2.2016 das Krankenhaus Management Prof. Dr. Heinz Naegler Für ein zeitgemäßes Krankenhausmanagement Eines der zentralen Anliegen des Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG) ist die Förderung der Qualität. Die Bundesregierung geht davon aus, dass ein Verzicht auf Qualitätswettbewerb Anreize ungenutzt lässt, die auf eine Steigerung der Behandlungsqualität und damit des Patientenwohls abzielen.1) Doch welche Art von Qualität meint der Gesetzgeber? Ganz offensichtlich nicht die zur Prozessqualität zu zählende Qualität des Managens eines Krankenhauses. Dabei schafft das Managen eines Krankenhauses die Voraussetzungen für die qualitativ hochwertige und patientengerechte Versorgung.2) Die Qualität der Betriebsführung eines Krankenhauses sollte deshalb in die von der Bundesregierung geplante Förderung einbezogen werden. Wie aber wird die Qualität des Managens eines Krankenhauses gemessen? Welches sind die Kriterien, anhand derer festgestellt werden kann, wie gut ein Krankenhaus geleitet wird?3) In dem vorliegenden Beitrag werden Grundpostulate für ein zeitgemäßes Krankenhausmanagement vor- und zur Diskussion gestellt. Aus ihnen lassen sich Kriterien entwickeln, die entweder als eigenständiges Qualitätsmanagement-System oder als Ergänzung einschlägiger Kriterien der Qualitätsmanagement-Systeme „European Foundation for Quality Management (EFQM)“, „Joint Commission on Accreditation of Healthcare Organizations (JCAHO)“ und „Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen (KTQ)“ eingesetzt werden können. 1. Zur Ausgangssituation D ie Bedingungen, unter denen Krankenhäuser Gesundheitsleistungen erbringen, engen die Gestaltungsspielräume des Krankenhausmanagements immer mehr ein: Die Bundesländer nehmen ihre gesetzliche Verpflichtung, Investitionen der Krankenhäuser durch das Bereitstellen von Fördermitteln zu finanzieren, in immer geringerem Umfang wahr. Die Krankenhäuser müssen deshalb Gewinne erwirtschaften, um die notwendigen Investitionen zumindest teilweise, gegebenenfalls auch vollständig selbst finanzieren zu können. Es gibt Hinweise darauf, dass Geschäftsführer von Krankenhäusern bei ihren unternehmerischen, das Handeln der Ärzte unmittelbar oder mittelbar beeinflussenden Entscheidungen – weil sie Gewinne erwirtschaften müssen – nicht nur dem Wohl ihrer Patienten verpflichtet sind.4) Die Bewertungsrelationen des G-DRG-Systems bilden die Kostenstrukturen der Krankenhäuser nur unzureichend ab. Das betrifft unter anderem Maximalversorger, die in zunehmendem Maße schwerstkranke Patienten zu behandeln haben und angesichts der auf der Grundlage einer Durchschnittskalkulation entstehenden Bewertungsrelationen eine nicht ausreichende Vergütung ihrer Leistungen erhalten. Das betrifft ähnlich auch einzelne Fachgebiete – wie zum Beispiel die Kinderheilkunde. Die dadurch entstehenden Verluste müssen durch Gewinne, die in anderen Leistungsbereichen erwirtschaftet werden, ausgeglichen werden. Ein größerer Anteil der Krankenhäuser schreibt seit mehreren Jahren Verluste. Das Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) rechnet damit, dass der Anteil der Krankenhäuser mit erhöhter Insolvenzgefahr bei Fortschreibung des Status quo bis zum Jahr 2020 auf 27 Prozent steigen wird. Die finanziellen Hilfen, die über das KHSG wirksam werden, würden laut RWI nur dazu beitragen, dass der Anteil der von Insolvenz bedrohten Krankenhäuser nicht weiter steigt.5) Auf die Notwendigkeit, Gewinne realisieren sowie Verluste ausgleichen zu müssen, reagieren die Geschäftsführungen der Krankenhäuser notgedrungen unter anderem mit der Steigerung der Leistungen und damit