34 Tages-Anzeiger – Donnerstag, 4. Juni 2015 Wissen Die unterschätzten Spezialistinnen In der Schweiz existieren rund 600 Wildbienenarten. Sie erfüllen eine wichtige Funktion als Pflanzenbestäuber, doch viele von ihnen sind bedroht. Eine neue Rote Liste und ein Monitoring sollen helfen, ihren Schutz zu verbessern. Martina Huber Sie hat etwa die Grösse und die Form einer Honigbiene, ihr Körper ist fein behaart, fast schwarz mit einem roten Band um den Hinterleib. Für Laien unspektakulär, doch Wildbienen-Spezialist Christophe Praz ist ausser sich, als er sie aus seinem Fangnetz holt: «Wow! C’est vraiment génial! Darauf werden wir mit Champagner anstossen müssen.» Noch nie hat er die Sandbienen-Art Andrena stragulata gesehen. In den letzten 50 Jahren ist sie in der Schweiz nur fünfmal nachgewiesen worden, das letzte Mal 2006 im Kanton Jura. «Ich hatte gehofft, dass ich sie hier finde», sagt Praz, der das Labor für evolutive Entomologie der Universität Neuenburg leitet. Es ist kurz vor Mittag, schon jetzt brennt die Sonne auf den steilen JuraHang bei Undervelier. Praz ist den ganzen Tag hier, um auf einem Quadratkilometer acht zuvor ausgewählte Flächen nach Wildbienen abzusuchen. Im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt arbeitet er an einem Vorprojekt zu einer Roten Liste und zu einem WildbienenMonitoring, das sich ins Monitoring­ programm «Arten und Lebensräume Landwirtschaft» (ALL-EMA) integrieren liesse. Diesen Frühling im Auftrag des Bundes angelaufen, stützt sich ALL-EMA bisher auf Lebensräume, Vegetation, Vögel und Tagfalter. Es soll künftig beurteilen, wie wirksam die Biodiversitätsförderung in der Landwirtschaft ist. Ob es ab 2016 tatsächlich ein WildbienenMonitoring und eine Rote Liste geben wird, ist noch nicht entschieden. Furchenbienen sind klein und schwer zu bestimmen. Fotos: Albert Krebs Zu wenig Nistplätze und Blumen 45 Prozent sind gefährdet «Die Bedeutung von Wildbienen als Bestäuber wurde lange unterschätzt», sagt Insektenspezialist Andreas Müller vom Umweltbüro «Natur Umwelt Wissen», der das bis Ende 2015 laufende Projekt gemeinsam mit Praz leitet. «Bis zur Jahrtausendwende nahm man an, dass die Honigbienen zu 80 Prozent für die Bestäubung in der Landwirtschaft verantwortlich seien. Seither haben viele Studien gezeigt: Der Anteil wurde überschätzt, auch andere Bestäuber wie Wildbienen sind zentral.» Doch um die Wildbienen steht es nicht gut. Die letzte Rote Liste aus dem Jahr 1994 schätzte den Anteil gefährdeter Arten auf mindestens 45 Prozent. Wegen mangelnder Kenntnisse zu Verbreitung und Rückgang der Bienen in der Schweiz konnte jedoch nur die Hälfte der über 600 heimischen Arten beurteilt werden. «Die Situation der Wildbienen hat sich wohl noch verschlechtert», sagt Müller. Das liessen Vergleiche mit anderen Ländern vermuten. So liege der Anteil gefährdeter Arten in Deutschland zwischen 40 und 60 Prozent. «Die Situation hierzulande ist wohl vergleichbar. Aber um genau zu wissen, wie es um unsere Wildbienen steht und wie wir sie am besten schützen können, brauchen wir eine aktualisierte Rote Liste.» Die Hummel, die träge von Blüte zu Blüte brummt, erfasst Christophe Praz nur auf seinem Notizblock. «Im Frühling Auch dies ist eine Furchenbiene, jedoch eine andere der über 80 Arten. Sieht aus wie eine Wespe, ist aber eine Wildbiene: die Wespenbiene. Kollisionen bei doppelter Energie Am Cern kreisen nach über zwei Jahren wieder Protonen – mit noch nie da gewesener Beschleunigungsenergie. Um 10.40 Uhr am Mittwoch deklarierten die Betreiber des Large Hadron Colliders (LHC) «stabile Protonenstrahlen». Dies war das Signal, dass nun wieder experimentelle Daten gesammelt werden können – erstmals bei einer Beschleunigungsenergie von 13 Teraelektronenvolt (TeV), fast dem Doppelten wie beim letzten Durchlauf. Der LHC werde nun während dreier Jahre rund um die Uhr laufen, teilte das Teilchenforschungsinstitut Cern bei Genf mit. Damit können die Experimente nun wieder Daten sammeln, um neuen physikalischen Phänomenen auf fliegen Königinnen», erklärt er: «Sie zu fangen, bevor sie ihren Staat aufgebaut haben, könnte die Population