aus. Ein weiterer
zentraler Aspekt ist die Interaktion zwischen Usern über das virtuelle Netz im digitalen
Raum. Gegenstand des Social Webs sind somit webbasierte Anwendungen. Das primäre
Ziel ist nicht der reine sachliche Datenaustausch, sondern die Unterstützung für
Menschen, um zwischenmenschliche Interaktionen herzustellen.
Dienste des Social Webs sind personalisiert, das heisst der User oder die Userin bewegt
sich nicht anonym im Netz. Dabei geht es um Interaktionen untereinander. Nutzerinnen
und Nutzer sind in Gruppen integriert. Personen, Beziehungen, Inhalte und Bewertungen
sollen sichtbar gemacht werden. Grundlage ist die Idee der Selbstorganisation ohne
formal vorgegebene Verhaltensregeln oder Datenstrukturen.
Der Fokus des Social Webs liegt auf Verknüpfungen und daraus entstehenden
Netzwerken und weniger auf einzelnen Inhalten. Ziel ist es, Verbindungen zu schaffen
und die Informationen in Beziehung zueinander zu setzen, um so den Gehalt der
Information grösstmöglich zu steigern. Darunter verstehen sich Social Network Sites
(Netzwerkplattformen) wie Facebook, Twitter oder WhatsApp als Anwendung. Diese
Plattformen dienen dem Aufbau und der Erhaltung von Beziehungsnetzwerken (vgl.
Ebersbach, Glaser & Heigl, 2011, S. 27-36).
Franziska Sutter
Seite 28 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Daraus ergeben sich folgende Merkmale für Social Network Plattformen:
• erfordert eine Registrierung
• Profilseiten enthalten Interessen und Tätigkeiten
• es wird vernetzt - Aufbau und Erhalt eines Beziehungsnetzwerkes
• Darstellung von Beziehungen zu anderen Menschen
• entfernte Bekannschaften werden ersichtlich, sind nachzuvollziehen (Durch
Freundschaftslisten und der Anzeige gemeinsamer Freunde)
• Bezug zu realen sozialen Beziehungen (vgl. Ebersbach, Glaser, & Heigl, 2011,
S.96)
Aus eigener Nutzung und dem Austesten von Social-Networks (Facebook, WhatsApp,
Google+, Instagram etc.) im Rahmen der Erarbeitung der Bachelorarbeit haben sich vier
Merkmale herauskristallisiert:
1)
Um auf Social Network Plattformen aktiv zu werden, bedarf es einer Registrierung.
2)
Nach der Registrierung erfolgt das anschliessende Erstellen eines Profils.
Grundsätzlich wird so viel preisgegeben, wie individuell passend erscheint.
Schlussendlich ist das Profil ein Abbild davon, wie man sich im virtuellen Raum der
Öffentlichkeit und damit anderen Usern präsentiert.
Ein Profil beinhaltet meist:
• ein oder mehrere Profilbilder
• Angaben zur Person (Wohnort, Geburtsdatum,…)
• Informationen zum Ausbildungsstatus
• eine persönliche Beschreibung der Person
• Angaben zu persönlichen Interessen
• Möglichkeit verschiedene Fotos hochzuladen, zu posten, zu teilen
• Freundschaftsanfragen und oder die Möglichkeit der Gruppenbildung
(Gruppen können von Usern nach Belieben erstellt werden.)
• Beiträge kommentieren - liken (gefällt mir)
3)
Es können unterschiedliche Kommunikationswege genutzt werden. Bei Facebook
können beispielsweise Nachrichten privat versendet werden. Zudem besteht die
Möglichkeit, andere Profile und Kommentare auf einer Pinnwand direkt zu
kommentieren. Beiträge werden mit einem gefällt mir markiert. Im Weiteren kann
direkt mit anderen Personen, welche online sind gechattet werden.
Franziska Sutter
Seite 29 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
4)
Ohne Freundschaften geht nichts?! Der zentrale Faktor, das was Social Network
ausmacht, sind „Freunde“ (Freundinnen und Freunde). Ein Klick und man ist um eine
Freundschaftsanfrage reicher. Nimmt die Empfängerin oder der Empfänger eine
Freundschaftsanfrage an, speichert sich das Profilbild direkt in der eigenen
Freundesliste.
5)
Social Networks bieten eine Auswahl an Sicherheits- und Profileinstellungen.
Teilweise können einzelne Bilder gezielt nur für bestimmte Freundinnen, Freunde
veröffentlicht werden. Freundschaften werden bei Bedarf gesperrt oder das Profil
kann optisch umgestaltet werden etc.
Die eigenständige Auseinandersetzung mit noch unbekannten Plattformen (Instagram,
Google+, etc.) zeigt, dass es gerade bezüglich Profileinstellungen und Sicherheit einer
tieferen, längerfristigen Auseinandersetzung bedarf.
Die erste Handhabung ist dagegen im Allgemeinen einfach. Ein Profil ist schnell erstellt,
wenn eine Vertiefung über Sicherheitseinstellungen und Privatsphäre vernachlässigt wird.
Gerade die fundierte Auseinandersetzung mit diesen beiden Themen könnte von
Jugendlichen vernachlässigt werden. Zudem scheinen persönliche Profile von der Anzahl
Freundschaften und von „likes“ zu leben. Je mehr Freunde in einer Freundschaftsliste
bestehen, desto mehr fremde Inhalte werden zugänglich.
Überraschenderweise scheinen auch Studierende während Vorlesungen genügend
Kapazität für ausgiebige Chats, Bildposts oder Kommentare zu haben. Sei dies eine
äusserst fachliche Diskussion über aktuell Dozierende, was am Wochenende noch
anstehen könnte oder ob jemand das Mittagsmenu kennt.
Daraus wird ersichtlich, dass Kommunikationsthemen kaum ausgehen und je mehr
Freunde, desto abwechslungsreicher scheint zum Beispiel ein Chat. Wenn erwachsene
Personen diese Netzwerke ebenfalls für banal wirkende Mitteilungen bis zum
tatsächlichen Fachdiskurs nutzen, wird dies wahrscheinlich bei Jugendlichen nicht stark
abweichen, was im späteren Verlauf versucht wird, herauszuarbeiten.
Eine weitere mögliche Erläuterung zu Social Network findet sich bei Sascha Häusler.
Diese lautet: „Als soziale Netzwerke im Internet werden jene online funktionierenden
sozialen Konstrukte verstanden, die eine Erweiterung eines solchen persönlichen sozialen
Netzwerkes ermöglichen, indem sie Zugang zu neuen direkten oder indirekten
Beziehungen generieren. Dieser Zugang stellt sich als die Möglichkeit der tatsächlichen
Kontaktaufnahme mit anderen Internetnutzern dar“ (Häusler, 2007, S.26).
Franziska Sutter
Seite 30 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Andere
Bereiche
neuer
Medien,
wie
Wikipedia
oder
auch
Google
werden
ausgeschlossen. Denn es sind eher digitale Nachschlagewerke, Suchportale. Dabei findet
keine Interaktion und auch keine direkte Kontaktaufnahme mit anderen Usern statt. Dazu
zählen auch E-Mail, Internet-Telefonie oder andere Kommunikationsdienste. Diese
Angebote ermöglichen zwar bestehende Beziehungen zu pflegen. Das persönliche
Netzwerk besteht dabei jedoch ausschliesslich aus bekannten Kontakten. Dadurch
werden keine neuen oder unbekannten Kontakte generiert (vgl. Häusler, 2007, S.26).
3.2 Social Network Plattformen am Beispiel von Facebook
Mark Zuckerberg, der Gründer von Facebook bricht sein Studium mit 19 Jahren ab und
gründet mit Kommilitonen eine kleine, uniinterne Plattform (Facebook), wo sich
Mitstudierende im Web austauschen und Kontakte knüpfen können. 2004 wird Facebook
erstmals von Havard-Studenten genutzt. 2006 wird Facebook für den Rest der
Bevölkerung freigegeben. Facebook findet nicht nur in den USA, sondern weltweit
Anklang. Facebook hat sich so zu der wohl erfolgreichsten Plattform entwickelt. Im April
2012 wird in den meisten Massenmedien berichtet, dass Facebook Instagram aufkauft.
So auch im Februar 2014: Facebook übernimmt WhatsApp, was mit dem zehnjährigen
Bestehen von Facebook zusammenfällt. Es scheint, dass mögliche Konkurrenz einfach
aufgekauft wird.
Heutzutage, wo alles einfacher und schneller gehen soll, ist fraglich wie lange die
Nutzerzahlen bei Facebook weiter steigen. Zurzeit ist Facebook noch das grösste soziale
Netzwerk der Welt.
Laut Statista nutzen zirka 1.3 Milliarden Menschen weltweit das soziale Netzwerk aktiv.
Das
„Profilbildmeer“
wird
eindrücklich
unter
www.thefacesoffacebook.com
veranschaulicht. Von allen Userinnen und Usern (Nutzende) greifen 945 Millionen
weltweit mobil auf Facebook zu. In der Schweiz sind es ca. 3.44 Millionen (vgl. Statista,
2014).
Franziska Sutter
Seite 31 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Aktuelle Statistiken zur Facebook-Nutzung in der Schweiz zeigen zudem, dass die
Nutzungszahlen bei den über 50 jährigen Personen steigen. Kinder nutzen Facebook im
Vergleich wenig und bei Jugendlichen sinken die Nutzungszahlen leicht. Trotzdem ist es
immer noch die meist verwendete Plattform bei Jugendlichen in der Schweiz (der
folgenden Grafik zu entnehmen).
Abbildung 2
Die Begründung für die zurückgehenden Nutzerzahlen ist ebenfalls in dieser Grafik
veranschaulicht. Denn Jugendliche sind „Multiuser“, sie nutzen unterschiedliche
Plattformen gleichzeitig. Anwendungen sollen heutzutage möglichst schnell und einfach
bedienbar sein. Das Angebot an solchen Plattformen ist riesig und verbreitet sich bei
Jugendlichen schnell, was durch den Jahresvergleich deutlich wird. Ebenfalls werden
Unterschiede zu verwendeten Plattformen bezüglich Alter geringer (siehe Abbildung 2).
Franziska Sutter
Seite 32 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Wer von Facebook genug hat oder die Vorzüge einer Multiuserin, eines Multiusers nutzen
möchte, hat zurzeit andere Möglichkeiten, um Beziehungen zu pflegen. Folgende
Plattformen werden in der Schweiz genutzt und bieten sich als möglichen Ersatz an:
• WhatsApp (www.whatsapp.com)
Passende Alternative zu Facebook, wenn ausschliesslich die Chatfunktion verwendet
wird. WhatsApp ermöglicht kostenfreies chatten unter anderem auch im Gruppenchat.
