Signale und Systeme Teil 1 Sommersemester 2007 Henrik Schulze Campus Meschede Skript zur Vorlesung. Zuletzt überarbeitet am 31. März 2007 Inhaltsverzeichnis 1 Signale 1.1 1.2 1.3 1.4 4 Grundbegriffe und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.1.1 Harmonische Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.1.2 Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.1.3 Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.1.4 Spezielle Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.1.5 Elementare Operationen mit Signalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Komplexe Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.2.1 Harmonische Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.2.2 Wechselstromrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.2.3 Modulation einer Trägerschwingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.2.4 Analoge Trägermodulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1.2.5 Digitale Trägermodulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1.2.6 Basisband-Darstellung von Bandpasssignalen . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1.2.7 Frequenzumsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Zeitdiskrete Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1.3.1 Grundlegende Begriffe und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1.3.2 Harmonische Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1.3.3 Energie und Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1.3.4 Spezielle zeitdiskrete Signale und elementare Operationen . . . . . . . . . 38 Die Diskrete Fouriertransformation (DFT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1.4.1 Definition und Umkehrformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1.4.2 Aliasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1.4.3 Eigenschaften der DFT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1 INHALTSVERZEICHNIS 2 Zeitdiskrete LTI-Systeme 2.1 2.2 2.3 2 49 Grundbegriffe und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.1.1 Die Definition des LTI-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.1.2 Beschreibung durch die Impulsantwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.1.3 Einfache Beispiele für digitale Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.1.4 Beschreibung durch die Sprungantwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2.1.5 Beschreibung durch die Übertragungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Strukturen digitaler Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2.2.1 Vorwärtsgekoppelte Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2.2.2 Rückwärtsgekoppelte Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2.2.3 Allgemeine IIR-Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Die Zeitdiskrete Fouriertransformation (ZFT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 A Das Griechische Alphabet 69 B Dezibel-Rechnung 71 C Die Fourier-Transformation 73 D Der δ−Impuls und verallgemeinerte Funktionen 76 D.1 Konstruktion des δ-Impulses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 D.2 Die Theorie verallgemeinerter Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 D.3 Die Ableitung der Sprungfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 D.4 Die Fouriertransformation der δ-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 D.5 Spektrallinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 E Komplexe Zahlen 84 E.1 Schreibweise und Addition komplexer Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 E.2 Multiplikation von komplexen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 E.3 Einige algebraische Rechenmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 E.4 Zusammenhang mit der Exponentialfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 E.5 Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Vorbemerkungen Die Vorlesung Signale und Systeme (SuSy) besteht aus zwei Teilen. Teil 1 ist ein Pflichtfach für das 4. Fachsemester im Studiengang IKT. Im Hauptstudium spielt dieses Fach eine zentrale Rolle, indem es die Grundlagen für mehrere Kernfächer der Kommunikationtechnik vermittelt, u.a. für die Digitale Signalverarbeitung, die Digitale Kommunikationstechnik und zum Teil auch für die Hochfrequenztechnik. SuSy1 baut wesentlich auf den Mathematik-Vorlesungen auf und führt die Angewandte Mathematik hin zu ihren Anwendungen in der Kommunikationstechnik. Benötigt werden besonders die Fourierreihe und die Fouriertransformation sowie die Faltung. Sicherheit im Umgang mit komplexen Zahlen, Folgen und Reihen, Grenzwerten, der Differential- und Integralrechnung usw. werden vorausgesetzt. Teil 1 besteht aus zwei Kapiteln. Eines behandelt Signale, das andere Systeme. Bei den Signalen werden sowohl die zeitkontinuierlichen als auch die zeitdiskreten behandelt. Nach der Einführung von elementaren Begriffen und einer Wiederholung von Fourierreihen und komplexer Wechselstromrechnung werden die Grundlagen der Modulationstechnik und die komplexe Basisbanddarstellung behandelt. Danach betrachten wir die zeitdiskreten Signale und führen die diskrete Fouriertransfornation ein. In der Systemtherie geht es bei SuSy 1 zunächst nur um die zeitdiskreten Systeme. Weil diese mathematisch einfacher zu behandeln sind als die zeitkontinuierlichen, beschränken wir uns zunächst auf diese. In der heutigen Zeit sind so viele Dinge digitalisiert, dass dem technisch interessierten Menschen die Vorstellung zeitdiskreter Signale hinreichend vertraut sein dürfte. Um ein Gefühl für den Umgang mit zeitdiskreten Signalen zu bekommen, hilft MATLAB sehr. Wir weisen an gegebener Stelle öfter mal auf die entsprechenden MATLAB-Funktionen hin. Viele Plots in diesem Skript sind mit MATLAB erstellt. Die Vorlesung SuSy 1 ist eine Voraussetzung zum Verständnis der Vorlesungen Digitale Kommunikationstechnik und Digitale Signalverarbeitung, die im 5. Fachsemester auf dem Programm stehen. Als Literatur empfehle ich vor allem das Buch von Werner [1], weil es mir gut gefällt und weil es am besten zur Vorlesung passt. Ergänzend empfehle ich die Klassiker [2, 3]. Teil 2 ist ein Wahlpflichtfach und wird für das 5. Semester empfohlen. Es ergänzt die Digitale Kommunikationstechnik und die Digitale Signalverarbeitung und ist zu empfehlen als Voraussetzung für Mobilfunk-Übertragungstechnik. Es wird die Systemtheorie vertieft und auf den kontinuierlichen Fall übertragen. Außerdem kommt die Statistik hinein, d.h. es werden Zufallssignale und stochastische Prozesse behandelt. 3 1. Vorlesung am 5. April 2007 Kapitel 1 Signale 1.1 Grundbegriffe und Definitionen Wenn Informationen übertragen oder Messdaten erfasst werden, so benötigt man Signale. Mit Signalen übertragen wir Daten vom Handy oder vom Computer, der Experimentator betrachtet Signale am Oszilloskop oder einem anderen Messgerät. Solche Signale sind in der Regel physikalische Größen wie z.B. Strom, Spannung, elektrische oder magnetische Feldstärke, Schalldruck usw. und als solche dimensionsbehaftet. Diese physikalischen Größen sind Funktionen der Zeit. Uns interessiert der Verlauf und damit der Informationsgehalt der Signale mehr als ihre physikalische Natur, und wir werden deshalb meist mit dimensionslosen Signalen arbeiten. Es ist aber sinnvoll, der Variablen Zeit ihre Dimension zu lassen. Schließlich interessiert es uns, ob wir ein Bit in einer Millisekunde oder in einer Sekunde übertragen können. Wir fassen zu einer Definition zusammen: Definition 1 (Signal) Unter einem Signal s(t) verstehen wir eine Funktion, die eine zeitveränderliche physikalische Größe repräsentiert. Physikalische Größen sind immer reell. Wir werden es aber sehr bald mit komplexen Signalen zu tun bekommen, weil man mit denen einfacher rechen kann. Man muss sich dann natürlich immer darüber im klaren sein, was die komplexen Signal mit den physikalischen Messgrößen zu tun haben. Bemerkung 1 (Zweidimensonale Signale) Wir beschränken uns hier auf eindimensionale Signale einer Zeitvariablen. In der Bildverarbeitung arbeitet man mit zweidimensionalen Signalen mit zwei Ortsvariablen. Das ist interessant, aber nicht Gegenstand unserer Vorlesung. 1.1.1 Harmonische Schwingungen Besonders wichtig in Technik und Naturwissenschaft sind harmonische Schwingungen, d.h. Kosinus- und Sinusschwingungen. Eine beliebige reelle harmonische Schwingung kann man schreiben als s (t) = ŝ · cos (2πf t + ϕ) . (1.1) Dabei ist 4 5 KAPITEL 1. SIGNALE s(t) = a cos(2πf t) + b sin(2πf t) −b IV: (−,−) I: (+,−) ϕ a III: (−,+) IV: (+,+) s(t) = cos(2πf t) + sin(2πf t) Abbildung 1.1: Zeigerdarstellung eines Signals. • ŝ > 0 die Amplitude der Schwingung, auch Spitzenwert genannt (daher das Symbol ˆ·). • f die Frequenz der Schwingung. Die Dimension ist Hz. Oft arbeitet man auch mit der Kreisfrequenz ω = 2πf . • ϕ ist die Phase der Schwingung. Dies ist ein Winkel, den man meist im Bogenmaß angibt. Mit Gleichung (1.1) hat man auch eine Sinus-Komponente bei der selben Frequenz mit erfasst. Wir erinnern uns aus der Trigonometrie an das Additionstheorem cos (α + β) = cos (α) cos (β) − sin (α) sin (β) (1.2) und können deshalb Gleichung (1.1) auch schreiben als s (t) = a · cos (2πf t) + b · sin (2πf t) (1.3) mit a = ŝ · cos (ϕ) , b = −ŝ · sin (ϕ) . (1.4) Bitte beachten Sie das negative Vorzeichen! Anschaulich wird das Ganze, wenn man sich zu dem Signal einen Vektor s1 ŝ · cos (ϕ) a (1.5) = s= = ŝ · sin (ϕ) −b s2 in der Ebene vorstellt, der die Länge ŝ hat und den Richtungswinkel ϕ zur x-Achse , siehe Abbildung 1.1. Später werden wir diesen Vektor als komplexen Zeiger interpretieren. 6 KAPITEL 1. SIGNALE Tabelle 1.1: Quadranten-Tabelle Quadrant des Winkel ϕ I II III IV sign (a) + + sign (b) + + Zurück zu Amplitude und Phase kommt man mit der Umkehrformel ŝ = p a2 + b 2 , b ϕ = − arctan . a (1.6) Bemerkung 2 (Vorsicht Mehrdeutigkeiten!) Diese Umkehrformel für den Winkel gilt nur für Winkel aus den Quadranten I und IV. Beachten Sie hierzu auch die Übungsaufgaben und die Tabelle 1.1. Das Problem kommt daher, dass die Funktion tan (ϕ) nur für den Winkelbereich −π/2 < ϕ < π/2 eine eindeutige Umkehrfunktion besitzt. Man muss die Vorzeigen von a und b beachten, um ϕ korrekt zu bestimmen. Am einfachsten sieht man es aus Abbildung 1.1. Oder man schaut in Tabelle 1.1 nach. Merke: Es sind immer zwei Größen, die eine harmonische Schwingung einer festen Frequenz f0 charakterisieren: Entweder Amplitude und Phase der Kosinus-Schwingung in Gleichung (1.1) oder die Amplituden a und b der Kosinus- und Sinusschwingung in Gleichung (1.3). Man nennt Gleichung (1.1) die Polardastellung und Gleichung (1.3) die kartesische Darstellung. Man muss oft zwischen beiden Darstellungen wechseln, deshalb muss man dieses Thema sicher beherrschen! Zwar sind Additionstheoreme zunächst unanschaulich und nicht leicht zu merken. Wir werden bald sehen, dass im Komplexen alles einfacher und anschaulicher wird. Wir werden den Signalvektor dann als komplexen Zeiger auffassen und mit komplexen Schwingungen sehr elegant rechnen. Harmonische Schwingungen sind deshalb so wichtig, weil man jedes periodische Signal in harmonische Schwingungen zerlegen kann. Definition 2 (Periodisches Signal) Ein Signal s(t) heißt periodisch, wenn es eine Zeitdauer T gibt, für die s(t) = s(t + T ) (1.7) gilt. Die Zeitdauer T nennt man Periode. Die kleinste mögliche Periode heißt Grundperiode. Die Zerlegung eines Signals mit Periode T in harmonische Schwingungen nennt man die Fourierreihe des Signals. Sie kann man so schreiben: X ∞ ∞ a0 X k k s (t) = + ak · cos 2π t + bk · sin 2π t (1.8) 2 T T k=1 k=1 Die Fourierkoeffizienten ak und bk berechnen sich nach folgenden Formeln: Z Z k k 2 T 2 T s (t) cos 2π t dt, bk = s (t) sin 2π t dt ak = T 0 T T 0 T (1.9) 7 KAPITEL 1. SIGNALE für k = 0, 1, 2, .... Der Einfachheit halber haben wir b0 = 0 definiert. Der Koeffizient a0 /2 kann als Gleich(spannungs)anteil aufgefasst werden. Entsprechend den obigen Ausführungen kann man die Fourierreihe natürlich auch als Überlagerung von Kosinusschwingungen mit Amplituden und Phasen schreiben: ∞ X k s (t) = ŝ0 + ŝk · cos 2π t + ϕk (1.10) T k=1 Es gilt die Beziehung ŝ0 = a0 2 für k = 0 und ŝk = q a2k + b2k , ϕk = − arctan ak = ŝk cos ϕk (1.11) bk ak bk = −ŝk sin ϕk (1.12) (1.13) für k > 0. Auf die komplexe Darstellung der Fourierreihe, die Sie schon aus der Mathematik kennen, kommen wir bald zu sprechen. 1.1.2 Leistung Wir wissen, dass die elektrische Leistung gegeben ist als P = U · I. Im Allgemeinen hat man es mit zeitabhängigen Größen zu tun, und man verwendet dann meist i = i(t) für den Strom und u = u(t) für die Spannung. Die Leistung ist dann auch eine zeitabhängige Größe. Man spricht von der Augenblicksleistung. Wir schreiben dafür p(t). An einem Ohmschen Widerstand R beträgt die Augenblicksleistung p(t) = u2 (t) = i2 (t) · R. R Fassen man u(t) oder i(t) als Signal auf, so stellen wir fest, dass die Leistung proportional zu dem Quadrat des Signals ist. Dies ist auch bei anderen physikalischen Größen so1 : Z.B. ist die Leistung beim Schall proportional dem Quadrat des Schalldrucks. Da wir hier dimensionslose Signale betrachten, definieren wir: Definition 3 (Augenblicksleistung) Die Augenblicksleistung eines Signals s(t) ist gegeben durch s2 (t). Wichtiger ist die mittlere Leistung: Definition 4 (Mittlere Leistung) Die Mittlere Leistung P s eines Signals s(t) ist gegeben durch den zeitlichen Mittelwert von s2 (t). Für periodische Signale mit Periode T gilt 1 Ps = T Z T s2 (t) dt. (1.14) 0 1 Jedenfalls wenn im Mittel Arbeit geleistet wird. Die sog. “Blindleistung” bei elektrischen Schaltungen ist in diesem Sinne keine Leistung. 8 KAPITEL 1. SIGNALE Für nichtperiodische Signale müssen wir das Zeitmittel als einen Grenzwert schreiben: 1 P s = lim T →∞ T Z T /2 s2 (t) dt. (1.15) −T /2 Natürlich gibt es eine Reihe von Signalen, für dieser Grenzwert Null ist (z.B. für alle Signale endlicher Dauer). Signale mit 0 < P s < ∞, für die der mittlere Leistung eine brauchbare Größe ist, nennt man Leistungssignale. Wir werden später mit komplexen Signalen arbeiten. Bei komplexen Signalen s (t) definieren wir die Leistung so: Z 1 T /2 2 P s = lim |s (t)| dt. (1.16) T →∞ T −T /2 Natürlich müssen wir an passender Stelle begründen, was das mit der der physikalischen Leistung zu tun hat. Eine harmonische Schwingung der Gestalt (1.1) hat die Leistung 1 Ps = T Z 0 T ŝ2 · cos2 (2πf t + ϕ) dt = 1 2 ŝ . 2 (1.17) Merke: Der Faktor 1/2 ist wichtig! Wie kann man ihn geometrisch erklären, ohne das Integral auszurechnen? Dieser Faktor führt auf den Effektivwert Weil der Faktor 1/2 immer wieder auftaucht, hat man in der Elektrotechnik den Effektivwert eingeführt. Eine Spannung u (t) = û · cos (2πf0 t + ϕ) führt am Ohmeschen Widerstand R zu der mittleren Leistung Ps = 1 û2 . 2R (1.18) Damit man den Faktor 1/2 nicht vergisst und einfach Ps = 2 Uef f R schreiben kann, hat man den Effektivwert 1 Uef f = √ û 2 (1.19) eingeführt. Leider führt dass dazu, dass viele Studenten vergessen, wie man die Leistung durch den Spitzenwert ausdrückt... 1.1.3 Energie Für Signale, die zeitlich konzentriert sind, ist die mittlere Leistung nicht sinnvoll erklärt. Ein Impuls endlicher Dauer überträgt während dieser Dauer Energie, aber wenn man diese endliche Energie über einen unendlichen Zeitraum mittelt, kommt Null heraus. Wenn Sie mit Ihrem 9 KAPITEL 1. SIGNALE |S(f )|2 R f2 f1 f1 f2 |S(f )|2df f Abbildung 1.2: Energiedichte. Handy eine SMS verschicken, so dauert es eine endliche Zeit in der Größenordnung von wenigen Sekunden, in der das Signal aktiv ist. Eine SMS besteht z.B. aus 160 Bytes bzw. 1280 bits, und es ist sicher vernünftig, danach zu fragen, wieviel Energie zum Verschicken dieser Datenmenge benötigt wird. Leistung ist Arbeit (Energieverbrauch) pro Zeit, und die Energie ist das Integral über die Leistung. Wir definieren daher: Definition 5 (Energie) Die Energie Es eines Signals s(t) ist gegeben durch das Integral über s2 (t). Als Formel: Es = Z ∞ s2 (t) dt. (1.20) −∞ Wir werden später mit komplexen Signalen arbeiten. Bei komplexen Signalen definieren wir die Energie so: Z ∞ Es = −∞ |s (t)|2 dt. (1.21) Natürlich müssen wir an passender Stelle begründen, was diese Größe mit der physikalischen Energie zu tun hat. Wegen der Parsevalschen Gleichung (C.4) der Fouriertransformation kann man die Energie auch durch die Fouriertransformierte S (f ) von s (t) ausdrücken. Es gilt Z ∞ Z ∞ 2 2 Es = |s (t)| dt = |S (f )| df. (1.22) −∞ −∞ 2 Man kann die Funktion |S (f )| daher als die (zweiseitige) spektrale Energiedichte des Signals auffassen, siehe 1.2. Z f2 2 |S (f )| df f1 ist dann die Energie zwischen den Frequenzen f1 und f2 . Wie ist das zu verstehen, wenn f1 und f2 negativ sind? An dieser Stelle hilft vielleicht folgende Erläuterung, um eine häufige Verwirrung zu vermeiden: 10 KAPITEL 1. SIGNALE Negative Frequenzen In der Kommunikationstechnik spricht man oft von negativen Frequenzanteilen eines Signals. Natürlich gibt es physikalisch nur positive Frequenzen. Bei der Darstellung eines Signal als Fourier-Integral2 Z ∞ s (t) = ej2πf t S (f ) df (1.23) −∞ wird auch über die negative Frequenzachse integriert, d.h. es gibt scheinbar negative Frequenzanteile. Das hängt aber nur mit der bequemen Darstellung im Komplexen zusammen. Wenn s (t) reell ist, gilt S (−f ) = S ∗ (f ) , (1.24) und kann das Integral umformen zu s (t) = 2< ∞ Z ej2πf t S (f ) df 0 . (1.25) Hierbei bezeichnet < {z} den Realteil der komplexen Zahl z. In dem Integationsgebiet tauchen keine negativen Frequenzen mehr auf. Entsprechend kann man auch Gleichung (1.22) umformen zu Z ∞ Z ∞ 2 Es = −∞ |s (t)| dt = 2 2 0 |S (f )| df. (1.26) Die physikalisch richtige Energiedichte ist also die sogenannte einseitige spektrale Energiedichte 2 |S (f )|2 . 