ein bericht uber die faschistische literatur in japan - NAOSITE

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Title
EIN BERICHT UBER DIE FASCHISTISCHE LITERATUR IN JAPAN
Author(s)
HAMASAKI, Kazutoshi
Citation
長崎大学教育学部紀要. 人文科学. vol.62, p.1-10; 2001
Issue Date
2001-03-25
URL
http://hdl.handle.net/10069/5786
Right
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EIN BERICHT
UBER DIE FASCHISTISCHE LITERATUR IN JAPAN
HAMASAKI Kazutoshi
Einleitung
I. Kriegszeit
IT. Mobilisierungsbemiihungen des Staats
ill. Literaturpolitik
N. Faschistische Literatur in der Kriegszeit in Japan
(1) Soldaten-Schriftsteller
(2) Die japanische romantische Schule
Einleitung
Ich beschaftige mich seit elmgen Jahren als Germanist mit der faschistischen
Literatur in Japan. Da der Schwerpunkt meiner Arbeit auf dem Vergleich der
Literatur des Faschismus in Japan und Deutschland liegt, erstreckt sich das
Forschungsthema bis in den Bereich der japanischen Literatur in der Kriegszeit,
also vornehmlich in die Epoche des Zweiten Weltkriegs.
Man muB aber betonen, daB es bisher nur wenige japanische Literaturgeschichten
gibt, die, sei es auf Englisch oder auf Deutsch, in einer Fremdsprache gedruckt sind.
Darunter gibt es fast keine, die sich mit der faschistischen Literatur in der Kriegszeit
beschaftigt haben. Dazu kommt noch, daB man in Bezug auf die Literatur in der
Epoche des Zweiten Weltkriegs in den meisten Fallen keine einheitliche Interpretation
herausfinden kann. Einer sagt namlich, es habe bei uns keine Widerstandsliteratur
gegeben. Die damalige Konstellation sei in jedem Sinne nicht wie in Deutschland
oder in Frankreich, sondern ganz gegensatzlich gewesen. Der andere behauptet aber,
Widerstandsliteratur sei, wenn der Widerstand auch nicht so tapfer und hartnackig
wie in Westeuropa gewesen sei, sicherlich auch bei uns entstanden.
Wenn man die faschistische Literatur in Japan zu analysieren und dariiber seine
Ansicht in einer Fremdspra.che, also bei mir auf Deutsch, zu formulieren versucht,
muB man daher zwangslaufig zunachst mit der graBen MUhe der Begriffsbestimmung
in der Fremdsprache, also bei mir in der deutschen Sprache, anfangen. Bei dieser
anstrengenden Arbeit hilft einigermaBen einzig eine Ubersetzung der umfangreichen
japanischen Literaturgeschichte, die den Titel tragt: "GESCHICHTE DER JAPANISCHEN
LITERATUR. Die Entwicklung der poetischen, epischen, dramatischen und essayistisch-
2
HAMASAKI Kazutoshi
philosophischen Literatur Japans von den Anfangen bis zur Gegenwart".
Diese "GESCHICHTE" war im Jahr 1979 im Original von KATO Shuichi geschrieben
worden und wurde bald darauf aus dem Japanischen ins Englische, Franz~sische und
im Jahr 1990 von einem Japanologen-Team der Freien Universitat Berlin auch ins
Deutsche Ubersetzt. Der Verfasser behandelt in dem 11. Kapitel dieser Literaturgeschichte:
"Die Nachkriegsliteratur", unter dem Titel "Auseinandersetzung mit Kriegserlebnissen"
den japanischen Faschismus in der Zeit zwischen der Invasion in China (1931) und
dem P azifischen Krieg (1941-1945), indem er Ansichten MARUYAMA Masaos einfiihrt, der in Japan der prominenteste Politologe ist. Er hat sich aber in seiner
"GESCHICHTE" nicht eingehend mit der faschistischen Literatur in der Kriegszeit an
sich beschaftigt. 1 ·Wir miissen uns daher mit unserem Thema "EIN BERICHT UBER
DIE FASCHISTISCHE LITERATUR IN JAPAN" als ganz neuer Laufer erstmals an
die Startlinie stellen.
