Verkehrsunfall mit Todesfolge - Freiheitsstrafe : Rechtsanwälte Kotz

Werbung
This page was exported from Rechtsanwälte Kotz [ https://www.ra-kotz.de ]
Export date: Tue Jun 6 12:57:20 2017 / +0000 GMT
Verkehrsunfall mit Todesfolge - Freiheitsstrafe
Oberlandesgericht Karlsruhe
Az: 1 Ss 127/07
Beschluss vom 28.03.2008
Leitsatz:
Ist ein Verkehrsunfall mit besonders schweren, insbesondere tödlichen Unfallfolgen auf einen besonders
groben und rücksichtslosen Verkehrsverstoß zurückzuführen, kommt die Vollstreckung der verhängten
Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung nach § 56 Abs. 3 StGB insbesondere dann in Betracht,
wenn der Verkehrsverstoß nicht auf einem einmaligen Fehlversagen, sondern auf einer verkehrsfeindlichen
und aus eigennützigen Beweggründen geprägten Motivation beruht (Fortführung von Senat VRS 104, 443 ff. =
NStZ-RR 2003, 246 ff. = DAR 2003, 325 ff. = NZV 2004, 156 ff. = Die Justiz 2003, 295 ff).
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts C. vom 6. Juni 2007 wird als unbegründet
verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die den Nebenklägern insoweit
erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
I. Mit Urteil vom 6.6.2007 verwarf das Landgericht C. die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des
Amtsgerichts C. vom 1.8.2006, durch welches der Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger
Körperverletzung und grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Fahrens an unübersichtlichen Stellen zu
einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten ohne Bewährung verurteilt worden war, mit der Maßgabe als
unbegründet, dass der Angeklagte der fahrlässigen Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und
fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs schuldig ist, und reduzierte die Sperrfrist von 15 Monaten für die
Wiedererteilung der Fahrerlaubnis auf elf Monate. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seinem
Rechtsmittel, mit welchem er mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge erhebt. Zum Tatgeschehen hat die
Strafkammer festgestellt, dass der zur Tatzeit ...-jährige, bislang nicht vorbestrafte, im Verkehrszentralregister
nicht wegen Verstößen im Straßenverkehr erfasste und sich intensiv für Autos und den Motorsport
interessierende Angeklagte am ....2005 gegen 19.15 Uhr mit dem Kraftfahrzeug der Marke D. die L ...
zwischen E. und F. befuhr. Den Personenkraftwagen, bei welchem es sich um eine für den Einsatz im
Motorsport stark modifizierte Version dieser viertürigen Limousine handelte, hatte der Angeklagte zuvor
gegen 16.00 Uhr bei ... als Neuwagen übernommen. Nachdem er zunächst dessen Leistungsfähigkeit getestet
und diese, seinem Mitfahrer, dem Zeugen G., auf Schotterpisten im Bereich von H. demonstriert hatte, wollte
er diesen nunmehr in Richtung I. nach Hause bringen. Dabei überholte er auf der engen und kurvenreichen
Landstraße zunächst mit einer Geschwindigkeit von deutlich über 125 km/h auf gerader Strecke den - von dem
Vorgang erschrockenen - Zeugen J. in seinem Pkw, um sodann mit einer Geschwindigkeit von 125 km/h nach
einer Rechtskurve mit einem mittleren Radius von 180 bis 190m und einer darauf folgende Geraden von 55 bis
65 Metern die sich anschließende Linkskurve zu schneiden. Dabei war für ihn die weitere Fahrbahn wegen
eines sich nach der Rechtskurve befindlichen Waldes und eines hochbewachsenen Rapsfeldes nicht einsehbar,
allerdings hatte er beim Einfahren in die Rechtskurve wegen einer Lücke zwischen dem sich dort befindlichen
Wald und Rapsfeld das auf der Gegenfahrbahn sich nähernde Fahrzeug der K. für einen kurzen Augenblick
