2.3 Basis und Dimension - Mathematik, TU Dortmund

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Lineare Algebra I – WS 2015/16
2.3
c Rudolf Scharlau
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Basis und Dimension
In diesem zentralen Abschnitt werden einige für die gesamte Lineare
Algebra fundamentale Grundbegriffe eingeführt: Lineare Abhängigkeit
und Unabhängigkeit von Vektoren (genauer: von Vektorsystemen oder
Teilmengen eines Vektorraumes), Erzeugendensysteme (siehe hierzu bereits Definition 2.1.7) sowie darauf aufbauend die Begriffe Basis“ und
”
Dimension“ eines Vektorraumes. Wir legen hier großen Wert auf ei”
ne besonders ausführliche Darstellung: Auch kleinere Resultate, die sich
noch in unmittelbarer Nähe der Grundbegriffe befinden, werden explizit
formuliert (und meist vollständig bewiesen).
Die Hauptresultate werden in drei Sätzen zusammengefasst: Dieses
sind der Existenzsatz für Basen, der Basisergänzungssatz sowie der Austauschsatz. Letzterer dient der Grundlegung des Dimensionsbegriffes,
denn er besagt, dass je zwei Basen eines Vektorraumes aus der gleichen
Anzahl von Vektoren bestehen. Im Prinzip einfache, aber wichtige, weil
später häufig benutzte, Folgerungen dieser Hauptresultate werden wiederum besonders ausführlich dargestellt. Unsere gesamte Darstellung ist
wie üblich auf den Fall von endlich erzeugten (endlich-dimensionalen)
Vektorräumen zugeschnitten.
Ein Vektorsystem der Länge m in einem K-Vektorraum V besteht aus
m nicht notwendig verschiedenen Vektoren v1 , v2 , . . . , vm ∈ V . (Formal ist dieses ein m-Tupel von Vektoren, wird aber ohne Klammern
geschrieben.) Der in Definition 2.1.7 eingeführte Begriff der Linearkombination ist hier anwendbar: Eine Linearkombination eines Vektorsystems
v1 , v2 , . . . , vm ∈ V ist ein Ausdruck der Form
α1 v1 + α2 v2 + . . . + αm vm , α1 , . . . , αm ∈ K,
bzw. auch der sich ergebende Vektor v ∈ V . Die Skalare αi heißen auch
die Koeffizienten der Linearkombination.
Die unter 2.1.7 angegebenen Definition der linearen Hülle Lin{v1 , v2 , . . . , vm }
macht Sinn für Vektorsysteme.
Definition 2.3.1 Ein Vektorsystem v1 , v2 , . . . , vm eines Vektorraumes
V heißt Erzeugendensystem von V , falls jedes Element von V eine Linearkombination der vi ist:
Lin{v1 , . . . , vm } = V .
Mit anderen Worten: Der von v1 , . . . , vm erzeugte Untervektorraum ist
bereits der ganze Vektorraum.
Wenn in einem Vektorraum ein Erzeugendensystem gegeben ist, wird
jeder Vektor (dessen Natur entsprechend der Allgemeinheit des Vektorraumbegriffs im Prinzip beliebig sein kann), durch m Zahlen (Elemente
des Grundkörpers) beschrieben. Umgekehrt gehört zu jedem Zahlentupel ein Vektor, nämlich die entsprechende Linearkombination. Für eine vollständige Beschreibung des Vektorraumes durch Zahlentupel (d.h.
durch den K m ) mittels eines Erzeugendensystems wäre es noch gut zu
wissen, dass für einen gegebenen Vektor v die Koeffizienten einer Linearkombination
v = α1 v1 + α2 v2 + . . . + αm vm ,
αi ∈ K
durch v eindeutig bestimmt sind. Mit anderen Worten, wenn auch β1 , . . . , βm ∈
K Zahlen sind mit
v = β1 v 1 + β2 v2 + . . . + βm vm ,
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dann soll folgen α1 = β1 , α2 = β2 , . . . , αm = βm . Betrachten der Differenz v − v = 0 der beiden Gleichungen liefert
(α1 − β1 )v1 + (α2 − β2 )v2 + . . . + (αm − βm )vm = 0.
Wenn wir kurz αi − βi =: λi setzen,
ist die gewünschte Eigenschaft des
P
Vektorsystems also, dass aus
λi vi = 0 folgen soll λi = 0 für alle i.
Diese Überlegung führt auf folgende Definition.
Definition 2.3.2 Ein Vektorsystem v1 , v2 , . . . , vm ∈ V heißt linear unabhängig, wenn für alle λ1 , λ2 , . . . , λm ∈ K gilt:
λ1 v1 + λ2 v2 + . . . + λm vm = 0 =⇒ λ1 = λ2 = . . . = λm = 0
In Worten: Wenn eine Linearkombination der vi gleich Null ist, so müssen
alle ihre Koeffizienten gleich Null sein.
Das Vektorsystem heißt linear abhängig, wenn es nicht linear unabhängig
ist.
Beispiel: (1) Das Vektorsystem
 