I. Kriegszei t 2
1m September 1931 startete Japan ohne Kriegserklarung den verharmlosend als
Mandschurei-Zwischenfall ( bezeichneten Einfall in den Nordosten Chinas und gab in
dem nachsten Jahr (1932) die GrUndung des Marionettenstaates der) Mandschukuo (
bekannt. Es handelte sich dabei hauptsachlich urn die Ansiedlung von japanischen
Bauern. Das damalige HIROTA-Kabinett plante als seine bedeutendste Nationalpolitik,
in den nachsten 20 Jahren 2 Millionen Bauernfamilien in das neue Land zu schicken.
1m Juli 1937 wuchs sich ein Grenzzwischenfall in der Nahe von Peking rasch zu
einem allgemeinen Krieg zwischen Japan und China aus. 1m Jahr 1940 kam das
politische und militarische BUndnis zwischen Japan, Deutschland und Italien, die
> Achse < Tokyo-Berlin-Rom, zustande. Am 8. Dezember 1941 griff Japan wieder
ohne Kriegserklarung Pearl Harbour an und er~ffnete damit den Pazifischen Krieg
gegen die Vereinigten Staaten, Holland und England. Diesen Krieg nannte die
japanische Regierung den) GroBen Ostasiatischen Krieg (, weil sie angeblich die
Befreiung Ostasiens von dem Kolonialismus der Abendlander beabsichtigte. Die
Japaner erlebten aber am 6. (in Hiroshima) und am 9. (in Nagasaki) August 1945
zwei Atombombenangriffe und wurden einige Tage spater, am 15. August, zur
Kapitulation gezwungen.
Die Japaner waren deshalb von dem Jahr 1931 bis zur Niederlage im Zweiten
Weltkrieg 15 Jahre lang dauernd einer Kriegssituation ausgesetzt. Diesen Zeitraum
kann man bei uns daher den ) 15-jahrigen Krieg ( nennen, wahrend dessen der
Faschismus unmittelbar herrschteo
Wenn man die faschistische Literatur in Japan behandeln m~chte, geht es deshalb schwerpunktmaBig urn die Literatur, die in der Epoche von 1931-1945 entstand
oder besonders einfluBreich war. Es war aber vor aHem der Zeitraum von 1937-1945,
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EIN BERICHT UBER DIE F ASCHISTISCHE LITERATUR IN J APAN
3
also von der Eroffnung des Krieges gegen China bis zur Niederlage, in dem man
Literaturwerke in ausgepdigter Ubereinstimmung mit den Richtlinien der Nationalpolitik
Japans verfassen muBte oder wollte.
II. MobilisierungsbemUhungen des Staats 3
Kurz nach der Eroffnung des Krieges gegen China, also in den letzten Monaten
des Jahres 1937, unternahm Japan die ersten entschiedenen Schritte zur verstiirkten
Zentralisierung der Regierungskontrolle im Land - hauptsiichlich Uber die politischen
Parteien und die privaten Konzerne. 1m November dieses Jahres wurde das Kaiserliche
Hauptquartier (Dai Hon Ei) geschaffen, urn die Planung und die Operationen der
beiden Waffengattungen, der Armee und der Marine, aufeinander abzustimmen. Dieses
Hauptquartier ergreift bald im Namen des Kaisers in Wirklichkeit die Staatsgewalt
und fUhrt das Land bis zur Katastrophe. 1m Miirz 1938 half Premierminister
KONOE der Armee, indem er das Allgemeine Nationale Mobilisierungsgesetz (Kokka
S6d6in H6) im Reichstag durchbrachte. Dieses Gesetz bedeutete den Untergang der
parlamentarischen Regierung in Japan. FUrst KONOE wurde im Jahr 1940 zum
zweitenmal Premierminister und verkUndete die EinfUhrung einer Neuen Nationalen
Organisation (Shintaisei), urn Japan> in einen fortschrittlichen nationalen Verteidigungsstaat < zu verwandeln. Zu Beginn dieses J ahres 1940 wurden die politischen
Parteien gezwungen sich aufzulosen, und an ihre Stelle trat der > Bund zur
Forderung der Kaiserherrschaft < (Taisei Yokusankai).
Dieser > Bund zur Forderung der Kaiserherrschaft < bemUhte sich, das ganze
Land zu mobilisieren: die Heimatfront, den Willen aller politischen, sozialen und
kulturellen Einrichtungen und auch mit Parolen wie > Der Weg des Kaisers «K6d6), > Yamato-Geist <(Yamato damashii), > Die ganze Welt unter einem Dach <
(Hakk6ichiu) die geistige Sphiire des Volkes. Die gewaltigen MobilisierungsbemUhungen des Staats trugen dazu bei, eine allgemeine Ubereinstimung zu erzielen, denn
die Andersdenkenden oder Zaudernden hatten nun buchstiiblich keinen Ort mehr, wo
sie sich verstecken konnten.