der Erlöse, mit Kürzungen des Personaleinsatzes sowie – und dieses betrifft vor allem Ärzte und Pflegekräfte – mit der Forderung nach mehr Leistungen pro Zeiteinheit. Die Belastung der Mitarbeiter nimmt zu, und ein Teil von ihnen wird schlechter honoriert als bisher. In Folge der skizzierten Veränderungen ist die Stimmung unter den Krankenhausmitarbeitern nicht gut. Immer wieder ist zu vernehmen, dass Mitarbeiter ihren Beruf als Arzt oder als Krankenpflegekraft aufgeben wollen. Es wird immer schwieriger, qualifizierte und motivierte Mitarbeiter für das Besetzen vakanter Stellen zu gewinnen. Das Krankenhausmanagement muss mit finanziell und demographisch bedingten Einschränkungen seiner Handlungsspielräume rechnen. Die Anliegen der Patienten, der Mitarbeiter, der Bürger als potenzielle Patienten und als Beitrags- und Steuerzahler sowie die der Krankenhauseigentümer und ande123 das Krankenhaus Management Tabelle 1: Grundpostulate des Managements der sozialen Verantwortung6) Grundpostulate Abbildung 1: Gewichtung der Grundpostulate als Basis für die Bewertung der Unternehmensstruktur-Gestaltungsalternativen (Beispiel, eigene Darstellung) Formalzielorientierung Berücksichtigung der Interessen Betroffener Sachzielorientierung 2.2016 Handeln leiten, könnten im ökonomischen Sinne auf Dauer nicht erfolgreich sein; ein Primat der Gewinnerzielungsabsicht schließe die Berücksichtigung moralischer Normen aus. Die in Krankenhäusern wahrzunehmende Praxis zeigt, dass es eines Managementkonzepts bedarf, das zum einen auf den Erkenntnissen der Betriebswirtschaftslehre basiert und das andererseits den Verpflichtungen gegenüber diversen Stakeholdern – der Übernahme sozialer Verantwortung also – eine zentrale Rolle einräumt. Es bedarf eines institutionellen und personellen Rahmens, der sozial verantwortliches Handeln von Förderung der argumentativen, dialogischen Verständigung Begründungspflicht Beschränkung des Gewinnprinzips Förderung der Mündigkeit der Stakeholder Beachtung moralischer Prinzipien rer Stakeholder können bei unternehmerischen sowie bei mitarbeiter- und patientenbezogenen Entscheidungen nicht mehr in dem bisher gewohnten Maße berücksichtigt werden. Zielund Verteilungskonflikte zeichnen sich ab. Immer deutlicher wird der Gegensatz zwischen den Unternehmen, die mehr erwerbswirtschaftlich organisiert sind und deren Strategie auf Gewinnerzielung und Wachstum (= Formalziel des Krankenhauses) als Voraussetzung für die langfristige Sicherung des medizinischen Angebotes ausgerichtet ist, und jenen Krankenhäusern, deren Unternehmensziel primär die Deckung eines medizinischen Bedarfs (= Sachziel des Krankenhauses) ist und die die Gewinnerzielung als Instrument zur Realisierung dieses Ziels begreifen.6) Der Anteil der erwerbswirtschaftlich verfassten Krankenhäuser nimmt zu und damit der Anteil jener Krankenhäuser, bei denen unternehmerische sowie patienten- und mitarbeiterbezogene Entscheidungen durch Kriterien geprägt sind, die mehr am Formal- als am Sachziel orientiert sind. 2. Das andere Managementkonzept Das Managen von Medizinbetrieben hat nicht nur eine ökonomische sowie eine organisatorisch-technische, sondern auch eine moralische Dimension. Moral und Ökonomie sind zwei unvereinbare Kategorien, wird freilich immer wieder behauptet. Einrichtungen des Gesundheitswesens, in denen moralische Normen – wie Freiheit, Solidarität, Autonomie der Patienten, Menschenwürde, Gerechtigkeit – unternehmerisches 124 allen Führungskräften und Mitarbeitern verlangt, die Führungskräfte und Mitarbeiter motiviert, diesem Verlangen zu entsprechen, und die Voraussetzung dafür