ZAHN- MUND- UND KIEFERHEILKUNDE Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde Direktor: Prof. Dr. Werner Geurtsen Tel.: 0511 / 532-4816 • E-Mail: [email protected] • www.mh-hannover.de/269.html Forschungsprofil Die Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde ist Teil des Zentrums für Zahn-, Mundund Kieferheilkunde. Klinische und wissenschaftliche Schwerpunkte sind die Kinderzahnheilkunde und Prophylaxe, die konservierende Zahnheilkunde (Zahnhartsubstanzlehre einschließlich Kariologie und konservierend-restaurative Zahnheilkunde) die Endodontie, die Parodontologie und (Peri-)Implantologie sowie zellbiologische Untersuchungen zur Biokompatibilität von zahnärztlichen Füllungsmaterialien und die Stammzellforschung. Die Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde verfügt neben einem Zellkultur- und Molekularbiologielabor über ein Histologielabor sowie ein Rasterelektronenmikroskop als etablierte wissenschaftliche Forschungseinrichtung. In der Forschungsevaluation an niedersächsischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen 2004 wurde die von der Abteilung betriebene Forschung als erstklassig bezeichnet. Forschungsprojekte Vergleichende Analyse des osteo/odontogenetischen Differenzierungspotenzials humaner Stammzellen aus der dentalen Pulpa und der dentalen apikalen Papille in vitro Mesenchymale Stammzellen sind eine wichtige Quelle für Vorläuferzellen im Hinblick auf „Tissue Engeneering“ und Regeneration von Geweben. Ihre Kapazität, sich in viele Linien verschiedenster Körperzellen zu differenzieren, eröffnet ein weites Feld für solche Zellen in der Zukunft, u.a. auch deren Verwendung für die regenerative Zelltherapie in der Zahnheilkunde. Dies setzt allerdings eine genaue Kenntnis und Anwendung derjenigen Stimuli voraus, welche die Zellen in die gewünschte Richtung differenzieren lassen. Bisher ist es gelungen, Stammzellen aus verschiedenen (auch adulten) Geweben dentalen Ursprungs, wie z.B. der Pulpa, dem parodontalen Ligament oder aus extrahierten Milchzähnen zu isolieren. In dem vorliegenden Projekt wurden Stammzellen aus der dentalen apikalen Papille (SCAP) oder aus der Pulpa (DPSCs) permanenter Zähne isoliert mit dem Ziel, das Differenzierungsvermögen dieser humanen mesenchymalen Stammzellen näher zu charakterisieren. Methoden: Die Zellkulturen (DPSCs und SCAP) wurden von Weisheitszähnen (ohne abgeschlossenes Wurzelwachstum) junger, gesunder Spender etabliert, deren Einverständniserklärung schriflich eingeholt wurde [s. Abb. 1a-c]. Die Zellkulturen wurden zunächst angezüchtet [s. Abb. 1d-g und Wachstumskurven] und dann mit Differenzierungsmedien induziert, die Dexamethasone, KH2PO4 und β-Glycerophosphat enthielten. Die anschließende Analyse mit verschiedenen Stammzellenmarkern wie STRO-1, CD146, CD34 und CD45 wurde per Durchflußzytometrie (FACS) durchgeführt. Weiterhin wurden die induzierten Zellkulturen auf deren Zellmorphologie, Wachstumseigenschaften und auf mineralisierende Eigenschaften untersucht. Dabei wurde das Mineralisierungspotential durch Bestimmung der alkalischen Phosphatase und der Bildung von Kalziumphosphat-haltigen Noduli mittels Alizarin Red-Färbung untersucht, wobei letztere Methode auch eine quantitative Auswertung erlaubt. Am Tag 0, 9 und 15 nach Beginn der Stimulierung mit Differenzierungsmedium wurde zusätzlich die Expression typischer Marker für osteogene/odontogene Differenzierung (Dentin SialoForschungsbericht 2010 399 ZAHN- MUND- UND KIEFERHEILKUNDE Abb. 1: (a, b, c): Weisheitszähne junger, gesunder Spender im Stadium ihrer Wurzelentwicklung wurden zur Etablierung der SCAP und DPSCs Zellkulturen verwendet. (d, f) SCAP Zellkulturen 3 und 7 Tage nach ihrer enzymatischen Dissoziation und Aussaat. (e, g) DPSCs Kulturen nach 