III. Literaturpolitik
Nach der Eroffnung des Krieges gegen China spielten auch die japanischen
Schriftsteller fUr die damalige Nationalpolitik eine groBe Rolle, urn die Volksstimme
zu vereinheitlichen und das ganze Yolk wie einen Mann zu mobilisieren.
In dem > Bund zur Forderung der Kaiserherrschaft < (Taisei Yokusankai) war eine
Kulturabteilung eingerichtet worden, die aIle Bereiche auGer der Politik und Wirtschaft,
d.h. Erziehung, Religion, Wissenschaft, Technik, Literatur, Kunst, Zeitungen,
Zeitschriften, Rundfunk, Verlage und sogar auch medizinische Behandlung,
4
HAMASAKI Kazutoshi
Gesundheitspflege, Sport, VergnUgung u.a. zu manipulieren beabsichtigte. Man grUndete in dieser Abteilung den Japanischen Patriotischen Schriftstellerverband
(Nihonbungaku HOkokukai), der mit dem Schaffen von Literaturwerken dem Staat
dienen wollte. Bei der GrUndungszeremonie dieses Verbands im Juni 1942
versammelten sich Uber 2000 Personen; Die gesamte Mitgliederzahl betrug 4000.
Darunter befanden sich auch Literaturwissenschaftler.
Die japanischen Schriftsteller riefen inzwischen auch eine Literaturbewegung an
der Heimatfront (Bungei jOgo undO) ins Leben und veranstalteten fUr die MobilisierungsbemUhungen des Staats und die DurchfUhrung des Kriegs vom Mai 1940
bis Ende 1942 nicht nur an der Heimatfront im Inland, sondern auch in KolonieUindern, Korea, Taiwan, Mandshukuo und Sachalin, Vortragsversammlungen. Die
Gesamtzahl von 200 Schriftstellern beteiligte sich spontan an diesen Veranstaltungen. Von der GrUndung an veranstaltete der oben genannte Japanische
Patriotische SchriftsteIlerverband diese Versammlungen.
Auf Anforderung der Regierung im Juli 1937, kurz nach dem Kriegsausbruch
gegen China, entsandten die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage viele Schriftsteller
wie YOSHIKAWA Eiji, SUGIYAMA Heisuke, HAYASHI Fusao, OZAKI ShirO, KISHIDA Kunio, ISHIKAWA TatsuzO u.a. an die Front nach China, urn an Ort und
Stelle Berichte schreiben zu lassen. Sie verfaBten Uber den Krieg in China erfolgreiche Reportagen und auch Literaturwerke.
Dieser Erfolg diente der Regierung als eine der Richtlinien der Nationalpolitik.
Das KabinettsinformationsbUro wirkte nun namlich auf den ehemaligen Schriftstellerverband (Bungeika kyOkai) ein, damit er eine sogenannte "Federtruppe" ("Pen
butai") bilden soIlte, urn Schriftsteller im Herbst 1938 zum gr5Bten Kampfgebiet in
China (KankO) zu schicken. KIKUCHI Kan, Vorsitzender diesesVerbandes, arbeitete
mit der Staatsgewalt zusammen und wahlte 22 Mitglieder fUr diese "Federtruppe"
aus: YOSHIKAWA Eiji, KISHIDA Kunio, TAKII KOsaku, FUKADA Kyuuya,
KITAMURA Komatsu, SUGIYAMA Heisuke, HAYASHI Fumiko, KUME Masao,
SHIRAI Kyouji, ASANO Akira, KOJIMA MasajirO, SATO SOnosuke, OZAKI ShirO,
HAMAMOTO Hiroshi, SATO Haruo, KAWAGUCHI MatsutarO, NIWA Fumio,
YOSHIYA Nobuko, KATAOKA· Teppei, NAKATANI Takao, KIKUCHI Kan,
TOMIZAWA Uio. Sie waren aIle als Schriftsteller im ganzen Land sehr bekannt. Da
das Militar ihnen fUr die Vorbereitung zur Reise einen hohen Betrag bezahlte,
trugen die meisten von ihnen ein Fernglas, eine Pistole, einen Sabel und auch eine
neue Soldatenuniform und sahen wie Generale aus. 4 Sie waren darauf sehr stolz, als
Teilnehmer ausgewahlt worden zu sein.