1.1.4 Spezielle Signale Einheitsimpuls und Sprungfunktion In der Vorlesung zur Angewandten Mathematik sind Sie wahrscheinlich schon dem Einheitsimpuls (oder Dirac-Impuls 3 oder δ−Impuls) begegnet. Häufig definiert man ihn durch die Eigenschaften ∞ : t=0 δ (t) = 0 : t 6= 0 und Z ∞ δ (t) dt = 1. −∞ Wir wollen nicht verschweigen, dass es eine derartige Funktion (in dem Sinne, wie Sie Funktionen kennen gelernt haben) eigentlich gar nicht geben kann. Trotzdem ist dieses scheinbar “kranke” Signal sehr wichtig für die Anwendung. Im Sinne verallgemeinerter Funktionen kann man alles sauber definieren. Uns geht es mehr um die Anwendung und eine geeignete intuitive Vorstellung davon. In Anhang D wird hierzu etwas mehr erklärt. Aber erst einmal rechnen wir einfach damit. Wichtig ist die Ausblend-Eigenschaft (auch: Sieb-Eingenschaft ) des Dirac-Impulses. Für ein beliebiges Signal s (t) gilt Z ∞ δ (t) s (t) dt = s (0) . (1.27) −∞ Das Signal (t) = 2 d.h. 1 0 : t≥0 : t<0 als Fourier-Rücktransformation nach dem Physik-Nobelpreisträger P.A.M. Dirac (1902-1984), einem der Pioniere der Quantentheorie. Studiert hat er aber nicht Physik, sondern erst Elektrotechnik und dann Mathematik. 3 Benannt 11 KAPITEL 1. SIGNALE (t) 1 t 0 1 δ(t) t 0 Abbildung 1.3: Einheitspuls und Einheitsprung. nennt man den (kontinuierlichen) Einheitssprung oder auch die Heavisidesche Sprungfunktion. Man braucht diese Sprungfunktion z.B. um Einschaltvorgänge folgender Art zu beschreiben: “Die angelegte Spannung ist Null für negative Zeiten und nimmt dann einen konstanten Wert an.” Mathematisch ist die Sprungfunktion bei t = 0 nicht differenzierbar (die Steigung ist unendlich!). Im Sinne von verallgemeinerten Funktionen existiert die Ableitung jedoch (siehe Anhang D) und es gilt d (t) = δ (t) (1.28) dt Abbildung1.3 zeigt den Einheitssprung und die symbolische Darstellung des Einheitspulses. Der Einheitspuls wird symbolisiert durch einen Pfeil mit ausgefüllter Spitze. Die Höhe des Pfeiles stellt den Vorfaktor vor dem Puls dar. Rechteck und si-Funktion Wir schreiben rect (x) = 1 : 0 : |x| < 1/2 |x| ≥ 1/2 (1.29) für die Rechteckfunktion der Breite Eins. Wenn wir es mit einem rechteckigen Zeitsignal der Breite T zu tun haben, schreiben wir t 1 : |t| < T /2 = . (1.30) rect 0 : |t| ≥ T /2 T Wir definieren die si-Funktion als4 si (x) = 4 Wir 1 sin(x) x : : x=0 x 6= 0 erinnern an die stetige Ergänzung von Definitionslücken, die wir aus der Mathematik kennen. (1.31) 12 KAPITEL 1. SIGNALE bzw. ( t = si π T 1 sin(πt/T ) πt/T : t=0 : t= 6 0 (1.32) Diese Funktion wird in der Physik auch als Spaltfunktion bezeichnet, weil sie bei der Beugung am Spalt auftritt. 1.1.5 Elementare Operationen mit Signalen Verzögerungen und Spiegelungen Wenn s (t) ein Signal ist, so ist sT (t) = s (t − T ) das um die Zeitdauer T verzögerte (d.h. zeitlich verschobene) Signal. Wenn man es zeichnet, so ist es um T nach rechts verschoben. Z.B. lautet der Rechteckpuls zwischen 0 und T 1 t 1 : 0<t<T = − rect . 0 : sonst T 2 Wenn s (t) ein Signal ist, so ist s̃ (t) = s (−t) das zeitlich gespiegelte Signal. Wenn man ein Signal spiegelt und verzögert, so kommt es auf die Reihenfolge an. Wenn zuerst gespiegelt und dann verzögert wird, ergibt sich (s̃)T (t) = s (− (t − T )) = s (T − t) . (1.33) Wenn dagegen das verzögerte Signal gespiegelt wird, ergibt sich s˜T (t) = s (−t − T ) . (1.34) Abbildung 1.4 zeigt die verschiedenen Signale. Die Faltung Wichtig ist dies zum Verständnis der Faltungsoperation Z ∞ r (t) = h (τ ) s (t − τ ) dτ. −∞ Hier wird aus zwei Signalen s (t) und h (t) ein neues Signal r (t) auf folgende Weise erzeugt: Das Signal s (τ ) wird gespiegelt und dann um eine feste Zeit t verschoben. Dieses gespiegelte und verschobene Signal (s̃)t (τ ) = s (− (τ − t)) = s (t − τ ) wird dann mit dem Signal h (τ ) multipliziert (gewichtet) und über die Variable τ integriert. Das Ergebnis ist die Faltung an der Stelle (dem Zeitpunkt) t. Beachten Sie, dass man unterschiedliche Buchstaben als Variablen nehmen darf. Man muss nur aufpassen, dass man den Überblick behält! Das Operation der Faltung ist eine Verknüpfung zweier Signale. Als Verknüpfungsoperator schreibt man einen ∗, d.h. man schreibt die Faltung als Z ∞ h (t) ∗ s (t) = h (τ ) s (t − τ ) dτ. (1.35) −∞ 13 KAPITEL 1. SIGNALE (a) s(−t) s(t) t 0 (b) s(T − t) 0 s(t − T ) T t (c) s(−t − T ) −T s(t − T ) 0 T Abbildung 1.4: Verschiebungen und Spiegelungen eines Signals t 14 KAPITEL 1. SIGNALE Mit einer einfachen Substitution kann man dies umformen in Z ∞ h (t) ∗ s (t) = h (t − τ ) s (τ ) dτ. (1.36) −∞ Damit ist die Faltung kommutativ, d.h. es gilt h (t) ∗ s (t) = s (t) ∗ h (t) . (1.37) Die Faltung ist auch assoziativ, d.h. man darf Klammern weglassen und es gilt g (t) ∗ (h (t) ∗ s (t)) = (g (t) ∗ h (t)) ∗ s (t) = g (t) ∗ h (t) ∗ s (t) . (1.38) Außerdem ist die Faltung distributiv, d.h. man darf ausklammern: g (t) ∗ (h (t) + s (t)) = g (t) ∗ h (t) + g (t) ∗ s (t) . (1.39) Die Faltung verhält sich also wie eine Multiplikation. Man spricht daher auch vom Faltungsprodukt. Die Gleichung (1.35) erlaubt folgende Interpretation: Das Signal r (t) = h (t) ∗ s (t) ist eine Überlagerung von verzögerten Versionen des Signals s (t) um Verögerungszeiten τ , jeweils gewichtet mit einem Vorfaktor h (τ ). Der δ-Impuls ist die Eins bezüglich des Faltungsproduktes, denn es gilt δ (t) ∗ h (t) = h (t) ∗ δ (t) = h (t) . Man kann deshalb jedes Signal schreiben als Z ∞ s (t) = s (τ ) δ (t − τ ) dτ. (1.40) (1.41) −∞ 1.2 1.2.1 Komplexe Signale Harmonische Schwingungen Der Umgang mit harmonischen Schwingungen wird einfacher, wenn man zu komplexen Signalen und der Zeigerdarstellung wechselt. Wir schreiben dazu den Kosinus in Gleichung (1.1) als Realteil einer komplexen Exponentialfunktion, d.h. als1.42 s (t) = < ŝ · ejϕ ej2πf t . (1.42) Hierbei bezeichnet < {z} den Realteil der komplexen Zahl z. Das komplexe Signal s (t) = ŝ · ejϕ ej2πf t bezeichnet man als komplexe harmonische Schwingung der Frequenz f0 . Es ist in der Elektrotechnik gebräuchlich, komplexe Größen zu unterstreichen 5 . Die nicht unterstrichenen Zeitfunktionen sind dann automatisch als die Realteile der unterstrichenen zu verstehen, z.B. s (t) = < {s (t)}. Diese Notation ist mathematisch nicht schön6 , aber in einer DIN-Norm zur komplexen Wechselstromrechnung vorgeschrieben. Wir werden uns deshalb mit dieser Notation auseinandersetzen und sie erläutern, uns aber auf die Dauer nicht daran gebunden fühlen. 5 Ein Mathematiker tut dies normalerweise nicht. wenn man dann auch noch die Zeitvariable weglässt und s = < {s} schreibt. 6 Besonders, 15 KAPITEL 1. SIGNALE Imaginaerteil ŝ −b ŝ ϕ Realteil a Abbildung 1.5: Zeigerdarstellung einer komplexen Schwingung Wir können jetzt den komplexen Zeiger1.43 ŝ = ŝ · ejϕ (1.43) einführen. Achtung: Hier ist die nicht unterstrichene Größe der Betrag der unterstrichenen! An dieser Stelle sollen kurz noch einmal die Eulerschen Gleichungen wiederholt werden, die man auswendig wissen muss: e±jφ = cos (φ) ± j sin (φ) (1.44) 1 jφ e + e−jφ (1.45) cos (φ) = 2 1 jφ sin (φ) = e − e−jφ (1.46) 2j Man kann den Zeiger (1.43) geometrisch und anschaulich in der komplexen Ebene darstellen, siehe Abbildung 1.5 (vgl. auch Abbildung 1.1). Zerlegt man den Zeiger ŝ in Real- und Imaginärteil und setzt in Gleichung (1.42) ein, so erhält man mit den Eulerschen Gleichungen und Vergleich mit Gleichung (1.3) sofort a = < {ŝ} = < ŝ · ejϕ und −b = = {ŝ} = = ŝ · ejϕ , 16 KAPITEL 1. SIGNALE wobei = {·} für den Imaginärteil steht. Mit Hilfe der Eulerschen Gleichungen kann man die Fourier-Reihe (1.8) folgendermaßen umschreiben: s (t) = ∞ ∞ X k k a0 X ak j2π k t bk j2π k t e T + e−j2π T t + e T − e−j2π T t + 2 2 2j (1.47) k=1 k=1 Wir ordnen die Summen nach positiven und negativen Exponenten und schreiben s (t) = ∞ ∞ k=1 k=1 X1 k k a0 X 1 + (ak − jbk ) ej2π T t + (ak + jbk ) e−j2π T t 2 2 2 (1.48) Mit der Definition 1 (ak − jbk ) , c−k = c∗k , (k ≥ 0) 2 ergibt sich jetzt die komplexe Darstellung der Fourierreihe ck = s (t) = ∞ X k ck ej2π T t (1.49) (1.50) k=−∞ mit der Formel für die komplexen Fourierkoeffizienten Z 1 T −j2π k t T s (t) dt. e ck = T 0 (1.51) Diese Darstellung ist natürlich viel einfacher und kompakter als die Darstellung mit Kosinus und Sinus. Das Signal wird jetzt aufgefasst als eine Überlagerung komplexer harmonischer Schwingungen ej2πfk t mit den Frequenzen k fk = . (1.52) T Dass bei dieser komplexen Darstellung hier auch negative Frequenzen auftreten, sollte jetzt nicht mehr verwirren. In den physikalischen Kosinus- und Sinusschwingungen sind die Frequenzen reell. Jede dieser Schwingungen mit positiver Frequenz fk lässt sich darstellen als eine Überlagerung von einer Exponentialschwingung der Frequenz fk und einer der Frequenz fk . Es gilt ja nach den Eulerschen Formeln k k 1 j2π k t cos 2π t = e T + e−j2π T t T 2 und k k 1 j2π Tk t sin 2π t = e − e−j2π T t . T 2j Die Fourierkoeffizienten zu den negativen Frequenzen enthalten die selbe Information wie die zu den positiven. Die Amplituden sind identisch, und die Phasen sind gespiegelt. Man kann auch beliebige komplexe periodische Signale in eine Fourierreihe entwickeln. Die Koeffizienten berechnen sich nach der selben Formel (1.51). Es gilt nicht mehr die Symmetrieeigenschaft zwischen negativen und positiven Frequenzen, d.h. i.A. gilt ck 6= c∗k . Es gilt die Parsevalsche Gleichung für Fourierreihen: Ps = 1 T Z 0 T 2 |s| (t) dt = ∞ X k=−∞ 2 |ck | . (1.53) 17 KAPITEL 1. SIGNALE Auf der rechten Seite ist die Leistung im Frequenzbereich ausgedrückt. Sie setzt sich zusammen aus den Beiträgen für die Leistungen für alle harmonischen Schwingungen bei den Frequenzen fk wobei immer ein Paar zu positivem und negativem Index zusammen gehört. Für relle Signale gilt c−k = c∗k , und man kann schreiben: P s = c20 + 2 ∞ X k=0 2 |ck | . (1.54) Wenn man dies durch die Koeffizienten der reellen Fourierreihe ausdrückt, so erhält man ∞ Ps = a20 1X 2 + ak + b2k 4 2 (1.55) k=0 Die Gesamtleistung lässt sich also zerlegen in die Leistung der einzelnen Schwingungen, wobei a2k /2 die Leistung der k-ten Kosinus und b2k /2 die Leistung der k-ten Sinusschwingung ist. a20 /4 ist die Leistung des Gleichanteils. 2 Definition 6 (Diskretes Spektrum) Die Zahlen |ck | nennt man das diskrete Spektrum des periodischen Signals s(t). Fourieranalyse und Frequenzdetektion Wir betrachten (nur) Signale der Periode T . Wenn man ein solches periodisches Signal als Fourierreihe ∞ X k (1.56) s (t) = ck ej2π T t k=−∞ 7 darstellen kann , ergibt sich die Formel 1 ck = T Z T k e−j2π T t s (t) dt (1.57) 0 für die Koeffizienten sofort aus der Gleichung Z 1 T −j2πfk t j2πfl t e e dt = δkl . T 0 (1.58) Man kann deshalb die Integral-Operation Dk {(·)} = 1 T Z T e−j2πfk t (·) dt (1.59) 0 als einen Detektor für die Schwingung bei der Frequenz fk auffassen: Schickt man eine Schwingung dieser Frequenz in den Detektor, so liefert dieser die Amplitude und Phase dieser Schwingung. Schickt man eine andere Schwingung hinein, so zeigt er “Null” an Bild: FourierReihe als Man kann das auch reell darstellen. Es gilt Detektor-Bank. Z 2 T cos (2πfk t) cos (2πfl t) dt = δkl T 0 Z 2 T sin (2πfk t) sin (2πfl t) dt = δkl T 0 7 Wir nehmen an, dass die mathematischen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. 18 KAPITEL 1. SIGNALE 2 T Z T cos (2πfk t) sin (2πfl t) dt = 0 0 Statt einen komplexen Detektors haben wir nun zwei reelle: Einen für die Sinus-Schwingung und einen für die Kosinus-Schwingung. 1.2.2 T Dkcos {(·)} = 2 T Z Dksin {(·)} = 2 T Z cos (2πfk t) (·) dt 0 T sin (2πfk t) (·) dt 0 Wechselstromrechnung Die komplexe Wechselstromrechnung ist eine Methode, die Differentialgleichungen für bestimmte Schaltkreise mit harmonischer Anregung nach immer dem gleichen Schema zu lösen. Die Schaltung wird durch eine lineare, inhomogene Differentialgleichung mit konstanten reellen Koeffizienten beschrieben. Die Inhomogenität (oder Störung) sei eine harmonische Schwingung der Gestalt (1.1). Uns interessiert nur der eingeschwungene Zustand. Physikalisch heißt das, dass man nach dem Einschaltvorgang eine hinreichend lange Zeit abwartet, bis die exponentiellen abfallenden Lösungsanteile abgeklungen sind8 . Dies bedeutet also, dass man nur eine spezielle (partikuläre) Lösung der inhomogenen Lösung sucht. Die Methode funktioniert folgendermaßen: Diese Inhomogenität wird durch eine komplexe harmonische Schwingung ersetzt. Aus der Theorie der Differentialgleichungen weiß man, dass der Realteil der komplexen Lösung dieser komplexen Differentialgleichung eine Lösung der ursprünglichen reellen Differentialgleichung ist. Für die komplexe Differentialgleichung findet man sehr einfach eine Lösung: Man setzt einfach eine komplexe Schwingung mit der selben Frequenz wie die der Inhomogenität an. Die Ableitungen dieser Schwingung sind leicht zu berechnen, und man erhält eine algebraische Gleichung, die man leicht lösen kann. Wir betrachten als Beispiel die Differentialgleichung aẍ + bẋ + cx = cos (ωt) , (1.60) mit reellen Koeffizienten a, b und c, wobei der Punkt für die zeitliche Ableitung steht. Wir verwenden hier die Abkürzung ω = 2πf . Wenn nun z (t) = x (t) + jy (t) eine Lösung der komplexen Differentialgleichung az̈ + bż + cz = ejωt (1.61) ist, dann ist x (t) Lösung der Differentialgleichung (1.60). Eine Lösung von (1.61) bekommt man durch den Ansatz (1.62) z (t) = ẑ ejωt , wobei ẑ = ẑ(ω) ein noch zu bestimmender komplexer Vorfaktor ist. Wir setzen diesen Ansatz in die Dgl. (1.61) ein und erhalten 2 (jω) aẑ ejωt + jωbẑ ejωt + cẑ ejωt = ejωt . (1.63) Die Exponentialschwingung kürzt sich heraus und wir erhalten die algebraische Gleichung −ω 2 aẑ + jωbẑ + cẑ = 1, 8 Diese gehören mathematisch zu der Lösung der homogenen Gleichung. (1.64) 19 KAPITEL 1. SIGNALE die wir einfach nach dem unbestimmte Vorfaktor ẑ auflösen können. Das Ergebnis ist 1 . −ω 2 a + jωb + c ẑ = (1.65) Diese Größe wird in der Elektrotechnik und in der Systemtheorie als Übertragungsfunktion bezeichnet. Eine Lösung der inhomogenen komplexen Dgl. (1.61) ergibt sich dann als z (t) = ejωt . −aω 2 + jωb + c (1.66) Eine Lösung der zugehörigen reellen Dgl. (1.60) ist dann ejωt x (t) = < . −aω 2 + jbω + c Falls die Inhomogenität mit einer Amplitude und Phase behaftet ist, d.h. aẍ + bẋ + cx = ŝ cos (ωt + ϕ) = < ŝejϕ ejωt , (1.67) (1.68) so setzten wir ŝ = ŝejϕ und erhalten nach der selben Methode z (t) = bzw. x (t) = < Insbesondere gilt ẑ = ŝejωt −aω 2 + jbω + c ŝ ejωt 2 −aω + jωb + c −aω 2 (1.69) . (1.70) 1 ŝ + jωb + c Der Vorfaktor ist wieder die Übertragungsfunktion des Systems. Zusammenfassung Allgemein gilt: Für eine lineare, inhomogene Differentialgleichung mit konstanten rellen Koeffizienten und der komplexen Inhomogenität exp (j2πf t) führt der Ansatz z (t) = H (f ) ej2πf t (1.71) immer auf eine Lösung. Die Größe H (f ) ist zunächst eine unbestimmte Größe, die man durch Einsetzen in die Differentialgleichung erhält. Definition 7 (Übertragungsfunktion) Die Größe H(f ) in Gleichung (1.71) bezeichnet man als die Übertragungsfunktion. Der Begriff der Übertragungsfunktion ist von zentraler Bedeutung in der Systemtheorie, die aber erst etwas später kommt. 20 KAPITEL 1. SIGNALE Notation und Konventionen in der Elektrotechnik Nach dem oben geschilderten Prinzip werden in der Elektrotechnik routinemäßig Schaltungen aus Kapazitäten, Induktivitäten und Widerständen berechnet. Die Methode ist so zur Gewohnheit geworden, dass das zugrundeliegenden Prinzip leider oft vergessen wird. Wir wollen hier noch einmal den Bezug zu den vertrauten Größen der Elektrotechnik hinschreiben. Hier verwendet man eine strenge, sehr kompakte Notation, bei der man aufpassen muss, dass man keinen Unterstrich und kein “Dach” vergisst. Wir haben es physikalisch mit zeitabhängigen Strömen und Spannungen zu tun, die über Vorfaktoren und Ableitungen zusammen hängen und daher durch Differentialgleichungen beschrieben werden. In der Notation schreibt man beim Strom i = i (t) und der Spannung u = u (t) die Zeitabhängigkeit in der Regel nicht explizit mit. Wir betrachten den eingeschwungenen Zustand, d.h. wir haben es immer mit harmonischen Schwingungen der Gestalt (1.1) zu tun. Wir schreiben diese als Realteil einer komplexen Schwingung, d.h. i = < {i} , u = < {u} (1.72) i = î ejωt , u = û ejωt . (1.73) mit Mit den komplexen Zeigern î und û werden die Amplituden und Phasen der jeweiligen Schwingungen charakterisiert. Die Amplituden schreibt man auch als î = |î|, û = |û| und nennt dies die Spitzenwerte (im Unterschied zu den schon erwähnten Effektivwerten). Die komplexe partikuläre Lösung der Differentialgleichung, die die Schaltung beschreibt, bekommt jetzt, indem die zeitabhängigen Größen durch die zeitunabhängigen ausdrückt und die komplexe Schwingung herauskürzt: 1. An einem Ohmschen Widerstand R ist der Strom proportial zur Spannung, d.h. es gilt das Ohmsche Gesetz uR = Ri ⇒ ûR = R î. (1.74) 2. An einer Induktivität L ist die induzierte Spannung proportional zur Ableitung des Stromes, d.h. es folgt aus dem Induktionsgesetz d i ⇒ ûL = jωL î. dt Man bezeichnet jωL als den komplexen Widerstand der Induktivität. uL = L (1.75) 3. An einer Kapazität C ist der Strom (als Ableitung der Ladung) proportional zur Ableitung der Spannung d i = C uC ⇒ î = jωC ûC . (1.76) dt Man kann den Zusammenhang auch so ausdrücken: Z 1 1 uC = i dt ⇒ ûC = î. (1.77) C jωC Man bezeichnet 1 jωC als den komplexen Widerstand der Kapazität. 