Kleine Anfrage Wolf Krisch Die Republikaner vom 25.11.1996 Drs. 12/691 und Antwort des Sozialministeriums Entwicklungen bei der Drogenbekämpfung durch Drogenersatzstoffe Kleine Anfrage Ich frage die Landesregierung: 1. Ist es korrekt, daß besonders in den USA, aber auch in anderen Ländern Stoffe entwickelt werden, die durch direkten Eingriff in die entsprechenden Gehirnzentren den Effekt, den Drogen verursachen, löschen, wodurch sich neue Wege der Drogenbekämpfung ergeben, und welche Erkenntnisse hat die Landesregierung hierüber? 2. In welcher Form, an welchen Stellen und mit welchen Mitteln des Landes werden auch in BadenWürttemberg derartige Forschungsprogrammme vorangetrieben? 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Entwicklungschancen bei der Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs bzw. beim Rauschgiftkonsum, differenziert nach sogenannten weichen Drogen, harten Drogen und synthetischen Drogen? 20. 11. 96 Krisch REP Antwort Mit Schreiben vom 13. Dezember 1996 Nr. 5 041.5/12/691 beantwortet das Sozialministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst die Kleine Anfrage wie folgt: Zu 1.: In den USA, aber auch in anderen Ländern, werden bei der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen Wirkstoffe erprobt und eingesetzt, die die körpereigenen Rezeptoren von Drogen im zentralen Nervensystem bzw. das System der Reizübertragung ( Neurotransmitter ) beeinflussen. So kann beispielsweise im Rahmen der Behandlung einer Alkoholabhängigkeit im Einzelfall die Verabreichung von Acamprosat den Behandlungsprozeß unterstützen; die Wirkstoffe Naltrexon und Naloxon können auch bei vorliegender Opiatabhängigkeit eingesetzt werden. Zahlreiche Psychopharmaka, wie beispielsweise Antidepressiva werden ebenfalls über eine Beeinflussung von Reizübertragungssystemen wirksam. Auch hier wird untersucht, inwieweit sich bereits eingeführte Medikamente bei der Behandlung substanzabhängiger Patienten therapieunterstützend einsetzen lassen. Nach vorliegenden Erkenntnissen wird jedoch durch die Medikamente die Wirkung der Drogen nicht gelöscht. Vielmehr wird das auch nach Überwindung körperlicher Drogenentzugssymptome häufig bestehende starke Drogenverlangen, sog. craving , vermindert. Durch die Blockierung der körpereigenen Drogenrezeptoren kann eine Droge bei erneuter Einnahme ihre Wirkung nicht entfalten. Entsprechende Medikamente können daher einem Rückfall vorbeugen und zur Aufrechterhaltung der Abstinenz beitragen. Allerdings haben die Wirkstoffe häufig negative Nebenwirkungen. So hemmen beispielsweise Naltrexon und Naloxon auch die für das subjektive Wohlbefinden notwendigen Wirkungen körpereigener Opioide, sog. Endorphine , so daß ihre Anwendung nur bei einem geringen Teil hoch motivierter Drogenabhängiger in Betracht kommt. Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist außerdem weiterhin eine adäquate psycho- und sozialtherapeutische Behandlung. Zu 2.: In der Forschungslandschaft Baden-Württembergs gibt es eine Fülle kleiner und größerer Projekte sowohl an Hochschulen als auch an außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die sich im engeren oder weiteren Sinne dem Thema Sucht aus den unterschiedlichsten natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Blickwinkeln nähern. Es wird auf die folgenden Schwerpunkte hingewiesen: An der Unviersität Tübingen (Psychiatrische Universitätsklinik) wird derzeit ein Forschungsverbund zum Thema Suchtforschung aufgebaut. Zu den fachlichen Zielen dieses Verbundes gehören u. a. die Untersuchung der Wirkung von Drogen auf neurologische und sinnesphysiologische Funktionen auf der Ebene von Zellverbänden und Zellen mit dem Ziel der Erarbeitung der rationalen Grundlagen therapeutischer Einflußnahme sowie die Erarbeitung der neurobiologischen Grundlagen süchtigen Verhaltens. An der Universität Heidelberg bestehen Planungen für die Einrichtung einer Arbeitsgruppe Suchtforschung mit einer Suchttherapiestation; Schwerpunkte sollen dort u. a. die experimentelle Psychopathologie und psychometrische Reliabilitäts- und Validitätsforschung sein. An der Universität Freiburg besteht ein Forschungsverbund Suchtentstehung, Rückfall und Rückfallprophylaxe bei Alkoholismus, in dem neurobiologische, pharmakologische, psychologische und klinische Aspekte der Suchtentstehung erforscht werden sollen. Dieses Vorhaben wird allein aus Bundesmitteln gefördert. Gleiches gilt für ein Projekt am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim zur Frage von Effekten einer Alkoholgabe auf psycho-physiologische und neurohormonale Streßreaktionen bei Probanden mit einem familiärbedingten Suchtrisiko. Mit Ausnahme des Schwerpunktes an der Universität Tübingen, der vom Land mit zusätzlich rund 1,9 Millionen DM für die zunächst vorgesehenen 5 Jahre gefördert wird, werden die übrigen Aktivitäten insbesondere an den Universitäten im Rahmen der vom Land zur Verfügung gestellten Grundausstattung durchgeführt. Daher können hier exakte Zahlen nicht genannt werden. Zu 3.: Die medikamentengestützte Therapie findet seit einigen Jahren vermehrt Eingang in die Suchtkrankenbehandlung und nimmt einen zunehmenden Stellenwert ein. Nach bisher vorliegenden Erfahrungen können Medikamente jedoch die herkömmlichen Methoden der Suchtbehandlung mit psycho- und sozialtherapeutischem Behandlungsansatz nicht ersetzen, sondern sie im wesentlichen flankierend unterstützen. Die Entwicklung, Erprobung und Einführung medikamentengestützter Behandlungskonzepte trägt zu einer weiteren Differenzierung in der Suchtkrankenbehandlung bei. Nach ersten wissenschaftlichen Studien besteht mit ihnen die Möglichkeit, im Einzelfall die Erfolgsaussichten in der Suchtbehandlung weiter zu verbessern, Therapieerfolge zu sichern und außerdem möglicherweise Patientengruppen einer Behandlung zuzuführen, die durch die bisherigen Behandlungsangebote nicht hinreichend erreicht werden. Wie bereits dargelegt, bestehen Erfahrungen bei der Behandlung der Alkholabhängigkeit sowie der Opiatabhängigkeit. Durch die laufenden wissenschaftlichen Untersuchungen werden weitere Wirkstoffe und deren Einsatzmöglichkeiten erforscht. Dr. Vetter Sozialminister