Die Staatsgewalt vergewisserte sich nun, daB es nicht schwierig sei, Schriftsteller
zu manipulieren. Als das japanische Militar am 8. Dezember 1941 Pearl Harbour
angriff, waren sie kurz davor in der Funktion von Berichterstattern und
Propagandisten zusammen mit Photographen, Kunstmalern, Filmregisseuren,
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Rundfunksprechern, Journalisten, Redaktionsmitgliedern und sogar auch FUhrern
der Religionsgemeinschaften zum Kriegshilfsdienst eingezogen worden, und zwar
diesmal nicht wie Generale, sondern nur als Soldaten. Sie wurden jetzt nur mit
einem Einberufungsbefehl vornehmlich nach den Philippinen, Malakka, Java und
anderen sUdostasiatischen Landern geschickt.
N. Faschistische Literatur in der Kriegszeit in Japan
Man hat bisher in Bezug auf den 15-jahrigen Krieg drei verschiedene gesammelte
Literaturwerke ver5ffentlicht: CD "Gesammelte Literaturwerke yom Showa-Krieg"
("Showa sens~ bungaku zensyu"), 15 Bande mit einer Sonderausgabe, Shuei Verlag,
1964-1965, ("Showa" bedeutet eine bestimmte Zeit [1926-1989J unter Showa-Tenn~,
einem der japanischen Kaiser, der nach dem II. Weltkrieg zum Symbol des Staates
und der Integration des Volkes gemacht wurde.) ® "Kriegsliteratur" ("Sens~ no
bungaku"), 8 Bande, T~to Verlag, 1965, ® "Gesammelte Literaturwerke yom
Krieg" (" Sens~ bungaku zensyu"), 6 Bande mit einer Sonderausgabe, Mainichi
Shinbun Verlag, 1971-1972.
In diesen Banden kann man heute zahlreiche Literaturwerke yom Krieg finden.
Darunter befinden sich auch diejenigen, die nach der Kriegszeit den Krieg und die
Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki kritisch beschrieben, aber vor aHem
diejenigen, die wahrend der 15-jahrigen Kriegszeit die Richtlinien der japanischen
Invasionspolitik und damit den Invasionskrieg Japans unterstUtzten. Man muB diese
Literaturwerke, deren gr5Bter Teil als Literatur von unschatzbarem Werte heutzulage,
tiber 50 Jahre nach der Kriegszeit, von allen Generationen fast schon vergessen ist,
als "faschistisch" bezeichnen und aus diesem Grund nochmals genauer betrachten.
Wenn man aul3erdem liber die "Faschistische Literatur in der Kriegszeit in
Japan" kurz und blindig berichten m5chte, muB man wohl die folgenden zwei Kernpunkte behandeln:
(1) Soldaten-Schriftsteller
HINO Ashihei (1907-1960) wurde im September 1937 als Hauptgefreiter zum Militardienst nach China einberufen. 1m November dieses Jahres bekam er auf dem
Kriegsschauplatz in China wegen seines Werkes "Eine Geschichte von Kot und
Drin" ("Fun nyo tan") den Akutagawa-Preis, der neben dem Naoki-Preis seit deren gleichzeitigen Stiftungen 1935 einer der in Japan bekanntesten Literaturpreise
ist. Er ver5ffentlichte dann im nachsten Frtihjahr (1938) "Weizen und Soldaten"
("Mugi to heitai"), Tagebuchblatter yom Kriegsschauplatz westlich Schanghai. Die
erste Auflage dieses Buchs betrug 1.2 Millionen Exemplare und wurde ein Bestseller.
Er schrieb auch wahrend des Kriegs "Erde und Soldaten" ("Tsuchi to heitai" ,1938),
"Blumen und Soldaten" ("Hana to heitai" ,1938-1939), "Die Armee" ("Riku gun",
6
HAMASAKI Kazutoshi
1943-1944) und viele andere Literaturwerke. 1m September 1945, fast emen Monat
nach der Kapitulation Japans vom 15. August, brachte er einen Essay "Traurige
Soldaten" ("Kanasiki heitai)" zur Niederschrift, wobei er zeitweilig daran dachte,
mit diesem Essay seine literarische Aktivitat abzubrechen.
