TAGUNG DER KORRESPONDENTEN DES MISEPNETZWERKS Prager Kongresszentrum, Prag, Tschechische Republik Arbeitsmigration innerhalb der EU und aus Drittländern – Trends und erfolgreiche politische Ansätze 5. und 6. März 2009 TAGUNGSBERICHT INHALT 1 EINFÜHRUNG .................................................................................................................................. 1 2 DIE WICHTIGSTEN MASSNAHMEN DER EU IM BEREICH DER MIGRATION ........................... 3 3 DIE WICHTIGSTEN MIGRATIONSTRENDS ................................................................................... 5 3.1 Einführung ...................................................................................................................................... 5 3.2 Migration innerhalb der EU ............................................................................................................ 6 3.3 Migration aus Drittstaaten .............................................................................................................. 7 4 JÜNGSTE TRENDS IM BEREICH DER MIGRATIONSPOLITIK .................................................... 9 4.1 Allgemeine Trends ......................................................................................................................... 9 4.2 Bekämpfung der nicht angemeldeten Beschäftigung von Migranten ohne Arbeitserlaubnis ...... 10 4.3 Bekämpfung des „Braindrains“ .................................................................................................... 11 5 DIE WICHTIGSTEN POLITISCHEN HERAUSFORDERUNGEN UND ERKENNTNISSE ............ 13 Bericht der MISEP-Tagung, 5. und 6. März 2009, Prag, Tschechische Republik 1 EINFÜHRUNG Am 5. und 6. März fand im Prager Kongresszentrum in der Hauptstadt der Tschechischen Republik eine Tagung des MISEP-Netzwerks statt, auf der erfolgreiche Ansätze zur Migration von Arbeitnehmern innerhalb der EU und aus Drittstaaten erörtert wurden. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen die folgenden vier Themenbereiche: • Trends und Ansätze zur Migration innerhalb der EU (Beschreibung der Migrationstrends innerhalb der EU, ihrer Folgen auf nationaler und regionaler Ebene sowie der politischen Ansätze in Übergangswirtschaften; die Rolle von EURES bei der Förderung der Migration in der EU; Pull- und Push-Faktoren der Migration; die Auswirkungen des Konjunkturrückgangs auf die Migration in der EU) • Trends bei der Migration aus Drittländern und Maßnahmen zur Regelung dieser Migration sowie die Folgen der EU-Erweiterung und des globalen Konjunkturrückgangs für die Migration aus Drittländern • Bekämpfung der illegalen Migration und der nicht angemeldeten Arbeit (Beschreibung von Trends und von Maßnahmen zur Reduzierung der von illegalen Migranten ausgeführten Schwarzarbeit) • Erfolgreiche Ansätze bei der Vermeidung des „Braindrains“, also der Abwanderung von Wissenschaftlern ins Ausland (Migrationstrends unter tertiär qualifizierten Arbeitnehmern; Verhinderung der negativen Folgen des Braindrains zum Beispiel in Form von Maßnahmen, die die Rückkehr qualifizierter Arbeitnehmer fördern) Dieser Bericht fasst die Vorträge, Hintergrundinformationen und Diskussionen der MISEPTagung unter den folgenden Überschriften zusammen: • Die wichtigsten Maßnahmen der EU im Bereich der Migration • Die wichtigsten Migrationstrends (innerhalb der EU und aus Drittstaaten) • Die jüngsten Trends im Bereich der Migrationspolitik, darunter die Bekämpfung der nicht angemeldeten Beschäftigung von Migranten ohne Arbeitserlaubnis, die Verhinderung des Braindrains und die Förderung der Integration von Migranten • Die wichtigsten politischen Herausforderungen und Erkenntnisse Die für die Tagung vorbereitete Hintergrundinformation sowie die von den Referenten verwendeten Folien sind auf der EBO-Website zu finden: http://www.eu-employment-observatory.net/de/documents/doc04_01.aspx?year=2009 Interessierten Lesern sei zudem die Website der tschechischen EU-Präsidentschaft empfohlen: http://www.eu2009.cz 1 Bericht der MISEP-Tagung, 5. und 6. März 2009, Prag, Tschechische Republik Weitere mit dem Thema in Zusammenhang stehende Dokumente und Aktivitäten: • Der EBO-Bericht Erwerbstätigkeit”: vom Frühjahr 2007 zum Thema "Nicht angemeldete http://www.eu-employment-observatory.net/resources/reviews/DE-ReviewSpring07.pdf • Tagung der MISEP-Korrespondenten vom Mai 2007 in Mainz, Deutschland, zum Thema „Förderung der Arbeitsmarktintegration von Migranten“: http://www.eu-employment-observatory.net/resources/meetings/MISEPMtgRptGermany07-DE.pdf • Tagung der MISEP-Korrespondenten im November 2006 in Hämeenlinna, Finnland, zum Thema „Arbeitskräftemobilität“: http://www.eu-employmentobservatory.net/resources/meetings/MISEP%20Report%20Finland%20Nov06-DE.pdf • Seminar des Programms für gegenseitiges Lernen mit dem Thema „Verbesserung des Arbeitsmarktzugangs für Randgruppen unter besonderer Berücksichtigung von Personen mit Migrations- oder Minderheitenhintergrund“, Brüssel, 29. April 2008: http://www.mutual-learning-employment.net/thematicreviews/de • Peer-Review-Tagung des Programms für gegenseitiges Lernen zum Thema „The assistance system for employment of Ukrainians in the Czech Republic“: http://www.mutual-learning-employment.net/peerreviews/czechrepublic/index.html • Peer-Review-Tagung des Programms für gegenseitiges Lernen am 11. und 12. Juni 2009 in Tallinn, Estland, zum Thema „Management of economic migration“ 2 Bericht der MISEP-Tagung, 5. und 6. März 2009, Prag, Tschechische Republik 2 DIE WICHTIGSTEN MASSNAHMEN DER EU IM BEREICH DER MIGRATION Die Freizügigkeit der Arbeitskräfte ist eine der grundlegenden Freiheiten, die die Europäische Union in ihren Verträgen gewährt. Allerdings war die Arbeitsmigration, wie unter anderem am Beispiel Spanien und Portugal zu beobachten war, häufig schon vor dem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft ein verbreitetes Phänomen. Vor der Erweiterung durch osteuropäische Länder im Jahr 2004 war dies jedoch keineswegs der Fall, und Timo Baas (IAB, Deutschland) erinnerte die Tagungsteilnehmer daran, dass die Mobilität der Bewohner der ehemaligen Ostblockstaaten durch den Eisernen Vorhang eingeschränkt war. Dieser Umstand sowie die beträchtlichen Unterschiede zwischen Ost und West im Hinblick auf Lebensstandard und Wirtschaftslage ließen viele EU-15-Staaten anlässlich der EU-Erweiterung einen starken Zustrom von Arbeitsmigranten aus den EU-8Ländern (EU-10 ohne Malta und Zypern) und schließlich aus den EU-2-Ländern befürchten. In fast allen Mitgliedstaaten traten daher Übergangsregelungen in Kraft, um den Arbeitsmarktzugang für Arbeitskräfte aus Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland, Litauen und Ungarn über mehrere Jahre hinweg zu beschränken. Eine Ausnahme bildeten Irland, das Vereinigte Königreich und Schweden, die den Arbeitskräften der EU-8-Länder nach dem Beitritt zur EU im Jahr 2004 sofortigen Zugang zu ihrem Arbeitsmarkt gewährten. Diese Übergangsregelungen gelten jedoch nur bis 2009, es sei denn, dass ein Mitgliedstaat nachweisen kann, dass infolge eines unkontrollierten Zustroms an Arbeitskräften mit einem beträchtlichen Ungleichgewicht am heimischen Arbeitsmarkt zu rechnen ist. Lediglich Dänemark, Deutschland und Österreich werden versuchen, die Übergangsregelungen für die EU-8-Länder auch nach 2009 beizubehalten. Für Arbeitskräfte aus Rumänien und Bulgarien bleiben die Beschränkungen in allen 15 Ländern bis 2011 bestehen und werden zudem verlängert, sofern ein spürbares Ungleichgewicht am Arbeitsmarkt wahrscheinlich ist. Im Fall von Drittstaaten verfolgt die EU eine Politik der kontrollierten Arbeitsmigration, die in erster Linie auf Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Migration sowie auf Maßnahmen zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Migranten basiert, deren Fähigkeiten auf den EU-Arbeitsmärkten gefragt sind (dies gilt insbesondere für hochqualifizierte Migranten). In September 2008 unterzeichneten die EU-Minister den Europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl. Der Pakt beschreibt die Prinzipien für die Regelung der Migration, die Bekämpfung der illegalen Migration und die Einrichtung von Partnerschaften mit den wichtigsten Herkunfts- oder Transitländern. Gleichzeitig ist man um die Verbesserung der Grenzkontrollen und der Vereinbarungen im Bereich der Asylpolitik bemüht. Zur Gesetzgebung, von der man sich eine abschreckende Wirkung auf illegale Wirtschaftsmigranten und deren Arbeitgeber erhofft, gehören die Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger sowie eine Richtlinie über Sanktionen gegen Personen, die Drittstaatsangehörige ohne legalen Aufenthalt beschäftigen (KOM(2007)0249). Diese Richtlinie wurde im Februar 2009 vom Europäischen Parlament gebilligt. Egbert Holthuis (GD EMPL), der die Europäische Kommission auf der MISEP-Tagung vertrat, verwies zudem auf eine Reihe von Richtlinienentwürfen, die die Anwerbung von Drittstaatenangehörigen mit auf dem EU-Arbeitsmarkt besonders gefragten Qualifikationen erleichtern sollen. Dazu gehören die Ausstellung einer „Blue Card“ für hochqualifizierte Arbeitskräfte, ein Richtlinienentwurf über die Einrichtung eines Verfahrens für die gleichzeitige Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung und über einheitliche 3 Bericht der MISEP-Tagung, 5. und 6. März 2009, Prag, Tschechische Republik Rechte für Arbeitskräfte aus Drittstaaten, die legal in einem Mitgliedstaat wohnen. Ferner ist die Erleichterung der Anwerbung von speziellen Migrantengruppen, wie zum Beispiel Saisonarbeitern, geplant. 4 Bericht der MISEP-Tagung, 5. und 6. März 2009, Prag, Tschechische Republik 3 DIE WICHTIGSTEN MIGRATIONSTRENDS 3.1 Einführung Arbeitsmigranten, die in die EU kommen, sind hauptsächlich in Sektoren mit beträchtlichem Arbeits- oder Fachkräftemangel aktiv. Vor der Rezession zählten hierzu insbesondere die IKT-Branche, Landwirtschaft und Gartenbau, das Bauwesen, das Hotel- und Gaststättengewerbe, Haushaltsdienste, Verkehr, Einzelhandel sowie der Gesundheits- und Pflegesektor. Die Sektoren, die einen Arbeitskräftemangel verzeichnen, sind von Land zu Land unterschiedlich – ebenso wie die Migrationstrends, die oft traditionellen Mustern folgen. Wie JUDr. Ladislava Steinichova in ihrer Eröffnungsrede im Namen der tschechischen Präsidentschaft erklärte, wird durch die Arbeitsmigration vor allem der Fachkräftemangel in den Bereichen Wissenschaft, Ingenieurwesen und Kfz-Industrie und in geringerem Maße auch im Bausektor gedeckt. 