schafft, dass die Führungskräfte und Mitarbeiter imstande sind, sozial verantwortliches Handeln wirksam werden zu lassen. Damit das Schaffen des erwähnten institutionellen und personellen Rahmens auch im Detail aufeinander abgestimmt erfolgt, muss sich deren Entwicklung von klaren Regeln (siehe X Tabelle 1) leiten lassen. Die Entwicklung dieses neuen Managementkonzepts beginnt mit der Verständigung der an dieser Entwicklung Beteiligten und der von deren Umsetzung Betroffenen, welche Grundpostulate mit welchen Inhalten und mit welchen Gewichten bei Entscheidungen berücksichtigt werden sollen (zu der beispielhaften Gewichtung der Grundpostulate siehe X Abbildung 1). Dieser Entwicklungsschritt ist insofern von zentraler Bedeutung, als von dem Ergebnis die Resultate unternehmerischer sowie patienten- und mitarbeiterbezogener Entscheidungen geprägt werden. So werden die Strukturen eines Krankenhauses, die Arbeitsabläufe und das Verhalten der Mitarbeiter gegenüber den Patienten andere sein, wenn der Beachtung moralischer Prinzipien – wie zum Beispiel der Autonomie der Patienten – ein hohes Gewicht beigemessen wird, als wenn diesem moralischen Prinzip nur eine untergeordnete Bedeutung eingeräumt wird. Oder: Die Personalausstattung eines Krankenhauses wird eine andere sein, wenn der Sachzielorientierung – also der bestmöglichen Behandlung der Patienten – ein höheres Gewicht gegeben wird als wenn die Gewinnerzielungsabsicht im Vordergrund steht. Doch ein Management der sozialen Verantwortung wird die eingangs skizzierten Probleme nicht gänzlich lösen können. Es sind eben in erster Linie externe Einflüsse, die das Ent- Deutsche Krankenhaus Verlagsgesellschaft mbH Neuerscheinung Fachliteratur für Krankenhäuser Schnell und direkt: www.DKVG.de Grundlagen des Medizinrechts Krankenhausrecht, GKV- und Pflegerecht, Vertragsarztrecht und Nebengebiete Dr. Susanne Schlichtner unter Mitarbeit von Dr. Udo Burgermeister, Daniela Conrad, René Möller und Herbert Weiss 1. Auflage, 2015, 540 Seiten, kart. ISBN: 978-3-945251-46-1 Das umfassende Grundlagenwerk gibt einen fundierten Überblick über das komplexe Gebiet des Medizinrechts. Es soll Verständnis wecken für das Zusammenspiel der einzelnen Rechtsgebiete, die erst in ihrer Gesamtheit das Medizinrecht darstellen, und die Strukturen sowie Besonderheiten dieser Teilgebiete anhand aktueller und gefestigter Rechtsprechung darlegen. Im Buch werden u.a. folgende Themengebiete angesprochen: PRINT: € 69,90 (inkl. 7% MwSt., zzgl. Versandkosten) E-BOOK: € 62,90 (inkl. 19% MwSt., keine Versandkosten) Neuerscheinung 5HFKWVJUXQGODJHQGHU Leistungserbringer 6SH]LHOO.UDQNHQKDXVUHFKW Vertragsarztrecht, Pflegerecht .RRSHUDWLRQHQ]ZLVFKHQ Leistungserbringern $SRWKHNHQ$U]QHLPLWWHO0HGL zinprodukterecht *HVHW]OLFKH.UDQNHQYHUVLFKH rung (GKV) *HPHLQVDPHU%XQGHVDXVVFKXVV (G-BA) Das Buch richtet sich an Einsteiger wie auch an fachkundige Experten des Gesundheitswesens in Management, Medizin und Pflege, sowie an Studierende der gesundheitswirtschaftlichen und -wissenschaftlichen Disziplinen. Umgang mit Zwangsmaßnahmen in Krankenhäusern, Psychiatrien und Pflegeeinrichtungen Juristische Handreichung für die Arbeit in psychiatrischen und somatischen Kliniken und Pflegeeinrichtungen nach SGB XI Judith Scherr 1. Auflage, 2015, 222 Seiten, kart. ISBN: 978-3-945251-47-8 PRINT: € 39,90 (inkl. 7% MwSt., zzgl. Versandkosten) E-BOOK: € 35,90 (inkl. 19% MwSt., keine Versandkosten) Welche Zwangsmaßnahme ist medizinisch indiziert und rechtlich zulässig? Dieser Frage stehen Ärzte und Pflegekräfte, die in Krankenhäusern, Psychiatrien und Pflegeeinrichtungen arbeiten, nahezu täglich