• snapchat (www.snapchat.com)
Bietet die Möglichkeit, Bilder zu verschicken, ohne einen digitalen Fingerabdruck zu
hinterlassen. Gesendete Bilder zerstören sich nach ungefähr zehn Sekunden selbst.
Gerade bezüglich Sexting hat diese Plattform für Negativschlagzeilen gesorgt.
Freizügige Bilder können verschickt aber nicht nachverfolgt werden auf Grund des
Löschvorgangs.
• instagram (www.instagram.com)
Fotos können direkt über das Smartphone hochgeladen werden. Auf dieser Plattform
werden daher ausschliesslich Bilder mit Kurzkommentaren dargestellt.
•Google + (www.google.ch)
Hat aktuell vergleichsweise zu Facebook wenig Userinnen und User, funktioniert jedoch
ähnlich.
• YouTube (www.youtube.com)
Wird je nach Definition nicht als Social Network betrachtet. Bei YouTube werden
hauptsächlich Filme hochgeladen. Filme können betrachtet und bewertet werden.
Facebook,
YouTube,
WhatsApp,
Twitter
etc.
haben
eines
gemeinsam.
Die
Funktionsweise ist auf den ersten Blick ziemlich einfach. Obwohl eine Profilerstellung bei
Facebook oder das Chatten bei WhatsApp für Jugendliche „ein Kinderspiel“ ist, wird oft
vergessen, dass ein Fingerabdruck im Netz hinterlassen wird.
Am Beispiel von Facebook besitzen Userinnen und User ein eigenes Profil. Darin sind
persönliche Daten, Fotos, Videos oder auch Statusmitteilungen enthalten. Vom
Selbstportrait (Selfie), Bilder beim Fussballturnier bis zu Abbildungen von der nächtlichen
Homeparty mit übermässigem Alkoholkonsum scheint einiges enthalten.
Franziska Sutter
Seite 33 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Durch Gespräche mit Jugendlichen verdeutlicht sich, dass diese Inhalte aus der
jeweiligen subjektiven Perspektive durchaus Sinn machen.
Die Jugendzeit ist auch die Zeit des „Sturm und Drangs“. Einerseits der Drang „cool“ zu
sein, sich zu behaupten und einem „Wir-Gefühl“ in einer „Clique“ nachzueifern,
andererseits die Distanzierung von der Familie und oder teilweise allgemein von
Erwachsenenbildern, um eine eigene Ich-Identität zu festigen. Gerade Social Network
bietet dafür viel Raum, sich auszuprobieren, zu interagieren ohne einen moralischen
Zeigefinger oder der Kontrolle von „Autoritätspersonen“.
Im Bereich der Jugendarbeit zeigt sich durch eigene Beobachtungen, dass sich
Jugendliche über Datenschutz wenig Gedanken machen. Es wird gepostet was gefällt. Ist
zum Beispiel die eigene Party mit Bildern dargestellt, könnten sich zugespitzt,
entsprechende Bilder auf einem öffentlichen Plakat wiederfinden. Denn es ist durchaus
möglich, dass fremde Personen auf die Inhalte der Social-Networks zugreifen. Wir leben
in einer Risikogesellschaft – no risk no fun? Die Nutzung von sozialen Netzwerken
ermöglicht eine schnelle Vernetzung, ist aber auch mit Herausforderungen verknüpft. Es
scheint ein Spannungsfeld zwischen Schutz der eigenen Privatsphäre und der
Selbstpräsentation zu bestehen.
Mögliche Spannungsfelder äussern sich folgendermassen:
• private Daten: Diese sind im Netz auf unbestimmte Zeit gespeichert. Die
Nutzungsrechte liegen beispielsweise bei Facebook. Im Weiteren haben viele Menschen
Zugang zu persönlichen Daten, welche im Profil freigegeben sind. Oft werden heutzutage
diese Daten für Werbezwecke weiterverwendet.
• Kontakte statt Freundschaften: Ganz unter dem Motto des Titels dieser Arbeit, Ich like
also bin ich, scheinen auch Freundschaften gesammelt zu werden. Im Gegensatz zur
Face to Face Kommunikation sinkt die Hemmschwelle im virtuellen Raum. Ein Klick und
man hat einen Freund, eine Freundin mehr. Durch unverbindliche Freundschaften ohne
jeglichen persönlichen Bezug kann schnell der Überblick verloren gehen, was eine
negative Wirkung auf die Privatsphäre haben kann.
• Lurker: Unter dieser Bezeichnung sind Nutzerinnen und Nutzer gemeint, welche kaum
persönliche Informationen preisgeben. Das Profil wird passiv genutzt, um ausschliesslich
Beiträge anderer zu lesen.
Franziska Sutter
Seite 34 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
• Stalkerinnen und Stalker: Stalking findet nicht nur ihm realen Raum statt. Obwohl sich
im virtuellen Raum kein physischer Kontakt ergibt, muss diese Form von Belästigung
ernst genommen werden. Teilweise besteht die Möglichkeit, solche Userinnen und User
für die eigene Profilseite zu sperren.
• falsche Identitäten: Social Network eröffnet die Möglichkeit zu falschen Angaben. So
können andere ausspioniert werden. Im Weiteren ermöglicht es Jugendlichen eine fiktive
Darstellung der eigenen Person. Wunschvorstellungen können dadurch im Gegensatz
zum realen Raum verwirklicht werden.
• Mobbing: Bei Jugendlichen ist das Thema Mobbing allgegenwärtig, was auch virtuell
der Fall ist. Digitales Mobbing funktioniert einfach, schnell und ohne eine direkte Face to
Face Konsequenz. (vgl. Ebersbach, Glaser, & Heigl, 2011, S.114 - 116)
Klar soll nicht bagatellisiert werden, trotzdem scheint aus fachlicher Perspektive, aus der
Sicht der Sozialarbeit der Mehrwert der Social Media und deren Nutzen für Jugendliche
ebenso zentral wie deren Gefahren und sind somit ebenfalls in den Blick zu nehmen.
Denn ob real oder virtuell - das Leben birgt Risiken und auch Chancen. Leider liegt der
Fokus meist auf den negativen Einflüssen und Gefahren für die Jugendlichen. Zudem trifft
das Motto: „Ich weiss was gut für dich ist“, in keiner Weise die Sichtweise Jugendlicher.
Ein Perspektivenwechsel bietet eine Lektüre von Philipp Riederle unter dem Titel: „Wer
wir sind und was wir wollen, ein Digital Native erklärt seine Generation“. Philipp Riederle
(19 Jahre) wurde als 13-Jähriger mit seinem Podcast „Mein iPhone und ich“ in
Deutschland bekannt. Er berät aktuell Unternehmen als Digital Native (vgl. Riederle,
2013).
In seinem Buch beschreibt er aus eigener Perspektive was die aktuelle Jugend ausmacht.
Durch diese subjektive Perspektive ergibt sich ein Einblick in die Welt eines Jugendlichen.
Die fachliche Perspektive ist hier eher nebensächlich. Die Inhalte sind kritisch, teilweise
etwas zugespitzt und in jugendlich provozierender Sprache formuliert. In Anbetracht
dessen, dass wenig wissenschaftliche Inhalte zur Jugendperspektive bestehen, hat
dieses Buch trotzdem zu einem Perspektivenwechsel verholfen und andere Blickwinkel
eröffnet.
Beispielsweise schreibt Riederle: „Bei den Digital Immigrants kann man immer wieder
beobachten, dass sie Informationen anders behandeln und deshalb auch mit Medien
grundsätzlich anders umgehen als wir…Immer wieder fällt es auf, dass sich die
Generation unserer Eltern über den kargen Gehalt an wirklich relevanten Informationen
beschweren“ (Riederle, 2013, S.167).
Franziska Sutter
Seite 35 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Schlagzeilen in den Massenmedien unterstützen diese eher negative Perspektive. Aus
fachlicher Perspektive ist die subjektive Wirklichkeitskonstruktion ein wichtiger Aspekt
(vgl. von Spiegel, 2011, S. 38). Für Jugendliche mag es daher durchaus Sinn machen, ein
neues Smartphone auf Facebook als Bild zu posten. Somit wird es als wichtig erachtet,
unterschiedliche Blickwinkel zu betrachten und gerade auch bezüglich Jugendarbeit die
subjektive Perspektive Jugendlicher besonders zu berücksichtigen.
Wie bereits erläutert, besteht die Hauptfunktion bei Facebook im Erstellen eines eigenen
Profils, auf dem Jugendliche sich mittels Fotos, Videos und Statusmitteilungen
präsentieren können. Anders als im „realen“ Leben kann selbst bestimmt werden, was
von sich preisgegeben wird und welches Selbstbild sich dadurch nach aussen vermittelt.
Es findet eine Art digitale Präsentation der eigenen Person statt, eine bewusste
Inszenierung seiner selbst.
Das Internet wird so zum virealen Sozialraum, indem interagiert und ausprobiert wird.
Fernab von fremden Erwartungen an die eigene Person und Vorurteilen, die Jugendlichen
begegnen könnten, ist es möglich, ein Selbstbild, (eine Identität) zu erstellen, mit dem
man sich identifiziert.
Besonders Jugendliche, die sonst eher verschlossen sind, haben die Möglichkeit, sich frei
auszuprobieren. Es wird „Identitätsmanagement betrieben, bei dem bewusst persönliche
Daten präsentiert werden, um die eigene Person vorzustellen“ (Vgl. Kneidinger, 2010,
S.50).
Zudem besteht genau wie im „realen“ Leben die Möglichkeit, Verhaltensweisen, das
Aussehen von Gleichaltrigen oder persönliche Idole aus der „Promi-Welt“ zu imitieren und
auf Facebook zu präsentieren.
4 Soziologisch relevante Zugänge
Durch Zeitungsartikel, Fernsehreportagen und auch aus den Tagesaktualitäten sind
Begriffe wie Sexting, Cybermobbing oder Cyberbullying in der schweizerischen
Gesellschaft grösstenteils bekannt. In der Annahme, dass alles stets positive, wie auch
negative „Auswirkungen“ haben kann, interessiert vor allem wie Jugendliche Social
Network nutzen.
Denn bereits Paracelsus erkannte: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die
Dosis machts, dass ein Ding kein Gift sei“ (Paracelsus, 1538, S.510).
Diese Arbeit fokussiert daher den Mehrwert und Handlungsweisen für Jugendliche
bezüglich Social Network Plattformen.
Franziska Sutter
Seite 36 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
4.1 Umgangsweisen Jugendlicher im virealen Raum
Social Media ist ein zentrales Kommunikations- und Ausdrucksmedium für Jugendliche.