2008 stammte die Mehrzahl der Einwanderer in die Tschechische Republik aus der Slowakei und der Ukraine. Infolge der Wirtschaftskrise ist jedoch in fast allen Mitgliedstaaten eine Änderung der Lage zu beobachten, denn Migranten sind vielfach gerade in solchen Sektoren aktiv, die am stärksten von der Rezession betroffen sind. Zuverlässige Vergleichsdaten zu den Folgen der Rezession sind im Allgemeinen noch nicht verfügbar. Das von den MISEP-Korrespondenten bereitgestellte Hintergrundmaterial (http://www.eu-employment-observatory.net/) liefert jedoch einen versuchsweisen Überblick über die ersten Folgen insbesondere für Migranten. Wie Timo Baas in seinem Vortrag erklärte, wird die Migration im Allgemeinen als „Stoßdämpfer“ für asymmetrische Wirtschaftskrisen betrachtet. Da es sich derzeit jedoch um eine globale (oder symmetrische) Rezession handelt, ist dies weniger wahrscheinlich der Fall. Wenn in dieser Situation überhaupt ein Land bzw. eine Region von der ausgleichenden Wirkung der Migrationsströme profitieren kann, dann wäre es die EU-15. Die Rückkehr der Migranten aus der EU-8 und der EU-2 in ihre Heimatländer, in denen sich die Wirtschaftslage häufig ebenfalls verschlechtert, ist für diese Länder ein ernsthafteres Problem als für die westeuropäische Wirtschaft. Die für diese MISEP-Tagung bereitgestellten Hintergrundinformationen enthalten Hinweise auf eine Rückkehr der Migranten von West nach Ost (z. B. von Spanien und Italien nach Bulgarien und Rumänien, vom Vereinigten Königreich nach Polen usw.) sowie auf die Abwanderung von EU-8-Migranten aus den stärker von der Krise betroffenen EU-15Ländern in solche, in denen die Rezession bislang weniger deutlich zu spüren ist (z. B. vom Vereinigten Königreich und Irland in die Niederlande). Gleichzeitig sind erste Maßnahmen zur Regelung der Migration in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit zu beobachten. So haben mehrere Länder ihre Quoten und die Zahl der ausgestellten Arbeitsgenehmigungen reduziert, andere ihre Liste der „schwer zu besetzenden Berufe“ und der Sektoren mit Fachkräftemangel geändert. Beispiele hierfür sind im Folgenden aufgeführt. • In Spanien wurden die Liste der schwer zu besetzenden Berufe geändert und die Einwanderungsquote für Drittstaatenangehörige für 2009 um 90 % gesenkt. Die Schwere der wirtschaftlichen Probleme des Landes spiegelt sich zudem in der Einführung eines „Programms für die freiwillige Rückkehr", laut dem arbeitslose Migranten, die in ihr Heimatland zurückkehren, 40 % der Arbeitslosenunterstützung in Spanien und die verbleibenden 60 % bei Ankunft in ihrem Heimatland erhalten 5 Bericht der MISEP-Tagung, 5. und 6. März 2009, Prag, Tschechische Republik (vorbehaltlich einer Klausel, dass der Betroffene innerhalb einer bestimmten Frist nicht nach Spanien zurückkehren darf). • In Litauen ist die Zahl der ausgestellten Arbeitsgenehmigungen allein in der zweiten Hälfte des Jahres 2008 um 13 % gesunken. • In Slowenien wurde die Einwanderungsquote für Drittstaatenangehörige im Jahr 2009 um 25 % gesenkt. • Im Vereinigten Königreich gibt es Anzeichen für die Rückkehr von Arbeitskräften des Finanzdienstleistungssektors in die „alten Commonwealth-Länder“. • Einer der Hinweise auf die Verschlechterung der Wirtschaftslage in der Türkei ist eine steigende Zahl von Arbeitskräften in der Landwirtschaft und in Familienbetrieben. • In Norwegen und Island hat sich die Zahl der ausgestellten Arbeitsgenehmigungen ebenfalls deutlich verringert. • In der Tschechischen Republik ist die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte seit Beginn der Krise um 8 000 gesunken; Arbeitsmarktstatistiken deuten überdies darauf hin, dass bis Ende März 2009 wahrscheinlich weitere 4 000 Arbeitsmigranten entlassen werden. Die Art der betroffenen Sektoren und der ergriffenen Abhilfsmaßnahmen deutet darauf hin, dass es wahrscheinlich vor allem die Drittstaatenmigranten und insbesondere solche in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen sind, die die Rezession zu spüren bekommen. In diesem Zusammenhang stellt sich Frage, ob dies zu einer verstärkten Rückkehr ins Heimatland oder zu steigender Illegalität und nicht angemeldeter Beschäftigung führen wird. 3.2 Migration innerhalb der EU Besonders auffällig ist, dass sich die Migration innerhalb der EU trotz der Erweiterung auf einem niedrigen Niveau bewegt. Zwischen 2003 und 2007 stieg der durchschnittliche Anteil der EU-10-Bürger in der EU-15 von 0,2 auf 0,5 % und der Anteil der EU-15-Bürger in der EU-15 von 1,6 auf 1,7 %. Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil an Drittstaatenangehörigen in der EU von 3,7 auf 4,5 %, was zeigt, dass die Migrationsströme in der EU noch immer am stärksten durch Bürger aus Nicht-EU-Ländern bestimmt werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Migration innerhalb der EU kaum Bedeutung hat. Innerhalb relativ kurzer Zeit zogen knapp eine Million Bürger aus der EU-8 und 900 000 Bürger aus Rumänien und Bulgarien in die EU-15. Hauptzielländer waren das Vereinigte Königreich, Irland, Spanien, Italien und in gewissem Maße auch Deutschland und Österreich. Überdies macht sich die Migration besonders deutlich an solchen Orten bemerkbar, an denen sie sich auf öffentliche Dienstleistungen (wie Schulen, Sozialdienste usw.) auswirkt. Aber auch die wichtigsten Herkunftsländer bekommen die Folgen der Migration zu spüren: Dort hat die Emigration bedingt durch Braindrain und Fachkräfteknappheit in verschiedenen Bereichen und Sektoren zu einem Anstieg der Löhne sowie der Notwendigkeit geführt, Arbeitskräfte aus anderen EU-Ländern oder von außerhalb der EU anzuwerben. Timo Baas berichtete von einer Studie, laut der das BIP der Aufnahmeländer von der Migration allgemein profitiert hat. Zwar habe es einige kurzfristige negative Auswirkungen 6 Bericht der MISEP-Tagung, 5. und 6. März 2009, Prag, Tschechische Republik auf Arbeitslosigkeit und Lohnentwicklung gegeben (insbesondere in Berufen mit geringen Qualifikationsanforderungen), die langfristigen Folgen der Migration seien jedoch positiv. Ein Problem, das jedoch nach wie vor besteht, ist der sogenannte „Brainwaste“, das heißt, zahlreiche Migranten sind in Tätigkeiten beschäftigt, in denen sie ihre Fähigkeiten und Qualifikationen nicht vollständig nutzen. Egbert Holthuis und Timo Baas wiesen anhand von Daten darauf hin, dass es hauptsächlich junge Menschen mit einem Durchschnittsalter von 29 Jahren sind (die Altersstruktur ist je nach Herkunfts- und Aufnahmeland verschieden), die innerhalb der EUGrenzen in ein anderes Land ziehen. Wichtige Push- und Pull-Faktoren insbesondere in den Grenzregionen sind dabei Lohnunterschiede und Arbeitslosigkeit (vor allem Jugendarbeitslosigkeit), und die meisten EU-Länder (mit Ausnahme von Italien, Polen, Frankreich, Belgien, Malta, Portugal und Zypern) registrieren mehr männliche als weibliche Migranten, wobei Letztere meistens jünger als die Männer sind. 3.3 Migration aus Drittstaaten Wie bereits oben erwähnt, werden die Migrationstrends in den meisten EU-Mitgliedstaaten weiterhin von Arbeitskräften aus Drittstaaten dominiert, allerdings sind die Erfahrungen von Land zu Land je nach Sprache, kulturellen und wirtschaftlichen Faktoren sowie historischen Migrationsströmen sehr unterschiedlich. Zwischen 1995 und 2005 hat sich der Zustrom an Arbeitskräften aus Nicht-EU-Ländern verdreifacht. Gleichzeitig haben sich die wichtigsten Herkunftsländer geändert, da inzwischen eine zunehmende Zahl von Migranten aus Mittel- und Südamerika in die Europäische Union und zwar insbesondere in die südlichen EU-Mitgliedstaaten kommt. Der Migration aus Drittstaaten sagt man ebenfalls eine allgemein positive Wirkung nach. In einer von Misha Bonch-Osmoloviski beschriebenen Studie der Weltbank wird argumentiert, dass es keinerlei Beweise für die allgemein verbreitete Auffassung gibt, Migranten zahlten weniger Steuern und beanspruchten mehr Sozialleistungen als die einheimische Bevölkerung. Vielmehr leisten Migranten, so die Ergebnisse der Studie, einen Nettobeitrag zum Steuer- und Sozialleistungssystem. Die von der Weltbank erhobenen Daten zeigen, dass in den 13 untersuchten EU-Ländern das Bruttoarbeitseinkommen in Migrantenhaushalten höher liegt als in Haushalten ohne Migranten. Es steht allerdings zu vermuten, dass bei der Datenerhebung nur Migranten der ersten Generation erfasst wurden, ein Faktor, den es zu berücksichtigen gilt, da Migranten der zweiten Generation häufig beträchtliche Integrationsprobleme haben. Den von der Weltbank bereitgestellten Zahlen zufolge zahlen Haushalte mit Migranten mehr Steuern und beziehen weniger Unterstützung als Haushalte ohne Migranten. Einer der Gründe hierfür könnte sein, dass die von der Stichprobe erfassten Migranten der ersten Generation noch vor dem Rentenalter stehen und, wenn sie von außerhalb der EU stammen, auch keinen Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen haben. Die einzigen Haushalte, die mehr Leistungen beziehen, als dass sie Steuern zahlen, sind Haushalte mit Bürgern aus anderen EULändern. Weitere Daten deuten darauf hin, dass Migranten aus Drittstaaten über Fähigkeiten verfügen, die diejenigen der EU-Bürger ergänzen, und in Sektoren tätig sind, in denen die Arbeitskräftenachfrage am größten und das Angebot an einheimischen Kräften eventuell begrenzt ist (in welchem Maße dies an Gehälter und Arbeitsbedingungen geknüpft ist, wurde allerdings nicht genau untersucht). In Sektoren mit geringen Qualifikationsanforderungen wurde ein gewisser Verdrängungseffekt festgestellt. Außerdem stellte man fest, dass die Qualifikationen und Kenntnisse von Drittstaatenmigranten, ähnlich wie dies auch bei EU-Migranten der Fall ist, nur unvollständig genutzt werden, da es für die Betroffenen noch schwieriger ist als für EU7 Bericht der MISEP-Tagung, 5. und 6. März 2009, Prag, Tschechische Republik Migranten, eine Anerkennung ihrer Qualifikationen zu erlangen und eine ihrem Bildungsstand entsprechende Beschäftigung zu finden. Der Vortrag von Ummuhan Bardak über eine Forschungsarbeit der Europäischen Stiftung für Berufsbildung verdeutlichte, dass das Qualifikationsniveau der Migranten je nach Herkunftsland (und auch je nach Aufnahmeland) beträchtlich variiert. Die Mehrzahl der von dieser Studie erfassten Drittstaatenmigranten (aus Albanien, Moldawien, Ägypten, Tunesien und der Ukraine) verfügt über mittlere oder hohe Qualifikationen. Trotzdem arbeiten diese Migranten nahezu völlig ungeachtet ihres Qualifikationsniveaus als unqualifizierte Arbeitskräfte im Aufnahmeland (mit Ausnahme der Ägypter, da mit Ländern des Nahen Ostens