gegenüber. Das Buch zeichnet das Spannungsfeld zwischen Fürsorgepflicht der Einrichtung einerseits und der Autonomie des Patienten andererseits auf und gibt einen Überblick über die geltende Rechtslage. Es beinhaltet eine Vielzahl von Fallbeispielen aus der Rechtsprechung und Praxis sowie zahlreiche Textbausteine und Musterformulare. Aus dem Inhalt: $UWHQYRQ=ZDQJVPDQDKPHQLQ – somatischen Kliniken – der Psychiatrie – Pflegeeinrichtungen nach SGB XI 5HFKWOLFKH5DKPHQEHGLQJXQJHQ %HWUHXXQJXQG%HYROOPlFKWLJXQJ 9HUIDKUHQLQ8QWHUEULQJXQJVVDFKHQ 9RUVRUJHLQVWUXPHQWH – Patientenverfügung – Vorsorgevollmacht – Betreuungsverfügung – Behandlungsvereinbarungen Postfach 11 07 41 | 40507 Düsseldorf | Tel.: 0211/17 92 35-0 | E-Mail: [email protected] das Krankenhaus Management scheidungsverhalten der Krankenhaus-Akteure determinieren. Aber selbst wenn die politisch Verantwortlichen und die Selbstverwaltungsgremien bereit wären, die finanziellen Rahmenbedingungen für die Krankenhäuser zu verbessern, durch das Bereitstellen von mehr Fördermitteln und durch die Anpassung der Bewertungsrelationen und der Basisfallwerte an die Höhe der Betriebskosten, wird es weiterhin so sein, dass die Ressourcen – gemessen an den zu erbringenden Leistungen – knapp sind. Das gilt vor allem für die Personalausstattung. Die Zahl der einsetzbaren Mitarbeiter wird – demographisch bedingt – knapp bleiben. Umso wichtiger ist es, dass es Regeln – auch als Grundpostulate bezeichnet – gibt, mit deren Hilfe Entscheidungen vorbereitet und gefällt werden können unter Berücksichtigung unterschiedlicher Stakeholder-Interessen. Die nutzenmaximierende Allokation der knappen Ressourcen wird damit unterstützt. 3. Die Grundpostulate im Einzelnen 3.1 Sachzielorientierung Ärztliches, aber auch unternehmerisches Handeln ist immer orientiert an dem Unternehmenszweck, an dem institutionellen Sinn des Krankenhauses.8), 9) Entscheidungen der Krankenhaus-Akteure und deren Umsetzung können nur dann als ethisch qualifiziert werden, wenn sie dazu dienen, Krankheiten, Leiden oder Körperschäden festzustellen, zu heilen oder zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten.10) Oder konkret: Nur dann, wenn das Handeln des Arztes auf eines dieser Behandlungsziele ausgerichtet ist, darf ein Patient in die stationäre Behandlung aufgenommen werden, und es dürfen nur jene medizinischen Leistungen für diesen erbracht werden, die dem Erreichen des aus dem Unternehmensziel abgeleiteten Behandlungszieles dienen. Die Sachzielorientierung schließt nicht nur die im letzten Absatz behandelte Beziehung zu den Patienten ein, sondern auch die Beziehung zu den Mitarbeitern. Damit das Krankenhaus seinem Versorgungsauftrag gerecht werden kann, müssen Ärzte, Pflegekräfte und/oder andere Mitarbeiter zu bestimmten Handlungen veranlasst werden – der Arzt zum Beispiel zu Entscheidungen über die Aufnahme in die stationäre Behandlung, über notwendige diagnostische und therapeutische Maßnahmen und über die Entlassung aus der stationären Behandlung bzw. über die Verlegung in eine andere Einrichtung. Die Mitarbeiter müssen bereit und imstande sein, die ihnen übertragenen Aufgaben sach- und zeitgerecht zu realisieren. Den Mitarbeitern dürfen allerdings nur solche Aufgaben zugeschrieben werden, die für diese nicht eine „ethische Zumutung“10) darstellen und deshalb deren Bereitschaft zum sach- und zeitgerechten Handeln einschränken. Und das ist immer dann der Fall, wenn von den Mitarbeitern – direkt oder indirekt – verlangt wird, bei der Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben nicht nur das Wohl der Patienten, sondern auch die Interessen anderer Stakeholder – mit unter Umständen höherem Gewicht als die Bedürfnisse der Patienten – zu berücksichtigen. 