HINO war damals der bekannteste unter den sogenannten "Vier SoldatenSchriftstellern": HINO Ashihei, UEDA Hiroshi, HIBINO Shir~ und dann MUNETA
Hiroshi. Sie beschrieben aIle als Soldaten und Schriftsteller ihre unmittelbaren
Erfahrungen und Erlebnisse auf dem Kriegsschauplatz in China und waren im ganzen Inland zu Ruhm und Ehre gelangt. Nach der Niederlage Japans, im Zeitraum
von 1948-1950, war HINO von den GHQ (General Headquarters) der amerikanischen
Besatzungstruppe aus 5ffentlichen Aktivitaten ausgeschlossen. Er war damit als
Kriegsverbecher gebrandmarkt.
Was hat denn der Soldat-Schriftsteller, HINO Ashihei, geschrieben?
In seinem heute noch bekanntesten Werk "Weizen und Soldaten" beschrieb er
Soldatentruppen, die durch die unendlich weiten Weizenfelder in China marschierten,
urn zu kampfen in den Feldern, D5rfern oder an den FlUssen. Er fUhlte dabei auch
Nahe und Sympathie fUr die chinesischen "Bauern wie die Erde" , 5 die stumpf und
stur waren, aber mit ihrer Kraft die gewaltig weiten Weizenfelder dort in China
bebaut hatten. Er empfand in den Feldern und in der Innerlichkeit der Bauern eine
starke "Lebenskraft". 6 FUr die Bauern war auGer der Weizenernte und dem
Gedeihen ihrer eigenen Familie alles wertlos, sei es Politik, Gedanken, oder sogar
der Staat. Er betrachtet auch als Dichter Heimweh und Einsamkeit der Soldaten an
der Front und argert sich darUber, daB das Leben durch Geschosse so einfach zerst5rt wird. Er sagt: "Ich m5chte hier nicht sterben". 7
Auf diese Weise haben die Soldaten-Schriftsteller, die die faschistische Literatur
in Japan vertraten, nicht immer den Krieg gepriesen oder dem Kaiser Hymnen
geschenkt, urn heroische Stimmungen hervorzurufen. Die Literatur in der Kriegszeit
in Japan hat, von einigen Ausnahmen abgesehen und ganz allgemein gesagt, nicht
immer klar und deutlich Nationalismus, Militarismus oder Aufputschung des
Volksgeistes propagiert. Es waren eher in der japanischen modernen Literaturgeschichte
hochberUhmte Dichter wie TAKAMURA K~tar~, SAITO Mokichi u.a., damit
sozusagen Vertreter der japanischen Literatur-Elite, die als Ausnahmen mit Schwung
zum Marsch an die Front bliesen. 8
Die Soldaten-Schriftsteller spielten jedoch sicherlich eine groBe Rolle, urn den
Invasionskrieg zu unterstUtzen und ihn zu f5rdern. 9 Sie beschrieben zwar in den
meisten Fallen scheinbar nur die Banalitaten auf dem Kriegsschauplatz und
manchmal das langweilige Alltagsleben· der gemeinen Soldaten. Sie interessierten
sich aber auch fUr die Ehrlichkeit und Starke ihrer Kriegskameraden, wobei sie den
Krieg als ihren Alltag und ihre Pflicht hinnahmen. An der Front ertrugen sie auf
diese Weise geduldig alles, weil eben Krieg war. lO Diese Geduld, Ehrlichkeit und
EIN BERICHT UBER DIE FASCHISTISCHE LITERATUR IN J APAN
7
auch Starke gehorten nicht nur den Soldaten auf dem Kriegsschauplatz in China,
sondern auch fast allen Japanern an der Heimatfront. HINO Ashihei erkannte namlich ein verborgenes Wesen des japanischen Volkes, eine seelische Kraft des Volkes,
auf die gestiitzt man sogar zum blutigen Invasionskrieg treiben konnte. Hier liegt
wohl ein sicherer Grund, daB die Soldaten-Schriftsteller, vor aHem HINO Ashihei,
nicht nur das damalige japanische Volk bezauberten, sondern auch heute noch uns
Japaner ergreifen. Es handelt sich deshalb dabei urn die Frage, ob wir Japaner nach
der Kriegszeit in Wirklichkeit ganz anders als vor dem Krieg geworden sind. 11
(2) Die japanische romantische Schule
Die Zeitschrift "Die japanische romantische Schule" ("Nihon R~man Ha") wurde
im Friihling 1935 von 6 Mitgliedern einer literarischen Gruppe gegrlindet, die unter
dem EinfluB der deutschen Romantik eine Zeitschrift namens "Cogito" ("Kogito",
1932-1944) veroffentlicht hatte. Sie hatten schon vorher, im Herbst 1934, in der
"Cogito" die Griindung dieser Schule angekiindigt. Das Jahr 1934 war 3 Jahre nach
dem ) Mandschurei-Zwischenfall {, und 2 Jahre spater eroffnete Japan den
Invasionskrieg gegen China. Die Gedankenwelt beherrschte damals der Nationalismus
iiberall im ganzen Land. Die proletarische Literaturbewegung, die seit Anfang der
zwanziger Jahren in BlUte stand, verlor jetzt ihre Wirkungkraft, denn der japanische
proletarische Kulturverband, der auf Esperanto KOPF, Federacio de Proletaj
Kulturaj-Organizoj Japanaj, hieB, und zu dem auch der japanische proletarische
Schriftstellerverband (Nippon Puroretaria Sakkad~mei) gehorte, war im Frlihling
desselben Jahres schon vollkommen zerstort worden. Das Entscheidende war, daB
fast alle Gegenkrafte des herrschenden Nationalismus schon damals ausgestorben
waren.