gefährden.» Der mehrheitlich orangebraune Körper und das schwarze Band um den Hinterleib verraten sie als Ackerhummel, eine von rund 40 heimischen Hummelarten. Nicht bei allen Wildbienen ist die Bestimmung so einfach. So gehen Praz viele winzige, dunkle Bienen ins Netz, die für den Laien eher wie geflügelte Ameisen aussehen. Er erkennt sie als Furchen­ bienen, aber welche der rund 80 Arten es sind, wird er erst mithilfe von Mikroskop und Bestimmungsschlüssel feststellen. Auch die etwas grösseren Sandbienen, die er über einem Wacholderbusch einfängt, kann er im Feld nicht bestimmen – von dieser Gattung gibt es in der Schweiz rund 120 Arten. Dafür erkennt Praz sie an ihrem Verhalten als Männchen: Sie patrouillieren entlang von Büschen und Hecken und bringen an bestimmten Stellen Duftmarken an, um paarungswillige Weibchen anzulocken. An einer Stelle nahe dem Waldrand fängt Praz eine schlanke Biene mit auffällig gelb-schwarz gestreiftem Körper – eine Wespenbiene. «Sie ist wie ein Kuckuck und sammelt selbst keine Pollen für ihre Nachkommen, sondern legt ihre Eier in die Brutzellen anderer Bienen», erklärt Praz. Auch hier wird er erst im Labor feststellen, um welche der gut 70 Arten es sich handelt. die Spur zu kommen, die womöglich noch aufschlussreicher sind als die Entdeckung des Higgs-Bosons im Jahr 2012. Die Protonenstrahlen bestehen aus Protonenbündeln, die mit annähernder Lichtgeschwindigkeit durch den 27 Kilometer langen LHC-Tunnel rasen. Am Mittwoch war der LHC mit sechs solchen Bündeln gefüllt, die jedes an die 100 Milliarden Protonen enthielten. Diese Rate soll fortlaufend auf 2808 Bündel erhöht werden, was es dem LHC erlaubt, bis zu einer Milliarde Kollisionen pro Sekunde zu produzieren. «Es ist Zeit für neue Physik», wird Cern-Generaldirektor Rolf Heuer in einer Mitteilung zitiert. Der erste Durchlauf, der zur Entdeckung des HiggsBosons geführt hat, sei erst der Beginn der Reise gewesen. Das Higgs-Boson war das letzte noch nicht entdeckte Puzzlestück im Standardmodell der Teilchen- Anders als Honigbienen und Hummeln leben die meisten Wildbienen als Einsiedler und bilden keine Staaten. Nach der Paarung legen die Weibchen ihre Eier in Brutzellen, die sie etwa in lockeren Sand graben oder in Insektenfrassgängen in Totholz anlegen. Diese füllen sie mit Pollen, verschliessen sie und überlassen den Nachwuchs sich selbst. «In zubetonierten Siedlungen mit asphaltierten Strassen und intensiv genutzten Landwirtschaftsflächen fehlen oft Niststellen», sagt Praz. Um eine Brutzelle mit Pollen zu füllen und so das Heranwachsen einer einzigen Wildbiene zu sichern, braucht ein Weibchen – je nach Art und Grösse – die Pollen von einigen Dutzend bis mehreren Hundert Blüten. Zu wenig Blumen bedeuten das Aus. «Die Politik hat das Problem an sich erkannt», sagt Müller. So hält der Bundesrat im Nationalen Massnahmenplan zur Gesundheit der Bienen von 2014 fest, dass auch Wildbienen für die Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen wesentlich sind. Nur profitieren laut Müller von den beschlossenen Massnahmen vorwiegend Honigbienen. Insbesondere von den einjährigen Blühstreifen: Rund die Hälfte der Wildbienen ist nämlich auf die Pollen einer einzigen Pflanzenfamilie oder -gattung spezialisiert, und oftmals handelt es sich dabei um mehrjährige Pflanzen, die nach einem Jahr noch gar nicht blühen. Müller hofft, dass die Rote Liste und das Monitoring finanziert und darauf basierend Massnahmen beschlossen werden, von denen auch die Wildbienen profitieren. Brutvögel Die Schweiz als Vogelreservat Vierzehn Vogelarten, die in Europa gefährdet sind, brüten in der Schweiz. Helene Arnet Von den 200 Brutvogelarten der Schweiz sind aktuell 55 Prozent vom Aussterben bedroht oder potenziell gefährdet. Europaweit sind es 19 Prozent – in Zahlen: Von den 533 Vogelarten des Kontinents sind 67 vom Aussterben bedroht und 32 potenziell gefährdet. Dies ist der gestern publizierten aktuellen Roten Liste der Vögel Europas zu entnehmen. Die Schweiz trage in Sachen Vogelschutz eine grosse Verantwortung, melden der Schweizer Vogelschutz (SVS)/Bird Life Schweiz und die Schweizerische