126 2.2016 3.2 Formalzielorientierung Alle Aktivitäten der Krankenhaus-Akteure müssen darauf gerichtet sein, die dem Krankenhaus gesetzten Ziele mit einem möglichst hohen Erfüllungsgrad zu realisieren; das gilt nicht nur für das Sachziel, sondern auch für das Formalziel. Mit der Realisierung des Formalziels werden die Existenz des Krankenhauses und damit das Angebot an medizinischen Leistungen und an Arbeitsplätzen dauerhaft gesichert. Damit ist die Notwendigkeit, Gewinne zu erwirtschaften, angesprochen – in dreierlei Hinsicht. Gewinne werden erstens benötigt, um in die bauliche, medizin- und hausgerätetechnische sowie in die personelle und strukturelle Weiterentwicklung des Krankenhauses investieren und um Rücklagen für eventuell schlechtere Zeiten bilden zu können. Sie dienen zweitens der Verzinsung des im Krankenhaus gebundenen Kapitals und drittens als Unternehmergewinn dem Ausgleich der Risiken, die der Krankenhaus-Eigentümer mit dem Betrieb eines Krankenhauses eingeht. Sowohl das Erwirtschaften von Gewinnen als auch deren Verwendung kann ethisch bedenklich sein.12) In Kapitel 3.7 wird ein Grundpostulat „Beschränkung des Gewinnziels“ thematisiert. 3.3 Berücksichtigung der Interessen Betroffener Die Geschäftsführung eines Krankenhauses fällt Entscheidungen und setzt diese durch konkretes Handeln um. Das Umsetzen dieser Entscheidungen dient der Befriedigung der als legitim akzeptierten Stakeholder-Anliegen. Wird das Grundpostulat „Berücksichtigung der Interessen Betroffener“ nicht angemessen berücksichtigt, könnten Rechte Betroffener verletzt und/oder deren Entscheidungsspielraum, den sie zwecks Realisierung ihrer eigenen Ziele benötigen, eingeschränkt werden. Zwischen den Anliegen der Stakeholder bestehen möglicherweise Konkurrenzbeziehungen. Insbesondere kann eine solche Beziehung zwischen den Bedürfnissen der Patienten und der Mitarbeiter auf der einen und der Gewinnerzielungsabsicht des Krankenhaus-Eigentümers auf der anderen Seite vermutet werden. Um die sich dadurch abzeichnenden Konflikte lösen zu können, verpflichtet sich die Geschäftsführung, die Bedürfnisse der Stakeholder proaktiv und systematisch zu analysieren und zu bewerten, um sie bei ihren Entscheidungen angemessen berücksichtigen zu können. Die Krankenhaus-Akteure verpflichten sich, Handlungen möglichst zu unterlassen, die den Anliegen der Betroffenen entgegenstehen und/oder deren Spielraum für die Realisierung ihrer eigenen Ziele allzu sehr einengen. 3.4 Förderung der argumentativen, dialogischen Verständigung Die Berücksichtigung der Interessen Betroffener setzt nicht nur die adäquate Organisation der Entscheidungsprozesse voraus. Das Grundpostulat „Berücksichtigung der Interessen 2.2016 das Krankenhaus Management Betroffener“ kann vielmehr nur dann wirksam werden, wenn weitere Bedingungen erfüllt sind: fällten Entscheidung durch ihre Handlungen beeinflussen können, immer größer. Die Entscheider müssen offen sein zum Dialog und imstan- So werden immer mehr Entscheidungen gefällt, deren Handlungsfolgen von den Entscheidungsträgern nicht mit Sicherheit vorhersehbar sind und von der Instanz, die das Unternehmerziel formuliert hat, so nicht gewollt waren. Die Geschäftsführung kann nicht darauf vertrauen, dass der Planungsprozess in allen seinen Verästelungen über das Unternehmensziel allein beherrscht werden kann.16) Das Erfüllen der bisher skizzierten Grundpostulate ist als Voraussetzung für verantwortliches Handeln nicht ausreichend. Es ist notwendig, neben der