Der Mensch lebt nicht vom Brot allein! Auswirkungen von Ernährungsarmut auf die Gesundheit Universität Hohenheim Das HungerKarussell des Hidden Hunger Reduzierte Kraft zur Kindesversorgung höhere Sterblichkeitsrate verminderte körperliche und geistige Entwicklung erhöhtes Risiko von chronischen Krankheiten im Erwachsenenalter Neugeborene Mangelernährt niedriges Geburtsgewicht Infektionskrankheiten Mangelernährung Fehlende Gesundheitsfürsorge Senioren mangelernährt Geringere Belastbarkeit Frauen mangelernährt Armut Mangelernährung Kinder entwicklungsgestört höhere Sterblichkeitsrate Schwangere mangelernährt verminderte mentale und körperliche Entwicklung höhere Müttersterblichkeit Erwachsene entwicklungsgestört unzureichende Ernährung des Kindes reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit im Beruf, schlechtere Ausbildungsbedingungen, begrenztes ökonomisches Potenzial, verkürzte Lebenserwartung Stunting Im Gegensatz zur Unterernährung (zu wenig Kalorien), die sich an einem zu geringen Körpergewicht zeigt, ist Mangelernährung nicht unbedingt sichtbar und durch die Betroffenen auch nicht wirklich wahrnehmbar. Mangelernährung = Hidden Hunger Verborgener Hunger ist die unzureichende Versorgung mit einem oder mehreren essentiellen Nährstoffen (Vitamine, Minerale, Aminosäuren) Subklinisch/unspezifisch klinisch Symptome Versorgung Keine Weil er sich, wenn überhaupt erst dann zu erkennen gibt, wenn typische Symptome, sofern vorhanden, auftreten! Der „sichtbare“ Hunger - Vitamin A-Mangel Betroffen 200 Millionen – jährliche Erblindung bei 5 Millionen Kindern Hohe Sterblichkeit in den ersten Lebensjahren (30 – 50%) Ursachen: Fehlende Quellen (Eier, Leber, Fleisch) geringe Speicher bei Geburt. Häufige Durchfallerkrankungen Warum ist der „Hunger“ verborgen? Schematische Darstellung des zeitlichen Bezugs zwischen dem Rückgang des Vitamin-A-Status und dem Beginn von systemischen und oculären Komplikationen Vitamin-A-Status S SYSTEMISCHE (unspezifische) KOMPLIKATIONEN Sterblichkeitsrate Zunahme von Anämie/ durch Infektionen Wachstumsverzögerung erhöht OCULÄRE KOMPLIKATIONEN Nachtblindheit Augentrockenheit Keratomalacie klinische Folgeerscheinungen Somer A., Nature Med. 1997 Entwicklungsländer Entwickelte Länder Mangel/Unterversorgung Unterversorgung Eisen (ca 2 Milliarden) Vitamin A (200 Mio) Zink (ca 1 Milliarde) Jod (ca 500 Mio) Selen (ca 100 Mio) Eisen Vitamin A/E Vitamin D (weltweit > 50LJ) Folsäure Vitamin B12 (> 65 LJ) Jod (Mitteleuropa, Asien) Oft zusammen mit zu niedriger Eiweiss- und Energiezufuhr Besonders Risikogruppen („Arme“, Schwangere, Senioren, chron Kranke) Quelle: FAO 2008; WHO 2009/10; FAOSTAT 2011 Die zukünftige Sicherung der Welternährung wird zunächst einmal quantitativ gesehen (M. Qaim 2007) Getreide als Quelle für Vitamine Getreide ist je nach Region in den ärmeren Ländern bis zu 80% Energiequelle und bis zu 60% Eiweissquelle Werden die mindest erforderlichen 2.100 Kcal/Tag zu 80% durch Getreide abgedeckt, so bleibt nur noch eine geringe Reserve für die übrigen nahrhaften Lebensmittel. Der Betreffende ist „satt“ und leidet doch an chronischer Unterernährung 25% In 100g Reis enthaltene Vitamine RDA 10 % 10 % 10 % 7% 0% 0 Vit A Vit E Fols. Eisen Zink 50 % In 100g Mais enthaltene Vitamine RDA 26 % 25 % 4% 0 Vitamin B1 Vitamin B6 Folsäure