häufig ein entsprechendes Regierungsabkommen besteht). Weibliche Migranten aus den untersuchten Ländern arbeiten am häufigsten im Bereich der Haushaltsdienste, und zwar selbst dann, wenn sie einen akademischen Abschluss besitzen. Dies schien jedoch keinerlei Einfluss auf ihre Absicht zu haben, nach der Rückkehr in ihre Heimat ein weiteres Mal zu emigrieren, noch beeinflusste dieser Umstand ihre Meinung bezüglich der Frage, ob der Auslandsaufenthalt eine wertvolle Lernerfahrung gewesen sei oder nicht. Nur wenige von ihnen hatten während ihrer Auslandstätigkeit irgendeine Ausbildung erhalten. War dies dennoch der Fall, handelte es sich in erster Linie um den Erwerb von Sprachkenntnissen. Drittstaatenmigranten verzeichnen überdies höhere Arbeitslosenquoten, sind häufiger in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen zu finden und daher bei einer Rezession auch stärker betroffen. 8 Bericht der MISEP-Tagung, 5. und 6. März 2009, Prag, Tschechische Republik 4 JÜNGSTE TRENDS IM BEREICH DER MIGRATIONSPOLITIK 4.1 Allgemeine Trends Vor Beginn der aktuellen Rezession waren drei verschiedene Trends im Bereich der Migrationspolitik zu beobachten, die die Richtung der EU-Migrationspolitik und die Umsetzung des Prinzips der Freizügigkeit reflektierten: • Allmähliche Aufhebung der Beschränkungen im Bereich der Arbeitsmigration für Bürger der EU-8-Staaten • Erleichterung der Anwerbung von hochqualifizierten Migranten • Strengere Sanktionen und Umsetzung der Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Migration und der nicht registrierten Erwerbstätigkeit von Personen ohne gültige Arbeitserlaubnis Im Verlauf der letzten fünf Jahre haben mehrere EU-Länder ihre Beschränkungen für Arbeitskräfte aus der EU-8 und in einigen Fällen auch für die EU-2 allmählich aufgehoben, da die anfänglichen Übergangsregelungen ihre Gültigkeit verlieren. In zahlreichen Ländern wurden überdies die Verfahren vereinfacht, die qualifizierten Drittstaatenbürgern Zugang zu Berufen mit Fachkräfteknappheit, strategischen Sektoren oder Bereichen mit zusätzlichem saisonalem Arbeitskräftebedarf gewähren. In vielen Fällen ähneln diese neuen Vereinbarungen den von der EU vorgeschlagenen Maßnahmen für die Vergabe einer Blue Card und einer kombinierten Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung. Einige Länder haben Gehaltsvorgaben eingeführt. Sie dienen dem Schutz des heimischen Arbeitsmarkts oder definieren das „hochqualifizierte Segment", für das vereinfachte Zugangsbedingungen bestehen. In anderen Ländern wurden die Quoten erhöht oder die Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsgenehmigungen wurde verlängert. Es scheint jedoch, dass einige der letztgenannten Maßnahmen im Falle eines Konjunkturrückgangs umgekehrt werden. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Migrationspolitik in den kommenden Monaten gestaltet, denn geregelte Migrationssysteme haben das Ziel, unverzüglich auf eine geänderte Nachfrage reagieren zu können. Emma Wajnblom (MISEP Schweden) beschrieb die im Dezember 2008 in Schweden eingeführten Maßnahmen. Sie zielen ausschließlich auf eine nachfrageorientierte Migration, bei der eine Arbeitsgenehmigung nur an bestimmte Personen und für einen bestimmten Arbeitsplatz ausgestellt wird – ein gutes Beispiel für eine geregelte nachfrageorientierte Migrationspolitik, die sich überdies weitgehend selbst reguliert. Ein weiterer Schwerpunkt der nationalen und EU-weiten Migrationspolitik ist eine erfolgreichere Integration von Migranten. Zu den allgemeinen Maßnahmen zählen: • ein verbesserter und frühzeitig einsetzender Sprachunterricht • verbesserter Zugang Arbeitsmarktintegration • vereinfachte Anerkennung von Qualifikationen sowie von nicht formalem und informellem Lernen • verbesserter Zugang zu Sozialwohnungen zu Schulung und Maßnahmen im Bereich der 9 Bericht der MISEP-Tagung, 5. und 6. März 2009, Prag, Tschechische Republik • Antidiskriminierungs- und Antirassismusmaßnahmen • verbesserte kulturelle Integration und Sensibilisierung • verbesserter Zugang zu Dienstleistungen Diese und zahlreiche weitere Maßnahmen wurden von Angela Costa (MISEP Portugal) beschrieben, was die erheblichen Fortschritte bei der Umsetzung eines Integrationsplans für Arbeitsmigranten unterstreicht. 4.2 Bekämpfung der Arbeitserlaubnis nicht angemeldeten Beschäftigung von Migranten ohne Über die Hälfte der von den MISEP-Korrespondenten bereitgestellten Hintergrundberichte brachte die Meinung zum Ausdruck, dass die nicht angemeldete Beschäftigung von Personen ohne gültige Arbeitserlaubnis ein wichtiges Problem sei, das bekämpft werden müsse. So haben viele dieser Länder in den letzten Jahren bereits Maßnahmen zur Bekämpfung eines Problems in die Wege geleitet, das nur schwer zu quantifizieren ist. Das enorme Ausmaß dieses Problems wird durch eine versuchsweise Datenerhebung solcher Initiativen wie dem „CLANDESTINO“-Projekt demonstriert. Einige der Ergebnisse dieses Projekts, präsentiert von Dušan Drbohlav (Karls-Universität, Prag), deuten darauf hin, dass zwischen 30 und 50 % der Migranten in Westeuropa illegal sind und es in der EU zwischen 2,8 und 6 Millionen illegale Arbeitskräfte gibt. Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich, Italien und Spanien sind einige der Länder, in denen sich das Problem nach allgemeiner Auffassung am schärfsten manifestiert. Es gibt viele verschiedene Push- und Pull-Faktoren, die Menschen dazu bewegen, in ein anderes Land zu ziehen und illegal zu arbeiten (Arbeitslosigkeit, Armut, höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen, Familienbindungen usw.) und auch viele verschiedene Wege in die Illegalität. Eine beträchtliche Zahl illegaler Arbeitskräfte in der EU ist zunächst legal in eines der EU-Länder gereist und später in ein anderes Land übergesiedelt oder hat die Gültigkeitsdauer der Arbeitsgenehmigung überschritten. Es besteht die Sorge, dass diese letztgenannte Situation während der Wirtschaftskrise immer häufiger auftritt und die Betroffenen in die Schattenwirtschaft führt. Darüber hinaus existieren illegale Praktiken wie Menschenhandel und Menschenschmuggel wie im Fall der Migranten aus der Ukraine, die in der Tschechischen Republik arbeiten, wie Martina Kalinova berichtete. Derartige Praktiken erfordern einen anderen politischen Ansatz. Es liegt klar auf der Hand, dass illegale Migration und nicht registrierte Beschäftigung stets mit Risiken verbunden sind. Dies gilt nicht nur für die betroffenen Arbeitskräfte (Gefahr der Entdeckung und Ausweisung, kein grundlegender Gesundheits-, Sicherheits- und Sozialschutz am Arbeitsplatz, keine Rentenversicherung usw.), sondern auch für ihre Arbeitgeber (Gefahr von Entdeckung und Sanktionen) und nicht zuletzt auch für die Gesellschaft des Aufnahme- und Herkunftslandes. Professor Drbohlav zufolge hat es verschiedene politische Fehlmaßnahmen gegeben, die zum Anstieg der illegalen Migration und Beschäftigung geführt haben, wie zum Beispiel: ungenügender Einsatz von Grenzbeamten; inflexible und bürokratische Verfahren, die zu langen Wartezeiten bei der Erteilung von Arbeitsgenehmigungen und schließlich dazu führen, dass viele Migranten vorzeitig mit einer Arbeit beginnen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen; eine übermäßig restriktive Politik im Hinblick auf die Migration aus 10 Bericht der MISEP-Tagung, 5. und 6. März 2009, Prag, Tschechische Republik Drittstaaten; mangelnde Umsetzung von Sanktionen und fehlende Maßnahmen zur Beseitigung der zur Migration führenden Push-Faktoren. Die Ansicht, dass die Migrationspolitik im Hinblick auf Drittstaatenbürger zu restriktiv sei, wurde kontrovers diskutiert. Viele Länder vertreten die Ansicht, dass die Migration aus Drittstaaten geringfügig bleiben und man einen Qualifikations- und Arbeitskräftemangel zunächst durch Schulungs- und Arbeitsmarktmaßnahmen für einheimische Bürger, gefolgt von der Anwerbung von EU-Bürgern, decken solle. Pavel Čižinský von der Beratungsstelle für Bürgertum, Zivil- und Humanrechte, einer tschechischen Nichtregierungsorganisation, die sich mit Migrantenfragen befasst, forderte, die Entscheidungen verstärkt auf individueller Grundlage zu treffen, um illegalen Arbeitsmigranten die Möglichkeit zu geben, von der Schattenwirtschaft in die reguläre Wirtschaft zu wechseln und somit Zugang zu öffentlichen Diensten zu erhalten. Einige Länder, die in der Vergangenheit einen beträchtlichen Zustrom an Migranten verzeichnet haben (insbesondere die südeuropäischen Mitgliedstaaten), bewältigten das Problem durch eine Massenregularisierung – eine Maßnahme, die sich als erfolgreich bei der Integration von Migranten in die Gesellschaft und die reguläre Wirtschaft erwies. Einige Teilnehmer sprachen sich für eine Regularisierungspolitik aus und argumentierten, dass Aufdeckung und Ausweisung der Betroffenen kostspieliger sei als eine Regularisierung, da die Arbeitsmigranten anschließend einen Beitrag zur Steuerbasis der Wirtschaft leisteten. Andere Teilnehmer vertraten dagegen die Meinung, dass derart umfassende Regularisierungsverfahren zusätzliche Pull-Faktoren für zukünftige Migranten schafften. Bei einer genaueren Betrachtung der Maßnahmen zur Bekämpfung der nicht registrierten Beschäftigung illegaler Migranten wird deutlich, dass der Schwerpunkt der letzten Jahre auf der Verschärfung und effektiveren Umsetzung von Sanktionen gegen illegale Arbeitskräfte und deren Arbeitgeber lag. Derartige Maßnahmen haben häufig auch die Zusammenarbeit verschiedener Organe (Polizei, Grenzkontrolle, Arbeitsaufsichtsbehörde usw.) gestärkt und sind ein wichtiges Element der Vorgehensweisen in der Tschechischen Republik, Frankreich, Zypern, Lettland, Litauen, den Niederlanden, Österreich und im Vereinigten Königreich. Darüber hinaus gibt es Begleitmaßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Migration unter Personengruppen und in Sektoren, in denen Schwarzarbeit besonders stark verbreitet ist, Maßnahmen für die wichtigsten Herkunftsländer illegaler Migranten und Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschenhandel und anderen illegalen Praktiken (wie das tschechische Hilfssystem für die Beschäftigung ukrainischer Migranten demonstriert). Auffallend ist, dass die Beseitigung der Push-Faktoren und die Arbeit mit den wichtigsten Herkunftsländern zur Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Situation, um eine umfassende Emigration von vornherein zu verhindern, von den derzeitigen Maßnahmen vielleicht am wenigsten berücksichtigt werden. 