Zeitgemäßes Krankenhausmanagement

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2.2016
das
Krankenhaus
Management
Prof. Dr. Heinz Naegler
Für ein zeitgemäßes Krankenhausmanagement
Eines der zentralen Anliegen des Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG) ist die Förderung der Qualität. Die Bundesregierung geht davon aus, dass ein Verzicht auf Qualitätswettbewerb Anreize ungenutzt lässt, die auf eine Steigerung der Behandlungsqualität und damit des Patientenwohls abzielen.1)
Doch welche Art von Qualität meint der Gesetzgeber? Ganz offensichtlich nicht die zur Prozessqualität zu zählende
Qualität des Managens eines Krankenhauses. Dabei schafft das Managen eines Krankenhauses die Voraussetzungen
für die qualitativ hochwertige und patientengerechte Versorgung.2) Die Qualität der Betriebsführung eines Krankenhauses sollte deshalb in die von der Bundesregierung geplante Förderung einbezogen werden.
Wie aber wird die Qualität des Managens eines Krankenhauses gemessen? Welches sind die Kriterien, anhand derer
festgestellt werden kann, wie gut ein Krankenhaus geleitet wird?3) In dem vorliegenden Beitrag werden Grundpostulate für ein zeitgemäßes Krankenhausmanagement vor- und zur Diskussion gestellt. Aus ihnen lassen sich Kriterien
entwickeln, die entweder als eigenständiges Qualitätsmanagement-System oder als Ergänzung einschlägiger Kriterien der Qualitätsmanagement-Systeme „European Foundation for Quality Management (EFQM)“, „Joint Commission on Accreditation of Healthcare Organizations (JCAHO)“ und „Kooperation für Transparenz und Qualität im
Gesundheitswesen (KTQ)“ eingesetzt werden können.
1. Zur Ausgangssituation
D
ie Bedingungen, unter denen Krankenhäuser Gesundheitsleistungen erbringen, engen die Gestaltungsspielräume des Krankenhausmanagements immer mehr ein:
„ Die Bundesländer nehmen ihre gesetzliche Verpflichtung,
Investitionen der Krankenhäuser durch das Bereitstellen
von Fördermitteln zu finanzieren, in immer geringerem Umfang wahr. Die Krankenhäuser müssen deshalb Gewinne
erwirtschaften, um die notwendigen Investitionen zumindest teilweise, gegebenenfalls auch vollständig selbst finanzieren zu können. Es gibt Hinweise darauf, dass Geschäftsführer von Krankenhäusern bei ihren unternehmerischen,
das Handeln der Ärzte unmittelbar oder mittelbar beeinflussenden Entscheidungen – weil sie Gewinne erwirtschaften
müssen – nicht nur dem Wohl ihrer Patienten verpflichtet
sind.4)
„ Die Bewertungsrelationen des G-DRG-Systems bilden die
Kostenstrukturen der Krankenhäuser nur unzureichend ab.
Das betrifft unter anderem Maximalversorger, die in zunehmendem Maße schwerstkranke Patienten zu behandeln haben und angesichts der auf der Grundlage einer Durchschnittskalkulation entstehenden Bewertungsrelationen
eine nicht ausreichende Vergütung ihrer Leistungen erhalten. Das betrifft ähnlich auch einzelne Fachgebiete – wie
zum Beispiel die Kinderheilkunde. Die dadurch entstehenden Verluste müssen durch Gewinne, die in anderen Leistungsbereichen erwirtschaftet werden, ausgeglichen werden.
„ Ein größerer Anteil der Krankenhäuser schreibt seit mehreren Jahren Verluste. Das Rheinisch-Westfälisches Institut für
Wirtschaftsforschung (RWI) rechnet damit, dass der Anteil
der Krankenhäuser mit erhöhter Insolvenzgefahr bei Fortschreibung des Status quo bis zum Jahr 2020 auf 27 Prozent
steigen wird. Die finanziellen Hilfen, die über das KHSG
wirksam werden, würden laut RWI nur dazu beitragen, dass
der Anteil der von Insolvenz bedrohten Krankenhäuser nicht
weiter steigt.5)
Auf die Notwendigkeit, Gewinne realisieren sowie Verluste
ausgleichen zu müssen, reagieren die Geschäftsführungen der
Krankenhäuser notgedrungen unter anderem mit der Steigerung der Leistungen und damit der Erlöse, mit Kürzungen des
Personaleinsatzes sowie – und dieses betrifft vor allem Ärzte
und Pflegekräfte – mit der Forderung nach mehr Leistungen
pro Zeiteinheit. Die Belastung der Mitarbeiter nimmt zu, und
ein Teil von ihnen wird schlechter honoriert als bisher.