Vitamin A from plants as Provitamin A (ß-carotene) (1:6) and animal derived sources (FAO 1998) 1200 800 400 85 % 00 81 % 50 % 48 % 43 % 44 % 69 % Vitamin A-Versorgung durch pflanzliche (1:12) und tierische Quellen (FAO 1998) 1200 800 400 00 85 % 81 % 50 % 48 % 43 % 44 % 69 % Neugeborene Mangelernährt niedriges Geburtsgewicht Geringere Belastbarkeit Frauen mangelernährt Armut Mangelernährung Schwangere höhere Müttersterblichkeit mangelernährt Erwachsene entwicklungsgestört Kinder entwicklungsgestört Die Müttersterblichkeit hat zwar stetig abgenommen, ist jedoch immer noch viel zu hoch. Im Sudan liegen die Zahlen derzeit zwischen 2327 und 1732 Todesfällen/100.000. Im Trend zeigt sich für den Zeitraum 2011/12 wieder ein Anstieg Wesentliche Ursache ist die chronische Mangelernährung und die fehlende medizinische Betreuung vor, während und nach der Geburt. Das Risiko zu sterben ist für eine afrikanische Mutter bis zu 300 mal so hoch wie für eine europäische FAO/WHO 2010 Schwanger RNI VITAMIN A VITAMIN B-6 Afrika Asien Asien Lateinamerika Lateinamerika VITAMIN C Afrika FOLSÄURE Afrika Asien Asien Lateinamerika Lateinamerika THIAMIN Afrika VITAMIN B-12 Afrika Asien Asien Lateinamerika Lateinamerika RIBOFLAVIN NIACIN Afrika Afrika EISEN Afrika Asien Asien Lateinamerika Lateinamerika Afrika ZINK Afrika Asien Asien Lateinamerika Lateinamerika % RNI 0 50 100 150 200 0 50 100 160 200 Thorheim et al., J Nutr 2010 verminderte körperliche und geistige höhere Entwicklung Infektionskrankheiten Sterblichkeitsrate Mangelernährung Neugeborene Mangelernährt niedriges Geburtsgewicht Frauen mangelernährt Armut Mangelernährung Schwangere Kinder entwicklungsgestört mangelernährt Erwachsene entwicklungsgestört Das bereits vor der Geburt mangelernährte Kind hat wenig Chancen dies wieder aufzuholen! Frühgeborene oder Untergewichtig geborene Kinder haben bei fehlender Versorgung keine guten Überlebenschancen UNICEF 2011 Jedes Jahr sterben durch Mangelernährung und fehlende Betreuung 13 Millionen Kinder, davon 7 Millionen kurz vor, während oder kurz nach der Geburt Lawn J et al., 2009 Neugeborene Mangelernährt niedriges Geburtsgewicht Frauen mangelernährt Armut Mangelernährung Kinder entwicklungsgestört Höhere Sterblichkeit Unter 5 Schwangere mangelernährt verminderte mentale und körperliche Entwicklung Erwachsene entwicklungsgestört Stunting 1000 Tage Fenster Neugeborene Mangelernährt niedriges Geburtsgewicht Frauen mangelernährt Armut Mangelernährung Kinder entwicklungsgestört Höhere Sterblichkeit Unter 5 Schwangere mangelernährt verminderte mentale und körperliche Entwicklung Erwachsene entwicklungsgestört Stunting N24 2009 Das deutlichste Zeichen des Hidden Hunger ist Stunting In Asien und Afrika fast 50% aller Kinder! UNICEF 2010 Neugeborene Mangelernährt niedriges Geburtsgewicht Frauen mangelernährt Armut Mangelernährung Kinder entwicklungsgestört Schwangere mangelernährt Erwachsene entwicklungsgestört reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit im Beruf, schlechtere Ausbildungsbedingungen, begrenztes ökonomisches Potenzial, verkürzte Lebenserwartung Stunting Reduzierte Kraft zur Kindes versorgung Neugeborene Mangelernährt niedriges Geburtsgewicht Senioren mangelernährt Frauen mangelernährt Armut Mangelernährung Schwangere mangelernährt Erwachsene entwicklungsgestört