Universität Konstanz Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft Prof. Dr. Berndt Keller Universität Konstanz - D-78457 Konstanz Universitätsstr. 10 Telefax: (0 75 31) 88-4103 Telefon: (0 75 31) 88-2184 Durchwahl: 88-2924 e-mail: [email protected] Berufsverbände, Tarifautonomie und das System der Interessenvertretung Berndt Keller (Universität Konstanz) Zusammenfassung Im Mittelpunkt dieses Beitrages steht die Frage, ob infolge der zu beobachtenden Renaissance von Berufsverbänden ihr Einfluss tatsächlich zunimmt und ob sie die Stabilitätsbedingungen des deutschen Systems der Arbeitsbeziehungen nachhaltig verändern. Zunächst werden die Bedingungen der Handlungs- bzw. Organisationsfähigkeit dieser Verbände behandelt (Rekrutierung von Mitgliedern, Aggregation und Vereinheitlichung von Interessen, Vertretung dieser Interessen gegenüber externen Akteuren) (Kap.2). Anschließend stehen sowohl die mittel- und langfristigen Ziele der Verbände im Mittelpunkt, vor allem Bestandssicherung und Legitimierung durch Abschluss eigenständiger Tarifverträge, als auch die Handlungsoptionen der Industriegewerkschaften und Arbeitgeber in Bezug auf diese Ziele (Kap.3). Danach werden die Folgen der berufsständischen Zersplitterung der deutschen Industrie- und Sektorgewerkschaft analysiert, wobei explizit unterschieden wird zwischen unmittelbaren Konsequenzen für die beteiligten Verbände und den mittelbaren Konsequenzen für unbeteiligte Gruppen von Konsumenten und Produzenten(Kap.4). Vorläufige Folgerungen über Häufigkeit und tatsächliche Konsequenzen von Gewerkschaftskonkurrenz für die Zukunft der Arbeitsbeziehungen in Deutschland beschließen den Artikel (Kap.5). Occupational unions, bargaining autonomy and the system of interest representation Summary The article focuses on the question if the observable renaissance of occupational unions leads to an increase of their empirical impact and if they have a lasting impact on the stability of industrial relations. The first part analyses their conditions to act and to organize (recruitment of members, aggregation and reconciliation of interests, representation versus external actors). The second part focuses on the medium-term and long-term goals of these unions, especially their safeguarding of existence and legitimacy by means of concluding autonomous collective contracts; then, the options of industrial unions and employers are indicated. The third part analyses the consequences of their actions and distinguishes explicitly between direct consequences for the involved unions and indirect ones for non-involved groups of consumers and producers. Some preliminary remarks on the frequency and empirical consequences of the existence of competing unions on the future of industrial relations conclude the paper. 1 1. Einleitung und Problemstellung Seit einigen Jahren beobachten wir den Aufstieg von Berufs- und Standesverbänden, die selbst Experten überraschte: Gruppen wie die Unabhängige Flugbegleiterorganisation (Ufo), die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF), die Vereinigung Cockpit (VC), der Verband der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte Deutschlands (Marburger Bund) und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) spielen erhalten eine besondere Bedeutung in der Tarifpolitik und tragen bei zu einer „neuen Unübersichtlichkeit“. Die etablierten Interessenvertretungskonstellationen verändern durch diese überraschende Renaissance von Berufsverbänden bzw. -gewerkschaften ihre Gestalt. Werden sich dadurch die Funktions-, insbesondere die Stabilitätsbedingungen des eingespielten deutschen Systems der Arbeitsbeziehungen nachhaltig verändern? Wird der Einfluss der neuen Tarifgruppen säkular zunehmen? Die Frage hat mehrere Dimensionen, zum einen die Dimension der organisatorischen und organisationstheoretischen Bedingungen und Voraussetzungen einer berufsständischen Interessenvertretung (Kap.2), zum andern die Dimension der mittel- und langfristigen Ziele dieser Verbände (Kap.3) und schließlich der Folgen und Konsequenzen (Kap.4). In methodischer Hinsicht ist anzumerken, dass die frühe Phase, in der sich die Erforschung dieser berufsständischen Tendenzen befindet, nicht mehr als eine tentative Bewertung der vorliegenden Fälle erlaubt. Meine Untersuchung folgt einem von Coleman vorgegebenen Rational Choice-Paradigma (vgl. Coleman 1990) in einer Variante, in der vor allem korporative Akteure, deren unterschiedliche Interessen, Handlungsoptionen und Ziele im Mittelpunkt stehen. 2. Bedingungen und Voraussetzungen Industriegewerkschaften sind dadurch definiert, dass Kriterien wie Beruf, Status, Qualifikation, Betriebszugehörigkeit, politische Einstellung oder Religion der Arbeitnehmer für die Mitgliedschaft keine Rolle spielen („ein Betrieb, eine Gewerkschaft“).1 Dieses Organisationsprinzip sollte die Konkurrenz zwischen mehreren Gewerkschaften ausschließen, mit der man in der Weimarer Republik große 1 Industriegewerkschaften erfassen im Gegensatz zu Berufs- oder Betriebsverbänden alle Beschäftigten ihrer Oganisationsdomäne, sie sind in der Regel Einheitsgewerkschaften, also im Gegensatz etwa zu Richtungsgewerkschaften weltanschaulich/ideologisch und (partei-)politisch grundsätzlich unabhängig und neutral. In unserem Kontext sind gerade nicht die ansonsten dominierenden Industrieverbände relevant. 2 Probleme hatte. Durch die Einheitsgewerkschaften werden die Tarifverhandlungen auf zwei Parteien fokussiert. Trotz der Dominanz dieses Prinzips bestanden in der Bundesrepublik stets auch andere, u. a. berufsständisch orientierte Verbände wie die Deutsche Angestelltengewerkschaft DAG (bis sie sich mit anderen Verbänden zur Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zusammenschloss), die Mitgliedsorganisationen des Deutschen Beamtenbundes - DBB, die im Christlichen Gewerkschaftsbund CGB zusammengeschlossenen Verbände oder die Union der Leitenden Angestellten ULA. Ihre Aktionen waren früher allerdings seltener, nicht unabhängig von denen anderer Gewerkschaften und daher weniger auffällig als dies seit einigen Jahren der Fall ist. Daher blieben die Konsequenzen dieses „Koalitionspluralismus“ in der wissenschaftlichen Analyse weitgehend unbeachtet bzw. wurden in der Forschung vernachlässigt. 2.1. Rekrutierung und Bindung von Mitgliedern Die Handlungs- und Organisationsfähigkeit von Verbänden, welche ihr strategisches Potenzial bestimmt, stellt eine zentrale Aufgabe dar:2 Mitglieder zu rekrutieren und zu halten, Interessen zu aggregieren und zu vereinheitlichen und sie gegenüber den Tarifpartnern zu vertreten und durchzusetzen (vgl. Kittel 2003). Die neuere Verbandsforschung bzw. die Neue Politische Ökonomie betonen die Bedeutung der Gruppengröße für die Organisationsfähigkeit von Interessen. Die Theorie des kollektiven Handelns zeigt, dass im Gegensatz zu grundlegenden Annahmen der älteren Pluralismustheorien kleine, homogene Gruppen aufgrund der wechselseitigen Abhängigkeiten leichter zu organisieren seien als große (Olson 1968, 1985). Insofern ist die Existenz von Berufsverbänden und/oder –gewerkschaften im Sinne einer Lösung des grundsätzlichen Rekrutierungsproblems aus theoretischer Perspektive nicht überraschend. Auch ihre relativ hohen Mitgliederzahlen bzw. überdurchschnittlichen Organisationsgrade sind damit nachvollziehbar. 2 Zu nennen sind Praktiken wie die viele Jahre andauernde, arbeitgeberseitige Finanzierung der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger – AUB als „überparteiliche Organisation“, die nicht nur in einzelnen Unternehmen, sondern bundesweit aktiv wurde. Bei der Gründung der Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste e.V. – GNBZ im Herbst 2007 besteht ebenfalls die Vermutung massiver externer Organisationshilfe durch Zahlungen des privaten Postdienstleisters Pin Group AG (Voigt 2008). Diese Formen der externen Ressourcenbeschaffung durch Pseudogewerkschaften behandeln wir im Folgenden nicht. 