anhand dessen Scheinwerfer erkennen können. Nachdem der Angeklagte nach Einfahrt in die Linkskurve - er
befand sich dabei weitgehend auf der linken Fahrbahn - das ihm entgegenkommende und von ihm zuvor
entfernungsmäßig unterschätzte Fahrzeug der K. wahrgenommen hatte, versuchte er nach rechts
auszuweichen, wobei er die Beherrschung über sein Fahrzeug verlor, mit welchem er etwa fünf Meter nach
Ende der Linkskurve rechts über die Bordsteinkante und danach kurzfristig an der steil ansteigenden Böschung
entlang fuhr, um dann wieder auf die befestigte Fahrbahn zu gelangen, auf deren linken Seite zu schleudern
und dort mit dem Fahrzeug der K. frontal zusammenzustoßen, welche an den Folgen des Aufpralls sofort
verstarb. Der Angeklagte selbst wurde lebensgefährlich und der Zeuge G. leicht verletzt. Hinsichtlich des
subjektiven Tatbestandes geht die Strafkammer davon aus, dass der Angeklagte zwar nicht mit der ernsthaften
Möglichkeit einer Gefährdung, Verletzung oder gar Tötung anderer Menschen gerechnet habe, jedoch
aufgrund einer - auch auf einer bedenklichen Einstellung zu Verkehrsregeln beruhenden - Begeisterung über
sein Fahrzeug und seine fahrerischen Fähigkeiten versäumt habe, die elementarsten Überlegungen anzustellen,
die sich auch unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Erfahrungen über die mit seinem Verhalten
verbundenen Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer hätten aufdrängen müssen. II. Das Rechtsmittel hat
keinen Erfolg. Hinsichtlich der erhobenen Verfahrensrügen nimmt der Senat Bezug auf die ausführliche und
dem Verteidiger des Angeklagten mitgeteilte Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom
24.9.2007. Auch die aufgrund der Sachrüge vorzunehmende Überprüfung des Schuldspruchs und der
Strafzumessung hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, weshalb der Senat die
Revision des Angeklagten insoweit als offensichtlich unbegründet verwirft (§ 349 Abs. 2, 3 StPO). Schließlich
hält auch die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Soweit
die Strafkammer die Vollstreckung der Freiheitsstrafe trotz Annahme einer günstigen Sozialprognose und des
Vorliegens besonderer Umstände i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB deshalb nicht zu Bewährung ausgesetzt hat, weil die
Verteidigung der Rechtsordnung diese gebiete (§ 56 Abs.3 StGB), hält sie sich dabei innerhalb des ihr
zustehenden Beurteilungsspielraumes (vgl. hierzu BayObLG NJW 2003, 3498 ff.) und berücksichtigt auch die
rechtlichen Vorgaben des Senats in seinem Beschluss vom 18.2.2003 - 1 Ss 82/02 - (VRS 104, 443 ff. = NStZRR 2003, 246 ff. = DAR 2003, 325 ff. = NZV 2004, 156 ff. = Die Justiz 2003, 295 ff.; vgl. auch Fischer,
StGB, 55. Auflage 2008, § 56 Rn. 14 f.). 1. Nach § 56 Abs.3 StGB wird bei einer Verurteilung zu einer
Freiheitsstrafe vom mindestens sechs Monaten die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der
Rechtsordnung sie gebietet. Ein solcher Fall ist nur dann anzunehmen, wenn eine Strafaussetzung im Hinblick
auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich
erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts
erschüttert werden könnte (BGHSt 24, 40 ff., 46). Dabei dürfen die hierin zum Ausdruck kommenden
generalpräventiven Erwägungen nicht dazu führen, bestimmte Tatbestände oder Tatbestandsgruppen von der
Möglichkeit der Aussetzung der Strafe zur Bewährung generell auszuschließen, vielmehr bedarf es stets einer
dem Einzelfall gerecht werdenden Abwägung, bei welcher Tat und Täter umfassend zu würdigen sind (Senat