21 KAPITEL 1. SIGNALE Setzt man dies entsprechend ein, kann man die resultierende algebraische Gleichung nach dem komplexen Zeiger der interessierenden Größe (z.B. dem Strom) auflösen und erhält die Übertragungsfunktion als Vorfaktor vor der Inhomogenität (dies ist meist die angelegt Spannung). In der Elektrotechnik schreibt man meist gar nicht erst die Differentialgleichung hin, sondern beschreibt die Schaltung direkt mit den obigen komplexen Widerständen unter Anwendung der Knoten- und Maschenregel. 1.2.3 Modulation einer Trägerschwingung Harmonische Schwingungen kann man zur Informationsübertragung verwenden, indem man eine Zeitabhängigkeit in die Amplitude und/oder die Phase bringt. Man nennt dies Modulation. Wir werden ab jetzt komplexe Signale nicht mehr unterstreichen, weil dies in der Kommunikationstechnik nicht gebräuchlich ist. Eine harmonische Schwingung schreiben wir als √ s̃ (t) = 2 a · cos (2πf0 t + ϕ) (1.78) und nennen sie Trägerschwingung. Die Frequenz f0 nennen wir Trägerfrequenz. Mit der Bezeichnung s̃ (t) für das √ Signal deuten wir an, dass es sich um eine hochfrequente Schwingung handelt. Den Faktor 2 haben wir eingeführt, damit bei der Leistungsberechnung kein Faktor 1/2 auftaucht (aus dem gleichen Grund wie bei der Einführung vom Effektivwert). Die mittlere Leistung ist also einfach a2 . Wir modulieren diese Trägerschwingung, indem wir Amplitude und Phase als Signale auffassen, d.h. zeitabhängig werden lassen. Wir schreiben also √ s̃ (t) = 2 a (t) · cos (2πf0 t + ϕ (t)) (1.79) Das Signal a (t) bezeichnen wir als Amplitudenmodulation (AM), das Signal ϕ (t) als Phasenmodulation (PM). Beide Signale sind relativ zur Trägerfrequenz f0 nur langsam zeitveränderlich. Bei Rundfunk-Signalen z.B. liegen die auftretenden Frequenzen im Audio-Bereich (einige kHz), während die Trägerfrequenz im MHz-Bereich liegt. Es ist wieder sinnvoll, mit komplexen Signalen zu arbeiten. Dann kann man nämlich den Signalanteil abspalten, der die eigentliche Information enthält. Dazu schreiben wir o n√ 2 a (t) ejϕ(t) · ej2πf0 t , (1.80) s̃ (t) = < wobei wir den komplexen Signalanteil, der die Information trägt, nämlich s (t) = a (t) ejϕ(t) , (1.81) von der komplexen harmonischen Schwingung abgespalten haben. Definition 8 (Komplexes Basisband) Wir nennen s(t) das komplexe Basisband zu s̃(t). Man sagt auch hierzu auch äquivalentes komplexes Tiefpasssignal, weil dieses niederfrequente Signal s (t) bei gegebener Trägerfrequenz dieselbe Information enthält wie das hochfrequente Bandpasssignal n√ o 2 s (t) · ej2πf0 t . s̃ (t) = < (1.82) Der Vollständigkeit halber sollen noch folgende Begriffe eingeführt werden: Definition 9 (Einhüllende) Wir nennen √ und 2a(t) die Einhüllende (Hüllkurve) √ 2s(t) die komplexe Einhüllende (Hüllkurve) zu s̃(t) 22 KAPITEL 1. SIGNALE 1 Bandpasssignal Einhuellende 0.8 0.6 0.4 0.2 0 −0.2 −0.4 −0.6 −0.8 −1 −1 −0.5 0 t [s] 0.5 1 Abbildung 1.6: Bandpasssignal und Einhüllende. Der Begriff Einhüllende wird in Abbildung 1.6 veranschaulicht. Das komplexe Tiefpasssignal kann man durch seine komplexe Ortskurve darstellen. Definition 10 (Komplexe Ortskurve) Die Ortskurve eines komplexen Signals s(t) ist seine Punktmenge in der komplexen Ebene. Wir können die Ortskurve von s (t) mathematisch schreiben als O {s (t)} = { z ∈ C| z = s (t) , t ∈ R} . (1.83) Anschaulich ist die Ortskurve einfach die Kurve, die der Zeiger in der Ebene beschreibt. Man kann zeigen, dass s̃ (t) und das zugehörige komplexe Basisbandsignal s (t) die selbe Energie besitzen9 , sofern es sich um Energiesignale handelt und die selbe Leistung besitzten, wenn es sich um Leistungssignale handelt. D.h. es gilt Es̃ = Es für Es̃ = Z (1.84) ∞ s̃2 (t) dt (1.85) −∞ und Es = Z ∞ −∞ 9 Hierzu ist es wesentlich, dass wir den Faktor gezogen haben. √ 2 |s (t)| dt. (1.86) 2 in Gleichung (1.82) aus den komplexen Basisband heraus 23 KAPITEL 1. SIGNALE x(t) √ 2 cos(2πf0 t) s(t) = √ √ − 2 sin(2πf0 t) 2 cos(2πf0 t)x(t) − √ 2 sin(2πf0 t)y(t) y(t) Abbildung 1.7: Quadraturmodulator Für Leistungssignale gilt entsprechend P s̃ = Ps . (1.87) Genau genommen gilt das nur für strikt bandbegrenzte Signale, aber auch sonst gilt das in guter Näherung. Der Beweis kommt später. Das komplexe Basisbandsignal kann man als einen zeitveränderlichen Zeiger auffassen. Neben der Polardarstellung (1.81) kann man ihn natürlich auch kartesisch durch seinen Realteil x (t) und seinen Imaginärteil y (t) darstellen: s (t) = x (t) + jy (t) (1.88) Man nennt x (t) die Inphase-Komponente des Signals und schreibt dafür oft I (t). Man nennt y (t) die Quadratur-Komponente des Signals und schreibt dafür oft Q (t). Beide zusammen bezeichnet man auch als die Quadraturkomponenten von s (t). Man kann dann das Signal in Quadraturdarstellung (auch: I-Q-Darstellung) schreiben als: √ √ s̃ (t) = 2 x (t) cos (2πf0 t) − 2 y (t) sin (2πf0 t) (1.89) Beachten Sie bitte das Vorzeichen vor der Sinus-Schwingung! Ein Gerät, das aus den Signalen x (t) und y (t) das Signal (1.89) erzeugt, nennt man Quadraturmodulator, siehe Abbildung 1.7. Ein Quadraturmodulator kommt in jedem Handy vor und in jeder WLAN-Karte. Zwischen der Polardarstellung und der Quadraturdarstellung kann man leicht umrechnen. Es gilt x (t) = a (t) cos (ϕ (t)) , y (t) = a (t) sin (ϕ (t)) (1.90) und a (t) = p x2 (t) + y 2 (t), ϕ (t) = arctan y (t) x (t) . (1.91) Welche der beiden Darstellungen günstiger ist, hängt vom jeweiligen Verfahren ab. 1.2.4 Analoge Trägermodulation Analoge Modulation (oder auch Aufzeichnung) bedeutet, dass das analoge (d.h. kontinuierliche) Nutzsignal direkt in ein analoges (d.h. kontinuierliches) Signal zur Übertragung (oder auch 24 KAPITEL 1. SIGNALE Speicherung) umgewandelt wird, ohne dass dazwischen in irgendeiner Form digitalisiert, d.h. in Zahlen umgewandelt wird. Die traditionellen Verfahren zur Modulation oder Speicherung sind analog, werden aber immer mehr von digitalen verdrängt. Es gibt sie noch, und man sollte etwas darüber wissen, um sinnvoll diskutieren zu können. Analoge Aufzeichnung: Schallplatte, Tonband, Musik-Cassette, VHS-Video, Film Digitale Aufzeichnung: CD, DVD, Mini-Disk, Festplatte, Diskette, (Daten-Cassette) Analoge Übertragung: Sat), Analoges Telefon Digitale Übertragung Telefon, GPS, Galileo UKW-Radio (FM), AM-Radio, Analoges Fernsehen (Terrestrisch, Mobilfunk (GSM, UMTS), DAB, DVB-C(S,T), DRM, WLAN, ISDN- Amplitudenmodulation Bei einer reinen Amplitudenmodulation ist die Phase zeitlich konstant. Wir können ohne Einschränkung der Allgemeinheit ϕ = 0 annehmen. Das Signal hat dann die Gestalt √ s̃ (t) = 2 a (t) cos (2πf0 t) . (1.92) Die Sinus-Schwingung bleibt unmoduliert, und wegen a (t) ≥ 0 liegt der Zeiger auf der positiven reellen Achse. Wenn man ein analoges Nutzsignal m (t) übertragen will, so muss man eine Konstante (“Gleichspannung”) hinzu addieren, damit keine Werte im negativen Bereich liegen. Sei z.B. −1 ≤ m (t) ≤ 1, dann ist a (t) = 1 + m (t) (1.93) eine nicht negative Größe. Der AM-Modulator sieht dann so aus, wie in Teil (a) von Abbildung 1.8 gezeigt. Modulationsgrad Die maximale Amplitude des Nutzsignales m(t) relativ zur Amplitude der Gleichspannung (die hier auf Eins normiert wurde) bezeichnet man als den Modulationsgrad α. Es gilt 0 ≤ α ≤ 1. Bei einer Modulation durch eine reine Kosinus-Schwingung mit einem Ton der Frequenz f1 gilt a (t) = 1 + α cos (2πf1 t) . (1.94) Die Gesamtleistung dieses Signals beträgt PAM = 1 + α2 , 2 (1.95) die Nutzleistung ist α2 . (1.96) 2 Im günstigsten Fall (α = 1) werden also 2/3 der Gesamtleistung durch den Gleichanteil verbraucht, der keine Information überträgt. PAM−N utz = Teil (b) zeigt den einfachsten Demodulator für AM, den Hüllkurvendemodulator. Er extrahiert aus dem Signal die Hüllkurve, indem zunächst durch Zweiwege-Gleichrichtung der Betrag |s̃ (t)| √ gebildet wird. Durch Tiefpassfilterung erhält man daraus die Hüllkurve 2 a (t). Anschließend 25 KAPITEL 1. SIGNALE (a) m(t) s̃(t) 1 √ 2 cos(2πf0 t) b) Tiefpass Abbildung 1.8: Amplitudenmodulation: (a) Modulator (b) Demodulator wird durch einen Kondensator (Hochpass) der Gleichanteil entfernt. In dem Bild weggelassen ist ein Bandpassfilter (Schwingkreis) an Anfang, der zum Abstimmen benötigt wird. Diese extrem einfache Implementierung der AM erkauft man sich durch gravierende Nachteile: Durch das sogenannte untere Seitenband wird die Hälfte des Spektrums verschwendet. Und mindestens zwei Drittel der Leistung stecken in dem Gleichanteil, der keine Information enthält . Frequenzmodulation Bei analoger Übertragung ist es für die Implementation ungünstig, die Information direkt in der Phase ϕ (t) zu übertragen. Günstiger lässt sich aus dem Signal die Augenblicksfrequenz (=Momentanfrequenz ) extrahieren. Für ein Signal der Gestalt √ (1.97) s̃ (t) = 2 a (t) · cos (φ (t)) ist diese definiert über die zeitliche Ableitung des momentanen Phasenwinkels φ (t) als fm (t) = 1 d φ (t) . 2π dt Für φ (t) = 2πf0 t + ϕ (t) gilt (1.98) Einschub: Analogie zur Winkelge(1.99) schwindigkeit bei einer Kreis(1.100) bewegung. 1 ϕ̇ (t) . 2π Die Momentanfrequenz fluktuiert also um die Trägerfrequenz f0 mit der relativen Momentanfrequenz 1 ϕ̇ (t) (1.101) ∆fm (t) = 2π fm (t) = f0 + 26 KAPITEL 1. SIGNALE Begrenzer d dt Bandpass Huell− kurven− demod. Abbildung 1.9: FM-Demodulator. Die betragsmäßig größte relative Momentanfrequenz nennt man FM-Hub: ∆fmax = max |∆fm (t)| (1.102) Dies ist eine wichtige Kenngröße zur Charakterisierung der Modulation. Die Phase ergibt sich als Integral über die Momentanfrequenz als Z t ϕ (t) = 2π ∆fm (τ ) dτ + ϕ0 . (1.103) 0 Das Signal selbst ist dann s̃ (t) = √ Z t ∆fm (τ ) dτ + ϕ0 . 2 a · cos 2πf0 t + 2π (1.104) 0 Hierbei haben wir eine konstante Amplitude angenommen. Wir betrachten als einfaches Beispiel das Signal √ s̃ (t) = 2 · cos (2πf0 t + µ sin (2πf1 t)) , Hier könnte noch ein Bild vom VCO hin. (1.105) wobei f1 die Frequenz eines Nutzsignals sein soll (z.B. ein Ton bei 1 kHz). Den Parameter µ nennt man Modulationsindex. Die Momentanfrequenz ist eine Kosinusschwingung bei der Frequenz f1 , denn: 1 ∆fm (t) = ϕ̇ (t) = µf1 sin (2πf1 t) (1.106) 2π Der Hub ist ∆fmax = µf1 . (1.107) Der (klassische) FM-Demodulator sieht folgendermaßen aus: Wir betrachten ein Signal √ s̃ (t) = 2 a · cos (2πf0 t + ϕ (t)) . (1.108) Die zeitliche Ableitung davon lautet √ d s̃ (t) = −2π (f0 + ∆fm (t)) 2 a · cos (2πf0 t + ϕ (t)) dt (1.109) Die Modulation erscheint jetzt in der Hüllkurve und kann durch einen Hüllkurvendemodulator extrahiert werden. Für die Implementation wichtig ist es, dass die Amplitude wirklich konstant ist. Dies erreicht man durch einen Begrenzer-Verstärker. Abbildung 1.9 zeigt diesem FMDemodulator. Folgende Formel ist noch sehr nützlich für die Frequenzdemodulation: ṡ (t) , ϕ̇ (t) = = s (t) wobei s (t) = √ 2 a (t) ejϕ(t) . Das rechnen wir in der Übung! (1.110) (1.111) 27 KAPITEL 1. SIGNALE √ 2 cos(2πf0 t) √ − 2 sin(2πf0 t) Abbildung 1.10: QPSK-Modulator. 1.2.5 Digitale Trägermodulation In diesem Abschnitt sollen einige wichtige digitale Modulationsverfahren vorgestellt werden. Dabei wird einiges vereinfacht dargestellt. Ausführlich wird dieses Thema in der Vorlesung Digitale Kommunikationstechnik behandelt. Digital bedeutet, dass wir die im obigen Unterabschnitt beschriebenen Signale verwenden, um Datenbits zu übertragen. Am einfachsten geschieht das, indem wir das komplexe Basisbandsignal als stückweise konstant während einer Symboldauer TS annehmen, d.h. 1 s (t) = √ sl TS (1.112) für den Takt Nummer l mit lTS ≤ t < (l + 1) TS . Die komplexe Zahl sl = xl + jyl (1.113) √ nennt man das (Daten-) Symbol, das die Information trägt. Der Faktor 1/ TS dient der Normierung. In der Praxis verwendet man meist nicht diese rechteckigen Pulse für die einzelnen Symbole, sondert filtert in geeigneter Weise, um günstigere spektrale Eigenschaften zu erhalten. Wir wollen darauf an dieser Stelle nicht eingehen. QPSK Im einfachsten Fall wechseln die Quadraturkomponenten von s (t) = x (t) + jy (t) einfach nur ihr Vorzeichen, siehe Abbildung 1.10 . Man nennt dieses Verfahren QPSK (Quaternary Phase-Shift Keying). Das Symbol sl kann dann 4 verschiedene Punkte in der komplexen Ebene mit den Phasenwinkeln 45◦ , 135◦ , 225◦ und 315◦ annehmen, siehe Abbildung 1.11. Die Amplitude ist konstant. Man nennt dieses Bild auch den Phasenstern. Die Energie eines Symbols ES ist bei diesem Verfahren unabhängig vom Symbolindex l. Sie berechnet sich als Z (l+1)TS |s (t)|2 dt = |sl |2 . (1.114) ES = lTS Man kann die Symbole also schreiben als sl = p ES (±1 ± j) . (1.115) 28 KAPITEL 1. SIGNALE Q 10 00 I 11 01 Abbildung 1.11: Phasenstern für QPSK Man kann zwei Bits mit einem Symbol übertragen. Eins davon bestimmt das Vorzeichen des Realteils, das andere den Vorzeichen des Imaginärteils. Man kann QPSK als das Standardverfahren bei der digitalen Übertraugung ansehen. Es wird sehr häufig eingesetzt. Ein Beispiel ist das digitale Satellitenfernsehen. BPSK Man kann natürlich auch einfach nur den Realteil des Signals modulieren und den Imaginärteil ungenutzt lassen. Vorteile bringt dies nicht, und man lässt einen Teil der Übertragungskapazität ungenutzt. Die Implementation ist natürlich etwas einfacher, aber das spielt heute keine Rolle mehr. Man nennt dieses Verfahren BPSK (Binary Phase-Shift Keying). In einem Symboltakt wird nur ein Bit übertragen. Das Datensymbol besitzt die Werte p sl = ± ES . (1.116) Dies entspricht den Phasenwinkeln 0◦ ,180◦ . M -PSK Hier werden mit einem Symbol M Phasenwinkel übertragen. M ist eine √ Zweierpotenz. Zwei Punkte im Phasenstern haben den Winkelabstand 2π ES . Die Fälle M = 2 M , die Amplitude ist und M = 4 haben wir gerade behandelt. Der Phasenstern für 8-PSK ist in Abbildung Abbildung 1.12 dargestellt. PSK-Konstellationen mit 16 oder mehr Punkten sind in der Praxis äußerst selten. M -QAM QAM steht für Quadratur-Amplituden-Modulation. Diese Bezeichnung ist eigentlich etwas irreführend, weil eine Amplitude nach Definition immer eine positive Größe ist. Bei QAM nehmen beide Quadraturkomponenten verschiedene “Amplituden-” Werte an, die aber auch negativ sein dürfen. Die Zahl M ist die Zahl der Punkte in der komplexen Ebene, die das Symbol sl annehmen kann. Man nennt diese Zahl die Stufigkeit. Die Stufigkeit ist immer eine Zweierpotenz. Mit 29 KAPITEL 1. SIGNALE Q 011 010 001 110 000 I 111 100 101 Abbildung 1.12: Phasenstern für 8-PSK. einem Symbol kann man log2 (M ) Bits übertragen. Wir beschränken uns auf den Fall, dass M eine Quadratzahl ist10 , d.h. M = 4, 16, 64, 256, .. Dann nehmen xl und yl jeweils die selben Werte an, und zwar 4-QAM: xl , yl ∈ {±δ} (1.117) xl , yl ∈ {±δ, ±3δ} (1.118) xl , yl ∈ {±δ, ±3δ, ±5δ, ±7δ} . (1.119) 16-QAM: 64-QAM: Hierbei ist die Distanz δ eingeführt worden. 2δ ist immer der Abstand zweier benachbarter Punkte. 4-QAM ist offenbar nur ein anderer Name für QPSK. Abbildung 1.13 zeigt die Konstellation für 64-QAM. Die Energie eines QAM-Symboles ist unterschiedlich, je nachdem welches der M möglichen Symbole gesendet worden ist. Man definiert ES als die mittlere Symbolenergie, d.h. als den statistischen Mittelwert (Erwartungswert) n o 2 ES = E |sl | (1.120) über alle M möglichen Punkte der Signalkonstellation. Wenn man annimmt, dass diese alle gleich häufig vorkommen, erhält man ES4−QAM = 2δ 2 (1.121) ES16−QAM = 10δ 2 (1.122) ES64−QAM = 42δ 2 . (1.123) Oft benötigt man zur Bewertung der Verfahren die benötigte mittlere Energie pro Bit. Sie lautet Eb = 10 Andere ES log2 (M ) als quadratische Konstellationen sind möglich, aber selten. (1.124) 30 KAPITEL 1. SIGNALE Q I Abbildung 1.13: Phasenstern für 64-QAM. FSK Digitale Frequenzmodulation bezeichnet man als FSK (Frequency-Shift Keying). Bei M -FSK wird zwischen M verschiedenen Frequenzen umgeschaltet. Wir beschränken uns hier auf M = 2. Die modulierte Trägerschwingung lautet r s̃ (t) = 2Eb cos (2πf0 t + ϕ (t)) Tb und das zugehörige komplexe Basisbandsignal r s (t) = Eb jϕ(t) e Tb (1.125) (1.126) mit der Bitenergie Eb und der Bitdauer Tb . Die Phase ϕ (t) ist während der Dauer eines Bits linear, d.h. die Augenblicksfrequenz für lTb ≤ t < (l + 1) Tb konstant: ∆fm (t) = ± h 2Tb (1.127) Die Zahl h nennt man den Modulationsindex11 . Gebräuchlich sind z.B. h = 1/2 und h = 1. Es werden also die Frequenzen h f± = f0 ± (1.128) 2Tb übertragen, je nachdem, ob das Datenbit eine Null oder eine Eins ist. 1.2.6 Basisband-Darstellung von Bandpasssignalen In diesem Unterabschnitt schauen wir uns die Signale im Frequenzbereich an. Hierzu benötigen wir die Fouriertransformation. Eine kleine Zusammenstellung wichtiger Eigenschaften findet sich im Anhang C. 11 Der hier etwas anders definiert ist als für analoge FM. 31 KAPITEL 1. SIGNALE Zwischen einem komplexen Basisband-Signal s (t) und dem zuhörigen trägermodulierten hochfrequenten Bandpass-Signal s̃ (t) besteht nach Gleichung (1.82) die Beziehung s̃ (t) = < o n√ 2 s (t) · ej2πf0 t . (1.129) Wir haben diese Zuordnung bisher nur in der einen Richtung vom Basisband zum Bandpass betrachtet, also von der Seite des Modulators. Die Umkehrung muss aber möglich sein, schließlich wollen wir das Signal auch demodulieren. Wir werden sogar sehen, dass man zu jedem beliebigen Bandpasssignal ein äquivalentes komplexes Tiefpasssignal finden kann, so dass die obige Beziehung gilt. Die durch Gleichung (1.129) beschriebene Zuordnung lässt sich in zwei Schritte zerlegen. Zunächst einmal wird mit s (t) 7→ s+ (t) = s (t) · ej2πf0 t (1.130) das Basisbandsignal im Frequenzbereich um f0 nach rechts verschoben. Wegen des Verschiebungssatzes der Fouriertransformation (siehe Anhang C) liest sich die obere Gleichung als S (f ) 7→ S+ (f ) = S (f − f0 ) . (1.131) Wir nehmen an, dass das Basisbandsignal streng bandbegrenzt mit Bandbreite B/2 ist und dass die Trägerfrequenz f0 gegenüber der Bandbreite des Basisbandsignals hinreichend groß ist, dass S+ (f ) nur Spektralanteile im positiven Frequenzbereich hat (daher die Bezeichnung S+ (f ))12 . Der zweite Schritt ist die Bildung des Realteils von s+ (t). Wir können hierfür auch schreiben < {s+ (t)} = 1 s+ (t) + s∗+ (t) . 