 
1
1
 
 
v1 = 1 , v2 = 0 ,
1
0
 
0
 
v3 = 1
1
im R3 ist linear unabhängig.
Die laut Definition 2.3.2 zu testende Vektorgleichung führt nämlich auf
drei Skalar-Gleichungen für die drei Unbestimmten λ1 , λ2 , λ3 . Diese bilden ein homogenes LGS, von dem man in diesem Fall schnell feststellt,
dass es nur die triviale Lösung λ1 = λ2 = λ3 = 0 besitzt.
(2) Wenn wir die gleichen Vektoren als Elemente von F32 auffassen,
wobei F2 = {0, 1} der Körper aus zwei Elementen ist, so besitzt das
entsprechende Gleichungssystem eine weitere Lösung in F32 , nämlich λ1 =
λ2 = λ3 = 1. Diese Vektoren sind also linear abhängig.
Zusammenfassung: Lineare Abhängigkeit im K n
Wenn man die lineare Unabhängigkeit eines Vektorsystems
aus k Vektoren im K n testen möchte, so läuft dieses darauf
hinaus, ein lineares Gleichungssystem aus n Gleichungen
mit k Unbestimmten λ1 , λ2 , . . . , λk zu untersuchen. Wenn
dieses LGS nur die triviale Lösung λ1 = λ2 = . . . = λk =
0 besitzt, ist das System linear unabhängig, anderenfalls
linear abhängig.
Nach der vorangegangenen Diskussion sind unter den Erzeugendensystemen eines Vektorraumes solche besonders günstig, die gleichzeitig linear
unabhängig sind. Diese bekommen einen eigenen Namen.
Definition 2.3.3 Eine Basis eines Vektorraumes V 6= {0} ist ein linear
unabhängiges Erzeugendensystem. Der Nullraum {0} besitzt definitionsgemäß das “leere Vektorsystem” als Basis.
Der folgende Satz fasst nur zusammen, was wir nach den bisherigen
Überlegungen schon wissen.
Satz 2.3.4 Sei v1 , . . . , vn Basis von V . Dann lässt sich jedes Element
v ∈ V als Linearkombination
v = α1 v1 + α2 v2 + . . . + αn vn
mit eindeutigen Elementen α1 , α2 , . . . , αn ∈ K schreiben.
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Die Koeffizienten α1 , . . . , αn heißen auch die Koordinaten von v bezüglich
der Basis v1 , . . . , vn ; wir kommen unten in Definition 2.7.9 darauf zurück.
Beispiel 2.3.5 Für einen gegebenen Körper K und gegebenes n ∈ N
setze
 
0
.
 .. 
 
 
~ei = 1 ∈ K n für i = 1, . . . , n.
 
 .. 
.
0
(Die 1 steht an der i-ten Stelle, alle anderen Einträge sind 0.) Der Vektor
~ei wird auch als i-ter Einheitsvektor” des K n bezeichnet. Das Vektorsy”
stem ~e1 , . . . , ~en bildet eine Basis von K n , die sogenannte Standardbasis..
Für jedes
 