4.3 Bekämpfung des „Braindrains“ Die Migration hochqualifizierter Arbeitskräfte bzw. solcher mit tertiären Qualifikationen ist für viele Länder ein besonderes Problem. Vor allem in der EU-8, aber auch in einigen EU15-Ländern, die in der Vergangenheit als traditionelles Emigrationsland galten (wie z. B. Irland), ist dies ein wichtiges politisches Thema. Fachkräfte, die in andere EU- oder auch Drittländer auswandern, sind in erster Linie Wissenschaftler und Ingenieure, Ärzte, Krankenschwestern, IKT-Spezialisten und Bausachverständige. 11 Bericht der MISEP-Tagung, 5. und 6. März 2009, Prag, Tschechische Republik In einigen Ländern hat der Braindrain zu einem spürbaren Fachkräftemangel geführt, wie der Vortrag von Rasa Malaiskiene (MISEP Litauen) gezeigt hat. Folglich wirbt man Fachkräfte aus Drittländern an oder erhöht die Gehälter, um das erforderliche Personal anzuwerben und an sich zu binden. In einem der Workshops wurde erörtert, inwieweit niedrige Gehälter und schlechte Arbeitsbedingungen der Grund für die Abwanderung einiger hochqualifizierter Arbeitskräfte sind und ob man Maßnahmen zur Beseitigung solcher Push-Faktoren ergreifen kann und ergreifen sollte. Die allgemeine Ansicht war, dass es an Maßnahmen zur Verbesserung der Bedingungen in den Herkunftsländern fehle. Einige Mitgliedstaaten haben jedoch Abkommen über die Bereitstellung von Hilfsleistungen in den Herkunftsländern (meistens Länder außerhalb der EU) bzw. Partnerschaftsabkommen über eine zirkuläre Migration geschlossen, bei der die Migranten nach der Rückkehr in ihr Heimatland die im Ausland erworbenen Erfahrungen einsetzen und weitergeben können. Genau diese Absicht steckt auch hinter einigen der Initiativen im universitären Bereich, wie Tomás Kostelecký berichtete. Er beschrieb das FulbrightStipendium und andere „Bindungsbemühungen“ des akademischen Sektors wie zum Beispiel die subventionierte Teilnahme einheimischer Forscher an internationalen Wissenschaftsprogrammen, Erlass der Studiengebühren für Akademiker, die für einen bestimmten Zeitraum in ihrem Heimatland tätig sind, sowie Zuschüsse für ausländische Experten, die ein Labor im Land einrichten und mit lokalen promovierten Studenten zusammenarbeiten. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die Wissenschaftler, die an solchen Rückkehrinitiativen teilnehmen, nach Ende der erforderlichen Aufenthaltsdauer im Heimatland häufig wieder zurück ins Ausland gehen. Die Hauptmotivation für die Rückkehr und den Verbleib im Heimatland waren weniger finanzielle und berufliche Faktoren, sondern persönliche und familiäre Gründe. Wichtigster Grund für die Abwanderung ins Ausland waren die Verbesserung der beruflichen Kenntnisse und Qualifikationen, aber auch bessere Arbeitsbedingungen. Kevin Quinn (MISEP Irland) gab ein weiteres Beispiel für eine zirkuläre Initiative, die eine ethische Rekrutierung und die Nutzung der von Arbeitsmigranten im Ausland erworbenen Fähigkeiten nach der Rückkehr in ihr Heimatland unterstreicht. Mehrere Korrespondenten berichteten, dass ihr Land Programme zur Förderung der Rückkehr von Fachkräften in die Wege geleitet habe. Dazu gehörten Maßnahmen wie die Unterrichtung der Emigranten über Stellenangebote, Arbeitsbedingungen und verfügbare Fördermittel zur Unterstützung einer Existenzgründung im Heimatland. Solche Initiativen sowie Bemühungen zur Förderung der Verbindung zum Heimatland mithilfe der Medien werden in Lettland, Litauen, Polen und Rumänien gefördert – also in Ländern, die eine beträchtliche Abwanderung ihrer Fachkräfte in die EU-15 hinnehmen mussten. Über Erfolg bzw. Misserfolg dieser Maßnahmen liegen derzeit allerdings nur wenige Daten vor. Offensichtlich ist jedoch, dass die Koordination dieser Initiativen auf europäischer und/oder bilateraler Ebene (also zwischen Herkunfts- und Aufnahmeland) weiter verbessert werden könnte. Im Kontext der sich ständig wandelnden Wirtschaftslage ist es überdies schwierig, die Gründe für die Rückkehr und die Folgen bestimmter Initiativen eindeutig zu bestimmen. Die Diskussionen der Arbeitsgruppen gaben überdies zu erkennen, dass kaum Pläne für den auf die Wirtschaftskrise folgenden Aufschwung bestehen, um gewährleisten zu können, dass bei steigender Arbeitsmarktnachfrage eine ausreichende Zahl qualifizierter Arbeitskräfte zur Verfügung steht. 12 Bericht der MISEP-Tagung, 5. und 6. März 2009, Prag, Tschechische Republik 5 DIE WICHTIGSTEN POLITISCHEN HERAUSFORDERUNGEN UND ERKENNTNISSE Im Kontext der Europäischen Union, deren wichtigster Pfeiler die Freizügigkeit ist, handelt es sich bei der Migration innerhalb der EU und der Migration aus Drittstaaten eindeutig um getrennte Themen. In ganz ähnlicher Weise werden die Politiker von der legalen und der illegalen Migration vor unterschiedliche Probleme gestellt. Allerdings wurde im Verlauf der Tagung argumentiert, dass der in einem bestimmten Land vorgegebene Migrationsrahmen das Ausmaß der illegalen Migration in spürbarem Maße beeinflussen kann. Der demografische Wandel, der erfolgreiche Aufbau einer Wissensgesellschaft, die Planung und Umsetzung der Lissabon-Strategien einschließlich der nachfolgenden Ziele sowie die Bewältigung der aktuellen Wirtschaftskrise stellen die Politiker vor Herausforderungen, bei deren Bewältigung die Migration zweifellos eine wichtige Rolle spielt. Daher ist es wichtig, das