2 (1.132) Das komplex konjugierte Zeitsignal s∗+ (t) korrespondiert im Frequenzbereich zu der gespiegelt ∗ konjugiert komplexen Spektralfunktion S+ (−f ). Die Spektralfunktion von s̃ (t) = lautet also √ 2 < {s+ (t)} 1 ∗ (−f ) . S̃ (f ) = √ S+ (f ) + S+ 2 (1.133) (1.134) Mit Gleichung (1.131) kann man dies auch schreiben als 1 S̃ (f ) = √ (S (f − f0 ) + S ∗ (−f − f0 )) . 2 (1.135) 2 Bild 1.14 zeigt den Zusammenhang für die spektralen Energiedichten S̃ (f ) bzw. |S (f )|2 . Aus dem Bild wird deutlich, dass beides äquivalente Darstellungen des selben Signals sind: So, wie man aus der komplexen Basisbanddarstellung durch spektrale Verschiebung und Spiegelung zur Bandpassdarstellung kommt, kann man durch spektrale Verschiebung und Abschneiden wieder zum Basisband zurück kommen. Beide Signale tragen die selbe Information. Wir haben die Normierung so gewählt, dass dabei auch die Signalenergie dieselbe bleibt. Aus Bild 1.14 und Gleichung (1.135) sieht man, dass Z ∞ Z ∞ 2 2 S̃ (f ) df = |S (f )| df (1.136) −∞ 12 Man −∞ nennt s+ (t) auch analytisches Signal, aber dies hat mit mathematischen Eigenschaften zu tun, die hier den Rahmen sprengen würden. 32 KAPITEL 1. SIGNALE 6|S̃(f )| a) 2 HHH @ @ −f0 A A A - 0 - B f0 - f B 6|S(f )| b) C 0 C C C C C - 2 - f B Abbildung 1.14: Äquivalenz von (a) Bandpass und (b) komplexer Basisband-Darstellung für das selbe Signal. 33 KAPITEL 1. SIGNALE s̃(t) √ TP x(t) TP y(t) 2 cos(2πf0 t) √ − 2 sin(2πf0 t) Abbildung 1.15: Quadraturdemodulator gilt. Mit der Parsevalschen Gleichung folgt daraus Z ∞ Z ∞ |s (t)|2 dt s̃2 (t) dt = (1.137) −∞ −∞ und damit Es̃ = Es . (1.138) Beachte, dass die Bandbreite B des Bandpasssignals doppelt so groß ist wie die Bandbreite B/2 des Basisbandsignals. Von dem Bandpasssignal kommt man zum Basisbandsignal, indem man das die Spektralfunktion √ S̃ (f ) um f0 nach links verschiebt, mit dem Faktor 2 multipliziert und anschließend mit einem idealen Tiefpass auf die Bandbreite B/2 abschneidet, d.h. √ f S (f ) = 2 S̃ (f + f0 ) · rect . (1.139) B Im Zeitbereich kann man Gleichung (1.139) schreiben als i h√ s (t) = si (πBt) ∗ 2 e−j2πf0 t s̃ (t) . (1.140) Das Gerät, das diese Operation durchführt, nennt man den Quadraturdemodulator. Er kommt in jedem Handy, jeder WLAN-Karte und jedem digitalen Fernsehempfänger vor. Um die Schaltung deutlicher zu erkennen schreiben wir Gleichung (1.140) als h√ i √ s (t) = si (πBt) ∗ 2 cos (2πf0 t) s̃ (t) − j 2 sin (2πf0 t) s̃ (t) , (1.141) d.h. x(t) = si (πBt) ∗ und h√ i 2 cos (2πf0 t) s̃ (t) y(t) = −si (πBt) ∗ i h√ 2 sin (2πf0 t) s̃ (t) (1.142) (1.143) Daraus ergibt sich das in Abbildung 1.15 dargestellte Blockschaltbild für den Quadraturdemodulator. 34 KAPITEL 1. SIGNALE (a) −fu 0 fu f −fu 0 fu f (b) Abbildung 1.16: Frequenzumsetzung. Aufgetragen sind die Energiedichten. 1.2.7 Frequenzumsetzung In der Praxis wird nicht nur die Umsetzung von einem Basisbandsignal zu einem Bandpasssignal und umgekehrt benötigt, sondern auch von einem Bandpasssignal zu einem anderen auf einer anderen Frequenz. Weil es sich dabei um Zwischenstufen der Modulation/Demodulation handelt, spricht man auch von einem Zwischenfrequenz (ZF) -Signal (engl. IF=intermediate frequency). Um ein Signal s (t) im Spektralbereich um eine Frequenz fu zu verschieben, muss man im Zeitbereich mit der Exponentialschwingung exp (j2πfu t) multiplizieren: s (t) 7→ ej2πfu t s (t) (1.144) Eine komplexe Exponentialschwingung gibt es in der Praxis nicht. Praktisch kann die Umsetzung so aussehen: s (t) 7→ √ 1 2 cos (j2πfu t) s (t) = √ ej2πfu t s (t) + e−j2πfu t s (t) 2 (1.145) Für die zugehörige Spektralfunktion S (f ) bedeutet dies 1 S (f ) 7→ √ (S (f − fu ) + S (f + fu )) , 2 (1.146) d.h. die ursprüngliche Spektralfunktion erscheint wieder um fu nach links und um fu nach rechts verschoben. Sei nun 1 S̃ (f ) = √ (S (f − f0 ) + S ∗ (−f − f0 )) 2 (1.147) KAPITEL 1. SIGNALE 35 ein reelles Bandpasssignal wie in Gleichung (1.135) beschrieben. Es hat zueinander symmetrische Spektralanteile bei positiven und negativen Frequenzen. Durch die Umsetzung (1.146) entsteht das Signal 1 √ S̃ (f − fu ) + S̃ (f + fu ) = (1.148) 2 1 (S (f − f0 − fu ) + S (f − f0 + fu ) + S ∗ (−f − f0 + fu ) + S ∗ (−f − f0 − fu )) 2 Von diesen vier Spektralfunktionen auf der rechten Seite liegen die ersten beiden im positiven Frequenzbereich, falls das Band oberhalb von fu liegt. Die beiden anderen liegen entsprechend gespiegelt im negativen Bereich, siehe Teil (a) vom Abbildung1.16. Falls das Band unterhalb von fu liegt, liegen die erste und dritte im positiven Bereich, die anderen beiden im Negativen. Die Situation ist in Teil (b) des Bildes dargestellt. Zu beachten ist, dass hier ein umgesetztes Signal in Kehrlage (d.h. spiegelverkehrt) bei fu − f0 auftaucht. Außerdem wird durch das Bild das Spiegelfrequenzproblem deutlich: Sowohl Signale bei fu + f1 als auch Signale bei fu − f1 tauchen nach der Umsetzung bei f1 auf und stören sich gegenseitig. Man muss sie daher vor der Umsetzung durch geeignete Filterung entfernen. 1.3 1.3.1 Zeitdiskrete Signale Grundlegende Begriffe und Definitionen In der digitalen Signalverarbeitung arbeitet man mit zeitdiskreten Signalen. Das ist für uns heute, wo alles zunehmend digitalisiert wird, keine so ungewohnte Vorstellung mehr wie in der Zeit, als man seine Musikkonserven von der Schallplatte oder dem Tonband abspielte. Dass ein Musikstück durch seine Samples (auf Deutsch: Abtastwerte) repräsentiert wird, ist jedem geläufig, der sich dafür interressiert. Auf einer CD oder in einer WAV-Datei sind solche Folgen von Abtastwerten gespeichert. Wir nennen eine solche Folge ein zeitdiskretes Signal. Definition 11 (Zeitdiskretes Signal) Unter einem zeitdiskreten Signal s[n] verstehen wir eine Zahlenfolge, die mit einem Index n durchnumeriert ist. Diesen Index fassen wir als Zeitindex auf. Die Werte s [n] sind dimensionslos, der Index n ebenfalls. Die Beziehung zu physikalischen Größe wie etwa der Zeit muss gesondert hergestellt werden. Z.B. muss zum Abspielen einer WAV-Datei den zeitlichen Abstand tA zweier Samples s [n] und s [n + 1] wissen. Dazu wird die Abtastfrequenz fA = t−1 A im Header der Datei gespeichert. Eine gebräuchliche Zahl für Audio ist fA = 44.1kHz, für Telefonqualität reicht fA = 8 kHz. Wenn unser zeitdiskretes Signal s [n] durch Abtastung aus einem kontinuierlichen Signal s (t) entstanden ist, gilt s [n] = s (ntA ) . (1.149) Dies muss aber keinesweges immer der Fall sein. Wir können mit beliebigen zeitdiskreten Signalen operieren, ohne dabei einen direkten Bezug zu einem kontinuierlichen zu haben. In der Praxis (d.h. in der digitalen Signalverarbeitung) muss man die Zahldarstellung für die s [n] berücksichtigen. Bei der CD sind dies 16 bit (pro Kanal), es gibt also 216 = 65536 verschiedene Werte. Beim Telefon sind es nur 28 = 256. Wir kümmern uns hier erst einmal nicht um die Effekte, die mit dieser Quantisierung zusammenhängen. Bei einer Zahlenfolge, wie wir sie aus der Mathematik gewöhnt sind, läuft der Index n meist von 0 (oder 1) bis ∞. Für manche Signale ist es auch sinnvoll, den Index von −∞ bis +∞ laufen 36 KAPITEL 1. SIGNALE s[n] s[0] s[1] s[2] −5 −4 −3 −2 −1 0 1 2 3 4 5 6 n Abbildung 1.17: Darstellung eines Zeitdiskreten Signals. zu lassen, wie man es ja bei kontinuierlichen Signalen s (t) für die Zeitvariable t auch tut. Bei einer realen Datei ist die Menge der Daten natürlich endlich, sodass man z.B. nur eine endlich Indexmenge hat, z.B. n = 0, 1, 2, ..., N − 1 oder n = 1, 2, 3, ..., N. Wir wollen uns hier nicht festlegen. Es ist aber bemerkenswert, dass wir bei einer endlichen Indexmenge der Größe N das Signal s [n] als einen Vektor s [1] s [2] s = s [3] (1.150) .. . s [N ] im N -dimensionalen Raum auffassen kann. Man muss sich jetzt nicht N räumliche Dimensionen vorstellen, aber sollte sich daran erinnern, dass dies sehr gut zu der Bezeichnungsweise Vektor für ein Feld in der Datenverarbeitung passt. Zeitdiskrete Signale stellen wir graphisch dar wie in Abbildung1.17 gezeigt. Abschließend wollen wir noch anmerken, dass wir natürlich auch mit komplexwertigen zeitdiskreten Signalen zu tun haben werden. Wir werden aber auf das Unterstreichen komplexer Größen verzichten. Definition 12 (Zeitdiskretes periodisches Signal) Ein zeitdiskretes Signal s[n] heißt periodisch, wenn es eine natürliche Zahl N gibt, für die s[t] = s[t + N ] (1.151) gilt. Die Zahl N nennt man Periode. Die kleinste mögliche Periode heißt Grundperiode. 1.3.2 Harmonische Schwingungen Wenn man eine kontinuierliche komplexe harmonische Schwingung s (t) = exp (j2πf t) mit der Abtastfrequenz fA = 1 tA abtastet, so erhält man ein zeitdiskretes Signal f s [n] = exp j2π n . fA (1.152) (1.153) (1.154) 37 KAPITEL 1. SIGNALE ω = π/2 ω ω=π ω=0 ω = 3π/2 Abbildung 1.18: ω. Wir definieren ω = 2π f fA (1.155) und schreiben s [n] = ejωn . (1.156) Dies ist eine zeitdiskrete harmonische Schwingung. ω ist eine auf die Abtastfrequenz normierte Kreisfrequenz und hat die Dimension eines Winkels im Bogenmaß, siehe Abbildung 1.18. ejω ist ein Zeiger auf dem Einheitskreis. Achtung: Verwechseln Sie das bitte nicht mit der Kreisfrequenz, die meist mit dem selben Buchstaben bezeichnet wird und die Dimension Winkel pro Sekunde [rad/s] hat. Wir schreiben auch sω [n] = ejωn . (1.157) sω+2π [n] = sω [n] , (1.158) Offenbar gilt und auch ω + 4π, ω + 6π, ... führen immer auf dieselbe Schwingung. Deshalb gilt: Satz 1 (Alias-Frequenzen) Wenn man die Signale exp (j2πf t) und exp (j2π (f + fA ) t) mit der Abtastfrequenz fA abtastet, führt dies auf das selbe zeitdiskrete Signal. Die Signale, die sich um ein Vielfaches der Abtastfrequenz unterscheiden, sind also nach der Abtastung nicht mehr voneinander zu unterscheiden! Normalerweise geht man davon aus, dass sich die Signale innerhalb der spektralen Grundperiode zwischen −fA /2 und fA /2 befinden. Werden dann Signale außerhalb dieser Grundperiode mit erfasst, so tauchen sie scheinbar in der Grundperiode auf. Man spricht dann von Alias-Frequenzen. Beim Abspielen z.B. mit einer Soundkarte werden sie innerhalb der Grundperiode wiedergegeben. 38 KAPITEL 1. SIGNALE 1.3.3 Energie und Leistung Wir definieren die Energie eines zeitdiskreten Signales s [n] als ∞ X Es = 2 n=−∞ |s [n]| . (1.159) Diese Größe ist dimensionslos. Wenn man den Zusammenhang mit der physikalischen Energie herstellen will, die über ein Integral über eine Zeitfunktion gegeben ist, muss man mit einer Konstanten der Dimension Zeit multiplizieren. Die mittlere Leistung eines zeitdiskreten Signals s [n] ist definiert als N X 1 2 |s [n]| . N →∞ 2N + 1 P s = lim (1.160) n=−N Für periodische Signal der Periode N gilt: Ps = N 1 X 2 |s [n]| . N n=0 Wir unterscheiden wieder zwischen Energiesignalen und Leistungssignalen. 1.3.4 Spezielle zeitdiskrete Signale und elementare Operationen Einheitsimpuls und Sprungfunktion Das Signal δ [n] = 1 0 : n=0 : n= 6 0 (1.161) bezeichnet man als (diskreten) δ- Impuls oder auch als Einheitsimpuls. Das Symbol δnm = δ [n − m] (1.162) nennt man Kronecker-δ. Das Signal [n] = 1 : n≥0 0 : n<0 (1.163) nennt man den (diskreten) Einheitssprung. Abbildung1.19 zeigt den Einheitpuls und den Einheitssprung. Verzögerungen und Spiegelungen Diese Operationen sind genauso definiert wie bei kontinuierlichen Signalen. Vieles wird sogar einfacher. Man muss nur manchmal aufpassen, was der Index ist. Wenn s [n] ein zeitdiskretes Signal ist, so ist s1 [n] = s [n − 1] 39 KAPITEL 1. SIGNALE δ[n] 1 −5 −4 −3 −2 [n] −1 0 1 2 3 4 5 6 n 0 1 2 3 4 5 6 n 1 −5 −4 −3 −2 −1 Abbildung 1.19: Einheitspuls und Einheitsprung. (a) s[n] s[n − 1] D (b) s[n] D s[n − 1] D s[n − 2] D s[n − 3] Abbildung 1.20: Verzögerung eines zeitdiskreten Signals durch ein Schieberegisterelement. 40 KAPITEL 1. SIGNALE das um einen Takt verzögerte (d.h. zeitlich verschobene) Signal. Wenn man es zeichnet, so ist es um einen Takt nach rechts verschoben. Wir skizzieren das mit dem Blockschaltbild (a) in Abbildung1.20. Die Verzögerung um einen Takt entspricht einem Schieberegisterelement. Dies beliebige Verzögerungen lassen sich durch wiederholte Anwendung solcher Verzögerungen um einen Takt erreichen: sm [n] = s [n − m] ist das um m Takte verzögerte Signal, siehe Teil (b) von Abbildung 1.20. Man muss bei dem Ausdruck auf der rechten Seite etwas aufpassen: m ist eine feste Zahl (z.B. m = 7), und n ist die Variable, also der Zeitindex. Man könnte das auch durch die Schreibweise sm [•] = s [• − m] deutlich machen. Wenn s [n] ein Signal ist, so ist s̃ [n] = s [−n] das zeitlich gespiegelte Signal. Wenn man ein Signal spiegelt und verzögert, so kommt es auch hier auf die Reihenfolge an. Wenn zuerst gespiegelt und dann verzögert wird, ergibt sich (s̃)1 [n] = s [− (n − 1)] = s [1 − n] . Wenn dagegen das verzögerte Signal gespiegelt wird, ergibt sich s˜1 [n] = s [−n − 1] . Die diskrete Faltung Auch für zeitdiskrete Signale gibt es eine Faltung. Sie geht genauso wie im kontinuierlichen Fall, nur muss man bei diskreten Signalen natürlich statt des Integrals eine Summe schreiben. Die diskrete Faltung ist eigentlich einfacher zu verstehen als die kontinuierliche, weil man hier einfache Beispiele mit kurzen Vektoren einfach verständlich machen kann. Die Faltung zweier zeitdiskreter Signale s [n] und h [n] ist definiert als r [n] = ∞ X m=−∞ h [m] s [n − m] . (1.164) Auch hier wird aus zwei Signalen s [n] und h [n] ein neues Signal r [n] auf folgende Weise erzeugt: Das Signal s [m] wird gespiegelt und dann um eine feste Anzahl von Takten n verschoben. Dieses gespiegelte und verschobene Signal (s̃)n [m] = s [− (m − n)] = s [n − m] wird dann mit dem Signal h [m] multipliziert (gewichtet) und über die Variable m summiert. Das Ergebnis ist die Faltung an der Stelle (dem Zeitpunkt) n. Man schreibt h [n] ∗ s [n] = ∞ X m=−∞ h [m] s [n − m] . (1.165) Auch die diskrete Faltung ist kommutativ, assoziativ und distributiv. Sie verhält sich wie eine Multiplikationsoperation (nur nicht zwischen Zahlen, sondern zwischen Folgen). Man spricht daher auch vom Faltungsprodukt. 41 KAPITEL 1. SIGNALE s[n] s[n − 1] D h[0] s[n − 2] D h[1] D h[2] s[n − 3] h[3] r[n] Abbildung 1.21: Implementation der Faltung durch Schieberegister. Hat einer der beiden Signalvektoren (oder beide) im Faltungsprodukt nur eine endliche Länge, so ist natürlich nur über die Indizes zu summieren, die tatsächlich auftreten. Hat das Signal s [n] die Länge N und das Signal h [n] die Länge M , so hat das Signal h [n] ∗ s [n] die Länge N + M + 1. Dann kann man die Faltung nach folgendem Rechenschema berechnen: Es soll z.B. das Faltungsprodukt aus zwei Zeilenvektoren 1 2 3 ∗ 7 2 3 1 berechnet werden. Einen der beiden Vektoren rechnen 7 2 3 1 2 1 3 2 1 3 2 3 muss man spiegeln. Wir spiegeln den ersten und 1 7 16 7 → 28 − 1 14 2 11 3 3 (1.166) Das heißt: 1 2 3 ∗ 7 2 3 1 = 7 16 28 14 11 3 Wenn h [m] nur eine endliche Länge M hat, kann man die Faltung h [n] ∗ s [n] über eine Schieberegisterschaltung wie in Bild 1.21 implementieren. Hier ist M = 3 und r [n] = h [0] s [n] + h [1] s [n − 1] + h [2] s [n − 2] + h [3] s [n − 3] . (1.167) Diese Schaltung vermittelt eine anschauliche Vorstellung von der Faltung: Die Faltung ist die Überlagerung des Signals s [n] mit seinen verzögerten Versionen s [n − 1], s [n − 2],..., s [n − M ] und den multiplikativen Vorfaktoren h [0] , h [1] , h [2] , ..., h [M ]. Bei MATLAB gibt es den Befehl conv (convolution=Faltung), mit dem man eine Faltung durchführen kann. Sind beide Signalvektoren gleich lang, z.B. s [1] s [2] s = s [3] , .. . s [N ] h= h [1] h [2] h [3] .. . h [N ] (1.168) 42 KAPITEL 1. SIGNALE und faltet man h [n] mit dem gespiegelten Signal s [−n] und wertet das Ergebnis-Signal an der Stelle n = 0 aus, so erhält man folgenden Ausdruck [h [n] ∗ s [−n]]n=0 = N X m=1 h [m] s [m − 0] . (1.169) Dies ist offenbar das Skalarprodukt der beiden Vektoren, wie wir es in der Vektorrechnung kennengelernt haben, d.h. es gilt: s·h= N X m=1 s [m] h [m] = [h [n] ∗ s [−n]]n=0 (1.170) Der Einheitsimpuls ist das multiplikative Einselement bezüglich der Faltung. Es gilt nämlich δ [n] ∗ s [n] = s [n] ∗ δ [n] = s [n] . (1.171) Schreibt man das noch mal ausführlich hin als s [n] = ∞ X m=−∞ s [m] δ [n − m] , (1.172) so sieht man, dass sich jedes Signal s [n] als Überlagerung von verzögerten Einsheitsimpulsen darstellen lässt, wobei die Vorfaktoren gerade die Werte des Signals an den jeweiligen Verzögerungen sind. Aus Abbildung 1.17 wird dies noch einmal deutlich. 