3 Zu Entwicklung und aktuellem Stand der Mitgliederzahlen, die sowohl für die interne Ressourcenausstattung der Verbände als auch für deren externe Verhandlungsmacht wichtig sind, stehen nur begrenzt Daten zur Verfügung. Die veröffentlichten Angaben sind nicht sonderlich valide und können daher nur in beschränktem Rahmen zur Interpretation herangezogen werden: Sie enthalten eine unbekannte, nicht näher spezifizierte Zahl von Rentnern und Pensionären, von Beamten, die aufgrund des gruppenspezifisch fehlenden Streikrechts nur über geringe Konfliktfähigkeit verfügen, und von Mitgliedern, deren Status ein Stimmrecht ausschließt. Diese Angaben beziehen sich außerdem auf Mitgliederzahlen in eng begrenzten Organisationsbereichen.3 - Aus den vorliegenden Daten lässt sich nur eine Art Bruttoorganisationsgrad berechnen, der jeweils relativ hoch liegt. Tabelle 1: Mitgliederzahlen und Organisationsgrade von Berufsverbänden Berufsverband Mitgliederzahlen Organisationsgrade GdF 2 900 GDL 34 000 Marburger Bund 110 000 40% bundesweit UFO ca. 5 000 über alle Fluggesellschaften ca. 25%4 Vereinigung Cockpit 8 200 >80% bei den meisten Fluggesellschaften sehr hoch bei Fluglotsen; unbekannt bei Vorfeldlotsen 80% der Triebwagenführer sowie >60% des Zugpersonals Quellen: GdF: www.tagesschau.de/wirtschaft/gewerkschaften4.html GDL: www.gdl.de Marburger Bund: www.marburger-bund.de UFO: Hensche 2007, 1032 Vereinigung Cockpit: www.vcockpit.de 3 Ihre Organisationsdomänen sind keinesfalls so unveränderbar, wie sie auf den ersten Blick zu sein scheinen; wenn die Verbände expandieren wollen, führt das allerdings zu Konkurrenz mit anderen Gewerkschaften. So war die GDL bis 2002 die „klassische“ Lokführergewerkschaft; seitdem versucht sie, auch das Zugbegleitpersonal zu organisieren (GDL 2007). Der 2008 geschlossene, erste eigenständige Tarifvertrag gilt allerdings ausschließlich für die Lokführer und stellt nicht den ursprünglich angestrebten, einheitlichen sog. Fahrpersonaltarifvertrag dar: Dadurch wird die Mitgliedschaft gespalten, was bei den nicht-einbezogenen Gruppen zu erheblicher Unzufriedenheit führen und sich mittel- und langfristig durchaus auf deren Folgebereitschaft auswirken kann, zumal eine parallele Konstellation bereits in der vorherigen Verhandlungsrunde eingetreten war. Ausgeschlossen bleiben nach kontroverser Diskussion außerdem die Rangierlokführer, die mehrheitlich in Transnet organisiert sind. In empirischer Perspektive ist die Frage, ob die GDL eine Spezialisten- oder eine Spartengewerkschaft ist, kaum eindeutig zu beantworten. 4 In einem Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 08.08.2003, mit dem die Tariffähigkeit von UFO festgestellt wird, heißt es „[d]er Organisationsgrad der Antragstellerin unter den Flugbegleitern ist im vorliegenden Verfahren trotz mehrerer gerichtlicher Auflagen nicht bekannt geworden“. 4 Neben der Rekrutierung von Mitgliedern und der Sicherung ihrer Loyalität ist die Verhinderung von Abwanderung (vgl. Hirschman 1974) ein Hauptproblem bei der Organisation von Verbänden, welches sowohl bei Olson (1968 und 1985) als auch in der Mehrzahl aktueller Analysen erstaunlicherweise weit weniger Beachtung findet. Alle Industriegewerkschaften verlieren seit Anfang/Mitte der 1990er Jahre in erheblichem Umfang Mitglieder, im Saldo übersteigt die Zahl der Aus- deutlich die der Eintritte (vgl. Ebbinghaus 2003, Visser 2007). Diese Entwicklung hat erhebliche Konsequenzen für die zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen, aus denen die laufenden Ausgaben zu bestreiten sind. - Offensichtlich können heute etliche Berufsverbände, die die Interessen der Beschäftigten organisieren, das Problem eines stets möglichen Austritts („exit“) aufgrund individueller Unzufriedenheit mit Politiken und Leistungen ihres Verbandes besser lösen als Industriegewerkschaften. Aus Verbandssicht handelt es sich um eine für die institutionellen Bedingungen der Arbeitsbeziehungen der Bundesrepublik Deutschland ungewöhnliche Situation eines Wettbewerbs um Mitglieder, die die bisherige Alleinvertretung ablöst. Die im Vergleich zu Industrieverbänden häufig niedrigeren Mitgliedsbeiträge der Berufsverbände können die individuelle Entscheidung über einen Verbandsbeitritt beeinflussen; Unterschiede in den Verbandsleistungen im Sinne eines besseren Angebots privater Güter bzw. selektiver Anreize aufgrund der spezifischeren, weil gruppenorientierten Interessenpolitik mögen ebenso in das individuelle Kosten/Nutzenkalkül eingehen. Falls die spezifische Politik des Berufsverbandes eher Erfolge verspricht, wird die im Prinzip stets gegebene Option eines Übertritts attraktiver. Die Loyalität zu Industriegewerkschaften aus biographischen oder politischideologischen Gründen ist bei den relevanten Beschäftigtengruppen (wie Piloten, Ärzten oder Lokführern) nur schwach; demgegenüber ist bei Berufsverbänden die Fähigkeit zur Mitgliederbindung aus berufsständischen oder „betriebsgemeinschaftlichen“ Gründen stärker ausgeprägt („Dezentralität als Stärke“). Das so genannte Kollektivgutproblem resultiert aus der Tatsache, dass bestimmte Verbandsleistungen auch Nicht-Mitgliedern zur Verfügung stehen und daher keinen Anreiz zum Beitritt darstellen. Es ist bei freiwilliger Mitgliedschaft nicht zu umgehen und ist nur durch den Einsatz von Zwangsmechanismen (wie Beitrittszwang) auszuschließen. Seine Lösung gelingt in kleinen Gruppen eher und besser als in großen, die mit der Bewältigung von Problemen des Trittbrettfahrens („free-riding“) 5 größere Schwierigkeiten haben; in unserm Fall können kleine Gruppen ihren Mitgliedern zudem gruppenspezifische Kollektivgüter im Sinne selektiver Anreize anbieten, um individuelle Beiträge zur Erreichung gemeinsamer Ziele zu fördern. Kleine Gruppen haben außerdem den Vorteil, dass sie sich aufgrund ihrer geringen Größe bzw. ihrer engen Organisationsdomänen um externe Effekte ihrer Verbandspolitik (wie Auswirkungen auf Beschäftigungsniveau, Preisniveaustabilität, Wirtschaftswachstum) nicht zu kümmern brauchen, während große Verbände diese Folgewirkungen in ihr Kalkül einbeziehen müssen, weil sie die Erstellung dieser kollektiven Güter wesentlich beeinflussen (vgl. Homann/Suchanek 2000, 380ff). 2.2. Aggregation und Vereinheitlichung von Interessen Industriegewerkschaften sind umfassende Organisationen („encompassing organizations“, Olson 1985). Bei der Formulierung ihrer gemeinsamen Verbandspolitiken aggregieren und vereinheitlichen sie in stärkerem Maße als Berufsverbände die recht heterogenen Interessen ihrer Mitglieder bei den notwendigen Abstimmungsund Koordinationsprozessen finden die Interessen besser organisierter Gruppen (etwa die männlicher Facharbeiter) in stärkerem Maße Berücksichtigung als andere, die nicht so leicht verallgemeinerungsfähig sind und eher ausgefiltert werden (etwa die Unqualifizierter oder Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen). Industriegewerkschaften bewirken im Gegensatz zu Berufsverbänden auch einen internen Ausgleich von Verhandlungsmacht zwischen (arbeitskampf-)starken und schwachen Mitgliedergruppen. Erstere setzen eigene Forderungen in geringerem Maße durch als sie es im Rahmen eigenständig-autonomer Verhandlungen könnten, unterstützen aber letztere und tragen dadurch zur Verallgemeinerung von Partikularinteressen bei. Insofern handelt es sich im Gegensatz zu vergleichbaren Konstellationen in Berufsverbänden bei denjenigen von Industriegewerkschaften oft um „Stellvertreterkonflikte“. Das verbandsinterne Gleichgewicht ist stets labil und muss vor und während den Verhandlungen mit den Arbeitgebern immer wieder austariert werden.5 Dieser Zusammenhang lässt sich als Solidarität charakterisieren, welche Identität und Selbstverständnis des Verbandes prägt. 5 Ein „klassisches“ Beispiel aus dem öffentlichen Dienst ist der Transfer von Verhandlungsmacht von den durchsetzungsfähigen Müllwerkern auf in dieser Hinsicht schwache Gruppen, u. a. Mitarbeiter der Stadtverwaltungen. Der ehemaligen ÖTV gelang es über viele Jahre, in den einzelnen Tarifrunden die deutlich differierenden Interessen ihrer Mitgliedergruppen auszutarieren. 6 Fichtner und Zeuner unterscheiden zwischen inklusiver und exklusiver Solidarität (Fichter/Zeuner 2002), die unterschiedliche Handlungslogiken hervorbringen: Während Industrieverbände inklusive Solidarität zwischen Mitgliedergruppen herstellen müssen und dabei erhebliche Probleme bei der Mediatisierung heterogener Interessen in Kauf nehmen, weil diese Prozesse eine gewisse Nivellierung hoher gruppenspezifischer Forderungen zur Folge haben, können Berufsverbände sich exklusive Solidarität zugunsten der spezifischen Belange ihrer vergleichsweise homogenen Klientel “leisten“, ohne Rücksicht auf die Durchsetzung von Interessen anderer Gruppen nehmen zu müssen; dabei können sie vehement auf Forderungen nach mehr „Leistungsgerechtigkeit“ zugunsten ihrer Mitglieder abstellen - und dadurch das Ausmaß der Lohnspreizung vergrößern.6 Das latent stets vorhandene Problem einer „Entsolidarisierung“ von Mitgliedern ist bei den Industrieverbänden schwerer zu lösen. Die Wirkung inklusiver Solidarität nimmt infolge isolierter Aktionen kleiner Konkurrenzgruppen ab. Mit dem Übergang von der Industrie- zur Multibranchengewerkschaft (oder „allgemeinen“ Gewerkschaft) wächst auch das Ausmaß der Interessenheterogenität - unbesehen der sonstigen Änderungen relevanter Arbeitsfeldbedingungen (wie Privatisierungen und Internationalisierung der Wirtschaft) - und stellt diese Organisationen dementsprechend vor neuartige Anforderungen, denen sie nur sehr schwer gerecht werden können. 2.3. Vertretung und Durchsetzung von Interessen Die dritte wichtige Aufgabe bei der Organisation von Verbänden ist die Durchsetzung der Interessen ihrer Mitglieder gegenüber externen Akteuren. Offe nennt als Voraussetzung für die verbandsmäßige Repräsentation gesellschaftlicher Interessen die Organisations- und Konfliktfähigkeit eines gesellschaftlichen Bedürfnisses: „Konfliktfähigkeit beruht auf der Fähigkeit einer Gruppe bzw. der ihr entsprechenden Funktionsgruppen, kollektiv die Leistung zu verweigern bzw. eine systemrelevante Leistungsverweigerung glaubhaft anzudrohen" (Offe 1974, 276). Über hohes Konfliktund Störpotential bzw. über erhebliche Markt- und Primärmacht verfügen insbesondere kleine Gruppen, deren Mitglieder in Schlüsselpositionen tätig sind; beim Zusammenschluss zu Verbänden haben sie außerdem Organisationsmacht, die sie zur Durchsetzung ihrer Interessen nutzen können. Die Aktivierung dieses 6 Konkret: Tarifabschlüsse, die Sockel- oder Festbeträge beinhalten (sog. solidarische Lohnpolitik), wirken anders auf die einzelnen Beschäftigtengruppen als solche mit ausschließlich prozentualen Steigerungen der Entgelte. 