Bewertung unternehmerischen Handelns anhand der Folgen auch das Pflichtgemäße als Bewertungsmaßstab zu berücksichtigen.17) Die Geschäftsführung verpflichtet sich und all diejenigen, die befugt sind, unternehmerische sowie patienten- und mitarbeiterbezogene Entscheidungen zu fällen, das, was aktuell in der Gesellschaft als Handlung, Zustand oder Haltung für gut oder wünschenswert bzw. für böse und verboten gehalten wird, als Handlungsnormen in Betracht zu ziehen.18) de und bereit zur ethischen Reflexion ihres Handelns. Im Rahmen der argumentativen Auseinandersetzung mit den Betroffenen lassen sie ihre Meinung und ihre Ansprüche in Frage stellen und können ihre Standpunkte/Argumente für die Betroffenen verständlich vortragen. Von denjenigen, die von den Entscheidungen betroffen sind wird erwartet, ihre Anliegen zu begründen. Sie sollten sachkundig genug sein, um sich mit den Argumenten der Verantwortungsträger erfolgreich auseinanderzusetzen. Die Geschäftsführung verpflichtet sich deshalb, wenn erforderlich in die Argumentations- und Dialogfähigkeit sowohl der Entscheidungsträger als auch der von den Entscheidungen betroffenen Stakeholder (zum Beispiel Krankenhaus-Mitarbeiter, die von personalpolitischen Entscheidungen der Geschäftsführung betroffen sind) zu investieren. 3.5 Förderung der Mündigkeit der Stakeholder 3.7 Beschränkung des Gewinnziels Die argumentative, dialogische Verständigung zwischen den Verantwortungsträgern und denjenigen, die von Entscheidungen betroffen sind, setzt nicht nur das Erfüllen struktureller und prozessualer Normen und einschlägige soziale Kompetenz bei den Beteiligten voraus. Damit die Stakeholder, insbesondere die Führungskräfte und Mitarbeiter in ihrer Rolle als Stakeholder, ihre Interessen mit Erfolg geltend machen können, sollten sie imstande sein, für richtig gehaltene Definitionen kritisch in Frage zu stellen – und abweichende Wahrnehmungen auch gegen Widerstand zur Geltung zu bringen.13) Die Geschäftsführung verpflichtet sich deshalb, ein entsprechendes Betriebsklima zu schaffen: Die Bereitschaft der Stakeholder zur Präsentation ihrer Anliegen und zur Offenlegung von als verfehlt wahrgenommenen Entwicklungen setzt die Gewissheit voraus, dass dies keine negativen Konsequenzen hat und dass Willkür bei der Bewertung der von Stakeholdern gegebenen Hinweise ausgeschlossen ist.14) Von zentraler Bedeutung in diesem Zusammenhang ist die Entwicklung einer Fehlerkultur, die Fehler nicht primär personalisiert, sondern vor allem und zuerst als Chance für die kontinuierliche Verbesserung von Strukturen und Prozessen und in deren Folge von Ergebnissen begreift.15) Die Mitarbeiter dürfen nicht als „Fehlerquelle“, sie sollten als „Lösungsquelle“ angesehen werden. Mit der Forderung nach einer Beschränkung des Gewinnziels sind zwei Aspekte angesprochen: unter welchen Bedingungen ein Gewinn erwirtschaftet und wie der Gewinn verwendet wird. Mit dem Grundpostulat „Beschränkung des Gewinnziels“ wird gefordert, die strukturellen und organisationalen Bedingungen der Krankenhausarbeit so zu gestalten, dass Gewinne erwirtschaftet werden können unter Berücksichtigen unter anderem der Bedürfnisse der Patienten nach einer evidenzbasierten Behandlung und der Bedürfnisse der Mitarbeiter nach Zufriedenheit mit ihrer Arbeitssituation, nach Zumutbarkeit, Erträglichkeit und Ausführbarkeit der ihnen übertragenen Aufgaben. Die Aufnahme eines Patienten in die stationäre Behandlung ohne ausreichende medizinische Indikation, nur um auf diese Weise einen Erlös erwirtschaften zu können, ist damit ebenso wenig ethisch legitimiert wie die Steigerung der Behandlungseffizienz