1.4 1.4.1 Die Diskrete Fouriertransformation (DFT) Definition und Umkehrformel Wir betrachten zunächst eine zeitdiskrete harmonische Schwingung sω [n] = ejωn . (1.173) Im Gegensatz zu zeitkontinuierlichen harmonischen Schwingungen sind die zeitdiskreten in der Regel nicht periodisch. Denn wäre sω [n] periodisch, so müsste es eine natürliche Zahl N geben, sodass sω [0] = 1 = sω [N ]. Das kann aber nur dann gelten, ω · N ein Vielfaches von 2π ist, also wenn es eine natürliche Zahl k gibt, sodass ωN = k · 2π. (1.174) Ein beliebiges reelles ω steht aber in keinem derartigen rationalen Verhältnis zu 2π. Ist diese Bedingung (1.173) dagegen erfüllt, so ist das Signal (1.174) periodisch. In Folgenden betrachten wir nur solche periodischen Schwingugen. Für diese Schwingungen der Gestalt (1.173) mit Periode N muss gelten ω = ωk = 2π k , N k ∈ Z. (1.175) Für das Signal mit ω = ω1 ist N die Grundperiode, für ω = ω2 ist dies z.B. nicht mehr der Fall, wenn N eine gerade Zahl ist. Dann ist die Grundperiode N/2. Entsprechendes gilt für ω3 usw. 43 KAPITEL 1. SIGNALE Wir wollen uns die Bedingung (1.174) veranschaulichen, indem wir annehmen, dass das Signal (1.173) durch Abtastung mit der Abstastfrequenz fA = t−1 A aus einer kontinuierlichen harmonischen Schwingung s (t) = ej2πf t (1.176) hervorgegangen ist. Damit die Grundperiode N der Schwingung mit ω1 zu der Grundperiode T zu der Frequenz f1 = 1/T passt, muss T = N · tA (1.177) gelten, d.h. die Grundperiode mit ein Vielfaches der Abstastperiode sein. Im Frequenzbereich kann man dies als fA f1 = (1.178) N schreiben, d.h. die Grundschwingung muss ganzer Bruchteil der Abtastfrequenz sein. Diese beiden äquivalenten Bedingungen wollen wir als Rasterbedingungen bezeichen. Sie legen ein Zeitbzw. Frequenzraster fest, in dem zeitdiskret und periodisch kompatibel sind. Für eine feste Zahl N ∈ N gibt es genau N verschiedene Schwingungen (1.175) mit ω = ωk gemäß (1.173). Es ist nämlich ωk+N = ωk + 2π, (1.179) was derselben Schwingung einspricht. Wir beschränken den Index deshalb auf k ∈ {0, 1, 2, ..., N − 1} . (1.180) Ebenso können wir die N verschiedenen Schwingungen sωk [n] = ejωk n (1.181) auf die Grundperiode der Länge N beschränken13 . D.h. wir beschränken uns auf die Zeitindizes n = 0, 1, 2, ..., N − 1. Wir betrachten nun ein beliebiges zeitdiskretes Signal s [n] mit dieser Periode. Auch hier reicht es natürlich, nur eine Periode zu betrachten, d.h. wir betrachten den Vektor s [0] , s [1] , s [2],...,s [N − 1]. Für dieses Signal definieren wir die Diskrete Fouriertransformation (DFT). Definition 13 (DFT) Die diskrete Fouriertransformation eines Vektors s[n] mit n = 0, 1, ..., N − 1 ist definiert als der Vektor S [k] = N −1 X s [n] exp (−j2πkn/N ) (1.182) n=0 mit k = 0, 1, ..., N − 1. Die Zahl N nennt man die Länge der DFT. Dies ist zunächst einmal nur eine Definition. Die DFT exisitiert immer, da die Summe endlich ist. Wir möchten gerne - wie bei der vertrauten Fourierreihe in Gleichung (1.50) - auch im zeitdiskreten Fall periodische Signale als eine Überlagerung von harmonischen Schwingungen schreiben können. Diese Interpretation der DFT ergibt sich auch der Umkehrungformel, d.h. der inversen DFT (IDFT). 13 Wenn wir hier von Grundperiode sprechen, meinen wir die Grundperiode zu der Schwingung mit ω = ω1 . 44 KAPITEL 1. SIGNALE Satz 2 (IDFT) Sei der Vektor S[k] gegeben durch die diskrete Fouriertransformation eines Vektors s[n] nach Gleichung (1.182). Dann gilt N −1 1 X s [n] = S [k] exp (j2πkn/N ) N (1.183) k=0 mit n = 0, 1, ..., N − 1. Wir schreiben s [n] (1.184) ←DF −−−T→ S [k] . Die Umkehrformel heißt gerade: Wir können jedes zeitdiskrete Signal der Periode N als eine Überlagerung der N verschiedenen harmonischen Schwingungen sωk [n] = ejωk n , ωk = 2πk/N (1.185) ausdrücken. Die Vorfaktoren sind gegeben durch die Zahlen 1 S [k] , N (1.186) d.h. bis auf den Vorfaktor 1/N durch die Werte der DFT14 . Diese Zahlen entsprechen in ihrer Bedeutung den Zahlen ck der Fourierreihe. Die FFT mit MATLAB FFT (Fast Fourier Transform) heißt ein bestimmter schneler Algorithmus für die DFT. Mit S=fft(s) wird unter MATLAB die FFT durchgeführt. Die Umkehrtransformation erhält man mit s=fft(S). Hierbei ist s der Vektor im Zeitbereich und S der Vektor im Frequenzbereich. 1.4.2 Aliasing Um die IDFT mit der Fourierreihe zu vergleichen, schreiben wir beide Summen-Ausdrücke noch einmal hin. Die Fourierreihe lautet s (t) = ∞ X k ck ej2π T t (1.187) k=−∞ und die IDFT lautet s [n] = N −1 1 X S [k] ej2πkn/N . N (1.188) k=0 Wir tasten das kontinuierliche Signal ab und nehmen dabei an, dass die Rasterbedingungen (1.177,1.178) erfüllt sind. Offenbar gilt dann k ej2π T t = ej2πkn/N (1.189) für alle Abtastzeitpunkte t = ntA . Allerdings tauchen in der Fourierreihe (1.187) unendlich viele kontinuierliche Schwingungen mit den Frequenzen fk = k/T auf, aber es gibt nur N verschiedene diskrete harmonische Schwingungen. Also führen alle kontinuierlichen Schwingungen der Frequenzen fk , fk ± fA , fk ± 2fA , ... (1.190) 14 Den Vorfaktor 1/N mag man an dieser Stelle etwas störend finden. Man hätte ihn vermieden, wenn man die DFT mit diesem Faktor und die IDFT ohne diesen Faktor definiert√hätte. Aber viele finden das auch nicht schön. Man kann auch die DFT und die IDFT beide mit dem Faktor 1/ N definieren. Dann sehen die Hin- und die Rücktransformation ähnlicher aus. 45 KAPITEL 1. SIGNALE nach der Abtastung auf die selbe diskrete harmonische Schwingung, so dass nur N geschiedenen übrigbleiben. Wir haben uns entschieden, den Frequenzindex von 0 bis N − 1 laufen zu lassen. Vergleicht man dann die IDFT (1.188) mit der abgetasteten Fourierreihe s [n] = ∞ X ck ej2πkn/N , (1.191) k=−∞ so erhält man ∞ X 1 ck+m . S [k] = N m=−∞ (1.192) D.h. nach einer Abtastung einer periodischen Funktion mit anschließender DFT-Analyse tauchen auch noch alle anderen Frequenz-Anteile der ursprünglichen Fourier-Reihe mit auf. Diese anderen Frequenzen nennt man Alias-Frequenzen (lat.: die anderen), und der Effekt heißt Aliasing. Damit gewährleistet ist, dass kein Aliasing auftritt, muss für alle Frequenzen fk , die in der Fourierreihe nicht verschwindende Koeffizienten ck 6= 0 haben, die Bedingung |fk | < fA /2 (1.193) gelten15 . Es können also nur endlich viele Frequenzen in der Fouriereihe auftreten. Wenn die Rasterbedingung fA = N · f1 erfüllt ist, muss man bei geradzahligem16 N wegen Gleichung (1.193) die Randfrequenzen ±fN/2 ausschließen. Für geradzahliges N lautet dan) die Randfrequenzen ±fN/2 ausschließen. Für geradzahliges N lautet dann die endliche Fourierreihe für ein periodisches Tiefpasssignal N/2−1 X k ck ej2π T t . (1.194) s (t) = k=−N/2+1 Das zugehörige abgetastete Signal lautet N/2−1 s [n] = X ck ej2πkn/N . (1.195) k=−N/2+1 Wir vergleichen dies mit der IDFT (1.188) und lesen ab: 1 ck : 0 ≤ k < N/2 S [k] = ck−N : N/2 < k < N N (1.196) Der Sonderfall k = N/2 entspricht genau der halben Abtastfrequenz. Die darüber liegenden Indizes mit k > N/2 entsprechen den negativen Frequenzen. 1.4.3 Eigenschaften der DFT Für die DFT gelten im Prinzip entsprechenden Eigenschaften wie für die Fourierreihe und die kontinuierliche Fouriertransformation. Man muss jetzt nur beachten, dass wir es mit endlichen Vektoren zu tun haben. Diese Vektoren muss man sich zyklisch vorstellen. Bei der “normierten Kreisfrequenz” ω haben wir dies schon diskutiert. Hier ist es genauso, nur dass die Frequenzen diskret sind. Und es gilt auch im Zeitbereich, schließlich haben wir es mit periodischen Signalen zu tun. 15 |f | = k 16 In der fA /2 dürfen wir nicht erlauben. Es lassen sich Beispiele finden, warum das nicht geht. Praxis ist N in der Regel geradzahlig. 46 KAPITEL 1. SIGNALE Vereinbarung über zyklische Signale Für die Signale s [n] und S [k] und die DFT-Länge N gilt folgende Vereinbarung: Wenn der Index n bzw. k außerhalb seines natürlichen Definitionsbereiches n, k ∈ {0, 1, ...N − 1} liegt, so ist so oft N zu addieren oder zu subtrahieren, bis der Index in diesem Bereich liegt. Für N = 8 ist zum Beispiel s [9] und s [17] und s [−7] gleichbedeutend mit s [1]. Diese Vereinbarung dient dazu, die Notation zu entlasten. Interpretation als Spektrum 2 Wenn kein Aliasing vorliegt, können wir die Zahlen |S [k] /N | als Spetrum des abgetasteten Signals interpretieren. Energiedichte Für die DFT lässt sich die Parsevalsche Gleichung (1.53) der Fourierreihe entsprechend übertragen. Man erhält für die mittlere Leistung N −1 N −1 X S [k] 2 1 X 2 Ps = |s [n]| = (1.197) N N n=0 k=0 Auf der rechten Seite steht der Ausdruck für die Leistung im Frequenzbereich. Wir können die Gleichung natürlich auch schreiben als N −1 X n=0 2 |s [n]| = N −1 1 X 2 |S [k]| , N (1.198) k=0 aber in der ersten Version kann ich sie mir besser merken. Der Faltungssatz für die zyklische Faltung Wenn wir zwei gleich lange Vektoren h [n] und s [n] der Länge N mit einander zyklisch falten, so bedeutet dies, dass wir in der Formel für die Faltung h [n] ∗cycl s [n] = N −1 X m=0 h [m] s [n − m] (1.199) die obige Vereinbarung über zyklische Signale beachten müssen. Beispiel zyklische Faltung; Rechenschema; Veranschaulichung über zwei Räder Das Ergebnis der zyklischen Faltung ist wieder ein Vektor der Länge N . Dann kann man die zyklische Faltung nach folgendem Rechenschema berechnen: Es soll z.B. das Faltungsprodukt aus zwei Zeilenvektoren 1 2 3 4 ∗cycl 7 2 3 berechnet werden. Einen der beiden Vektoren rechnen 7 2 3 1 4 3 2 1 4 3 2 1 4 3 2 1 muss man spiegeln. Wir spiegeln den ersten und 1 2 3 7−→ 4 1 26 31 32 41 (1.200) 47 KAPITEL 1. SIGNALE Das heißt: 1 2 3 4 7 ∗cycl 2 3 1 26 31 32 = 41 Satz 3 (Faltungssatz DFT) Der zyklischen Faltung der diskreten Signale im Zeitbereich entspricht eine Multiplikation der DFTs im Frequenzbereich: Die DFT des Signals h[n] ∗ s[n] ist gegeben durch H [k] · S [k]. In Kurzschreibweise lautet der Satz h [n] ∗cycl s [n] ←DF −−−T→ H [k] · S [k] (1.201) Da die IDFT fast genau das Gleiche ist wie die DFT, gilt der Faltungssatz “rückwärts” auch. Man muss nur etwas aufpassen mit den Faktor 1/N . h [n] · s [n] DF ← −−−T→ 1 H [k] ∗cycl S [k] N (1.202) Verschiebungssätze Hier ist die obige Vereinbarung über zyklische Signale von zentraler Bedeutung. Wenn s [n] ein zyklisches Signal ist der Länge N , so ist s [n − 1] das um einen Takt zyklisch verschobene. Schreiben wir das Signal s [n] als einen Vektor s [0] s [1] s [2] (1.203) s= , .. . s [N − 1] so schreiben wir das um einen Takt verschobenen Signal s [n − 1] als Vektor s [N − 1] s [0] s [1] s1 = . .. . (1.204) s [N − 2] Am besten stellt man sich das auf einem Kreis vor! Die Verschiebungssätze der DFT lauten nun s [n − 1] und −j2πk/N DF · S [k] ← −−−T→ e ej2πn/N · s [n] DF T S [k − 1] ←−−−→ Man erhält hier hier zwei praktisch wichtige Folgerungen. Für geradzahlige N gilt: n (−1) · s [n] s [n − N/2] DF ← −−−T→ S [k − N/2] . ←DF −−−T→ k (−1) · S [k] . (1.205) (1.206) (1.207) (1.208) 48 KAPITEL 1. SIGNALE Tabelle 1.2: DFT-Tabelle s [n] δ [n] 1 δ [n − n0 ] exp (j2πk0 n/N ) cos (2πk0 n/N ) sin (2πk0 n/N ) N 2 N 2j S [k] 1 N · δ [k] exp (−j2πkn0 /N ) N · δ [k − k0 ] · (δ [k − k0 ] + δ [k + k0 − N ]) · (δ [k − k0 ] − δ [k + k0 − N ]) Symmetriesätze Wir schreiben s∗ [n] = (s [n])∗ und S ∗ [k] = (S [k])∗ für konjugiert komplexe Größen. Für verschobene und für gespiegelte müssen wir wieder die Vereinbarung über zyklische Signale beachten. Bei der Spiegelung müssen wir beachten, dass wir s [−n] durch s [N − n] ersetzen müssen. Dann gilt s∗ [n] ∗ DF (1.209) ← −−−T→ S [N − k] , d.h. das komplex konjugierte Zeitsignal entspricht der gespiegelten komplex konjugierten Spektralfunktion. Folgerung 1 Bei einem reellen Zeitsignal s[n] hat die Spektralfunktion die Eigenschaft S [k] = S ∗ [N − k]. Diese Eigenschaft kennen wir in entsprechender Form schon von der kontinuierlichen Fouriertransformation, der ZFT und von der Fourierreihe. Umgekehrt gilt: s∗ [N − n] DF T S ∗ [k] , (1.210) ←−−−→ d.h. die komplex konjugierte Spektralfunktion entspricht dem gespiegelten komplex konjugierten Zeitsignal. Außerdem gilt s [N − n] (1.211) ←DF −−−T→ S [N − k] , d.h. Spiegeln im Zeitbereich entspricht Spiegeln im Frequenzbereich. Insbersondere gilt: Eine im Zeitbereich symmetrische Funktion ist auch im Frequenzbereich symmetrisch. Folgerung 2 Bei einem reellen und symmetrischen Zeitsignal ist auch die DFT reell und symmetrisch. Einige spezielle DFTs sind in Tabelle 1.2 aufgeführt. Kapitel 2 Zeitdiskrete LTI-Systeme 2.1 Grundbegriffe und Beispiele 2.1.1 Die Definition des LTI-Systems Definition 14 (System) Unter einem System versteht man Gerät, das einen Eingang und einen Ausgang hat und einem Signal, das am Eingang anliegt, eindeutig ein Signal am Ausgang zuordnet. Mathematisch ist ein System also einfach eine Zuordnung1 zwischen zwei Signalen. Man kann das schreiben: System : s 7→ r, wobei s das Inputsignal am Eingang und r das Outputsignal am Ausgang ist. Im Deutschen sagt man Systemanregung und Systemantwort. Was innerhalb des Systems genau passiert, ist für die Systemtheorie uninteressant. Wir betrachten es als eine Black Box und stellen diese symbolisch wie in Abbildung 2.1 dar. In der Praxis kann es durch eine elektrische (analoge oder digitale) Schaltung realisiert sein oder z.B. durch den Übertragungskanal beim Mobilfunk. Auch das Pohlsche Drehpendel, das Sie aus dem physikalischen Praktikum kennen, ist ein System. Es verhält sich systemtheoretisch übrigens genauso (stellt also dasselbe System dar) wie ein elektrischer Schwingkreis mit Spule, Kondensator und Widerstand. Das Wetter und die Wirtschaft sind in diesem Sinne auch System, aber ziemlich komplizierte. 1 Der Mathematiker würde sagen: Abbildung. s - System Anregung (Input) r - Antwort (Output) Abbildung 2.1: Darstellung eines Systems. 49 50 KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME s1 r1 s2 r2 α1 s1 + α2 s2 - System Anregung (Input) α r1 + α2 r2 -1 Antwort (Output) Abbildung 2.2: Lineares System. Bei zeitkontinuierlichen Systemen schreibt man s (t) und r (t) für Input und Output2 , bei zeitdiskreten s [n] und r [n]3 . Wir betrachten zunächst die zeitdiskreten, weil sie mathematisch etwas einfacher sind. Wir beschränken uns in dieser Vorlesung auf lineare Systeme: Definition 15 (Lineare Systeme) Ein System heißt linear, wenn es dem Superpositionsprinzip (Überlagerungsprinzip) gehorcht: Die Überlagerung zweier Input-Signale resuliert am Ausgang zin der Überlagerung der beiden zugehörigen Output-Signale. Wir können das mathematisch so schreiben: Wenn s1 7→ r1 und dann gilt s2 7→ r2 , α1 s1 + α2 s2 7→ α1 r1 + α2 r2 , (2.1) wobei α1 und α2 beliebige (reelle oder komplexe) Koeffizienten sind, siehe auch Abbildung 2.2. Das Superpositionsprinzip ist Ihnen aus der Physik vertraut, wo es u.a. für Wellen gilt. Linear Differentialgleichungen führen auf lineare Systeme. Es gibt durchaus sehr viele wichtige Phänomene, die durch nichtlineare Differentialgleichungen beschrieben werden. Die nichtlineare Systemtheorie ist ungleich schwieriger als die lineare. Man hat hier in den letzten Jahrzehnten (auch mit Hilfe schnellerer Rechner) große Fortschritte gemacht und viele interessante Phänomene entdeckt, die unter dem Stichwort Chaostheorie populär geworden sind. Wir wollen die Klasse der betrachteten Systeme noch weiter einschränken und nur zeitinvariante Systeme betachten. Zeitinvariante Systeme sind solche, deren Eigenschaften sich zeitlich nicht verändern. Definition 16 (Zeitinvariante Systeme) Ein System heißt zeitinvariant, wenn ein zeitlich verzögertes Input-Signal dasselbe Output-Signal mit der entsprechenden Verzögerung erzeugt. Das heißt also, wenn s 7→ r ein zeitdiskretes System beschreibt und s1 [n] = s [n − 1] das um einen Takt verzögerte Inputsignal ist, dann gilt auch s1 7→ r1 , 2 oder 3 oder auch s (•) und r (•) auch s [•] und r [•] 51 KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME wobei r1 [n] = r [n − 1] das um einen Takt verzögerte Outputsignal ist. Systeme, die diese Bedingung nicht erfüllen, heißen zeitvariant. Sie spielen durchaus eine wichtige Rolle, z.B. im Mobilfunk. Definition 17 (LTI-Systeme) Lineare, zeitinvariante Systeme nennt man LTI-Systeme (linear time-invariant). 2.1.2 Beschreibung durch die Impulsantwort Im Folgenden wollen wir LTI-Systeme charakterisieren. Dazu benötigen wir die Definition 18 (Impulsantwort) Die Antwort eines LTI-Systems auf den Einheitsimpuls δ[n] bezeichnet man als die Impulsantwort des Systems. Es gilt nun der folgende Satz 4 (Charakterisierung durch Impulsantwort) Jedes LTI-System lässt sich eindeutig durch seine Impulsantwort h[n] charakterisieren. Zwischen Input s[n] und Output r[n] besteht der Zusammenhang: r[n] = h[n] ∗ s[n]. (2.2) Zum Beweis: Die Antwort des Systems auf den Einheitsimpuls ist nach Definition die Impulsantwort, d.h. δ [n] 7→ h [n] . Wegen der Zeitinvarianz ist die Antwort auf den verögerten Einheitsimpuls die entsprechend verzögerte Impulsantwort: δ [n − 1] 7→ h [n − 1] , δ [n − 2] 7→ h [n − 2] , δ [n − 3] 7→ h [n − 3] , usw. Wegen der Linearität ist der Output zu einer Superposition der verzögerten Einheitspulse gerade die Superposition der entsprechend verzögerten Impulsantworten: a0 δ [n] + a1 δ [n − 1] + a2 δ [n − 2] + ... 