Vogelwarte. Denn 14 der euro­paweit bedrohten Vogelarten brüten in der Schweiz noch. Für zwei Arten ist unser Land fast eine Insel. Auf der Europäischen Roten Liste taucht das Blässhuhn als «potenziell gefährdet» auf. Bei uns ist das «Taucherli» aber mancherorts fast eine Plage. Trotzdem handelt es sich nicht um einen Fehlalarm. Es sei zu beobachten, dass in den letzten Jahren immer weniger Blässhühner bei uns überwintern, sagt Stefan Bachmann von Bird Life Schweiz. Was auf einen Rückgang in anderen Weltgegenden schliessen lässt. Auch vermeldet der Atlas Deutscher Brutvogelarten, dass der Bestand «stark fluktuierend» sei. Rotmilan in Europa gefährdet Hierzulande erstaunt auch, dass der Rotmilan gefährdet sein soll, ist doch der Raubvogel mit dem gegabelten Schwanz im Mittelland häufig zu beobachten. Tatsächlich kommen Rotmilane fast ausschliesslich in Europa vor: Insgesamt existieren 19 000 bis 25 000 Brutpaare, 1200 davon in der Schweiz. Und während bei uns der Bestand eher zunimmt, geht er andernorts zurück. Ein Grund könnte darin bestehen, dass in manchen europäischen Ländern häufig ein Nagergift ausgelegt wird, das auch Milanen schadet. Solche Gifte sind bei uns ver­ boten oder werden selten eingesetzt. Bei den anderen in Europa gefähr­ deten Arten sieht es aber auch in der Schweiz nicht rosig aus: Tafelente, Eider­ ente, Mittelsäger, Alpenschneehuhn, Steinhuhn, Bartgeier, Kiebitz, Grosser Brachvogel, Turteltaube, Eis­ vogel, Wiesenpieper und Raubwürger. Dem Alpenschneehuhn schmilzt zum Beispiel wegen der Klimaerwärmung der Lebensraum weg. Auch der Kiebitz steht unter grossem Druck. Bilder Diese Vögel sind bedroht vogel.tagesanzeiger.ch Nachrichten physik, der Theorie, die sämtliche sichtbare Materie des Universums und ihre Wechselwirkungen erklärt. «Lasst uns sehen, was uns die nun fliessenden Daten über das Funktionieren unseres Universums erzählen werden», so Heuer. Mit dem nun gestarteten zweiten Durchlauf wollen die Physiker das Standardmodell weiter erforschen – und vor allem nach Physik suchen, die darüber hinausgeht. Diese könnte Phänomene wie die bisher unbekannte dunkle Materie erklären, die gemäss Beobachtungen ein Viertel der Masse des Universums ausmachen muss, oder das Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie, ohne welches wir nicht existieren würden. Denn eigentlich sind beim Urknall genau gleich viel Materie wie Antimaterie entstanden, die sich beim Aufeinandertreffen auslöschen. (SDA) Gesundheit Geschlossene Schulen in Südkorea wegen Mers-Virus Forschung 750 000-Euro-Preis für ETH-Materialforscherin Südkorea hat wegen des Mers-Ausbruchs mehr als 1300 Menschen unter Quarantäne gestellt. Über 500 Schulen sind geschlossen, damit die schwere Atemwegserkrankung sich nicht ausbreitet. Am Mittwoch kündigte die Regierung die Gründung einer Sondereinheit von Beamten und Experten an. Zwei Wochen nach dem Ausbruch in Südkorea hatten die Behörden am Dienstag die ersten beiden Todesfälle im Land infolge von Mers bekannt gegeben. Die Zahl der bestätigten Ansteckungsfälle stieg auf 30. Das Mers-Virus wurde erstmals 2012 in Saudiarabien nachgewiesen. Der Erreger wurde nach bisheriger Erkenntnis seit vielen Jahren unerkannt von Kamelen auf Menschen übertragen. Bis Ende Mai 2015 wurden weltweit 1172 MersFälle gemeldet, darunter 479 Todes­ opfer. (SDA/DPA) Nicola Spaldin, Professorin für Materialtheorie an der ETH Zürich, erhält den mit 750 000 Euro dotierten europäischen Körber-Preis. Sie wird für die Entwicklung einer neuen Klasse kristalliner Verbindungen geehrt, die in Zukunft für zahlreiche neue Technologien dienen könnten. Die britische Chemikerin und Materialforscherin hat die sogenannten Multiferroika entwickelt, die sowohl auf elektrische als auch auf magnetische Felder reagieren, wie die ETH Zürich mitteilt. Damit seien sie unter anderem prädestiniert für ultraschnelle, extrem kleine Computer der Zukunft. Mit dem Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft werden herausragende, in Europa tätige Wissenschaftler ausgezeichnet. Er wird jährlich von der Körber-Stiftung in Hamburg verliehen, dieses Jahr zum 31. Mal. (SDA)