7 und 14 Tagen (Scale Bar 25μm). Die Wachstumskurven beider Zellarten zeigen ein etwas schnelleres Wachstum der SCAP-Zellkulturen. phosphoprotein-DSPP, Bone Sialoprotein-BSP, Osteocalcin-OCN, Alkalische Phosphatase-ALP) durch RT-PCR ausgewertet. Ergebnisse: Die FACS-Analysen der DPSCs und SCAP Zellkulturen waren für die Marker STRO-1, CD146 und CD34 positiv, wobei deren prozentualer Anteil von der Stammzellart und dem jeweiligen Spender abhängig waren. Im Gegensatz dazu waren alle Stammzellkulturen negativ für den hämatopoetischen Marker CD45 (s. Abb. 2). Abb. 2: Single-Parameter-Histogramme zeigen (je ein repräsentatives Experiment) die Expression der Oberflächenmarker der mesenchymalen Stammzellen STRO-1, CD146, CD34 und CD45 in DPSCs und SCAP Kulturen. (Rote Linie: Isotypkontrolle, Grüne Linie: Marker von Interesse) 400 Forschungsbericht 2010 ZAHN- MUND- UND KIEFERHEILKUNDE Abb. 3: (a, b, c) Repräsentative Darstellung von SCAP (a, b) und DPSCs (c) mittels Phasenkontrastmikroskopie eine Woche nach Beginn der Induktion der Differenzierung. In den adhärenten Monolayern der Zellen konnten die Migration, Bildung von Aggregaten mit hoher Dichte (a) längliche 3D-Strukturen (b) oder Kolonie-Cluster (c) beobachtet werden, die auch in den Zellkulturschalen makroskopisch zu erkennen waren. Abb. 3a-c zeigen die Randbereiche der Kulturplatten. D-f zeigt die AR-S-Färbung im zentralen Teil von SCAP Kulturen 1 (d), 2 (e) und 3 (f) Wochen nach Induktion der Differenzierung. Die Mineralisierung scheint innerhalb der organisierten Strukturen eingeleitet zu werden (d), als auch in zufällig verteilten mineralisierten Knötchen auf der ganzen Kulturschale. 3 Wochen nach Induktion reifen mineralisierte Gewebe (braun) (f), welche den gesamten Monolayer bedecken. In den DPSC Kulturen 1 (g), 2 (h) und 3 (i) Wochen nach Induktion begann die Mineralisierung in den Zentren der zellulären Aggregate (g) und nahm schrittweise während der nächsten zwei Wochen (h, i) zu. In den nicht induzierten Kontrollen von SCAP (j, k) und DPSC (l) Kulturen konnten zwar auch organisierte Strukturen beobachtet werden, aber die Mineralisierung war nach 3 Wochen sehr gering und auf ein paar spontane Knötchen (Maßstab 25 um) beschränkt. AR-S Quantifizierung zur Auswertung des gebildeten mineralisierten Gewebes in DPSCs und SCAP Kulturen, welche zur Differenzierung mit Osteo / odontogenen Medium für eine Gesamtdauer von 21 Tagen induziert wurden. Die Daten sind Mittelwerte der gemessenen OD /μg Gesamt-Protein ± SD (n = 6). Der Stern zeigt die statistisch signifikanten Unterschiede an Mineralisierung der SCAP im Vergleich zu den DPSC Zellkulturen nach 7, 14, und 21 Tagen (p < 0,05). Beide Stammzelltypen (DPSCs und SCAP) hatten ein sehr aktives Migrations-, Organisations- und Mineralisierungspotenzial und waren in der Lage mineralisierte 3D-Strukturen zu produzieren, die sowohl qualitativ mikroskopisch als auch quantitativ durch die Farbreaktion mit Alizarin S nachgewiesen werden konnten [s. Abb. 3]. Die Auswertung der RT- PCR zeigte, dass die relevanten Differenzierungsmarker BSP, DSPP, und OC von den Zellen progressiv exprimiert wurden und innerhalb der mineralisierten Strukturen nachweisbar waren [s. Abb. 4]. Diskussion und Fazit: Diese Daten bestätigen unsere Arbeitshypothese, dass die entsprechenden mineralisierten Strukturen Eigenschaften von reparativem Dentin bzw. Osteodentin besitzen. Ferner haben die SCAP Zellen ein signifikant höheres Proliferationsvermögen und Mineralisierungspotenzial im Vergleich zu den DPSCs. Diese Ergebnisse sind für das „zahnmedizinische Tissue Engineering“ von grosser Bedeutung, beispielsweise zur Regeneration von Zähnen und Knochen. Das vorliegende Forschungsprojekt zeigt, dass verschiedene orale Stammzellentypen