Es war YASUDA Yojyure (1910-1981), der als Asthetiker und Kritiker im Mittelpunkt der japanischen romantischen Schule stand. Die Zeitschrift dieser Schule
erschien bis zum Sommer 1938, somit in dem Zeitraum von nur etwa 3 Jahren, in
einer Folge von insgesamt 29 Nummern. Die Zahl der Autoren, die in diesem
Zeitraum der Schule angehorten, betrug insgesamt 52. Es handelte sich urn bekannte
Schriftsteller und auch Wissenschaftler, deren gro3ter Teil Germanisten war .12
YASUDA erfuhr in China als Soldat die Niederlage Japans und kam in die Heimat zurlick. Einige Jahre nach der Heimkehr, im Jahr 1948, wurde er von offentlichen Amtern ausgeschlossen. Er griindete aber im nachsten Jahr eine Zeitschrift
"Das Vaterland" ("Sokoku"). In den Jahren 1971-1972 lieB er iiberdies "YASUDA
Yojyures ausgewahlte Werke" (lOYASUDA Yojyfir~ sensyfi") in 6 Banden drucken.
Seine groBen gesammelten Werke ("YASUDA Yojyfire zensyu") erschienen in den
Jahren 1985-1989 in 40 Banden mit 5 Sonderausgaben. Er wirkte daher mehr oder
weniger dauernd auf die Nachkriegszeit ein.
YASUDA wurde auBerdem damals bis zum Kriegsende vor allem von der jungen
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HAMASAKI Kazutoshi
Generation sehr viel gelesen. Nicht nur junge Intellektuelle, sondern auch junge
Leute im Kriegshilfsdienst, Fabrikarbeiter und Fahrer u.a. lasen ihn haufig. Man
betete YASUDA, der mit den anderen Mitgliedern der Schule die Modernisierung
und Kulturerneuerung Japans zu vernichten versuchte, sogar wie ein G6tzenbild an.
Die Modernisierung westlicher Pragung begann in Japan erst seit dem Jahr 1868,
das geschichtlich als Beginn der Meiji-Restauration oder Meiji-Reform bezeichnet
wird. Nach der langen Uber 200-jahrigen Zeit der AbschlieBungspolitik 0639-1858)
erlebten die Japaner in der letzten Halfte des 19. Jahrhunderts erst die> Offnung <
ihres Landes und dann diese Meiji-Reform, die die Wandlung Japans von einem zunachst feudalen, dann weitgehend zentralistisch gelenkten, von der Ubrigen Welt
abgeschnittenen Staat zu einer modernen GroBmacht besiegelte. ("Meiji" bedeutet
eine bestimmte Zeit [1868-1912], die Meiji-Tenn~, einer der japanischen Kaiser, bis
zu seinem Tod beherrschte.)
Ais Folge dieser Modernisierung in den verschiedenen Bereichen des Staats wurde
Japan bald Sieger in den folgenden drei groBen Kriegen: CD dem JapanischChinesischen Krieg (1894-1895), ® dem Japanisch-Russischen Krieg (1904-1905), ®
dem Ersten Weltkrieg (1914-1918), also gegen Deutschland, und entwickelte sich
von einem unterdrUckten Land allmahlich zu einem Land, das andere, vornehmlich
asiatische Lander unterdrUcken wollte und sie tatsachlich unterdrUckte. Japan
erzielte auf diese Weise bei der Modernisierung nach europaischem' Vorbild mit
unwiderstehlicher Gewalt einen groBen Erfolg.