7 Potentials gelingt ihnen leichter aufgrund der geringen Gruppengröße bzw. der engen Kontakte zwischen den Mitgliedern. Diese Funktionseliten7 verursachen durch Streiks oder ähnliche Aktionen für den Arbeitgeber direkt und unmittelbar Schaden, und können damit gezielt Druck ausüben, worin die „Logik“ des Streiks im engeren Sinne besteht. Bei geringem eigenem Aufwand können sie außerdem das Wohlbefinden großer Gruppen von Konsumenten wesentlich beeinträchtigen, also Drittwirkungen erzielen, insbesondere wenn sie die Produktion von Gütern oder die Bereitstellung von Dienstleistungen, für die es wenig oder keine Alternativen gibt, temporär lahm legen,8 und zugleich auch andere Produzenten durch Nicht-Erbringung ihrer Leistungen erheblich in Mitleidenschaft ziehen. In dieser Instrumentalisierung Nicht-Beteiligter für die Durchsetzung der eigenen Ziele liegt eine weitere „Logik“ ihres Streiks; die weitgehende Nicht-Substituierbarkeit ihrer Produkte oder Dienstleistungen ist daher eine günstige Voraussetzung für die Wirkung des Arbeitskampfes. Gewerkschaften stehen vor dem Dilemma, wenn sie einen Arbeitskampf organisieren und öffentlichen Druck aufbauen wollen: Einerseits muss der Arbeitskampf auf spürbare Wirkungen in der Öffentlichkeit angelegt sein, andererseits darf er die Bedürfnisse große Konsumenten- sowie unbeteiligter Produzentengruppen nicht allzu stark beeinträchtigen, da er ansonsten deren notwendige externe Unterstützung schnell verlieren kann. Die kleinen Verbände können die Auswirkungen ihres Arbeitskampfes auf große Gruppen durch taktische Maßnahmen steigern („Politik der Nadelstiche“: genaues Timing im Tages- und Wochenrhythmus, Variation des Ausmaßes, regionale Verteilung der Maßnahmen je nach Stärke und Organisationsgrad, Begrenzung der Dauer, Nicht- oder nur kurzfristige Ankündigung). Derartige in strategischer Absicht vorgenommene Variationen eines Streiks erschweren Kalkulationen und Reaktionen der Gegenseite (wie kurzfristiges Aufstellen von logistisch aufwändigen Notfallplänen in Anbetracht des Fehlens entsprechender Vereinbarungen oder Änderungen von Schichtplänen). Eine umfangreiche, geschickt lancierte public relations-Arbeit soll die Berechtigung bzw. Legitimität der eigenen Forderungen (nach Gleichbehandlung bzw. nach „gerechtem Lohn“ im Vergleich zu anderen, selbst ausgesuchten Referenzgruppen) 7 Funktions- sind häufig auch Qualifikationseliten, was aber entgegen häufig geäußerten Vermutungen nicht unbedingt der Fall sein muss. 8 „Klassische“ Beispiele sind Müllabfuhr und öffentlicher Personennahverkehr im Bereich des öffentlichen Dienstes, aktuelle Krankenhausärzte und Lokführer. Auch die Fluglotsen führten bereits in den 1970er Jahren einen sog. Bummelstreik durch. 8 in der Öffentlichkeit unterstützen.9 Sie versucht medienwirksam, die spezifischen Interessen des Verbandes als allgemeine darzustellen, indem sie vor allem auf die schlechten Arbeitsbedingungen (etwa lange Arbeitszeiten) sowie die besondere Verantwortung der von ihr vertretenen Berufsgruppe (wie Ärzte, Piloten oder Lokführer) verweist. Insofern findet bei Arbeitskämpfen stets auch eine intensive Auseinandersetzung um und über die Beeinflussung der öffentlichen Meinung statt mit dem Ziel, sich deren Sympathie und Unterstützung zu sichern – und sie insofern für die Durchsetzung eigener Interessen zu instrumentalisieren (zum Streik des Marburger Bundes im Krankenhausbereich Keller 2007, zum Streik der GDL bei der Bahn Bispinck 2008). Die Berufsgewerkschaften können, wie aktuelle Umfrageergebnisse belegen, häufig auf eine zunächst hohe, erst mit der Spürbarkeit von Folgen eines längeren Streiks allmählich abnehmende Zustimmung bzw. Sympathie in der Öffentlichkeit zählen; das aktuelle Ausmaß dieser Unterstützung bzw. Solidarität ist in Anbetracht der generell geringen Popularität von Streiks in der traditionell „arbeitskampfarmen“ Bundesrepublik durchaus überraschend. 3. Ziele und Optionen 3.1. Ziele der Berufsverbände Das vorrangige strategische Ziel der Berufsverbände besteht nicht in möglichst weit gehenden Verbesserungen einzelner Arbeitsbedingungen (vor allem der Entgelte und Arbeitszeiten) im Rahmen bereits bestehender Kollektivverträge, sondern im Abschluss autonom-eigenständiger Tarifverträge für ihr Klientel. Nach Beendigung der seit Jahren bestehenden Verhandlungs- bzw. Tarifgemeinschaften mit den konkurrierenden Industriegewerkschaften (Cockpit mit DAG bzw. ver.di, Gewerkschaft der Flugsicherung – GdF mit ver.di, Marburger Bund mit ver.di, GDL mit Transnet und Gewerkschaft Deutscher Bundesbahnbeamten und Anwärter - GDBA) (Böhm 2007) demonstrierten sie in spektakulärer Form ihre Konfliktfähigkeit gegenüber Arbeitgebern und Öffentlichkeit und insistierten auf separaten Verhandlungen für die von ihnen vertretenen kleinen Gruppen von Spezialisten.10 9 Diese Öffentlichkeitsarbeit ist beachtlich, weil sie mit geringen personellen Ressourcen und ohne genuine Strategie bzw. Planung erfolgt. Die Validität der angestellten Vergleiche mit den Arbeitsbedingungen anderer Gruppen ist von externer Seite kaum zu überprüfen. 10 Vgl. zu den hier nicht behandelten Konflikten zwischen den Arbeitnehmerverbänden im Rahmen der seit Mitte der 1990er Jahre geschlossenen betrieblichen Bündnisse Rehder 2003, 2006. 9 Durch den erstmaligen Abschluss eines autonomen Spartentarifvertrages („funktionsgruppenspezifischer Tarifvertrag“) erreichten sie die deutliche Aufwertung gegenüber konkurrierenden Gewerkschaften, Arbeitgebern und Öffentlichkeit11 und ihre Eigenständigkeit kann ihnen nicht mehr genommen werden12 - zumal die eigene Streikfähigkeit nicht nur behauptet sondern auch öffentlich demonstriert wird. Aus verbandspolitischer Sicht ist damit das strategisch zentrale Ziel der Bestandssicherung auf Dauer erreicht, was aus der Perspektive der Industriegewerkschaften bedeutet, dass sich die Konkurrenzorganisationen dauerhaft etabliert haben. Tatsächlich sind die erreichten Abschlüsse aus Sicht des Berufsverbandes materiell häufiger günstiger als die der „zuständigen“ Industriegewerkschaft; sie unterscheiden sich insofern auch von denen anderer kleiner Verbände wie denen von Mitgliedsorganisationen des CGB, die häufig Tarif-, vor allem Lohndumping durch Unterbietungskonkurrenz betreiben (Schröder 2008). Das Eigeninteresse der Berufsverbände an der Profilierung, das aus der ungewöhnlichen Konkurrenzsituation zwischen Verbänden resultiert und bei einer faktischen Monopolvertretung durch Industriegewerkschaften nicht vorhanden ist, kann erstaunlicherweise relativ unabhängig von den Interessen der Mitglieder verfolgt werden. Insofern handelt es sich hier um ein typisches principal agent-Problem im Sinne der Neuen Institutionenökonomie (Faith/Reid 1987, Ebers/Gosch 1999):13 Die Ziele der Mitglieder („Prinzipale“) und der von ihnen mit der Interessenwahrnehmung beauftragten Hauptamtlichen bzw. Funktionäre („Agenten“) sind keinesfalls identisch, u. a. wegen ungleicher Informationsverteilung und Unsicherheit sowie unterschiedlicher Risikoverteilung. Den Mitgliedern kann im Rahmen ihrer individuellen Nutzenkalküle gleichgültig sein, ob die angestrebten Verbesserungen ihrer Arbeitsbedingungen durch den Abschluss eines eigenständigen Tarifvertrages oder durch Veränderungen innerhalb bestehender Kollektivverträge zustande kommen (etwa durch sog. Strukturverbesserungen für einzelne Gruppen, wie sie traditionell aus dem öffentlichen Dienst bekannt sind). Die 11 Im Übrigen ist bemerkenswert, dass andere Sonderinteressen, wie die in den Mitgliedsverbänden der Union der Leitenden Angestellten - ULA organisierten, seit langem offiziell anerkannt sind und seit Ende der 1980er Jahre sogar über das gesetzlich garantierte Recht einer unabhängigen Interessenvertretung in Form eigenständiger Sprecherausschüsse auf betrieblicher Ebene verfügen. 12 Die auf die ersten gruppenspezifischen Abschlüsse folgenden Verträge von Cockpit und Marburger Bund belegen diesen Sachverhalt. 13 In den Sozialwissenschaften wird dieser Sachverhalt seit Michels’ klassischer Studie als „ehernes Gesetz der Oligarchie“ immer wieder ausführlich behandelt. Bei Coleman (1990) handelt es sich um das Delegationsproblem. 