7→ a0 h [n] + a1 h [n − 1] + a2 h [n − 2] + ... Etwas allgmeiner: ∞ X m=−∞ d.h. s [m] δ [n − m] 7→ ∞ X m=−∞ s [m] h [n − m] , s [n] ∗ δ [n] = s [n] 7→ s [n] ∗ h [n] . Bezeichnet man mit r [n] die Systemantwort auf s [n], so gilt also r [n] = s [n] ∗ h [n] = h [n] ∗ s [n] , was zu beweisen war. Eine wichtige Folgerungs aus dem obigen Satz ist die KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME 52 Folgerung 3 (Reihenfolge von LTI-Systemen) Bei zwei LTI-Systemen kommt es nicht darauf an, in welcher Reihenfolge ein Signal sie durchläuft. Denn: Wenn wir zwei LTI-Systeme haben, die durch die Impulsantworten g [n] h [n] beschrieben werden, so ist die Anwort des zusammengesetzten Systems auf die Anregung s [n] in dem einen Fall gegeben durch r [n] = g [n] ∗ h [n] ∗ s [n] und in dem anderen Fall gegeben durch r [n] = h [n] ∗ g [n] ∗ s [n] . Wegen der Kommutativität der Faltung g [n] ∗ h [n] = h [n] ∗ g [n] ist beides gleich. Bild: Vertauschbarkeit Wir haben hier stillschweigend auch die Assoziätivität der Faltung verwendet: Es kommt bei einem wiederholten Faltungsprodukt nicht darauf an, welches zuerst ausgerechnet wird. Deshalb der Reihenfolge kann man auf eine Klammerung verzichten. Um die Bedeutung besser zu versthen, schreiben wir etwas ausführlicher: r [n] = g [n] ∗ (h [n] ∗ s [n]) = g [n] ∗ h [n] ∗ s [n] Es wird also zunächst mit der Impulsantwort h [n] des ersten Systems gefaltet und dann mit der Impulsantwort des zweiten Systems g [n]. Man arbeitet also die Faltungen von rechts nach links ab, die Reihenfolge ist also anders als üblicherweise im Blockschaltbild. Für linear-zeitvariante System ist die Reihenfolge übrigens wichtig! Jetzt wollen wir noch zwei wichtige Eigenschaften definieren, die alle anständigen, praktisch realisierbaren LTI-Systeme haben sollten: Kausalität und Stabilität Bei in Echtzeit realisierbaren LTI-Systeme kann die Impulsantwort nicht vor dem Impuls kommen. Definition 19 (Kausalität) Ein LTI-System heißt kausal, wenn für seine Impulsantwort für negative Zeiten Null ist: h [n] = 0 (n < 0). (2.3) Solche Systeme nennt man kausal. Man kann dann schreiben: r [n] = ∞ X m=0 h [m] s [n − m] . (2.4) Systeme, die sich anständig verhalten und nicht bei einer begrenzten Anregung unbegrenzte Antworten ergeben (also sozusagen eine Explosion auslösen), nennt man stabil. Die folgende Definition der Stabilität liefert eine hinreichende Bedingung für diese Eigenschaft: Definition 20 (Stabilität) Ein LTI-System heißt stabil, wenn für seine Impulsantwort h[n] gilt: ∞ X |h[n]| < ∞. (2.5) n=−∞ 53 KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME s[n] -r[n] 6 ar[n − 1] ? a D 6 r[n − 1] Abbildung 2.3: Das einfachste rekursive Filter. Der ideale Integrator (Akkumulator) Ein in diesem Sinne nicht anständiges (aber trotzdem wichtiges System) ist der Akkumulator, den man als eine diskrete Version des idealen Integrators ansehen kann. Er summiert einfach alle Werte des Input-Signals s [n] auf. Der Output ist also r [n] = n X s [n] . (2.6) m=−∞ Die Impulsantwort lautet (Übung!) h [n] = [n] . 2.1.3 (2.7) Einfache Beispiele für digitale Filter Bevor wir die Systeme weiter charakterisieren, bringen wir ein paar einfache Beispiele, die sich durch Schieberegisterschaltungen realisieren lassen. Ein einfaches FIR-Filter Das einfachste System haben wir bei der Einführung der diskreten Faltung kennen gelernt. Es ist beschrieben durch r [n] = h [0] s [n] + h [1] s [n − 1] + h [2] s [n − 2] + ... + h [M ] s [n − M ] (2.8) und wurde bereits in Abbildung 1.21 für M = 3 dargestellt. Man spricht von einem finite impulse response (FIR) - Filter der Ordnung M . Kausale FIR-Filter sind durch vorwärtsgekoppelte Schieberegisterschaltungen beschrieben und haben eine endlich lange Impulsantwort. Solche Systeme sind immer stabil. Ein einfaches IIR-Filter Abbildung 2.3 zeigt das einfachste rekursive Filter. Es ist beschrieben durch die rekursive Gleichung r [n] = s [n] + a r [n − 1] , a ∈ R. (2.9) 54 KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME 1 0.9 0.8 Amplitude 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0 0 5 10 15 20 n (samples) 25 30 35 Abbildung 2.4: Impulsantwort des einfachsten rekursiven Filters. Man nennt die Struktur rekursiv, weil der aktuelle Output r [n] nicht nur vom Input, sondern auch vom vorherigen Output r [n − 1]. Anstatt diese Rekursionsgleichung nun für einen beliebigen Input s [n] zu lösen (was für diese einfache Rekursion gar nicht so schwer ist), reicht es, s [n] = δ [n] zu betrachten. Wir wissen ja das lineare Systeme eindeutig durch ihre Impulsantwort beschrieben sind. Für n < 0 ist die Impulsantwort offenbar Null. Wir beginnen also bei Verständnisfrage: n = 0 und setzen in die Rekursionsgleichung (2.9) ein: Können Sie beweisen, dass h [0] = 1 das System linear ist? h [1] = a h [0] = a h [2] = a h [2] = a2 h [3] = a h [2] = a3 ... h [n] = a h [n − 1] = an Die Impulsantwort lautet also h [n] = an [n] (2.10) und fällt offensichtlich exponentiell ab. Sie ist für a = 0.9 in Abbildung 2.4 dargestellt. Für a < 0 alterniert das Vorzeichen. Das durch Gleichung (2.9) bzw. (2.10) beschriebene System bezeichnet man als infinite impulse response (IIR) - Filter. IIR-Filter können instabil sein. 55 KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME Differenzengleichungen und digitale Filter Wir betrachten ein FIR-Filter der Ordnung M mit Filterkoeffizienten b[m], das beschrieben ist durch die vorwärtsgekoppelte Gleichung u [n] = b[0]s[n] + b[1]s[n − 1] + b[2]s[n − 2] + ... + b[M ]s[n − M ] bzw. u[n] = M X m=0 b[m]s[n − m]. (2.11) (2.12) Hier ist u[n] der Ouput, und die Impulsantwort ist der Vektor der Filterkoeffizienten. Jetzt betrachten wir ein nachgeschaltetes rekursives Filter mit Output r[n], für das u[n] der Input ist und das durch die rekursive Gleichung r[n] = u[n] − a[1]r[n − 1] − a[2]s[n − 2] − ... − a[M ]s[n − M ] (2.13) beschrieben ist. Die Zahlen a[m] nennt man wieder Filterkoeffiezienten, die Ordnung des Filters ist wieder M . Wir definieren a[0] = 1 (2.14) und schreiben a[0]r[n] + a[1]r[n − 1] + a[2]s[n − 2] + ... + a[M ]s[n − M ] = u[n] bzw. M X m=0 a[m]r[n − m] = u[n]. (2.15) (2.16) Die Gleichungen (2.12,2.16) ergeben zusammen M X m=0 a[m]r[n − m] = M X m=0 b[m]s[n − m]. (2.17) Eine solche Gleichung nennt man Differenzengleichung. Sie beschreibt ein sehr allgemeines digitales Filter. Die Bezeichnung kommt daher, dass in der Gleichung Zeitdifferenzen auftreten. Differenzengleichungen sind das diskrete Analogon zu den Differentialgleichungen, mit denen bekanntlich analoge Filter beschrieben werden. Wie bei den analogen Filtern vermeidet man es jedoch meist, die Gleichungen im Zeitbereich zu lösen und geht statt dessen zu einer Darstellung im Frequenzbereich über. Wie das geht, wollen wir im Folgenden zeigen. 2.1.4 Beschreibung durch die Sprungantwort Sei ein LTI-System gegeben durch seine Impulsantwort h [n]. Die Anwort auf ein Input-Signal s [n] ist dann gegeben durch r [n] = h [n] ∗ s [n] = ∞ X m=−∞ h [m] s [n − m] (2.18) Wir betrachten als speziellen Input das Signal s [n] = [n] und definieren Definition 21 (Sprungantwort) Die Anwort eines LTI-Systems auf die Anregung durch den Einheitssprung [n] nennt man die Sprungantwort des Systems. 56 KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME e−jω Abbildung 2.5: Die Übertragungsfunktion für ein zeitdiskretes Verzögerungsglied. Wir bezeichnen die Sprungantwort mit g [n] und erhalten g [n] = ∞ X m=−∞ h [m] [n − m] = n X h [m] . (2.19) m=−∞ Die Sprungantwort ist also die kumulierte Summe 4 der Impulsantwort. Umgekehrt bekommt man aus der Sprungantwort die Impulsantwort durch diskretes Differenzieren: h [n] = g [n] − g [n − 1] . (2.20) Wenn man die Sprungantwort kennt, kann man daraus leicht die Impulsantwort berechen. Also liefert auch die Sprungantwort eine eindeutige Charakterisierung des LTI-Systems. Eine dritte Möglichkeit werden wir im nächsten Unterabschnitt kennen lernen. Als Beispiel wollen wir die Sprungantwort für das rekursive LTI-System aus Gl. (2.9) berechnen, dessen Impulsantwort gegeben ist durch Gl. (2.10). Aus der Summenformel für die endliche geometrische Reihe n X 1 − q n+1 qn = (2.21) 1−q i=0 erhalten wir g[n] = 2.1.5 1 − an+1 . 1−a (2.22) Beschreibung durch die Übertragungsfunktion Wir betrachten eine zeitdiskrete harmonische Schwingung der Gestalt sω [n] = ejωn . (2.23) Wir verzögern dieses Signal um einen Takt und erhalten sω [n − 1] = ejω(n−1) (2.24) sω [n − 1] = e−jω sω [n] . (2.25) d.h. Die Verzögerung um eines Takt bewirkt bei einer harmonischen Schwingung einfach nur die Multiplikation mit dem Faktor e−jω . Diesen Faktor nennen wir die Übertragungsfunktion der Verzögerung (bzw. des Verzögerungsgliedes im Schieberegister), siehe Abbildung 2.5. Für Verzögerungen um mehrere Takte gilt entsprechend sω [n − 2] = e−j2ω sω [n] 4 Die kumulierte Summe ist das diskrete Analogon zum Integral g(t) = (2.26) Rt −∞ h(τ )dτ . 57 KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME sω [n − 3] = e−j3ω sω [n] (2.27) ... sω [n − m] = e−jωm sω [n] (2.28) Bei der letzten Gleichung muss man etwas aufpassen: n ist der Laufindex (die diskrete Zeitvariable), und m ist eine feste Zahl, z.B. m = 7. Etwas deutlicher wird das, wenn man schreibt sω [· − m] = e−jωm sω [·] . (2.29) Wir betrachten nun ein kausales LTI-System, wie es durch Gleichung (2.4) beschrieben ist und regen es mit der zeitdiskreten harmonschen Schwingung sω [n] an. Für die Antwort rω [n] gilt dann ∞ X rω [n] = h [m] sω [n − m] . (2.30) m=0 Wir verwenden die Eigenschaft (2.28) und können dafür schreiben ! ∞ X −jωm rω [n] = h [m] e sω [n] . (2.31) m=0 Wir haben hier (eigentlich unnötige) Klammern gesetzt, um damit deutlich zu machen, dass auf der rechten Seite nur noch ein Produkt steht und wir das Signal sω [n] aus der Summer herausgezogen haben. Auf eine Anregung mit der harmonischen Schwingung reagiert das System durch Multiplikation mit der Übertragungsfunktion H e jω = ∞ X h [m] e−jωm . (2.32) m=0 Die Antwort rω [n] = H ejω sω [n] (2.33) ist wieder eine harmonische Schwingung derselben Frequenz. Definition 22 (Übertragungsfunktion) Ein LTI-System sei gegeben durch seine Impulsantwort h[n]. Die Größe ∞ X jω H e = h[n] exp (−jωn) (2.34) n=−∞ nennt man die Übertragungsfunktion des Systems. Diese Definition beinhaltet auch nichtkausale Systeme, für die die Beschreibung (2.33) ebenfalls gültig ist. Nur kann man diese nicht so schön durch Schieberegisterschaltungen beschreiben. Da der Output rω [n] wieder eine harmonische Schwingung ist, gilt auch für diese rω [n − m] = e−jωm rω [n] (2.35) Dadurch kann man für eine harmonische Anregung die Differenzengleichung, die das System beschreibt, sehr einfach in eine algebraische Gleichung transformieren, aus der sich die Übertragungsfunktion ergibt. Wir zeigen das zunächst an zwei Beispielen: 58 KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME s[n] r[n] e−jω e−jω b −a Abbildung 2.6: Beispiel 2. 1. Beispiel: Das Filter in Abbildung 2.3 wird beschrieben durch rω [n] = sω [n] + ae−jω rω [n] (2.36) und hat die damit die Übertragungsfunktion H ejω = 1 . 1 − ae−jω (2.37) 2. Beispiel: Das Filter in Abbildung 2.6 wird beschrieben durch sω [n] + be−jω sω [n] = rω [n] + ae−jω rω [n] (2.38) und hat die damit die Übertragungsfunktion 1 + b e−jω H ejω = . 1 + a e−jω (2.39) Die Reihenfolge ist bei LTI-Systemen gleichgültig. Dies spiegelt sich darin wieder, dass die Übertragungsfunktion das Produkt der einzelnen Übertragungsfunktionen ist, wobei es bei einem gewöhnlichen Produkt von Funktionen ja auch nicht auf die Reihenfolge ankommt. Veranschaulichung der Übertragungsfunktion Wir interpretieren die Übertragungsfunktion H ejω = A ejω exp jΦ ejω (2.40) als Frequenzgang eines, den man in Amplitudengang und Phasengang zerlegen kann: Bei der normierten Kreisfrequenz ω dämpft das System die Amplitude einer harmonischen Schwingung um A ejω und dreht die Phase mit den Zeiger exp jΦ ejω . Die Übertragungsfunktion H ejω ist eine zyklische Funktion. Dies bedeutet, dass ihr Definitionsbereich der Einheitskreis ist. Ein Punkt des Einheitskreises lässt sich eindeutig durch seinen Winkel ω beschreiben. Es ist Geschmackssache, ob man diesen Winkel von 0 bis 2π laufen lässt oder von −π bis π. Die erstere Sichtweise wird in der Signalverarbeitung bevorzugt. Ein Kreis hat keinen Anfang und kein Ende, anders als z.B. das Intervall [0, 2π). Wenn man die Spektralfunktion zeichnen will, wäre dazu eine Litfaßsäule am besten geeignet. Um die Zeichnung an die 59 KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME |H(ejω )|2 −π 0 ω π |H(ejω )|2 0 ω π 2π Abbildung 2.7: Verschiedene Sichtweisen der selben zyklischen Übertragungsfunktion für ein Tiefpassfilter. KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME 60 Tafel zu bringen, muss man das Plakat an irgend einer Stelle auftrennen. Man kann das z.B. bei ω = 0 tun oder auch bei ω = π, siehe Abbildung 2.7, wo ein Tiefpassfilter gezeigt ist. In beiden Fällen bekommt man an der Tafel unterschiedliche Bilder, die aber zu dem selben Bild an der Litfaßsäule gehören. Die negativen Frequenzen korrespondieren zu dem unteren Teil des Einheitskreises. Diese liegen also links von der Mitte im oberen Bild und rechts von der Mitte im unteren Bild. Wegen der zylischen Natur der Übertragungsfunktion schreibt man auch H ejω und nicht etwa H (ω). So ist H wirklich eine Funktion, die auf dem Kreis lebt. Reelle Impulsantwort Symmetrieeigenschaft Wenn h [n] reell ist, gilt für die Übertragungsfunktion immer die ∗ H ejω = H e−jω . Dann ist der Amplitudengang eine gerade Funktion und der Phasengang eine ungerade Funktion. Berechnung der Impulsantwort aus der Übertragungsfunktion Aus einer gegebenen Übertragungsfunktion möchte man die Impulsantwort ermitteln. Mathematisch geht das zwar theoretisch durch Umkehrung der Gleichung (2.32). Da in der Praxis H i.A. eine rationale Funktion in der Variablen e−jω ist, kann man auch so vorgehen: Man führt eine Patialbruchzerlegung durch und entwickelt die Brüche dann in eine geometrische Reihe. Dann erhält man die Impulsantwort durch Koeffizientenvergleich. 61 KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME 2.2 2.2.1 Strukturen digitaler Filter Vorwärtsgekoppelte Filter Ein vorwärtsgekoppeltes (auch: FIR wie finite impulse response) Filter ist in Abbildung 2.8 gezeigt. Zwischen dem Input-Signal s[n] und dem Output r[n] gilt folgende Differenzengleichung: r[n] = b[0]s[n] + b[1]s[n − 1] + b[2]s[n − 2] + ... + b[M ]s[n − M ] bzw. r[n] = M X m=0 b[m]s[n − m]. (2.41) (2.42) Die Ordnung des Filters ist M , und die M + 1 Filterkoeffizienten lauten b[0], ..., b[M ]. Im Frequenzbereich ist dieses Filter gegeben durch seine Übertragungsfunktion M X b[m]e−jωm . Hb ejω = (2.43) m=0 s[n] - - r[n] 6 - - - - - ? D ? D ? b[0] b[1] b[2] ? D 6 6 6 - b[M] Abbildung 2.8: FIR- Filter 2.2.2 Rückwärtsgekoppelte Filter Ein rückwärtsgekoppeltes (auch: rekursives) Filter ist in Abbildung 2.9 gezeigt. Zwischen dem Input-Signal s[n] und dem Output r[n] gilt folgende Differenzengleichung: r[n] = s[n] − a[1]r[n − 1] − a[2]s[n − 2] − ... − a[M ]s[n − M ]. (2.44) 62 KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME Wir definieren einen weiteren Filterkoeffizienten a[0] = 1 und bekommen M X m=0 (2.45) a[m]r[n − m] = s[n]. (2.46) Die Ordnung des Filters ist M , und die M + 1 Filterkoeffizienten lauten a[0], ..., a[M ]. Im Frequenzbereich ist dieses Filter gegeben durch seine Übertragungsfunktion Ha ejω = PM 1 −jωm m=0 a[m]e s[n] - (2.47) r[n] - 6 ? 6 −a[1] 6 −a[2] 6 . D ? D ? ? −a[M] D Abbildung 2.9: Rekursives Filter 2.2.3 Allgemeine IIR-Filter Ein allgemeines Filter mit unendlich langer Impulsantwort (IIR-Filter wie infinite impulse response) erhält man, indem man ein FIR-Filter und ein rekursives Filter hinter einander schaltet. Hierbei kommt es nicht auf die Reihenfolge an. In der Schaltung in Abbildung 2.10 kommt zunächst das FIR-Filter und dann das rekursive Filter, in der Schaltung in Abbildung 2.11 ist die Reihenfolge andersherum. Beide Schaltungen bewirken das selbe, aber der Implementationsaufwand ist unterschiedlich. Im ersten Fall wird mehr Speicherplatz benötigt, im zweiten mehr Rechenoperationen. 63 KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME s[n] ? D ? D ? - b[0] - - b[1] - - b[2] - - - ? D - b[M] r[n] 6 - ? 6 −a[1] 6 −a[2] 6 D ? D .? ? D −a[M] Abbildung 2.10: Allgemeines digitales Filter Struktur I Die Übertragungsfunktion lautet PM −jωm m=0 b[m]e H ejω = PM . −jωm m=0 a[m]e (2.48) Die Differenzengleichung lässt sich am besten aus der Struktur von Abbildung 2.10 erkennen. Bezeichnet man den Input mit s[n] und den Output des ersten (FIR) Filters mit u[n], so gilt u[n] = M X m=0 b[m]s[n − m]. (2.49) Dies ist der Input für das dahinter geschaltete rekursive Filter, d.h. zwischen den Input u[n] und dem Output r[n] des rekursiven Filters gilt die Beziehung M X m=0 a[m]r[n − m] = u[n]. (2.50) Damit folgt die Differenzengleichung M X m=0 a[m]r[n − m] = M X m=0 b[m]s[n − m]. (2.51) Digitale Filter mit MATLAB Mit r=filter(b,a,s) wird digital gefiltert. Hierbei ist s der Vektor mit dem Input-Signal s[n], r der Vektor mit dem Output-Signal s[n] und b,a die Vektoren mit den Filter-Koeffizienten b[n], a[n]. Es muss a[0] = 1gelten. 