Ein wichtiger Teilprozess der Persönlichkeitsentwicklung im Jugendalter ist der Ausbau
sozialer Beziehungen, wie auch das wachsende Interesse an intimen Bindungen und das
Erproben erster Liebesbeziehungen.
Die eigene Persönlichkeitsdarstellung spielt eine wichtige Rolle. Das subjektive Selbstbild
kann so nach aussen, für andere sichtbar, dargestellt werden. Jugendliche können sich
als „einzigartiges“ Individuum definieren, präsentieren und abgrenzen.
Über virtuelle Räume wie Facebook, Instagram oder WhatsApp genügt ein Foto und man
ist um 50 Likes „reicher“. Jugendliche scheinen dadurch schneller und vor allem von
einem grösseren Publikum als in „realen“ Räumen eine Resonanz zu erhalten. Dabei hat
ein Facebook Foto einen direkten Einfluss auf den realen Raum, in dem Freundinnen und
Freunde sich über ein Foto auch Face to Face über Posts (Beiträge) aus dem virtuellen
Raum austauschen.
Digitale Medien sind für Jugendliche in der Schweiz zu einem festen Bestandteil
geworden. Smartphones sind dabei sehr beliebt. Die Nutzung des Internets mittels
mobiler Lösungen (zum Beispiel Smartphones) wirkt sich auf die Freizeitgestaltung aus.
Aus Studien (zum Beispiel JAMES Studie) geht hervor, dass Freizeitaktivitäten wie Sport,
ein Instrument spielen etc. kaum rückläufig sind. Das Smartphone wird dabei zum
ständigen Begleiter. Daraus lässt sich schliessen, dass Neue Medien bestehende
Freizeitaktivitäten nicht verdrängen, ausschliessen sondern ergänzen.
Onlineaktivitäten wirken sich entsprechend zunehmend auch auf „Offlineaktivitäten“ aus.
Reale und virtuelle Räume scheinen zusammenzuwachsen. Durch diese bereits erwähnte
Hybridisierung (siehe Kapitel 2) sollte aus fachlicher Perspektive Reales und Virtuelles als
ein gesamtes dynamisches Gefüge betrachtet werden. Diese Erkenntnis bestätigt
wiederum den Begriff des virealen Sozialraums, da keine klaren Grenzen bestehen.
Gerade bei Jugendlichen scheint dies wichtig, weil „es zeigt sich, dass Jugendliche ihre
Aktivitäten zunehmend mit virtuellen Elementen anreichern oder in die virtuelle Sphäre
verlagern und dabei nicht nur passiv, sondern auch produktiv und sozial agieren“ (Unger,
2010, S.110).
In dieser Arbeit wird daher davon ausgegangen, dass neue Medien generell auf
Jugendliche wirken und umgekehrt. Jugendliche nutzen Medien und handeln darin,
wodurch sie etwas mit neuen Medien machen. Gleichzeitig wirken neue Medien auf
Jugendliche. Ausgangslage ist daher ein reziprokes Verständnis.
Franziska Sutter
Seite 37 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
4.1.1 Zwischen virtueller und realer Identität
Wie bereits erwähnt, scheint sich Virtuelles und Reales zu vermischen. Abgesehen
davon, ist jede Person real vorhanden, auch wenn dieser sich in einem virtuellen Raum
befindet. Ohne physische Handlung kommt man nach aktuellem Forschungsstand nicht in
einen virtuellen Raum. Es bedarf mindestens einer Fingerbewegung oder bei intelligenten
Technologien einer Augenbewegung oder der Stimme.
Photoshop und Co bieten unter anderem die Möglichkeit, die eigene Selbstdarstellung auf
einem Profil nach subjektivem Ermessen zu optimieren. Diesbezüglich scheint die Frage
interessant, ob Jugendliche andere Identitäten im Internet entwickeln? Falls dies zutrifft,
wie wirkt sich das auf die reale Identität aus und umgekehrt?
Aus der Vorlesung im Wahlpflichtmodul zu Online Games ist zu entnehmen, dass sich
Jugendliche, welche sich im realen Raum in Problemlagen befinden (Familiare Probleme,
kein Peer-Anschluss,…) teilweise in virtuelle Räume flüchten. Diese Flucht aus dem Alltag
wird auch Eskapismus genannt. Daraus kann sich bei stetig übermässigem Konsum
schlussendlich eine Online-Sucht entwickeln.
Bei Recherchen fand sich eine qualitative Analyse der Nutzung neuer Medien für
jugendliche Identitätsbildung unter besonderer Berücksichtigung des Chat. Diese gibt
einen Einblick zu Identitäten im realen und virtuellen Raum.
Die meisten interviewten Jugendlichen stellen sich virtuell und real gleich dar. Es wird
versucht, sich möglichst wahrheitsgetreu darzustellen:
„Ich möchte durch den Chat … nicht meine Persönlichkeit ändern … weil ich möchte
ja trotzdem noch ich bleiben …
… ich stell mich eigentlich ganz normal dar … ja, ich bin der und der … ähm, bin so
alt, komme hierher, mache das und das […] ich erzähl’ so von mir, wie ich wirklich bin
…“ (Misoch, 2006, S. 21).
Falls neue Realitäten im virtuellen Raum erschaffen werden, gelten diese wohl eher nur
für kurze Zeit. Oftmals geht es um geringfügige Veränderungen, beispielsweise beim
Alter, bei der Grösse oder bei Vorlieben.
Andere Identitäten darzustellen mache keinen Sinn. Online Kontakte möchten auch im
realen Raum gepflegt werden. Falls man sich treffe, möchte man keine unerwarteten
Überraschungen, auf Grund von Scheinidentitäten im virtuellen Raum (vgl. Misoch, 2006,
S. 21).
Franziska Sutter
Seite 38 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Jugendliche orientieren sich an gängigen Schönheitsidealen. Ein typischer Stereotyp für
männliche Jugendliche scheint momentan das Bild des durchtrainierten, athletischen,
grossgewachsenen Mannes. Das weibliche Schönheitsideal steht wohl eher für schlank,
grosse, blaue Augen, volle Lippen und eine ausgeprägte weibliche Körperform.
Ausgehend vom Beispiel der Entwicklungstheorie von Erickson können „Brüche“ in der
Bewältigungsphase entstehen. Sind Jugendliche mit dem eigenen Körper unzufrieden
oder haben wenig soziale Peerkontakte, kann ein Wunschbild für eine eigene Identität
entstehen. Durch die Orientierung an Anderen im Kontext mit der Befassung mit sich
selbst, scheinen automatisch Wunschidentitäten zu entstehen. Meist ist eine Person ihr
grösster Kritiker: Der Wunsch nach dem was nicht vorhanden ist, kann eigene
Ressourcen verblassen lassen. Gerade in der Jugendphase ist eine zentrale
Herausforderung die Bildung der Ich-Identität, welche in Wechselwirkung mit eigenen
Bedürfnissen und der Orientierung an Idolen, Peers etc. steht. Daraus lässt sich
schliessen, dass Jugendliche mit einer inkonstanteren Identität eher zu imaginären und
damit optimierten virtuellen Identitäten greifen.
Im virtuellen Raum geht es darum, ein Wunschbild zu präsentieren. Denn es ist ohne
grossen Aufwand möglich, Aussehen und Eigenschaften zu verändern. Auf Grund der
Studienergebnisse zeigt sich, dass solche Scheinidentitäten meist nur eine terminierte
Phase darstellen (vgl. Misoch, 2006, S.25).
Etwas weiter gedacht, bietet eine Scheinidentiät das Potential für einen neuen Blick auf
sich selbst. Jugendliche erfahren, wie sie mit einem veränderten Bild wirken. Durch das
Festmachen von Unterschieden und Gemeinsamkeiten wird ein reflexiver Prozess
gefördert, was sich durchaus positiv auf Selbst- und Sozialkompetenz auswirken kann.
4.1.2 Mögliche Wirkung auf reale Identität
Am Beispiel von Facebook können Jugendliche im Gegensatz zum realen Raum völlig frei
entscheiden und bestimmen, wie sie sich im virtuellen Raum darstellen. Mittels digitaler
Präsentation kann die eigene Person bewusst in Szene gesetzt werden. Soziale
Netzwerke eröffnen somit soziale Räume, die ein riesiges Spektrum an Möglichkeiten
zum Ausprobieren bieten.
Jugendliche
müssen
sich
im
virtuellen
Raum
nicht
direkt
Vorurteilen
oder
Erwartungshaltungen stellen, daher können eher introvertierte Jugendliche durch solche
Plattformen profitieren, sie sind weder direkt noch real damit konfrontiert. Dadurch wird
eine Art „Identitätsmanagement betrieben“ (Kneidinger, 2010, S.50).
Franziska Sutter
Seite 39 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
4.2 Selfies: Bildhafte Selbstdarstellung im virtuellen Raum
Das englische Wort Selfie wird im Oxford English Dictionary zum Wort des Jahres 2013
gekürt. Aktuell ist das Thema Selfie in aller Munde. Obwohl der Begriff bereits seit
längerem besteht, scheint dies momentan bei Jugendlichen ein richtiger Trend zu sein.
Um in dieses Thema einzusteigen, wird zuerst der Begriff geklärt. Anschliessend wird
Bezug auf Jugendliche genommen. Es soll ein Einblick gewährt werden, was Jugendliche
an Selfies fasziniert. Da gerade in Bezug auf die Selbstdarstellung genderspezifische
Stereotypen zu bestehen scheinen, findet eine Differenzierung statt.
4.2.1 Definition
Wie bereits erwähnt, stammt der Begriff Selfie aus dem Englischen. Der Ursprung ist
leider nicht genau bekannt. Internetrecherchen ergaben unterschiedlichste Erklärungen,
wobei es im deutschsprachigen Raum kaum veröffentlichte wissenschaftliche Studien
gibt. Erst kürzlich wurde eine Studie vom Institut für Jugendkulturforschung Österreich
veröffentlicht, welche später noch Verwendung findet.
Das Wort Selfie scheint es seit ungefähr 11 Jahren zu geben und erscheint erstmals in
Australien.
Im Oxford English Dictionary wird der Begriff Selfie wie folgt beschrieben: „A photograph
that one has taken of oneself, typically one taken with a smartphone or webcam and
uploaded to a social media website“ (oxforddicitionary, 2014).
Ein Selfie ist somit ein selbsterstelltes Foto, eine Aufnahme von sich selbst. Typisch für
ein Selfie ist zudem, dass es mit einem Smartphone oder einer Webcam aufgenommen
und auf eine Social Media Plattform ins Internet hochgeladen wird.
Nun stellt sich vielleicht die Frage, was dieser Hipe um Selfies soll, denn
Selbstaufnahmen mit dem Fotoapparat gibt es schon lange.