das Potenzial für die Züchtung unterschiedlicher Zahnhart und -weichgewebe besitzen und deswegen bereits mittelfristig am Menschen angewendet werden können. Um jedoch die Wunschvorstellung einer möglichen Züchtung ganzer Zähne als natürlichen autologen Ersatz fehlender Zähne in die Realität umzusetzen, besteht noch ein erheblicher Forschungsbedarf. Forschungsbericht 2010 401 ZAHN- MUND- UND KIEFERHEILKUNDE Abb. 4: zeigt repräsentative Agarosegele mit RT-PCR-Produkten von DPSCs und SCAP Zellkulturen an den Tagen 0, 9 und 15 nach Induktion der Differenzierung. In beiden Kulturen zeigt die Basline-Expression dieser Gene (Tag 0) eine zeitabhängige Erhöhung mit verlängerter Inkubation unter differenzierenden Kulturbedingungen bis hin zum Tag 15. [BSP, Bonesialoprotein (Produkt: 322bp), OC, Osteocalcin (Produkt: 137bp), DSPP, Dentin sialophosphoprotein (Produkt: 422bp), GAPDH, Glycerinaldehyd-3-PhosphatDehydrogenase (Housekeeping Kontrolle) (Produkt: 226bp)] Projektleitung: Leyhausen, G., Volk, J., Geurtsen, W., Bakopoulou, A.; Förderung: BMBF/MHH Weitere Forschungsprojekte Verbundprojekt: Marine Naturstoffe II: Biomimetische medizinische und zahnmedizinische Materialien mit nanoskaliger Struktur Projektleitung: Geurtsen, W. (Prof. Dr. med. dent.); Kooperationspartner: Müller, WEG (Prof. Dr. med.), Schröder (Prof. Dr. med.), Tremel (Prof. Dr. med.); Förderung: BMBF/ MHH Zahnärztliche Gesundheitsfrühförderung und Langzeitprävention - Kariesprävalenz bei Mutter und Kind -V. Phase Projektleitung: Günay, H. (Prof. Dr. med. dent.), Meyer, K.(Dr. med. dent.), Khorshidi-Böhm, M. Partnerbehandlung im Rahmen der systematischen Parodontaltherapie Projektleitung: Günay, H. (Prof. Dr. med. dent.), Weinspach, K. (ZA), Nicksch, S. (Dr.med.dent.), Staufenbiel, I. (Dr. med.dent.), Lindau, G.; Arabi, A. Optische Differenzierung (von Zahnhartsubstanz und Komposit) verschiedener Substanzen bzw. Strukturen - eine in-vitro-Studie Projektleitung: Günay, H.(Prof. Dr. med. dent.), Jacker-Guhr, S. (Dr.med.dent.), Roßnagel, A-M.(ZÄ); Kooperationspartner: Laserinstitut Zahnärztliche Gesundheitsfrühförderung für Mütter und Kinder aus sozial benachteiligten Familien - ein Begleitprojekt von „Pro Kind-Niedersachsen/Bremen Projektleitung: Günay, H. (Prof. Dr. med. dent.), Herrmann, P. (ZÄ), Meyer, K. (Dr. med. dent.), Jürgens, I, Dawidowicz, M. PAR-Zustand und Aufklärung von Diabetikern - Erhebung während eines deutschlandweiten Projektes Projektleitung: Günay, H. (Prof. Dr. med. dent.), Papaefthimiou, E., Weinspach, K.(ZA), Staufenbiel, I. (Dr. med. dent.), Nicksch, S.(Dr. med. dent.) 402 Forschungsbericht 2010 ZAHN- MUND- UND KIEFERHEILKUNDE Intraoraler hBD-2 und LL-37-Spiegel bei ALL unter HD-MTX Projektleitung: Schilke, R. (Dr. med. dent.); Kooperationspartner: Grigull (PD Dr. med. dent.), Bals (Prof. Dr.), Peters, Wuttke Wissenstand zu kariesdeterminierenden Parametern bei Kinder- und Zahnärzten Projektleitung: Schilke, R. (Dr. med. dent.) pH-Wertveränderungen von Nährlösungen mit unterschiedlichem Substratangebot durch probiotische und kariogene Laktobazillen Projektleitung: Schilke, R. (Dr. med. dent.); Förderung: DGZ Klinische Studie von Venus XY in Klasse II-Kavitäten - eine Multicenterstudie Projektleitung: Geurtsen, W. (Prof. Dr. med. dent.), Lührs, A.-K. (OÄ Dr. med. dent.); Förderung: Heraeus Kulzer GmbH Chronische pulpale Neurotoxizität zahnärztlicher Füllungsmaterialien in vivo Projektleitung: Volk, J. (Dr. rer. nat.), Lührs, A.