In Folge der skizzierten Veränderungen ist die Stimmung
unter den Krankenhausmitarbeitern nicht gut. Immer wieder
ist zu vernehmen, dass Mitarbeiter ihren Beruf als Arzt oder
als Krankenpflegekraft aufgeben wollen. Es wird immer
schwieriger, qualifizierte und motivierte Mitarbeiter für das Besetzen vakanter Stellen zu gewinnen.
Das Krankenhausmanagement muss mit finanziell und demographisch bedingten Einschränkungen seiner Handlungsspielräume rechnen. Die Anliegen der Patienten, der Mitarbeiter, der Bürger als potenzielle Patienten und als Beitrags- und
Steuerzahler sowie die der Krankenhauseigentümer und ande123
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Tabelle 1: Grundpostulate des Managements der sozialen Verantwortung6)
Grundpostulate
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Abbildung 1: Gewichtung der Grundpostulate als Basis für die Bewertung der Unternehmensstruktur-Gestaltungsalternativen (Beispiel, eigene Darstellung)
Formalzielorientierung
Berücksichtigung der Interessen
Betroffener
Sachzielorientierung
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Handeln leiten, könnten im ökonomischen Sinne auf Dauer nicht erfolgreich sein; ein Primat der Gewinnerzielungsabsicht schließe die Berücksichtigung moralischer Normen aus.
Die in Krankenhäusern wahrzunehmende Praxis zeigt, dass es eines
Managementkonzepts bedarf, das zum
einen auf den Erkenntnissen der Betriebswirtschaftslehre basiert und das
andererseits den Verpflichtungen gegenüber diversen Stakeholdern – der
Übernahme sozialer Verantwortung
also – eine zentrale Rolle einräumt. Es
bedarf eines institutionellen und personellen Rahmens, der
„ sozial verantwortliches Handeln von
Förderung der argumentativen, dialogischen
Verständigung
Begründungspflicht
Beschränkung des Gewinnprinzips
Förderung der Mündigkeit der
Stakeholder
Beachtung moralischer Prinzipien
rer Stakeholder können bei unternehmerischen sowie bei mitarbeiter- und patientenbezogenen Entscheidungen nicht mehr
in dem bisher gewohnten Maße berücksichtigt werden. Zielund Verteilungskonflikte zeichnen sich ab.
Immer deutlicher wird der Gegensatz zwischen den Unternehmen, die mehr erwerbswirtschaftlich organisiert sind und
deren Strategie auf Gewinnerzielung und Wachstum (= Formalziel des Krankenhauses) als Voraussetzung für die langfristige Sicherung des medizinischen Angebotes ausgerichtet ist,
und jenen Krankenhäusern, deren Unternehmensziel primär
die Deckung eines medizinischen Bedarfs (= Sachziel des
Krankenhauses) ist und die die Gewinnerzielung als Instrument zur Realisierung dieses Ziels begreifen.6) Der Anteil der
erwerbswirtschaftlich verfassten Krankenhäuser nimmt zu
und damit der Anteil jener Krankenhäuser, bei denen unternehmerische sowie patienten- und mitarbeiterbezogene Entscheidungen durch Kriterien geprägt sind, die mehr am Formal- als am Sachziel orientiert sind.
2. Das andere Managementkonzept
Das Managen von Medizinbetrieben hat nicht nur eine ökonomische sowie eine organisatorisch-technische, sondern auch
eine moralische Dimension. Moral und Ökonomie sind zwei
unvereinbare Kategorien, wird freilich immer wieder behauptet. Einrichtungen des Gesundheitswesens, in denen moralische Normen – wie Freiheit, Solidarität, Autonomie der Patienten, Menschenwürde, Gerechtigkeit – unternehmerisches
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allen Führungskräften und Mitarbeitern verlangt,
„ die Führungskräfte und Mitarbeiter
motiviert, diesem Verlangen zu entsprechen, und
„ die Voraussetzung dafür schafft, dass
die Führungskräfte und Mitarbeiter
imstande sind, sozial verantwortliches
Handeln wirksam werden zu lassen.