Auf der Suche nach geeigneten Quellen, zeigte sich, dass unterschiedlichste Typen von
Selfies bestehen. Dabei scheint es keine Grenzen zu geben. Über Massenmedien,
YouTube, Twitter oder auch Facebook werden Trends generiert. Teilweise scheint die
Faszination in der Groteske zu liegen oder ganz einfach lustig zu sein.
Franziska Sutter
Seite 40 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Beispiele für aktuell genutzte „Selfie – Typen“ bei Jugendlichen
Im folgenden Abschnitt werden keine spezifischen Quellen angegeben, da die
Informationen zusammengetragen sind aus Recherchen im Internet und eigenen
Beobachtungen im Bereich der Jugendarbeit. Es ist hinzuzufügen, dass dies nur ein
kleiner Ausschnitt darstellt und nicht als generalisierend für Jugendliche gesehen wird.
• Duckface
Eingesaugte Wangen und hervorgehobene Lippen, was wohl eher an einen Fischmund
erinnern lässt. Gerade weibliche Jugendliche scheinen daran Gefallen zu finden, wenn
man sich bei Facebook umsieht.
• Spiegel
Vor den Spiegel stehen und ein Foto machen. Dadurch wird ein Ganzkörperfoto
ermöglicht, was ohne Spiegel durch die Armlänge erschwert ist.
• Urlaub
Ein Selbstportrait mit der Landschaft vom letzten Urlaub im Hintergrund. Die
Freizeitgestaltung und damit auch Urlaub scheint bei Jugendlichen zentral. Denn gerade
in Peers geht es darum, sich zu präsentieren und zu positionieren. Zudem ist dieser
Aspekt stark mit dem sozialen Status verbunden, was teilweise zu Exklusion
(Ausgrenzung) in Peers führen kann.
• Belfie
Diese Art von Selfies scheint bei männlichen Jugendlichen zu polarisieren. Das B steht
dabei für body (Körper). Es geht darum den eigenen Körper zu fokussieren. Muskeln
sollen der Öffentlichkeit zugänglich werden. Die Rolle des starken Mannes scheint sich
darin zu verkörpern, was später noch etwas ausgeführt wird.
• Beerdigung
In einigen Zeitungen wurde über diesen Trend berichtet. Jugendliche scheinen sich dabei
an Beerdigungen abzulichten.
• Party
Wenn beispielsweise eine Homeparty stattgefunden hat, werden diese Eindrücke
festgehalten. Jugendliche die verhindert waren, können dabei am Geschehen teilhaben.
Franziska Sutter
Seite 41 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
• Freundinnen und Freunde
Es wurde in dieser Arbeit bereits erwähnt, dass Freundschaften und Peer für Jugendliche
zentral sind. In Folge dessen ist es nachzuvollziehen, dass dies auf Bildern gerne
festgehalten wird.
4.2.2 Mögliche Bedeutung von Selfies und genderspezifische Hinweise
Da zur bildhaften Selbstdarstellung kaum Literatur vorhanden ist, werden Inhalte zum
Thema Selbstdarstellung aus dem Netz verwendet. Wie in der ganzen Arbeit gilt auch hier
eine fachliche Perspektive.
Jugendliche nutzen Facebook, um anderen über ihr Leben und über ihre Aktivitäten zu
berichten. Seien es Bilder vom letzten Open-Air, von einer Home-Party, als Liebespaar
oder vom Urlaub. Nach dem Motto: „Bilder sagen mehr als tausend Worte“ scheint munter
fotografiert und gepostet zu werden.
Da sich im persönlichen Profil alles um sich selbst dreht, darf ein Selfie nicht fehlen.
Schaut man sich bei sozialen Netzwerken um, sind äusserst selten Landschaftsbilder bei
Jugendlichen zu entdecken. Gerade das Profilbild, das den ersten Eindruck einer Person
vermittelt, zeigt die meisten von ihrer „Schokoladenseite“. Klar scheint es auch im
virtuellen Raum sogenannte „Klassenclowns“ zu geben, welche sich gerne mit Grimassen
und unvorteilhaft in Szene setzen.
Dabei fällt eine Entwicklung auf. Vor ungefähr fünf Jahren war das weibliche
Schönheitsideal bei weiblichen Jugendlichen im Fokus. Aktuell sind auch männliche
Jugendliche an idealtypischen Erscheinungsbildern interessiert und scheinen sich
entsprechend zu präsentieren. Dahinter verstecken sich meist das traditionelle Rollenbild
des starken Mannes und der eher passiven, zurückhaltenden, attraktiven Frau.
In Zeitungsartikeln und im Fernsehen werden öfters Selfies von Mädchen gezeigt, welche
sich auf Plattformen, wie Facebook, freizügig und stark geschminkt präsentieren.
Die Prominenz macht es teilweise unvorteilhaft vor. Junge Mädchen machen es nach.
Einige Mädchen stellen sich daher im Netz sehr aufreizend dar. Sie machen einen
Schmollmund - Duckface, zeigen Dekolleté oder lassen sich in knapper Kleidung
fotografieren, um die Aufnahme danach als Profilbild auf beispielsweise Facebook zu
laden. Diese Mädchen scheinen ein Rollenbild der Frau als eine Art Lustobjekt zu
manifestieren. Mädchen scheinen mit ihrem eigenen Körper zu experimentieren.
Sie stellen verschiedene Fotos auf ihre Profile. Andere Jugendliche können diese Fotos
einfach und schnell kommentieren, indem sie die „gefällt mir“ Taste drücken oder einen
kurzen Text, Kommentar schreiben. In den Textnachrichten bedienen sich Jugendliche
ihrer eigenen Symbole.
Franziska Sutter
Seite 42 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
So grenzen sie sich nicht nur von der Erwachsenenwelt ab, sondern schaffen gleichzeitig
ihren eigenen Experimentierraum zur Erprobung sozialer Rollen und normativen Grenzen
(vgl. Böhnisch, Lenz, & Schröer, 2009, S.120-124)
Ein wichtiges Medium der Onlineselbstdarstellung sind demnach Fotos, im Speziellen das
Profilbild. Es ist die erste visuelle Botschaft, die ein Facebook-Profil vermittelt.
Darüber entsteht der erste Eindruck über User und Userinnen. Anhand dieser Bilder
versuchen Jugendliche sich so zu zeigen, wie sie von anderen gesehen werden wollen.
Jugendliche sagen häufig, dass das Bild etwas Besonderes sein oder zur aktuellen
Situation passen sollte. Nicht nur Profilbild und Titelbild erfüllen wichtige Funktionen in der
Selbstpräsentation im Internet. Selbst gemachte Fotos ermöglichen es, Erlebnisse zu
teilen. Bilder können so als Erinnerungen archiviert werden. Wer erzählt schon nicht
gerne eine Geschichte zu Bildern - „weisst du noch damals als wir im Klassenlager…“?
Aus der JAMES - Studie 2012 geht hervor, dass neben Facebook, YouTube stark genutzt
wird. Auch in anderen Netzwerken oder Facebook scheinen zunehmend Videos
hochgeladen zu werden. Im Gegensatz zu statischen Bildern bieten Videos mit bewegten
Bildern und Ton einen umfangreicheren Eindruck.
Im Allgemeinen scheint das Thema Selfie und Jugend eher negativ behaftet zu sein.
Hierbei stellt sich die Frage, weshalb in der Erwachsenenwelt eine eher negative
Wahrnehmung herrscht, denn sozialisatorisch ist die Selbstinszenierung Jugendlicher ein
wichtiger Prozess zur Selbstfindung. Durch Rückmeldungen von Gleichaltrigen/Peers
findet eine Auseinandersetzung mit dem Selbst statt, wie wirke ich, wie soll oder wie
möchte ich sein, was durchaus positiv ist.
Schlussendlich sind bei Jugendlichen Selfies nicht mehr wegzudenken. Daher sollte
dieses
Thema
stärker
in
den
Fokus
rücken,
jedoch
nicht
basierend
auf
Negativschlagzeilen.
Das Institut für Jugendkulturforschung Österreich veröffentlicht zu diesem Thema eine
Online - Studie „Generation Selfie“ (vgl. Grossegger & Schorn, 2014).
Jüngere weibliche Jugendliche (14 - 17 Jahre) scheinen am meisten von Selfies
Gebrauch zu machen. Sie machen 59 Prozent der bildhaften Selbstdarstellenden aus.
Jugendliche agieren dabei als Reporterinnen, Reporter eigener Sache. Folgend
präsentieren sie sich in den Selbstporträts an den aktuell gängigen ästhetischen
Standards. Die Studienleiterin Beate Grossegger kommentiert dies wie folgt: „In gewisser
Weise ist die Generation Selfie eine Generation von Normopathen, die sich lieber am
Geschmack der Masse orientiert, als eigenwillig mit Individualität zu experimentieren und
Franziska Sutter
Seite 43 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
im Körperbild ganz bewusst auf Brüche mit der Norm zu setzen“ (Grossegger & Schorn,
2014).
In der Jugendphase ist Abgrenzung und eine persönliche Identitätsfindung vordergründig,
was eher konträr zu dieser Aussage ist. Jugendliche orientieren sich aber auch zur
Identitätsbildung an Personen, welche aus subjektiver Perspektive idealtypisch sind.
Durch das Social Web entstehen vireale Sozialräume, wo Abgrenzung nicht mehr
ersichtlich scheint. Social Network Plattformen basieren auf Vorlieben und zeigen eher
das Potenzial von Personen. Jugendliche wählen dabei gezielt, aus einem riesigen
Spektrum an Möglichkeiten. In dem, dass beispielsweise „gefällt mir“ Spaghetti,
Kinderschokolade, Eminem, Transfomers etc. gesetzt wird, schliessen sich andere Dinge
aus. So ist eine Abgrenzung ebenfalls gegeben. In Folge dessen wird der Begriff des
„Normopathen“ kritisch betrachtet.
Durch eigene Beobachtungen und dem direkten Austausch wird daher davon
ausgegangen, dass Jugendliche Individualität, Eigenwilligkeit im virealen Raum immer
noch fokussieren. Im World Wide Web wird Individualität, Abgrenzung weniger ersichtlich
auf Grund des fehlenden Austauschs. Denn Inhalte eines Profils werden oft als gegeben
betrachtet und nicht hinterfragt, wodurch auch nicht klar ist ob etwas auf Abgrenzung zielt
oder auf den „Geschmack der breiten Masse“.
Für Jugendarbeitende scheint dementsprechend wichtig, sich aktiv mit dieser Thematik
auseinanderzusetzen.
4.3 Die Bedeutung von Freundschaft im virealen Raum
Heute scheint der Begriff der Freundschaft weitgefächert zu sein. Kann man 400
Facebook „Freunde“ tatsächlich als Freundinnen oder Freunde bezeichnen? Folgend wird
versucht einen Überblick zum Thema Freundschaft und virtueller Raum zu erarbeiten.