64 KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME s[n] - 6 - r[n] - - - - - ? 6 −a[1] 6 −a[2] 6 - D ? D ? b[0] b[1] b[2] ? −a[M] D 6 - 6 6 6 - b[M] Abbildung 2.11: Allgemeines digitales Filter Struktur II 2.3 Die Zeitdiskrete Fouriertransformation (ZFT) Wir haben die Übertragungsfunktion H ejω = A ejω exp jΦ ejω (2.52) als Frequenzgang eines Systems interpretiert, den man in Amplitudengang und Phasengang zerlegen kann: Bei der normierten Kreisfrequenz ω dämpft das System die Amplitude einer harmonischen Schwingung um A ejω und dreht die Phase mit den Zeiger exp jΦ ejω . Jede Impulsantwort h [n] kann man natürlich als ein zeitdiskretes Signal auffassen. Man kann dieses ganz einfach dadurch generieren, indem man das System mit dem Einheitsimpuls δ [n] anregt. Deshalb kann man die Übertragungsfunktion auch so interpretieren, dass sie die Spektralanteile dieses zeitdiskreten Signals h [n] darstellt. Wir möchten diese Interpretation einer Spektralfunktion ganz allgemein für zeitdiskrete Signale haben und definieren für ein beliebiges zeitdiskretes Signal: Definition 23 (Zeitdiskrete Fouriertransformation) Für ein zeitdiskretes Signal s[n] definieren wir die zeitdiskrete Fouriertransformation (ZFT) als ∞ X S ejω = s[n] exp (−jωn) (2.53) n=−∞ Offenbar ist also für ein LTI-System die Übertragungsfunktion gerade die ZFT der Impulsantwort. Die ZFT existiert nicht für alle zeitdiskreten Signale. Man muss sicherstellen, dass die 65 KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME Reihe konvergiert. Eine hinreichende Bedingung ist offenbar ∞ X n=−∞ |s [n]| < ∞, (2.54) d.h. für absolut summierbare Signale ist die ZFT für alle ω definiert. Aus der Spektralfunktion S ejω kann man das zugehörige zeitdiskrete Signal s [n] mit der Umkehrformel Z 2π 1 S ejω ejωn dω. (2.55) s [n] = 2π 0 zurückgewinnen. Zum Beweis: Wir sehen einmal von mathematischen Feinheiten ab und nehmen an, dass alle Summen und Integrale exisieren und man Summation und Integration vertauschen darf. Dann sehen wir, dass die Zahlen s [−n] nach Gleichung (2.55) gerade die Fourierkoeffizenten der 2π-periodischen Funktion S ejω sind, wobei wir Zeit- und Frequenzbereich gegenüber der gewohnten Darstellung vertauscht haben. Die ZFT S e jω = ∞ X s [n] e−jωn (2.56) n=−∞ ist also nichts anderes als eine Fourier-Reihe mit vertauschten Variablen! Im Folgenden verwenden wir oft für ein Fourier-Paar die Kurzschreibweise ZF T S ejω . ←−−−→ s [n] Bei einem System, das durch das Fourierpaar aus Impulsantwort und Übertragungsfunktion jω h [n] ← ZF T H e −−−→ gegeben ist, ergibt sich dann für den Output r [n] = h [n] ∗ s [n] ZF T R ejω = H ejω S ejω . ←−−−→ (2.57) Eigenschaften der ZFT Interpretation als Spektrale Dichte Aus der Gleichung (2.55) ergibt sich folgende Interpretation: Das zeitdiskrete Signal setzt sich ω zusammen aus Schwingungsanteilen bei verschiedenen (normierten) Frequenzen 2π , wobei ω über alle Kreiswinkel läuft. Den Integranden dω S ejω ejωn 2π ω ω kann man dann auffassen als den Schwingungsanteil zwischen den Frequenzen 2π und 2π + dω 2π . Die Spektralfunktion S ejω ist eine zyklische Funktion. Dies bedeutet, dass ihr Definitionsbereich der Einheitskreis ist. Ein Punkt des Einheitskreises lässt sich eindeutig durch seinen Winkel ω beschreiben. Es ist Geschmackssache, ob man diesen Winkel von 0 bis 2π laufen lässt oder von −π bis π. Die erstere Sichtweise wird in der Signalverarbeitung bevorzugt. Ein Kreis 66 KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME |S(ejω )|2 0 −π ω π |S(ejω )|2 0 ω π 2π Abbildung 2.12: Verschiedene Sichtweisen der selben zyklischen Spektralfunktion. 67 KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME hat keinen Anfang und kein Ende, anders als z.B. das Intervall [0, 2π). Wenn man die Spektralfunktion zeichnen will, wäre dazu eine Litfaßsäule am besten geeignet. Um die Zeichnung an die Tafel zu bringen, muss man das Plakat an irgend einer Stelle auftrennen. Man kann das z.B. bei ω = 0 tun oder auch bei ω = π, siehe Abbildung 2.12. In beiden Fällen bekommt man an der Tafel unterschiedliche Bilder, die aber zu dem selben Bild an der Litfaßsäule gehören. Die negativen Frequenzen korrespondieren zu dem unteren Teil des Einheitskreises. Diese liegen also links von der Mitte im oberen Bild und rechts von der Mitte im unteren Bild. Wegen der zylischen Natur der Spektralfunktion schreibt man auch S ejω und nicht etwa S (ω). So ist S wirklich eine Funktion, die auf dem Kreis lebt. Energiedichte Für die ZFT lässt sich die Parsevalsche Gleichung (1.53) der Fourierreihe entsprechend übertragen. Man erhält Z 2π ∞ X 1 2 S ejω 2 dω (2.58) Es = |s [n]| = 2π 0 n=−∞ Auf der rechten Seite steht ein Ausdruck für die Energie im Frequenzbereich. Dies erlaubt eine 2 Interpretation von S ejω als spektrale Energiedichte: Den Integranden S ejω 2 dω 2π kann man auffassen als den Energieanteil zwischen den (normierten) Frequenzen (2.59) ω 2π und ω dω 2π + 2π . Der Faltungssatz Satz 5 Faltungssatz ZFT Der Faltung der diskreten Signale im Zeitbereich entspricht eine Multiplikation im Frequenzbereich: Die ZFT des Signals h[n] ∗ s[n] ist gegeben durch der ZFTs H ejω · S ejω . In Kurzschreibweise lautet der Satz h [n] ∗ s [n] jω jω ZF T H e · S e ←−−−→ (2.60) Eigentlich brauchen wir diesen Satz nicht mehr zu beweisen. Überlegen Sie, was passiert, wenn man zwei LTI-Systeme kaskadiert. Die Interpretation ist entsprechend: Im Frequenzbereich multipliziert man die Spektralfunktion des Signals mit der Übertragungsfunktion des Systems. Verschiebungssätze Sei ∞ X S ejω = s [n] e−jωn , (2.61) n=−∞ d.h. s [n] ZF T→ S ejω . ← −−− (2.62) KAPITEL 2. ZEITDISKRETE LTI-SYSTEME 68 Dann gilt ZF T e−jω · S ejω . ←−−−→ Der Beweis ergibt sich sofort durch Einsetzen in die Definition. s [n − 1] (2.63) Dies ist uns an anderer Stelle schon begegnet: Die Übertragungsfunktion der Verzögerung ist e−jω . Eine Verschiebung um einen festen Parameter ω0 im Frequenzbereich lässt auch sich im Zeitbereich darstellen: e+jω0 n · s [n] ZF T S ej(ω−ω0 ) . (2.64) ←−−−→ Hierbei ist S ej(ω−ω0 ) die um einen festen Winkel ω0 verschobene Spektralfunktion. Sie ist also um ω0 gegen den Uhrzeigersinn über dem Einheitskreis gedreht. Dieser Verschiebungssatz hat eine wichtige Konsequenz: Die in der Praxis wichtige Verschiebung um den Halbkreis lässt sich im Zeitbereich durch ein alternierendes Vorzeichen implementieren: n (2.65) (−1) · s [n] ← ZF T→ S ej(ω−π) . −−− Symmetriesätze Wir schreiben und für konjugiert komplexe Größen. s∗ [n] = (s [n])∗ ∗ S ∗ ejω = S ejω Dann gilt s∗ [n] ZF T→ S ∗ e−jω , (2.66) ← −−− d.h. das komplex konjugierte Zeitsignal entspricht der gespiegelten komplex konjugierten Spektralfunktion. Folgerung 4 Bei einem reellen Zeitsignal s[n] hat die Spektralfunktion die Eigenschaft S ejω = S ∗ e−jω . Diese Eigenschaft kennen wir in entsprechender Form schon von der kontinuierlichen Fouriertransformation und von der Fourierreihe. Umgekehrt gilt: ∗ jω ZF T S e , (2.67) ←−−−→ d.h. die komplex konjugierte Spektralfunktion entspricht dem gespiegelten komplex konjugierten Zeitsignal. s∗ [−n] Außerdem gilt −jω ZF T S e , (2.68) ←−−−→ d.h. Spiegeln im Zeitbereich entspricht Spiegeln im Frequenzbereich. Insbersondere gilt: Eine im Zeitbereich symmetrische Funktion ist auch im Frequenzbereich symmetrisch. s [−n] Folgerung 5 Bei einem reellen und symmetrischen Zeitsignal ist auch die Spektralfunktion reell und symmetrisch. Anhang A Das Griechische Alphabet In Tabelle A.1 sind alle griechischen Buchstaben aufgeführt. Die Tabelle wurde mit der Textverarbeitung LATEX erstellt, die ein gebräuchlicher Standard für die mathematisch-naturwissenschaftlichtechnische Literatur ist und mit der viele Bücher geschrieben sind. Man kann sich daher auf diese Schreibweise berufen. Einige griechische Buchstaben werden in mathematischen Formeln nicht oder nur selten verwendet, weil sie aussehen wie die entsprechenden Lateinischen (z.B. A,B,E,..) oder wie ein anderer Lateinischen Buchstabe (z.B. H,P,X,..). Bei manchen Buchstaben gibt es Varianten. Handschriftlich nimmt man z.B. lieber die Variante ϕ statt φ oder ϑ statt θ, weil die Unterscheidung vom Großbuchstaben Φ bzw. Θ leichter ist. In Druckschriften kann man beides nehmen und hat dadurch mehr Auswahl. 69 ANHANG A. DAS GRIECHISCHE ALPHABET Tabelle A.1: Griechische Buchstaben Groß A B Γ ∆ E Z H Θ I K Λ M N Ξ O Π P Σ T Υ Φ X Ψ Ω klein α β γ δ ε ζ η θϑ ι κ λ µ ν ξ o π$ ρ% σς τ υ φϕ χ ψ ω Bezeichnung Alpha Beta Gamma Delta Epsilon Zeta Eta Theta Iota Kappa Lambda My (sprich: Mü) Ny (sprich: Nü) Xi Omikron Pi Rho Sigma Tau Ypsilon Phi Chi Psi Omega 70 Anhang B Dezibel-Rechnung In der Kommunikationstechnik kommen häufig sehr unterschiedliche Größenordnungen von Signal-Leistungen vor. Zum Beispiel kann die Empfangsleistung an einem Handy um den Faktor 1010 oder mehr unter der Sendeleistung an der Basisstation liegen. Auch Filter senken die Signalleistung in der Regel um mehrere Zehnerpotenzen ab. Es leuchtet sofort ein, dass man in solchen Fällen meist nicht die genauen Zahlenwerte benötigt, sondern ein Maß, das auf einfache Weise die Größenordnung beschreibt. Hierzu ist der Zehner-Logarithmus besonders geeignet. Das Zahlenverhältnis P1 /P2 zweier Leistungen drückt man logarithmisch aus und spricht von P1 Bel lg P2 in Erinnerung an den Telefon-Pionier Alexander Graham Bell. Da man es bei Quotienten zwischen 1 und 10 mit Logarithmen unter dem Wert 1 zu tun hat, hat man aus Bequemlichkeit diese Zahl mit 10 multiplziert und spricht von P1 10 lg deziBel. P2 Man kürzt dies mit dB ab. Auch wenn man oft damit umgeht, als sei dezibel eine Maßeinheit, ist sie eigentlich eine Funktion, ähnlich wie das Prozentmaß. Wenn man z.B. sagt 0.45 = 45% oder 40 kg + 40% = 56 kg, so weiß jeder Kaufmann, was gemeint ist, obwohl man es eigentlich sorgfältiger hinschreiben müsste. Genauso weiß jeder Ingenieur, dass (näherungsweise) 2 = 3 dB und 100 W + 3 dB = 200 W gilt. Das Schöne an der Dezibel-Rechnung ist, dass man nur ein paar Zahlenwerte im Kopf haben muss und damit schnell einfache Überschlagsrechunungen machen kann. Z.B. sieht man sofort, dass 16π 2 ≈ 22 dB sind (Übung!). Man sollte sich merken: 71 72 ANHANG B. DEZIBEL-RECHNUNG Tabelle B.1: Dezibel-Tabelle dB 1 2 3 4 5 6 7 8 9 .0 0.00 3.01 4.77 6.02 6.99 7.78 8.45 9.03 9.54 .1 0.41 3.22 4.91 6.13 7.08 7.85 8.51 9.08 9.59 .2 0.79 3.42 5.05 6.23 7.16 7.92 8.57 9.14 9.64 .3 1.14 3.62 5.19 6.33 7.24 7.99 8.63 9.19 9.68 .4 1.46 3.80 5.31 6.43 7.32 8.06 8.69 9.24 9.73 .5 1.76 3.98 5.44 6.53 7.40 8.13 8.75 9.29 9.78 .6 2.04 4.15 5.56 6.63 7.48 8.20 8.81 9.34 9.82 .7 2.30 4.31 5.68 6.72 7.56 8.26 8.86 9.40 9.87 .8. 2.55 4.47 5.80 6.81 7.63 8.33 8.92 9.44 9.91 .9 2.79 4.62 5.91 6.90 7.71 8.39 8.98 9.49 9.96 1. 1 = 0 dB 2. 10 = 10 dB 3. 2 ≈ 3 dB 4. π ≈ 5 dB Folgern lassen sich daraus leicht z.B. folgende Werte 1. 2.5 ≈ 4 dB 2. 5 ≈ 7 dB 3. 8 ≈ 9 dB 4. 20 ≈ 13 dB Wenn man damit nicht weiter kommt, hilft Tabelle B.1. Den Taschenrechner sollte man nur in den seltensten Fällen verwenden. Man erweckt damit leicht den Eindruck, dass man ein Anfänger ist.. In der Nachrichtentechnik wird die Leistung gerne auf die Grundgröße 1 mW (Milliwatt) bezogen. Sei P0 =1 mW. Dann ist gibt man die Leistung in dBm(W) an, in dem man P 10 lg P0 hinschreibt. Z.B. gilt 1. 1 mW = 0 dBm 2. 10 mW = 10 dBm 3. 100 mW = 20 dBm 4. 20 W ≈ 43 dBm (Leistung einer GSM-Basisstation) 5. 0.5 pW ≈ −93 dBm (typischer Pegel an einem Handy) Die so angegebene Leistung nennt man of auch den Pegel (engl. Level ). Anhang C Die Fourier-Transformation Die Fourier-Transformation (FT) eines (kontinuierlichen) Signals s (t) ist definiert als Z ∞ e−j2πf t s (t) dt. S (f ) = (C.1) −∞ Die Fouriertransformierte S (f ) interpretieren wir als Spektralfunktion und die Variable f als Frequenz. Diese Interpretation wird deutlich aus der Fourier-Rücktransformation, die wir auch als Fourier-Integral bezeichnen wollen. Es gilt die Umkehrformel Z ∞ s (t) = ej2πf t S (f ) df. (C.2) −∞ Wir verwenden die Kurzschreibweise s (t) T→ S (f ) . ←F −− (C.3) Interpretation als Spektrale Dichte Aus der Gleichung (C.2) ergibt sich folgende Interpretation: Das Signal setzt sich zusammen aus Schwingungsanteilen bei verschiedenen (normierten) Frequenzen f , wobei f über die ganze reelle Achse läuft. Den Integranden S (f ) e−j2πf t df kann man dann auffassen als den Schwingungsanteil zwischen den Frequenzen f und f + df . Energiedichte Für die Fouriertransformation lässt sich die Parsevalsche Gleichung (1.53) der Fourierreihe entsprechend übertragen. Es gilt Z ∞ Z ∞ 2 2 Es = |s (t)| dt = |S (f )| df (C.4) −∞ −∞ Auf der rechten Seite steht ein Ausdruck für die Energie im Frequenzbereich. Dies erlaubt eine 2 Interpretation von |S (f )| als spektrale Energiedichte: Den Integranden 2 |S (f )| df kann man auffassen als den Energieanteil zwischen den Frequenzen f und f + df. 73 ANHANG C. DIE FOURIER-TRANSFORMATION 74 Mathematische Voraussetzungen zur Exisitenz der Fouriertransformation In der Mathematik setzt man für die Exisitenz der Fouriertransformation (C.1) gerne voraus, dass das Signal s (t) absolut integrierbar ist, d.h. man verlangt Z ∞ |s (t)| dt < ∞. −∞ Das ist zwar mathematisch die einfachste Bedingung, aber aus verschiedenen physikalischen Gründen unschön. Physikalisch sinnvoller ist die Forderung endlicher Energie, die dann auch zu einer Symmetrie bezüglich Veraussettzujngen für die Hin- und Rücktransformation führen. Man muss dann allerdings die Fouriertransformation als uneigentliches Integral definieren, und es können an einzelnen Punkten mathematisch merkwürdige Dinge passieren, die uns aber nicht weiter zu stören brauchen. Wir setzen für die Existenz der Fouriertransformation voraus: Z ∞ 2 |s (t)| dt. −∞ Dann gilt automatisch auch für die Spektralfunktion Z ∞ 2 |S (f )| df < ∞. −∞ Funktionen mit dieser Eigenschaft nennt man quadratintegrabel. Der Faltungssatz Satz 6 Faltungssatz FT Der Faltung der Signale im Zeitbereich entspricht eine Multiplikation der Fouriertransformation im Frequenzbereich: Die FT des Signals h(t) ∗ s(t) ist gegeben durch H (f ) · S (f ). In Kurzschreibweise lautet der Satz h (t) ∗ s (t) T→ H (f ) · S (f ) ←F −− (C.5) Der Beweis ist sehr einfach, wenn man die Integrale hinschreibt. Verschiebungssätze Sei τ eine konstante Zeitverzögerung und s (t) T→ S (f ) . ←F −− Dann gilt für das verzögerte Signal s (t − τ ) FT e−j2πf τ · S (f ) . ←−−→ (C.6) Der Beweis ergibt sich sofort durch Einsetzen in die Definition. Eine Verschiebung um eine feste Frequenz f0 der Spektralfunktion lässt auch sich im Zeitbereich darstellen: e+j2πf0 t · s (t) ← F T→ S (f − f0 ) . (C.7) −− ANHANG C. DIE FOURIER-TRANSFORMATION 75 Symmetriesätze Wir schreiben s∗ (t) = (s (t))∗ und S ∗ (f ) = (S (f ))∗ für konjugiert komplexe Größen. Dann gilt s∗ (t) F T→ S ∗ (−f ) , (C.8) ← −− d.h. das komplex konjugierte Zeitsignal entspricht der gespiegelten komplex konjugierten Spektralfunktion. Folgerung 6 Bei einem reellen Zeitsignal s(t) hat die Spektralfunktion die Eigenschaft S (f ) = S ∗ (−f ). Umgekehrt gilt: s∗ (−t) T→ S ∗ (f ) , (C.9) ←F −− d.h. die komplex konjugierte Spektralfunktion entspricht dem gespiegelten komplex konjugierten Zeitsignal. Außerdem gilt s (−t) FT S (−f ) , (C.10) ←−−→ d.h. Spiegeln im Zeitbereich entspricht Spiegeln im Frequenzbereich. Insbersondere gilt: Eine im Zeitbereich symmetrische Funktion ist auch im Frequenzbereich symmetrisch. Folgerung 7 Bei einem reellen und symmetrischen Zeitsignal ist auch die Spektralfunktion reell und symmetrisch. Einige spezielle Fouriertransformationen s(t) δ(t) 1 δ(t − τ ) exp (j2πf0 t) cos (2πf0 t) sin (2πf0 t) exp(−t/T )(t) S(f ) 1 δ(f ) exp (−j2πf τ ) δ(f − f0 ) 1 (δ(f − f0 ) + δ(f + f0 )) 2 1 (δ(f − f0 ) − δ(f + f0 )) 2j 1 1+j2πf T Anhang D Der δ−Impuls und verallgemeinerte Funktionen D.1 Konstruktion des δ-Impulses Der δ−Impuls1 ist eine mathematische Idealisierung, um Stoßvorgänge oder Impulse zu beschreiben. Damit sind Vorgänge oder Signale gemeint, die praktisch in einem “Zeitpunkt” auftreten, das heißt nur während einer so kurzen Zeit vorhanden sind, dass man ihren Verlauf und ihre Dauer praktisch nicht messen kann. Man möchte die Auswirkungen eines solchen Stoßvorgangs beschreiben, ohne dass man sich mit dem genauen Verlauf beschäftigt. Die Überlegung, wie man so etwas sinnvoll idealisiert, führen auf die Konstruktion des δ−Impulses. Zuerst eingeführt wurde er von P.A.M. Dirac2 in der Quantenphysik in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Dirac wusste sicher, dass seine Konstruktruktion mathematisch in sich wiedersprüchlich war, aber er hatte die richtige physikalische Vorstellung dabei und wusste, wie man richtig damit rechnet. Erst um 1950 herum hat der französische Mathematiker Laurent Schwartz (1915-2002) eine in seiner Theorie der Distributionen (verallgemeinerte Funktionen) eine mathematisch saubere Konstruktion geliefert. Wir wollen hier einen physikalisch intuitiven Zugang zu der δ-Funktion finden. Wir stellen uns hierzu einen kurzen Stromstoß i (t) wie in Abbildung D.1 vor. Den genauen Verlauf von i (t) können wir wegen der begrenzten zeitlichen Auflösung unseres Messgerätes nicht messen, wohl aber, dass eine Ladung q0 geflossen ist (mit der z.B. ein Kondensator aufgeladen wurde). Der Strom i (t) ist die zeitliche Ableitung der geflossenen Ladung q (t) i (t) = d q (t) , dt und die geflossene Ladung ist das Integral über den Strom Z t q (t) = i (τ ) dτ. −∞ 1 auch: δ-Funktion, Dirac-Impuls, Dirac-Stoß, Diracsche δ-Funktion o.