Damit das Schaffen des erwähnten institutionellen und personellen Rahmens auch im Detail aufeinander abgestimmt erfolgt, muss sich deren Entwicklung von klaren Regeln (siehe
X Tabelle 1) leiten lassen.
Die Entwicklung dieses neuen Managementkonzepts beginnt
mit der Verständigung der an dieser Entwicklung Beteiligten
und der von deren Umsetzung Betroffenen, welche Grundpostulate mit welchen Inhalten und mit welchen Gewichten
bei Entscheidungen berücksichtigt werden sollen (zu der beispielhaften Gewichtung der Grundpostulate siehe X Abbildung 1). Dieser Entwicklungsschritt ist insofern von zentraler
Bedeutung, als von dem Ergebnis die Resultate unternehmerischer sowie patienten- und mitarbeiterbezogener Entscheidungen geprägt werden. So werden die Strukturen eines Krankenhauses, die Arbeitsabläufe und das Verhalten der Mitarbeiter gegenüber den Patienten andere sein, wenn der Beachtung
moralischer Prinzipien – wie zum Beispiel der Autonomie der
Patienten – ein hohes Gewicht beigemessen wird, als wenn
diesem moralischen Prinzip nur eine untergeordnete Bedeutung eingeräumt wird. Oder: Die Personalausstattung eines
Krankenhauses wird eine andere sein, wenn der Sachzielorientierung – also der bestmöglichen Behandlung der Patienten –
ein höheres Gewicht gegeben wird als wenn die Gewinnerzielungsabsicht im Vordergrund steht.
Doch ein Management der sozialen Verantwortung wird
die eingangs skizzierten Probleme nicht gänzlich lösen können. Es sind eben in erster Linie externe Einflüsse, die das Ent-
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das
Krankenhaus
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scheidungsverhalten der Krankenhaus-Akteure determinieren.
Aber selbst wenn die politisch Verantwortlichen und die Selbstverwaltungsgremien bereit wären, die finanziellen Rahmenbedingungen für die Krankenhäuser zu verbessern, durch das
Bereitstellen von mehr Fördermitteln und durch die Anpassung der Bewertungsrelationen und der Basisfallwerte an die
Höhe der Betriebskosten, wird es weiterhin so sein, dass die
Ressourcen – gemessen an den zu erbringenden Leistungen –
knapp sind. Das gilt vor allem für die Personalausstattung. Die
Zahl der einsetzbaren Mitarbeiter wird – demographisch bedingt – knapp bleiben. Umso wichtiger ist es, dass es Regeln –
auch als Grundpostulate bezeichnet – gibt, mit deren Hilfe
Entscheidungen vorbereitet und gefällt werden können unter
Berücksichtigung unterschiedlicher Stakeholder-Interessen.
Die nutzenmaximierende Allokation der knappen Ressourcen
wird damit unterstützt.
3. Die Grundpostulate im Einzelnen
3.1 Sachzielorientierung
Ärztliches, aber auch unternehmerisches Handeln ist immer
orientiert an dem Unternehmenszweck, an dem institutionellen Sinn des Krankenhauses.8), 9) Entscheidungen der Krankenhaus-Akteure und deren Umsetzung können nur dann als
ethisch qualifiziert werden, wenn sie dazu dienen, Krankheiten, Leiden oder Körperschäden festzustellen, zu heilen
oder zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten.10) Oder konkret:
Nur dann, wenn das Handeln des Arztes auf eines dieser Behandlungsziele ausgerichtet ist, darf ein Patient in die stationäre Behandlung aufgenommen werden, und es dürfen nur
jene medizinischen Leistungen für diesen erbracht werden,
die dem Erreichen des aus dem Unternehmensziel abgeleiteten Behandlungszieles dienen.