Während der Jugendphase findet eine Differenzierung von Sozialbeziehungen statt.
Dabei wird nach Beziehungsqualität unterschieden.
Es bestehen dyadische Beziehungen, welche oft gleichgeschlechtlich sind. Gerade im
Jugendalter findet jedoch auch eine Orientierung am anderen Geschlecht statt, erste
Liebesbeziehungen können daraus entstehen. Zweierbeziehungen können vom engen
Freund, den man seit dem Kindergarten kennt, bis hin zum „Kumpel“ oder dem völlig
lockeren Kontakt beispielsweise im Ausgang reichen.
Peergroup und Cliquen sind ebenfalls ein wichtiger Bestandteil. Ein Grossteil der Freizeit
wird in diesen Konstellationen verbracht (vgl. Trost, 2013, S.27-33).
Franziska Sutter
Seite 44 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Dabei ergeben sich acht Charakteristika zum Begriff Freundschaft bei Jugendlichen
(keine chronologische Reihenfolge). Diese müssen nicht alle zutreffen, dienen jedoch als
Überblick für ein Grundverständnis:
• Prozess
Die Freundschaftsqualität nimmt durch die Dauer der Beständigkeit einer Beziehung zu.
Zudem findet eine Entwicklung statt.
Mit der Zeit werden beispielsweise mehr Handlungsspielraum zugetragen. Zentrale
Interessen, welche zu Beginn eine Freundschaft ausmachen, treten in den Hintergrund.
Durch eine langandaurende Beziehung wird schlussendlich die Person mit all seinen
Ecken und Kanten fordergründig.
• langfristige Bindung
Das Ziel einer Freundschaft ist grundsätzlich die Langfristigkeit. Während der
Jugendphase
gehen
Freundschaften
im
Vergleich
zu
Erwachsenen
schneller
auseinander. Es finden ebenfalls mehr Wechsel statt. Diese Umorientierung ist für die
Jugendphase völlig normal, da diese Phase nicht von Konstanz sondern von vielen
Veränderungen geprägt ist.
• autonome Bindung
Freundschaften basieren auf Freiwilligkeit. Sie zeichnen sich durch informelle, offene
Strukturen aus. Freundschaft basiert auf Zweiseitigkeit, da diese immer von beiden Seiten
aus gegeben sein muss. Hierarchische Strukturen oder Sanktionen sind eher unüblich,
was bei Jugendlichen teilweise jedoch der Fall ist. Die Kontrolle und Handhabung der
Freundschaft obliegt dabei den Beteiligten selbst.
• sozial konstituierte Bindung
Jugendfreundschaften entstehen üblicherweise im sozialen Nahraum, aus dem sozialen
Umfeld. Gleichgeschlechtliche Freundschaften sind vordergründig. Liebesbeziehungen
werden immer wichtiger.
Grundsätzlich sind gemeinsame Interessen oder Freizeitaktivitäten bei Jugendlichen von
hoher Relevanz.
Durch eine räumliche Distanz werden Freundschaften Jugendlicher schneller aufgelöst
als im Erwachsenenalter. Durch Social Network und daraus resultierenden virealen
Sozialräumen wird räumliche Distanz immer weniger relevant. Denn Kontakte können
über Facebook unabhängig einer Distanz gepflegt werden.
Franziska Sutter
Seite 45 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
• Sozialisationsinstanz
Freundschaften und Peers haben gegenüber dem formellen Kontext Schule oder auch
dem erziehenden Kontext Familie eine weitere wichtige Sozialisierungsfunktion. Die
persönliche Entwicklung, wie beispielsweise Sozialkompetenzen werden gefördert.
Jugendliche erlernen Werte und Normen oder auch Sanktionen aus einer subjektiven
Perspektive ohne den direkten Einfluss „der Erwachsenenwelt“.
• Intimbeziehung
Freundschaft basiert auf gegenseitigem Vertrauen. Geständnisse oder persönliche
Offenbarungen fördern dieses Vertrauen, was eine Freundschaft festigt.
• Unterstützungsbeziehung
Eine Freundschaft exisiert durch Wechselseitigkeit. Beide Personen oder in Peergroups
müssen alle Mitglieder in eine Beziehung investieren. Es ist ein „Geben und Nehmen“. Ist
dieses Verhältnis asymmetrisch, kann dies zur Beendigung einer Freundschaft führen.
• Privatbeziehung
In Privatbeziehungen werden Inhalte grundsätzlich nicht mit anderen geteilt. Social Media
Plattformen sprechen gegen Privatbeziehungen. Gerade Jugendliche posten gerne ihren
Beziehungsstatus öffentlich oder posten aus der Perspektive der Erwachsenen intime
Inhalte (vgl. Trost, 2013, S.43 - 45).
Daher wird der Begriff der Privatheit in Bezug auf Jugendliche kritisch betrachtet. Eine
neue Begriffsdefinition und vor allem die fachliche Auseinandersetzung mit diesem Thema
scheint sinnvoll.
Social Media verändert Sozialbeziehungen. Einerseits sind Freundschaftsbeziehungen
distanzungebunden und andererseits bietet sich eine Vielfalt an Medien, um in
Kommunikation zu treten (vgl. Trost, 2013, S.46).
Ob am Computer zu Hause oder in der Schule, mit dem Smartphone im Zug oder auf den
Malediven. Es besteht die Möglichkeit, so gut wie überall und zu jeder Zeit online zu sein
und mit Freunden in Verbindung zu treten.
Es findet entsprechend eine „Entgrenzung der Freundschaft statt. Diese Entgrenzung ist
auf vier Ebenen zu beobachten“ (Trost, 2013, S.159). Diese vier Ebenen beziehen sich
auf:
• Raum
Wie erwähnt ist Freundschaft räumlich ungebunden, ob virtuell, real oder lediglich örtlich.
Zudem können Jugendliche ihre Freundschaften in verschiedenen Sozialräumen
beziehungsweise in verschiedenen Lebensbereichen pflegen.
Franziska Sutter
Seite 46 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
• Zeit
Permanent online? Die aktuelle Jugend ist oft wenn nicht sogar permanent online, was
unter anderem auch durch das kostenfreie WLAN ermöglicht wird.
Freundschaft ist somit nach Bedürfnis zu jedem Zeitpunkt verfügbar.
• Sozial
Um vernetzt zu sein bedarf es eines hohen Masses an Partizipation und Engagement.
Jugendliche müssen aktiv werden, um Freundschaften zu erhalten. Nicht die typischen
Zweierbeziehungen sind vordergründig, sondern die Vernetzung. Vernetzung fördert so
die Inklusion Jugendlicher.
• Kollektiv
Das permanente Vorhandensein im virtuellen Raum führt zu einem kollektiven
Verständnis. Durch Facebook können persönliche Bedürfnisse geiteilt werden. Die
Sorgen einzelner Jugendlicher werden zum Kollektiv (vgl Trost, 2013, S.159).
Anzahl Freundinnen, Freunde oder Likes scheinen für Beliebtheit zu stehen. Aus welchem
Grund bekommt man sonst täglich Freundschaftsanfragen von Personen, die man
überhaupt nicht kennt?!
Durch virtuelle Freunde scheint sich das Freundschaftsverständnis zu verändern. Denn
ein Durchschnittsmensch pflegt wahrscheinlich um die sechs Freundschaften, definitiv
nicht 300.
Für Jugendliche, wo Peers im Vordergrund stehen, scheint daher Freundschaft ein
wichtiger Aspekt zu sein. Zum Thema Freundschaft und virtueller Raum besteht aktuell
wenig Literatur. Dieses Thema wird gerade auch bezüglich Sozialisation als relevant
betrachtet. Daher wird folgend versucht, sich mit der Bedeutung von Freundschaft im
virealen Raum auseinanderzusetzen.
Franziska Sutter
Seite 47 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Wie bereits erwähnt, besitzen drei Viertel der Schweizer Jugendlichen ein eigenes
Facebook Profil. 53% haben mehr als 300 Facebook Freunde (Willemsel, Waller & Süss,
2013), was diese Grafik veranschaulicht:
Abbildung 3
Über 300 Freundschaften ist eine enorme Zahl. Zudem verdeutlicht diese Grafik
nochmals, dass Facebook bei Jugendlichen in der Schweiz am meisten verwendet wird.
Bei dieser Anzahl an Freundschaften stellt sich die Frage, inwiefern man sich dabei
wirklich noch kennt - denn früher oder später wird das Namensgedächtnis auf die Probe
gestellt. Jemandem kurz die Hand schütteln und schon entsteht eine Facebook
Freundschaftsanfrage? Daher stellt sich die Frage, ob Freundschaft im Sinne einer
engeren und über einen längeren Zeitraum bestehenden Beziehung noch gegeben ist?
Freundeslisten veranschaulichen, wer mit wem in Beziehung steht. Sie zeigen auf, wer
Freunde hat und wer nicht, dabei ist nicht ersichtlich, wie nahe diese Beziehungen im
realen Leben sind, sofern diese überhaupt im realen Raum bestehen.
Die qualitativ - empirische Studie (qualitative Befragung Jugendlicher zwischen 15 und 18
Jahren bezüglich der Bedeutung von Facebook für das Freundschaftsverständnis) von
Trost deutet darauf, dass der Grossteil von Freundschaften in der Jugendphase keine
massiven Unterschiede zwischen real und virtuell aufweist. Meist treffen sich Freunde aus
dem realen Leben ebenso in virtuellen Räumen und umgekehrt (vgl. Trost, 2013).
Franziska Sutter
Seite 48 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Der Freund oder die Freundin aus einer Schulklasse ist somit in der virtuellen
Freundschaftsliste enthalten. Ebenso wird es bei Freundschaften in der Freizeit,
beispielsweise in einem Volleyballclub sein. Das passende „Outfit“, zu erledigende
Hausaufgaben, Lehrerstreiche etc. können virtuell ausgetauscht und schlussendlich im
realen Raum umgesetzt werden, ohne weite Fussmärsche auf sich zu nehmen.
Eigene Beobachtungen und der Austausch mit Jugendlichen im professionellen Kontext
(Jugendarbeit) ergeben ähnliche Rückschlüsse. Grundsätzlich zeigt sich jedoch auch,
dass einige Jugendliche geradezu Freundschaften virtuell sammeln. Es wird in Peers
verglichen, wer wie viele Freunde vorweisen kann. Daher scheint eine lange
Freundesliste eine Art Statussymbol zu sein. Basierend darauf steht auch der Titel dieser
Arbeit. Denn Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren identifizieren sich wohl über die
Anzahl likes und eben auch Freundschaften. Der Austausch mit anderen Fachleuten im
Bereich der Jugendarbeit hat gezeigt, dass dieses Verhalten hauptsächlich auf die
erwähnte Altersgruppe zutrifft. Dies lässt sich auch sozialisatorisch begründen, denn
durch eine gefestigte Ich-Identität und oder dem Eintritt ins Berufsleben der Erwachsenen
verliert das Bedürfnis sich vor anderen zu behaupten an Bedeutung.