unzureichende Ernährung des Kindes Kinder entwicklungsgestört Das HungerKarussell des Hidden Hunger Neugeborene Mangelernährt niedriges Geburtsgewicht Preis Bio Sprit Senioren mangelernährt Land Raub Kinder entwicklungs- Armut Mangelernährung gestört Frauen mangelernährt Klima Schwangere mangelernährt Politik Und was es antreibt ! Erwachsene entwicklungsgestört Relative Zusammensetzung der Ernährung Früchte Gemüse Zucker Öl Eier Geflügel FischMilch Rindfleisch nicht arm Reis mäßig arm Reis arm Reis hoch sehr arm Reis extrem arm Reis Semba 2010 sehr hoch Gemüse Früchte Öl Zucker Risiko Mikronährstoffmangel Sozialökonomischer Status gering July 2012: Anstieg um weitere 10%! Kurzfristige Veränderungen der Preise für Getreide bewirken eine analoge Zunahme der Mangelernährung und der U5MR bei Kindern Africa Human Development Report 2012 UNDP Was viele Kinder (noch) am Leben hält ist die tägliche Portion Getreide. Durch den Hidden Hunger sind sie jedoch so geschwächt, dass jede Krankheit oder ausbleibende Lebensmittel Ration lebensbedrohlich wird. Food Security? Food Security beschreibt einen Zustand, bei dem alle Menschen, zu allen Zeiten, physischen, sozialen und ökonomischen Zugang zu ausreichenden, sicheren und nahrhaften Lebensmitteln haben, die ihre Nahrungserfordernisse und Nahrungspräferenzen für ein aktives und gesundes Leben erfüllen. (FAO 2010) 31 Household food insecurity in the United States 2011 (Coleman-Jensen A et al., 2012) Household food insecurity in the United States 2011 (Coleman-Jensen A et al., 2012) 8 7 Mindest Kosten für eine gesunde Ernährung Hartz IV 6 Kosten €/Tag 5 4 3 2 1 0 2-6 7 – 14 15-18 19 – 24 25 -51 years (Nach Kersting Inst f Kinderern.) % EC1 Daily energy supply, food energy, and daily supply with micronutrients per quartile of energy costs of the food. 150 140 130 120 110 100 90 80 Vitamin C Vitamin D ß-Karotin Folsäure Vitamin E Energiezufuhr Energiedichte 4,5€/d 5,3 e/d 6,0 €/d 7,4 €/d EC 1 EC 2 EC 3 EC 4 The lower the price the higher the energy and the poorer the quality. Darmon et al., 2008 100% % derer, die die Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr in der NVSII nicht erreichen (14 – 65 Jahre) 90 80 70 männlich 60 weiblich 50 40 30 20 10 00 VD FA VE Ca VA Mg Zn B1 B2 100% % der 14- 18 jährigen, die die Empfehlungen für die Vitamin Zufuhr nicht erreichen (NVS II) 90 80 70 männlich 60 weiblich 50 40 30 20 10 00 VD FA VE Ca VA Mg Zn B1 B2 Ernährung von Frauen (n=55) mit LBW-Neugeborenen DRV* Adaequat: 12 Inadaequat: 43 Energie (1900-2100) 2250 Ballaststoffe (g) 15 15 Eisen (mg) 15 (30mg) 15 Magnesium (mg) 300 320 Selen (µg) 60 70 Folat (µg) 400 (600) 330 Vitamin C (mg) 100 120 1630 9 9 190 40 160 50 Eine hypokalorische Ernährung kann den Mikronährstoffbedarf nicht decken! *Dietary Reference Value – nicht Schwangere Doyle et al BJN 86:2001 Schulz, Engel, Biesalski Eur J Nutr 2006 Food frequency recall – Retinol Intake Retinol Intake Retinol [mg/d] 3 2 Recommended Intake 1 0 1* 2 3 4 5 6 8 9 11 12 13*14 15 16*17 18*19 20 patient 22*23 24 25 26 27 30 32*33 34 Schulz, Engel, Biesalski Eur J Nutr 2006 Meat / liver consumption Meat consumption Frequency / week 7 6 • Mean: 2,88 times / week 5 4 3 2 1 0 1* 2 3 4 5 6 8 9 11 12 13*14 15 16*17 18*19 20 21 22*23 24 25 26 27 30 32*33 34 patient Liver consumption • 51,7 % no