Die Sachzielorientierung schließt nicht nur die im letzten
Absatz behandelte Beziehung zu den Patienten ein, sondern
auch die Beziehung zu den Mitarbeitern. Damit das Krankenhaus seinem Versorgungsauftrag gerecht werden kann, müssen Ärzte, Pflegekräfte und/oder andere Mitarbeiter zu bestimmten Handlungen veranlasst werden – der Arzt zum Beispiel zu Entscheidungen über die Aufnahme in die stationäre
Behandlung, über notwendige diagnostische und therapeutische Maßnahmen und über die Entlassung aus der stationären Behandlung bzw. über die Verlegung in eine andere Einrichtung. Die Mitarbeiter müssen bereit und imstande sein,
die ihnen übertragenen Aufgaben sach- und zeitgerecht zu realisieren. Den Mitarbeitern dürfen allerdings nur solche Aufgaben zugeschrieben werden, die für diese nicht eine „ethische
Zumutung“10) darstellen und deshalb deren Bereitschaft zum
sach- und zeitgerechten Handeln einschränken. Und das ist
immer dann der Fall, wenn von den Mitarbeitern – direkt oder
indirekt – verlangt wird, bei der Wahrnehmung der ihnen
übertragenen Aufgaben nicht nur das Wohl der Patienten, sondern auch die Interessen anderer Stakeholder – mit unter Umständen höherem Gewicht als die Bedürfnisse der Patienten –
zu berücksichtigen.
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3.2 Formalzielorientierung
Alle Aktivitäten der Krankenhaus-Akteure müssen darauf gerichtet sein, die dem Krankenhaus gesetzten Ziele mit einem
möglichst hohen Erfüllungsgrad zu realisieren; das gilt nicht
nur für das Sachziel, sondern auch für das Formalziel. Mit der
Realisierung des Formalziels werden die Existenz des Krankenhauses und damit das Angebot an medizinischen Leistungen und an Arbeitsplätzen dauerhaft gesichert.
Damit ist die Notwendigkeit, Gewinne zu erwirtschaften,
angesprochen – in dreierlei Hinsicht. Gewinne werden erstens
benötigt, um in die bauliche, medizin- und hausgerätetechnische sowie in die personelle und strukturelle Weiterentwicklung des Krankenhauses investieren und um Rücklagen für
eventuell schlechtere Zeiten bilden zu können. Sie dienen
zweitens der Verzinsung des im Krankenhaus gebundenen Kapitals und drittens als Unternehmergewinn dem Ausgleich der
Risiken, die der Krankenhaus-Eigentümer mit dem Betrieb
eines Krankenhauses eingeht.
Sowohl das Erwirtschaften von Gewinnen als auch deren
Verwendung kann ethisch bedenklich sein.12) In Kapitel 3.7
wird ein Grundpostulat „Beschränkung des Gewinnziels“ thematisiert.
3.3 Berücksichtigung der Interessen Betroffener
Die Geschäftsführung eines Krankenhauses fällt Entscheidungen und setzt diese durch konkretes Handeln um. Das Umsetzen dieser Entscheidungen dient der Befriedigung der als legitim akzeptierten Stakeholder-Anliegen. Wird das Grundpostulat „Berücksichtigung der Interessen Betroffener“ nicht angemessen berücksichtigt, könnten Rechte Betroffener verletzt
und/oder deren Entscheidungsspielraum, den sie zwecks Realisierung ihrer eigenen Ziele benötigen, eingeschränkt werden.
Zwischen den Anliegen der Stakeholder bestehen möglicherweise Konkurrenzbeziehungen. Insbesondere kann eine
solche Beziehung zwischen den Bedürfnissen der Patienten
und der Mitarbeiter auf der einen und der Gewinnerzielungsabsicht des Krankenhaus-Eigentümers auf der anderen Seite
vermutet werden.
Um die sich dadurch abzeichnenden Konflikte lösen zu
können, verpflichtet sich die Geschäftsführung, die Bedürfnisse der Stakeholder proaktiv und systematisch zu analysieren und zu bewerten, um sie bei ihren Entscheidungen angemessen berücksichtigen zu können. Die Krankenhaus-Akteure
verpflichten sich, Handlungen möglichst zu unterlassen, die
den Anliegen der Betroffenen entgegenstehen und/oder deren
Spielraum für die Realisierung ihrer eigenen Ziele allzu sehr
einengen.
3.4 Förderung der argumentativen, dialogischen
Verständigung
Die Berücksichtigung der Interessen Betroffener setzt nicht
nur die adäquate Organisation der Entscheidungsprozesse
voraus. Das Grundpostulat „Berücksichtigung der Interessen
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Betroffener“ kann vielmehr nur dann wirksam werden, wenn
weitere Bedingungen erfüllt sind:
fällten Entscheidung durch ihre Handlungen beeinflussen
können, immer größer.