Freundschaften aus dem realen Raum sind jedoch immer im virtuellen Raum enthalten,
sofern diese Jugendlichen über ein Facebook-Profil verfügen. Daraus lässt sich
schliessen, dass heutzutage Facebook-Freundschaften für Jugendliche bedeutend sind.
Noch wichtiger sind jedoch immer noch die Freundschaftsbeziehungen im realen Raum.
Die Jugend von heute scheint den Transfer zwischen real und virtuell im Allgemeinen
gelungen zu managen.
5 Mögliche
Rückschlüsse
für
den
Bereich
der
offenen
Jugendarbeit
5.1 Offene Jugendarbeit in der Schweiz
Der
Dachverband
offene
Jugendarbeit
(DOJ)
beschreibt
offene
Jugendarbeit
folgendermassen: „Die offene Jugendarbeit ist ein Teilbereich der professionellen
Sozialen Arbeit mit einem sozialräumlichen Bezug und einem sozialpolitischen,
pädagogischen und soziokulturellen Auftrag. Ziel der offenen Jugendarbeit ist es, dass
Jugendliche im Gemeinwesen partnerschaftlich integriert sind, sich wohl fühlen und an
den Prozessen unserer Gesellschaft mitwirken.“ Dies bedeutet: Ressourcen vor Defizite
stellen, Selbstwert aufbauen, Identifikation mit der Gesellschaft schaffen, integrieren und
Gesundheitsförderung betreiben.
Franziska Sutter
Seite 49 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Offene Jugendarbeit grenzt sich von verbandlichen oder schulischen Formen von
Jugendarbeit dadurch ab, dass ihre Angebote ohne Mitgliedschaft oder andere
Vorbedingungen von Jugendlichen in der Freizeit genutzt werden können.
Es werden drei Grundprinzipien verfolgt:
• Offenheit (konfessionell und politisch neutral, offen für Veränderungen, Vielfalt
bezüglich Dienstleistungen, Arbeitsmethoden und Zielgruppen)
• Freiwilligkeit (Angebote in der Freizeit, unterstützt Selbstbestimmung,
ermöglicht Partizipation)
• Partizipation (Beteiligung, Mitwirkung und Mitbestimmung und
Freiwilligkeit)
(vgl. Dachverband offene Kinder- und Jugendarbeit in der Schweiz, 2011)
5.2 Rückschlüsse und mögliche zukünftige Veränderungen
In der Fachzeitschrift Sozial Aktuell benennt Barbara Beringer die Online Präsenz sehr
treffend mit dem Titel: „Soziale Arbeit: Präsenz markieren:
Die Soziale Arbeit setzt sich mit den Tücken und Chancen von Social Media auseinander
und eignet sich Medienkompetenz an.
Dies beinhaltet: • Kennenlernen des «Facebook-Prinzips»; bzw. der Art und Weise, wie
Facebook persönliche Daten sammelt und diese innerhalb der
Facebook-Gemeinde vernetzt
• Kennenlernen des «Twitter-Sogs» mit seiner permanenten Aktualität
und Informationsflut
• Auseinandersetzung mit dem Persönlichkeitsschutz…
• Die Soziale Arbeit erhält mit Social Media Kommunikationskanäle für
den beruflichen Austausch…“ (Beringer 2012)
Unter dem Titel „Soziale Arbeit goes digital“ werden in der Fachzeitschrift „Sozial Aktuell“
neue Arbeitsgebiete und Kommunikationswege in der sozialen Arbeit beschrieben. Die
Mediatisierung bedingt auch einen Wandel in der Jugendarbeit. Online-Beratung oder
Facebook als Kommunikationsmittel bieten neue Wege, um mit Jugendlichen zu
interagieren. (vgl. Kutscher, 2014, S.39-41)
Die Mobile Jugendarbeit Basel und Riehen hat dahingehend ein Konzept „zur
Verwendung von Facebook in der Jugendarbeit“ erstellt (Fuchs & Goldoni , 2011). Dieses
Konzept verwendet Facebook und wird daher kurz vorgestellt. Denn es stellt ein
mögliches Beispiel dar, wie Fachkräfte im Bereich der Jugendarbeit Angeboten nach den
aktuellen Bedürfnissen Jugendlicher nachgehen könnten.
Franziska Sutter
Seite 50 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
In Folge dessen sollte im professionellen Kontext der Jugendarbeit Facebook zunehmend
mitgedacht werden. Natürlich gilt das nicht nur für Facebook sondern meint den virtuellen
Raum im Allgemeinen. Online Games, YouTube oder WhatsApp sind weitere Beispiele.
In den vorhergehenden Kapiteln ist dargestellt, dass Facebook ein wichtiger Bestandteil
im Alltag von Jugendlichen ist, was dieses Konzept ebenfalls enthält.
Facebook in der Jugendarbeit scheint heutzutage wichtig, um wirkungsvoll zu
kommunizieren.
Zudem ergeben sich Ersparnisse, da sich das Erstellen von gedruckten Programmen oder
Flyern erübrige. Um mit Jugendlichen in Kontakt zu treten, ist aber dafür das Erstellen und
Pflegen eines Facebook - Profils oder einer Homepage zeitintensiv.
Eine Nachricht erreicht eine grosse Anzahl von Jugendlichen gleichzeitig, was
erleichternd im Arbeitsalltag sei.
Schlussendlich sollen sich Fachkräfte dorthin bewegen, wo Jugendliche sind.
Facebook oder Social Media bieten die Möglichkeiten für eine kombinierte Nutzung von
Facebook und beispielsweise YouTube. So können Medienprojekte entstehen.
Facebook kann aus fachlicher Perspektive als Werkzeug für folgende Beispiele dienen:
• jugendpolitische Anliegen
• Freizeitgestaltung
• Austausch von aktuellen Themen, etc.
Abschliessend geht hervor, dass das Fehlen eines digitalen Zugangs zum Sinken von
Kontaktzahlen führe (vgl. Fuchs & Goldoni , 2011, S.11).
Eigene Praxiserfahrung im Bereich der Jugendarbeit hat gezeigt, dass die Nachfrage an
Social Media sehr gross ist. Somit werden digitale Medien zum wiederkehrenden Thema
im Arbeitsalltag. Facebook oder eine Website scheint den Kontakt zu Jugendlichen zu
fördern. Im virtuellen Raum findet eher eine ungezwungenere und kürzere Kommunikation
statt, was einen schnellen Austausch ermöglicht.
Ob online oder offline scheint nicht alleinig ausschlaggebend zu sein, ob Jugendliche das
Angebot der Jugendarbeit wahrnehmen oder nicht.
Kurzum, es ist grundsätzlich dieselbe Tätigkeit, welche Jugendarbeitende im realen Raum
ausführen, sei dies mit oder ohne Social Media. Aber mit Social Media verändert sich die
Umgebung und kann daher als ergänzendes Werkzeug für die alltägliche Arbeit betrachtet
werden (vgl. Fuchs & Goldoni , 2011, S.19).
Detaillierte Ausführungen finden sich für Interessierte im erwähnten Konzept und werden
hier nicht weiter ausgeführt.
Franziska Sutter
Seite 51 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Potenzielle Informationsplattformen für Fachkräfte
In der Schweiz, Deutschland und Österreich gibt es einige Informationsplattformen zum
Thema Social Media und Jugend. Ob Informationen für Jugendliche, Eltern oder
Fachkräfte - die Auswahl ist gross.
Nicht alle Quellen werden dabei als geeignet gesehen. Gute Quellen sollten überblickbar
sein und verständliche fachliche Informationen enthalten.
Aktuelle Informationsquellen in der Schweiz informieren über Präventionsmöglichkeiten,
aktuelle Fachdiskurse geben Tipps im Umgang mit Medien, etc.
Diese Zusammenstellung ist auf dem Hintergrund entstanden, dass sich die Suche nach
guten fachlichen und informativen Quellen während der Recherchen für diese
Bachelorarbeit als sehr zeitintensiv herausstellte.
Folgend ist eine Auswahl (bezogen auf die Schweiz), die aus fachlicher Perspektive als
relevant gesehen wird, mit einer Kurzbeschreibung angeführt.
Für Fachkräfte sind folgende Informationsquellen hilfreich:
• http://www.jugendundmedien.ch/
Informationsportal zur Förderung von Medienkompetenzen. Darin besteht spezifisches
Material für Fachpersonen, Lehrpersonen und Eltern.
• http://medienblog.doj.ch/
Dieser Medienblog des Dachverbandes der offenen Jugendarbeit Schweiz enthält
unterschiedliche Rubriken. Von Fachtexten bis zur einfachen Beschreibung von
YouTube ist einiges enthalten.
• http://www.infoset.ch/
Enthält vor allem Informationen zu neuen Medien in Bezug auf Sucht und Prävention.
• http://www.ism-info.de/
Fachportal zur Medien- und Informationskompetenz. Darin sind einige fachliche
Literaturhinweise enthalten.
• http://www.skppsc.ch/
Die Schweizerische Kriminalprävention bietet unter der Rubrik Internet zahlreiche
Informationen zum Thema Schutz und Sensibilisierung. Es bestehen Inhalte für Eltern,
Fachkräfte und Kinder. Diese Plattform bietet zudem einige geeignete Infobroschüren.
Franziska Sutter
Seite 52 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
5.3 Herausforderungen
In jeglichen Arbeitsbereichen der Sozialen Arbeit sind Professionelle mit dem Thema
Social Network konfrontiert. Einerseits kann beispielsweise Medienpräsenz zum Thema
einer Organisation werden oder die Klientel nutzt Social Network. Je nach Zielgruppe
variieren die Herausforderungen auf Grund unterschiedlicher Bedürfnisse. Daher wird in
dieser Arbeit der Fokus auf Jugendliche im Bereich der offenen Jugendarbeit gelegt.
Denn für Jugendarbeitende ist es zentral, sich am aktuellen gesellschaftlichen Wandel zu
orientieren, um das Angebot für Jugendliche attraktiv zu halten. Was bedeutet das nun für
die offene Jugendarbeit?