zulasten der Mitarbeiter. Die Gewinne sollten vor allem an den Bedürfnissen der Patienten und Mitarbeiter orientiert eingesetzt werden. Sie werAnzeige 3.6 Beachtung moralischer Prinzipien Angesichts zunehmender Spezialisierung und Arbeitsteilung im Allgemeinen und im Krankenhaus im Besonderen werden die Handlungsketten immer länger und die Zahl der Entscheidungsträger, die die Folgen der ge- Ihre spezialisierten Berater und Prüfer für alle Fragen im Krankenhaus www.bpg-muenster.de Münster – Berlin – Bremen – Köln – Stuttgart 127 das Krankenhaus Management den auch verwendet, um den Bestand des Krankenhauses und damit das Angebot an medizinischen Leistungen und attraktiven Arbeitsplätzen dauerhaft zu sichern, um eine angemessene Verzinsung des im Krankenhaus gebundenen Kapitals und um einen Ausgleich der Risiken, die der Krankenhaus-Eigentümer mit dem Betrieb eines Krankenhauses eingeht, gewährleisten zu können. Ethisch legitimiert ist die Gewinnverwendung dann, wenn Gewinne der Bedeutung der genannten Verwendungszwecke für die stationäre Versorgung der Bevölkerung entsprechend auf die Verwendungszwecke verteilt werden. 3.8 Begründungspflicht Das gelungene Management zeichnet sich dadurch aus, dass unternehmerische sowie patienten- und mitarbeiterbezogene Entscheidungen gegenüber den Betroffenen begründet werden und sich mittels guter Gründe verteidigen lassen.19) Dabei kann es sich bei den Gründen einerseits um materielle Normen handeln, also zum Beispiel um die Unternehmensziele und um die Anliegen, die von Stakeholdern geltend gemacht werden. Aber auch Verhaltensnormen, die den Umgang zum Beispiel der Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern, den Umgang der Führungskräfte und der Mitarbeiter mit Patienten oder das Verhalten der einschlägigen Krankenhaus-Instanzen zu Lieferanten steuern, zählen dazu. Es kann um prozessuale Normen gehen, die das Berücksichtigen der materiellen Normen bei unternehmerischen Entscheidungen fördern oder gar erst ermöglichen. Schließlich müssen sich die Entscheidungen durch rechtliche Normen begründen lassen. 4. Fazit Lässt das Krankenhausmanagement die skizzierten Regeln wirksam werden, können die Bedingungen für das Erbringen medizinischer, qualitativ hochwertiger sowie patientengerechter20) Leistungen und damit die Ergebnisse der im Krankenhaus Handelnden weiter verbessert werden. Die Behandlungsqualität und das Wohl des Patienten werden gesteigert. Vor allem werden Ärzte, Krankenpflegekräfte und andere Mitglieder der therapeutischen Teams gefordert und gefördert in der Wahrnehmung ihrer Tätigkeit als Treuhänder der ihnen anvertrauten Patienten. Die jährliche Leistungs- und Ressourcenplanung erfolgt dann nicht mehr top-down – offenbar ist dieses in nicht wenigen Krankenhäusern noch Planungspraxis –, sondern ist das Ergebnis einer argumentativ-dialogischen Verständigung zwischen Geschäftsführung und deren Mitarbeiter. Sowohl die Bedürfnisse der Patienten als auch die der Mitarbeiter sowie die Bedingungen für das Umsetzen der Planungsergebnisse werden auf diese Weise in den Planungsprozess integriert. Die medizinischen und nichtmedizinischen Kriterien als Grundlage für das Fällen patienten- und mitarbei- terbezogener Entscheidungen sind den Entscheidungsträgern bekannt und werden von diesen – weil von der Geschäftsführung nachvollziehbar begründet – akzeptiert. Anmerkungen 2015 - - 6) Beide Kategorien von Krankenhäusern findet man unter den Krankenhäusern - - Anschrift des Verfassers Prof. Dr. Heinz Naegler, Preußenallee 31, 14052 Berlin www.daskrankenhaus-online.de (Online-Volltext-Version) 128 2.2016