„ Die Entscheider müssen offen sein zum Dialog und imstan-
So werden immer mehr Entscheidungen gefällt, deren Handlungsfolgen von den Entscheidungsträgern nicht mit Sicherheit vorhersehbar sind und von der Instanz, die das Unternehmerziel formuliert hat, so nicht gewollt waren. Die Geschäftsführung kann nicht darauf vertrauen, dass der Planungsprozess in allen seinen Verästelungen über das Unternehmensziel allein beherrscht werden kann.16) Das Erfüllen
der bisher skizzierten Grundpostulate ist als Voraussetzung
für verantwortliches Handeln nicht ausreichend.
Es ist notwendig, neben der Bewertung unternehmerischen
Handelns anhand der Folgen auch das Pflichtgemäße als Bewertungsmaßstab zu berücksichtigen.17) Die Geschäftsführung
verpflichtet sich und all diejenigen, die befugt sind, unternehmerische sowie patienten- und mitarbeiterbezogene Entscheidungen zu fällen, das, was aktuell in der Gesellschaft als Handlung, Zustand oder Haltung für gut oder wünschenswert bzw.
für böse und verboten gehalten wird, als Handlungsnormen in
Betracht zu ziehen.18)
de und bereit zur ethischen Reflexion ihres Handelns. Im
Rahmen der argumentativen Auseinandersetzung mit den
Betroffenen lassen sie ihre Meinung und ihre Ansprüche in
Frage stellen und können ihre Standpunkte/Argumente für
die Betroffenen verständlich vortragen.
„ Von denjenigen, die von den Entscheidungen betroffen sind
wird erwartet, ihre Anliegen zu begründen. Sie sollten sachkundig genug sein, um sich mit den Argumenten der Verantwortungsträger erfolgreich auseinanderzusetzen.
Die Geschäftsführung verpflichtet sich deshalb, wenn erforderlich in die Argumentations- und Dialogfähigkeit sowohl der
Entscheidungsträger als auch der von den Entscheidungen betroffenen Stakeholder (zum Beispiel Krankenhaus-Mitarbeiter,
die von personalpolitischen Entscheidungen der Geschäftsführung betroffen sind) zu investieren.
3.5 Förderung der Mündigkeit der Stakeholder
3.7 Beschränkung des Gewinnziels
Die argumentative, dialogische Verständigung zwischen den
Verantwortungsträgern und denjenigen, die von Entscheidungen betroffen sind, setzt nicht nur das Erfüllen struktureller und prozessualer Normen und einschlägige soziale Kompetenz bei den Beteiligten voraus. Damit die Stakeholder,
insbesondere die Führungskräfte und Mitarbeiter in ihrer
Rolle als Stakeholder, ihre Interessen mit Erfolg geltend machen können, sollten sie imstande sein, für richtig gehaltene
Definitionen kritisch in Frage zu stellen – und abweichende
Wahrnehmungen auch gegen Widerstand zur Geltung zu
bringen.13)
Die Geschäftsführung verpflichtet sich deshalb, ein entsprechendes Betriebsklima zu schaffen: Die Bereitschaft der
Stakeholder zur Präsentation ihrer Anliegen und zur Offenlegung von als verfehlt wahrgenommenen Entwicklungen setzt
die Gewissheit voraus, dass dies keine negativen Konsequenzen hat und dass Willkür bei der Bewertung der von Stakeholdern gegebenen Hinweise ausgeschlossen ist.14) Von zentraler
Bedeutung in diesem Zusammenhang ist die Entwicklung
einer Fehlerkultur, die Fehler nicht primär personalisiert,
sondern vor allem und zuerst als Chance für die kontinuierliche Verbesserung von Strukturen und Prozessen und in deren Folge von Ergebnissen begreift.15) Die Mitarbeiter dürfen
nicht als „Fehlerquelle“, sie sollten als „Lösungsquelle“ angesehen werden.
Mit der Forderung nach einer Beschränkung des Gewinnziels
sind zwei Aspekte angesprochen:
„ unter welchen Bedingungen ein Gewinn erwirtschaftet und
„ wie der Gewinn verwendet wird.
Mit dem Grundpostulat „Beschränkung des Gewinnziels“ wird
gefordert, die strukturellen und organisationalen Bedingungen
der Krankenhausarbeit so zu gestalten, dass Gewinne erwirtschaftet werden können unter Berücksichtigen unter anderem
„ der Bedürfnisse der Patienten nach einer evidenzbasierten
Behandlung und
„ der Bedürfnisse der Mitarbeiter nach Zufriedenheit mit ihrer Arbeitssituation, nach Zumutbarkeit, Erträglichkeit und
Ausführbarkeit der ihnen übertragenen Aufgaben.