In Folge der vorhergehenden Kapitel ergeben sich vier zentrale Herausforderungen:
Es besteht eine Herausforderung in der Fachkompetenz, also zu wissen, wie
beispielsweise Facebook genau funktioniert, welche Chancen und Risiken bei der
Nutzung bestehen, warum sich Jugendliche darin aufhalten und welcher Bedarf, welche
Bedürfnisse bestehen. Durch die schnellen Veränderungen im technologischen Bereich
ist Aktualität unerlässlich. Was heute für Jugendliche „top“, hat morgen vielleicht schon
keine Bedeutung mehr.
Zudem scheinen virtuelle Räume schwieriger zu fassen - man kann nicht einfach auf den
Fussballplatz gehen und beobachten wie beispielsweise zwei Peers rivalisieren.
Beobachten lässt sich nur was, beziehungsweise worin Jugendliche Einsicht gewähren
oder wenn Vorgänge auf Facebook einen Einfluss auf das Verhalten eines Jugendlichen
haben. Wenn man ein verändertes Verhalten feststellt, ist oftmals bereits viel Zeit
vergangen. Für Jugendarbeitende scheinen daher Kommunikation, Beziehungsarbeit und
der offene Umgang in und mit virtuellen Medien zentral.
Ein verändertes Freizeitverhalten bedeutet auch, dass die Jugendarbeit eine Anpassung
benötigt. Das Angebot nach den Bedürfnissen Jugendlicher zu richten, wie zum Beispiel
Kurse zur Gestaltung einer Homepage, Computerkurse, Filmgestaltungsworkshops
fördern Jugendliche im Umgang mit neuen Medien und macht die offene Jugendarbeit
gleichzeitig attraktiv. Im Weiteren ist mobile Jugendarbeit eine Möglichkeit, welche nicht
mehr örtlich gebunden ist. Jugendarbeitende gehen dort hin wo die Jugend ist und nicht
umgekehrt. Diese Beweglichkeit scheint zur aktuellen sich schnell wandelnden
Gesellschaft zu passen.
Abschliessend wird die Schwierigkeit darin gesehen, Handlungsspielräume auszuloten, in
denen Jugendliche gefördert oder behindert werden. Es besteht ein Spannungsfeld
zwischen Chancen und Risiken.
Franziska Sutter
Seite 53 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Daraus lässt sich schliessen, dass es einerseits einer Sensibilisierung Jugendlicher im
Umgang mit neuen Medien bedarf. Andererseits ist, wie erwähnt, gerade in der
Jugendphase das eigenständige Ausloten, das sich Ausprobieren wichtig. Ein individuell
angemessener Mittelweg im professionellen Rahmen zu finden, ist letztendlich die
zentrale Herausforderung.
Während dem Verfassen dieser Arbeit hat sich, durch die intensive Auseinandersetzung
mit dem Thema Social Media gezeigt, dass Prävention, Schutz oder auch Risiken in
Fachdiskursen, in der Praxis, in der Schweizer Gesellschaft polarisieren. Prävention wird
im Bereich der Sozialen Arbeit als wichtig erachtet.
Professionelles Handeln bedeutet jedoch stets, dass einerseits der Handlungsrahmen
(gesellschaftliche Werte/Normen, Gesetze, etc.) eingebunden und andererseits auch die
Lebenswelt der Adressaten miteinbezogen wird (vgl. von Spiegel, 2011, S.37). Dieses
Spannungsfeld zwischen Hilfe und Kontrolle ist in der Sozialen Arbeit allgegenwärtig.
Im Zentrum sollte jedoch nicht nur Prävention und Kontrolle, sondern auch die Klientel,
hier Jugendliche, als Experten ihrer selbst stehen. Daher sind Ressourcen und deren
individuelle Nutzen für Jugendliche ebenso zentral, was basierend auf aktueller Literatur
und Quellen eher hintergründig ist.
Gerade in der Jugendarbeit ist auf Grund der Freiwilligkeit, individuelle Bedürfnisse aus
der Perspektive Jugendlicher zu kennen beziehungsweise zu erkennen ein zentraler
Aspekt. Mittels dieser Perspektive können attraktive Angebote für Jugendliche generiert
werden.
Das wusste schon der griechische Philosoph Heraklit vor über 2500 Jahren. Er beschreibt
damit treffend die Herausforderung, sich mit Veränderungen zu beschäftigen, denn:
„Nichts ist so beständig wie der Wandel“.
Franziska Sutter
Seite 54 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
6 Fachliches Fazit
Zusammenfassend
lässt
sich
sagen,
das
Social
Network
eine
zentrale
Sozialisationsinstanz für die aktuelle Jugend ist. Denn Jugendliche nutzen Smartphones
und vor allem Facebook täglich, was verschiedene Studien belegen, so auch die
verwendete JAMES Studie.
Social Network Plattformen nutzen Jugendliche unter anderem zur Bewältigung von
Entwicklungsaufgaben. Daher ist dem sogenannten Web 2.0 und digitalem Social Media
im Allgemeinen eine hohe Sozialisationsrelevanz zuzuschreiben. Im Weiteren ist das
Erlangen
von
Medienkompetenz
das
Sozialisationsziel
in
Bezug
auf
digitale
Mediensozialisation.
Online Netzwerke können dabei ebenfalls als Sozialräume betrachtet werden. Es findet
eine Hybridisierung von realen und virtuellen Räumen statt, was auch unter dem Begriff
virealer Sozialraum zu verstehen ist. Sozialräume stehen reziprok zueinander, wodurch
eine Dynamik, Wechselbeziehung besteht.
Virtueller Raum bietet Jugendlichen neue Handlungsmöglichkeiten, wo sie nicht unter
elterlicher Kontrolle stehen. Jugendliche können sich darin fernab von gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen und Erwartungshaltungen ausprobieren. Es besteht Raum, in dem
nach subjektiver Vorstellung und durch die eigens bestehenden Ressourcen eine
persönliche Identität entwickelt werden kann. Die virtuelle Identität kann im Gegensatz zur
realen Identität nach Belieben verändert werden.
Das Internet bietet viele positive Möglichkeiten für Jugendliche. Genauso wie im realen
Leben bestehen auch negative Aspekte. Cyberbullying, Sexting, Online-Mobbing oder
Internetsucht sollten nicht übersehen werden.
Trotzdem wurde in dieser Arbeit dieses Thema kaum erwähnt, weil es im Allgemeinen
polarisiert, bekannt ist und der Mehrwert von Social Media für Jugendliche deshalb
oftmals vernachlässigt wird. Für den professionellen Kontext der Sozialen Arbeit wird es
als wichtig erachtet, gesellschaftliche Entwicklungen zu beobachten, zu reflektieren und
kritisch
zu
hinterfragen.
Gerade
im Bereich
der Jugendarbeit
ist
Prävention,
beziehungsweise eine Sensibilisierung im Umgang mit neuen Medien sinnvoll. Ebenso
hervorzuheben ist auch der Mehrwert, Nutzen von neuen Medien für Jugendliche. Denn
für Jugendliche bieten Social Network Plattformen wertvolle Ressourcen. Es bietet
Jugendlichen beispielsweise die Möglichkeit sich flexibel mit der eigenen Identität
auseinanderzusetzen, ein Austausch über Facebook mit Freundinnen oder Freunden
fördert soziale Kontakte, etc. Chancen, wie auch Risiken verdeutlichen die Wichtigkeit für
einen verantwortungsvollen Umgang mit Social Media.
Franziska Sutter
Seite 55 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Dahingehend wird ein Nachholbedarf bezüglich Forschung im Bereich Mediennutzung
und Medienhandeln aus der Perspektive von Jugendlichen gesehen. Ein Grossteil der
Fachliteratur, Studien oder Quellen umfasst zwar dieses Thema, jedoch aus der
Perspektive der Fachkräfte, der Erwachsenenwelt. Im Bereich der Sozialen Arbeit ist eine
Subjektivperspektive jedoch ebenso zentral. Denn was für erwachsene Personen als
sinnlos erachtet wird, kann für Jugendliche durchaus bedeutungsvoll sein.
Nach der intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Social Media im Rahmen der
Bachelorarbeit stellt sich daher heraus, dass für eine weitere Arbeit, eine empirische
Untersuchung anstelle dieser literarischen Arbeit vorgezogen würde. Dadurch könnten
beispielsweise Handlungsweisen fundierter hervorgehoben werden.
Die offene Jugendarbeit ist durch Freiwilligkeit gekennzeichnet. Daraus lässt sich
schliessen, dass es an attraktiven Angeboten, nach den aktuellen Bedürfnissen
Jugendlicher, bedarf. In der offenen Jugendarbeit können Jugendliche im Umgang mit
Social Media Plattformen, ergänzend zur Familie oder auch Schule, gefördert werden.
Durch den aktiven Austausch mit Jugendlichen wird ein subjektiver Zugang ermöglicht.
Jugendarbeitende erlangen dadurch Informationen was Jugendliche beispielsweise zu
Facebook bewegt oder weshalb gerade das Profilbild wichtig ist. Solche Informationen
sind im Professionellen Kontext bedeutend, um einerseits einen Zugang zu Jugendlichen
zu gewährleisten und andererseits beispielsweise zur Prävention. Als übergeordnete
Rahmenbedingungen gelten das gängige Werte- und Normensystem, wie auch
Rechtsgrundlagen der Schweizer Gesellschaft.
Abschliessend lässt sich basierend auf den Inhalten dieser Arbeit die Fragestellung
folgendermassen beantworten: Social Network hat eine zentrale Sozialisationsrelevanz in
der Jugendphase und ist eng mit dem Thema Sozialraum verbunden.
Jugendliche nutzen ihr Smartphone häufig, fast schon permanent in virealen Räumen.
Social Network Plattformen werden somit aktiv von Jugendlichen genutzt, was
schlussendlich eine weitere Sozialisationsinstanz darstellt. Social Media ist daher zentral
für die individuelle Entwicklung Jugendlicher. Denn virealer Raum ist informell und fernab
vom „kontrollierenden, erzieherischen“ Kontext, was einen individuellen Handlungsraum
bietet, sich nach eigenem Ermessen auszuprobieren.
Rückschlüsse für die Jugendarbeit ergeben sich durch eine fundierte Auseinandersetzung
mit dem Thema Jugend und deren aktuellen Bedürfnissen. Die Herausforderung in der
offenen Jugendarbeit besteht kurz und bündig darin „up to date“ zu sein. Gesellschaftliche
Veränderungen müssen beobachtet und in der täglichen Arbeit mitgedacht werden.
Franziska Sutter
Seite 56 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Durch die fundierte Auseinandersetzung mit dem Thema Social Media hat sich das
persönliche Fachwissen erweitert. Gerade bezüglich Handlungsweisen hat sich gezeigt,
dass auch eine nonverbale Kommunikation mit Smartphones im Bus (siehe Einleitung) für
Jugendliche von hoher Bedeutung ist. Aus der Perspektive Jugendlicher mag dies
durchaus Sinn machen. In Anbetracht des fortlaufenden gesellschaftlichen Wandels sind
daher neue digitale Medien nicht mehr wegzudenken. Wie weit eine technische
Weiterentwicklung noch möglich ist bleibt offen.