x1
 
 x2 
 
 .. 
 . 
n

~x = 
x  ∈ K
 k
 . 
 . 
 . 
xn
gilt
~x =
n
X
xi~ei .
i=1
Die Komponenten xi eines (Spalten-)Vektors ~x sind also selbst seine
Koeffizienten bezüglich der Standardbasis.
Wir notieren einige einfache Aussagen über die Begriffe linear abhängig“
”
und linear unabhängig“. Durch einfaches Umformulieren auf der Ebene
”
der Aussagenlogik erhält man:
Bemerkung 2.3.6 Ein Vektorsystem v1 , . . . , vm ist linear abhängig genau dann, wenn Skalare λ1 , λ2 , . . . , λm ∈ K existieren, die nicht alle Null
sind und für die gilt λ1 v1 + λ2 v2 + . . . + λm vm = 0.
Folgendes ist nun unmittelbar einsichtig:
Bemerkung 2.3.7
a) Wenn das Vektorsystem v1 , . . . , vm linear unabhängig ist, dann ist
jedes darin enthaltene Vektorsystem, etwa v1 , . . . , vk mit k ≤ m
auch linear unabhängig.
b) Wenn das Vektorsystem v1 , . . . , vm linear abhängig ist, dann ist
auch jedes diese Vektoren umfassende System v1 , . . . , vm , vm+1 , . . .
linear abhängig.
c) Die Eigenschaft der linearen Abhängigkeit oder linearen Unabhängigkeit bleibt erhalten, wenn man die vi permutiert (d.h. die Reihenfolge ändert).
d) Wenn ein vk = 0 ist, ist v1 , . . . , vm immer linear abhängig.
e) Wenn zwei vi übereinstimmen, also vi = vk mit i 6= k, ist v1 , . . . , vm
immer linear abhängig.
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Besonders wichtig und auch nicht viel schwieriger einzusehen ist das
folgende Kriterium.
Lemma 2.3.8 Das Vektorsystem v1 , v2 , . . . , vm in V ist linear abhängig
genau dann, wenn wenigstens einer der vi eine Linearkombination der
übrigen ist, d.h. wenn ein k ∈ {1, . . . , m} existiert so, dass
vk ∈ Lin{v1 , v2 , . . . , vk−1 , vk+1 , . . . , vm } .
Beweis: Zu =⇒“: Wenn das System linear abhängig ist, dann gibt es
”
nach 2.3.6 Skalare λ1 , λ2 , . . . , λm ∈ K, nicht alle Null, mit λ1 v1 + . . . +
λm vm = 0 . Zu zeigen ist, dass wenigstens ein vi Linearkombination der
Anderen ist. Wähle nach Voraussetzung ein i mit λi 6= 0. Dann können
wir die Gleichung
λi vi = −λ1 v1 − λ2 v2 − . . . − λi−1 vi−1 − λi+1 vi+1 − . . . − λm vm
mit λ−1
multiplizieren. Es ergibt sich
i
−1
−1
−1
−1
vi = −λ−1
i λ1 v1 −λi λ2 v2 . . .−λi λi−1 vi−1 −λi λi+1 vi+1 . . .−λi λm vm ,
also vi ∈ Lin{v1 , . . . , vi−1 , vi+1 , . . . , vm }, wie gewünscht.
Zu ⇐=“: Laut Voraussetzung gibt es ein vi mit
”
vi ∈ Lin{v1 , . . . vi−1 , vi+1 , . . . , vm }
d.h. es existieren Elemente λ1 , λ2 , . . . , λi−1 , λi+1 , . . . , λm in K mit
vi = λ1 v1 + λ2 v2 + . . . + λi−1 vi−1 + λi+1 vi+1 + . . . + λm vm .
Man bringe vi auf die rechte Seite: Es ergibt sich λ1 v1 + λ2 v2 + . . . +
λm vm = 0 mit λi = −1. Da nicht alle λj null sind, ist die Bedingung in
2.3.6 erfüllt und somit das System v1 , . . . , vn linear abhängig.
Wir wenden uns nun der Frage zu, ob jeder Vektorraum eine Basis besitzt, und wie man sie ggf. findet. Die Antwort auf die erste Frage ist
ja“, allerdings muss hierzu der Basisbegriff so erweitert werden, dass
”
auch Systeme aus unendlich vielen Vektoren zugelassen sind. Wir tun
das in dieser Vorlesung nicht, sondern beschränken uns auf endlich erzeugte Vektorräume im Sinne der folgenden Definition.