10 Mitglieder können den Nutzen von potentiellen Alternativen nicht oder kaum vergleichend bewerten, da letztendlich nur eine realisiert werden kann,14 und die Mitglieder auf die von ihren Verhandlungsführern gefilterten Informationen („hidden knowledge“) angewiesen sind. Die Funktionäre, die in der Regel nicht über Arbeitsverträge mit entsprechenden Anreizwirkungen für die Verfolgung bestimmter Ziele verfügen (Sadowski 2002, 7291), können aus strategischem Eigeninteresse zumindest partiell andere Ziele als die der Mitglieder verfolgen. Hierzu gehören Aufkündigung bestehender Kooperationsabkommen vs. Erhalt des status quo, alleinige Verfügung über die Mitgliedsbeiträge anstatt der Teilung mit anderen Gewerkschaften, sowie die Legitimierung ihrer Politik nach innen (gegenüber den aktuellen Mitgliedern) und außen (gegenüber potentiellen Mitgliedern, der Öffentlichkeit, vor allem den Medien) durch Abschluss eines eigenständigen Tarifvertrages ohne vorherige Absprache oder Synchronisation dieser Aktionen mit anderen Gewerkschaften („hidden action“). Eigeninteressen können nicht nur beim Abschluss sondern auch bei der späteren Umsetzung bzw. Implementation von Kollektivverträgen handlungsleitend werden.15 Der Abschluss eines eigenständigen Vertrages kann mithin wichtiger werden als sein konkreter Inhalt oder sein fachlicher und persönlicher Geltungsbereich.16 Warum haben die Berufsverbände nicht schon früher Standesbewusstsein und Durchsetzungsmacht demonstriert bzw. auf ihre vorhandenen Machtressourcen zurückgegriffen? Einige wiederholt vertretene Thesen sprechen generell von einem „Versagen der DGB-Organisationen mit ihrem Alleinvertretungsanspruch“ (Viering 2008, 34), oder vom Übergang von der Industrie- zur Multibranchengewerkschaft, (konkret ist die Gründung von ver.di gemeint, Müller et al. 2002, 105ff, Rieble 2006, 89f, Schröder et al. 2008, 38, 60); sie weisen darauf hin, dass die Berücksichtigung 14 Das skizzierte Problem tritt bei den Kooperationsvereinbarungen zwischen Verbänden (vgl. Kap.5) noch deutlicher zutage als bei Verträgen über Verbesserungen der Arbeitsbedingungen. 15 Ob die spezifischen Interessen einzelner Mitgliedergruppen (etwa jüngere vs. ältere Ärzte, Ost- vs. West-Beschäftigte, Lokführer vs. Zugbegleitpersonal, einschl. Servicekräfte) in diesem Prozess gleichermaßen Berücksichtigung finden, ist ein anderes, verbandsintern zu klärendes Problem. Anders formuliert (Coleman 1990): Das Verteilungsproblem, also die Aufteilung des durch das Poolen von Ressourcen entstandenen gemeinsamen Ertrages auf die einzelnen Mitglieder, ist neben dem Entscheidungsproblem, also der Entscheidung über den Einsatz der individuellen Ressourcen, die zentrale Frage der Organisation. 16 Dieser Sachverhalt wird deutlich an der strittigen Frage einer Ausdehnung des Anfang 2008 geschlossenen Lokomotivführertarifvertrages (LfTV) auf DB Zeitarbeit bzw. auf Rangierlokführer. Im Übrigen ist eine Urabstimmung, der bei Tarifverhandlungen übliche Kontrollmechanismus, bei der GDL nicht zwingend vorgesehen; im Prinzip genügt die Zustimmung des Hauptvorstandes und der großen Tarifkommission. 11 spezifischer Gruppeninteressen mit zunehmender Verbandsgröße und dadurch wachsender „Anonymität“ schwieriger wird.17 Gelegentlich wird diese Vermutung auch mehr oder weniger explizit als strategisches Versäumnis von ver.di formuliert, auf spezifische Gruppeninteressen stärker einzugehen (Sauerborn 2007). Ein gewisser Zusammenhang zwischen der ver.di-Gründung (2001) und dem Erstarken von Cockpit (2001) (Behrens 2001, Jacobi 2003) und dem Marburger Bund (2006) jenseits einer rein zeitlichen Koinzidenz kann nicht ausgeschlossen werden. Im Fall von Transnet, GDBA und GDL allerdings ist ein solcher Zusammenhang nicht gegeben, da die Betriebsgewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands GdED (die Vorgängerorganisation von Transnet) sich ver.di bewusst nicht angeschlossen hatte (Keller 2004), sondern selbständig blieb (http://www.transnet.org/TRANSNET/wir). Plausibler dagegen ist die Annahme, dass es einen Zusammenhang gibt mit den erwähnten, seit den 1990er Jahren rückläufigen Mitgliederzahlen, die sich auf den Organisationsgrad der Industriegewerkschaften (vgl. Kap.2.1) und die dadurch abnehmende Verhandlungsmacht auswirkte. Konträr zu diesen Entwicklungen blieben die Mitgliederzahlen der Berufsgewerkschaften stabil oder nehmen sogar zu.18 Nachteilig wirkt sich aus aus, dass der Anteil der nicht streikberechtigten Beamten an den Mitgliedern früher wesentlich höher, so dass die seit der Liberalisierung von Teilen des ehemaligen öffentlichen Dienstes, offensichtliche Verhandlungsmacht nicht eingesetzt werden konnte, ohne erhebliche rechtliche Sanktionen durch externe Instanzen befürchten zu müssen. So haben sich die Wirkungsmöglichkeiten für diese Organisationen deutlich verändert. - Ein gemeinsames Merkmal besteht in der Tatsache, dass die Berufsverbände nicht dem Dachverband DGB angehören; durch diese organisatorische Trennung wird die Konkurrenz zu dessen Mitgliedsorganisationen manifest und erhält eine andere Qualität als die zwischen DGB-Verbänden, welche ebenfalls nach wie vor latent gegeben, aber insgesamt leichter zu vermitteln ist.19 17 So vertreten Müller/Wilke (2008, 32; ähnlich 2006, 324f.) die These, „dass Mitgliedergruppen nicht einfach aus opportunistischen Gründen den bestehenden Solidarzusammenhang verlassen, sondern weil die in deutschen Tarifwerken ausgeprägte Nivellierungstendenz durch das Eingehen von Sanierungstarifverträgen aus ihrer Perspektive eine dramatische Verschärfung erfährt“. 18 Die DBB-Mitgliedsorganisationen haben seit den 1990er Jahren Mitgliederzuwächse zu verzeichnen (Pege 2001). 19 Die GDL ist wie die GDBA Mitglied der „Standesorganisation“ DBB, so dass nicht nur zwischen-, sondern auch innerverbandlich eine latente Konkurrenz um bestimmte Mitgliedergruppen besteht. Der Dachverband schließt zwar für Beamte, welche nach wie vor die deutliche Mehrheit seiner Mitglieder ausmachen, Arbeitskämpfe als Mittel der Interessendurchsetzung explizit aus; er verfügt aber im Rahmen der dbb-tarifunion über einen Streikfonds, aus dem er seinen tariffähigen Mitgliedsverbänden im Streikfall Sockelbeträge zahlt, welche die Mitgliedsverbände aufstocken. Insofern können sich für 12 Auch Arbeitgeber und ihre Verbände sind an der eingetretenen Wettbewerbssituation nicht unbeteiligt, auch wenn die organisatorischen Veränderungen vor allem auf Arbeitnehmerseite stattfinden. Die Reorganisationsmaßnahmen im Zuge von (geplanten) Privatisierungen führen zu erheblichem Kostendruck, der durch die dominierenden Aktionärsinteressen an Gewinnsteigerungen erzeugt wird, sowie zu zunehmender Interessenheterogenität auf Seiten der Arbeitgeber. Diese Entwicklungen hatten Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen und den Abbau von Arbeitsplätzen zur Folge, führten aber auch zu deutlichen Veränderungen bei den etablierten, branchenspezifischen Systemen der Tarifverhandlungen20. Die Veränderungen ihrer Arbeitsfeldbedingungen führen zu einer latenten Bedrohung der Organisationsbereiche und fördern daher ein „Klima“ für Forderungen prinzipieller Art. 3.2. Handlungsoptionen der anderen Akteure Die korporativen Akteure von Kapital und Arbeit sind im Umgang mit dieser für sie neuartigen Konstellation unerfahren, was sich u. a. in bislang unüblichen langwierigen Sondierungsgesprächen, Absagen an offizielle Verhandlungen, in innerverbandlichen Konflikten und widersprüchlichen Äußerungen gegenüber der Öffentlichkeit, in der zunehmenden Einschaltung von Moderatoren, im Fehlen von Schlichtungsvereinbarungen mit geregeltem Einlassungszwang, in wiederholter Unterbreitung von Ultimaten oder in der Personifizierung von Konflikten auf die Verhandlungsführer widerspiegelt. Die Akteure können in Anbetracht der eingetretenen Umweltveränderungen unterschiedliche Strategien entwickeln mit dem Ziel, die neuen Unsicherheitszonen zumindest in ihren Kernbereichen zu kontrollieren und/oder zu absorbieren. Für Industrie- oder Multibranchengewerkschaften bedeutet der zunehmende Einfluss von Berufsverbänden zunächst eine Herausforderung, wenn nicht in Einzelfällen sogar eine latente Bedrohung zumindest bestimmter Segmente ihrer Organisationsdomänen. Gefährdet ist damit ihre Stabilität in diesen Bereichen, denn die zumindest latente Konkurrenz um Mitglieder schafft und verschärft neue Konfliktfelder. die GDL Fragen der Verpflichtungsfähigkeit stellen, zumal die GDBA Arbeitskämpfe als Mittel der Interessendurchsetzung explizit ablehnt. Die Tarifpolitik liegt in der ausschließlichen Kompetenz und Verantwortung der Mitgliedsverbände, der Dachverband interveniert nicht. 20 Bundesbahn und Bundespost übernahmen früher in sog. Nebenverhandlungen die Abschlüsse der Hauptverhandlungen des öffentlichen Dienstes mit wenigen bereichsspezifischen Änderungen (Keller 13 In Zeiten ohnehin sinkender Mitgliederzahlen bzw. abnehmender Organisationsgrade und dadurch knapper werdender Ressourcen ist dies besonders problematisch. Risikoreiche Veränderungen vormals etablierter und standardisierter Verfahren werden notwendig, zumal auch das strategische Handeln der konkurrierenden Verbände aufgrund der prinzipiell begrenzten Rationalität nur sehr bedingt zu prognostizieren ist (Unsicherheit innerhalb und zwischen Organisationen). Die Austauschbeziehungen zwischen den Verbänden ändern sich, die notwendigen Lernprozesse ihrer korporativen Akteure brauchen Zeit. Die gegenteilige Annahme, dass Berufsverbänden eine Entlastungsfunktion für Industriegewerkschaften zukommen könne, da sie das Ausmaß der kaum zu bewältigenden Interessenheterogenität reduzieren, ist unrealistisch; Tendenzen in diese Richtung können allenfalls bei langfristig stabilen Kooperationsbeziehungen im Sinne einer verabredeten und tatsächlich eingehaltenen Arbeitsteilung zwischen Verbänden auftreten (vgl. zu Kooperationsvereinbarungen Kap.5), nicht aber nach der Aufkündigung einer lange Zeit bestehenden Verhandlungs- bzw. Tarifgemeinschaft. Die Optionen der Industriegewerkschaften sind: 1. Sie können versuchen, das organisatorische Erstarken der Berufsverbände zu verhindern, und, falls dies nicht gelingt, einen modus vivendi zu formulieren; dies kann durch eine pragmatisch orientierte Kooperation, vor allem in der Tarifpolitik, geschehen. 