Daher wirken Negativschlagzeilen überflüssig. Umso zentraler scheint eine kritisch,
reflektive Auseinandersetzung mit dem Thema Social Network gerade im Bereich der
Sozialen Arbeit.
Neue Medien, wie Social Media sind zentral für die Sozialisation Jugendlicher und bringen
zudem ein verändertes Verständnis von Sozialraum mit sich. Daher ist aus fachlicher
Sicht wichtig, Trends und gesellschaftliche Veränderungen weiter zu verfolgen und sich
aktiv mit neuen Plattformen und Veränderungen auseinanderzusetzen.
„Die Menschheit ist zu weit vorwärts gegangen, um sich zurückzuwenden und bewegt
sich zu rasch, um anzuhalten“ (Winston Churchill).
Franziska Sutter
Seite 57 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
7 Danksagung
Eine Bachelorarbeit bedingt einiges an Zeitressourcen. Diese Eigenleistung wird durch die
Beteiligung Dritter deutlich optimiert und ist massgebend für eine gelungene
wissenschaftliche Arbeit.
An dieser Stelle möchte ich mich daher bei allen Personen bedanken, die mich bei der
Erstellung dieser Bachelorarbeit unterstützt haben.
Meiner fachlichen Begleitung, Dr. Rudi Maier danke ich für die fachlichen Ratschläge
bezüglich Themeneingrenzung, Planung und allgemeinen Tipps zur Erstellung einer
Bachelorarbeit.
Weiter danke ich meinen Mitstudierenden, die über eine WhatsApp Gruppe für einen
regen Austausch von Frage- und Hilfestellungen beitrugen.
Für die tatkräftige und zeitintensive Korrekturphase bedanke ich mich bei allen
Korrigierenden. Besonders erwähnen möchte ich dabei Magdalen Keel, Regula
Aschwanden und Oliver Meli.
Franziska Sutter
Seite 58 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
8 Literatur- und Quellenverzeichnis
Beringer, Barbara. (2012). Der Nutzen von Facebook und Twitter für die Sozialarbeit.
Sozial Aktuell, 9, S. 17.
Böhnisch, Lothar, Lenz, Karl & Schröer, Wolfgang. (2009).Sozialisation und Bewältigung.
Eine Einführung in die Sozialisationstheorie der zweiten Moderne. Weinheim:
Juventa.
Deinet, Ulrich. (2013). Innovative offene Jugendarbeit. Opladen, Berlin: Budrich.
Deinet, Ulrich & Krisch, Richard. (2002). Der sozialräumliche Blick der Jugendarbeit.
Methoden und Bausteine zur Konzeptentwicklung und Qualifizierung. Opladen:
Leske + Budrich.
DOJ. Dachverband offene Kinder- und Jugendarbeit in der Schweiz. Offene Jugendarbeit.
Gefunden am 15. März 2014 unter http://www.doj.ch/456.0.html
Misoch, Sabina. (2006). Jugendliche und Neue Medien. Eine qualitative Analyse der
Nutzung Neuer Medien für jugendliche Identitätsbildung unter besonderer
Berücksichtigung des Chat. Potsdam: Fritz-Thyssen-Stiftung.
Ebersbach, Anja, Glaser, Markus & Heigl, Richard. (2011). Social Web. Konstanz: UVK.
Fuchs, Manuel & Goldoni, Marc. (2011). Konzept zur Verwendung von Facebook in der
Jugendarbeit. Basel: Jugendarbeit Basel/Riehen.
Grossegger, Beate & Schorn, Martina. (2014). Generation Selfie. Gefunden am 04. Juni
2014 unter http://jugendkultur.at
Harrin, Marius, Böhm-Kaspar, Oliver, Rohlfs, Carsten, & Palentien, Christian. (2010).
Freundschaften,
Cliquen
und
Jugendkulturen:
Peers
als
Bildungs-
und
Sozialisationsinstanzen. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH: VS.
Häusler, Sascha. (2007). Soziale Netzwerke im Internet: Entwicklung, Formen und
Potenziale zu kommerzieller Nutzung. Saarbrücken: VDM.
Hurrelmann,
Klaus.
(2005).
Lebensphase
Jugend,
Eine
Einführung
in
die
sozialwissenschaftliche Jugendforschung. (8. Auflage). Weinheim und München:
Juventa.
Hurrelmann, Klaus. (2006) Einführung in die Sozialisationstheorie (9.Auflage). Weinheim
und Basel: Beltz Juventa.
Hurrelmann, Klaus & Quenzel, Gudrun. (2013). Lebensphase Jugend. Eine Einführung in
die sozialwissenschaftliche Jugendforschung (12.Auflage). Weinheim und Basel:
Beltz Juventa.
IPMZ. Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung. Medienwandel in der
Schweiz 2014. Gefunden am 02. August 2014 unter
http://www.mediachange.ch/news/90
Franziska Sutter
Seite 59 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Kessl, Fabian & Reutlinger, Christian. (2010). Sozialraum, Eine Einführung. Wiesbaden:
VS.
Ketterer, Verena. Mobile Jugendmedienbildung im Stadtteil als eine Methode virealer
Sozialraumaneignung. Gefunden am 15. Dezember 2013.
http://www.sozialraum.de/mobile-jugendmedienbildung-im-stadtteil.php.
Kneidinger, Bernadette. (2010). Facebook und Co. Eine soziologische Analyse von
Interaktionsformen in Online Social Networks. Wiesbaden: VS.
Kutscher, Nadia. (2014). Apps, Facebook, Onlineberatung,...Soziale Arbeit goes digital.
Sozial Extra, 4, S. 39-41
Löw, Martina. (2001). Raumsoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Neumann-Braun, Klaus &. Autenrieth, Ulla P. (2011). Freundschaft und Gemeinschaft im
Social Web. Bildbezogenes Handeln und Peergroup-Kommunikation auf Facebook
& Co. Baden-Baden: Nomos.
Niederbacher, Arne & Zimmermann, Peter. (2011). Grundwissen Sozialisation: Eine
Einführung zur Sozialisaiton im Kindes- und Jugendalter (4. Auflage). Wiesbaden:
VS.
Oxford Dictionaries. Gefunden am. 05. April 2014 unter www.oxforddictionaries.com
Palfrey, John & Gasser, Urs. (2008). Generation Internet. Die Digital Natives: Wie sie
leben, Was sie denken, Wie sie arbeiten. München: Carl Hanser.
Paracelsus. (1538). Septem Defensiones. In: Die dritte Defension wegen des Schreibens
der neuen Rezepte. Darmstadt.
Riederle, Philipp. (2013). Wer wir sind, und was wir wollen. Ein Digital Native erklärt seine
Generation. München: Knaur.
Statista. Anzahl der monatlich aktiven Facebook-Nutzer weltweit von 2008 bis zum 2.
Quartal 2014. Gefunden am 04. August 2014 unter
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/37545/umfrage/anzahl-der-aktivennutzer-von-facebook
Süss, Daniel. (2004). Mediensoziaisation von Heranwachsenden. DimensionenKonstanten-Wandel (1.Auflage). Wiesbaden: VS.
Trost, Kai Erik. (2014). Soziale Onlinenetzwerke und die Mediatisierung der Freundschaft.
Eine qualitative Studie zur Bedeutung von Facebook für das Freundschaftskonzept
Jugendlicher. Baden-Baden: Nomos.
Unger, Alexander. (2010). Virtuelle Räume und die Hybridisierung der Alltagswelt. In
Grell, Petra, Marotzki, Winfried & Schelhowe, Heidi (Hrsg.). Neue digitale Kulturund Bildungsräume. Wiesbaden: VS.
Von Spiegel, Hiltrud. (2011). Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit (4.Aufl.).
München: Reinhardt.
Franziska Sutter
Seite 60 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
Watzlawick, Paul, Beavin, Janet H. & Jackson, Don D. (2007). Menschliche
Kommunikation, Formen Störungen Paradoxien (11 Aufl.). Bern: Hans Huber.
Willemsel, Isabel, Waller, Gregor, & Süss, Daniel. Ergebnisbericht zur JAMES-Studie
2012. Jugend, Aktivitäten, Medien - Erhebung Schweiz. Gefunden am 15.
November 2013 unter
http://www.jugendundmedien.ch/fileadmin/user_upload/Angebote/ergebnisberichtjames-2010-de.pdf
9 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Freizeit medial nach Geschlecht.
S.17
Willemsel, Isabel, Waller, Gregor, & Süss, Daniel. Ergebnisbericht zur
JAMES-Studie 2012. Jugend/Aktivitäten/Medien - Erhebung Schweiz.
Gefunden am 15. November 2013 unter
http://www.jugendundmedien.ch/fileadmin/user_upload/Angebote/ergebnisbe
richt-james-2010-de.pdf
Abbildung 2: Studienergebnisse Junior Web Barometer 2012
S.32
(Quelle: gefunden am 05.06.2014 unter
http://www.switch.ch/export/sites/default/about/news/2013/files/Resultate_S
WITCH_Junior_Web_Barometer_2012.pdf
Abbildung 3: Anzahl Kontakte.
S.48
Willemsel , Isabel, Waller, Gregor, & Süss , Daniel. Ergebnisbericht zur
JAMES-Studie 2012. Jugend/Aktivitäten/Medien – Erhebung Schweiz.
Gefunden am 15. November 2013 unter
http://www.jugendundmedien.ch/fileadmin/user_upload/Angebote/ergebnisbe
richt-james-2010-de.pdf
Franziska Sutter
Seite 61 von 62
FHSG, Soziale Arbeit: Bachelorarbeit
10 Erklärung zur selbstständigen Abfassung der Bachelorarbeit
Ich erkläre hiermit:
dass ich die vorliegende Arbeit ohne fremde Hilfe und ohne Benutzung anderer als der
angegebenen Hilfsmittel verfasst habe.
Franziska Sutter
---------------------------------------------------------------St.Gallen, 08.10.2014
Veröffentlichung Bachelorarbeit
Ich bin damit einverstanden, dass meine Bachelor Thesis bei einer Bewertung mit der
Note 5.5 oder höher, der Bibliothek für die Aufnahme ins Ausleiharchiv und für die
Wissensplattform Ephesos zur Verfügung gestellt wird. Sie darf auch an Aussenstehende
verkauft werden.
□ ja
□ nein
Franziska Sutter
---------------------------------------------------------------St.Gallen, 08.10.2014
Franziska Sutter
Seite 62 von 62
Herunterladen