-K. (Dr. med. dent.); Förderung: DGZMK Molecular interactions of dental resins with human oral and intestinal cells Projektleitung: Volk, J. (Dr. rer. nat.), Geurtsen, W. (Prof. Dr. med. dent.); Förderung: DFG Fallbezogene interdisziplinäre Curriculumsentwicklung für die klinische Ausbildung in der Zahnmedizin Projektleitung: Rahman, A. (Dr. med. dent.); Förderung: DGZMK Originalpublikationen Dimitrouli M, Günay H, Geurtsen W, Lührs AK. Push-out strength of fiber posts depending on the type of root canal filling and resin cement. Clin Oral Investig 2011;15(2):273-281 Microvascular response to the subperiosteal implantation of self-inflating hydrogel expanders. Int J Oral Maxillofac Implants 2010;25(5):979-984 Günay H, Meyer K. Interdisziplinäre Gesundheitsfrühförderung Ein Frühpräventionskonzept für die Verbesserung der Zahn- und Mundgesundheit von Mutter und Kind. Prävention und Gesundheitsförderung 2010;5(4):326-339 Abstracts Heuer W, Winkel A, Kohorst P, Lutzke A, Pfaffenroth C, Menzel H, Bach FW, Volk J, Leyhausen G, Stiesch M. Assessment of the Cytocompatibility of Poly-(N-hexylvinylpyridinium) Used as an Antibacterial Implant Coating. Advanced Engineering Materials 2010;12(11):B609-B617 Manolova-Doytchinov, Ekaterina: Retention verschiedener konfektionierter Wurzelstifte in Abhängigkeit vom Befestigungszement und der Beschaffenheit der Stiftoberfläche. Lührs AK, Görmann B, Jacker-Guhr S, Geurtsen W. Repairability of dental siloranes in vitro. Dent Mater 2011;27(2):144-149 Nicksch, Sonja: Effizienz einer interdisziplinären Veranstaltung für Schwangere zur Zahn- und Mundgesundheit. Nicksch S, Meyer K, Rahman A, Hillemanns P, Günay H. Effizienz einer interdisziplinären Veranstaltung für Schwangere zur Zahn- und Mundgesundheit. Dt Zahnaerztl Z 2010;65(10):562-570 Schaefer W, Rahman A, Bauss O. Pulpavitalität nach kieferorthopädischer Extrusion traumatisierter Oberkieferschneidezähne. DZZ 2010;65(5):254-258 Spanier T, Rahman A, Günay H. Kenntnisstand von Müttern 3-jähriger Kinder über die zahnärztliche Gesundheitsfrühförderung. DZZ 2010;65(10):571-576 von See C, Gellrich NC, Bormann KH, Rahmann A, Rücker M. Forschungsbericht 2010 2010 wurden 26 Abstracts publiziert. Promotionen Reichel, Alexandra: Die Prothetische Bedeutung endodontisch behandelter Zähne in der zahnärztlichen Praxis. Wissenschaftspreise Schilke, Reinhard (Dr. med. dent.): Hypomineralisation on deciduous and permanent teeth (Vortragspreis der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde). Schilke, Reinhard (Dr. med. dent.): Kenntnisstand von Zahn- und Kinderärzten zu oralen Auswirkungen von Kindesvernachlässigung und -misshandlung (Posterpreis der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin). Volk, Joachim (Dr. rer. nat.): Einfluss von TEGDMA und BisEMA auf den Metabolismus von Parodontal-Ligamentzellen (Poster- 403 ZAHN- MUND- UND KIEFERHEILKUNDE preis auf der 24. DGZ-Jahrestagung im Rahmen des Deutschen Zahnärztetages). Weitere Tätigkeiten in der Forschung Günay, Hüsamettin (Prof. Dr. med. dent.): Zahnärztliche Gesundheitsfrühförderung für Mütter und Kinder aus sozial benachteiligten Familien: ein Begleitprojekt von „Pro Kind-Niedersachsen / Bremen / Sachsen (In Kooperation mit der Stiftung Pro Kind, Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen; Verankerung des Konzepts der „zahnärztlichen Gesundheitsfrühförderung“ im Mutterpass und Kinderuntersuchungsheft; Implementierung einer optischen Methode zur klinischen Differenzierung von Zahnhartsubstanz und zahnfarbenen Füllungsmaterialien (In Kooperation mit Hannoversches Zentrum für Optische Technologien (HOT) - eine Forschungsinitiative der Leibniz Universität Hannover und des Laser Zentrums Hannover). Geurtsen, Werner (Prof. Dr. med. dent.): Hauptschriftleiter „Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift“; Gründungs-Mitschriftleiter der Zeitschrift „Clinical Oral Investigations“; Editorial Board Mitglied `Clinical Oral Investigations`; Editorial Board Mitglied `Journal of Dental Research`. 404 Forschungsbericht 2010