Definition 2.3.9 Ein K-Vektorraum heißt endlich erzeugt, falls er ein
endliches Erzeugendensystem besitzt.
In einem endlich erzeugten Vektorraum gibt es also endlich viele Vektoren v1 , v2 , . . . , vm mit V = Lin{v1 , . . . , vm }. Die Idee ist nun einfach, dass
man eine Basis aus einem (endlichen) Erzeugendensystem durch weglassen überflüssiger“ Vektoren konstruiert. Die technische Durchführung
”
dieser Idee benötigt den folgenden einfachen Hilfssatz.
Lemma 2.3.10 Sei v1 , v2 , . . . , vm ∈ V ein Vektorsystem und v ∈ V ein
weiterer Vektor. Wenn v ∈ Lin{v1 , . . . , vm } ist, dann ist sogar
Lin{v1 , . . . , vm } = Lin{v1 , . . . , vm , v}.
Beweis: Die Inklusion ⊆“ sollte offensichtlich sein.
”
zur Inklusion ⊇“: Nach Voraussetzung existieren γ1 , γ2 , . . . , γm ∈ K
”
mit v = γ1 v1 + γ2 v2 + . . . + γm vm . Sei nun w ∈ Lin {v1 , v2 , . . . , vm , v}.
Das heißt, es existieren α1 , α2 , . . . , αm , α ∈ K mit w = α1 v1 + α2 v2 +
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. . . + αm vm + αv. Ersetze v gemäß obiger Gleichung und wende einige
Rechengesetze in Vektorräumen an:
w
= α1 v1 + α2 v2 + . . . + αm vm + α · (γ1 v1 + γ2 v2 + . . . + γm vm )
=
(α1 + γ1 α) v1 + (α2 + γ2 α) v2 + . . . + (αm + γm α) vm
Also ist w ∈ Lin {v1 , . . . , vm } wie behauptet.
Nun der angekündigte Existenzsatz für Basen.
Satz 2.3.11 Eine Basis eines endlich erzeugten Vektorraumes V kann
aus einem beliebigen Erzeugendensystem durch Weglassen geeigneter Vektoren konstruiert werden.
Beweis: O.B.d.A. sei V 6= {0}. Es sei v1 , . . . , vm ein Erzeugendensystemvon V . Falls dieses System auch linear unabhängig ist, sind wir
fertig. Anderenfalls existiert nach 2.3.8 ein vi , das Linearkombination
der übrigen vj , j 6= i ist. Bei geeigneter Numerierung ist i = m. Nach
2.3.10 ist dann bereits v1 , . . . , vm−1 ein Erzeugendensystem. Wir wenden nun die gleiche Überlegung auf dieses Vektorsystem an: entweder
ist v1 , . . . , vm−1 eine Basis, oder V wird bei geeigneter Nummerierung
bereits von v1 , . . . , vm−2 erzeugt. Nach endlich vielen Schritten muss der
Prozeßabbrechen, und wir erhalten eine Basis v1 , . . . , vn für ein n ≤ m,
wie gewünscht.
Der Satz 2.3.11 liefert zwar die Existenz einer Basis, ist aber für viele
Problemstellungen noch zu schwach. Man möchte gerne eine Basis haben, die vorgegebene Vektoren v1 , . . . , vr enthält. Diese Vektoren müssen
linear unabhängig sein, sonst hat man keine Chance (warum nicht?).
Mehr als die lineare Unabhängigkeit von v1 , . . . , vr braucht man nicht
vorauszusetzen. Das wird der Satz 2.3.17 zeigen.
Zunächst noch ein weiteres Lemma, das ein klein bisschen trickreicher
als das vorige ist.
Lemma 2.3.12 Es seien v1 , v1 , . . . , vm linear unabhängig in V und v ∈
V ein weiterer Vektor derart, dass das Vektorsystem v1 , . . . , vm , v linear
abhängig ist. Dann ist
v ∈ Lin{v1 , . . . , vm }
Beweis: Es gibt Elemente λ1 , λ2 , . . . , λm , λ ∈ K, die nicht alle 0 sind,
so dass
(∗)
λ1 v1 + λ2 v2 + . . . + λm vm + λv = 0 .
1. Fall: λ 6= 0. Dann ist
v = −λ−1 (λ1 v1 + λ2 v2 + . . . + λm vm ) ,
also v ∈ Lin{v1 , . . . , vm }, wie gewünscht.
