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Interview - professionelle Version
Mutter als Beruf
Christa Meves aus Uelzen, Kinder- und JugendPsychotherapeutin und Buchautorin, tritt vehement dafür ein, dass Kleinkinder von der
Mutter betreut werden. Im Oktober 2005 hielt sie dazu einen Vortrag in Naila. Wir sprachen
mit ihr.
Wie sieht ein optimales Lebensumfeld für ein neugeborenes Kind bis zum dritten
Lebensjahr aus?
Das Natürliche ist auch das Richtige. Wir Menschen sind kreatürliche Wesen, wir unterliegen
biologischen Entwicklungsprozessen. Wenn wir uns daran halten, machen wir es gut. Das ist
auch bei den höheren Säugetieren so: Das Kind gehört ganz in die Nähe der Mutter. Bereits
vor der Geburt ist das Kind ganz auf seine Mutter eingestellt: Es hört ihre Stimme, es
schmeckt das Fruchtwasser, die Milch später schmeckt ähnlich. Bei der Mutter fühlt das
Kind: Hier bin ich richtig. Das ist wichtig für die Entwicklung des Gehirns, die Synapsen
sprießen nur so.
Wie sehen Sie die Betreuung von Kleinkindern als Psychotherapeutin?
Bei der Erforschung der Krankheitsgeschichte von Patienten, die an Angstanfällen,
Depressionen oder Essstörungen leiden, die sich bewusst selbst verletzen, habe ich oft
festgestellt, dass sie als Baby längere Zeit ohne Mutter im Krankenhaus waren oder dass die
Mutter ausgefallen war, durch Krankheit oder einen Unfall. Menschen, die unter
Trennungsängsten leiden und sich schwer von anderen lösen können, hatten oft ein
Trennungserlebnis in der frühen Kindheit. Hat sich statt der Mutter eine Großmutter um das
Kind gekümmert, das hat am wenigsten negative Auswirkungen. Ist es der Vater, schadet es
auch nicht so sehr wie eine Fremdbetreuung. Aber ein Mann ist von seinem Wesen her
anders als eine Frau. Er hat nicht diese durch Hormone unterlegte Möglichkeit, so intensiv,
so feinfühlig auf das Kind einzugehen wie die Mutter. Er ist auch nicht so hautempfindlich
wie sie; aber gerade durch viel Berührung entwickelt sich das kindliche Gehirn. Er spricht
nicht so lang anhaltend mit dem Kind, das in der konstituierenden Phase des Gehirns seine
Muttersprache lernt. Die Mutter ist die Frau, die es kennt. Ab der achten Woche starrt das
Kind die Mutter geradezu an und prägt sich die Gesichtszüge ein, und das verbindet es mit
der Mutter in besonders intensiver Weise. Mit einem Jahr stellt es sich auf die Beine und
beginnt die Welt zu erkunden, kehrt aber immer wieder zurück zur Mutter. Das Kind braucht
gerade in den ersten zwei Jahren die Mutter als „Flugzeugträger“. Dabei sucht es
natürlicherweise genau diejenige, an die es sich gebunden hat.
Wie beurteilen Sie die Pläne der Familienministerin Ursula von der Leyen, die
Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr auszubauen?
Ich bin entsetzt. Gibt man ein so kleines Kind in eine fremde Betreuung, so ist das ein
verwirrendes Erlebnis für es, so dass Stress entsteht, der die Entwicklung des Gehirns
beeinträchtigen kann. Das Kind bekommt häufiger Infektionen, Hauterkrankungen und
asthmatische Erkrankungen. Es reagiert beleidigt, wenn die Mutter es fortbringt, es
empfindet die Trennung als Kränkung und empfindet: „Warum tut sie mir das an?“ Der
Cortisolspiegel erhöht sich und kann als geminderte Belastbarkeit das ganze Leben lang
bestehen bleiben. Der Schmerz im Herzen bleibt erhalten und ist in Krisensituationen schnell
reaktivierbar, was ein schlechter Ausgangspunkt für die Lebensbewältigung ist, für eine
Partnerschaft, für eine Ehe zum Beispiel.
Damit beschreiben Sie die Auswirkungen für den einzelnen Menschen. Was sehen Sie
für gesellschaftliche Folgen?