YASUDA kritisierte aber einmal in seinem Essay "Der Geist der Meiji-Zeit" ("Meiji
no seishin" , 1943) den Gedanken der Kulturerneuerung 13 : Die Japaner seien von dem
Glanz der europaischen Zivilisation blind gemacht worden. Sie konzentrierten sich
nur auf die sehnsUchtige Nachahmung, weil es ihnen darauf ankomme, in voller
Geschwindigkeit westliche Lander einzuholen. Das sei ja nicht immer schlimm gewesen.
Das Schlechteste daran ware, daB sie auf diesem Weg der Kulturerneuerung das
Wesen des japanischen Volksgeistes vergessen hatten: Er hielt deshalb die Nachahmung
der westlichen Zivilisation fUr eine selbstqualerische Mentalitat, womit man sich
selbst verlieren wUrde.
Er erklarte auch in einer kulturvergleichenden Schrift mit dem Titel "Die japanische
BrUcke" ("Nihon no hashi") Unterschiede des Geisteswesens von Japan und dem
Westen. 14 Man schlage in Japan Uber einen FluB eine BrUcke als WeiterfUhrung eines
Weges bzw. der Natur. Eine BrUcke k5nne deswegen ein trauriges und edles Denkmal
flir einen jung im Krieg Gefallenen, zur Beruhigung von dessen Seele, abgeben. Die
BrUcke im Westen sei auch eine WeiterfUhrung, aber nicht der Natur, sondern der
Architektur. Nach der BrUcke komme wieder als steinerner Weg die Architektur. Sie
sei bis zum Ende kUnstlich, zum Zweck der Eroberung und Beherrschung.
Er hatte Schlegel, Tieck oder Novalis gelesen und sich 'die romantische Ironie'
aus der deutschen Romantik angeeignet. Mit ihrem Paradoxon versuchte er
EIN BERICHT UBER DIE FA8CHI8TI8CHE LITERATUR IN JAPAN
9
Wirklichkeit und Fiktion zu vereinigen. Der Krieg, sogar der Tod wurde von ihm als
iisthetische Fiktion verstanden. Ein Literaturkritiker, der ein damaliger Zeitgenosse
gewesen war, erinnert sich in seinem Essay
romantische Schule
">
<" (" > Kogito < to > Nihon
Cogito
< und
Reman Ha
<",
> die
japanische
1977) an seine
Vergangenheit wahrend des 15-jahrigen Kriegs und erwahnt traurig, er flihle beim
Namen der japanischen romantischen Schule heute noch lebhaft, wie der Gestank
des Todes darliber schwebe. 15
YASUDA Yojyo.re schrieb einmal liber den Krieg 16 : Der Krieg sei nichts anderes
als unsere innere Einstellung zum Kriegsschauplatz. Genauso wie ein Waka-Dichter
im Altertum gesungen habe: "Stirb neben unserem GroBen Herrn!", lebe heute noch
ein tapferer Soldat. Der wlinsche nur, bei dem GroBen Herrn zu sterben, denke
nichts anderes als das und sei wortlos.
Die japanische romantische Schule forderte auf diese Weise von der jungen
Generation, sich dem Faschismus, also dem unmenschlichen Krieg, zum Opfer zu
bringen.
Anmerkungen
1 Vgl. SHUICHI KATO: GESCHICHTE DER JAPANISCHEN LITERATUR. Die
Entwicklung der poetischen, epischen, dramatischen und essayistisch-philosophischen
Literatur Japans von den Anfangen bis zur Gegenwart. Aus dem Japanischen
iibersetzt von Horst Arnold-Kanamori, Gesine Foljanty-Jost, Hiroomi Fukuzawa
und Makoto Ozaki, 1.Aufl. 8cherz Verlag, Bern, Miinchen, Wien 1990, 8.616-620.
2 In diesem Kapitel I verdanke ich die Geschichtsdarstellung in der deutschen Sprache
dem Buch: Kiyoshi Inoue: Geschichte Japans. Aus dem Japanischen und mit einem
VorwortvonManfred Hubricht, 2.Aufl. Campus Verlag, Frankfurt/Main, New York
1995, S.551-580.