2. Sie können versuchen, die Mitglieder der konkurrierenden Berufsverbände abzuwerben bzw. durch Änderungen der eigenen Interessen-, insbesondere Tarifpolitik zu (re-)integrieren.21 Wie eine derartige „flexiblere“, differenzierende und dezentralisierte Verbandspolitik im Einzelfall konkret gestaltet werden kann (etwa durch Einführung gruppenspezifischer Sonderregelungen wie „Fenstern“ in Tarifverträgen), lässt sich nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Branchenbedingungen angeben.22 1993). Inzwischen finden sowohl formal als auch inhaltlich getrennte Verhandlungen statt, die zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen führen. 21 Eine Abwerbung von Mitgliedern und vor allem von Hauptamtlichen versuchte ver.di im Falle von Ufo mit gewissem Erfolg, der eine Schwächung von Ufo zur Folge hatte Insofern sind die aktuellen Tendenzen einer Partikularisierung der Interessenverbände keinesfalls unumkehrbar. Abwerbeversuche bzw. –kampagnen kommen in mehrere Richtungen vor (u. a. von Transnet zur GDL). Individuelle Übertritte und mehr oder weniger organisierte Abwerbungen bis zur Zahlung von sog. Kopfgeld können eine Rolle spielen. 22 Bei der Deutschen Bahn regelt, nachdem verschiedene Vorschläge nicht mehrheitsfähig waren, ein gemeinsamer Basistarifvertrag die allgemeinen Arbeitsbedingungen aller Beschäftigten (wie Urlaub oder Altersversorgung); außerdem bestehen funktionsspezifisch-eigenständige Tarifverträge (über Einkommen und Arbeitszeiten) für einzelne Gruppen. Ein anderer, während des Konflikts 2007/08 14 Die Logik der Mitgliedschaft von Industriegewerkschaften basiert, wie dargestellt, auf der Voraussetzung einer Vereinheitlichung, welche die Interessen einzelner Gruppen nicht dominant werden lässt. Eine weitgehende Differenzierung der Organisationsstrukturen, etwa in einer Matrix wie im Fall von ver.di (Keller 2004), mit dem Ziel eines besseren „fits“ zwischen Verbandspolitik und den Partikularinteressen einzelner Gruppen reicht zur Problembewältigung offensichtlich nicht aus. Ändern müssten sich auch die Dienstleistungsangebote sowie die Art der Betreuung der Mitglieder im Sinne von mehr und intensiverer „Betriebspolitik“, die nicht durch eine breitere Beteiligung der Beschäftigten an der tariflichen Willensbildung („Basisvoten“) ersetzt werden kann. Allerdings setzen die begrenzten materiellen Ressourcen diesen häufig intern wie extern vorgeschlagenen Alternativen enge Grenzen. Management bzw. Arbeitgeber verfügen ebenfalls über Optionen: 1. Sie können eine Strategie des divide et impera wählen, indem sie die Arbeitnehmerorganisationen eines Tarifbereichs gegeneinander ausspielen. Diese spezifische Form von „union busting“ kann erfolgen durch den Abschluss von (Firmen- oder Haus-)Tarifverträgen mit kleinen Gewerkschaften, die zu Tarifdumping bereit sind.23 Die faktische Anerkennung als Tarifpartner durch Arbeitgeber erhöht, wie bereits erwähnt, die Legitimität eines Verbandes. 2. Oder sie können im wohl verstandenen Eigeninteresse, d.h. aus Gründen einer langfristig verlässlichen und effizienten Regelung der Arbeitsbeziehungen, entweder den Abschluss neuer oder die Fortsetzung bereits etablierter Kooperationsbeziehungen mit Industriegewerkschaften präferieren, wenn es schon nicht ganz ohne Gewerkschaften (durch Ausschluss aus dem Betrieb, „union avoidance“) geht. Hier können Zweckallianzen entstehen, die auf unterschiedlichen Motiven der beiden Seiten beruhen (vgl. Kap. 5.1). Individuelle Verhandlungen wären im Übrigen für die Arbeitgeber eine zu gelegentlich diskutierter Plan bestand in der Ausgliederung einzelner Gruppen (wie der Lokführer) in eine sog. Servicegesellschaft mit eigenem Tarifvertrag. Eine notwendige Voraussetzung wäre der freiwillige Wechsel des Arbeitgebers seitens aller Mitglieder der entsprechenden Gruppe gewesen. 23 Ein prominentes Beispiel ist die Leiharbeitsbranche, in der die Arbeitgeber mit der „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit“ einen Vertrag geschlossen haben, dessen für die Arbeitnehmer dysfunktionale Folgen Tarifdumping und Unterbietungswettbewerb sind. Weitere Beispiele finden sich im Bankenbereich (Müller 2008). 15 kostspielige Alternative, da sie eine Erhöhung der Verhandlungskosten ("Transaktionskosten") und neue Unübersichtlichkeit mit sich brächten.24 3. Schließlich können die Arbeitgeber die im rechtlichen Sinne gegebene Option der Aussperrung als Reaktion auf Streiks faktisch nicht realisieren, da sich die dafür notwendige innerverbandliche Solidarität kaum herstellen ließe; sie würden die Auswirkungen eines Streiks für nicht-beteiligte Konsumenten- und Produzentengruppen nur potenzieren. 4. Folgen 4.1. Unmittelbare Folgen für die Beteiligten Jeder Verteilungskonflikt hat vertikale und horizontale Dimensionen, nämlich die Verteilung der gemeinsam erwirtschafteten Erträge zwischen Kapital und Arbeit sowie die Aufteilung auf Seiten der Arbeitnehmer. In den Gemengelagen der genannten Beispiele werden die Interessenkonflikte in stärkerem Maße zwischen den Verbänden auf Arbeitnehmerseite ausgetragen als bei der traditionellen Dominanz von Industrieverbänden; damit entsteht eine neue Konfliktebene innerhalb einer Klasse und die Auseinandersetzung findet nicht mehr nur zwischen den Tarifvertragsparteien statt als Konflikt um die Verteilung der erwirtschafteten Erträge, sondern bekommt einen weiteren Schwerpunkt als organisationspolitische Auseinandersetzung um Mitglieder und Einfluss (inter- vs. intraorganisatorische Dimension). Geht man von einem „Nullsummenspiels“ aus, bei dem nur ein bestimmtes Budget für Personalkosten verteilt wird, dann gibt es aufgrund der Markt- und Organisationsmacht privilegierter Gruppen Verteilungskämpfe innerhalb des Arbeitnehmerlagers, Gewinner und Verlierer, was zu Unzufriedenheit bei den benachteiligten Gruppen und zu Fragen der Gerechtigkeit in der Verteilungshierarchie führt. Diese Konflikte um Vertretungsmacht und Einfluss würden nur dann weniger auftreten, wenn die Verteilungsmasse im Sinne eines „Positivsummenspiels“ zunehmen würde. Beim Abschluss mehrerer geltender Tarifverträge steigt für die Arbeitgeber der Verhandlungsaufwand, also die "Transaktionskosten" (Williamson 1985, 1996).25 24 Dabei können wie im Fall der Deutschen Bahn etwa Vergünstigungen nur für Mitglieder bestimmter Gewerkschaften, in diesem Fall Transnet und GDBA, vereinbart werden. 25 „The ex ante costs of drafting, negotiating, and safeguarding an agreement, and, more especially, the ex post costs of maladaptation and adjustment that arise when contract execution is misaligned as a result of gaps, errors, omissions, and unanticipated disturbances; the costs of running the economic system.” (Williamson 1996, 379) 16 Diese Kosten fallen sowohl vorher in Form höherer Informations-, Koordinations- und Verhandlungskosten als auch nachher in Form von Durchsetzungs- und Implementationskosten, sei es, wenn mehrere Verträge für dieselbe Gruppe gelten (etwa für Lokführer bei der Deutschen Bahn), oder sei es wenn mehrere Verträge für verschiedene Gruppen in einem Unternehmen geschlossen wurden (wie für Ärzte und Pflegebzw. Verwaltungspersonal im Gesundheitswesen). Diese neue multi- und nicht mehr bilaterale Konstellation von Interessen kann das seit langem etablierte und sorgsam austarierte Tarifgefüge des Unternehmens (u. a. der Entgeltstrukturen), aus dem erreichten, relativ stabilen Gleichgewicht bringen und die „historisch gewachsene“ Tarifeinheit des Sozialverbandes spalten. Eine solche Situation des konkurrierenden Verhandelns („competitive bargaining“) ist aus Sicht großer Unternehmen möglichst zu verhindern. Gruppenspezifisch höhere Abschlüsse können zudem aufgrund tatsächlicher und/ oder empfundener Ungleichbehandlungen oder entsprechender Belastungen zu ähnlichen Forderungen weiterer Beschäftigtengruppen führen, und damit eine gewisse Signal- und Vorbildwirkungen ausüben. Wenn also eine der beteiligten Gewerkschaften ihre Forderungen durchzusetzen vermag, sehen sich die Konkurrenzorganisationen veranlasst, dieselben Forderungen zu formulieren, um die Interessen ihrer Mitglieder ebenfalls möglichst wirksam zu schützen bzw. zu vertreten. Es ist klar, dass auch Arbeitgeber an einer derartigen Konstellation von „Überbietungskonkurrenz“ in Folge einer Zersplitterung der Tariflandschaft langfristig kein Interesse haben können (vgl. Abschnitt.5.1.). Schließlich kann es zu bisher unbekannten Nachverhandlungen mit anderen Gewerkschaften über die getroffenen Standardisierungen kommen, etwa aufgrund von Revisionsklauseln in Tarifverträgen, welche für die Mitglieder mehrerer Gewerkschaften gelten. Als ein möglicher Ausweg aus dieser für die Arbeitgeber ungünstigen Situation, die für sie erhöhte Transaktionskosten bedeuten, wäre der Abschluss von Kooperationsabkommen, welche explizit die Zuständigkeiten für spezifische Gruppen klären, oder eine faktisch enge Abstimmung und routinisierte Kooperation ohne formale Grundlage in sämtlichen Phasen der Verhandlungen (vgl. Abschnitt 5). 