a.a.O.; BGH StV 1998, 260 ff.; wistra 2001, 378 f.; NStZ 2001, 319; StV 1999. 645 f.; LK-Gribbohm, StGB,
11. Aufl. 2003, § 56 Rn. 45 ff.). Nimmt der Tatrichter bei einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr an,
dass zwar besondere Umstände i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB vorliegen, einer Strafaussetzung zur Bewährung aber
die Verteidigung der Rechtsordnung entgegensteht, bedarf dies besonderer Darlegung und Begründung (Senat
Die Justiz 1997, 61 und Beschluss vom 21.12.2007, 1 Ss 116/07). Auch bei Fahrlässigkeitsdelikten kann bei
Freiheitsstrafen von mindestens sechs Monaten das Kriterium der Verteidigung der Rechtsordnung die
Vollstreckung der Freiheitsstrafe gebieten, wenn sowohl das Erfolgs- als auch das Handlungsunrecht schwer
wiegen und es trotz der vorrangig zu gewichtenden spezialpräventiven Gesichtspunkte (LK-Gribbohm, a.a.O.,
Rn. 52) unabweislich ist, durch eine stringente Anwendung des Strafrechts das Vertrauen der Bevölkerung in
die Wirksamkeit des Rechts-güterschutzes zu sichern. Dabei kann sich trotz der grundsätzlich veranlassten
restriktiven Auslegung des Begriffs der „Verteidigung der Rechtsordnung" die Vollstreckung auch dann als
notwendig erweisen, wenn die Tat Ausdruck einer verbreiteten Einstellung ist, die eine durch einen
erheblichen Unwertgehalt gekennzeichnete Norm nicht ernst nimmt und von vornherein auf die Aussetzung
einer etwaigen Freiheitsstrafe vertraut (BGH a.a.O; LK-Gribbohm, a.a.O., Rn. 49 m.w.N.; Schönke-SchröderStree, 27. Aufl, 2006, § 56 Rn. 38). Dieses Kriterium schließt Fahrlässigkeitstaten nicht aus, sie rückt sie aber
an den Rand des angesprochenen Bereichs. Dabei spielt der Gesichtspunkt der Sühne oder der Tatvergeltung
für das begangene Unrecht keine Rolle. Auch die Schwere der Schuld kann für sich gesehen eine Versagung
der Bewährung nicht rechtfertigen, ihr kommt jedoch bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung erhebliche
Bedeutung bei (BGH a.a.O). Diese Grundsätze gelten nicht nur für Trunkenheitsdelikte im Straßen-verkehr,
die zu besonders schweren, insbesondere tödlichen Unfallfolgen führen (grundlegend BGHSt 24, 65 ff.; BGH
NJW 1990, 193 ff.; vgl. auch BayObLG NJW 2003, 3498 ff.; OLG Hamm NZV 1993, 317 f.; dass. DAR
1990, 308; OLG Koblenz VRS 75, 37 ff.; OLG Frankfurt NJW 1977, 2175 ff.), sondern auch für andere
schwerste Verkehrsverstöße, wenn diese Zuwiderhandlungen mit erheblichen, insbesondere tödlichen
Unfallfolgen einhergehen (Senat VRS 104, 443 ff. = NStZ-RR 2003, 246 ff. = DAR 2003, 325 ff. = NZV
2004, 156 ff. = Die Justiz 2003, 295 ff.). Allerdings erfordert nicht jede Missachtung von Verkehrsvorschriften
eine derart nachdrückliche Sanktion, vielmehr kann dies nur dann der Fall sein, wenn die Tat neben den durch
sie verursachten schwersten Folgen einen erheblichen Unrechtsgehalt aufweist und Ausdruck einer
verbreiteten Einstellung ist, welche die Geltung des Rechts nicht mehr ernst nimmt. Die lediglich falsche
Einschätzung einer Verkehrssituation oder eine bloße Überschätzung der eigenen Fähigkeiten im Umgang mit
einem Kraftfahrzeug genügt hierfür aber nicht, denn hierdurch verwirklicht sich nur eine dem Straßenverkehr
eigentümliche generelle Gefahrenlage, der auch ein ansonsten besonnener Verkehrsteilnehmer einmal
ausgesetzt sein kann. In Betracht kommen daher nur besonders grobe und rücksichtslose Verstöße, wie diese
etwa in der Bestimmung des § 315c StGB umschrieben sind. Auch Fälle der „verantwortungslosen Raserei"
können hierzu zählen. Denn nach wie vor führen gerade besonders aggressive Fahrweisen oder zu hohe
Geschwindigkeiten häufig zu schwersten Verkehrsunfällen (vgl. insoweit die Verkehrsunfallstatistik des