liver consumption • Mean: 2,95 times / year Frequency / year 30 20 10 0 1* 2 3 4 5 6 8 9 11 12 13*14 15 16*17 18*19 20 21 22*23 24 25 26 27 30 32*33 34 patient Schulz, Engel, Biesalski Eur J Nutr 2006 Maternal Plasma Plasma Retinol Plasma ß-Carotene 40 40 Frequency % Frequency % 50 30 20 20 10 10 0 30 1,05 1,4 2,8 0 > 2,8 Retinol [µmol/L] Reference Range: 1,5 – 5,2 µmol/L 27, 5% < reference range 0,5 1 1,5 2 ß-Carotene [µmol/L] >2 Risk groups -Retinol Retinol Plasma 5 Colostrum [µmol/L] Retinol [µmol/L] Retinol Colostrum * 2.0 1.5 1.0 0.5 Schulz, Engel, Biesalski Eur J Nutr 2006 1,34 0,44 1,81 0,46 0.0 4 3 2 2,85 1,89 4,15 3,19 Gemini Short Birthrate 1 0 Gemini Short Birthrate Retinol umbilical cord blood *** Ein Wert < 0.7 umol/L wird als Mangelversorgung definiert (Godel et al., 2001) Retinol [µmol/L] 0.75 Praenatale Mangelversorgung mit Vitamin A gefährdet die Lungenreifung 0.50 0.25 0,3 0,11 0,62 0,25 Gemini Short Birthrate 0.00 Sozial Status der Eltern deren Kinder 1980 3-14 Jahre alt waren und Erkrankungen dieser Kinder 21 Jahre später Übergewicht Hypertonus Insulinresistenz Erkrankungsrisiko in % 30 25 20 15 10 5 0 Hoch Mittel Niedrig Social Status der Eltern Drawson et al., 2005 Children’s Height and Parental Unemployment: A Large-Scale Anthropometric Study on Eastern Germany, 1994–2006 Baten J, Böhm A. German Economic Review 2012 Children’s Height and Parental Unemployment: A Large-Scale Anthropometric Study on Eastern Germany, 1994–2006 Baten J, Böhm A. German Economic Review 2012 Children’s Height and Parental Unemployment: A Large-Scale Anthropometric Study on Eastern Germany, 1994–2006 Baten J, Böhm A. German Economic Review 2012 Unemployment might have negative psychological effects, with an impact on parental care. Children’s Height and Parental Unemployment: A Large-Scale Anthropometric Study on Eastern Germany, 1994–2006 Baten J, Böhm A. German Economic Review 2012 Unemployment might have negative psychological effects, with an impact on parental care. Children’s Height and Parental Unemployment: A Large-Scale Anthropometric Study on Eastern Germany, 1994–2006 Körpergrösse in cm Baten J, Böhm A. German Economic Review 2012 0.0 - 0.4 - 0.8 - 1.2 - 1.6 - 2.0 2 3 4 Kinderzahl/Haushalt For example, we found in this study that childrens height is very sensitive to the number of siblings. A six year old Brandenburg child entering school is on average 1.8 cm shorter if it has three or more siblings. In addition, if the parents are unemployed, the detriment is even larger. Children’s Height and Parental Unemployment: A Large-Scale Anthropometric Study on Eastern Germany, 1994–2006 Körpergrösse in cm Baten J, Böhm A. German Economic Review 2012 0.0 2 3 4 Kinderzahl/Haushalt - 0.4 - 0.8 Stunting? - 1.2 - 1.6 - 2.0 Konsequenzen? Graue Substanz und SES. Positive Beziehung zwischen grauer Substanz in linkem und rechtem Hippocampus und steigendem SES Jedonoróg K et al., Plos One 2012 Gyrus Bildung und SES. Oberflächenstrukturierung ist mit steigendem SES positiv korrelliert. Jedonoróg K et al., Plos One 2012 Signifikante inverse Beziehung zwischen Lese- und Schreibkompetenz sowie verbalen Fähigkeiten und Sociooekonomischem Index. Kein Bezug zum non-verbalen IQ, Alter oder Geburtsgewicht Jedonoróg K et al., Plos One 2012 www.hidden-hunger.uni-hohenheim.de