Die Aufnahme eines Patienten in die stationäre Behandlung
ohne ausreichende medizinische Indikation, nur um auf diese
Weise einen Erlös erwirtschaften zu können, ist damit ebenso
wenig ethisch legitimiert wie die Steigerung der Behandlungseffizienz zulasten der Mitarbeiter.
Die Gewinne sollten vor allem an den Bedürfnissen der Patienten und Mitarbeiter orientiert eingesetzt werden. Sie werAnzeige
3.6 Beachtung moralischer Prinzipien
Angesichts zunehmender Spezialisierung und Arbeitsteilung
im Allgemeinen und im Krankenhaus im Besonderen werden
„ die Handlungsketten immer länger und
„ die Zahl der Entscheidungsträger, die die Folgen der ge-
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das
Krankenhaus
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den auch verwendet, um den Bestand des Krankenhauses und
damit das Angebot an medizinischen Leistungen und attraktiven Arbeitsplätzen dauerhaft zu sichern, um eine angemessene Verzinsung des im Krankenhaus gebundenen Kapitals
und um einen Ausgleich der Risiken, die der Krankenhaus-Eigentümer mit dem Betrieb eines Krankenhauses eingeht, gewährleisten zu können. Ethisch legitimiert ist die Gewinnverwendung dann, wenn Gewinne der Bedeutung der genannten
Verwendungszwecke für die stationäre Versorgung der Bevölkerung entsprechend auf die Verwendungszwecke verteilt werden.
3.8 Begründungspflicht
Das gelungene Management zeichnet sich dadurch aus, dass
unternehmerische sowie patienten- und mitarbeiterbezogene
Entscheidungen gegenüber den Betroffenen begründet werden und sich mittels guter Gründe verteidigen lassen.19) Dabei
kann es sich bei den Gründen einerseits um materielle Normen handeln, also zum Beispiel um die Unternehmensziele
und um die Anliegen, die von Stakeholdern geltend gemacht
werden. Aber auch Verhaltensnormen, die den Umgang zum
Beispiel der Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern, den Umgang der Führungskräfte und der Mitarbeiter mit Patienten
oder das Verhalten der einschlägigen Krankenhaus-Instanzen
zu Lieferanten steuern, zählen dazu. Es kann um prozessuale
Normen gehen, die das Berücksichtigen der materiellen Normen bei unternehmerischen Entscheidungen fördern oder gar
erst ermöglichen. Schließlich müssen sich die Entscheidungen
durch rechtliche Normen begründen lassen.
4. Fazit
Lässt das Krankenhausmanagement die skizzierten Regeln
wirksam werden, können die Bedingungen für das Erbringen
medizinischer, qualitativ hochwertiger sowie patientengerechter20) Leistungen und damit die Ergebnisse der im Krankenhaus Handelnden weiter verbessert werden. Die Behandlungsqualität und das Wohl des Patienten werden gesteigert.
Vor allem werden Ärzte, Krankenpflegekräfte und andere
Mitglieder der therapeutischen Teams gefordert und gefördert
in der Wahrnehmung ihrer Tätigkeit als Treuhänder der ihnen
anvertrauten Patienten. Die jährliche Leistungs- und Ressourcenplanung erfolgt dann nicht mehr top-down – offenbar ist
dieses in nicht wenigen Krankenhäusern noch Planungspraxis
–, sondern ist das Ergebnis einer argumentativ-dialogischen
Verständigung zwischen Geschäftsführung und deren Mitarbeiter. Sowohl die Bedürfnisse der Patienten als auch die der
Mitarbeiter sowie die Bedingungen für das Umsetzen der Planungsergebnisse werden auf diese Weise in den Planungsprozess integriert. Die medizinischen und nichtmedizinischen
Kriterien als Grundlage für das Fällen patienten- und mitarbei-
terbezogener Entscheidungen sind den Entscheidungsträgern
bekannt und werden von diesen – weil von der Geschäftsführung nachvollziehbar begründet – akzeptiert.
Anmerkungen
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6) Beide Kategorien von Krankenhäusern findet man unter den Krankenhäusern
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Anschrift des Verfassers
Prof. Dr. Heinz Naegler, Preußenallee 31, 14052 Berlin
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