4.2. Mittelbare Folgen für Nicht-Beteiligte Streiks verursachen Kosten und Risiken nicht nur für die am Konflikt unmittelbar beteiligten Organisationen (wie Streikgelder auf Seiten der Gewerkschaften bzw. 17 Einnahmeausfälle sowie Image- und Vertrauensverluste auf Seiten der Arbeitgeber); sie haben auch Folgen für große, am Konflikt nicht beteiligte Gruppen. Die gesamtwirtschaftlichen Folgen durch sog. Dritt- oder Fernwirkungen sind schwer zu kalkulieren; ihre tatsächliche Höhe liegt unter der rein rechnerischen, u. a. weil bereits vor dem Arbeitskampf Alternativen in funktionaler und zeitlicher Hinsicht eruiert und Strategien „flexibler“ Anpassung realisiert werden können (u. a. Vor- und Nachverlagerung der Produktion, Wechsel der Transportmittel und -wege, Abbau von Lagerkapazitäten, Verabredung von Notfallplänen), auch wenn diese Optionen im Einzelfall begrenzt sein mögen. Die Betroffenheit differiert also je nach Branchen.26 Außerdem ist zwischen kurz- und langfristigen Folgen zu unterscheiden. Die potentiellen Schäden werden aus interessenpolitischen Gründen in der öffentlichen Diskussion aber auch in Teilen der Wissenschaft (DIW, Ifo, IW, RWI) häufig überschätzt („Gefährdung des Gemeinwohls“ bzw. des „Wirtschaftsstandorts Deutschland“ oder Verlust von Arbeitsplätzen). Die tatsächliche Höhe der Ausfälle hängt ab von Anlage, Dauer und Strategie des Streiks (z. B. Konzentration auf bestimmte, wichtige Bereiche wie Güterverkehr, allmähliche Eskalation des Konflikts über mehrere Stufen) und ist im Vorhinein kaum zu berechnen. Eine realistische Kalkulation darf also auf keinen Fall von einem sogenannten Voll- oder Erzwingungsstreik ausgehen, sie kann auch erst im Nachhinein valide Angaben erstellen. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass es Unternehmen gibt, die von Arbeitskämpfen profitieren (z. B. Fluggesellschaften, Mitfahrzentralen oder Autoverleihfirmen bei Streiks im Transportsektor).27 Aufgrund der langjährigen Erfahrungen in verschiedenen Ländern kann man festhalten, dass in dezentralisierten, unkoordinierten Tarifkonstellationen mit mehr Arbeitskämpfen zu rechnen als in relativ zentralisierten und koordinierten. Steigende Folgekosten in Form eines höheren Konfliktniveaus aufgrund veränderter Verteilungskonstellationen sind aktuell auch in Tarifauseinandersetzungen der Bundesrepublik Deutschland zu beobachten, die bisher in internationalen Vergleichen stets als „streikarm“ eingestuft wurde (European Foundation 2007, 23ff.). Bis dato streikunerfahrene Gruppen sammeln Primärerfahrungen, die zu mehr Selbstbewusstsein 26 So sind von einem Streik im Güterverkehr vor allem Fahrzeugbau und Stahlindustrie betroffen. Wir behandeln nicht die Konsequenzen für mittelbar betroffene Konkurrenten, wie private Airlines, private Krankenhäuser oder private Bahnunternehmen, die eher für Tarifeinheit und gegen Spartentarifverträge plädieren. Deren Arbeitsbedingungen sind aus Arbeitnehmersicht häufig schlechter, was auf mangelnde Durchsetzungsfähigkeit infolge niedriger Organisationsgrade der Gewerkschaften zurück zu führen ist. 27 18 bei der Durchsetzung ihrer Forderungen bzw. zu einer höheren Konfliktbereitschaft führen (Dribbusch 2006). Im Gegensatz zu früheren Streiks sind die privaten und öffentlichen Dienstleistungssektoren häufiger und stärker betroffen als die produzierenden Sektoren. 4.3. Rechtliche und faktische Folgen Das Streikrecht ist ein hohes Gut, welches den Schutz des Grundgesetzes genießt (GG, Art.9, Abs.3). Justiziabel ist nur die Frage einer Verhältnismäßigkeit von Streiks und damit ausgelösten wirtschaftlicher Schäden. Ob das bis dato geltende, vom Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung entwickelte und aus pragmatischpolitischen Gründen der Rechtssicherheit und –klarheit stets favorisierte Prinzip der Tarifeinheit („ein und nur ein Tarifvertrag pro Unternehmen“) ein schützenswertes Gut bleibt oder durch das Prinzip der Tarifkonkurrenz (das heißt die parallele Geltung mehrerer Tarifverträge in einem Unternehmen oder die Tarifpluralität bei Koalitionswettbewerb) allmählich abgelöst werden soll ist noch nicht absehbar (zu unterschiedlichen Sichtweisen vgl. Rieble 2006, Greiner 2007, Kempen 2008, Zachert 2008). Aktuelle Konflikte können nur durch Kollektivverhandlungen bzw. den Abschluss von Tarifverträgen und nicht durch einstweilige Verfügungen bzw. Urteile zuständiger Gerichte gelöst werden (wie es etwa ein Gericht mit zeitlich begrenzten Verboten von Streiks im Personenfern- und Güter-, nicht aber im Regional- und Nahverkehr versucht hatte). Insofern kann die Anrufung der Arbeitsgerichte zur Verschaffung taktischer Vorteile stets nur zur temporären Stilllegung des Konflikts, nicht aber zur dauerhaften Lösung eines Konflikts führen. Urteile können die rechtlich-institutionellen Rahmenbedingungen des korporativen Handelns beeinflussen und zugunsten einer Partei verschieben (etwa Streiks nicht nur im Nah-, sondern auch im Personenfern- und Güterverkehr zulassen). Darauf stellen sich die korporativen Akteure in der Folge ein, wie ihre Reaktionen auf die sukzessive Veränderungen des Arbeitskampfrechts durch Formulierung eines sog. Richterrechts in der Geschichte der Bundesrepublik seit Mitte der 1950er Jahre belegen (Däubler 2004, Hanau/Adomeit 2005). Die faktische Reichweite möglicher rechtlicher Interventionen ist und bleibt also begrenzt, organisationspolitische Strategien der beteiligten Verbände bleiben notwendig. 19 5. Einige tentative Schlussfolgerungen 5.1. Gestaltung der Beziehungen zwischen Verbänden Im Prozess der Erkenntnisgewinnung kann manchmal ein Blick über die Grenzen hilfreich sein. Über welche Erfahrungen verfügen andere Länder, vor allem solche, in denen im Gegensatz zur Bundesrepublik nicht das Prinzip der Industrie- und Einheitsgewerkschaft sondern Gewerkschaftspluralismus dominiert? Das wohl prominenteste Beispiel stellt Großbritannien dar. Die Erfahrungen mit den heterogenen, vielfach zersplitterten Organisationen („multi-unionism“) bis in die frühen 1980er Jahre sind bekannt: Die Berufsgewerkschaften kleiner Gruppen erreichten im dezentralisierten Tarifverhandlungen häufig hohe Entgeltsteigerungen, die zu Lasten anderer Gruppen führten, das Konflikt- bzw. Streikniveau war im internationalen Vergleich ungewöhnlich hoch, und diese Umstände führten zu den drastischen AntiGewerkschaftsgesetzen in der Thatcher-Ära (Dickens/Hall 2003). So ergibt sich im internationalen Vergleich für die deutsche Sicht zunächst ein überraschender Befund: „Die Annahme einer grundsätzlichen Überlegenheit einheitsgewerkschaftlicher Organisationsformen wird der Komplexität der Arbeitsbeziehungen in den unterschiedlichen Ländern nicht gerecht.“ (Prigge 1991, 504) Einerseits deuten die aktuellen Verhandlungsrunden hin auf eine Entwicklung zu eher „konfliktorischen“ Formen der Interessenregulierung. Andererseits bestehen trotz sich partiell überlappender Organisationsdomänen zwischen Industriegewerkschaften und Berufsverbänden keine erheblichen ideologisch-weltanschaulichen und/oder grundlegenden (partei-) politischen Differenzen, die einigermaßen stabile Kooperationsbeziehungen und die Entwicklung von generalisiertem Vertrauen auf lange Sicht erschweren oder gar unmöglich machen würden.28 Die gelegentlich geäußerte Vermutung, dass Industriegewerkschaften letztendlich nicht durch Arbeitgeber(-verbände) sondern durch andere Arbeitnehmerorganisationen in ihrer Existenz bedroht würden, ist in ihrer allgemeinen Form unrealistisch. 28 Weiterreichende Interessenunterschiede bestehen in wichtigen ordnungspolitischen Fragen, u. a. hinsichtlich der Pläne bzw. potentiellen Folgen einer umfassenden Privatisierung sowie eines Börsengangs der Deutschen Bahn. Transnet und GDBA unterstützen diese Absicht grundsätzlich und fordern lediglich Arbeitsplatzgarantien; die GDL hingegen lehnt eine Privatisierung vehement ab (GDL 2007, Werner 2007). Strittig sind u. a. die konkreten Konzepte für eine Privatisierung, die recht unterschiedliche Konsequenzen für die Beschäftigten haben. Auf die Aktivitäten von Verbänden als Lobbygruppen, die politische Entscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen versuchen, gehen wir im Folgenden nicht ein (vgl. hierzu Müller/Wilke 2006, Schröder et al. 2008). 