Flüchtlingsrat wirft Landesregierung Kaltherzigkeit und soziale Härte

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PRESSEINFORMATION vom 12.03.2008
Innenminister Schünemann legt sich mit Kommunen an
Flüchtlingsrat wirft Landesregierung Kaltherzigkeit und soziale Härte vor
Auf harsche Kritik des Flüchtlingsrats Niedersachsen stoßen Äußerungen des
niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann auf dem Nds. Landkreistag am
06. März 2008. Schünemann hatte sich in seinem Vortrag über Kommunen
beschwert, die sich für einen humanitären Umgang mit Flüchtlingen einsetzen, und
das Verhalten von Amtsärzten kritisiert, die durch Stellungnahmen zum
Gesundheitszustand kranker Flüchtlinge Abschiebungen verhindern (s. S. 2). Der
Innenminister bezieht sich dabei auf Beschlüsse von Ausschüssen, Räten und
Kreistagen, die eine der Menschenwürde entsprechende Sozialpolitik gegenüber
Flüchtlingen fordern.
Ein Dorn im Auge sind ihm auch Atteste von Amtsärzten, die Flüchtlingen unter
Hinweis auf vorliegende Traumata und andere schwerwiegende Erkrankungen
zuweilen Reiseunfähigkeit bescheinigen. In einigen Fällen sind die Behörden
inzwischen sogar dazu übergegangen, die ohne jeden Zweifel zuständigen
Amtsärzte zu umgehen und externe Ärzte aus anderen Landkreisen damit zu
beauftragen, die gewünschte „Flugfähigkeitsbescheinigung“ auszustellen. Der
Innenminister will diese fragwürdige Praxis offenbar legitimieren und sie über die
Infragestellung fachärztlicher Kompetenz und Zuständigkeit zur Regel machen.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen begrüßt, dass eine Reihe von Kommunen einen
Wandel in der niedersächsischen Flüchtlings- und Migrationspolitik anmahnt und
dabei auch die Forderungen des Flüchtlingsrats nach einer Abkehr von
anachronistischen Abschreckungsmaßnahmen unterstützt. „Die Unterbringung von
Flüchtlingen in Lagern, die Anwendung des Sachleistungsprinzips und das
Verhängen von Arbeitsverboten als ordnungsrechtliche Erziehungsmaßnahmen sind
kostspielig, in der Sache kontraproduktiv und verstoßen vor allem gegen die Würde
des Menschen“, so Norbert Grehl-Schmitt vom Vorstand des Flüchtlingsrats.
„Politiker/innen aller Parteien haben inzwischen erkannt, dass es allerhöchste Zeit ist,
humanitären Aspekten einen Vorrang vor ordnungspolitischen Spitzfindigkeiten
einzuräumen. Dem Minister wird es auch mit seiner anmaßenden Kritik nicht
gelingen, diesen politischen Meinungsbildungsprozess zu unterbinden“.
Vergleichende Untersuchungen auf europäischer Ebene belegen: Erfolgreiche
Integrationspolitik wird dort betrieben, wo Flüchtlinge und Migranten/innen ohne
Ansehen ihres Status vom ersten Tag an in das öffentliche Leben und Integrationsmaßnahmen einbezogen werden, etwa in Schweden. Die meisten Bundesländer
verteilen Flüchtlinge wenigstens nach einer gewissen Zeit auf die Kommunen und
verzichten auf diskriminierende Gutscheine oder Sachleistungen. "Wenn Uwe
Schünemann stattdessen die Ausgrenzung von Flüchtlingen und ihre Abschiebung
trotz Krankheit zum Kernbestand seiner Politik erklärt, handelt er nicht nur inhuman,
er verspielt damit auch seine Glaubwürdigkeit in der Integrationsdebatte."
gez. Norbert Grehl-Schmitt
Vorstand
weitere Informationen: Geschäftsstelle des Flüchtlingsrat Niedersachsen, Tel. 05121 - 15605
PRESSEINFORMATION vom 12.03.2008
Anlage:
Wörtlich erklärte der Minister in einer Rede vor dem Niedersächsischen Landkreistag
am 6. März 2008 in Bad Zwischenahn:
" ... Ich bin hier für Klarheit, weil einige Kreistage und Räte größerer Städte die
Durchführung der betreffenden Gesetze in einem bestimmten Sinn zu beeinflussen
suchen. Es ist aber nicht Aufgabe der kommunalen Parlamente, sich durch
entsprechende Beschlüsse einzusetzen, z. B.
- für ein großzügiges Bleiberecht von abgelehnten Asylbewerbern;
- für die Versorgung dieser Personen mit Bargeld statt der Ausgabe von
Wertgutscheinen;
- für eine sofortige Weiterleitung der neu ankommenden Asylbewerber auf die
Gemeinden;
- für ihre sofortige Unterbringung in eigenen Wohnungen.
Auch ist es nicht Aufgabe von Amtsärzten, eine gebotene Rückführung ins
Heimatland dadurch zu verhindern, indem sie die geringeren Standards des dortigen
Gesundheitssystems zum Anlass nehmen, durch entsprechende Atteste den
Betroffenen einen Verbleib in Deutschland auf Kosten der Allgemeinheit zu
ermöglichen. Die Fachaufsicht in meinem Hause muss und wird darauf achten, dass
die in Bundestag und Bundesrat mit großer Mehrheit geschaffenen Regeln weiterhin
wirksam bleiben."
Darüber hinaus erklärte der niedersächsische Innenminister in einer Presseerklärung
vom 10.03.2008:
„Das Verfahren der ärztlichen Begutachtung zur Feststellung der Reisefähigkeit von
abzuschiebenden Personen muss verbessert werden. Hierbei sollen zur Beurteilung
der Flugtauglichkeit vermehrt Fachärzte für Flugmedizin gewonnen werden.“
weitere Informationen: Geschäftsstelle des Flüchtlingsrat Niedersachsen, Tel. 05121 - 15605
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