3 In diesem Kapitel IT sind Ubersetzungen der in den Klammern beschriebenen
japanischen Bezeichnungen und auch einige Zeilen buchsUiblich zitiert aus dem
Buch: Das Japanische Kaiserreich. Herausgegeben und verfa13t von John Whitney
Hall, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, Juni 1968, S.333-336.
4 TAKASAKI Ryuji beschreibt diese Szene sehr kritisch. Vgl. ders.: Feder und Krieg:
Schande und Widerstand (Pen to sens6. Sono kutsujoku to teik6), Seiko Shob6,
T6kyo 1976, S.36.
5 HINO Ashihei: Erde und Soldaten (Tsuchi to heitai). In: Die japanische Literatur
(Nihon no bungaku ) 51, Chfi6 k6ron Verlag, T6kyo 1968, S.320.
6 Ebenda, S.333.
7 Ebenda, S.364.
8 Vgl. TAKAMURA KMar6: An den gro13artigen Tagen (Oinaru hini). In: Gesammelte
Literaturwerke vom Krieg (Sens6 bungaku zensyfi), Sonderausgabe, Mainichi Shinbun
Verlag, Tokyo 1972, S.137-158. Und auch SAITO Mokichi: Aus den gesammelten
Gedichten (SAITO Mokichi zenshyfi sh6). In: Gesammelte Literaturwerke vom Krieg,
ebenda, 8.180-188.
10
HAMASAKI Kazutoshi
9 Vgl. YASUDA Takeshi: Der in der Kriegsliteratur zu sehende 'Volkscharakter'
(8ensobungaku ni miru 'Minzoku no kishitu'). In: ders.: Die 8tandard-Abhandlungen
von der Kriegsliteratur (Teihon Sens~bungaku ron), Dai san bunmei Verlag, T~ky~
1977, 8.271-288.
10 Vgl. Ebenda, S. 276.
11 Vgl. H08HINO Mitsunori: Die Kriegsliteratur und der 8tandort der NichtErlebnisgeneration. 1m Mittelpunkt die Literaturwerke im Japanisch-Chinesischen
Krieg 0937-1945) (8ensabungaku to hitaikensya no ichi. NicchyOusens~ ka no
sakuhin wo tyOshin to shi teL In: YASUDA Takeshi und ARIYAMA Taigo
(Hrsg.): Eine neue Kritik. Die 8truktur der modernen japanischen Literatur. 6. Die
moderne Kriegsliteratur (Shin hihy~. Kindai nihonbungaku no kaz~. 6. Kindai sens~bungaku), Kokusyo kank~kai, T~ky6 1980, 8.171-189. Vor aHem 8.171 und 8.187.
Er steHt in der Abhandlung zunachst die schwerwiegende Frage, ob dieselbe
Mentalitatsstruktur der Japaner, die den letzten Krieg fBrderte, heute noch immer
geblieben ist, und gelangt dann zu dem sicheren 8chluB, daB ihre Mentalitatsstruktur
an sich, die sich zu einer herrschenden Ideologie hinneigt, sich bis heute gar nicht
geandert hat.
12 Vgl. 8AEGU8A Yasutaka: Die Bewegung der japanischen romantischen 8chule
(Nihon Roman Ha no undo), Gendai Verlag, Taky~ 1969, S.262.
13 Vgl. YA8UDA YojyOra: Der Geist der Meiji-Zeit (Meiji no seishin). In: ders.:
Gesammelte 8chriften (YASUDA YojyOra zensyO), 19. Band, K~dan Verlag, T~kya
1987, 8.358.
14 Vgl. YASUDA YojyOra: Nihon no hashi. In: Zeitschrift "Bungaku Kai", Bunka
karon Verlag, T~ky6 1936, 8.256-271. Vor aHem 8.257 und 8.269-270.
15 Vgl. KUWAJIMA Genji:) Kogito < to ) Nihon Raman Ha <. In: Materialienserie
fUr die Erforschung der japanischen Literatur. Die japanische romantische 8chule
(Nihon bungaku kenkyO shirya sasho. Nihon Raman Ha), YOseida, T~ky~ 1977,
8.23.
16 Vgl. YASUDA YojyOra: Der GroBe Ostasiatische Krieg und die Japanische Literatur (Dait~a sensa to nihonbungaku). In: Gesammelte 8chriften, ebenda, [Anm.
13], 8.212.
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