2. Fall: λ = 0. Dann gilt λ1 v1 +λ2 v2 +. . .+λm vm = 0, und da das System
v1 , . . . , vm linear unabhängig ist, folgt λj = 0 für j = 1, . . . , m. Also sind
alle Koeffizienten in (∗) gleich 0, im Widerspruch zur Voraussetzung. Das nächste Lemma zeigt, wie man aus einer Basis neue Basen konstruieren kann.
Lemma 2.3.13 (Austauschlemma)
Es sei V ein K-Vektorraum, v1 , . . . , vn eine Basis von V , ferner w ∈
V r {0}. Dann kann w gegen eins der vi ausgetauscht werden. Das heißt,
es existiert ein Index k ∈ {1, . . . , n} derart, dass
v1 , v2 , . . . , vk−1 , w, vk+1 , . . . , vn
wieder eine Basis ist.
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Zusatz: Schreibe w = α1 v1 +. . .+αn vn . Dann erfüllt jedes k mit αk 6= 0
die Behauptung.
Beweis: Sei k wie im Zusatz. Es sind zwei Aussagen zu zeigen :
(1) v1 , v2 , . . . , vk−1 , w, vk+1 , . . . , vn ist erzeugend.
(2) v1 , v2 , . . . , vk−1 , w, vk+1 , . . . , vn ist linear unabhängig.
Zu (1): Wir können die gegebene Gleichung nach vk auflösen und
erhalten
vk =
1
(−α1 v1 + . . . − αk−1 vk−1 + w − αk+1 vk+1 − . . . − αn vn ).
αk
Dieses bedeutet, dass vk ∈ Lin{v1 , . . . , vk−1 , w, vk+1 , . . . , vn } ist. Nach
Lemma 2.3.10 (mit v = vk ) folgt weiter
Lin{v1 , . . . , vk−1 , w, vk+1 , . . . , vn , vk } = Lin{v1 , . . . , vk−1 , w, vk+1 , . . . , vn }.
Da die erste Menge alle vi enthält, muss sie gleich ganz V sein. Also ist
auch Lin{v1 , . . . , vk−1 , w, vk+1 , . . . , vn } = V , wie gewünscht.
Zu (2): Beweis durch Widerspruch:
Angenommen, das System v1 , . . . , vk−1 , w, vk+1 , . . . , vn sei linear abhängig. Weil die n − 1 Vektoren v1 , . . . , vk−1 , vk+1 , . . . , vn linear unabhängig sind, folgt dann mittels Lemma 2.3.12
w ∈ Lin{v1 , . . . , vk−1 , vk+1 , . . . , vn }.
Es existieren also n − 1 Skalare βi ∈ K mit
w = β1 v1 + . . . + βk−1 vk−1 + 0 · vk + βk+1 vk+1 + . . . + βn vn .
Vergleiche diese Darstellung mit der oben gegebenen Darstellung
w = α1 v1 + . . . + αk−1 vk−1 + αk · vk + αk+1 vk+1 + . . . + αn vn .
Wir haben offenbar zwei verschiedene Darstellungen von w durch v1 , . . . , vn
(nämlich αk 6= 0, βk = 0). Dies ist ein Widerspruch zur linearen Unabhängigkeit des ursprünglichen Systems v1 , . . . , vk−1 , vk , vk+1 , . . . , vn ;
siehe Satz 2.3.4.
Wir wissen jetzt, dass ein endlich erzeugter Vektorraum nicht nur eine,
sondern viele Basen besitzt. Z.B. kann jeder Vektor außer dem Nullvektor
als erster Basisvektor benutzt werden. Nun kommen wir zu einem sehr
wichtigen Satz, der das letzte Lemma verallgemeinert und auch zeigen
wird, dass je zwei Basen die gleiche Länge haben.
Theorem 2.3.14 (Steinitz’scher Austauschsatz) Es sei V ein Vektorraum, u1 , . . . , ur ∈ V linear unabhängig und weiter v1 , . . . , vn eine
Basis von V . Dann ist rlen.
Weiter gibt es r unter den Vektoren vj derart, dass durch Austausch
dieser vj durch u1 , . . . , ur wieder eine Basis entsteht. Nach geeigneter
Umnummerierung der vi ist also
u1 , u2 , . . . , ur , vr+1 , . . . , vn
eine Basis von V .
Beweis: siehe Vorlesung!
Bemerkung: Für r = 1 reduziert sich der Austauschsatz auf das Austauschlemma 2.3.13.