Gleichgewicht des in den EU-Verträgen beschriebenen Initiativrechts und die daraus resultierenden Aufgaben der EU und der einzelnen Mitgliedstaaten bei der Formulierung der Migrationspolitik und -strategien zu berücksichtigen. Sowohl die Kommission als auch die Mitgliedstaaten haben anerkannt, dass Migration keine Lösung für die demografische Überalterung in Europa darstellt und lediglich einen Beitrag zur Bekämpfung des daraus resultierenden Arbeits- und Fachkräftemangels leisten kann. Weitere interne Maßnahmen sind von ebenso großer, wenn nicht noch größerer Bedeutung, so zum Beispiel: • Vorhersage des Qualifikationsbedarfs sowie Arbeitsmarktund Weiterbildungsmaßnahmen, um das Potenzial der einheimischen Arbeitskräfte optimal nutzen zu können (ein wichtiges Beispiel hierfür ist die EU-Initiative „Neue Kompetenzen für neue Beschäftigungen" • Schulung und andere Maßnahmen zur Steigerung der beruflichen Mobilität, einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen und Anerkennung des nicht formalen und informellen Lernens • Förderung und Umsetzung von Initiativen für aktives Altern • Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, um zu gewährleisten, dass Frauen und Männer den Wunsch nach einer Familie mit den Anforderungen des Arbeitslebens in Einklang bringen können • Verstärkte Nutzung von EURES als Instrument für die grenzüberschreitende Rekrutierung und Arbeitsvermittlung (viele Mitgliedstaaten gaben an, dass die Zahl der Arbeitgeber, die vom EURES-Netz erfahren und dessen Möglichkeiten genutzt hätten, in den letzten Jahren deutlich gestiegen sei) • Umsetzung weiterer Begleitmaßnahmen zur Förderung der geografischen Mobilität, einschließlich Maßnahmen zur Unterstützung der Integration von Migranten (Unterkunft, Zugang zu Dienstleistungen, Sprachschulung, Antidiskriminierungsmaßnahmen, Steigerung des kulturellen Bewusstseins usw.) 13 Bericht der MISEP-Tagung, 5. und 6. März 2009, Prag, Tschechische Republik Wie die aktuelle Wirtschaftslage verdeutlicht, ist es nicht immer möglich, die konjunkturellen Höhen und Tiefen unterschiedlicher Regionen mithilfe von Migration auszugleichen, denn in einer globalisierten Wirtschaft sind nicht alle Regionen im selben Maße von einer Krise betroffen. Die Maßnahmen, die in einer Reihe von Mitgliedstaaten bereits in Erscheinung treten, demonstrieren jedoch, dass es zur Regulierung der Arbeitsmärkte möglich sein muss, Migration auf sinnvolle Weise und ohne Zuhilfenahme von Protektionismus zu regeln, der die langfristigen Arbeitsmarktaussichten nur beeinträchtigen würde. Will man die Folgen der Rezession für Migranten genauer beurteilen, sind weitere Studien und Datenerhebungen nötig. Besonders interessant wäre es, die Wirkung einer restriktiveren Migrationspolitik und begrenzter Beschäftigungsmöglichkeiten auf den Umfang der von Migranten ohne Arbeitsgenehmigung ausgeführten Schwarzarbeit zu bewerten. Die Ansichten bezüglich der Migrationspolitik sind eindeutig in zwei Lager gespalten: Auf der einen Seite stehen die Befürworter von Amnestien und Regularisierung illegaler Migranten, um ihnen den Weg aus der Schattenwirtschaft zu ebnen, auf der anderen Seite die Kritiker dieser Politik, die die potenzielle Anreizwirkung solcher Maßnahmen befürchten. Es scheint, dass auf diesem Gebiet weitere Studien und eine Kosten-Nutzen-Analyse erforderlich sind. Ähnliches gilt für die Verschärfung und Umsetzung von Sanktionen, die zur Bekämpfung der illegalen Arbeit in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten eingeführt werden. Vor allem die langfristig abschreckende Wirkung solcher Maßnahmen sollte genauer untersucht werden, um die Vor- und Nachteile verschiedener Maßnahmen gegeneinander abwägen zu können. Parallel dazu sind gezielte Maßnahmen erforderlich, um besonders schädigende Praktiken wie Menschenhandel und Menschenschmuggel bekämpfen zu können, hinter denen einflussreiche kriminelle Netze stehen. Auch im Hinblick auf den Braindrain ist eine Beurteilung der Maßnahmen nötig, die Emigranten zur Heimkehr bzw. Fachkräfte zum Verbleib motivieren sollen, um festzustellen, ob solche Maßnahmen die jeweiligen Push- und Pull-Faktoren wirksam beeinflussen können. Es scheint, dass weitere „zirkuläre“ oder „ethische“ Rekrutierungsinitiativen erforderlich sind, die eine Migration hochqualifizierter Arbeitskräfte ermöglichen, gleichzeitig jedoch sicherstellen, dass der heimatliche Arbeitsmarkt in spürbarem Maße von der Rückkehr von Migranten profitiert, die Erfahrungen in anderen Mitgliedsländern oder Drittstaaten gesammelt haben, so dass der „Braindrain“ zu einem „Braingain“ wird. Als letzte wichtige Herausforderung bleibt die komplette Integration der Migranten in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft des Aufnahmelandes. Vor allem das Problem des „Brainwaste“ erfordert weitere Initiativen im Bereich der gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen und Kompetenzen. Innerhalb der EU werden auf diesem Gebiet Fortschritte durch die Formulierung und Umsetzung solcher Initiativen wie ECVET (Europäisches Leistungspunktesystem) und EQF (Europäischer Qualifikationsrahmen) erzielt, und für einige Berufe existieren auch Vereinbarung zur gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen mit Ländern außerhalb der EU. 14