20 Insgesamt erscheint weniger der reine Grad der Fragmentierung bzw. der Pluralisierung der Tarifverbände relevant29 (anders Hoffmann 2007), als vielmehr die langfristige Entwicklung der konkreten Gestaltung der zukünftigen Beziehungen zwischen den konkurrierenden Verbänden.30 Diese wesentlichen Interorganisationsbeziehungen können je nach Erfahrungen, Interessen und Strategien der korporativen Akteure vorrangig durch Konkurrenz oder durch Kooperation geprägt sein; Formen einer pragmatischen Zusammenarbeit bzw. gegenseitigen faktischen Anerkennung können in inhaltlicher und/oder zeitlicher Hinsicht Unterschiede aufweisen.31 Falls Formen einer pragmatisch orientierten Koexistenz dominieren, ist Konkurrenz von Industriegewerkschaften und Berufsverbänden in Bezug auf Formen, Ergebnisse und Auswirkungen auf die Interessenvertretung weniger problematisch als im Fall einer vorherrschenden Rivalität. Kooperative Arbeitsbeziehungen können auf Arbeitnehmerseite, wie in der Vergangenheit in verschiedenen Tarifbereichen üblich, durch vertraglich vereinbarte Tarifgemeinschaften erreicht werden; außerdem können Kooperationsabkommen geschlossen werden über praktikable Arbeitsteilungen bei der Interessenvertretung verschiedener Beschäftigtengruppen, vor allem über Abstimmungen der Forderungen im Rahmen der Tarifpolitik (einschl. möglicher Arbeitskämpfe). Das Ziel derartiger strategischer Allianzen, die nur bestimmte und nicht sämtliche potentiellen Tarifbereiche einbeziehen können, besteht für die Industriegewerkschaften in der Bewahrung bzw. Wiederherstellung einer gewissen „Tarifeinheit“ unter dem Dach einer gemeinsamen, für alle Beschäftigten geltenden Basis- bzw. Mantelvereinbarung. 29 Ein praktisches Beispiel ist das Journalistengewerbe, in dem traditionell ein gemeinsamer Vertrag mehrerer Gewerkschaften besteht. 30 Manche traditionellen Konfliktlinien verschieben sich in einer zumindest für externe Beobachter unerwarteten Richtung. Im Tarifbereich des öffentlichen Dienstes erfolgt seit dem Tarifkonflikt 2006 eine enge, vertraglich fixierte Kooperation zwischen DGB-Gewerkschaften, vor allem ver.di, und dbbtarifunion (Kempe 2008), die jahrzehntelang ihre Nicht-Beziehung - bei in aller Regel identischen Tarifabschlüssen - sorgsam gepflegt hatten. Diese Annäherung zwischen DGB- und DBBMitgliedsorganisationen, die pragmatischen Kalkülen in Bezug auf aktuelle Möglichkeiten der Durchsetzung gleich gerichteter Interessen geschuldet ist, war in Anbetracht der Konkurrenzsituation innerhalb beider Verbände heftig umstritten. Diese sog. Vereinbarungsabsprache ist beachtenswert und kann von grundsätzlicher Bedeutung für die weitere Entwicklung der Kooperation sein, ohne dass weiter gehende organisatorische Veränderungen im Sinne echter Zusammenschlüsse („mergers“) intendiert sind. - Im Übrigen weist auch die 2005 durch Vertrag vereinbarte Tarifgemeinschaft von GDBA und Transnet in diese Richtung einer Bildung von Zweckgemeinschaften. Vorher bestand eine Tarifgemeinschaft zwischen GDBA und GDL, die aufgelöst wurde. 31 Während sich zwischen DGB- und DBB-Mitgliedsverbänden eher Tarifkooperation abzuzeichnen scheint, dominiert zwischen DGB-und CGB-Organisationen nach wie vor Tarifkonkurrenz (Bispinck 2006, 61ff). 21 Solche perspektivischen, langfristig geltenden Vereinbarungen erweisen sich jedoch wegen des Grundsatzcharakters ihrer Regelungsmaterie als kompliziert, da die zukünftigen Handlungsspielräume für die Tarifparteien, die im Rahmen der erreichten Eigenständigkeit als Verhandlungspartner anerkannt sind, damit ihre mühsam durchgesetzten Autonomie - mindestens partiell - wieder eingeengt sehen. Um einen hohen Grad an Wirksamkeit zu garantieren, müssten sich möglichst alle konkurrierenden Gewerkschaften an derartigen Abkommen beteiligen, die u. a. die wechselseitige Anerkennung der Tarifverträge in ihren persönlichen und fachlichen Geltungsbereichen regeln.32 Ansonsten verfügte jede nicht-beteiligte Organisation über eine strategische Vetoposition, die sie zu ihrem Vorteil nutzen kann, indem sie den von den anderen Verbänden ausgehandelten Bedingungen nicht zustimmt sondern weiter gehende spezifische Konzessionen zugunsten der eigenen Mitglieder durchzusetzen versucht. Die Arbeitgeber sind bei multilateralerTarifkonstellation am Abschluss von Kooperationsvereinbarungen33 mit dem Ziel einer Minimierung oder Ausschaltung der Tarifkonkurrenz interessiert, d. h. die Koordination ist nicht nur das Interesse der industriegewerkschaftlichen Arbeitnehmerseite. Dabei ist klar, dass es sich stets um komplexe und langfristige, notwendigerweise aber unvollständige und daher relationale Verträge im Sinne der Transaktionskostentheorie handelt (Williamson 1985, 1996). Diese Kontraktform kann die Möglichkeit späteren opportunistischen Verhaltens eines oder beider Vertragspartner also zwar reduzieren, nicht aber vollständig ausschließen; deshalb können hohe nachträglich Transaktionskosten (Überwachungs- und Kontrollkosten), den Gesamtnutzen der Vereinbarung deutlich reduzieren. Durch den formalen Abschluss einer Kooperationsvereinbarung sind also Konflikte, die auf eine gewisse Standardisierung der zwischenverbandlichen Beziehungen zielen, nicht immer beendet. Eine durchaus mögliche „Vielfalt in der Einheit“ belegt nicht nur die aktuelle Entwicklung in der Bundesrepublik, sondern auch Beispiele anderer Länder (Prigge 32 Walton/McKersie (1991) haben in ihrem interdisziplinären Ansatz schon früh darauf hingewiesen, dass neben dem distributive bargaining auch andere Subprozesse die Verhandlungsergebnisse wesentlich beeinflussen (integrative bargaining, attitudinal structuring, intraorganizational bargaining). Unsere Beispiele stellen eine weitere Bestätigung dieser Vermutungen dar. 33 Das prototypische Beispiel ist der sog. Grundlagentarifvertrag bei der Deutschen Bahn, welcher die Beziehungen zwischen Bahn und GDL regelt, indem er die „konflikt- und widerspruchsfreie“ Einordnung des eigenständigen Tarifvertrages in das Gesamttarifgefüge zu klären versucht. Ein wesentlicher Konfliktpunkt war die Zuordnung der rd. 3000 Lokrangierführer sowie der Lokführer bei der DB Zeitarbeit GmbH. Die Bahn machte den Abschluss dieses Vertrages zur conditio sine qua non für die Unterzeichnung des bereits endverhandelten Entgelttarifvertrages. 22 (1995) zu Großbritannien; Prigge (2000) zu Belgien und Frankreich). Im Übrigen hält sich im internationalen Vergleich der EU- oder OECD-Mitgliedsländer die Zunahme der Organisationsvielfalt und damit einer „Syndikalisierung“ der Interessenpolitiken durch zunehmende Aktivitäten kleiner Berufsverbände in der Bundesrepublik nach wie vor in engen Grenzen. 5.2. Gründung neuer Verbände? Die Gründung eines Verbandes ist in organisationstheoretischer Perspektive ein voraussetzungsvolles Unterfangen, welches nur selten und nur langfristig gelingen kann. Um einen Organisationsgrad zu erreichen, der einen Arbeitskampf mit Aussicht auf Erfolg überhaupt erst ermöglicht, bedarf es nicht nur der Organisationsbereitschaft einer relativ homogenen und mit der Entwicklung ihrer Arbeitsbedingungen (vor allem der Entgelte) unzufriedenen Gruppe mit einer ausgeprägten spezifischen Identität. Es bedarf außerdem des Einsatzes erheblicher, stets knapper Ressourcen an Personen (vor allem an sogenannten politischen Unternehmern mit entsprechenden Qualifikationen zur Organisierung von Austauschbeziehungen, vgl. Moe 1980), an Finanzen (einschließlich des unverzichtbaren Aufbaus eines Streikfonds), sowie an Zeit zur Erreichung innerverbandlicher Mehrheiten. Schließlich muss nach innen die Mobilisierungs- sowie nach außen die Verpflichtungsfähigkeit des neuen Verbandes gegeben sein, um seine explizite Anerkennung als Tauschpartner bzw. als Tarifvertragspartei durch externe Akteure, also Arbeitgeber und deren Verbände, und Arbeitsgerichte, durchsetzen zu können (zu den rechtlichen Problemen WendelingSchröder 2007). Diese Prozesse dauern in der Regel mehrere Jahre. Alle derzeit aktiven Berufsverbände sind keine mehr oder weniger spontanen Neugründungen mit entsprechenden finanziellen, personellen und zeitlichen Kosten sondern bestehen schon lange Zeit;34 sie stellen keine Abspaltungen im Sinne von „breakaway unions“ angelsächsischen Typs dar und insofern handelt es sich nicht um aktuelle Prozesse institutioneller Differenzierung und gewachsener Arbeitsteilung im engeren systemtheoretischen Sinne (tatsächlich lief ja die im vergangenen Jahrzehnt dominierenden Entwicklung zu Zusammenschlüssen von Industrie- zu 34 Die GDL ist die älteste deutsche Gewerkschaft (zur Geschichte ausführlich GDL 1992, Schröder et al. 2008), der Marburger Bund wurde 1947 gegründet (zur Geschichte ausführlich Rottschäfer/Preusker 1997). Zur Erinnerung: Die ersten deutschen Gewerkschaften waren berufsständisch orientierte Verbände vergleichsweise gut qualifizierter Arbeitnehmer und keine Industriegewerkschaften. 