Nun haben wir unser Etappenziel erreicht, nämlich eine präzise Fundierung des Dimensionsbegriffs.
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Korollar und Definition 2.3.15 In einem endlich erzeugten Vektorraum V haben je zwei Basen gleich viele Elemente. Diese Zahl heißt auch
Dimension von V , kurz dim V . Der Nullraum hat die Dimension 0. Falls
V nicht endlich erzeugt ist, schreibt man dim V = ∞.
Beweis: Wenn u1 , . . . , ur die erste und v1 , . . . vn die zweite Basis ist,
dann sind die Voraussetzungen des Austauschsatzes erfüllt, und es folgt
r ≤ n. Da beide Systeme Basen sind, können wir ihre Rollen vertauschen
und erhalten entsprechend n ≤ r, also insgesamt Gleichheit.
Wir ziehen noch weitere, äusserst nützliche Folgerungen aus dem Austauschsatz und seiner Folgerung 2.3.15
Korollar 2.3.16 In einem n-dimensionalen Vektorraum ist ein System
aus mehr als n Elementen immer linear abhängig.
Beweis: Anderenfalls hätten wir direkt einen Widerspruch zur Aussage
r ≤ n“ des Austauschsatzes.
”
Nun kommt der oben angekündigte Satz über die Ergänzung von linear
unabhängigen Vektoren zu einer Basis.
Satz 2.3.17 (Basisergänzungssatz)
Es sei V ein K-Vektorraum und v1 , . . . , vr ∈ V linear unabhängig. Weiter sei w1 , . . . , ws ein Erzeugendenystem von V . Dann kann v1 , . . . , vr
durch Hinzunahme von geeigneten der wj zu einer Basis von V ergänzt
werden. Das heißt, bei geeigneter Umnummerierung der wj ist v1 , . . . , vr ,
w1 , . . . , wk für passendes k mit 0 ≤ k ≤ s eine Basis von V .
Beweis: siehe Vorlesung.
Die nächsten beiden Korollare besagen, dass man sich von den beiden
Forderungen an eine Basis eine sparen kann, wenn die Anzahl der Vektoren bereits die richtige ist.
Korollar 2.3.18 Sei dim V = n und v1 , . . . , vn linear unabhängig. Dann
bilden v1 , . . . , vn bereits eine Basis.
Beweis: Nach dem Basisergänzungssatz 2.3.17 kann v1 , . . . , vn durch
weitere Vektoren w1 , w2 , . . . zu einer Basis v1 , v2 , . . . , vn , w1 , w2 , . . . ergänzt
werden. Da aber jede Basis aus n Vektoren besteht, kann es keine solchen
wi geben. Das heißt: v1 , . . . , vn ist selbst Basis.
Korollar 2.3.19 Sei dim V = n und v1 , . . . , vn ein Erzeugendensystem.
Dann bilden v1 , . . . , vn bereits eine Basis.
Beweis: Falls v1 , . . . , vn noch keine Basis wäre, könnte man jedenfalls
nach Satz 2.3.11 eine Basis durch Weglassen von gewissen vi erhalten.
Andererseits müßte auch diese Basis nach Korollar 2.3.15 aus n Vektoren
bestehen, ein Widerspruch.
Als weitere Konsequenz ergibt sich schließlich der folgende Sachverhalt,
der im Fall der Ebenen bereits einmal erwähnt wurde.
Korollar 2.3.20 Sei U ⊆ V ein Untervektorraum und dim U = dim V <
∞. Dann ist U = V .
Beweis: Sei u1 , . . . , un Basis von U , dabei n = dim U = dim V . Die
Vektoren u1 , . . . , un sind insbesondere linear unabhängig (da sie eine
Basis von U sind). Nach 2.3.18 bilden u1 , . . . , un eine Basis von V .
Insbesondere ist u1 , . . . , un ein Erzeugendensystem von V , das heißt
Lin{u1 , . . . , un } = V . Also ist U = V , wie gewünscht.
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