ä. Adrien Maurice Dirac (1902-1984, Nobelpreis für Physik 1933) war einer der Pioniere der Quantenphysik. Berühmt wurde er durch die Dirac-Gleichung (1928), die ein relativistisches Elektron bzw. Positron beschreibt. Er hat damit als erster die Existenz von Antimaterie vorhergesagt. Dirac hat zunächst Elektrotechnik studiert, fand aber keine Anstellung und studierte dann Mathematik. 2 Paul 76 ANHANG D. DER δ−IMPULS UND VERALLGEMEINERTE FUNKTIONEN 77 i(t) q0 t1 t2 0 t Abbildung D.1: Ein Stromstoß Zu jeder beliebigen Zeit t1 < 0 kurz vor dem Stoß messen wir nichts, d.h. Z t1 i (τ ) dτ = 0, q (t1 ) = −∞ und zu jeder beliebigen Zeit t2 > 0 nach dem Stoß messen wir, dass die Ladung geflossen ist, d.h. Z t2 q (t2 ) = i (τ ) dτ = q0 . −∞ Was genau bei t = 0 passiert ist, wissen wir nicht, und es ist auch nicht wichtig. Wir können uns vorstellen, dass der Strom von der Gestalt i (t) = q0 δ (t) ist, wobei wir eine “Funktion” δ (t) eingeführt haben, die folgende Eigenschaft haben muss: Z t 0 : t<0 . δ (τ ) dτ = 1 : t>0 −∞ Daraus ergibt sich die Eigenschaft δ (t) = 0 (t 6= 0). Was bei t = 0 ist, wissen wir nicht. Man könnte meinen: Wenn dieser Puls δ (t) unendlich schmal ist, aber die Fläche darunter Eins sein soll, muss er unendlich hoch sein. Wir wissen aber, dass “0 · ∞” ein unbestimmter Ausdruck ist und vermeiden es daher lieber, etwas zu definieren, was mathematisch gesehen Unfug darstellt und was es physikalisch auch nicht geben kann (nämlich einen unendlich großen Strom). Die ursprüngliche physikalische Vorstellung ist ja vernünftig, und wir basteln uns jetzt ein Modell, mit dem wir diese merkwürdige Konstruktion ANHANG D. DER δ−IMPULS UND VERALLGEMEINERTE FUNKTIONEN 78 näherungsweise beschreiben können. Hierzu bietet sich die Rechteckfunktion an. Wir definieren dazu einen angenäherten Impuls t 1 δT (t) = rect . T T Für eine hinreichend kleine Pulsbreite T hat dieser Impuls praktisch die gewünschten Eigenschaften: Es gilt Z t 0 : t < T /2 δT (τ ) dτ = , 1 : t > −T /2 −∞ d.h. die Fläche unter dem Puls ist Eins, und für |t| > T /2 ist der Puls Null. Man kann sich eine Folge von Pulsen Rechteckpulsen vorstellen, die immer schamler und höher werden wie in Teils (a) von Abbildung D.2 gezeigt. Man nennt solche Folgen δ-Folgen. Für hinreichend kleines T wird die physikalische Situation von jedem der Repräsentanten δT (t) dieser Folge zutreffend beschrieben. Dass wir eine Folge von Rechteckten gewählt haben, ist willkürlich und bequem. Man könnte ebenso gut mit einer δ−Folge arbeiten, wie sie in Teil (b) der Abbildung gezeigt ist. Die Abbildung legt nahe, den δ−Impuls als Grenzwert einer δ−Folge aufzufassen, d.h. δ (t) = lim δT (t) T →0 (D.1) zu definieren. Im herkömmlichen Sinne existiert dieser Limes aber nicht, wie wir oben diskutiert haben. Trotzdem beschreibt δT (t) für kleine T den physikalischen Sachverhalt richtig. Wir können das Problem lösen, indem wir den Messvorgang mathematisch beschreiben und lineare Detektoren einführen. Dies sind Messgeräte, die wir durch eine Gewichtsfunktion g (t) beschreiben. Trifft ein Signal s (t) auf das Messgerät, so liefert es den Wert Z ∞ Dg {s (t)} = g (t) s (t) dt, (D.2) −∞ siehe Abbildung D.3. In unserem obigen Beispiel mit dem Stromstoß i (t) wird die Ladung durch q0 = Z t2 i (t) dt, (D.3) t1 −∞ gemessen. Dies ist offenbar ein Spezialfall für einen Detektor. Wenn man nun einen Puls einer δ-Folge detektiert, so gilt Z ∞ g (t) δT (t) dt ≈ g (0) −∞ für hinreichend kleines T . Man zeigt (auch formal) leicht Z ∞ lim g (t) δT (t) dt = g (0) . T →0 (D.4) −∞ Der δ-Impuls ist als der Grenzfall aufzufassen und hat die Eigenschaft Z ∞ g (t) δ (t) dt = g (0) . (D.5) −∞ Dies ist nur eine formale Schreibweise für Gleichung (D.4). Wenn man sich dies immer wieder klar macht, kann man mit der δ-Funktion richtig rechen. ANHANG D. DER δ−IMPULS UND VERALLGEMEINERTE FUNKTIONEN 79 Wie schon erwähnt, brauchen δ-Folgen keine Rechtecke zu sein. Wir können δ-Folgen aus irgendwelchen Signale (Impulsen) als t 1 δT (t) = φ T T konstruieren, wobei die folgenden Eigenschaften gegeben sein müssen: 1. 1 T 2. ∞ t φ dt = 1 T −∞ Z 1 lim φ T →0 T t = 0 (t 6= 0) T Die Repräsentanten einer δ-Folge brauchen also gar nicht außerhalb eines Intervalles zu verschwinden, sie müssen nur immer kleiner werden. Neben der oben beschriebenen Rechteckfolge werden z.B. diese δ-Folgen oft verwendet: 1 t δT (t) = si π (D.6) T T 1 1 (D.7) δT (t) = √ exp − 2 t2 2T 2π T Dimension des δ-Impulses Wegen der Eigenschaft Z ∞ δ (t) dt = 1 −∞ ist die Dimension des δ-Impulses 1/Zeit. Hilfreich ist es, sich dies am Beispiel mit dem Stromstoß zu überlegen: Strom ist Ladungfluss pro Zeit. D.2 Die Theorie verallgemeinerter Funktionen Der Vollständigkeit halber soll hier der Begriff der verallgemeinerten Funktion mathematisch präzisiert werden. Dieser Abschnitt richtet sich nur an den, der es genauer wissen will. (der Rest kommt später) D.3 Die Ableitung der Sprungfunktion Um die Ableitung des Einheitssprungs zu berechnen, approximieren wir ihn durch eine stetige Funktion T (t) wie in Teil (a) von Abbildung D.4 gezeigt. Es gilt offenbar lim T (t) = (t) . T →0 ANHANG D. DER δ−IMPULS UND VERALLGEMEINERTE FUNKTIONEN 80 Die Ableitung dieser Funktion ist in Teil (b) gezeigt. Offenbar handelt es sich dabei um eine δ-Folge, d.h. lim δT (t) = δ (t) . T →0 Es gilt d T (t) = δT (t) . dt Wir führen den Grenzwert T → 0 durch und erhalten d (t) = δ (t) . dt Derartige Grenzwertbetrachtung sind mit unserem intuitiven Zugang zu der mathematischen Idealisierung verträglich. Sie lassen sich im Rahmen der Theorie verallgemeinerter Funktionen sauber begründen. D.4 Die Fouriertransformation der δ-Funktion Die Fouriertransformation des δ-Pulses ergibt sich formal ganz einfach aus der Ausblendeigenschaft (D.5). Die Fouriertransformierte Z ∞ e−j2πf t δ (t) dt = 1 −∞ ist einfach die Eins. Allerdings ist δ (t) nicht quadratintegrabel und seine Fouriertransformierte natürlich auch nicht. Man bekommt deshalb Schwierigkeiten mit der Fourier-Rücktranformation. Formal lautet sie Z ∞ −∞ ej2πf t · 1 df = δ (t) . Nach allem, was wir bisher über Integralrechnung gelernt haben exisistiert dieses Integral nicht. Im Sinne verallgemeinerter Funktionen kann man sich aber wieder mit einer Grenzwertbetrachtung helfen. Wir schreiben f 1 = lim rect B→∞ B und berechnen die Rücktransformation dieses Signals endlicher Bandbreite: Z ∞ f ej2πf t · rect df = B si (πtB) . B −∞ Wegen Gleichung (D.6) folgt lim B→∞ Z Für einen verschobenen Puls gilt Z ∞ ∞ e −∞ −∞ j2πf t · rect f B df = δ (t) . e−j2πf t δ (t − t0 ) dt = e−j2πf t0 ANHANG D. DER δ−IMPULS UND VERALLGEMEINERTE FUNKTIONEN D.5 81 Spektrallinien Die δ-Funktion hat nicht nur als Puls im Zeitbereich eine wichtige Bedeutung, sondern auch als Spektralfunktion im Frequenzbereich. Vertauscht man Zeit und Frequenz, so erhält man nach dem eben Gesagten 1 ←F T→ δ (f ) . −− Mit dem Verschiebungssatz erhält man e+j2πf0 t FT δ (f − f0 ) . ←−−→ Eine harmonische Schwingung der Frequenz f0 entspricht einer δ-Funktion bei f0 , die wir als Spektrallinie auffassen. Für eine periodische Funktion mit Periode T bekommen wir wegen der Darstellung durch die Fourierreihe ein diskretes Spektrum ∞ X k=−∞ ck e+j2πkt/T F T→ ← −− ∞ X k=−∞ ck δ (f − k/T ) aus unendlich vielen, äquidistanten Spektrallinien an den Frequenzen fk = k/T, Abbildung D.5 . k ∈ Z, siehe ANHANG D. DER δ−IMPULS UND VERALLGEMEINERTE FUNKTIONEN (a) 82 δT (t) 1 T −T /2 0 (b) t T /2 δT (t) t 0 Abbildung D.2: Deltafolgen s(t) - Dg Abbildung D.3: Linearer Detektor Dg {s(t)} - ANHANG D. DER δ−IMPULS UND VERALLGEMEINERTE FUNKTIONEN (a) T (t) 1 −T /2 83 0 T /2 t (b) 1 T δT (t) −T /2 0 T /2 t Abbildung D.4: Die Ableitung des Einheitssprungs. 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 6 −f3 −f2 −f1 0 f1 f2 f3 f4 Abbildung D.5: Diskretes Spektrum aus Spektrallinien. ··· - f Anhang E Komplexe Zahlen Die Vorlesung setzt Sicherheit im Umgang mit komplexen Zahlen voraus. Dieser Anhang dient der Wiederholung und Vertiefung und zum Nachschlagen. Letzteres sollte aber nur äußerst selten vorkommen, weil man das auswendig wissen muss. E.1 Schreibweise und Addition komplexer Zahlen Wir wollen die komplexen Zahlen C geometrisch als Zeiger einführen. Diese Zeiger sind zunächst einmal nichts anderes als zweidimensionale Vektoren, die wir nur etwas anders schreiben: Statt eines Spaltenvektors x z = ~z = ∈ R2 (E.1) y mit einem Pfeil über dem Symbol schreiben wir einen Zeilenvektor z = (x, y) ∈ C (E.2) mit einem Strich unter dem Symbol. Man nennt x den Realteil von z und schreibt x = < {z} = Re {z} (E.3) y = = {z} = Im {z} (E.4) und entsprechend für den Imaginärteil y. Komplexe Zeiger addieren wir genau wie Vektoren komponentenweise (x1 , y1 ) + (x2 , y2 ) = (x1 + x2 , y1 + y2 ) , (E.5) und wir multiplizieren mit einer reellen Zahl a (einem Skalar ), indem wir die beiden Komponenten damit multiplizieren: a (x, y) = (ax, ay) (E.6) Merke: Komplexe Zeiger haben bezüglich der Addition ganz genau die selben Eigenschaften wie Vektoren in der Ebene R2 . Bevor wir nun für die komplexen Zahlen die Multiplikation als zusätzliche Operation definieren, wollen wir zur Vorbereitung eine Schreibweise einführen, die beim Rechnen mit komplexen Zahlen gebräuchlich ist: 84 85 ANHANG E. KOMPLEXE ZAHLEN z = (x, y) = x + jy y |z| (0, 1) = j ϕ (1, 0) = 1 x Abbildung E.1: Zeigerdarstellung eines Signals. Die x-Achse ist ja nichts anderes als der Zahlenstrahl der reellen Achse: Rein eindimensionale Vektoren sind einfach nur Zahlen, und wir schreiben x statt (x, 0) und 1 statt (1, 0). In diesem Sinne fassen wir die reellen Zahlen als eine Teilmenge der komplexen auf, d.h. R2 ⊂ C. Für die y-Achse führen wir die Bezeichnung j für den Basisvektor (0, 1) ein und schreiben jy für einen Vektor (0, y), der in Richtung der y-Achse zeigt. Man nennt j die Imaginäre Einheit 1 . Einen komplexen Zeiger z = (x, y) = x (1, 0) + y (0, 1) (E.7) kann man dann also schreiben als z = x · 1 + y · j = x + jy. (E.8) Dies nennt man die kartesische Darstellung der komplexen Zahl. Abbildung E.1 zeigt einen Zeiger und die beiden Basisvektoren 1 und j. Zeiger haben wie Vektoren Längen und Richtungen. Wir übernehmen aus der Vektorrechnung die Definition des Betrages. Ein komplexer Zeiger z = x + jy hat den Betrag |z| = p x2 + y 2 . Nach dem Satz des Pythagoras ist der Betrag gerade die Länge des Zeigers. Den Winkel ϕ mit 0 ≤ ϕ < 2π zwischen dem komplexen Zeiger z und der x-Achse bezeichnet man als den Phasenwinkel. Offenbar gilt x = |z| cos (ϕ) 1 Den Buchstaben j verwenden nur die Elektrotechniker, weil das sonst übliche i für den Strom gebraucht wird. 86 ANHANG E. KOMPLEXE ZAHLEN und y = |z| sin (ϕ) , siehe Abbildung E.1. Deshalb kann man eine komplexe Zahl auch schreiben als z = |z| (cos (ϕ) + j sin (ϕ)) (E.9) Man nennt dies die Polardarstellung der komplexen Zahl. Der Phasenwinkel ergibt sich aus zu y |z| sin (ϕ) = = tan (ϕ) x |z| cos (ϕ) y (E.10) ϕ = arctan . x Dies ist aber nur für die Quadranten I und IV richtig, da die Funktion tan (ϕ) nur für den Winkelbereich −π/2 < ϕ < π/2 eine eindeutige Umkehrfunktion besitzt. Für andere Winkel muss man etwas nachdenken.. E.2 Multiplikation von komplexen Zahlen Anstatt die Multiplikation von komplexen Zahlen formal einzuführen, bevorzugen wir einen geometrischen Zugang. Das Produkt zweier komplexer Zahlen soll wieder eine komplexe Zahl sein. Für die reellen Zahlen soll sich das bekannte Produkt ergeben. Das führt auf die Forderung 1: Bei der Multiplikation zweier komplexer Zahlen multiplizieren sich die Beträge. D.h. für z 1 , z 2 ∈ C gilt |z 1 · z 2 | = |z 1 | · |z 1 | . (E.11) Jetzt müssen wir erklären, was mit den Phasenwinkeln bei der Multiplikation passiert. Die geniale Konstruktion erhält man mit der Forderung 2: Bei der Multiplikation zweier komplexer Zahlen addieren sich die Phasenwinkel. D.h. für z 1 , z 2 ∈ C mit Phasenwinkeln ϕ1 , ϕ2 hat das Produkt z = z 1 · z 2 den Phasenwinkel ϕ = (ϕ1 + ϕ2 ) mod (2π) . (E.12) Das Resultat ist modulo 2π zu nehmen, um im Definitionsbereich [0, 2π) für Winkel zu bleiben. Multiplikation mit einem Zeiger kann man sich also als eine Drehstreckung vorstellen: Man dreht um den Winkel des Zeigers und streckt um den Betrag, siehe Abbildung E.2 für zwei Zeiger mit gleichem Betrag. Von einer Multiplikation erwartet man gewisse Eigenschaft: Sie muss assoziativ, kommutativ und distributiv sein. Man kann sich durch geometrische Überlegungen davon überzeugen, dass diese Eigenschaften erfüllt sind. Auf formale Beweise verzichten wir. Es muss eine Eins bezüglich der Multplikation geben, d.h. eine Zahl, mit deren Multiplikation sich der Wert der nicht ändert. Offenbar ist das Element 1 = (1, 0) 87 ANHANG E. KOMPLEXE ZAHLEN z = z1 · z2 ϕ = ϕ1 + ϕ2 ϕ2 ϕ1 Abbildung E.2: Multiplikation von Zeigern. die gesuchte Eins. Außerdem muss man dividieren können. D.h. es muss für alle komplexen Zahlen z ∈ C, z 6= 0 einen Kehrwert (ein multiplikatives Inverses) z −1 geben, so dass z −1 · z = 1 gilt. Das Inverse von |z| findet man leicht: Es hat den Betrag |z|−1 und den Phasenwinkel −ϕ. Man kann daher schreiben −1 z −1 = |z| (cos (ϕ) − j sin (ϕ)) (E.13) Jetzt können wir anfangen zu multiplizieren. Zuerst wollen wir j · j = j 2 berechnen. Weil j den Betrag 1 und den Phasenwinkel π/2 , hat j 2 den selben Betrag 1 und den Phasenwinkel π. Also gilt j 2 = −1. (E.14) Man kann also die Imaginäre Einheit schreiben als √ j = −1, (E.15) was zunächst etwas gewöhnungsbedürftig ist. Seien nun z 1 = x1 + jy1 und z 2 = x2 + jy2 zwei komplexe Zahlen. Wir berechen das Produkt: z 1 · z 2 = (x1 + jy1 ) · (x2 + jy2 ) = x1 x2 + j 2 y1 y2 + j (x1 y2 + y2 x1 ) Hier haben wir das Distributivgesetz benutzt und ausmultipliziert. Mit j 2 = −1 erhalten wir z 1 · z 2 = x1 x2 − y1 y2 + j (x1 y2 + y1 x2 ) (E.16) 88 ANHANG E. KOMPLEXE ZAHLEN z x 2x z∗ Abbildung E.3: Komplex konjugierte Zahl und der Realteil. E.3 Einige algebraische Rechenmethoden Für eine Zahl nennt man z = x + jy ∈ C z ∗ = x − jy ∈ C die konjugiert komplexe Zahl oder auch das komplex Konjugierte von z. Die Operation “komplex konjuguieren” bedeutet einfach nur Spiegeln an der x-Achse. Offenbar gilt 1 (E.17) (z + z ∗ ) , 2 was man sich auch geometrisch durch Vektoraddition am Zeigerdiagramm E.3 sehr leicht klar macht. Ebenso leicht sieht man den Zusammenhang < {z} = 1 (z − z ∗ ) . (E.18) 2j Für das Betragsquadrat erhält man folgende nützliche Formel, die die Rechnungen manchmal vereinfacht 2 |z| = z · z ∗ . (E.19) = {z} = Um einen Quotienten von komplexen Zahlen in der kartesichen Darstellung zu schreiben, erweitert man mit dem konjugiert komplexen Nenner (damit der Nenner reell wird) z1 z · z∗ z z∗ = 1 · 2∗ = 1 2 2 z2 z2 z2 |z| (E.20) und muss dann den Zähler nur noch ausmultiplizieren. E.4 Zusammenhang mit der Exponentialfunktion Wir haben die Multiplikation anschaulich über die Polardarstellung z = |z| (cos (ϕ) + j sin (ϕ)) (E.21) 89 ANHANG E. KOMPLEXE ZAHLEN der komplexen Zahl mit Betrag und Phasenwinkel erklärt, aber bisher mit der kartesischen Darstellung gerechnet. Nach unserer geometrischen Vorstellung muss Folgendes gelten: Das Produkt der beiden komplexen Zahlen z 1 = |z 1 | (cos (ϕ1 ) + j sin (ϕ1 )) (E.22) z 2 = |z 2 | (cos (ϕ2 ) + j sin (ϕ2 )) (E.23) z 1 · z 2 = |z 1 | |z 2 | (cos (ϕ1 + ϕ2 ) + j sin (ϕ1 + ϕ2 )) (E.24) und muss die Polardarstellung besitzen. Wenn man ausmultipliziert und die Additionstheoreme verwendet, kommt das tatsächlich heraus. Viel übersichtlicher wird es durch folgende Definition exp (jϕ) = cos (ϕ) + j sin (ϕ) (E.25) exp (jϕ1 ) · exp (jϕ2 ) = exp (j (ϕ1 + ϕ2 )) . (E.26) Es gilt dann Für das Produkt der komplexen Zahlen z 1 = |z 1 | exp (jϕ1 ) (E.27) z 2 = |z 2 | exp (jϕ2 ) (E.28) und erhält man dann in der Polardarstellung z 1 · z 2 = |z 1 | |z 2 | exp (j (ϕ1 + ϕ2 )) (E.29) Anmerkung Die so definierte Funktion exp (jϕ) ist tatsächlich die komplexe Erweiterung der bekannten e-Funktion, wie man aus den Rechenregeln vermuten sollte. Man schreibt auch exp (jϕ) = ejϕ (E.30) Wir wollen hier aber nicht tiefer in diese Zusammenhänge eindringen. Wichtig sind außerdem folgende Darstellungen der Winkelfunktionen cos (ϕ) = und sin (ϕ) = E.5 1 jϕ e + e−jϕ 2 1 jϕ e − e−jϕ 2j (E.31) (E.32) Wurzeln Sei c ∈ C eine gegebene Zahl. Wir suchen nach Lösungen der Gleichung zn = c und nennen diese n-te Wurzeln aus c. Mit der Polardarstellung c = r ejϕ (E.33) 90 ANHANG E. KOMPLEXE ZAHLEN sieht man sofort, dass z0 = √ n r ejϕ/n (E.34) eine Wurzel ist. D.h. man erhält die “Hauptwurzel” einer komplexen Zahl, in dem man die reelle Wurzel aus dem Betrag bildet und dann den Phasenwinkel durch n teilt. Alle weiteren Wurzeln erhält man als z k = z 0 · ej2πk/n , k = 0, 1, ..., n − 1. Es gibt genau n Wurzeln. Literaturverzeichnis [1] M. Werner, Signale und Systeme. Vieweg, 2005 (zweite Aufl.). [2] H. Lüke, Signalübertragung. Springer, 1985. [3] A. Oppenheim, R. Schafer, and J. Buck, Zeitdiskrete Signalverarbeitung. Pearson, 2004. 91