In der Politik, vor allem bei den Linken, besteht der schreckliche Wunsch, die Familien zu
zerstören. Sie ist eine bürgerliche Einrichtung, die Ungleichheit bewirkt. Das ist der Trend in
allen Gesellschaften, die meinen, wir brauchen keinen Gott, und wir setzen uns über unsere
Biologie hinweg. Wohin das führt, zeigen uns die Länder der ehemaligen UdSSR, wo Frauen
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Interview - professionelle Version
schon sechs Wochen nach der Geburt ihre Kinder in die Krippe abgeben mussten. In
Russland gibt es 40 Millionen Alkoholiker; die Wirtschaft musste scheitern, wie Michail
Gorbatschow auf Vorträgen auch in Deutschland gesagt hat, „weil wir die Kinder zu früh von
der Mutter weggenommen haben“. Die Entmutterung der Mutter nötigt den Kindern zu
schweres Lebensgepäck auf und bewirkt eine Einbuße an Lebenskraft, die wir uns heute
nicht mehr leisten können. Krankheiten wie Depressionen, Angstzustände oder Magersucht
sind allein in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland dreimal so häufig geworden und
belasten nicht nur finanziell die Gesellschaft. Wir brauchen Menschen mit Motivation zu
Innovationen und Erfindungen. Nur die Befriedigung ihrer natürlichen Bedürfnisse durch die
Liebe und das Gefühl von Vertrauen und Geborgenheit gibt dem Gehirn des Kindes die
Möglichkeit, sich zu großer Leistungsfähigkeit zu entfalten. Und das geht nur, wenn man es
von Anfang an wenigstens einigermaßen richtig macht.
Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe, dass immer weniger Kinder geboren
werden?
Mütter bekommen keine gesellschaftliche Anerkennung. Man kann es nach 120 Jahren
Emanzipation heute keiner Frau mehr zumuten, gesellschaftlich derart in die Ecke gestellt zu
werden wie das der Mutter geschieht. Dann wird eben verhütet und abgetrieben. Auch sind
die Ausbildungen zu lang und die Ansprüche der Frauen an die Männer zu hoch. Dabei
entstehen eigentlich ohnehin nur noch Wunschkinder. Diese abzugeben ist für Mütter
besonders schwer, ein ganz schmerzlicher Vorgang. Das tut sie nur, wenn sie muss. Das
Problem ist nur dadurch zu lösen, dass sie genug Geld bekommt, um mindestens drei Jahre
beim Kind zu bleiben. Mütter sollten – von der Gesellschaft gestützt - bei ihren Kind so lange
bleiben können, bis es sich von selbst löst - das ist etwa nach sieben bis zehn Jahren. Und
dann müssten sie bei der Rückkehr in ihre Berufe bevorzugt werden.
SABINE GEBHARDT
Infokasten:
Mutter als Beruf
Christa Meves und der von ihr gegründete Verein „Verantwortung für die Familie“, der etwa
7300 Mitglieder hat, fordern seit Jahren von der Politik die Umsetzung ihres Modells „Mutter
als Beruf“:
Werdende Mütter brauchen nicht mehr zu arbeiten, sondern bekommen eine halbjährige
Ausbildung für ihre Aufgaben als Mutter. Sie erhalten während der Kinderbetreuungszeit ein
Einkommen, das über dem Sozialhilfesatz liegt, sowie Anspruch auf Rente. Die Mütter
bekommen Unterstützung durch junge Frauen, die, vergleichbar mit dem Wehrdienst für
junge Männer, in einem sozialen Jahr bei Müttern arbeiten. Diese Hilfsarbeit wird ihnen bei
dem Einstieg in die Ausbildung als Mutter angerechnet. Christa Meves ergänzt: „Die jungen
Mädchen haben im Alter von 17 Jahren einen hohen Östrogen-Pegel und durch den
Umgang mit einem Baby bekommen sie Lust, selber Kinder zu bekommen.“ Wollen Mütter
wieder arbeiten, müssen sie auch hier Privilegien bekommen und vorrangig wieder
eingestellt werden.
Christa Meves: „In diesem Modell ist Muttersein der allerwichtigste Beruf und die Frauen
werden darin ausgebildet. Die Verwirklichung dieses Modells würde viel schneller Früchte
tragen als die Pläne der Bundesregierung. Es ist ein unendlich viel besseres Modell für die
Gesundheit der Kinder und der ganzen Gesellschaft.“
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