Innenministeriums Baden-Württemberg für das erste Halbjahr 2007 und allg. Pfundt, ZVS 2002, 82 ff. unter
Auswertung verschiedener Statistiken zu Unfallursachen; Jagow VD 1997, 49 ff.; Holzammer DRiZ 1988,
110; zur Geschwindigkeitsüberschreitung als Massendelikt und Ursache auch schwerster Unfälle vgl. auch
BGHSt 43, 241 ff, 245 f.; BT-Dr V/1319 Seite 90). 2. Eine derartige besonders grobe und rücksichtslose
Pflichtverletzung hat die Strafkammer vorliegend zu Recht angenommen. Sie hat nicht nur die
Eingangsvoraussetzungen des § 315c Abs. 1 Nr. 2 d und e StGB festgestellt, sondern letztendlich das
Verhalten des Angeklagten auch auf eine dauerhaft verkehrsfeindliche und aus eigennützigen Beweggründen
geprägte Motivation zurückgeführt. Das ergibt sich zunächst daraus, dass der Angeklagte nicht nur auf der
schmalen und kurvenreichen Landstraße zu schnell gefahren ist, sondern auch an der für ihn unübersichtlichen
Linkskurve die rechte Fahrbahnseite nicht eingehalten hat und auf die linke Fahrspur gewechselt ist, denn
gerade dieses „Kurvenschneiden" zeigt, dass der Angeklagte nicht nur die Fahrleistung seines neuen Fahrzeugs
überschätzt, sondern - wie von der Strafkammer angenommen (UA S. 25) - sich ohne Bedenken über
Verkehrsregeln und die Sicherheitsinteressen anderer Verkehrseilnehmer hinweggesetzt hat. Es handelt sich
auch nicht um ein bloßes spontanes Fehlversagen, dem der motorsportinteressierte Angeklagte aufgrund einer
Gedankenlosigkeit und aus Freude über das neue Fahrzeug erlegen ist, denn insoweit hat die Strafkammer für
den Senat bindend festgestellt, dass der Unfall vor allem auf der mangelnden Einsicht des Angeklagten in die
Notwendigkeit der Einhaltung von Verkehrsregeln (UA S. 27, 30) und damit - trotz seiner vorherigen
Unfallfreiheit - auf einer dauerhaften und verantwortungslosen Selbstüberschätzung eigener Fahrfertigkeiten
und der groben Missachtung der Rechte anderer Verkehrsteilnehmer beruht. Ein derartiges besonders
rücksichtsloses und mit dem Tode eines anderen Menschen einhergehendes Verhalten im Straßenverkehr
gebietet auch unter Berücksichtigung der von der Strafkammer festgestellten und von ihr in die Abwägung mit
einbezogenen besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der sozialen Integration des Angeklagten,
seiner familiären Bindungen und einer bestehenden besonderen Haftempfindlichkeit (UA S. 30), die
Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe. Eine Strafaussetzung zur Bewährung würde bei der - auch über
die vom Tatrichter angenommenen „besonderen Umstände" i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB informierte - Bevölkerung
auf völliges Unverständnis stoßen und deren Rechtsgefühl und Rechtstreue ernstlich beeinträchtigen. Dass das
Landgericht Karlsruhe in seinem Urteil vom 29.7.2004 - 11 Ns 40 Js 26274/03 (abgedruckt bei juris, dort Rn.
549 - sog. „Autobahnraser - Fall") zu einer anderen Beurteilung gekommen ist, führt entgegen der Ansicht der
Revision nicht zu einer anderen Bewertung, zumal die für die dortige Strafkammer hierfür tragenden Gründe
der Entscheidung selbst nicht zu entnehmen sind und das Urteil in der Öffentlichkeit zu heftigen Kontroversen
führte (vgl. hierzu auch die Besprechung von Brandenstein/Kury in NZV 2005, 225 ff.). III. Die
Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs.1 StPO.
Post date: 2013-07-09 11:03:57
Post date GMT: 2013-07-09 09:03:57
Post modified date: 2013-07-09 11:03:57
Post modified date GMT: 2013-07-09 09:03:57
Powered by [ Universal Post Manager ] plugin. MS Word saving format developed by gVectors Team www.gVectors.com
Herunterladen