23 Multibranchengewerkschaften dieser Theorie strikt entgegen).35 Die schon lange bestehenden Berufsverbände geraten erst jetzt aufgrund ihrer verstärkten Aktivitäten ins Blickfeld der Öffentlichkeit, weil sie ihre Verbandsstrategien ändern und die über viele Jahre bestehenden Verhandlungsgemeinschaften mit Industriegewerkschaften kündigen, d. h. deren faktische Tarifführerschaft nicht mehr anerkennen sondern als eigenständige Akteure auftreten. Insofern ist der verwirrende Eindruck einer Entwicklung sowohl zu größeren Multibranchen- als auch zu kleineren, berufsständischen Verbänden zu erklären. Typischerweise handelt es sich trotz der Heterogenität von Ursachen und spezifischen Rahmenbedingungen der individuellen Fälle ausnahmslos um Gruppen aus bestimmten Dienstleistungssektoren, deren Tarifverträge denen des Öffentlichen Dienstes aus historischen Gründen (noch) relativ ähnlich sind (Hensche 2007, 1031). Daher sind nur einzelne DGB-Gewerkschaften tangiert, nämlich ver.di und Transnet. Sowohl die klassischen als auch die neuen Branchen der Privatwirtschaft („new economy“) und ihre Verbände sind dagegen nicht berührt. Ähnliche Aktivitäten weiterer Verbände sind denkbar wenngleich ich sie auch nicht für wahrscheinlich halte. Kandidaten wären aufgrund der arbeitsteilig organisierten, aber eng verknüpften Produktionsprozesse und Lieferketten (einschl. der weit verbreiteten just in time-Produktion) weitere Gruppen in strategisch wichtigen Positionen mit hohem Drohpotential (wie Fahrdienst- oder Stellwerkbedienstete im Bereich der Deutschen Bahn, Straßenwärter, Ingenieure oder IT-Experten in Branchen des sekundären oder tertiären Sektors). Ob sie allerdings die skizzierten notwendigen organisatorischen Voraussetzungen erfüllen (können), ist zumindest kurz- und mittelfristig zweifelhaft: Kollektive Strategien sind aus individueller Sicht (zu) teuer und (zu) langwierig; eine Anknüpfung an bereits bestehende Verbandsstrukturen im Sinne einer Mutation zu tariffähigen Verbänden dagegen dürfte nur in Ausnahmefällen gelingen. Selbst die derzeit aktiven Verbände (vor allem Marburger Bund und GDL) stoßen aufgrund ihrer knappen Ressourcen, etwa in Folge der hohen Belastung der kleinen Zahl ihrer Hauptamtlichen, an die Grenzen ihrer kollektiven Handlungsfähigkeit. Ob sie nicht nur streikähnliche Kampfmaßnahmen und Warnstreiks („Streiks light“) sowie eine zeitlich eng begrenzte „Politik der Nadelstiche“ führen, sondern diese auch zu einem im Prinzip unbefristeten Voll- bzw. Erzwingungsstreik eskalieren und gegen 35 Zur Erinnerung: Die Anzahl der Mitgliedschaften des DGB halbierte sich zwischen 1995 und 2001 24 zunehmenden Druck von Arbeitgebern und Öffentlichkeit wirklich durchstehen könnten, ist wegen mangelnder Erfahrung ungewiss. Auch die Frage, ob Berufsverbände nach einer weitgehenden Erfüllung ihres ursprünglich reklamierten „Nachholbedarfs“ in den folgenden Tarifrunden mehrfach mobilisierungs- bzw. streikfähig wären, um weiter gehender Forderungen durchzusetzen, muss infolge fehlender Erfahrung derzeit ungeklärt bleiben. Ihre begrenzte Ausstattung mit materiellen Ressourcen setzt ihrer häufig beschworenen „Militanz“ und hochgradigen „Aggressivität“ Grenzen. Nach anfänglichen Erfolgen sind interne Auseinandersetzungen über die grundsätzliche Ausrichtung der zukünftigen Verbandspolitik zwischen den Polen Kooperation und Konflikt bzw. in Bezug auf den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen mit konkurrierenden Organisationen nicht auszuschließen. Schließlich hat der neue Status eines eigenständig-autonomen Tarifpartners erhebliche Folgen für den formalen Aufbau der Organisation, d.h. ihre interne Arbeitsteilung und Differenzierung (u. a. Aufbau einer Tarif- und Rechtsabteilung) (Röck 2008). Diese notwendigen Anpassungen von Strukturen und Verfahren an veränderte Arbeitsfeldbedingungen erfordern vor allem personelle Ressourcen (u. a. eine Stärkung des Prinzips der Hauptamtlichkeit). Daher ist entgegen häufig in der Öffentlichkeit geäußerten Vermutungen, in Zukunft nicht mit einer deutlichen Zunahme autonomer Aktionen von Berufsverbänden zu rechnen.36 Die behandelten, insgesamt wenigen Beispiele sind wohl „nicht die Vorboten des gewerkschaftlichen Partikularismus“ (Hensche 2007, 1031) und leiten keine Kettenreaktion ein. Allerdings ist davon auszugehen, dass die aktuellen Aktivitäten nicht nur vorübergehender sondern dauerhafter Natur sind. Von einer weitgehenden „Atomisierung des Tarifvertragssystems“ infolge eines zunehmenden Gewerkschaftspluralismus kann auf Dauer kein korporativer Akteur profitieren, wenn man von wenigen Berufsverbänden absieht, die ihre Einkommenssowie vor allem ihre Statusinteressen durchzusetzen in der Lage sind. Nicht nur für die anderen Gewerkschaften sondern auch für die Arbeitgeber und ihre Verbände ergibt sich aufgrund der zunehmenden Zahl notwendiger Verhandlungen eine von 16 auf acht. 36 Daher ist die mehrfach öffentlich ausgesprochene Drohung des Marburger Bundes, eine „Gesundheitsgewerkschaft“ für Pflegekräfte, Krankenschwestern und das übrige nicht-ärztliche Personal gründen zu wollen, als eher unrealistisch einzustufen. Dieser Schritt würde faktisch eine wesentliche Ausweitung der organizational domain bedeuten, auch wenn es sich formal nicht um eine Öffnung des MB handelt würde; die Erreichung dieses Ziels würde den Einsatz erheblicher Ressourcen sowie viel Zeit erfordern. 25 deutliche Erhöhung sowohl der ex ante- als auch der ex post-Transaktionskosten, welche die Höhe der Gesamtkosten einer Organisation wesentlich bestimmen. 6. Ausblick Eine wichtige potentielle Folgewirkung der stärker berufsständisch orientierten Interessenvertretung wird in der aktuellen Diskussion erstaunlicherweise nicht behandelt. In dualen, arbeitsteilig-kooperativ angelegten Systemen der Arbeitsbeziehungen wie dem deutschen (Keller 2008, Müller-Jentsch 2007) hat eine Stärkung von Berufsverbänden nicht nur direkt-unmittelbare Folgen für die Sektoroder Branchenebene in Form des Abschlusses eigenständiger Tarifverträge, die mit denen der entsprechenden Industriegewerkschaft konkurrieren. Die zwischenverbandliche Konkurrenz kann auch langfristige, indirekt-mittelbare Konsequenzen für die Betriebsebene haben, da beide Ebenen formal, nicht aber faktisch unabhängig voneinander sind, sondern eine „widersprüchliche Einheit“ (Streeck 1979, 217) bilden,: Wie kann etwa der Betriebsrat als gewerkschaftsunabhängige Interessenvertretung aller Arbeitnehmer Geschlossenheit und damit Handlungsfähigkeit erlangen, wenn mehrere Gewerkschaften verschiedene Gruppen von Arbeitnehmern des Unternehmens organisieren? Gelingt den Mitgliedern des Betriebsrats die Kooperation bzw. ein Interessenausgleich trotz unterschiedlicher gewerkschaftlicher Orientierungen? Wie werden die knappen Ressourcen (wie die im Betriebsverfassungsgesetz garantierten Freistellungen nach dem Prinzip der Verhältniswahl) intern auf die Gruppen verteilt? Dominiert eine Fraktion innerhalb des Betriebsrats und verfügt damit über eine Machtbasis? Welche Gruppierung übernimmt den Vorsitz, der mindestens eine primus inter pares-Position ermöglicht? Wie versucht das Management, seinerseits die Beziehungen mit den Fraktionen innerhalb des Betriebsrats zu gestalten? Kommt es zur Gleichbehandlung oder zu einer Privilegierung bestimmter Vertreter oder Fraktionen? Kommt es zu zusätzlichen Freistellungen? Wie erfolgt die (stets auch interessengeleitete) Umsetzung und Implementation der geschlossenen Kollektivverträge unter Einbeziehung der Fraktionen des Betriebsrats? Verlaufen die Entwicklungen zu mehr Kooperation oder Konflikt auf sektoraler und betrieblicher Ebene parallel? Die aktuellen Entwicklungen sollten auch neoliberalen und sonstigen Fundamentalkritikern zu denken geben, die seit den 1990er Jahren vehement eine strikte 26 Dezentralisierung bzw. Verbetrieblichung des etablierten Systems der Branchenbzw. Flächentarifverträge in Form seiner Ablösung durch Haus- bzw. Firmentarifverträge fordern (für andere Berthold/Stettes 2001).37 Die Ordnungs- und Friedensfunktion von (Verbands-)Tarifverträgen, welche durch die seit den 1990er Jahren zunehmende Möglichkeit der Vereinbarung verschiedener Varianten von Öffnungsklauseln verbessert werden konnte, wird aufgrund der aktuellen Erfahrungen mit den Aktivitäten von Berufsverbänden deutlicher denn je zuvor erkennbar als ein hohes Kollektivgut. Die Koordinationsfähigkeit des auf überbetrieblich-sektorale Abschlüsse orientierten deutschen Tarifvertragssystems ist eines seiner wesentlichen Strukturmerkmale, das langfristig durch die Konkurrenz kleiner Berufsverbände beeinträchtigt werden könnte. Literatur: Behrens,M. (2001), Lufthansa pilots pay dispute draws to close, http://www.eurofound.europa.eu/eiro/2001/06/feature/de0106226f.htm Berthold.N./Stettes,O. (2001), Der Flächentarifvertrag – vom Wegbereiter des Wirtschaftswunders zum Verursacher der Beschäftigungsmisere. 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(2006), Arbeitskampf im Wandel – Zur Streikentwicklung seit 1990, WSI-Mitteilungen 59, 382-388 37 In organisationstheoretischer, konkret populationsökologischer Perspektive gilt außerdem folgender Zusammenhang, der weit über die Ziele unserer Analyse hinaus weist: „We think that the number of unions in a society is an interesting sociological variable in its own right. A society in which, say, all union members belong to a single union has a quite different structure from one in which the same number of members are organized into a thousand one. For one thing, the average (and maximum) size of unions differs greatly in the two cases, and size is associated with a great many dimensions of internal structure. For another, the totality of collective actions by unions will obviously be more diverse in the second case than in the first“ (Hannan/Freeman 1987, 914). 27 Ebbinghaus,B. 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